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Die Opfer => Die Opfer => Weitere Opfer => Thema gestartet von: Stordfield am 25.01.2009 20:05 Uhr

Titel: Annie Farmer
Beitrag von: Stordfield am 25.01.2009 20:05 Uhr
Hallo !

Ich weiß, daß Annie Farmer am 20.11.1888 mit durchschnittener Kehle aufgefunden worden ist. Mehr aber auch nicht.
Könnt ihr mir weiter helfen und meine Wissenslücke stopfen?

Gruß Stordfield
Titel: Re: Annie Farmer
Beitrag von: Alexander-JJ am 26.01.2009 12:17 Uhr
Annie Farmer wurde 1848 geboren und erlitt am besagten Tag einen oberflächlichen, jedoch stark blutenden Schitt über der Kehle. Das sah schlimmer aus als es war. Die Verletzung war sehr leicht und für Annie bestand zu keiner Zeit Lebensgefahr oder auch nur die Gefahr dauerhafte Schäden davonzutragen.

Sie selbst behauptete JTR habe sie angegriffen. Die Polizei war von Anfang an skeptisch und stellte sie Suche nach dem Täter bald ein. Polizeiintern ging man wohl davon aus, das sie sich die Wunde selbst zugefügt hatte.

Angeblich gab es kurz nach der Tat, auf ihre Schreie hin, einen kleinen Tumult. Ein Mann, niemand weiß ob er was damit zu tun hatte oder nicht, musste die Beine in die Hand nehmen um nicht gelyncht zu werden. Der Mann wurde, soweit wir das wissen, nie gefasst oder als Zeuge vernommen. Sein Name konnte nicht festgestellt werden.
Titel: Re: Annie Farmer
Beitrag von: Stordfield am 26.01.2009 17:18 Uhr
Hallo !

Vielen, vielen Dank Alex! Wieder ein kleines Mosaiksteinchen für mich.

Gruß Stordfield
Titel: Re: Annie Farmer
Beitrag von: Stordfield am 26.01.2009 17:57 Uhr
Ach, ich habe noch vergessen zu fragen, ob sie auch eine (Gelegenheits)-Prostituierte war .
Titel: Re: Annie Farmer
Beitrag von: Alexander-JJ am 26.01.2009 19:32 Uhr
Ja, kann man wohl so sagen.
Titel: Re: Annie Farmer
Beitrag von: Stordfield am 22.01.2012 13:21 Uhr
Hallo!

Einer gewissen Esther Hall gegenüber sagte Annie wohl aus, dass sie den Täter kannte (Er trug einen schwarzen Schnurrbart, dunkle Kleidung und einen Filzhut.) Angeblich machte der Mann sie betrunken, bevor er sie zu ihrer Unterkunft brachte. Warum, wenn man doch die Beschreibung des Täters hatte, wurde der Sache nicht weiter nachgegangen? Auch später, nach den Morden hätte man ihn doch noch ausfindig machen und befragen können.

Gruß Stordfield
Titel: Re: Annie Farmer
Beitrag von: Isdrasil am 22.01.2012 14:56 Uhr
Hallo Stordfield,

im Sourcebook Seite 380-382 konnte ich folgende Informationen finden (aus der "Times" vom Donnerstag, den 22. November 1888):
"On monday night the woman had no money, and, beeing unable to obtain any, walked the street until about half-past 7 yesterday morning. At that time she got into conversation, in Commercial Street, with a man, whom she describes as about 36 years of age, about 5ft 6in in height, with a dark moustache, and wearing a shabby black diagonal suit and hard felt hat. He treated her to several drinks until she became party intoxicated. At his suggestion they went to the common lodging house, 19, George-street, and paid the deputy 8d. for a bed......(at) half past 9, when screams where heard...she was partly undressed, and was bleeding profusely from a wound in the throat. She was asked what was the matter, and simply said `He`s done it`...."

Angesichts dieses Artikels kann man also davon ausgehen, dass es sich bei Annie Farmer zumindest um eine Gelegenheitsprostituierte gehandelt haben dürfte.
Interessant finde ich die Tatsache, dass der Mann vorschlug, in eine Wohnung zu gehen und sogar die Nacht zu bezahlen, wo doch das Geschäft der Prostitution im Allgemeinen ein schnelles und alltägliches Geschäft der Strasse war. Es ist zwar nicht meine bevorzugte Meinung, aber in diesem Zusammenhang lässt sich gerne überlegen, ob es tatsächlich der Ripper war, der nach dem Kelly Mord erneut die Innenraum-Situation aufsuchte und seine Taktik geändert hatte. Dagegen sprechen würde allerdings (neben dem üblichen "können wir den Aussagen überhaupt Glauben schenken?") die vermeintliche Unprofessionalität des Täters.

Titel: Re: Annie Farmer
Beitrag von: Isdrasil am 22.01.2012 15:08 Uhr
Zu den Vorgehensweisen nach der Tat findet man folgende Angaben in diesem Artikel:

- Dr. George Bagster Phillips und sein Assistent erschienen kurz darauf am Tatort und nähten die Wunde
- In Anbetracht der geringen Wundstärke und den versammelten Schaulustigen im Haus wurde Annie Farmer auf die Commercial Street Police-Station gebracht
- Es stellte sich heraus, dass Annie Farmer diesen Mann während der letzten 12 Monate anscheinend öfter getroffen hatte
- Aus diesem Grund wurde in Frage gestellt, ob dies in Zusammenhang mit den Whitechapel-Morden stehe
- Superintendent Arnold gab die Personenbeschreibung unverzüglich an Officer Thicke, New, McGuire und Andere weiter
- Gegen 10:30 (der Zwischenfall hatte sich etwa 45 Minuten vorher ereignet) wurde der Steckbrief an sämtliche Polizeistationen das Metropolitan Districts weitergeleitet
- Farmer wurde entlassen, ihr wurde Polizeischutz bei zukünftigen Unterkünften gewährt, bis der Täter gefasst sei
- Zurück im Haus in der George Street wurde sie erneut befragt, das Haus von einem Constable bewacht und abgeschirmt
Titel: Re: Annie Farmer
Beitrag von: Isdrasil am 22.01.2012 15:11 Uhr
Am 26. November 1888 schrieb die East Anglian Daily Times in einem Artikel:

"Upon enquiry at two o`clock on sunday morning it was found that no positive clue to the murderer hat been discovered...the police are inclined to believe that the affair was only an ordinary brawl...on saturday night there were still many amateur detectives parading the streets with intent to assist the police..."

Es darf also festgestellt werden, dass die Polizei wohl einige Maßnahmen einleitete, jedoch von Anfang an hinter dem Täter nicht den Ripper vermutete.

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Annie Farmer
Beitrag von: Stordfield am 22.01.2012 16:43 Uhr
Danke, Isdrasil!
Sehr interessant. Trotz der von Dir genannten Polizei- Maßnahmen habe ich irgendwie das Gefühl, dass die ganze Angelegenheit nicht mit dem nötigen Ernst behandelt wurde. Es ist ja nicht das erste Mal, dass die Beamten einen Mann nicht finden können, von dem sie eine genaue Beschreibung haben (z. B. "John Cleary"). Schon erstaunlich, wenn man bedenkt, wie wenig sie über den Ripper wußten. Ich an ihrer Stelle hätte nach jedem Strohhalm gegriffen.

Gruß Stordfield
Titel: Re: Annie Farmer
Beitrag von: Isdrasil am 22.01.2012 17:33 Uhr
Hallo Stordfield

Es muss noch erwähnt werden, dass - wie Alex JJ bereits sagte - kurz nach der Tat wohl ein Mann verfolgt wurde, der in die Thrawl-Street flüchtete.
Im Artikel vom 26.11. der East Anglian Times steht noch:
"Two of the men who described at the time the man...today reported that they have seen him, but that though they followed him he disappeared suddenly..."
Sollte man der ganzen Geschichte also glauben schenken, so rannte dieser Mann sogar Tage später unbehelligt auf offener Strasse herum. Rippermorde hin oder her, das ist natürlich ein Indiz für gewisse Missstände bzw. Überforderung in der Polizeiarbeit (wobei die Aussagen wirklich mit äußerster Vorsicht zu behandeln sind).

Was ich auch noch komisch finde - in diesem Artikel findet sich noch folgende Textpassage: "...who described the man believed to have commited the Berners Street and other murders..."

Wieso wurde hier explizit der Stride-Mord erwähnt? Wieso - gerade nach dem unglaublichen Mord an Kelly - nicht der Millers Court oder auch Mitre Square? Aufgrund des einzelnen Kehlschnittes etwa?

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Annie Farmer
Beitrag von: Craddock am 22.01.2012 18:09 Uhr
Nabend,

ich hab mal alle Zeitungsartikel, die ich auf dem PC abgespeichert habe, gezielt nach dem Namen Esther Hall durchsucht und bin fünfmal fündig geworden. Zudem stieß ich auf ein paar Aussagen in den Artikeln, die den Vorfall und seine Hintergründe eventuell ganz gut erahnen lassen. ich nehme an, man findet all diese Artikel auch auf Casebook.org, lege dafür aber meine Hand nicht ins Feuer. Ich fass mal zusammen, was sich in den Artikeln nachlesen lässt.

St. James Gazette vom 21. November 1888:

Gegen 4 Uhr im Morgen desselben Tages soll eine Frau, deren Alter hier mit etwa 28 angegeben wird, in Begleitung eines Mannes in das Lodging House in der 19 George Street gekommen sein und dort ein Bett gemietet haben. Laut Phillip Harris, der ebenfalls in dem Haus nächtigte, soll die Frau bis etwa 8 Uhr morgens gesungen haben (erinnert ein bisschen an Kelly :D), dann soll es still geworden sein. Gegen halb 10 soll dann ein Mann aus dem Zimmer gekommen  und in Eile auf die Straße hinausgerannt sein. Gleich danach stürzte eine Frau, die als "Dark Sarah" bekannt war, aus dem Zimmer und Harris bemerkte, dass ich Hals durchschnitten war und sehr stark blutete. In einem Interview mit der Press Association sagte Harris dann folgendes:

"Ich sah, was los war, worauf Einige von uns auf die Straße rannten und die Verfolgung des Mannes aufnahmen, der, wie uns gesagt wurde, die Thrawl Street hinaufgerannt war. Wir sahen den Mann vor uns; doch als wir die Ecke der Brick Lane erreichten, verloren wir ihn aus den Augen. Er war etwa 5´6´´ groß und hatte einen dicken schwarzen Schnurrbart. Ich bemerkte, dass er einen Übermantel mit einem Cape daran trug, aber ich sah nichts in seiner Hand."

Weiter geht es mit John Arundell, der in der 15 Wood Street, Spitalfields, lebte und angab, er sei am Morgen des besagten Tages in die 19 George Street gegangen, wo er die Frau auf einem Bett sitzend vorfand, während Dr. Phillips gerade ihre Halswunde versorgte. Als das erledigt war, stand die Frau auf und ging die Treppe hinunter. Danach wurde sie in eine Ambulanz verfrachtet und zur Commercial Street Police Station gebracht. Ab hier ist nicht mehr ganz klar, ob die folgenden Angaben noch auf Arundell zurückgehen oder sich schon den Einschätzungen der Polizei widmen. Da es im selben Absatz wie Arundells Aussage steht, könnte man vermuten, es würde wiedergegeben, was dieser am Tatort an Polizeimeinung aufgeschnappt hat, aber das ohne Gewähr. Erwähnt wird jedenfalls, dass die starke Meinung vorherrsche, bei dem Täter hier handle es sich nicht um Jack the Ripper. Und es wird erwähnt, dass den Verletzungen der Frau ein ernsthafter Streit voranging und das Gesicht des Übeltäters ernsthaft zerkratzt ist.

Dann ein eindeutiges Polizei-Statement: Der Superintendent der Commericial Street Police Station gibt an, die Halswunde der Frau sei nur oberflächlich und es habe zu keiner Zeit Lebensgefahr bestanden. Sie wurde inzwischen als eine gewisse Annie Farmer identifiziert.

Auftritt Esther Hall: "Ich habe im Keller des Hauses in der George Street übernachtet und wurde an diesem Morgen von einem Mann geweckt, der sagte, es sei ein Mord verübt worden. Ich lief die Treppe nach oben und fand dort eine liegende Frau vor, die mit Blut bedeckt war. Der Deputy legte ein Stück Stoff um ihren Hals. Ich fragte sie: "Können Sie sich selbst anziehen?", worauf sie antwortete, dass sie das nicht könne, worauf ich ihr dabei half. Dann habe ich gefragt: "Kannten Sie den Mann?". Sie antwortete: "Ja, ich war vor zwölf Monaten mit ihm zusammen und er hatte die Angewohnheit, mich sehr schlecht zu behandeln." Sie fügte hinzu, dass er einen schwarzen Schnurrbart und dunkle Kleider trug, so wie einen Filzhut und dass sie glaube, er wäre ein Saddler von Beruf. Farmer erwähnte zudem, der Mann habe sie betrunken gemacht, bevor er sie in dieses Haus brachte.

Fraglich ist hier, was sie mit "vor zwölf Monaten mit ihm zusammen" meinte. Entweder war er damals mal ein Kunde von ihr, oder sie hatte eine Beziehung mit ihm. Ersteres ist natürlich wahrscheinlicher, ansonsten ist kaum nachzuvollziehen, dass sie keinen Namen nennen konnte. Eventuell hat sie es Hall gegenüber so formuliert, um ihren zumindest "Nebenjob" als Prostituierte zu verschleiern.

Es schließt sich eine von der Polizei an alle Stationen telegraphierte Suchmeldung an: Gesucht für versuchten Mord verübt am 21. dieses Monats wird ein Mann, 36 Jahre alt (merkwürdig, die genaue Festlegung ohne schätzendes "etwa" davor), 5 Fuß 6 Inches groß, dunkle Gesichtsfarbe, keine Koteletten, dunkler Schnurrbart. Kleidung: Schwarze Jacke, Weste und Hose,  runder schwarzer Filzhut. Respektable Erscheinung. Kann identifiziert werden.

Der Artikel schließt mit dem Hinweis darauf, dass das Opfer aus dem George Yard Mord (Tabram) in der Geroge Street 19 lebte, während das Opfer aus der Osborn Street (Emma Smith vermutlich), nebenan in Nummer 18 lebte. Dann wird noch erwähnt, dass Kellys Vermieter McCarthy eine Postkarte erhalten hätte, in der es hieß, es würde am Mittwoch ein weiteres Opfer geben, und zwar nicht mehr als 100 Yards von der Dorset Street entfernt. Die George Street liegt zur Dorset Street etwa in dieser Entfernung.

Kann man ernst nehmen, muss man wohl aber nicht.

Die anderen Zeitungen, in denen ich noch was über die Hall Aussage gefunden habe, sind der Morning Advertiser (zweimal: Einmal die Ausgabe vom 22. November und dann noch einmal in der Ausgabe vom 31. Dezember), die Irish Times vom 22. November und dann noch der Daily Telegraph, ebenfalls vom 22. November.

Auf Wunsch seh ich die noch durch und schau mal, ob sie irgendwelche Unterschiede in den Kernaussagen enthalten. Vorher koch ich mir aber mal was.  :biggrin:
Titel: Re: Annie Farmer
Beitrag von: Direwolf am 22.01.2012 18:25 Uhr
Was ich auch noch komisch finde - in diesem Artikel findet sich noch folgende Textpassage: "...who described the man believed to have commited the Berners Street and other murders..."

Wieso wurde hier explizit der Stride-Mord erwähnt? Wieso - gerade nach dem unglaublichen Mord an Kelly - nicht der Millers Court oder auch Mitre Square? Aufgrund des einzelnen Kehlschnittes etwa?

Grüße, Isdrasil

Hallo Isdrasil:

Das nun nicht die Taten am Mitre Sqaure oder Millers Court erwähnt wurden legt zumindest die Vermutung nahe, dass die Polizei tatsächlich nur aufgrund des einzelnen Kehlenschnittes davon ausging, dass hier der Ripper nicht am Werk gewesen sein kann. Wahrscheinlich spielt hier auch noch der Fakt eine Rolle, dass Annie Farmers Verletzung nicht als lebensgefährlich eingestuft wurde. Vielleicht war sich der Täter hierbei nicht so ganz im klaren, ob er sein Opfer töten, oder einfach nur verletzen sollte, was bei den Rippermorden ja schon ganz anders ausschaut.

Merkwürdig bleibt trotzdem, dass dann aber Strides Fall Erwähnung findet. Wobei es natürlich auch sein könnte, dass abgesehen von Stride und den anderen Rippermorden zu der Zeit keine weiteren Verbrechen stattfanden, bei denen es darum ging auf die Kehle des Opfers loszugehen. Bleibt man dann nun bei dem einzelnen Kehlenschnitt bietet sich ja nichts anderes als Stride als Vergleichsopfer an. Ich möchte nun nicht gleich das Fass "Stride = Kein Ripperopfer" aufmachen, aber eventuell wurde von der Polizei - so rein routinemäßig - mal kurz drüber geschaut, ob hier möglicherweise doch 2 verschiedene Mord-/versuchs-reihen am Werk waren.

Liebe Grüße:
Direwolf
Titel: Re: Annie Farmer
Beitrag von: Isdrasil am 22.01.2012 19:59 Uhr
Hi

Bleibt man dann nun bei dem einzelnen Kehlenschnitt bietet sich ja nichts anderes als Stride als Vergleichsopfer an. Ich möchte nun nicht gleich das Fass "Stride = Kein Ripperopfer" aufmachen, aber eventuell wurde von der Polizei - so rein routinemäßig - mal kurz drüber geschaut, ob hier möglicherweise doch 2 verschiedene Mord-/versuchs-reihen am Werk waren.

Das war auch mein erster Gedanke. Möglicherweise versuchte man, die Taten reflektierter zu betrachten (ohne dies wertend im Bezug "Stride Pro oder Kontra" zu meinen). Stride bietet sich in diesem Fall eben durch den simplen Kehlschnitt einfach an. Seltsam ist irgendwie trotzdem, gerade weil die Presse ja gerne mal auf Sensation macht(e).

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Annie Farmer
Beitrag von: Craddock am 22.01.2012 22:16 Uhr
Der Bericht als solches ist im Morning Advertiser in etwa identisch. Die Aussage von Esther Hall scheint Wort für Wort übernommen zu sein. Interessant sind aber einige Passagen, die sich mit der Verfolgung des Mannes nach der Tat beschäftigen. Neben dem schon aus dem St. James Gazette bekannten Philipp Harris werden hier noch weitere Beteiligte mit Aussagen aufgeführt.

Morning Advertiser vom 22. November 1888:

hawker, named Philip Harris, who was sleeping in the lodging-house last night, when the woman was attacked, made the following statement yesterday:

"I don’t know anything about the woman, but I am told that she came into the lodging-house with a man at four o’clock this morning. About half-past nine I was sitting in the kitchen with eight or nine other men, when the woman came downstairs, and opening the staircase door, called out, ‘He’s done it.’ I looked round and saw her standing in the doorway with blood trickling down her neck. I did not hear any screams, and until the woman looked into the kitchen I had no idea that anything was the matter. We all jumped up and rushed out into the street, the woman saying the man had run away. Outside was a man with a cart delivering coal. We asked him if he had seen anybody run out, and he pointed to a man who was running round the corner of the street into Thrawl-street, saying, ‘There he goes.’ We gave chase, but could not catch him up, and we soon lost sight of him. A policeman was called, and the woman taken to Commercial-street police-station. She was not bleeding very much. We all thought at the time that it was ‘Jack the Ripper’ who had done it."


Hier ist nicht mehr die Rede davon, dass er selbst Farmer singen gehört hat. Komisch, haben sie sich das in der St. James Gazette ausgedacht, um eine direkte Verbindung zu einem der Morde herzustellen? Immerhin aber erhalten wir hier Infos darüber, wer ihn über den Fluchtweg unterrichtete.

William Sullivan, a dock labourer, lodging at No. 19, George-street, says that he came home at about twenty minutes past nine this (Wednesday) morning and went indoors to put his book away. He then came out and stood at the bottom of the stairs by the street-door. He had not, however, been there a moment before the woman appeared at the top of the stairs with her throat cut, and said a man had tried to murder her. He was told that a man had run up the street, and started with others in pursuit, but he did not actually see the man.

Frank Ruffell states: - I was in charge of a coke van in George-street at about a quarter past nine o’clock. While I was at No. 17 a man rushed out of No. 19. He was about five feet six in height, dressed in black, and wore a felt hat. He had a moustache, but no wiskers, and was fair and fresh looking. As he left the house I heard him say something about the woman. As he turned into Thrawl-street I saw a woman come out on the staircase and ask a man if he had seen anyone running away. The man replied "No," and the woman then said "He has cut my throat." I then left my van and ran into Brick-lane, but lost sight of the man. At the corner of Heneage-street I saw a policeman and told him of the occurrence. I afterwards made a statement to a detective sergeant. I noticed that the woman who came down the stairs had blood upon her throat. She was but partially dressed.

John Bennett, 10, Flower and Dean-street, states: - I was standing at the corner of George-street when John Whitehead and another, who goes by the nickname of "Bones, " ran from a house in pursuit of a man. There was a coal cart near, and the man in charge of it joined in the pursuit. The person escaping was a short man, and wore a moustache; but I was too excited to notice his dress. He entered Thrawl-street and ran down a narrow court, and was lost sight of. I noticed that he had blood marks on his hand, and that his face was scratched. If any alarm had been raised that the man was the East-end murderer I should have followed him.

Ganz unten wird dann noch erwähnt, dass die Verfolgungsjagd an zwei Polizisten vorbeiführte, die aber keine Anstalten unternahmen, den Mann zu verhaften. Wenn man manche Zeitungen liest, käme man fast auf den Gedanken es sei ein Hobby der Polizei gewesen, potenzielle Verdächtige laufen zu lassen. :D
Titel: Re: Annie Farmer
Beitrag von: panopticon am 24.01.2012 20:38 Uhr
Hi.

Habe ich doch gewusst, dass ich dazu irgendwann einmal einen Plan angelegt hatte! (Siehe unten, habe ihn nun extra ein wenig verkleinert.) Er bezieht sich auf die im Daily Telegraph vom 22. November 1888 durch Angaben von Zeugen beschriebene Fluchtroute (sollte ich mich irgendwo geirrt haben, bitte darauf hinweisen!) von Annie Farmers angeblichem Angreifer, die einen sehr eigenartigen Verlauf hat, wenn das stimmt, was da zu lesen war: Anstatt direkt um die rechte Ecke zu biegen und über die Flower & Dean Street vor zur Brick Lane zum Bell Public House zu laufen, rannte der Mann regelrecht einmal um den Block, um dann erst recht beim Bell anzukommen. Dass dort Polizisten standen, konnte er von Satchell´s aus nicht sehen, und das Problem hatte er später ohnedies, als er dort ankam. Fragt sich, wohin er dann gelaufen ist: Laut einem ´Gentleman´ zumindest ´down by the side of the Bell´, wobei unklar ist, ob er (1) seitlich am Bell vorbei die Brick Lane weiter nach Norden entlang lief – wogegen der Begriff ´down´ sprechen könnte, aber im simplen Sinne von ´die Straße runter laufen´ nicht muss, (2) über den Osborn Place in die Chicksand Street einbog, also die Straße ´seitlich´ am Bell ´runterlief´ oder (3) die Straßenseite wechselte und dann die Brick Lane auf der östlichen Seite (der, auf der sich das Bell befand) wieder in die Gegenrichtung, nämlich nach Süden, hinunterlief (vielleicht weil er die Polizisten vor dem Bells sah?).


Die Umgebung der Brick Lane jedenfalls sollte zwei Tage darauf erneut Schauplatz einer Verfolgungsjagd bezüglich eines angeblichen Übergriffes werden – und während im Fall Farmer die Frage bleibt, was denn mit dem Instrument passierte, das ihr und dem Mann ihre Wunden zufügte, war hier offensichtlich ein Messer im Spiel: Eine Frau in Begleitung eines Mannes schrie in einem Durchgang oder einer Durchfahrt nahe der Brick Lane ´Mord!´ und ´Polizei!´ , und letztere war auch bald zur Stelle und verfolgte den vermeintlichen Angreifer bis in die Nähe der Trumans, Hanbury & Buxton Brauerei (das ist auf 91 Brick Lane – Nördlich der Hanbury Street, konkret an der südöstlichen Ecke von Brick Lane und Buxton Street), wo er offensichtlich ein Messer zückte, letztlich jedoch überwältigt und zur Commercial Street Police Station gebracht wurde. Während irgendeine Zeitung feststellte, dass man ihn auch bezüglich des letzten Vorfalles verdächtigte, nannten andere diesen Fall gesondert, was auch immer man daraus lesen will.

Der Wortlaut war stets ähnlich, da der Bericht wieder einmal von der Press Association kam – hier die Version der Daily News vom 22. November 1888:


´
THE WHITECHAPEL MURDERS
AN ARREST

The Press Association says:- A man was arrested in the East end early this morning under very suspicious circumstances. Between one and two o'clock a woman, who was in company with a man in a narrow thoroughfare near Brick lane, was heard to call "Murder!" and "Police!" loudly. At the same moment the man was seen making off at a rapid pace. He was pursued with several streets by the police and detectives who have lately been concentrated in considerable numbers in the neighbourhood, and was captured near Truman, Hanbury, and Buxton's brewery. The man is reported to have drawn a knife and made a desperate resistance, but he was eventually overpowered and conveyed to Commercial street station.´


Einen Tag danach (23.) jedenfalls war in der Times zu lesen, dass die Polizei den angeblichen Angreifer von Annie Farmer nicht als den ´Ripper´ sah und erwartete, dass er sich selbst stellen würde, wodurch anzunehmen ist, dass sie ihn auch nicht mit dem Festgenommenen gleichsetzten - Bleibt die Frage, wie sie diesen bewerteten, immerhin mussten sie ihn ja sogar überwältigen...


Was hinsichtlich des Angreifers von Annie Farmer noch anzumerken ist: Sie gabelte ihn ihren Angaben nach in der Commercial Street auf, was durchaus zur Vorgehensweise ´des Rippers´ passen würde. Die verarmten Frauen wohnten ja zumeist alle in von den Hauptverkehrsstraßen umgebenen Rookeries, wie jenem hier im Bereich der Flower & Dean Street. Potentielle ´Gönner´ oder (wenn sie sich prostituierten) Freier suchten sie aber zumeist in der Nähe besonders geeigneter Plätze an den Hauptverkehrsstraßen, wie eben Christ Church, Whitechapel Station/Royal London Hopital, St. Botolphs/Aldgate Station,... (...wie ich hier einmal näher ausführte: http://jacktheripper.de/forum/index.php?PHPSESSID=09d281fca815884d3d0a9bb12cbceccb&topic=1301.msg20314#msg20314 ). Wo genau Farmer ihren behaupteten Angreifer auf der Commercial Street getroffen haben könnte, darauf lässt der oben erwähnte Artikel vom Daily Telegraph ebenfalls Schlüsse ziehen, wenngleich es auch irgendwo auf der Straße gewesen sein könnte, wie in der Geschichte des angeblichen Zeugen George Hutchinson im Fall MJK (da war es auf Höhe der Thrawl Street), deren Wahrheitsgehalt aber allgemein mehr als nur fraglich ist:

´She was to be seen nightly round the railings at Spitalfields Church (das ist die Christ Church, wo wohl auch Chapman und Kelly bevorzugt nach Freiern Ausschau hielten, Anm.), and used to sleep in odd corners whenever she failed to find some one to pay her for the price of a bed in a common lodging-house.´

Farmers generelles Verhalten deckt sich also auch mit meinen Ausführungen im anderen Faden, und das generelle Aufeinandertreffen mit ihrem angeblichen Angreifer würde also im Grunde zum Vorgehens des ´Rippers´ passen, der offensichtlich Frauen in der Umgebung solcher Orte gesucht zu haben scheint - jedoch auch zu allen anderen Männern, die bewusst nach Prostituierten suchten... Zudem ist es generell unwahrscheinlich, dass der bisher (außer im Fall Tabram, wenn er dafür verantwortlich war) ´ebenerdige´ Killer nun das Risiko einging, hier in einem geschlossenem Raum (was auch bei Tabram nicht der Fall war) in einem höheren Stockwerk (1. Stock) zuzuschlagen, und außerdem hat er direkte Wiederholungen in einer örtlichen Umgebung  scheinbar stets vermieden - nun hingegegen würde er bereits zum 3. Mal in der Umgebung der Christ Church zuschlagen – sogar zum 2. Mal in Folge. Die Richtung, in die er floh, ist aber wiederum auch passend zu jemandem, der vom Mitre Square aus die Goulston Street passierte. Insgesamt ist aber wohl berechtigterweise eher zu bezweifeln, dass wir es hier mit dem Mörder der anderen zu tun haben.


Grüße,
panopticon


P.S.: Der Vollständigkeit halber noch ein paar weitere Anmerkungen zum Plan: Die dunklen ´Gebäude´ zeigen einige Häuser, die mit der Biographie verschiedenster Personen aus dem Dunstkreis der Mordserie zu tun haben: Satchell´s Lodging House, 19 George Street ist eben auch jenes, in dem Tabram wohnte, als sie ermordet wurde, Smith wohnte auf 18. Polly Nichols wohnte vom 24. bis zum 30. August 1888 im ´White House´, einem doss house auf 56 Flower & Dean Street, neben dem sich auf 55 Cooney´s Lodging House befand, in dem Eddowes und John Kelly üblicherweise wohnten. (32 Flower & Dean Street, das Lodging House, in dem Stride wohnte, ist hier nicht zu sehen, es befindet sich etwas weiter westlich (links, der Plan ist korrekt herum) dieses Ausschnitts an der nördlichen Straßenseite.) Nichols trank in der Nacht ihrer Ermordung angeblich im Frying Pan und wurde danach aus Wilmott's Lodging House auf 18 Thrawl Street verwiesen, weil sie kein Geld mehr hatte. 16-17 Thrawl Street daneben waren ebenfalls Cooney´s Lodging Houses, und eines davon vermutlich jenes, in dem sich MJK und Barnett kennen lernten, zumal es in dieser Straße kein ´Cooley´s ´, wie behauptet wurde, gab. Thrawl Street ist eben auch jene Straße, in der Thomas Sadler angeblich beraubt wurde, und sich in Folge, weil sie ihm nicht beistand, von Frances Coles trennte.
Titel: Re: Annie Farmer
Beitrag von: Craddock am 24.01.2012 21:12 Uhr
Bevor ich was zum Inhalt des Posts schreibe (den ich noch nicht gelesen hab): Schön, dass du wieder mal vorbeischaust.  :biggrin:
Titel: Re: Annie Farmer
Beitrag von: Craddock am 24.01.2012 21:51 Uhr
Er bezieht sich auf die im Daily Telegraph vom 22. November 1888 durch Angaben von Zeugen beschriebene Fluchtroute (sollte ich mich irgendwo geirrt haben, bitte darauf hinweisen!) von Annie Farmers angeblichem Angreifer, die einen sehr eigenartigen Verlauf hat, wenn das stimmt, was da zu lesen war: Anstatt direkt um die rechte Ecke zu biegen und über die Flower & Dean Street vor zur Brick Lane zum Bell Public House zu laufen, rannte der Mann regelrecht einmal um den Block, um dann erst recht beim Bell anzukommen.

Hier würde ich widersprechen. Der Verlauf ist alles andere als seltsam, der ist sogar ausgesprochen clever (es sei denn seltsam ist hier auch als clever gemeint). Anstatt gleich in die Richtung zu laufen, in die er will, läuft er erst mal in entgegengesetzte Richtung und biegt dann innerhab kürzester Zeit um mehrere Ecken. Das klingt strategisch ziemlich ausgereift, definitv nach jemandem, der Erfahrung darin hat, Verfolger abzuschütteln. Anstatt einfach direkt in Richtung Ziel wegzulaufen, biegt er um einige Ecken, um den Sichtkontakt zu etwaigen Verfolgern, mit denen er angesichts des berichteten Tatverlaufs ja rechnen musste, abzubrechen. Das gibt ihm die Möglichkeit, nach einer schnellen Wende um eine Ecke eventuell in einem Hauseingang zu verschwinden, den er kennt und der eventuell direkt in eine andere Gasse oder Straße führt, wo er seine Flucht, nun unbehelligt von direkten Verfolgern, fortsetzen kann.
Titel: Re: Annie Farmer
Beitrag von: panopticon am 24.01.2012 22:14 Uhr
Hallo Craddock!

Zunächst: Ich hoffe, ich finde wieder öfter Zeit!

Zum Thema: ´Clever´ - Genau das habe ich mit ´eigenartig´ eigentlich gemeint! Erscheint irgendwie raffiniert, nicht? Der Kerl hatte scheinbar wirklich Erfahrung - Macht die Frage schwierig, wo er dann, egal  wo er ´down´ rannte, danach wieder hinlief - vielleicht ja sogar irgendwann wieder in Richtung Commercial Street (also zurück nach Westen), wo ihn Farmer ja getroffen hatte...? Aber irgendwie bleibt festzuhalten, dass es den Eindruck macht, dass (vorausgesetzt die Angaben stimmen) wir es hier nicht mit einem ´Amateurflüchtling´ zu tun haben.... Man kann es nicht oft genug sagen: Most maps have meaning!  8)

Beste Grüße!
Titel: Re: Annie Farmer
Beitrag von: Shadow Ghost am 24.01.2012 22:14 Uhr
Zunächst einmal auch von mir ein herzliches Welcome back, panopticon

Zu Annie Farmer! Ich habe diesem Fall eigentlich nie viel Beachtung geschenkt, voran sicher auch Artikel wie dieser Schuld sind:

The Times (London)
Friday, 23 November 1888
THE WHITECHAPEL OUTRAGE.
The man who committed the assault on Annie Farmer on Wednesday morning at a common lodging-house in George-street, Spitalfields, has not yet been captured. It is now believed that the wound to Farmer's throat was not made with a sharp instrument; also, that a quarrel arose between the pair respecting money, as, when the woman was at the station, some coins were found concealed in her mouth. The authorities appear to be satisfied that the man has no connexion with the recent murders, and expect that he will shortly surrender himself into their hands.

Titel: Re: Annie Farmer
Beitrag von: Shadow Ghost am 24.01.2012 22:28 Uhr
Auch solche Artikel machen mich nachdenklich über die Relevanz dieses Falles:

East London Advertiser
Saturday, 24 November 1888.
[...]What actually passed between the two actors in the scene is not at present known, but the principal fact is that the woman was not seriously injured, inasmuch as the slight scratch on her throat, inflicted, she says, with a knife, was not so dangerous as to prevent her offering to walk to the police station in Commercial-street, to which the police, with an exaggerated idea of her injuries, insisting on carrying her in an ambulance. One circumstance which may seem to disconnect the crime with other recent outrages is that the woman asserts that she has known her assailant for over 12 months. [...]
Titel: Re: Annie Farmer
Beitrag von: Craddock am 24.01.2012 22:34 Uhr

Zu Annie Farmer! Ich habe diesem Fall eigentlich nie viel Beachtung geschenkt, voran sicher auch Artikel wie dieser Schuld sind:


In Verbindung mit dem Ripper interessiert er mich ehrlich gesagt auch nicht. In diesem Fall (also Farmer jetzt) bin ich auch nach wie vor der Meinung, dass Annie und ihr Kunde irgendwie in Streit geraten sind und die Sache aus dem Ruder lief. Allein der weiter oben in einem der Artikel erwähnten Kratzer wegen, die der Angreifer (so er denn einer war, Annie wirkt irgendwie recht resolut auf mich) erlitten hat. Auch wenn er wusste, wie man abhaut (aber dafür gab´s ja wohl auch massig andere Gründe). Der Fall Farmer ist in jedem Fall ein weiteres schönes Beispiel dafür, wie es damals im East End zugeht, und deshalb denke ich, kann man da auch gerne mal einen Blick drauf werfen. Es muss ja nicht immer um unser aller Lieblingsirren gehen.
Titel: Re: Annie Farmer
Beitrag von: Isdrasil am 25.01.2012 12:05 Uhr
Hi

In Verbindung mit dem Ripper interessiert er mich ehrlich gesagt auch nicht. In diesem Fall (also Farmer jetzt) bin ich auch nach wie vor der Meinung, dass Annie und ihr Kunde irgendwie in Streit geraten sind und die Sache aus dem Ruder lief. Allein der weiter oben in einem der Artikel erwähnten Kratzer wegen, die der Angreifer (so er denn einer war, Annie wirkt irgendwie recht resolut auf mich) erlitten hat. Auch wenn er wusste, wie man abhaut (aber dafür gab´s ja wohl auch massig andere Gründe). Der Fall Farmer ist in jedem Fall ein weiteres schönes Beispiel dafür, wie es damals im East End zugeht, und deshalb denke ich, kann man da auch gerne mal einen Blick drauf werfen. Es muss ja nicht immer um unser aller Lieblingsirren gehen.

Da kann ich nur beipflichten!

@panopticon: Auch von mir - schön, dass Du wieder da bist und sofort etwas "Substanz" hier reinbringst.

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Annie Farmer
Beitrag von: Lestrade am 13.10.2013 17:50 Uhr
Hier noch zwei Artikel, die How Brown auf JTRForums reingestellt hat. Sheffield Evening Telegraph
21. Und 22. November 1888:

http://www.jtrforums.com/showthread.php?t=19841

http://www.jtrforums.com/showthread.php?p=216807#post216807

Titel: Re: Annie Farmer
Beitrag von: Lestrade am 13.10.2013 21:10 Uhr
Das gab es heute dazu auch noch:

http://www.jtrforums.com/showthread.php?p=216809#post216809

“Circumstances therefore gave colour to the theory that the man was the individual known as “Jack the Ripper.” The woman who was the victim of yesterday´s outrage was named Andre Annie Farmer. She is stated to be a married woman of good appearance, and about 34 years of age. A woman, who stated she had some knowledge of the circumstances, said the injured woman, who is also known as “Matilda,” has been in the habit of lodging in common lodginghouses in the locality, and had known the man who attacked her for about twelve months.”      

"Matilda"? "34 years of age"?

Die Schwester von Aaron Kozminski, Matilda Lubnowski, war in 1888 34 Jahre alt. Aaron Kozminski soll seine Schwester einmal mit einem Messer bedroht haben.

Ich weiß nicht genau, was in der George Street Nummer 19 abging. Emma Smith und Mylett residierten in der Nummer 18, Tabram in der Nummer 19, eben wie Annie Farmer.

Da erscheint dazu eine 34jährige Matilda? Aaron Kozminski´s Schwester Matilda Lubnowski wird doch nicht etwa dort ein kleines Zubrot verdient haben?

Immerhin könnte das eine Brücke zur Prostitution schlagen.

Merkwürdig!
Titel: Re: Annie Farmer
Beitrag von: Lestrade am 15.10.2013 10:32 Uhr
Hört, hört…

http://www.jtrforums.com/showthread.php?p=217165#post217165

In dem Falle hatte es gar nichts mit Farmer zu tun. Es handelte sich um eine andere Streitigkeit, bei der ein Messer gezogen wurde.

Also einmal der Fall Farmer, die ja 40 Jahre alt war und einmal könnte es sich um “Matilda“, 34 Jahre alt gehandelt haben. Spannend.

Erinnert mich an die Batty Street Lodger Geschichte, bei der Charles Ludwig in´s Spiel gebracht wurde, der gar nichts damit zu tun hatte.

Jeweils 2 separate Geschichten?
Titel: Re: Annie Farmer
Beitrag von: Lestrade am 15.10.2013 13:25 Uhr
Also ich finde es schon recht seltsam, dass es durchaus Hinweise gibt, dass hier zwei verschiedene Ereignisse zum Vorschein kommen. Einmal die Sache mit Annie Farmer, 40 Jahre alt, aus der George Street und einmal eine “Matilda“, 34 Jahre alt.

Nun ist es eine Tatsache, dass Aaron Kozminski eine Schwester hatte, die Matilda Lubnowski hieß und in 1888 34 Jahre alt war. Diese Frau evtl. “known the man“ (12 Month). Wir wissen, dass er seine Schwester einmal mit einem Messer angriff, wir wissen aber nicht wann aber vielleicht können wir es jetzt erahnen.

Jacob Cohen:

'he took up a knife and threatened the life of his sister'.

http://www.jtrforums.com/showthread.php?p=216807#post216807

“He is reported to have drawn a knife, and made a desperate resistance, but was eventually overpowered and conveyed to Commercial street Police Station.”  

Aus der Batty Street Lodger Geschichte:

"Falls der Mann der wahre Täter sei, lebte er vor einiger Zeit mit einer Frau, von welcher er beschuldigt worden ist."

Cox (City Police):

The murderer was a misogynist, who at some time or another had been wronged by a woman

Aaron Kozminski lebte offenbar abwechselnd bei seinen Geschwistern.

Cox (City Police):

“but it was not until the discovery of the body of Mary Kelly had been made that we seemed to get upon the trail”

"I was on duty in this street for nearly three months"


Zwischen Kelly (9.November) und der Farmer Geschichte (20-22. November 1888) lagen nur ein paar Tage und es könnte auf die Aussage von Cox gut zutreffen.

Macnaghten:

he was removed to a lunatic asylum about March 1889.

Hat Cox Ende November 1888 mit seiner Observation angefangen, dann war damit Ende Februar 1889 Schluß. Passt zu ca. März 1889 (Einweisung, siehe auch Sagar private Anstalt)

Es scheint offenbar, um die Zeit der Farmer Attacke, eine Auseinandersetzung zwischen eine 34jährigen Frau (Matilda) und einem Mann gegeben zu haben, wo ein Messer eine Rolle spielte.

Nun hat ausgerechnet Aaron Kozminski, von dem man weiß, dass er einmal seine Schwester mit einem Messer bedrohte, eine 34 jährige Matilda als Schwester, mit der er sicherlich zeitweise zusammenlebte. Nun passt ja Cox Beginn der Observation zeitlich gut zu diesem Vorfall und vor allem die Auffälligkeit, dass keine weiteren Morde stattfanden. Das (keine Morde) hatten wir schon einmal im Oktober 1888 bei der “Batty Street- Observations-Geschichte“, wo ausgerechnet Aaron Kozminski´s Bruder Woolf Abrahams in der Providence Street, einer “Verlängerung“ der Batty Street lebte.

Nun frage ich mich, ob die Bedrohung Richtung Matilda Lubnowski mit einem Messer durch Aaron Kozminski, um den 20. November 1888 herum stattgefunden haben könnte. 11-12 Tage nach dem Kelly Mord. Passt auch gut zum Kontrollverlust, den uns Isdrasil kürzlich beim Ripper darlegte. So könnte es auch durchaus die eigene Schwester irgendwie “erwischt“ haben. Es könnte auch implizieren, dass der Ripper langsam begriff, nicht mehr wie gewohnt agieren zu können. Ein Profiler meinte einmal, der Tatort Kelly zeugte von einem Mann, der kurz vor dem Zusammenbruch stand.

So könnte auch Cox den “Matilda“ Angreifer observiert haben, nämlich ihren eigenen Bruder, Aaron Kozminski, der bereits im Monat vorher von den Kollegen der MET in´s Visier genommen wurde, nachdem im Zusammenhang mit ihm, blutige Wäsche aufgetaucht war.

Was mich überrascht, ist einfach der Name “Matilda“, mit dem richtigen Alter und Name, was zur Schwester von Aaron Kozminski passt. Dazu dieser Streit mit einem Messer und wir wissen, dass zwischen dem Geschwisterpaar so etwas einmal ablief.

Ich weiß nicht, wie ihr dazu denkt aber ich finde das alles zu viel des Zufalls.

Ging Matilda Lubnowski irgendwo und irgendwann im November 1888 nach ihrem Bruder Aaron Kozminski schauen und fand ihn in oder nahe der George Street? Smith und Tabram sind mit der Ecke in Verbindung zu bringen, genau wie Farmer oder Mylett. Mal abgesehen davon, wie sie ihn vielleicht behandelte.

Hatte Sie eine Ahnung? War sie vielleicht DIE Informantin? Wehrte sie sich gegen die Vorgehensweise ihre eigenen Familie, ihrer Brüder und Schwager und dem zur Familie gehörenden Rabbi? War es ihr Brief, den Sir Robert Anderson so sorgfältig aufbewahrt haben soll?



Titel: Re: Annie Farmer
Beitrag von: Lestrade am 15.10.2013 15:22 Uhr
Wer sich für den Brief interessiert, der eine bestimmte Frau betrifft, kann sich hier gerne informieren:

http://www.casebook.org/dissertations/dst-emily.html

“2 CAVENDISH SQUARE
W.

My dear Anderson,

I send you this line to ask you to see & hear the bearer, whose name is unknown to me. She has or thinks she has a knowledge of the author of the Whitechapel murders. The author is supposed to be nearly related to her, & she is in great fear lest any suspicions should attach to her & place her & her family in peril.

I have advised her to place the whole story before you, without giving you any names, so that you may form an opinion as to its being worth while to investigate.

Very sincerely yours,
Crawford“

Es gibt dazu auch einige Erklärungen.

Sims (“via“ Macnaghten):

'The first man was a Polish Jew of curious habits and strange disposition, who was the sole occupant of certain premises in Whitechapel after night-fall. This man was in the district during the whole period covered by the Whitechapel murders, and soon after they ceased certain facts came to light which showed that it was quite possible that he might have been the Ripper. He had at one time been employed in a hospital in Poland. He was known to be a lunatic at the time of the murders, and some-time afterwards he betrayed such undoubted signs of homicidal mania that he was sent to a lunatic asylum.

"soon after they ceased certain facts came to light which showed that it was quite possible that he might have been the Ripper"
= Kamen sie mit "Matilda"? Kurz nachdem die Morde aufhörten?

"The policeman who got a glimpse of Jack in Mitre Court said, when some time afterwards he saw the Pole, that he was the height and build of the man he had seen on the night of the murder"
= Nach "Matilda"? PC vom Mitre Square?

"some-time afterwards he betrayed such undoubted signs of homicidal mania"= Der Streit mit "Matilda"?
Titel: Re: Annie Farmer
Beitrag von: Lestrade am 15.10.2013 16:58 Uhr
Mir fällt da noch etwas auf, was ich euch nicht vorenthalten möchte. Und zwar zu:

“He is reported to have drawn a knife, and made a desperate resistance, but was eventually overpowered and conveyed to Commercial street Police Station.”  

stand noch dieses hier:

“He was pursued by the police and detectives and was captured near Truman, Hanbury and Buxton´s Brewery.”

Diese Brauereien (Brick Lane war bekannt dafür) lagen nicht weit vom Tatort 29 Hanbury Street entfernt. Dort wurde 10,11 Wochen vorher Annie Chapman ermordet. Man musste nur 70-80m die die Hanbury Street (vom Tatort aus) heruntergehen, um links die Brauereien der Brick Lane zu erkennen. Bis zur obersten war es so um die 300m von der 29 Hanbury Street aus. Das waren auch maximal nur 250m bis zur Commercial Street Police Station (von den Brauereien aus).

Bis zur George Street waren es, von der Hanbury Street aus, noch so um die 700-750m Fußweg.

Irgendwo zwischen der George Street, die ja parallel der südlicheren Brick Lane lag und der Ecke Hanbury Street/Brick Lane, weiter nördlich der Brick Lane, sollte der Mordschrei erklungen sein.

Nun wissen wir, dass Serienkiller gerne ehemalige Tatorte aufsuchen, um die Fantasie aufzufrischen und alles noch einmal durch zu erleben. Vielleicht wurde er von der Schwester bzw. der “Matilda“ dabei erwischt, als Sie sich an seine Fersen heftete, er es bemerkte und dann darauf mit seinem Messer reagierte. Mich wundert allerdings, dass, neben vermutlich Konstablers, auch gleich Kripobeamte zur Stellen waren.  

War dieser Typ tatsächlich zielgerichtet auf diesen ehemaligen Tatort zugegangen, dann dürfte er ein weiteres Problem gehabt haben.
Titel: Re: Annie Farmer
Beitrag von: Lestrade am 15.10.2013 18:50 Uhr
Mich wundert allerdings, dass, neben vermutlich Konstablers, auch gleich Kripobeamte zur Stellen waren.

Jetzt nicht mehr:

Emma Smith wurde offenbar am Südende der Brick Lane attackiert
Tabram verließ den Two Browers Pub am Nordende der Brick Lane in ihrer Todesnacht
Nichols wurde ebenfalls in ihrer Todesnacht in der Brick Lane gesehen. Im Frying Pan Pub (nahe George Street), südliche Brick Lane
Kelly und Barnett lebten bis Februar/März 1888 in der Brick Lane

Smith und Tabram residierten ja auch in der angrenzenden George Street, near Brick Lane.

Annie Chapman, wie gesagt, fand ihren Tod nicht weit weg von der Kreuzung zur Brick Lane.

Kelly griff einen Mann an der Ecke Commercial Street/Thrawl Street auf. Die Thrawl Street verband die Commercial Street mit der Brick Lane.

Schon gut möglich, dass die Polizei der Brick Lane besondere Aufmerksamkeit schenkte, gerade wenn dort “Mord“ ertönt. So oder so…