jacktheripper.de

Die Opfer => Die Opfer => Allgemeine Diskussion => Thema gestartet von: Isdrasil am 03.03.2008 14:03 Uhr

Titel: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Isdrasil am 03.03.2008 14:03 Uhr
Hi

Ich bin gerade dabei, eine kleine persönliche Theorie auszuarbeiten. Dazu möchte ich unter Anderem die Tätersignatur unter dem Einfluss verschiedener örtlicher Begebenheiten betrachten.
Ich habe den Anfang dieser Betrachtung im Ripperfall mal als Dokument beigefügt – wer Anregungen, Kritik oder weitere Ideen äußern möchte, kann dies gerne tun. Lob wird natürlich lieber gesehen.  :icon_mrgreen:

Wie gesagt, ich bin damit gerade am Anfang. Das Dokument ist noch lange nicht ausgereift, geschweige denn exakt meinen Gedanken entsprechend.

Freue mich einfach mal auf eure Gedanken hierzu – seien sie nun so oder so.

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Stordfield am 03.03.2008 16:15 Uhr
Hallo !

Ich habe mir Deine Theorie gleich mal ausgedruckt . Sie ist sehr professionell , alle Achtung ! Man merkt , Du hast Deinen Harbort nicht nur mal ebenso durchgeblättert .  :icon_thumb:

Gruß Stordfield
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Isdrasil am 04.03.2008 10:54 Uhr
Danke, Stordfield.

Es geht einfach nur darum, einen Bogen zwischen Tabram und Kelly zu spannen, der zu einem bestimmten Tätertypus passt und in sich logisch ist. Dabei sind mir die durchaus vorhandenen Parallelen zwischen den Beiden aufgefallen und die Tatsache, dass es sich bei Beiden um Tatorte innerhalb von Gebäuden handelt. Und wenn man näher darüber nachdenkt, dann haben Tabram und Kelly sogar sehr viel gemeinsam – rechnet man den zeitlichen Abstand mit ein und das, was in der Zwischenzeit passiert ist.

Darüber lässt sich doch mal ruhig reden: Seht ihr da auch eine Verbindung von Tabram über die „kanonischen Vier“ hin zu Kelly, einen Bogen sozusagen? Gemeinsamkeiten? Unterschiede? Bedenkt dabei bitte die Zeit und die Möglichkeiten, die einem eventuell gemeinsamen Täter zur Verfügung gestanden hätten und das Know-How nach den anderen vier Morden.

Ich finde es in dem Zusammenhang interessant, dass Tabram meist mit Nicholls, Chapman oder Eddowes verglichen wird, wo doch die Tatortumstände ganz offensichtlich bei Kelly am „Ähnlichsten“ vorhanden sind.

Und weshalb soll sich der Täter in Räumen unbedingt sicherer fühlen? Wir haben es beim Ripper mit einem "Freilufttäter" zu tun. Eine Räumlichkeit bedeutet für diesen Täter raus aus der Routine, raus aus seinem Plan, raus aus seiner Fantasie. Für einen sexuell motivierten Mörder, der nach seinen Gelüsten mordet, ein sehr bedeutender Umstand und ein belastender Aspekt. Diese Art von Serientätern vollziehen den Mord bereits vor seiner Ausführung in ihrer Fantasie - und je mehr Abweichungen, je mehr Differenzen es gibt, umso mehr gleiten sie von ihrer Souveränität ab.
Ich glaube immer noch, Kellys Verletzungen sind durch Stress zu begründen und weniger durch den Zeitaspekt.

Grüße, Isdrasil

Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: JohnEvans am 04.03.2008 12:58 Uhr
Hallo, Stordfield,

gratuliere zur sehr gut gemachten Tabelle. :icon_thumb:  Hast damit meine Theorie wunderschön untermauert.


Hallo, Isdrasil,

bin wieder hier! :icon_lol:

Es geht einfach nur darum, einen Bogen zwischen Tabram und Kelly zu spannen, der zu einem bestimmten Tätertypus passt ...
Genau das, nämlich erst ein paar Opfer sammeln und dann einen „Bogen“ finden, ist verführerisch subjektiv und falsch. Man läuft Gefahr, Opfer seiner eigenen Manipulationstechnik zu werden!

Umgekehrt macht mehr Sinn. Erst jedes Opfer einzeln anschauen, Gemeinsamkeiten finden und Gegensätze herausheben. Und so ist ja offensichtlich auch die sehr schöne Stordfield- Tabelle entstanden. Und ebenso schön zeigt sie ziemlich deutlich, daß MO und Handschrift des / derTäter/s doch in wesentlichen Punkten sehr verschieden sind.


Ich finde es in dem Zusammenhang interessant, dass Tabram meist mit Nicholls, Chapman oder Eddowes verglichen wird, wo doch die Tatortumstände ganz offensichtlich bei Kelly am „Ähnlichsten“ vorhanden sind.
Absolut! Das springt einem doch direkt ins Auge!
Gerade die Einteilung von Tabram / Kelly in der Gegenüberstellung zu Nichols / Chapman / Eddowes / ev Stride zeigt, wie du ja auch schon bemerkt hast, daß die Tabram und Kelly Taten sich sehr ähnlich sind, aber gleichzeitig stark von den anderen unterscheiden.

Ich sehe da einfach keinen Bogen, der erklären würde, wie ein –und derselbe Täter innerhalb Kürze seinen MO und seine Handschrift gleich zweimal total ändert. Gerade der Mord an Eddowes zeigt einen sehr sicheren, souveränen, die Situation im Griff habenden, sogar verspielten Täter. Warum sollte der plötzlich wieder so „stümperhaft“, nervös, unsicher arbeiten als bei Kelly?

Auch das in allen Fällen verwendete Messer ist kein gravierender Hinweis auf einen einzigen Täter – das Messer war damals eben die Waffe, deren jeder habhaft wurde.

Ich glaube immer noch, Kellys Verletzungen sind durch Stress zu begründen und weniger durch den Zeitaspekt.
Meine Meinung dazu kennst du ja, aber ich verbreite sie gerne noch einmal. :icon_wink:

Für mich zeigt die Stordfield-Tabelle optisch sehr schön, daß es sich auf alle Fälle um zwei, wenn nicht sogar drei oder vier verschiedene Täter handelt.

JE
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Isdrasil am 04.03.2008 13:11 Uhr
Hi

Hallo, Isdrasil,
bin wieder hier! :icon_lol:

Mensch, da freu ich mich aber!  :icon_lol: :icon_wink:

Vielleicht solltest Du aber das Gelesene erst ein wenig sacken lassen - welche Stordfieldtabelle meinst Du die ganze Zeit? Die Tabelle stammt von mir.

Ich sehe da einfach keinen Bogen, der erklären würde, wie ein –und derselbe Täter innerhalb Kürze seinen MO und seine Handschrift gleich zweimal total ändert. Gerade der Mord an Eddowes zeigt einen sehr sicheren, souveränen, die Situation im Griff habenden, sogar verspielten Täter. Warum sollte der plötzlich wieder so „stümperhaft“, nervös, unsicher arbeiten als bei Kelly?

Du irrst in einem Punkt - der MO eines Täters kann sich per se von Tat zu Tat unterscheiden. Er ist nicht permanent gleich und kein Teil der Fantasie oder der Signatur des Täters, sondern dient lediglich dazu, das große Ziel der Tat zu erreichen. Ein sich ändernder MO? Kein Widerspruch. Beinahe schon alltäglich.

Die Änderung der Signatur wird allzu oft zu straff gesehen. Tabram dient als Einstiegsopfer, zeigt also noch nicht die Signatur des Täters. Es gibt wenige Serientäter, die von Beginn an eine vollendete Signatur vorweisen. Die vermeintlich ändernde Signatur bei Kelly kann ein Resultat der Täterlaufbahn und der äußeren Umstände sein. Auch hier sehe ich keinen absoluten Widerspruch, sorry  :icon_wink:

Die Nervosität kann ganz einfach aus den Umständen entstanden sein - ich sage es noch einmal: Wir dürfen nicht in unseren Maßstäben denken. Ein Raum ist nicht gleich Sicherheit. Eine Änderung des Ablaufes einer Tat bedeutet für einen derart eingespielten Täter (wie Du ja schon sagtest) enormen Stress. Das hat nichts mit unserer Definition von Sicherheit oder damit zu tun, wie wir uns fühlen würden. Die Sicherheit, die ein Täter bei seiner Tat ausstrahlt, ist subjektiv empfunden und individuell. Und da der Ripper wie von Dir erwähnt bei Eddowes diese Tatsicherheit aufweist, wird ihn jeder andere noch so kleine äußere Tatbestand beeinflusst haben. Ein einmal sicher mordender Killer mordet nicht generell in jeder Situation sicher.

Wer sich mit sexuell motivierten Serienmördern beschäftigt, wird merken, dass die meisten die Tat schon vorher im Geiste begingen. Jede Abweichung, die sich später  in der Realität ergibt, bedeutet Stress für den Täter. Wie derjenige dann damit umgeht, ist natürlich von Fall zu Fall verschieden.

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Stordfield am 04.03.2008 14:50 Uhr
Hallo !

Das Lob über die Tabelle kann ich ( leider  :icon_wink: ) nicht für mich in Anspruch nehmen . Da hast Du etwas verwechselt , John . Die Ehre gebürt einzig und allein Isdrasil .

Gruß Stordfield
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Stordfield am 04.03.2008 18:07 Uhr
Hallo !

Irgendwie komme ich jetzt gerade nicht ganz mit .
Ich habe mir auch noch einmal die Isdrasil - Tabelle genau angeschaut , kann aber bei Tabram und Kelly , außer daß sie im Raum getötet wurden , keine richtigen Gemeinsamkeiten finden . Meint ihr den Streßfaktor ?

Gruß Stordfield
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Isdrasil am 04.03.2008 19:36 Uhr
Hi Stordfield

Ich meinte ja, dass dies alles in keinster Weise vollständig ist, man muss also auch gar nicht alles verstehen. Aber schön, das sich eine kleine Diskussion daraus entwickelt  :icon_smile:

Ohne nun erst einmal im Einzelnen groß darauf einzugehen, sind dies die Gemeinsamkeiten und Punkte meiner Überlegungen:

- Tabram und Kelly stellen in diesem Fall den Anfangs- und Endpunkt einer Mordserie dar.
- Tabram steht für das Initialopfer und eine affektive Tat. Obwohl noch nicht der Signatur entsprechend, lassen sich Charakterzüge des Täters ableiten.
- Diese Charakterzüge sind im Groben unkontrollierte und rasende "Tötungswut".
- Entsprechend der Tatortumstände (geschlossene Umgebung) finden sich die gleichen Züge auch bei Kelly (Stichwort: "slashes").
- Kelly besitzt neben diesen Verletzungsmustern auch die Muster der Opfer, die unter freiem Himmel getötet wurden.
- Der Täter benötigte anscheinend die Freiraumsituation, um seiner Fantasie freien Lauf zu lassen => Möglicherweise ist diese ein Teil seiner Fantasie.
- Neben der Stresssituation (fehlende Kontrolle bei dem "Tatvorspiel") lässt auch das Ausbleiben dieser Freiraumsituation Rückschlüsse auf einen wütenden, gestressten und unkontrollierten Täter zu.
- Zieht man Kelly daher als Ripperopfer in Betracht, muss man auch Tabram neu überdenken, da sie gleiche Merkmale zeigt.

Und um im Bereich der Fantasie zu bleiben: Wenn ich mir den Täter bei Tabram vorstelle, wie er 39 mal auf ihren Körper einsticht, dann ein wenig in die Zukunft blicke und mir Kellys Täter und die Tat vorstelle - dann ist das irgendwie derselbe Mann, derselbe Täter, dieselbe Wut. Er ist nur ein wenig gereifter, hat eine gewisse Performance hinter sich und konnte seine Mordfantasien ausbilden und bereits umsetzen.

Ich weiß, dies ist alles extrem hypothetisch und kann bis in das kleinste Detail diskutiert werden. Es ist eben eine Theorie - und keine endgültige Feststellung  :icon_wink:

Und jetzt - zerrupft mich!  :icon_aetsch:

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Stordfield am 04.03.2008 20:20 Uhr
Hallo Isdrasil !

Nähern wir uns der Sache mal langsam .
Was die " Reifung " des Rippers betrifft , gehe ich mit Dir konform . Ich meine allerdings , daß er seinen höchsten " Reifegrad " beim Mord an Mary erreicht , und nicht , wie es bei Dir anklingt , bei Cathy . Sicher  werden seine Handlungen von Mal zu Mal ausgefeilter , aber den größte " Reifeprozeß " macht er doch in Gedanken durch . Immer und immer ein Stückchen mehr Zerstörung , bis zur beinahe völligen Vernichtung . Ich sehe hier keinen Stopp in seiner " Täterlaufbahn ", kein Zurückfallen in Anfangsmuster , sondern eine fast logische Fortsetzung .
Der Freilufttheorie kann ich nicht ganz folgen , Isdrasil . Wie kommst Du darauf , daß er den freien Himmel benötigt , um seine Phantasien auszuleben . Vielleicht fühlte er sich draußen bloß einfach sicherer , da er dort viel mehr Fluchtmöglichkeiten hatte .
Um meine Ausführungen nicht noch weiter ausschweifen zu lassen : Alles was er je erreichen wollte und konnte , hat er beim Mord an Mary gefunden !

Gruß Stordfield
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Isdrasil am 05.03.2008 08:16 Uhr
Hi Stordfield

Ich finde deine Gedanken ebenso interessant und wahrscheinlich. Das ist ja genau das vertrackte an der Sache – im Endeffekt gibt es keine „Beweise“ oder Hinweise, welche die einen Gedanken besser machen als die Anderen.
Man kann die Verletzungen bei Kelly auf zwei Arten deuten: Entweder war dies das „Meisterwerk“ des Rippers oder eben das Gegenteil. Und ich habe mehr das Gefühl, es handelt sich um einen außer Kontrolle geratenen Ripper…weiß doch auch nicht…

Aber ich denke, wir sind uns im Prinzip relativ einig, oder? Mich würde dann interessieren, ob Du dir die Verletzungen bei Kelly auch bei einem Opfer auf offener Strasse vorstellen könnest – möglicherweise etwas später, sagen wir mal zwei, drei Morde nach Eddowes.

Zu dieser Freiluftsache:

Ich überlege, ob das öffentliche Zurschaustellen der Opfer ein Teil der kranken Fantasien des Täters waren. Und damit meine ich nicht, dass er vorsätzlich und gewollt die Opfer auf der Strasse umbringen wollte. Ich gehe mal davon aus, dass der Täter aus dem East End stammt, und so mag sich bei der Entwicklung seiner Fantasien über Jahre hinweg auch der Aspekt der Auffindung der Opfer durch Passanten etc. mit eingebunden haben. Eine Art zusätzlicher Aspekt. Und als der Ripper mit Kelly auf die Wohnung zuging, fiel dieser Aspekt (über den er nie wirklich nachgedacht hatte, weil es für ihn in der Fantasie einfach schon immer so gewesen war) plötzlich weg. Es war womöglich eine überraschende Situation für ihn. Nicht mehr, nicht weniger. Und ich überlege, ob diese überraschende Situation für den Täter eventuell einen negativen Beigeschmack hatte – und nicht, wie allgemein angenommen einen positiven (mehr Zeit etc). Dies möchte ich anhand des Charakters auch durch die Verletzungen bei Tabram belegen.

Dass dies mehr als wackelig ist – das weiß ich selbst schon  :icon_mrgreen:

Grüße, Isdrasil

Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Stordfield am 05.03.2008 09:31 Uhr
Hallo Isdrasil !

Erstmal vor weg : Ich finde es großartig , wieviele Gedanken Du Dir machst . Man merkt , da ist jemand wirklich voll bei der Sache .
Ob ich mir solche Verletzungen wie bei Mary Kelly auch bei einem Opfer auf der Straße vorstellen könnte ? Unbedingt . Ich glaube , der Tatort war dem Ripper im " Endstadium " völlig schnuppe .
Die Auffindesituation spielt , da denke ich wie Du , sicher eine Rolle . Es sieht tatsächlich nach Schockieren aus . Oder , wie es im FBI - Profil heißt , die Frauen waren für ihn wirklich nur Abfall , den man am Straßenrand achtlos entsorgte .
Schwierig , da hast Du Recht . Man kann jede Theorie mehrmals hin - und herdrehen . s könnte so sein , aber auch ganz anders . ( Das sind drei Euro ins Phrasenschwein .  :icon_lol: )

Gruß Stordfield
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Isdrasil am 05.03.2008 10:09 Uhr
Hi

Das Kompliment gebe ich gerne zurück!

Vielleicht ist es ja auch gerade diese Vielfältigkeit der Möglichkeiten, die den Ripperfall so interessant und zeitlos macht (und wieder ein wenig Futter für das „Phrasenschwein“).  :icon_mrgreen:

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: JohnEvans am 05.03.2008 13:01 Uhr
Hallo, Isdrasil,

entschuldige, in dem Fall gilt das Kompliment Dir. Ich hoffe, du verzeihst einem müden, alten (120 Jahre +++!!!) alten Nachtwächter seinen Fehler. :icon_wink:

Was den MO anbelangt, so geb ich dir Recht. In Sachen Handschrift weniger, schon gar nicht, wenn die Morde in so schneller zeitlicher Abfolge stattfinden. Alle 4 der postulierten kanonischen laufen nach ein- und demselben Muster ab. Und zwar „wie ein geölter Blitz“. Der eigentliche Tötungsvorgan ging sehr schnell von statten. Keine Spur von der ziellosen Wut, die man bei Tabram spürt. Das war Overkill in Reinkultur.

„Wer sich mit sexuell motivierten Serienmördern beschäftigt,“
... und du tust es wieder: Du spannst den Karren vor das Pferd. Du setzt einfach einen sexuell motivierten Täter voraus und passt seine Handlungen deinen Vorstellungen von ihm an.

Falsch.

Da lob ich mir den Spruch „an ihren Taten sollt ihr sie erkennen“. Was für einen Eindruck hinterläßt so ein Overkill? Sieht ganz so aus, als hatte der Tabram Killer entweder keine Ahnung oder gar nicht die Absicht, schnell und sauber und zu töten.

Der Mörder der 4 hingegen schon. Der Mord war das notwendige Übel um das zu tun, was er tun wollte: Verstümmeln. Da ich heute meinen Sprücheklopfer-Tag habe, drücke ich es mal so aus: Hier heiligte der Zweck die Mittel.

Bei Tabram hingegen war der Weg das Ziel.

Stress als Ursache für einen veränderten MO? Sicher. Als Ursache für eine veränderte Signatur? Weniger, wenn acuh möglich.
Aber wenn wir uns ansehen, wie der Täter die anderen Opfer fand und in einer für ihn kontrollierbaren Situtaion tötete, dann frage ich mich, warum begibt er sich mit Kelly in eine Situation, die ihn überforderte? Zusätzlichen Stress verursachte?. Warum bleibt er nicht bei seinem bewährtem Muster? Es gab genügend andere Prostituierte, die seinen „Gelüsten“ ohne zusätzlichem Stress genügt hätten.

Ich schweife ab. Zurück zu Tabram: ein sehr wesentlicher Unterschied besteht für mich vor allem auch darin, daß Tabram, wie du  bereits dargestellt hast, ziemlich sicher im Schlaf ermordet wurde. Sehr feige. Und vermutlich hat Kelly´s Killer auch so gehandelt.

Chapman´s etc. Mörder hingegen wagte sich, schon wesentlicher mutiger, ganz nahe an die Opfer heran, die dabei auch noch wach und bei Bewußtsein waren. Er muß mit ihnen kommuniziert haben, wenigstens das Notwendigste.

Das ist nicht nur mal eine den Umständen angepasste Änderung der Signatur, das ist ein völlig anderer Charakter.

JE
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Isdrasil am 05.03.2008 13:25 Uhr
Hi

Gut - es möge dann verziehen sein  :icon_wink:

„Wer sich mit sexuell motivierten Serienmördern beschäftigt,“
... und du tust es wieder: Du spannst den Karren vor das Pferd. Du setzt einfach einen sexuell motivierten Täter voraus und passt seine Handlungen deinen Vorstellungen von ihm an.
Falsch.

Ich weiß nicht, was Du von mir denkst - aber ich habe mich gerade nach Betrachtung der Ripperfälle und eingehender Beschäftigung mit Täterpsychologie für mich den Entschluss gefasst, es handelt sich beim Ripper höchstwahrscheinlich um einen sexuell motivierten Täter. Nicht nur aus dem Grund, da die Opferverletzungen prägnante Ähnlichkeiten mit ähnlich gelagerten Fällen besitzen, sondern auch aus rein psychologisch bedingten Voraussetzungen.
Ich bin niemals hergegangen und habe versucht, meine angeblich vorgefertigte Meinung auf die Taten zu pressen. Du verwechselst da etwas. Ich versuche lediglich, eine Linie herzustellen. Dabei nehme ich im Moment an, Tabram und Kelly gehören dazu. Diese Varianzen müssen nunmal durchdacht werden, da es keinen "Mörder nach Schema F" gibt. Dies wäre zu schön. Dadurch kann schonmal vorkommen, das man den Täter des einen Opfers auf die andere Tat legt, sicher. Doch das ist nicht verwerflich - es ist nur der Individualität des Täters und des Menschen an sich gerecht.
Wenn Du mich wirklich so gut kennst, solltest Du eigentlich wissen, dass ich auch schon ganz andere Annahmen durchdacht habe.
Ich bin niemand, der meint zu wissen - ich bin jemand, der durchdenkt. Das ist ein grundlegender Unterschied.

Da lob ich mir den Spruch „an ihren Taten sollt ihr sie erkennen“. Was für einen Eindruck hinterläßt so ein Overkill? Sieht ganz so aus, als hatte der Tabram Killer entweder keine Ahnung oder gar nicht die Absicht, schnell und sauber und zu töten.

Du hast es erfasst. Der Täter bei Tabram hatte keine rechte Ahnung und war womöglich von der Tat selbst überrascht (Affekttat). Alles kein Grund, sie als Initialopfer auszuschließen. Das Initialopfer nimmt eine Sonderstellung in Sachen Signatur ein und stimmt in den seltensten Fällen mit den folgenden Taten überein.

Du hingegen setzt einen Täter voraus, der von Anfang an wusste, was er tat. Dies ist in meinen Augen der falsche Weg. Du suchst nach einer Permanenz, nach einer konstanten Tatbegehung, nach eindeutigen Verweisen und Verbindungen zwischen den Taten. Nun, die Realität aber mag Dich da nicht gerade bei unterstützen: Gerade aus dem Grund, dass es so etwas wie eine absolute Konstanz der Signatur und Tatmerkmale in der Realität nicht gibt, werden viele Mordserien erst nach Fassen des Täters als solche erkannt (durch Geständnisse zum Beispiel). Zahlreiche Beispiel wie Kürten, Gust, Bundy, Gein, Dahmer, Kroll und wie sie alle heißen zeugen davon. Du machst es Dir in meinen Augen einfach zu leicht.

Wenn ich auch mal einen Spruch kloppen darf: Du sortierst die Morde in Schubladen. Ein Mörder kann aber de facto die Schubladen wechseln.

Aber ich schweife auch ab - wie gesagt: Die Tabramargumente musst Du ein wenig überdenken. Ein Täter kann auch in einer sehr kurzen Zeit reifen, da meist der Prozeß schon in der frühen Kindheit begann. Der erste Mord dient nur der Überwindung der Hemmschwelle - die Ausführung jedoch kann schon lange in seinem Kopf passiert sein. Oft ziehen dilentantisch erscheinende Erstmorde eine weitaus professionellere Mordserie nach sich. Daher ist der Unterschied zwischen Tabram und Nicholls nicht wirklich aussagefähig. Oder was kam deiner Meinung nach vor Nicholls?  :icon_wink:

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Floh82 am 05.03.2008 14:35 Uhr
Ein Mord oder eine Tat die wir nicht kennen/nicht in Betracht ziehen vielleicht....
das Verharren auf diesen 5 oder 6 Opfern (je nachdem welche man dazu zählt) halte ich für ein großes Problem. Der Ripper hat nunmal nicht seine Visitenkarte neben die Leichen gelegt und auch ein eventueller Nachahmungstäter hat nicht einen Verweis auf sich neben seine Opfer gelegt. Wir kennen sein 1. Opfer nicht, wir vermuten es, wir kennen sein letztes Opfer nicht, wir vermuten es....und letztendlich: Wir kennen sein Motiv nicht, wir vermuten es.

Wir rühren im dunkel-schwarz-trüben.

Trotzdem ein Lob an dich Isdrasil :)
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Isdrasil am 05.03.2008 14:43 Uhr
Hi

Um mal ein wenig philosophisch angehaucht zu ergänzen: Ist ein Verharren auf 3 Opfern nicht einem Verharren auf 5 oder 6 Opfern gleichzusetzen?  :icon_wink:

Alle Möglichkeiten müssen durchdacht werden. Dieser Thread ist nur eine von vielen. Und mehr soll er auch gar nicht sein.

Danke für das Lob, Floh!

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Stordfield am 05.03.2008 15:02 Uhr
Hallo !

Müssen wir uns also erstmal mit Grundsatzfragen und Definationen beschäftigen ?
Werter , John , was soll der Ripper denn , in Deinen Augen anderes sein , als ein sexuell motivierter Täter ? Doch nicht etwa ein Raubmörder ?

Gruß Stordfield
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Floh82 am 05.03.2008 15:08 Uhr
Das Thema hatten wir doch schonmal und werden wir auch immer haben ;)

Raubmord ist auszuschließen....
Beziehungstat? sexuelles Motiv? emotionales Motiv? Hm...ich bin auch für ein sexuelles Motiv...aber meine Hand würde ich dafür nicht ins Feuer legen ;)
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: JohnEvans am 05.03.2008 15:17 Uhr
Hallo, Isdrasil,


Zitat
Du hingegen setzt einen Täter voraus, der von Anfang an wusste, was er tat.
Irrtum - ich setze nicht voraus, WAS er tat, aber sehr wohl WIE er es tat.

Zitat
Du hast es erfasst. Der Täter bei Tabram hatte keine rechte Ahnung und war womöglich von der Tat selbst überrascht (Affekttat).
Wovon hatte der Täter keine Ahnung? Davon, daß er sie töten würde? Hierin stimme ich Dir zu. :icon_thumb:

Ansonsten meine ich, daß der „Ripper“ vom effektivem Töten sehr wohl „eine Ahnung“ hatte. Und das schon länger, denn eine Kehle so durch zu schneiden, daß das Opfer innerhalb weniger Sekunden tot ist und nur wenig Blut hinterläßt, lernt man nicht in einem Schnellsiedekurs innerhalb weniger Tage (Tabram: 7. Aug, Nichols: 31.Aug).

Ich bin der Meinung, daß sich jemand, der das „Handwerk“ so gut versteht, auch im Affekt nicht dazu hinreißen läßt, sich auf eine weniger zuverläßige Methode zu verlassen.
Hinzu komt, daß Jemand, der so effektiv tötet, einfach früher bereits getötet haben muß, denn das stete Gelingen dieser Kehlschnitte kann man nicht als Zufall bezeichnen.

Zitat
Oder was kam deiner Meinung nach vor Nicholls?
Wie ausgeführt, diese „Technik“ ist kein Zufall. Auch die Art, wie Tabram getötet wurde, ist nicht geeignet, um die anderen Morde „gelingen“ zu lassen.

Tabram sieht nach einer Ersttat aus, auch hierin gebe ich Dir Recht, aber dennoch sieht sie für mich nicht nach der Ersttat des „Rippers“aus.

Meiner Meinung nach behrrschte der Mann, den wir Ripper nennen, das Tötungshandwerk. WO und WANN und WARUM er es erlernte, entzieht sich meiner Kenntnis. Der Mann, den wir Ripper nennen, hatte seine Hemmschwelle bereits überwunden, als er auf Nichols traf.

Ich oute mich: für mich ist Nichols die Initialtat für diese Serie.

JE
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Isdrasil am 05.03.2008 15:24 Uhr
Hi John

Wovon hatte der Täter keine Ahnung? Davon, daß er sie töten würde? Hierin stimme ich Dir zu. :icon_thumb:

Wir haben tatsächlich eine Übereinstimmung!  :icon_thumb:

Hinzu komt, daß Jemand, der so effektiv tötet, einfach früher bereits getötet haben muß, denn das stete Gelingen dieser Kehlschnitte kann man nicht als Zufall bezeichnen.

Jetzt setze ich dem ganzen nochmal die Krone auf (habe gerade Lust dazu): Wer sagt denn auch, das er vorher Menschen getötet haben muss?  :icon_aetsch:

Mehr fällt mir gerade nicht mehr ein...ich bin tatsächlich im Moment ein wenig diskussionsfaul....

Grüße, Isdrasil

PS: Um an Stordfields Frage zu erinnern: Ja, was war denn jetzt die Motivation des Rippers - deiner ganz persönlichen Meinung nach?
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Stordfield am 05.03.2008 15:38 Uhr
Hallo !

" Jetzt setze ich dem ganzen nochmal die Krone auf (habe gerade Lust dazu): Wer sagt denn auch, das er vorher Menschen getötet haben muss? "

grübel ... grübel... hmm... NIEMAND  :icon_wink:

Gruß Stordfield
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Gemun am 05.03.2008 18:38 Uhr
Wer sagt denn auch, das er vorher Menschen getötet haben muss? "

Dazu hab ich was ...

Vielleicht nicht Menschen aber wie wäre es mit Tieren ?

Ich bin auch der Meinung er muss vorher schon jemanden oder etwas getötet haben …

Es könnte aber auch sein das Ripper schon wo anders „gerippt“ hat …

Es ist alles möglich

Gemun
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Isdrasil am 05.03.2008 18:53 Uhr
Hi Gemun

Und herzlich Willkommen!

Ja, das wäre so eine Möglichkeit, der Ripper kann diese Routine auch bei Tieren gewonnen haben. Stimme Dir da vollkommen zu.

Und wenn wir weiterdenken und in Tabram das erste menschliche Opfer sehen wollen, dann erklärt es neben der plötzlich auftretenden Tatsituation noch mehr die Nervosität und Unruhe des Rippers. Bis zum Mord an Nicholls hätte er diese Unruhe überwinden können und die Routine bei Tieren durch die Routine bei Menschen ersetzen können. Durchaus im Rahmen des Möglichen. Womit wir uns schnurrstracks zum Schlachter bewegen würden...  :icon_wink:

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: JohnEvans am 05.03.2008 19:31 Uhr
Hallo, Isdrasil,

für einen Diskussionsfaulen warst du in der Zwischenzeit aber recht fleißig.

Zitat
Jetzt setze ich dem ganzen nochmal die Krone auf (habe gerade Lust dazu): Wer sagt denn auch, das er vorher Menschen getötet haben muss?
Dreimal darfst du raten! :icon_lol: Allerdings ist das nach Stordfield´s unsachlicher und reichlich uncharmanter Antwort nicht mehr wirklich schwer ... :icon_wink:

In den Hals stechen kann jeder, effektiv treffen ist eine andere Sache.
Um einem Menschen auf die geschehene Art die Kehle durch zu schneiden, bedarf es des richtigen Know-Hows.

Zum Vergleich betrachte den Totschlag, den in der Nacht des Doppelmordes ein gewisser Mr Brown an seiner Frau beging: auch er verwendete ein Messer und stach seiner Frau im Affekt in den Hals. Sie verstarb am Blutverlust, allerdings nicht sofort, denn Mr Brown fehlte ganz offenbar die nötige Praxis.


Bis zum Mord an Nicholls hätte er diese Unruhe überwinden können und die Routine bei Tieren durch die Routine bei Menschen ersetzen können.
Und wie? Wie ersetzt man eine Routine an Tieren durch eine Routine an Menschen OHNE Übung? Etwa nach dem Motto : „Erst dem Kätzchen den Hals durchschneiden, und dann klappt es auch mit dem Nachbarn?“

Nichols wurde bereits routiniert getötet. Wäre sie sein erstes menschliches Opfer mit dieser Technik gewesen, dann hätte es nicht auf Anhieb so gut geklappt.

Zitat
Ja, was war denn jetzt die Motivation des Rippers - deiner ganz persönlichen Meinung nach?
Ich habe mich noch nicht festgelegt. Floh schlägt ja einige Alternativen vor, die sich beliebig ergänzen lassen, zB durch: Ritualmord, Machtgier, religiöser oder anderer Wahn, und etliches, das wir uns gar nicht vorstellen können.

JE
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: JohnEvans am 05.03.2008 19:46 Uhr
Noch  Hallo, Isdrasil,

nicht so schnell, komme kaum nach. :icon_mrgreen:

Und wenn wir weiterdenken und in Tabram das erste menschliche Opfer sehen wollen, dann erklärt es neben der plötzlich auftretenden Tatsituation noch mehr die Nervosität und Unruhe des Rippers.
Wollen wir nicht, aber weiterdenken, gerne.

Zum einen: der Tabram Mord zeigt Wut, aber keine Nervosität. Er zeit auch einen Täter, dem es offenbar egal ist, ob er erwischt wird. Überlege einmal die Situation: Tabram liegt im ersten (!!!) Stock dieses Wohnhauses und schläft anscheinend. Der Täter geht da rein und sticht auf sie ein. Umgeben von Wohnungen, aus denen jederzeit wer kommen kann (Toilette), auch in der Nacht.
Eigentlich eine sehr eigenartige Situation. Woher wußte er, daß er dort jemanden findet? Daß er Tabram findet? Galt die Tat ihr persönlich (Beziehung)?
Was ist das überhaupt für ein Täter? Der auf der Straße stehend ahnt, daß sein Opfer im ersten Stock liegt? Ist ein Stalker? Ein Dieb, der über Tabram stolpert? Oder gar ein Hausbewohner, den die herum lungernden Prostis schon lange ärgern.

Wer auch immer, er ist mehr als feige. Sehr spontan. Sticht einfach auf ein schlafendes Opfer ein. Das ist feige, aber nicht nervös.

Und jetzt zum Ripper: auch der hat möglicherweise spontan gehandelt, aber eher wie ein Nahkampfexperte. Opfer sehen - haben wollen. Ganz dicht ans lebende Opfer ran. Überlistet. Schnell und wirkungsvoll zugeschlagen. Dabei aber auf die eigene Sicherheit bedacht. Sowie er etwas hört, ist er weg (Nichols, Stride)
Im eigentlichen Tötungsvorgang selbst ist keine Wut zu sehen, nur Entschlossenheit.

Wie zu erwähnen ich niemals müde werde, ich sehe zwei total verschiedene Charaktere.

JE
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Isdrasil am 05.03.2008 21:00 Uhr
Hi

Du wirst es kaum glauben, aber ich bin echt diskussionsfaul und habe im Prinzip gar keine Lust dazu - aber Du zwingst mich eben immer wieder aus der Reserve  :icon_wink:

Zum einen: der Tabram Mord zeigt Wut, aber keine Nervosität. Er zeit auch einen Täter, dem es offenbar egal ist, ob er erwischt wird. Überlege einmal die Situation: Tabram liegt im ersten (!!!) Stock dieses Wohnhauses und schläft anscheinend. Der Täter geht da rein und sticht auf sie ein. Umgeben von Wohnungen, aus denen jederzeit wer kommen kann (Toilette), auch in der Nacht.

Du sagst es doch selbst: Umgeben von Wohnungen. Das schafft Nervosität. Und ich sehe in der Wahllosigkeit der Stichwunden durchaus einen Mix aus dieser Nervosität und einer wie auch immer gearteten Wut. Ist aber wahrscheinlich Interpretationssache. Ich halte es aber aufgrund der Tatortsituation und den Verletzungen durchaus für legitim, auf einen nervös gestimmten Täter zu schließen.

Weiterhin sehe ich in deinen Aussagen einen kleinen (nur winzig, keine Angst) Widerspruch:
Zum Einen sagst Du "Wovon hatte der Täter keine Ahnung? Davon, daß er sie töten würde? Hierin stimme ich Dir zu."
Zum Anderen sagst Du "Er zeigt auch einen Täter, dem es offenbar egal ist, ob er erwischt wird."
Ich frage Dich: Wie kann es ihm egal sein, wenn die Tat nicht geplant war und offenbar aus dem Affekt geschah?

Ich stimme immer noch für den Dieb, der Tabram zuerst nur bestehlen wollte - sie wacht auf, er hält ihr den Mund zu, sticht auf sie ein. Meine Meinung dazu findest Du genauer beim Tabram-Thread ausgeführt.
Da ist kein Platz für egal sein - da heißt es entweder womöglich erwischt werden oder das Opfer ruhig stellen. Nervosität? Ja, sicher.

Sollten in diesem Dieb die latenten Fantasien eines Serienmörders geschlummert haben, durchaus eine Möglichkeit, für deren endgültigen Ausbruch zu sorgen. Siehe auch hier wieder meine Meinung beim Tabram-Thread. Wie Du siehst, werde ich nun sogar schon schreibfaul.  :icon_wink:

Bis zum Mord an Nicholls hätte er diese Unruhe überwinden können und die Routine bei Tieren durch die Routine bei Menschen ersetzen können.
Und wie? Wie ersetzt man eine Routine an Tieren durch eine Routine an Menschen OHNE Übung? Etwa nach dem Motto : „Erst dem Kätzchen den Hals durchschneiden, und dann klappt es auch mit dem Nachbarn?“

Ja, so oder so ähnlich.

Ich habe mich noch nicht festgelegt. Floh schlägt ja einige Alternativen vor, die sich beliebig ergänzen lassen, zB durch: Ritualmord, Machtgier, religiöser oder anderer Wahn, und etliches, das wir uns gar nicht vorstellen können.

Ritualmord: Relativ abwegig - ein Ritualmörder sorgt dafür, dass sein Ritual auf jeden Fall gelingt.
Machtgier: Als Teil einer sexuellen Perversion gerne - Macht wird ja gerne als sexuelle, männliche Komponente gesehen. Ein machtgieriger Mörder, der sich an der Hilflosigkeit seiner Opfer aufgeilt, zählt in meinen Augen zur Gruppe der sexuell motivierten Täter. Machtgierige Mörder werden zu großer Wahrscheinlichkeit auch zu ihren Machtfantasien masturbieren (zum Beispiel).
Religiöser oder anderer Wahn: Ich fange kurz wieder mit Harbort an - laut seinen Untersuchungen litten zumindest annährend alle der deutschen Serienmörder nach dem zweiten Weltkrieg nicht unter Geisteskrankheiten. Möglich ist es aber - wenn auch Unwahrscheinlich.
Was wir uns nicht vorstellen können: Das will ich mir erst gar nicht vorstellen müssen.

So, und jetzt mach ich echt mal Schluss für heute.

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Claudia am 07.03.2008 07:13 Uhr
Hi zusammen!

So,nachdem es schon gestern im Chat um dieses Thema ging hab ich mir die Tabramsache nochmal angeschaut, um wenigstens etwas mitreden zu können.
Auf Deine Tabelle, Isdrasil, kann ich mich leider nicht beziehen, ich kann sie nicht öffnen (hab grad nen neuen PC und raff da einiges noch nicht ).
AAAlso:
Im Grunde glaube ich auch nicht an Tabram als Ripperopfer, irgendwie sind mir die Verletzungen doch zu unterschiedlich.
Eine Gemeinsamkeit wäre der entblöste Unterleib, könnte auf eine Verstümmelungsabsicht hinweisen, andererseits hat ein Mord an einer Prostituierten wohl meistens sexuelle Komponenten, muss also nicht viel heißen...
Was mir bei Tabram fehlt, um sie tatsächlich dem Ripper zuzuschreiben, sind eben Verstümmelungen oder der Versuch, diese vorzunehmen. Ich gehe mal davon aus, daß es dem Ripper darum ging und bei Tabram gibt es kein Anzeichen dafür, daß er etwa durch Hausbewohner gestört worden wäre. Und gerade der Fall Eddowes zeigt ja, wie schnell soetwas zu machen ist...

Eigentlich glaube ich aber, daß wir in diesem Fall nicht sehr viel weiter kommen, dafür ist zuviel zu ungewiss, zb die Aussage von "Pearly Poll". Gab es diese beiden Soldaten wirklich? Wenn ja, warum hatte Tabram (nach Angaben der Ärzte) vor ihrem Tod keinen Geschlechtsverkehr? Eigentlich merkwürdig...
Stimmt der vermutete Todeszeitpunkt? Scheint mir zu den Soldaten nicht recht zu passen, in der Regel hielt man sich ja wohl eher nicht stundenlang zusammen auf...
Im Grunde ist da alles möglich, sogar daß Tabram nochmal in den Bars rumzog (nach dem ersten Freier, mit dem es ja nicht zum wirklichen Geschlechtsverkehr gekommen sein muß) und da nochmal jemanden abschleppte, der sie dann umbrachte...
Ist alles möglich :-(
Sogar ein Dieb käme in Betracht, Tabram hatte zwar nichts, aber er wusste das möglicherweise nicht und flippte aus irgendeinem Grund aus, in diesem Fall kann ich mir alle möglichen Szenarien vorstellen.

So, jetzt seid ihr schlauer, was? ;-)

Grüße, Claudia

PS: Ob Tabram zum Zeitpunkt ihrer Ermordung tatsächlich schlief? Mag sein, ich würde das aber nicht als sicher annehmen. Könnte auch auf zwei Täter hinweisen oder einfach darauf, daß sie zB der Stich ins Herz recht schnell tötete oder sie zumindest nach den ersten Stichen nichtmehr schreien konnte...
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: JohnEvans am 08.03.2008 13:24 Uhr
Im Grunde glaube ich auch nicht an Tabram als Ripperopfer, irgendwie sind mir die Verletzungen doch zu unterschiedlich.
:icon_thumb:
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: JohnEvans am 08.03.2008 13:29 Uhr
Hallo, Isdrasil,

Falls du mit „ortsgebundene Signatur“ meinst, daß der Täter seine Signatur den Gegebenheiten anpaßt. möchte ich dir heftig widersprechen – die Signatur ist das Ergebnis der Motivationslage, der Wünsche, der Phanstasien des Täters; sie ist genau das, was er möchte.

Genau das, weshalb er überhaupt erst einmal loszieht, um zu morden. Weshalb er sich überwindet, zu morden. Warum sollte ihn also die Umgebung davon abhalten, seinen Wünschen nachzugehen?

Gerade die günstige Gelegenheit ermöglicht die Morde, vor allem den ersten. Auch wenn der spontan abläuft, so ist es die Situation, und die Umgebnung gehört dazu, die dem Täter ideal genug erscheint, seine Phantasien initial in die Tat umzusetzen.

Wenn wir davon ausgehen, daß die Phantasie des Rippers darin bestand, Frauen nicht nur zu töten, sondern vor allem auszuweiden, dann paßt Tabram nun mal nicht ins Bild.

Generell kann die Umgebung den MO beeinflussen, aber die Signatur hängt prinzipiell von der Gefühls-Phantasiewelt des Täters ab. Ein Täter, dessen Phantasie so ganz offensichtlich im Schneiden / Rippen besteht, sticht daher nicht. Schon gar nicht beim ersten Mal.

Fazit: Tabram ist draußen. :icon_thumb:

JE



Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Isdrasil am 09.03.2008 09:18 Uhr
Hi John

Falls du mit „ortsgebundene Signatur“ meinst, daß der Täter seine Signatur den Gegebenheiten anpaßt. möchte ich dir heftig widersprechen – die Signatur ist das Ergebnis der Motivationslage, der Wünsche, der Phanstasien des Täters; sie ist genau das, was er möchte.

Nein, das meine ich nicht, John. Wie so oft kannst Du mich nicht verstehen oder willst mich nicht verstehen.
Der Täter passt die Signatur nicht an Gegebenheiten an - es geht darum, zu überlegen, ob die Umgebung der Tat einen unbewussten Einfluss auf die Ausübung der Tat üben kann und damit die Signatur bei verschiedenen Tatortumgebungen variieren kann. Es geht nicht um bewusst wahrgenommene Einflüsse.

Du sagst es ja in diesem Satz schon selbst: Die Signatur ist das Ergebnis der Fantasien des Täters. Was ist, wenn die Tatortumgebung ein maßgeblicher Teil der Fantasien sind? Dahin geht meine Überlegung.

Und ich sage es noch einmal: Das erste Opfer eines Serientäters muss seine Signatur nicht aufweisen. Dies ist belegt und entspricht dem Stand der Kriminalistik. Wenn Du also ankommst mit "Tabram passt nicht ins Bild, weil der Ripper ausweiden wollte", dann ist dies ein ziemlich wackeliges Argument. Wenn, dann begründe deine Meinung bitte mit dem charakterlichen Hintergrund des Täters. Das beste Argument gegen Tabram ist und bleibt in meinen Augen der zeitliche Aspekt zur zweiten Tat. Wäre der Mord an Tabram zwei Monate vor Nicholls passiert, würde er wesentlich stärker ins Visier genommen werden. In der zeitlichen Schiene wird es also kompliziert, da gebe ich dir recht.

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: JohnEvans am 09.03.2008 19:21 Uhr
Hi, Isdrasil,

Nein, das meine ich nicht, John. Wie so oft kannst Du mich nicht verstehen oder willst mich nicht verstehen.

Kein Grund zur Panik, darum frage ich ja nach. Um dich besser zu verstehen.

Was ist, wenn die Tatortumgebung ein maßgeblicher Teil der Fantasien sind?
In dem Fall sucht ein Täter eben genau so einen Tatort auf. Oder eben genau so ein Tatort läßt ihn dann seine Tat ausführen.
Wenn der Tatort ein maßgeblicher Teil seiner Phantasie ist, dann muß der genau der richtige sein.
Wenn der Tatort ein maßgeblicher Teil seiner Phantasie ist, dann löst ein anderer Tatort dieses Gefühl eben nicht aus.

Ein anderer Tatort liefert nicht innerhalb von Sekunden ein Ersatzgefühl mit Ersatzphanstasien, gerade, weil Phantasien eben ihre Zeit brauchen.

Der Falsche Tatort löst gar nichts aus.

Auch unbewusst spielt es sich nicht so ab. Wie ich andrerorts sagte, Phantasien reifen, bevor sie in die Tat umgesetzt werden.

Beispiel: der Täter möchte sein Opfer im Wald töten. Also, sucht er einen Wald
Oder "überredet" ein Opfer, mit ihm in den Wald zu kommen.
Oder ein Waldspaziergang löst seine Hemmschwelle und ermöglicht den ersten Mord - im Wald.
So ein Täter geht nicht in die Kirche, sieht ein potentielles Opfer, denkt sich: „Hhmm, mir fehlt der Wald, macht nichts, ändere ich eben meine Signatur und ertränke die Dame im Taufbecken.“
Oder: „Was? Kein Wald? Jetzt bin ich sauer, Messer raus, erstechen.“

DerTatort "Kirche" läßt den Täter, dessen Phantasie der Tatort "Wald" ist, einfach kalt.

Natürlich, falls der Tatort in seiner Phantasie eine Rolle spielt. Und wen ich dich richtig verstehe, geht es dir ja um den Tatort als Auslöser.

Und ich sage es noch einmal: Das erste Opfer eines Serientäters muss seine Signatur nicht aufweisen.
Du meinst, nicht die endgültige Fassung? Denn jede Tat weist eine Signatur auf.
Abgesehen davon ist "muss nicht" nicht dasselbe wie "weisen nie auf". Es kann und ist also durchaus möglich. Auch dies ist belegt und entspricht dem Stand der Kriminalistik.

Wenn Du also ankommst mit "Tabram passt nicht ins Bild, weil der Ripper ausweiden wollte", dann ist dies ein ziemlich wackeliges Argument.
Hiermit gebe ich dir deinen Vorwurf zurück: du kannst oder willst mich nicht verstehen, auf alle Fälle stimmt deine Behauptung nicht. Ich habe mehrmals gesagt, was alles nicht ins Bild paßt, und das ist ielmehr als nur das Nicht-Ausweiden.

Aber weil du es bist, wiederhole ich es gerne. :icon_wink:

Ich gehe davon aus, daß des Rippers Phantasien sehr wohl mit dem Ausweiden zu tun haben. Ich glaube, ich muß jetzt nicht erklären, wie ich darauf komme.

·   und Tabram weist noch nicht einmal den Versuch auf, ein Ausweiden zu unternehmen
·   und ja, ich denke, auch die Ersttat hätte diese Besonderheit gezeigt
·   und selbst, falls ihm dieses Detail erst später eingefallen wäre, so sollte doch die Art des Tötens gleich sein – ist sie auch nicht
·   alle anderen Opfer: ruhig getötet - Tabram: Overkill (gerade ein nervöser Anfangstäter wäre zaghafter vorgegangen)
·   oder der Ort – auf der Straße, nein, Tabram liegt im Stiegenhaus
·   oder die Annäherung an ein waches Opfer
·   und ein einschneidendes Argument ist für mich, wie das Messer eingesetzt wird – Stechen oder Schneiden

Wären es nur eine, oder zwei, Abweichungen, ließe ich mit mir handeln. Aber es sind zu viele. Genau genommen, ist so ziemlich ALLES an dieser Signatur anders.
Und das innerhalb weniger Wochen. Hätte der Ripper mal Pause gemacht, für Jahre, oder wären zwischen Erst- und Letztmord etliche Jahre vergangen, dann wäre eine Änderung der Signatur, also des unmittelbares Ausdruckes seiner Phantasien, schon verständlicher.

Aber nicht in dieser kurzen Zeitspanne.

JE
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Isdrasil am 10.03.2008 07:28 Uhr
Hi John

Es geht mir nicht um den Tatort als Auslöser. Es geht mir um die Überlegung, ob der Tatort eine Auswirkung auf die Signatur eines Täters hat oder eine veränderte Vorstellung des Täters zu einem Wechsel des Tatortes führen kann. Und so abwegig sind diese Gedanken gar nicht.
Täter sind keine Roboter mit einer vorgestanzten Schablone, nach dem Motto: Ich bin ein Mörder und habe meinen bevorzugten Tatort - daher werde ich nur töten, wenn ich auch an so einen Tatort gelange und nur dann!

Täter sind manchmal experimentell, ändern ein paar Aspekte ihrer Tat und mögen auch mal den Tatort wechseln.

Ein Beispiel? Ok: Ein Täter tötet sein erstes Opfer im Graben neben einer nicht allzu viel befahrenen Straße. Trotzdem hat er diese Angst, ein Wagen könnte vorbeifahren und ihn stören, immer im Hinterkopf. Er merkt erst jetzt, dass ihn dieser Tatort nicht gerade der Liebste ist. Daher lässt er irgendwann von dem Opfer ab und verzichtet meinetwegen auf dessen Enthauptung (zum Beispiel). Sein nächstes Opfer wird er daher in den Wald locken. Neben der Enthauptung lässt er sich auch sonst wesentlich mehr Zeit für die übrigen Verletzungen. Möglicherweise führt er sie aufgrund des anderen Umfeldes und seiner wesentlich ruhigeren Gesamtstimmung ein wenig anders aus, fügt Dinge hinzu, lässt etwas weg. Die Verletzungen des Opfers jedenfalls werden eine andere Qualität haben, eine andere Schwere.

Diese Dinge sind bei vielen Serientätern vorhanden, und nicht selten behindert ein Wechseln des bevorzugten Tatortes und ein damit verbundenes abweichendes Verletzungsmuster die Ermittlungsarbeiten oder lässt Zusammenhänge erst gar nicht erkennen.

Im Grunde vertreten wir doch gar nicht so unähnliche Meinungen...finde ich.

Grüße, Isdrasil

Ich bitte Dich, dieses Beispiel nicht zu sehr zu "zerrupfen" und den Kern der Aussage zu sehen und zu verstehen. Denn darum geht es. :icon_wink:
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Isdrasil am 10.03.2008 09:25 Uhr
Hi

In dem Fall sucht ein Täter eben genau so einen Tatort auf. Oder eben genau so ein Tatort läßt ihn dann seine Tat ausführen.
Wenn der Tatort ein maßgeblicher Teil seiner Phantasie ist, dann muß der genau der richtige sein.
Wenn der Tatort ein maßgeblicher Teil seiner Phantasie ist, dann löst ein anderer Tatort dieses Gefühl eben nicht aus.

Exakt. Du hast es erfasst. Nun nimm noch die Tatsache hinzu, dass das Erstopfer auch aus dem Affekt heraus getötet werden kann. Affekt bedeutet nicht geplant. Affekt bedeutet aus einer Kurzschlusshandlung heraus. Affekt bedeutet meistens eine schnelle Ausführung. Für einen Serientäter bedeutet diese erste Tat das Überwinden der Tötungsschwelle (ja, auch ein Serientäter muss diese erst einmal überwinden).
Im Falle Tabram könnte dies bedeuten, dass die affektiv entstandene Tat dem Täter erst ermöglichte, seine Fantasien bei dem zweiten Opfer gemäß seinen Vorstellungen auszuleben. Es ist eine Überlegung. Wie gesagt - hinderlich ist der sehr knappe Zeitabstand. Der Rest (Tatwaffe, Treppenhaus, Stechen) sind alles keine Hindernisse, dieses Opfer dem gleichen Täter von Nicholls, Chapman und Eddowes zuzurechnen. Begründet wäre dies aus dem Verhältnis affektiv - geplant, Erstopfer - weitere Opfer. Es ist der Zeitabstand, der kritisch ist. Und der wurmt mich auch.
Aber das ist nur meine Meinung, eine Überlegung, mehr nicht.

Es gibt Leute die behaupten, der Ripper wäre ein freimaurerischer 70 Jähriger Arzt gewesen, der die Prostituierten umbrachte, um eine Schwangerschaft des letzten Opfers zu verheimlichen - also, wenn das in Hinblick auf die Psychologie eines Täters nicht noch größerer Stuss ist als meine laienhaften Überlegungen, dann weiß ich auch nicht mehr... :icon_wink: :icon_aetsch:

...schön, sich ganz einfach am Untersten zu messen - das verschafft eine ganz neue Qualität und Glaubhaftigkeit  :icon_wink:

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Stordfield am 10.03.2008 11:08 Uhr
Hallo !

Ehrlich gesagt , habe ich noch nie gelesen oder gehört ( vielleicht einfach nicht mitbekommen ) , daß die Phantasien eines Serienmörders sich am Tatort entzünden . Ich glaubte immer , der Tatort muß nur ein Höchstmaß an Sicherheit und Ungestörtheit bieten . Denkt ihr wirklich , daß der Täter den Ort seiner Verbrechen noch nach anderen Kriterien aussucht und wenn ja , welche wären das ?

Gruß Stordfield
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Isdrasil am 10.03.2008 11:22 Uhr
Hi

Ehrlich gesagt , habe ich noch nie gelesen oder gehört ( vielleicht einfach nicht mitbekommen ) , daß die Phantasien eines Serienmörders sich am Tatort entzünden .

Das habe ich aber nicht gesagt...oder doch?  :icon_verwirrt:

Ich fasse meine Überlegung lieber nochmal kurz zusammen (und so schwer ist sie doch nun auch wieder nicht):

- Täter hat Fantasie
- Seine Mordserie beginnt womöglich mit einer ungeplanten Affekttat, die nicht seiner Fantasie entsprechen muss
- Der Tatort kann Teil seiner Fantasie sein (aber aufgrund des zweiten Punktes besonders am Anfang von seiner eigentlich bevorzugten Örtlichkeit abweichen)
- Mit zunehmender Erfahrung lebt der Täter seine Fantasien konkreter aus, erweitert sie, ergänzt sie, verfeinert sie
- Die Fantasie ist nicht konstant und unveränderlich

Das war eigentlich alles.

In Bezug auf Sicherheit weiß ich gerade nicht so recht - waren die Tatorte des Rippers etwa auf Sicherheit und Ungestörtheit bedacht? Könnte man nun auch wieder diskutieren...ich denke, in diesem Fall oblag die Tatortwahl den Opfern. Dennoch halte ich es für wahrscheinlich, dass auch der Gedanke an das Auffinden der Opfer und die Tatsache, dass diese auf offener Strasse lagen, dem Ripper durchaus gefielen und ein Teil seiner Fantasie waren.

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Stordfield am 10.03.2008 12:20 Uhr
Hallo Isdrasil !

Ich verstehe Dich schon ( glaub ich zumindest  :icon_wink: ).
Was ich wissen wollte ist , was Du damit meinst , wenn Du sagst , daß der Tatort Teil der Phantasie ist . Stellt er sich eine bestimmte Umgebung vor ? Müssen etwa immer ganz bestimmte Dinge in der Nähe sein ? Irgendwie kann ich mir das nicht so recht vorstellen , denn wenn er nur an Orten tötet , die er in seiner Phantasie sieht , dann kann es ihm ja passieren , daß er zwar einen ( für sich ) idealen Platz findet , aber dort vergeblich auf ein Opfer wartet .
Ich bin der Meinung , daß ein Mörder wie der Ripper , sich keinen Tatort vorphantasiert , sondern nimmt , was sich ihm bietet . Dabei paßt er seine Handlungen den Umständen an , ändert also gegebenenfalls auch seine Handschrift .

Gruß Stordfield
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Isdrasil am 10.03.2008 12:35 Uhr
Hi Stordfield

Ja, ich denke eben, der Ort kann ein Teil seiner Fantasie sein. Die Betonung liegt auf "kann", muss also nicht.
Es gibt gewiss Täter, die ein bestimmtes Terrain bevorzugen - zum Beispiel Wald wegen der Ungestörtheit; öffentliche Plätze wegen des Aufsehens; bestimmte Orte, da sie mit diesen Orten etwas Persönliches verbinden...

...dann kann es ihm ja passieren , daß er zwar einen ( für sich ) idealen Platz findet , aber dort vergeblich auf ein Opfer wartet .

Ja. Irgendwo muss ein Täter ja seinem Opfer auflauern. Und wieso lauern (manche) Täter ihren Opfern an bestimmten Stellen auf? Sie müssen ja einen gewissen Stellenwert für die Täter darstellen, und werden oftmals bei der Phase des Vorlebens der Tat in Gedanken in diese mit eingebunden. Kann natürlich auch sein, weil sich dort ihre Opfer bevorzugt aufhalten und ihre Erfolgsquote dort eben am Größten ist.
Oder er hätte ein geeignetes Opfer seiner Zielgruppe, befindet sich aber nicht am idealen Tatort. Ich denke, die Entscheidung, dann den Mord zu begehen, hängt individuell vom einzelnen Täter und dem verspürten Zwang zu töten ab. Die meisten Tatsituationen konfrontieren den Täter doch mit verschiedensten Varianzen, der Täter wägt vor Ort ab, ob sich eine Tat in seinen Augen "lohnt" oder nicht oder ob er mit dem Weglassen eines Mordes noch länger klarkommen würde.

Ich glaube, es gibt Täter, die sich einen bestimmten Tatort vorstellen - die aber trotzdem morden würden, wenn sich die Gelegenheit ergäbe, aber der Ort nicht der perfekte wäre. Und ich glaube, dies hätte Auswirkungen auf die Ausführung der Verletzungen und den Gemütszustand des Täters. Da stimmen wir ja überein - auf eine gewisse Art :icon_thumb:

Ich denke, der Ripper war auch ein "Öffentlichkeitskiller". Es mag ihn angemacht haben, die Angst auf der Strasse zu spüren, sich vorzustellen, wie sein nächstes Opfer entdeckt wird. All dies hätte er nicht in diesem Maße (und vor Allem die Angst auf der Strasse) gehabt, hätte er nur in Räumen getötet. Irgendwie so...ich seh schon, das gibt wieder Diskussionen :icon_wink:

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Stordfield am 10.03.2008 18:02 Uhr
Hallo !

Kann man vereinfacht sagen : gleiche Tatorte = gleiche Handschrift ? Wechselnder Tatort = verschiedene Handschriften ? Geht diese Formel auf ?

Gruß Stordfield
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: JohnEvans am 10.03.2008 20:28 Uhr
Hallo, Isdrasil,

Es geht mir um die Überlegung, ob der Tatort eine Auswirkung auf die Signatur eines Täters hat ...
Ich denke, diese Auswirkung betrifft Details, oder verhindert eventuell die komplette Ausführung der Phantasie (Nichols: Tatort: offene Straße, Störung – Täter läßt vom Ausweiden ab). Das heißt aber nicht, daß er nicht Ausweiden wollte, nur, daß er nicht dazu kam
Insofern hat der Tatort den Täter eingeschränkt, ihn aber nicht veranlaßt, seine Phantasie zu ändern.
Es ist auch möglich, daß der Tatort dem Täter Möglichkeiten bietet, die im Detail nicht geplant waren, aber dennoch zur Phantasie passen.

Zum Beispiel Täter, die in Häuser eindringen und sich erst einmal umsehen, ob sie nicht eine passende Mordwaffe finden. Dann verwenden sie, was da ist – Messer, Scheren, Brieföffner, um ihr Opfer zu erstechen. Die Tatwaffe wird hier eindeutig von den Möglichkeiten des Tatortes bestimmt.
Nicht aber die grundlegende Phantasie, die in dem Fall einfach heißt: ich töte mein Ofper mit einem Werkzeug, daß ich vorort finde / daß dem Opfer gehört. Somit gehört der Einfluß, den der Tatort haben kann, zur Phantasie, zum Nervenkitzel.

In dieser Hinsicht stimmt die Überlegung, daß der Tatort die Signatur des Täters „beeinflußt“, allerdings niemals gegen seine Phantasie.

…oder eine veränderte Vorstellung des Täters zu einem Wechsel des Tatortes führen kann. Und so abwegig sind diese Gedanken gar nicht.
Durchaus nicht. Aber, wie du selbst einräumst, brauchen veränderte Vorstellungen ihre Zeit.

Täter sind manchmal experimentell, ändern ein paar Aspekte ihrer Tat und mögen auch mal den Tatort wechseln.
Durchaus, besonders, wenn die Variation zur Phantasie gehört. Oder ein Wechsel aus Sicherheitsgründen angesagt ist.

Dennoch bleibt die eigentliche Phantasie, daher die Signatur, gleich. Der Täter wird immer versuchen, so viel wie möglich von seiner Phantasie auszuleben.

Aber bei Tabram sind einfach zu viele Dinge völlig anders, vor allem: Tabram sieht nicht wie eine Ersttat einer lang gehegten Phantasie aus. Hier fällt nur eines sofort auf: der Affekt, die Wut.

Eine Phantasie hingegen ist das genaue Gegenteil eines spontanen Wutausbruches.

Ich fasse meine Überlegung lieber nochmal kurz zusammen
Und ich werde mich bemühen, ebenso kurz darauf zu antworten. :icon_mrgreen:

- Täter hat Fantasie
:icon_thumb:

Seine Mordserie beginnt womöglich mit einer ungeplanten Affekttat, die nicht seiner Fantasie entsprechen muss
NEIN. Warum auch? Es IST seine Phantasie, die ihn zum Mord treibt, auch zum ersten. Daher wird er alles dran setzen, sei es auch noch so stümperhaft oder unvollendet, genau diese seine Phantasie, die ja der Auslöser für die Tat ist, durch zu führen.

Eine Anpassung von Phantasien an Sachzwänge oder Gegebenheiten findet nicht statt, sonst wären es ja keine Phantasien mehr. Es gibt kein "Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.".

Ich hoffe, ich drücke mich klar aus – die Phantasie  eines Serienmörders ist die Triebfeder für seine Tat(en), nicht ein plötzlich auftauchender Affekt.

Was nicht heißt, daß so ein Täter nicht auch mal einen anderen Mord im Affekt begehen könnte, im Rausch. Auch an einem Vertreter einer anderen „Opfergruppe“. Aber so ein Mord ist dann eben nicht der Auftakt für seine Phantasie-Serie.

Ein Indiz für diese Überlegung ist die Tatsache, daß viele Serienmörder, deren Opfer Frauen waren, im Gefängnis die Friedfertigkeit in Person sind. Denn, so eigenartig es klingen mag, viele Serienkiller wirken deshalb auf ihre Umgebung so „normal“, weil sie es eben in den überwiegenden Belangen des sozialen Lebens auch sind. Sie haben oft eben nur diesse eine, aber feine „Störung“ Und gerade, weil sie ansosnten ebenfalls soziale Hemmungen besitzen, brauchen sie auch Jahre, bis sie sich überwinden, ihre Phantasien aus zu toben.

Ihre männlichen Mithäftlinge lösen diese aber nicht im geringsten aus – weshalb denen dann auch von solchen Tätern keine Gefahr droht.

Hingegen andere Gewalttäter scheuen sich auch im Gefängnis nicht, ihre gewalttätige Natur auszuleben.

- Der Tatort kann Teil seiner Fantasie sein (aber aufgrund des zweiten Punktes besonders am Anfang von seiner eigentlich bevorzugten Örtlichkeit abweichen)
-   Mit zunehmender Erfahrung lebt der Täter seine Fantasien konkreter aus, erweitert sie, ergänzt sie, verfeinert sie
Betonung auf "kann“, mußt nämlich nicht sein.

Die Fantasie ist nicht konstant und unveränderlich
Warum? Warum jahrelang eine bestimmte Phantasie hegen und pflegen und sie dann aufgeben? Elaborieren – JA, ändern – kaum. Ausnahmen möglich, aber eher nicht die Regel.

Sämtliche Profiler wären brotlos, wenn sich die Serienkiller an diesen letzten Punkt deiner Überlegungen halten würden. :icon_razz:

Grüße, JE
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: JohnEvans am 10.03.2008 20:31 Uhr
Hallo,

Kann man vereinfacht sagen : gleiche Tatorte = gleiche Handschrift ? Wechselnder Tatort = verschiedene Handschriften ? Geht diese Formel auf ?
Nein, nicht nach meiner Rechnung. Da sieht die Formel so aus ---> gleiche Phantasien =>  gleiche Signatur / Handschrift.

JE
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Isdrasil am 11.03.2008 07:15 Uhr
Hi

Das ist so ein Endlosthema, meine lieben Leute....

Es ist auch möglich, daß der Tatort dem Täter Möglichkeiten bietet, die im Detail nicht geplant waren, aber dennoch zur Phantasie passen.
...
In dieser Hinsicht stimmt die Überlegung, daß der Tatort die Signatur des Täters „beeinflußt“, allerdings niemals gegen seine Phantasie.

Sehr schön - insofern ein Punkt für Kelly  :icon_thumb: :icon_wink:

Seine Mordserie beginnt womöglich mit einer ungeplanten Affekttat, die nicht seiner Fantasie entsprechen muss
NEIN. Warum auch? Es IST seine Phantasie, die ihn zum Mord treibt, auch zum ersten. Daher wird er alles dran setzen, sei es auch noch so stümperhaft oder unvollendet, genau diese seine Phantasie, die ja der Auslöser für die Tat ist, durch zu führen.

Das ist so nicht richtig. Es ist eben eine belegte Tatsache - da kann ich doch auch nix für. Nehm Dir doch mal das Kroll-Beispiel (verzeihe mir, wenn ich nun doch vergleiche  :icon_wink:). Er besaß diese eine Fantasie, die er jedoch erst nach 20 Jahren auslebte. Die Fantasie ist also nicht zwangsweise von der ersten Tat an ablesbar. Und ja, es gibt auch Beispiele, bei denen die erste Tat eine Affekttat darstellt, die relativ wenig mit der eigentlichen Intention des Täters zu schaffen hat. Und ich gebe Dir ja recht: Tabram ist ein äußerst schwieriger Fall...

Und noch dazu: Er hat diese Fantasie erst, weil er zum Morden veranlagt ist. Was treibt ihn also zum Mord? Die Fantasie? Oder hat er diese, weil er ein geborener Mörder ist? Was war zuerst? Huhn oder Ei?  :icon_wink:

Sämtliche Profiler wären brotlos, wenn sich die Serienkiller an diesen letzten Punkt deiner Überlegungen halten würden. :icon_razz:

Soll ich dazu noch was sagen?  :icon_wink:
Ich würde von Dir zum ersten Mal hören, dass unter den Profilern große Einigkeit über solche Punkte herrscht...wie bei uns Hobby-"Ripperologen" wird auch bei den Profilern gekloppt, korrigiert, ergänzt...selbst Größen wie Douglas und Harbort sind nun dazu übergegangen, die Signatur als nicht konstant zu betrachten. Wenn Du Zitate möchtest, muss ich erst suchen, dazu bin ich jetzt zu faul...

Und noch einmal ergänzend zum Tatort und Signatur: Nehmen wir an, ein Täter tötet immer auf offener Fläche. Er lockt sie in sein Auto (Anhalterinnen) und fährt unter Vorwand auf einen Feldweg ("Ich nehme eine Abkürzung"). Immer und immer wieder. Eines Tages, eher rein zufällig, entdeckt er zum ersten Mal in der Nähe eines seiner Tatorte einen Baum. Vorher waren nie welche da gewesen. Doch jetzt sticht er ihm förmlich in`s Auge. Er grinst, denkt an das Seil, welches er auch zufällig im Kofferraum hat, und kommt auf die Idee, mal etwas Neues zu probieren...

Grüße, Isdrasil

PS: Es wäre schön, wenn wir in diesem Zusammenhang auch mal etwas mehr über Kelly reden.
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Isdrasil am 11.03.2008 07:31 Uhr
Und noch was:

Ich glaube bestimmt nicht, dass die Signatur beliebig veränderbar oder austauschbar ist. Mit Sicherheit ist sie das nämlich nicht. Einmal angewandt, wird der Täter in seinem Rahmen bleiben. Sonst hätte Profiling wahrhaft keinen Sinn, und das wollen wir ja nicht...

Tabram hat eben diese Ausnahmestellung als Erstopfer. Würde Kelly die Verletzungen von Tabram aufweisen, also als Opfer nach Nicholls, Chapman, Eddowes – dann könnte man getrost sagen: Das war nie der Ripper.
Aber es besteht eben ein Unterschied, ob der Täter seine Fantasie bereits „performed“ hat oder noch nicht.

Zumindest bei den deutschen Serienmördern, die Harbort untersuchte, konnte die erste Tat manchmal (nicht immer oder generell) nur durch ein Geständnis dem jeweiligen Serientäter zugeordnet werden. Es gibt Ausnahmen. Ich weiß nicht, was uns sagt, dass der Ripper nicht so eine Ausnahme darstellt, was sein Erstopfer angeht...

@Stordfield

Kann man vereinfacht sagen : gleiche Tatorte = gleiche Handschrift ? Wechselnder Tatort = verschiedene Handschriften ? Geht diese Formel auf ?

Diese Formel wird nicht immer aufgehen - ich pauschalisiere auch nicht gerne (daher muss Tabram ja drin bleiben - hehe)...aber würde zu wenigstens einem Drittel der Aussage zustimmen, ja  :icon_thumb:

Es ging ja auch nur drum, ob es dazu kommen kann - und nicht, ob der Tatort immer Einfluss auf die Signatur hat. Ich komme mir vor, als ob meine Überlegung als pauschal betrachtet wird. Dem ist natürlich nicht so.  :icon_wink:

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Floh82 am 11.03.2008 09:20 Uhr
Ich glaube bestimmt nicht, dass die Signatur beliebig veränderbar oder austauschbar ist. Mit Sicherheit ist sie das nämlich nicht. Einmal angewandt, wird der Täter in seinem Rahmen bleiben. Sonst hätte Profiling wahrhaft keinen Sinn, und das wollen wir ja nicht...

Einspruch euer Ehren.

Mit Sicherheit ist hier gar nichts sicher. Ein Täter wird VERMUTLICH in seinem bisherigen Rahmen bleiben. ABER die Signatur ist austauschbar bzw. veränderbar. Beliebig sicher nicht, aber durch äußere oder auch innere Einflüsse KANN ein Täter seine Signatur verändern. Tut er das ist Profiling nicht sinnlos, aber fehlbar und das ist es nunmal.

Und übrigens:
Kann es sein dass das hier diskutierte wenig Sinn macht, wenn Tabram gar kein Ripper-Opfer ist? :D Wovon ich nämlich immer mehr ausgehe...
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Isdrasil am 11.03.2008 09:28 Uhr
Hi Floh

was ist daran so falsch, zu behaupten, die Signatur sei mit Sicherheit nicht beliebig austauschbar und veränderbar? Die Betonung lag auf beliebig, vielleicht hätte meiner einer das noch kenntlich machen sollen....
Wollen wir aus einem Giftmörder einen Schlitzer machen wollen und aus diesem dann wieder einen Torso-Mörder?
Du sagst doch dasselbe wie ich - oder täusch ich mich da jetzt? Es gibt einen Rahmen, aber die Signatur kann sich durch innere und äußere Einflüsse verändern. Das trifft sich doch mit meinen Aussagen, wozu also der Einspruch?  :icon_verwirrt:

Langsam wird es verwirrend.... :icon_mrgreen:

Und Profiling ist allemal fehlbar. Das denke ich auch. Es ist eben von Menschen gemacht. Aber egal, um was wir diskutieren - vertritt nicht jeder eine Art persönliches Profiling? Macht das nicht jeder für sich auf eine gewisse Art und Weise? Es gibt eben Menschen, die haben sich dies zum Beruf gemacht und veröffentlichen ihre Gedanken, mehr nicht...aber ein wenig mehr Ahnung von der Materie haben diese Menschen schon, deswegen kann man sich ruhig mal auf sie beziehen...fehlbar ist nicht gleich sinnlos...meine Meinung :icon_wink:

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Alexander-JJ am 11.03.2008 13:33 Uhr
Ein Mörder kann schon vielseitig "begabt" sein.

Aber die damaligen Giftmörder passen vom Lebenswandel, von der Gesinnung her, doch gar nicht zu JTR. Sie haben Personen des direkten Umfeldes umgebracht, entweder um sich bestimmte Vorteile zu verschaffen und/oder um diese Personen ganz einfach loszuwerden. Der Torsomörder mordete relativ selten und gab sich sehr große Mühe seine Spuren zu verwischen. Gut möglich das er seine noch lebenden Opfer vorher vergewaltigt/gefoltert hat. Passt auch nicht zu JTR.


Und Tabram sieht wie ein x-beliebiges Opfer aus einem Kriegsgebiet aus. Eine anfangs "harmlose" Messerstecherei artete aus und führte zum Tod des Opfers. London war zwar kein Kriegsgebiet, aber ich denke das einer der Soldaten (oder auch mehrere) den Krieg sozusagen "mitgebracht" haben.



 :)
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Floh82 am 11.03.2008 17:04 Uhr
Hi Floh

was ist daran so falsch, zu behaupten, die Signatur sei mit Sicherheit nicht beliebig austauschbar und veränderbar? Die Betonung lag auf beliebig, vielleicht hätte meiner einer das noch kenntlich machen sollen....
Wollen wir aus einem Giftmörder einen Schlitzer machen wollen und aus diesem dann wieder einen Torso-Mörder?
Du sagst doch dasselbe wie ich - oder täusch ich mich da jetzt? Es gibt einen Rahmen, aber die Signatur kann sich durch innere und äußere Einflüsse verändern. Das trifft sich doch mit meinen Aussagen, wozu also der Einspruch?  :icon_verwirrt:

Für mich klang das beliebig nicht betont ;)

Aber gut, ich lese nicht die ganze Zeit mit, soviel Zeit hab ich nicht ;)
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Isdrasil am 11.03.2008 17:07 Uhr
Hi

Schon gut - ich weiss selbst nicht mehr, was los ist und wer nun genau welche Meinung vertritt :icon_wink:

Und Alex JJ scheint zu glauben, ich hätte ernsthaft die Torsomorde und Giftmorde mit in die mögliche Auswahl genommen... :icon_rolleyes:

Ist manchmal nicht gut, so viel und so enthusiastisch zu schreiben...

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Alexander-JJ am 12.03.2008 11:27 Uhr
Das passt schon. Eine Diskussion in Gang zu bekommen ist gar nicht so einfach.

  :icon_thumb:
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Isdrasil am 12.03.2008 14:12 Uhr
Hi

@Alex
Ja, auch wieder wahr...

Man kann ja alles noch einmal in einer ganz einfach formulierten Frage zusammenfassen:
Kann eurer Meinung nach der Tatort die Signatur eines Täters beeinflussen oder ist der Tatort sogar bereits in seiner Fantasie (falls vorhanden) integriert?

Aber im Prinzip begründet ja die Mehrheit der Kelly-Befürworter eh die Verletzungen zum Teil durch den Tatort…und im Prinzip gibt es eben solche und solche Täter…machen wir es mal anders:
Glaubt ihr, der Tatort hat für den Ripper in irgendeiner Weise eine Rolle gespielt? Wenn ja, welche?

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Floh82 am 12.03.2008 15:05 Uhr
Nein ich glaube nicht dass der Ort eine Rolle spielte.

Dem Täter ging es um das Töten, um das Verstümmeln....der Ort war nebensächlich. Die meisten Taten fanden auf der Straße statt, weil die Opfer auf selber getroffen wurden und Orte um sie zu töten in der Nähe waren und ebenfalls unter freiem Himmel. Nur bei einem Opfer (MJK, ich schließe Tabram mal aus) hatte der Ripper die einmalige Gelegenheit in einem Raum zu töten. Es war eine Ausnahme, eine zufällige Gelegenheit....sie war weder geplant, noch eine bewußte Änderung der Vorgehensweise.
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Isdrasil am 01.06.2010 20:02 Uhr
Hi

Ich muss gerade nochmal was dazu schreiben, weil in mir wieder ein Funke zündet (vielen Dank Stordfield  :icon_wink:)

Also - ich habe in dieser endlosen Diskussion die Meinung vertreten, dass der Tatort Einfluss auf die Signatur eines Täters haben könnte. Ich möchte nun erstmal nicht mehr darüber reden, welche Schlüsse ich persönlich aus der Innenraumsituation für die Taten des Rippers ziehe, aber eines verstehe ich nicht:

Derjenige, der Kelly zu den Ripperopfern zählt und die Verletzungen mit der Innenraumsituation und der zusätzlichen Zeit begründet, ist der Meinung, der Tatort habe einen Einfluss auf die Signatur des Täters. Weshalb tötete der Ripper Kelly - gesetz dem Fall, sie sei sein Opfer gewesen - nicht auf eine den anderen Taten entsprechenden Weise? Weshalb wich der derart von seinen Gewohnheiten ab, von seiner "Professionalität" und seinem "Plan". Die Antwort kann doch nur dreierlei sein:
1. Kelly war nicht sein Opfer
2. Der Täter sah in ihr etwas anderes als in den anderen Opfern
3. Oder eben: der Tatort übte Einfluss auf seine Signatur

Gesetz dem Fall, nach Kelly wären weitere Opfere hinzugekommen und diese wären auch in einem Raum getötet worden - so würde Kelly doch eine Art Signaturwechsel-Opfer darstellen. Der Kern - das Ausweiden und die Zurschaustellung der Opfer - und wohl auch die Ausführung (auch wenn bei Kelly infolge der extremen Verstümmelungen nicht mehr derart ersichtlich) würden wohl gleich bleiben, doch das ganze Außenherum und die Schwere, die zusätzliche Performance um diesen Signaturkern herum, würden sich steigern und bis ins Extreme ziehen.

Ich finde den Gedanken alles andere als abwegig und ich komme nicht umhin, bei der Bewertung der Unterschiede zwischen Kelly und Nicholls, Chapman, Eddowes die Raumsituation und ihren Einfluss auf den Täter zu berücksichtigen.

Meine Meinung bezüglich des Stresses bleibt wohl meine persönliche Meinung (ich glaube, der Ripper war bei Kelly gestresster als auf offener Strasse), aber es ist doch beinahe offensichtlich, dass ein anderer Tatort zu einem anderen Ergebnis führen kann - schon alleine, wenn man andere Serientäter betrachtet.

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Isdrasil am 01.06.2010 20:24 Uhr
...ich muss noch anfügen, dass ich die Signatur zweigeteilt verstehe:

Ich glaube, es gibt eine unveränderliche Komponente, die an den Charakter des Täters gekoppelt ist und immer gleich bleiben wird.
Und dann gibt es einen veränderlichen Teil, der variieren, steigern, wachsen oder auch sich reduzieren kann...so wie jedes Individuum an seine charakterlichen Grenzen gebunden ist, kann es auch innerhalb dieser Grenzen dazu lernen und sich anpassen.
Eine Art "Signaturkern" oder von mir aus auch "Signaturbasis" mit einem variablen Aufbau - der verändert werden kann, aber nicht muss, der vom Täter gewollt verändert wird oder durch äußere Umstände verändert wird. Und dann wiederum gewollt von Täter weitergeführt wird oder eben nicht.

Als Kern würde ich beim Ripper auf jeden Fall das Öffnen der Bauchdecke, den Kehlschnitt, einige psychische Aspekte (eine gewisse Arroganz und Verachtung, einen spürbaren Frauenhass) sowie die Opferwahl ansehen. Ein Junge, der enthauptet wurde? Niemals ein Ripperopfer. Mary Kelly? Durchaus. Der Kern ist vorhanden. Und der Aufbau könnte durch die anders gelagerte Situation bedingt sein.
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Anirahtak am 01.06.2010 22:57 Uhr
Hallo Isdrasil,

ich erinnere mich, irgendwo hier von Dir diesbezüglich etwas gelesen zu haben als ich noch nicht angemeldet war. Also von der Variante, dass er Kelly deshalb so sehr viel stärker malträtierte als die anderen Opfer, weil er sich in dem Zimmer wie in einer Falle fühlte und nicht sicher sein konnte, ungesehen wieder verschwinden zu können (stimmt so sinngemäß, oder?).

Das fand ich sehr interessant, von selbst wäre mir diese Möglichkeit nicht eingefallen. Und ich halte es auch für denkbar. Ebenso allerdings, dass er sich diesmal mehr Zeit gelassen hat (und das "Ergebnis" entsprechend aussah), weil die Umstände es ihm erlaubten. Ich würde mich auf keine der beiden Möglichkeiten festlegen wollen.

Sollte er am geschlossenen Raum als Tatort Gefallen gefunden haben, wäre das fast schon eine Erklärung dafür, dass Kelly das letzte Opfer war - Prostituierte (oder überhaupt Personen) in Einzelzimmern dürften doch recht rar gewesen sein. Das ist aber nicht mein voller Ernst, ich kann mir nicht vorstellen, dass so jemand aufhört, weil er die gängigen Tatorte/-umstände als suboptimal empfindet.

Und ja, den "Signaturkern" sehe ich ebenfalls als gegeben.
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Lestrade am 02.06.2010 13:00 Uhr
Hallo Isdrasil!

Ich habe diesen Faden bisher nicht entdeckt. Ich finde deine Theorie sehr gut.

Dieses "zur Schau" stellen unter freien Himmel, war auch meiner Meinung nach, ein wichtiger Teil seiner kranken Fantasie. Dieser Schock- Moment für andere, verschaffte ihn Aufmerksamkeit und eine, für seine Begriffe", gewünschte Bestätigung. Tabram ist mein 5 + 1,5tes Ripper Opfer. Diese sich auftuende Möglichkeit eines Indoor- Mordes, könnte sein Verhalten schon verändert haben. Ob geplant oder nicht geplant, vielleicht auch nicht in jedem Falle, veränderte sicherlich seine "Möglichkeiten". Oder hätte es zumindest tun können. Ob er bei Kelly aus "Sicherheitsgründen" einen Tatort in einem Raum wählte, anstatt wie üblich draußen, wäre schlußfolgernd natürlich auch möglich, schließt aber deine Variante nicht aus. So etwas könnte man auch im Zusammenhang sehen. Wir wissen halt nicht genau, wie alles ablief. Solch einem Mann traue ich zu, sich an den Tatort zurückzubegeben um der "Entdeckung" der Leiche beizuwohnen. Zeit genug hätte er gehabt. Welche Aufmerksamkeit seine Verbrechen auf sich zogen, konnte er in allen grausamen Details aus der Zeitung und durch all die Menschen um ihn herum, hautnah miterleben. Warum also diesen "Thrill" nicht noch steigern. Das dies vielleicht von seinem "gewohnten" MO abwich, hätte ihn auf jeden Fall nervös werden lassen können. Interessante Gedankengänge.

Liebe Grüße,

Lestrade.
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: KvN am 02.06.2010 17:53 Uhr
Nein, er hatte bei Kelly keinen Stress, er hatte nur die Möglichkeit die Tür hinter sich zuzusperren. Wenn die Theorie stimmt und Kelly wurde tatsächlich im Schlaf überrascht, dann würde das allerdings bedeuten dass JtR nicht nur die Handschrift, sondern auch den MO grundlegend geändert hat. Und ansonsten bin ich auch noch ratlos, Miller´s court überfordert mich...

Grüße
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Lestrade am 02.06.2010 18:28 Uhr
Mmh Kurt, ich weiß nicht. Warum soll der Ripper, aufgrund geänderter oder eigentlich gewünschter Tatumstände, nicht mehr Stress als sonst verspürt haben? Stress, in erhöhter Form, hätte ja schon bei Eddowes eine Rolle spielen können. Immerhin ging ja vieles gründlich, eine Stunde zuvor, bei Stride daneben. Das schließt alles andere nicht aus. Ich finde Isdrasil´s Gedankengänge absolut nachdenkenswert. Vielleicht wären diese Opfer, unter anderen Gegebenheiten, so vorgefunden worden wie Annie Chapman. Vielleicht haben ihn die Ereignisse in der Nacht des DoubleEvents und auch bei Kelly, rasender werden lassen und in gewisser Weise auch bei Tabram. Das hat irgendwas, diese Überlegung.

Liebe Grüße,

Lestrade.
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: KvN am 02.06.2010 22:36 Uhr
Natürlich sind diese Überlegungen eine Erörterung wert, keine Frage. Ich seh´s halt anders...Aber - um meine wenig geistreichen Kommentare zu entschuldigen - ich bin in Bezug auf Kelly grad in einer Nachdenkphase...
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Lestrade am 03.06.2010 07:19 Uhr
Guten Morgen Kurt!

Was für eine Nachdenkphase? Wo hakt es?
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: KvN am 03.06.2010 13:33 Uhr
An meiner Einschätzung des MO...Ich hab da momentan kein konsistentes Bild. Wenn man sich die Taten anderer Serienmörder ansieht, ergibt sich häufig dasselbe Bild: Die Durchführung des Mordes ist verschiedenen Faktoren unterworfen, emotionale Aspekte spielen da sicher eine große Rolle, auch örtliche, da geb ich Isdrasil vollkommen recht. Aber die Aktivitäten vor der eigentlichen Tat sind ziemlich konstant, ist auch logisch, dies ist die Phase die die meiste Planung verlangt.
Wenn aber die Theorie stimmt, dass MJK im Schlaf überrascht wurde, dann hat JtR seinen MO krass geändert. Und das bringt mich zum Grübeln...

Grüße
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Lestrade am 03.06.2010 13:53 Uhr
Diese Überlegungen sind absolut nachvollziehbar. Stride und Kelly bleiben diskussionswürdig, auch wenn ich sie persönlich JtR zuordne.
Wir wissen nicht was im Miller´s Court ablief Kurt. Wurde Kelly wirklich im Schlaf überrascht? Ist der Täter eingebrochen? panopticon schrieb neulich, sie ist möglicherweise mit dem Laken über´s Gesicht attackiert worden. Auf dem lag sie aber. Ihre geordneten Sachen sprechen dafür, das sie bereits in der Nachtruhe war oder zumindest sich gerade dazu begeben hatte. Sie kann genauso gut, dem Täter die Tür geöffnet haben. In dem Aufzug allerdings nur jemanden, dem sie nichts böses zutraute. Griff er plötzlich das Laken als sie am Bett stand und erstickte er dadurch ihre "Mord" Schreie? Die Sache mit der verschlossenen Tür ein weiterer Punkt, der eine harte Nuss ist. Geöffnet haben kann sie die Tür, verschlossen haben nicht mehr.
Hat Barnett die Wahrheit gesagt? Gab es den verlorenen Schlüssel überhaupt? Wann hat er sie das letzte Mal gesehen. Er hatte sie noch nicht vollends aufgegeben, könnte selber den Schlüssel gehabt haben. Das macht ihn aber nicht gleich zum Mörder. McCarthy dürfte auch einen gehabt haben, hatte aber wohl auch ein aalglattes Alibi. Und die Polizei glaubte an Barnett´s  nächtliche Aufenthalte.
Hutchinson´s Mann muss auch nicht der Täter gewesen sein. Aber ich glaube seiner Beschreibung (wenn auch nicht gewissen Ausschmückungen). Dennoch denke ich, das dieser Mann Kelly´s Mörder war.
Der Täter musste lernen Kurt, wenn es denn der gleiche wie vorher war. Das DoubleEvent, mit seinen ganzen Vorkommnissen, dürfte Einfluss auf sein Verhalten gehabt haben. Gerade die Uhrzeit zwischen 3-4 Uhr morgens, versprach mehr Ruhe und Sicherheit. Ich denke, wie eigentlich immer, kehrte der Täter zu seinem ausgewählten Opfer zurück. Und Kelly öfnete ihm erneut die Tür. Wer weiß, wieviel Arrangements er in solchen Nächten hatte und an was es lag, was ihn sich dann für ein Opfer entscheiden ließ. Waren es nicht die gewünschten oder die erträumten, fantasierten Umstände, dann kommen wir auf Isdrasil´s Ansichten zurück.
Wie verschloss er dann die Tür? Durch´s Fenster? War das wirklich so möglich? Oder hatte Kelly doch einen Schlüssel? Wir können es nicht zweifelsfrei beantworten.

Grüße.
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: KvN am 04.06.2010 07:34 Uhr
Auch ich ordne Kelly dem Ripper zu, trotzdem - oder eher deswegen - ist Miller´s Court für mich ein Ort voller Fragezeichen. Kelly hat ihm die Türe meiner Meinung nach nicht geöffnet, dazu hätte er ja klopfen, rufen oder sonstwas müssen, so sie bereits geschlafen hätte sogar recht laut. Ein einbrechender Jack ist aber vom bisherigen MO weit, weit weg. Wenn blotchy face oder der Hutchman der Mörder gewesen wäre und der "Murder" Schrei von Kelly stammte - und es gibt nichts das dagegen spricht - würde das bedeuten dass sie Stunden in Jacks Gesellschaft überlebt hätte. Natürlich ist es möglich dass der Double Event die Tatortauswahl beeinflusst hat, sicher bin ich mir da aber keineswegs.
An die tatortgebundene Signatur glaube ich nur bedingt, ich denke dass der Täter den Tatort seinen Bedürfnissen entsprechend auswählt. Aber dann muss er bei der Opferwahl wiederum flexibel sein, ein ausgesuchtes Opfer an einen ausgesuchten Ort zu dirigieren ist schon recht komplex und birgt viele Gefahrenmomente.
Aber vielleicht war auch das der Unterschied bei MJK. Nämlich dass es hier um ein ganz bestimmtes Opfer ging und nicht nur um die Tat per se. Sprich: Es war derselbe Mörder, aber ein anderes Motiv und daraus resultierte ein anderer MO.
Aber nix Genaues weiß man ned...

Grüße
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Lestrade am 04.06.2010 10:46 Uhr
Guten Morgen Kurt!

Genau, nichts genaues wissen wir. Ich kann da nicht wirklich viel zu beisteuern.

Erinnere dich an einen Post von mir am 07.April diesen Jahres:

"Nichols wollte in der Thrawl Street noch ein Zimmer mieten, man fand sie wohl aber auch oft im White House in der Flower and Dean Street
Chapman lebte wohl oft in einem Lodging House in der Dorset Street, in jener Straße wurde sie auch noch kurz vor ihrem Tod gesehen.
Stride wurde in der Nacht ihrer Ermordung noch in der Flower and Dean Street gesehen.
Eddowes schlief zwei Tage vor ihrem Tod noch in der Flower and Dean Street.
Kelly lebte in der Dorset- Street, dort starb sie auch. Ihren Mörder traf sie wahrscheinlich nahe der Flower and Dean Street/Thrawl Street.

Das ist doch ein sehr auffälliger, kleiner Bereich wo man Verbindungen zwischen den Opfern wahrnehmen kann. Daraus schließe ich, der Täter hielt sich hier oft auf bzw. begann hier mit seiner nächtlichen Jagd. In diesem Bereich liegt auch der Pub "Ten Bells", wo alle Opfer wohl gerne tranken (Frying Pan, Queen´s Head, Bricklayer's Arms, The Britannia, The Horn of Plenty waren weitere Pubs die eine Rolle spielten). Die erste Sichtung seiner möglichen Opfer könnte beim Trinken in Pubs begonnen haben.

Ich stelle diese Übersicht als etwas "Gemeinsames" bei den Opfer einfach mal hier rein. Kann jeder entscheiden ob es an dem ist."

Alle Opfer und Täter könnten sich gekannt haben. Kennen nicht immer im Sinne von "Freund" sein aber vom Sehen her usw. Ausnahmen könnten diese "Regel" bestätigen, d.h., eine Frau wie Kelly hätte diesen Mann auch unbedenklich die Tür öffnen können. Immerhin brachte er Annie Chapman auch dazu, mit ihm in einen Hinterhof zu gehen. Falls Tabram ein Opfer von ihm war, ging sie mit ihm auch Indoor.

Betrachte dazu auch die Persönlichkeit von Kelly: http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1265.msg19297.html#msg19297 Vierter Beitrag vom 26.Mai.

Ich glaube auch nicht an die Vorstellung, das es nur um diese Frauen als Opfer in jenen Nächten ging. Er war nicht wirklich fixiert auf eine Person. Dort, wo sich dann Gelegenheit bot, schlug er zu.

Wir wissen nicht, ob oder wie er den Miller´s Court beobachtete. Durch´s kaputte Fenster hätte er durchaus Kelly ansprechen können. Sie hätte ihn dann reinlassen können. Hätte sie bei Barnett z.B. ja auch getan. Wir wissen ja nicht ob sie bereits schlief oder ob sie sich gerade erst in´s Bett begab. Inwieweit der Täter dies mitbekam. Löschte sie ein Licht oder ein Feuer zum Schlafen? Hatte sie überhaupt die Möglichkeit, das Zimmer lange zu erhellen? Wir wissen es nicht. Sie machte die Nacht zum Tag aber irgendwann musste sie auch schlafen. Sie machte vielleicht gerade "Feierabend", dieser späte Zeitpunkt hätte für den Ripper eine Zeitpunkt bedeuten können, wo er die wenigste Störung vermutete oder auch ganz einfach, Kelly war seine letzte Chance in jener Nacht. Eine Chance, die vielleicht garnicht seinem Muster entsprach.

Deshalb bleibe ich dabei. Isdrasil´s Arbeit und Überlegungen sind sehr ansprechend.

Liebe Grüße,

Lestrade.
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Lestrade am 05.06.2010 11:39 Uhr
Schau mal hier Kurt http://www.youtube.com/watch?v=Di-dUKtqaQ4&feature=related

Ich wollte eigentlich für Aeneas etwas bei youtube suchen. Gefunden habe ich das da.

Scheint in jeglicher Hinsicht sehr interessant.

Grüße, Lestrade.
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: KvN am 07.06.2010 15:18 Uhr
THX für den link! Kann i mir aber erst später anschauen, mein net stottert und i hab grad kan Ton...
Ich finde ja auch dass die Überlegungen sehr interessant sind, haben auch bei mir neue Denkansätze ausgelöst. Allerdings - so präpotent bin ich - teile ich die Meinung von Harbort genauso wenig wie die Meinung von Douglas, wobei man Harbort zugute halten muss dass er die Tätergruppe wenigstens eingrenzt. Ich denk da schon wieder an Kroll: Wer würde annehmen dass die Messerattacke auf das Pärchen im Auto und die Morde durch Erdrosseln an kleinen Mädchen dem selben Täter zuzuordnen sind? Ich befürchte dass sich derartig kranke Menschen wohl für immer einer Kategorisierung entziehen...

Grüße
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: KvN am 07.06.2010 17:43 Uhr
Hhhhmmm...Die Eddowes Gesichtsverletzungen als Kampfspuren? Bin ich eher skeptisch (so wie immer). Das Einschneiden beider Augenlider ohne die Augäpfel zu verletzen, naja, kann sein, aber sehr plausibel ist das für mich nicht...Trotzdem nochmals Daunkscheen, allemal interessant!

Grüße
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Lestrade am 07.06.2010 18:13 Uhr
Du bist aber auch ein Sturkopp Kurt!

Harbort, Douglas, Ressler, diese Menschen leisten eine unglaublich wichtige Arbeit, tun, was ihnen möglich ist. Es gibt angenehmere Jobs.

Sicherlich gibt es Täter, die Ausnahmen darstellen, denen das Töten, egal von wem, das erstrebenswerte Ziel ist. Aber auch die haben ein Muster, auch wenn es größer, uns unlogischer vorkommt. Der größte Teil solcher Täter, besitzt aber sicherlich ein überschaubareres Muster ihrer Fantasie. So wie Jack the Ripper. Aber wie oft werden solche Fantasien zu 100% umgesetzt werden können? Sie streben danach ja, aber am Ende können, wenn es schlecht läuft, die einzelnen Taten sehr unterschiedlich aussehen. Nur wer genau hinschaut, sich den kleinsten Details widmet, der kann die "Handschrift" solcher Menschen erkennen und den Zusammenhang bestimmen.
Wir wissen nicht, wer von seinen Opfern, Nichols, Chapman, Stride, Eddowes und Kelly seine Vorstellung mit allem drumherum am stärksten erfüllte und welche am schwächsten, abgesehen davon wie die einzelnen Taten abliefen. Wir können spekulieren und spekulieren und spekulieren... Schlug er so früh bei Stride zu weil Sie ihm am besten gefiel, seiner Fantasievorstellung sehr entsprach oder schlug er bei Nichols, Chapman und Kelly so spät zu, weil er nichts besseres fand? Er war auf der Jagd, er suchte... Oder ist das überhaupt nicht relevant? Aber wenn er mit der Tat begann, dann zog er sie durch... Schwartz und der zweite Mann, könnten mit Berechtigung Angst um ihr Leben am Tatort von Stride gehabt haben. Waren die Gesichtsverletzungen bei Eddowes und Kelly persönlicher Natur oder war er, aufgrund der Begebenheiten, rasender als sonst ? Oder waren es nicht die Gesichter, in die er Blicken wollte, während er mit seinen Greueltaten fortfuhr? Wir wissen es nicht, wir wissen es einfach nicht. Ob nun Harbort, Douglas oder Ressler, sie alle zeigen uns doch die Weite, mit der solche Täter agieren können. Komplexe Zusammenhänge stehen dahinter. Wir lassen uns gerne selbst einschränken mit "25-35 Jahre", weiß, vermutlich jenes, vermutlich dieses, da und da...". Das kann ein Fundament sein, eine Richtung, etwas das, wenn wir es beachten uns der Wahrheit näher bringen können. Eine Weg, auf den man sich begeben kann, um auf den Pfaden ringsherum, besser draufblicken zu können.

Ich habe das schon einmal bei dir erlebt, als du Swanson, Anderson und Macnaughton + Co. so als blablabla abgestempelt hattest. Woher nehmen wir popeligen Forumsschreiber das Recht, leitende und aktive Polizeibeamte, die dabei waren (mehr oder weniger), mehr oder weniger abzukanzeln? Aussagen aus erster Hand. Natürlich kann man darüber geteilter Meinung sein aber eines ist Fakt. Sie liefern uns Informationen. So viele aus Polizeikreisen, haben wir ja nun wirklich nicht. Nimm Swanson, viele Fäden liefen bei ihm zusammen, er erhielt unzählige Informationen etc. Da kann ich mich hier nicht hinstellen und sagen "Lass den Jungen mal labern". Alle drei (vielleicht sogar ein vierter) reden mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Mann. Das alles muss nicht richtig sein oder die absolute Wahrheit aber es ist da und sollte beachtet werden.

Und da sind wir wieder bei Harbort. Ich kenne vieles nur Auszugsweise aber es ist fantastisch. Ressler und Douglas kenne ich besser, auch wenn es schon viele Jahre her ist. Für uns hier, als Hobbyripperologen, ist es doch ein absoluter Glücksfall, einen Mann wie Harbort oder besser gesagt sein Wissen hier mit einfließen zu lassen. Egal welche Ansichten jeder hier vertritt. Und wenn Isdrasil diesen Mann hier, egal wie, ins Spiel bringen kann, dann sage ich doch gerne "Danke".

Nimm´s bitte nicht persönlich Kurt, so wie du hier auftrittst, dich zeigst, finde ich dich sehr sympathisch. Das gilt auch für einige andere. Habe aber bitte Verständnis, wenn ich hier für gewisse Beamte und Profiler, eine Lanze brechen möchte. Dieses Recht sollte mir zuteil werden. Wird es ja eigentlich auch...

Liebe Grüße,

Lestrade.

P.S.: Wie sich auch immer die Gesichtsverletzungen zusammensetzten... Deswegen sage ich, sind die Meinungen der Experten sehr zu beachten...
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: KvN am 07.06.2010 22:11 Uhr
Hast recht, Kölner Kumpel, meine Ausdrucksweise ist sicher manchmal zu schnodderig...Und ein Sturschädel bin ich auch, daran gibt´s nix zu rütteln! Und ich möchte es hier definitiv festhalten: Ich habe mich noch nie in meiner persönlichen Integrität angegriffen gefühlt, wir diskutieren, meiner Meinung nach, auf sachlicher und wertschätzender Ebene. Und wir haben gelegentlich unterschiedliche Anschauungen...

Grüße

P.S. Ich halte von den Profilern trotzdem nicht viel, sorry, bin halt ein Landsmann von Thomas Müller...
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Lestrade am 07.06.2010 23:30 Uhr
Ich habe mich noch nie in meiner persönlichen Integrität angegriffen gefühlt, wir diskutieren, meiner Meinung nach, auf sachlicher und wertschätzender Ebene. Und wir haben gelegentlich unterschiedliche Anschauungen...

Wir haben da etwas gemeinsam... Der nächste Schritt in eine wunderbare Freundschaft...nicht ortsgebunden...

Good Night, sleep tight...
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Isdrasil am 08.06.2010 19:08 Uhr
Hi

Lestrade, kann deinem Post nur zustimmen. Denn genau so sieht es aus - wer sagt, dass Kelly das Ultimum für den Täter darstellte? Woher wollen wir das wissen? Vielleicht gefiel ihm diese Tat im Nachhinein oder währenddessen schon gar nicht...wir können nur ablesen, dass der Täter bei Kelly irgendwie seinen kontrollierten Pfad verliess, und dies kann vom Missgefallen bis hin zum Auskosten so ziemlich alles sein. Derart kranke (@KvN: und vielleicht auch strohdumme) Menschen töten auch mal, wenn ihnen die Tatumstände oder das Opfer gar nicht passen, so seltsam das klingen mag. Gerade aufgrund der Erfahrung des Rippers wurde so eine - wie soll man das nennen? - Tat abseits des kontrollierten Pfades immer wahrscheinlicher, weil die Tötungsschwelle schon lange nicht mehr vorhanden war. Irgendwie finde ich, dass man bei Kelly einen Kontrollverlust und einen aus irgendeinem Grund wütenden, gestressten Ripper feststellen kann. Fragt nicht, wieso. Is viel Bauchgefühl dabei.  :icon_wink:

Und wenn Isdrasil diesen Mann hier, egal wie, ins Spiel bringen kann, dann sage ich doch gerne "Danke".

Oh nein, bitte sprech das Thema nicht an...nun, Harbort ist ein sehr netter Mensch. Konnte ja schon ein wenig mit ihm in Kontakt treten. Aber gerade in Hinblick auf zukünftige mögliche Dinge möchte ich es mir nicht mit ihm verscherzen. Lasst uns einfach warten. Ich bin mir sicher, dass er eines Tages wieder auf mich zukommt.  :icon_wink:

Grüße, Isdrasil

PS: Entschuldigt, wenn ich nicht so richtig aktiv an den Diskussionen teilnehme. Bin zur Zeit stark in andere Dinge eingespannt. Also poste ich eben ab und zu mal was - da kann es sein, dass ich eine Antwort schuldig bleibe, völlig am roten Faden vorbei brabbel oder nicht auf ein Gespräch mit jemandem eingehe. Ihr werdets aber überleben. Denk ich...  :icon_mrgreen: :icon_aetsch:
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: KvN am 08.06.2010 19:28 Uhr
Hi Isdrasil!

Völlig richtig, wir kennen die Vorstellungen von JtR nicht. Ob der Kelly-Mord das war was er immer wollte...phhh, ich kann´s ned beurteilen. Aber wütend und gestresst stell ich mir den Täter nicht vor...

Grüße
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Lestrade am 08.06.2010 20:53 Uhr
Lasst uns einfach warten. Ich bin mir sicher, dass er eines Tages wieder auf mich zukommt.

Hi Isdrasil! Selbstverständlich. Auf deine Wünsche nehme ich gerne Rücksicht.

Ihr werdets aber überleben. Denk ich...

Nun ja, soviele Diskussionspartner tauchen hier ja nicht auf.

wütenden, gestressten Ripper

Ich sehe das ziemlich ähnlich.

@Kurt

Aber wütend und gestresst stell ich mir den Täter nicht vor...

Kurt the Revoluzzer, put him in an elevator, take him up to the highest high...

An der Vorstellung, wie der Ripper war, sollten wir ruhig weiter arbeiten. Ich stell ihn mir immer als jemanden vor, der auch seinem Umfeld, immer etwas seltsam, verrückt, unberechenbar erschien aber ohne das man ihn jemals diese Taten zutraute. So nach dem Motto, "seht euch vor, lasst ihn in Ruhe, dann passiert euch auch nix, der tut nur so, rastet mal aus, das war´s, weitergehen, nichts gesehen". An diese "harmlose Nachbar" Geschichte, glaube ich in seinem Falle nicht.

Liebe Grüße, Lestrade.
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Isdrasil am 27.09.2013 19:51 Uhr
Hi

Beim Durchklicken durch alte Themen bin ich wieder mal hier vorbei gekommen und musste erstaunt feststellen, dass ich immer noch derselben Meinung wie "damals" bin.
Ich kann und konnte nicht verstehen, wie auf der einen Seite der Tatort als derartig losgelöst von der Tat und auf der anderen Seite gleichzeitig als unabdingbar betrachtet wird.

Drei Dinge sind für mich klar und stehen fest:

1. Der Tatort übt Einfluss auf die Tat aus. Er beeinflusst das Gemüt des Täters und somit ebenso die Ausprägung der Tatausführung.
2. Der Tatort ist bewusster oder unbewusster Teil der Täterfantasie, denn beim geistigen Durchleben der Tat setzt der Täter den Mord automatisch in ein bestimmtes Setting.
3. Der Tatort muss dennoch nicht unbedingt dem Tatort der Fantasie entsprechen. Durch äußere Umstände, Affekte und nicht zu kontrollierende Vorfälle kann er sich unterscheiden.

Wenn ich mir das noch einmal vor Augen führe, komme ich zwangsweise zu dem Schluss, dass in der Beschaffenheit unterschiedliche Tatorte durchaus auf einen Täter zurück zu führen sind und gleichzeitig gewisse Abweichungen in den Verletzungen zu erwarten sind. Der Täter kann unwissentlich in ein anderes Setting rutschen, und das noch nachdem er den Mordvorsatz gefasst hat. Bei Kelly wäre dies durchaus möglich. Ebenso kann die Ersttat im Affekt geschehen und gar nicht so zu seinen Vorstellungen passen. Möglich bei Tabram.
Wenn ich mir vorstelle, Tabram und Kelly seien vom selben Täter ermordet worden, sehe ich unter diesem Gesichtspunkt immer noch die Gemeinsamkeit einer nervösen und gestressten Tatbegehung. Möglich, dass sich der Ripper in Kellys Raum wieder an die bedrückende Atmosphäre während des Tabrammordes erinnert fühlte und in ein ähnliches Stressmuster verfiel. Zumindest weisen beide Morde Stichwunden auf, beide Morde zeugen von einem gewissen Kontrollverlust und meiner Meinung nach auch dem Verlust der Tätersouveränität.

Ich halte Kelly immer noch für einen Mord, den der Täter nicht als sein Glanzstück betrachtete. Er hätte nach diesem Mord wieder die Freiraumsituation gesucht, wäre es zu einer weiteren Tat gekommen.

Grüße
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Lestrade am 27.09.2013 20:29 Uhr
Hallo Isdrasil!

Martha Tabram lag ja in der ersten Etage, wenn ich mich nicht irre. Das mag sicherlich eine Indoor- Tat sein aber vielleicht nicht im klassischen Sinne, den es handelte sich ja nicht um einen geschlossenen Raum, sondern um einen Flur. Treppe rauf, Treppe hinunter konnte jederzeit jemand kommen (Crow/Reeves). Das ist dann nicht anders als bei Nichols, wo jederzeit einer aus einer Tür oder von rechts und links kommen konnte (Cross/Paul), nicht anders als bei Chapman, wo jederzeit jemand in den Hinterhof kommen konnte (Richardson), nicht anders bei Stride, als im Dutfield´s Yard jederzeit jemand aus der Hintertür treten konnte (Lave) oder durch die Einfahrt hätte kommen können (Diemschütz), nicht anders als bei Eddowes im Mitre Square, der drei Zugänge hatte, die zu der Zeit auch von PC Watkins und PC Harvey benutzt wurden und nicht weit davon Morris agierte. Der Flur war kein geschlossener Raum, genau wie der Gehweg in der Buck´s Row, genau wie der Hinterhof in der Hanbury Street oder der Dutfield´s Yard oder der Mitre Square.

Der einzige geschlossene Raum war der im Miller´s Court von Kelly. Das war eine klassische Indoor- Tat.

Ich meine, dass zwischen Tabram und Kelly zwei ganz unterschiedliche Stressfaktoren gewesen sein müssen. Die Chance im Flur bei Tabram erwischt zu werden, lagen doch genauso hoch wie bei Nichols, Chapman, Stride und Eddowes. Bei Kelly waren diese Chancen sicherlich geringer.

Der Flur war doch ein öffentlicher Platz, genau wie die Tatorte Gehweg Nichols, Hinterhof Chapman, Hinterhof Stride und der Platz des Squares.

Stress war auf jeden Fall da, aber bei Tabram sicherlich durch andere Umstände (ähnlich Nichols, Chapman, Stride und Eddowes) geprägt als bei Kelly.

Ich weiß nicht, ob man das bei Tabram und Kelly als ähnliche bezeichnen sollte. In meinen Augen haben sie diesbezüglich nicht so viel gemeinsam.

Was meinst Du zum Begriff Indoor?

Beste Grüße,

Lestrade.
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Andromeda1933 am 27.09.2013 21:08 Uhr
Ich funke mal ganz banal dazwischen... Für mich wäre Indoor-Tat alles, was nicht auf offener Straße passiert. Ich sehe den Mord in der Hanbury Street – obwohl in einem offenen Hof im Dämmerlicht – auch ein wenig als Indoor-Tat, weil der Mörder das Opfer von der Straße weg lockte. Persönlich finde ich, gab es in seiner „Frechheit“ keinen drastischeren Mord, als den an Nichols.
Keine Toreinfahrt oder ähnliches. 
Keine Nische oder Hausflur.
Mitten auf dem Bürgersteig.
Er konnte nur nach links oder rechts weg (von woher auch Leute kommen konnten.
Rundherum wohnten Leute und ein Stück weiter die Straße runter wurde gearbeitet.
Und trotzdem....NICHTS!
Fast ein Wunder!
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Lestrade am 27.09.2013 21:50 Uhr
Ich funke mal ganz banal dazwischen... Für mich wäre Indoor-Tat alles, was nicht auf offener Straße passiert. Ich sehe den Mord in der Hanbury Street – obwohl in einem offenen Hof im Dämmerlicht – auch ein wenig als Indoor-Tat, weil der Mörder das Opfer von der Straße weg lockte.

Spannende Überlegung Andromeda!

Ich meine, die Namen Indoor und Outdoor sprechen schon für sich. Vielleicht ist Nichols tatsächlich und wahrhaftig Outdoor und Kelly ein echtes Indoor Opfer. Dazwischen mag es etwas geben, was schwer einzuordnen ist. Bei Stride, wenn er das Tor verschlossen hätte, wäre es ja auch nicht mehr wirklich Outdoor gewesen (was es u.U. aber auch so nicht war). Immerhin könnte der Täter sie dort hinein gelockt haben oder sie mit Gewalt da hineingezogen haben. Quasi von draußen nach “drinnen“. Im Hinterhof der Hanbury Street gilt das auch, gerade, wenn er die Hinterhoftür hinter sich schließt. Vielleicht gibt es etwas wie Semidoor und dann wäre Tabram am nahesten am Indoorbegriff. Ich sprach übrigens ja eher vom klassischen Sinne.

Bei Stride wäre ja möglich, dass der Angriff noch auf dem Gehweg bzw. am Eingang des Yards stattfand, quasi an der Schnittstelle Outdoor/Indoor. Mit einem Beginn im Outdoorbereich und der Tötung dann “Indoor“. Welche Bezeichnung nimmt man dann.

Wenn man den “Tatort“ Goulston Street mitrechnet, was war das denn? Schürzenteil und Graffito?

Ich würde ja sagen, Indoor wäre ein Tatort, der in einem absolut privaten Raum liegt oder eben in einer abgeschlossenen Location. Könnte ja eine Lagerhalle sein oder so. Gelten da könnte auch ein Mord auf der Toilette in einer Discothek. Also an Orten, wo der Zugang limitiert ist. Ich sehe bei den K6 an allen Orten einen uneingeschränkten Zugang, mit Ausnahme von Kelly.

(Nichols und Eddowes lagen aber vor Toren, die verschlossen waren)

Spannendes Thema.
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Andromeda1933 am 27.09.2013 22:22 Uhr
Semiindoor? Ich bin semimuede und haue mich gleich in die Semi unseres Bettes!

Natürlich, im Grunde hast Du da recht. Indoor würde auch für mich einen „geschützten“ Tatort bedeuten. Aber nur, was das Auftauchen anderer Personen bedeutet oder auch als Schutz vor dem beobachtet werden?
Ist nicht das gleiche, aber bis zu einem gewissen Punkt schon, finde ich. Ich glaube, als Jack seine Drecksarbeit in der Hanbury Street begann, war es noch dunkel. Außerdem, wer hat normalerweise um diese Zeit etwas in einem Hinterhof zu suchen, auch wenn dort das Klo war?
Gut, nebenan war einer krank und ging oft in den Hof in dieser Nacht. Aber das war Zufall.
Jack hatte im Dunkel des Hofes eine gewisse Sicherheit. Warum dies bei Nichols keine Rolle spielte? Bei Nichols hatte ich seit jeher das Gefühl, die Unglückliche war einfach im falschen Moment am falschen Ort. Er, bis unter die Haarwurzeln voll mit Mordgedanken, traf auf sie in dieser fürchterlich dunklen engen Straße. Zufall, glaube ich. Irgendwie glaube ich nicht daran, dass sie mit ihrem Freier bis an den Tatort ging (weil sie ihn vielleicht als dunkel und „geeignet“ kannte). Sie hatte ganz einfach Pech – das Unglück, nicht 10 Minuten früher oder später dort unterwegs gewesen zu sein.
Danke an Isdrasil – hier wird wohl noch diskutiert werden!
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Lestrade am 27.09.2013 22:36 Uhr
Vielleicht haben manche Täter dazu gar kein Gefühl...

Schlaf schön. :empathy:
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Isdrasil am 28.09.2013 13:22 Uhr
Hi

Oh Mann, oh mann...ihr schreitet mir wieder zu schnell voran!
Deswegen antworte ich mal auf die Schnelle, obwohl ich Dir, Lestrade, endlich mal eine ausführlichere Antwort geben wollte. Aber besser das hier als nix, denk ich mir...
 :blum1:

Ich sehe den Unterschied zwischen „Indoor“ und „Outdoor“ ebenso banal wie Andromeda, wobei „Outdoor“ für mich eher „unter freiem Himmel“ bedeutet. Somit waren Bucks Row, Hanbury, Berner Street und Mitre Square klassische Outdoor-Tatorte, wenn es natürlich auch hier verschiedene Abstufungen und Besonderheiten zu beachten gibt. George Yard Buildings und Millers Court waren ohne Zweifel „Indoor“.
Einen ergänzenden Unterschied sehe ich auch noch: Bei den Indoor-Tatorten gab es jeweils nur einen Weg zur Flucht. Prinzipiell gelten in meinen Augen ein Hausflur und eine Wohnung wie Kellys Wohnung im Millers Court als Sackgasse. Sollten die George Yard Buildings zwei Zugänge haben, nehme ich gerne von dieser Meinung Abstand (wäre interessant zu wissen).
Hanbury kann man ebenso als Sackgasse betrachten, jedoch lassen wir dabei eines außer Acht: Zum einen die Outdoor-Situation (nach meiner Definition), zum anderen die Tatsache, dass man den Hof bei entsprechender körperlicher Konstitution auch über den Zaun hätte verlassen können.

Damit kommen wir zum nächsten Punkt:
Wir können uns lange darüber unterhalten, bei welchem Tatort wie viele Fenster in der Nähe waren, wer etwas hätte hören können oder inwiefern sich der Tatort an objektiv unsicheren Umgebungen befand, am Ende zählt nur eines: Die subjektive Empfindung des Täters. Diese Empfindung ist ausschlaggebend, wollen wir sein Gemüt während der Tat bewerten. Und da wir nicht in der Haut des Täters stecken, gibt es nur wenig, was uns darüber Aufschluss geben könnte. Eines davon sind die Verletzungen der Opfer.
Ich weiß nicht, wie es euch geht. Womöglich stehe ich mit dieser Meinung alleine da, und vieles davon ist zugegeben auch meinem Bauchgefühl geschuldet. Ich sehe jedoch immer noch bei Tabram und Kelly einen nervösen Täter. Ich kann mir nicht helfen. So oft ich mir auch die Postmortem Berichte durchlese, und so wenig Anhaltspunkte ich hierfür auch finde, es sind am Ende kleine Worte wie „slashes“, die mir das Gefühl geben, hier war der Täter nicht so souverän wie gewohnt.
Das der Mord an Chapman wiederum so souverän wirkt, sagt mir, dass sich der Täter hier sicher fühlte, was mir im Umkehrschluss sagt, dass er sich zugetraut hätte, über den Zaun fliehen zu können. Das ist einer der Schlüsse, die ich aus meinen Überlegungen ziehe.

John Evans hat mir an dieser Stelle mal vorgeworfen, ich würde den Karren vor das Pferd spannen. Mag sein. Doch manchmal ist das notwendig. Das machen wir am Ende alle. Wenn ich mir die Taten durchdenke, habe ich natürlich mein bevorzugtes Täterbild vor Augen, und natürlich beziehe ich die von mir präferierten Taten mit ein. Oder denkt jemand von euch an Gull, wenn ihr euch die Taten vorstellt? Na also – wir alle spannen den Karren vor das Pferd.

Zusammengefasst: Ich glaube fest daran, dass der Täter fit genug war, um sich bei Hanbury sicher zu fühlen. Diese Sicherheit empfand er nicht in den George Yard Buildings, geschweige denn im Millers Court. Der Ripper war ein „Freilufttäter“.

Man kann sich gerne mal überlegen, wo man sich selbst bei einer Schandtat am sichersten fühlen würde: Draußen, wo man zwar auch gesehen werden kann, jedoch mindestens zwei Möglichkeiten der Flucht besitzt. Oder in einer Räumlichkeit, die am Ende nur einen Ausweg bietet, und von der man sich zudem ebenso nicht sicher sein kann, nicht beobachtet zu werden (kennt jemand das Gefühl, wenn man in einem beleuchteten Raum sitzt und draußen ist es finster?). Dabei bedenke man, dass man draußen in der Dunkelheit zusätzlich noch unwahrscheinlicher erkannt werden würde, als es wohl bei einem möglichen Tumult in einem Hausflur oder gar einem Raum wäre.

Grüße
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Isdrasil am 28.09.2013 13:32 Uhr
...Millers Court zum Beispiel ist alles andere als ein sicherer Tatort, um das noch zu ergänzen. Indoor bedeutet nicht immer sicher. Ein Mord in einem zumindest etwas, wenn nicht gar hell erleuchtetem Zimmer, während es draußen vergleichsweise dunkel ist? Der Täter muss ständig das Gefühl im Nacken gehabt haben, vielleicht doch von außen beobachtet zu werden.

Indoor wäre nur mit sicher gleichzusetzen, wenn ein Beobachten von außen (sehr wichtig Nachts) nicht möglich wäre. Sicher haben wir da noch die Vorhänge. Wir haben aber auch das Loch im Fenster. Der Täter, sofern er Kelly nicht gekannt hat, hätte sich in dieser Situation niemals sicher gefühlt.

George Yard ebenso. Sich sicher fühlen, wenn man in einem Wohnblock im Hausflur einen Mord begeht? Niemals. Aus dieser Situation möchte man schnellstmöglich raus.

Sicherheit heißt eine dunkle Ecke oder wenig benutzte Strasse/Seitengasse und mehrere Wege zur Flucht. Das ist das Maximum an Sicherheit, welches man in einem Viertel wie dem East End erwarten kann (außer, man würde sich tatsächlich in einer abgeschlossenen Wohnung im zweiten Stockwerk befinden). Zusammen mit meiner Annahme, dass die Auffindsituation in der Fantasie des Rippers ebenso eine Rolle gespielt haben dürfte, war er wohl von Bucks Row und Mitre Square rein aus Tatortsicht am meisten angetan.
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Lestrade am 28.09.2013 15:38 Uhr
Hallo Isdrasil!

Laut Dr. Timothy Killeen fand Martha Tabram den Tod zwischen 02.30 und 02.45 Uhr. Um 01.50 Uhr sah Zeugin Elizabeth Mahoney noch nichts auf dem Flur. Zeuge Alfred Crow sah dann eine “schalfende“ Person um 03.30 Uhr dort. Um 04.45 Uhr fand John Reeves dann die Leiche von Tabram. Martha Tabram muss zwischen 02.30/02.45 Uhr und 03.30 Uhr ums Leben gekommen sein. Der Täter hätte 45 Minuten bis maximal 1 Stunde Zeit gehabt, diese Frau zu töten und bei ihr zu verweilen. Selbst ein langsamer Täter, hätte mit 6-7 Stichen die Minute, ca. 5-6 Minuten für diese Verletzungen gebraucht. Du siehst da einen nervösen Täter. Und der hätte sicherlich schneller zugestochen. Ich denke auch, dass er hier schnell agiert hatte. Dieser Hausflur war unsicher.

Aber warum soll er bei Kelly nervös gewesen sein? Er verbrachte wahrscheinlich ca. 2 Stunden in dem Raum. Er machte Feuer (was angeblich gar nicht so hell gebrannt haben soll). Die Wahrscheinlichkeit, dass in diesem Privatraum ein Zeuge zu dieser Zeit auftauchte, würde ich definitiv weitaus weniger einschätzen als im Hausflur des George Yard Building. Er verteilte Kelly auf dem Tisch und auf Haken an den Wänden. Unruhe und Stress? Seine Motivation und seine Handschrift waren Verstümmelungen und die hat er hier ausgekostet. Macht man das unter Unruhe und Stress? Du schreibst: Trotzdem erneut die Verstümmelungen. Was hätte er sonst gewollt? Das war ja sein Ziel.

Ich weiß nicht, ob ein Vergleich Tabram- Kelly wirklich das standhalten kann, was Du zu vermitteln versuchst.

Tabram: Öffentlicher Raum, Zeugenwahrscheinlichkeit hoch, viel weniger Zeit am Tatort verbracht als Täter, unverschlossen
Kelly: Privatraum, Zeugenwahrscheinlichkeit geringer, viel mehr Zeit am Tatort verbracht als Täter, abgeschlossen

Das sind sehr unterschiedliche Bedingungen am Tatort und die Belastung des Täters mit Stress sicherlich sehr ungleich. Zu allem muss man natürlich sagen, wie wir ja bereits festgestellt haben, dass solch ein Täter solche Räume (innen, außen) ganz anders empfindet als wir es tun.

Du schreibst:

Kelly fügt sich bei Betrachtung der zeitlichen und örtlichen Umstände der Situationen und Tätersignaturen nahtlos in das Bild ein.

Zeitlich und Örtlich?

Wirklich? Von den K6 wurden die ersten 5 “Outdoor“ bzw. in einem Hausflur (Indoor, kein Privatraum) ermordet und zwar stets innerhalb weniger Minuten der Täterverweilung am Ort.

Kelly starb “Indoor“ (Privatraum) und der Täter verbrachte eine erhebliche Zeit bei ihr.

Bei Kelly schreibst Du dazu, der Killer wurde unsicher. Opfer 1-5 hört sich unsicher an und Opfer 6 scheint sich da deutlich abzugrenzen.

Ein nahtloses Einfügen von Kelly kann ich dabei einfach nicht erkennen.

Weiter zu Kelly:

daher lassen sich erneut die gleichen Verletzungsmuster und Ausführungen wie bei Tabram ausmachen,

Welche und wie meinst Du das?

Dann noch das:

Geschlossene Tatortsituation (Tabram, Kelly):

geprägt von unruhigem,
unkontrolliertem Ausüben der Gewalt


Bei Kelly sieht das nicht so aus. Die hat er lange und wie oft in der Fantasie durchgespielt, auseinandergenommen. Tabram glaube ich dir gerne.

Offene Tatortsituation (Nichols, Chapman, Stride, Eddowes):

geprägt von ruhigem,
kontrolliertem Ausüben der Gewalt


Bei Stride könnte das nicht einmal annähernd so gewesen sein. Da wirkt nichts ruhig oder kontrolliert, wenn der Angreifer von Stride auch ihr Mörder war. Er nahm sich bei den anderen doch einfach weniger Zeit, weil er nur wenig Zeit hatte um nicht entdeckt zu werden. Negativer Stress würde ich sagen.

Ich denke, dies mit den Tatortsituationen ist genau umgekehrt.

Zu Eddowes schreibst Du von experimentellen Verletzungen. Was soll das bedeuten?

Ich denke, alle Opfer wurden experimentell “behandelt“, weil der Täter neugierig war, was sich dort jeweils befand.

Ich finde, man sollte Jack the Ripper als opportunistischen Killer betrachten, einen Gelegenheitskiller. Inwieweit da Indoor als auch Outdoor überhaupt eine Rolle spielen, sei dahingestellt. Wie der Name ja sagt, Gelegenheit… Ein Teil der Fantasie kann das natürlich sein aber der Killer hat uns dann Opfer Outdoor (Chapman, Eddowes) als auch Opfer Indoor (Kelly), auf grausame Weise dargestellt und auffinden lassen. 

Egal wie die Begriffe Outdoor und Indoor zu definieren sind, es bestehen für mich deutliche Unterschiede zwischen Tabram und Kelly und die sollten unter Umständen beim Täter, sehr verschieden gewirkt haben.

Natürlich gehört die Viktimologie als auch die Tatort analysiert und ich finde es wirklich toll, sich darüber Gedanken zu machen. Aber vielleicht war für den Ripper, die klassische Kelly- Indoor Tat so etwas wie die finale End- Fantasie. Stress war sicherlich immer da aber vielleicht war das bei Kelly etwas, was wir positiven Stress nennen würden und dieser Stress hätte sich dann deutlich von dem am Tabram- Tatort unterschieden.

Jody Weis (New Yorker Polizei?) sieht wohl Indoor-Verbrechen als Orte mit reiner Privatsphäre an. Orte, mit wenig Tatortgröße und so etwas hätten wir bei Kelly. Outdoor gehört zu Kategorie mit viel Tatortgröße und ohne Privatsphäre. Dazu kommt, das man Indoor- Taten ohne Zeugenchance betrachtet und die Outdoor- Taten mit Zeugenpotential. Vielleicht kann man Tabram so mittig einordnen aber wir wissen ja nicht einmal, wo sie attackiert wurde. Auf dem Gehweg oder am Eingang des George Yard? Im Keller oder auf dem Dachboden oder im 3. Stock oder auf dem Hinterhof? Es könnte Jagd oder Flucht gegeben haben, bis es zum endgültigen und späteren Fundort kam.

Verstehe mich nicht falsch, deinen Ansatz finde ich wirklich gut aber es erscheint mir nicht wirklich tief und breit. Was soll uns diese Signatur überhaupt sagen?

Dass der Täter einen Bogen von Tabram zu Kelly gespannt hat, um erneut Indoor morden zu können? Aber warum soll er sich nach der Erfahrung des unruhigen und unkontrollierten Tatortes Tabram nach einem ebenso unruhigen und unkontrollierten Kelly Tatort sehnen? Ich denke, ein geschlossener Raum war sein insgeheimer Wunsch aber dem bot ihm keines der Opfer, auch nicht Tabram, vor dem Mord an Kelly. Ob er Outdoor auch nach Kelly weitergemacht hätte? Ja! Und wenn es nur dazu gereicht hätte, Organe mit nach Hause zu nehmen.

Beste Grüße an Dich,

Lestrade.
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Andromeda1933 am 29.09.2013 18:17 Uhr
In meinen Augen verbindet sich mit unserer Diskussion dieser Tread auch mit dem, der möglichen „Reaktion aufs Erwischtwerden“.

An Isdrasil:
Ein Sprung/Klettern über den Bretterzaun liegt Nahe, aber wäre der Kerl aus dem Nachbarhaus heraus gekommen? Manche Häuser waren abgeschlossen. Ein Gewaltausbruch (um seine Haut zu retten) und Messerstecherei liegt näher, finde ich. Lestrade ließ schon was anklingen. Wer kann schon sagen, wie ein verwirrter Geist arbeitet. Auch nicht undenkbar, dass er sich über alles keine Gedanken machte. Deshalb eventuell auch bei anderer Gelegenheit sein Morden auf offener Straße. Vielleicht dachte der Kerl keine einzige Sekunde voraus? Alle Ermittler, Autoren und auch wir versuchen uns darin, sein Handeln zu interpretieren. Ein Mord hat normalerweise ein Motiv, der Täter entspricht einem Typus usw., aber was, wenn in einem so abartig verlinkten Hirn gar kein Platz für Muster war?
Miller's Court – erhelltes Zimmer usw. Weeste, ick bin als Berliner auf Hinterhöfen groß geworden. Wahrscheinlich bin ich tausende Male an Fenster vorbei gegangen, tags, nachts.
Schaust Du in Fenster hinein? Schiebst Du einen Vorhang beiseite, um dies zu können? Nein, ganz bestimmt nicht! Man tut so etwas einfach nicht, von daher sehe ich den Tatort Miller's Court als einen eher „sicheren“ Ort für ihn an. Das grössere Problem hätten für ihn die nahezu papierdünnen Wände sein können (der Raum war von McCarthys Lagerraum abgetrennt worden). Die späteren Zeugenaussagen (der angebliche Schrei, die Schritte) könnten das untermauern. Die Leute sollten dort ihr Husten gehört haben. Ich tue mich mit dem Miller's Court immer schwer, weil ich davon überzeugt bin, es war die Tat Barnetts (an Kelly oder einer anderen Frau). Doch wenn es der Ripper war, dann war er hier vielleicht sogar übererregt. Er konnte sich endlich austoben, ohne sich ständig umdrehen zu müssen (falls es ihm überhaupt wichtig erschien, für seine Sicherheit zu sorgen). Vielleicht war der Mord „indoors“ in der Hanbury Street ein erster Versuch, an seinem Opfer „mehr zu arbeiten“, weil er dort ungestörter (seiner Meinung nach) war.
Was indoor/outdoor heißt, wissen wir ja. Auf einen Tatort übertragen würde ich es (persönlich) nicht wörtlich nehmen, sondern nur darauf konzentriert wissen wollen, die Tat konnte nicht ohne weiteres beobachtet werden. Profiler sehen das sicher anders.
Womöglich muss ich hinsichtlich des Mordes in der Hanbury Street mein „Weltbild“ überdenken. Für mich war es bisher ausgemachte Sache, dass Annie ihren Mörder in den Hof führte (wusste, wohin man gehen konnte). Nun, möglich, dass ER es wusste und diese Umgebung anstrebte.
Ob sich Paare dort, am Mitre Square oder sonstwo vorher schamhaft umsahen, ob sie gesehen werden konnten?
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Lestrade am 29.09.2013 21:50 Uhr
In meinen Augen verbindet sich mit unserer Diskussion dieser Tread auch mit dem, der möglichen „Reaktion aufs Erwischtwerden“.

Guter Tipp, Danke.

Nichtsdestotrotz, Isdrasil´s ortsgebundene Signatur (die wohl die Handschrift des Täters beeinflussen soll) und der dabei auftretende, angesprochene Stressfaktor, ist eine spannende Überlegung, auch wenn jeder von uns, mehr oder weniger, unterschiedliche Ansichten oder Einteilungen dazu hat. Wie immer halt. Spannt man den Bogen von Tabram zu Kelly, so sieht man ja einen durchaus unterschiedlich agierenden Täter (auf den groben Blick) und muss zwangsläufig an die Örtlichkeiten denken. Was hat jeder Tatort mit dem Täter gemacht? Er brachte seine Opfer ja nicht immer an den gleichen Ort. Sich an jeden Ort in den Täter hineinzuversetzen, könnte lohnenswert sein aber dabei lässt man sich natürlich auch auf seine persönliche Tätervorstellung ein. Vielleicht sollte man das zunächst wertungsfreier angehen. Im Prinzip könnten wir das, für jede der sechs Opfer, individuell durchspielen. Isdrasil´s Übersicht ist nun fünf ein halb Jahre her. In der Zeit lernt man eine Menge hinzu.   
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Lestrade am 01.10.2013 08:28 Uhr
Was mir noch auffiel, als ich die Opfer miteinander verglich:

Tabram:
Trophäen/Souvenirs- Keine bekannt
39 Stichwunden, Brust u.a. 5 Stichwunden in der Leber dazu Bauch und Leiste (Unterleibsbereich).
(siehe auch Eddowes).

Nichols:
Trophäen/Souvenirs- Keine bekannt
Kehlschnitte, schwere Unterleibsverstümmelungen

Chapman:
Trophäen/Souvenirs- 3 Ringe,Gebärmutter mit Teilen der Vagina und Blase
Gewürgt, tiefer Kehlschnitt, schwerste Unterleibsverstümmelungen

Stride (Täter wohlmöglich gestört worden):
Trophäen/Souvenirs- Keine bekannt
Tiefer Kehlschnitt, keine Verstümmelungen

Eddowes:
Trophäen/Souvenirs- eine Niere und Teile der Gebärmutter, dazu ein Schürzenteil, das aber später vom Täter in der Goulston Street “entsorgt“ wurde
Tiefer Kehlschnitt, je eine Stichwunde in der Leber und Leiste (siehe Tabram), schwerste Unterleibsverstümmelungen. Schwere Gesichtsverstümmelungen ob nun bewusst oder als Abwehrverletzungen oder als Kombination beider Möglichkeiten.

Kelly:
Trophäen/Souvenirs- Herz fehlte offensichtlich
Tiefer Kehlschnitt (oder Schnitte), allerschwerste Verstümmelungen am ganzen Körper (Unterleib, Brustbereich) einschließlich des Gesichts.

Diesen Stichwunden zufolge, sollte man eher einen Vergleich Tabram- Eddowes anstreben und weniger Tabram- Kelly, um auf die ähnlichen Verletzungsmuster zurückzukommen. Das könnte auch implizieren, dass Tabram tatsächlich ein erstes Opfer von Jack the Ripper war, zumindest das erste, was an Ort und Stelle getötet wurde.
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Andromeda1933 am 02.10.2013 14:13 Uhr
An Lestrade:

Weißt Du, ich habe mich noch nie so richtig detailliert mit den Verletzungen beschäftigt. Mir war das bisher relativ „Wurscht“, ob das arme Opfer 20, 30 oder wie viele Stiche auch sonst abbekommen hat. Schon möglich, dass ich hier sehr oberflächlich bin. Ich frage mich, ob man in der Verletzungen tatsächlich (eine Art von) Muster erkennen kann. Zum Beispiel die „gemeinsamen“ Verletzungen bei Tabram – Eddowes. Kann (könnte) man davon ausgehen, dass er die Stiche in die Leiste und Leber vorsätzlich durchführte, oder ist es einfach im Laufe seiner Massaker-Arbeit dazu gekommen? Er stich, schnitt und hackte in wenigen Minuten an einer Leiche in der Dunkelheit herum. Auch das teilweise Herausziehen von Darm oder anderen Organen – für mich eher zufällig im Rahmen seiner Zerstörungswut entstanden. Aber natürlich, vielleicht war das auch seine „Sprache“, die Botschaft eines kranken Hirns.
Ich glaube, ich komme Dir gedanklich ein wenig näher. Vielleicht war das alles gar kein „zur Schau stellen“ seiner Opfer, wie es so oft geschrieben wurde. Er war ganz einfach „fertig“ mit allem, mit seiner Wut, seiner „Arbeit“ und ging dann ganz einfach weg, ohne auch nur den Versuch zu machen, sein Opfer zu verstecken.
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Lestrade am 02.10.2013 14:39 Uhr
Hallo Andromeda,

Dein Posting kann ich absolut nachvollziehen. Ja.

Natürlich kann man die Verletzungen bei Martha Tabram auch als schwere Verstümmelungen ansehen. Ich tue das sogar. Nur könnten dafür ganz andere Gründe herhalten als bei Kelly. Bei Tabram könnten die Stichwunden ein Zeichen dafür sein, dass der Täter sicher gehen wollte, sein Opfer zu töten. Ohne das Tool des Kehlschnittes. Diese Raserei bei dieser Abstecherei könnte dabei jedoch schon ein Zeichen dafür gewesen sein, dass der Täter mehr vorhatte als nur zu töten. Bei Kelly war er bestimmt sicher, dass sein Opfer nach dem Kehlschnitt nicht mehr lebte und konnte sich so einer anderen Form (und zwar in Reinkultur) des Verstümmelns widmen, nämlich einem Teil seiner sexuellen Fantasie.

Für mich sieht es so aus, dass Eddowes sich noch wehren konnte, wehren vor dem Kehlschnitt. Deshalb auch die Gesichtsverletzungen. Ich weiß nicht, in exakt welcher Reihenfolge die Verletzungen bei Eddowes entstanden sind. Aber wenn er bei ihr auf ein sehr wehrhaftes Opfer traf (Kate wurde ja gerade aus der Ausnüchterungszelle entlassen), hätte er hier vorsichtshalber auf ein Stechen wie bei Tabram zurückgekommen sein können. Vielleicht nur für eine Sekunde, die ausreichte, um zu realisieren, dass der Kehlschnitt seine Wirkung getan haben sollte. Bei Kelly werden die Verletzungen des Gesichts in der Tat “echte“ Verstümmelungen gewesen sein. Aber bei Kelly verbrachte er viel Zeit, viel Zeit um ihr in´s Gesicht zu schauen. Da wird er sie ganz einfach entpersonalisiert haben. Bei Eddowes war es dafür zu dunkel. Sie “schaute“ ihn ja nicht an. Ich bin der Meinung, der Ripper tötete immer und immer wieder seine Mutter oder ein mütterähnliche Figur. Seine Opfer selber, als Personen, wollte er vielleicht gar nicht im wahren Sinne töten.

Einen Teil des MO könnte man so beschreiben, dass er auf der Suche nach Prostituierten war, die er, wenn die Gelegenheit für ihn stimmte, attackieren und ermorden konnte. Anscheinend bevorzugte er weder Indoor noch Outdoor im klassischen Sinne primär (vorausgesetzt dieser K6), sondern eben die “Sicherheit“, der sich eher zufällig auftuenden Örtlichkeit, egal welcher Art. Dies wirkt eher unorganisiert. Hauptsache Orte, an denen er, zunächst, für eine kurze Zeit ungestört agieren konnte. Solches Täterverhalten ist sehr riskant und ging bei Jack The Ripper auch einmal ordentlich schief (Stride). Auch wirkt dieser Risikofaktor eher unorganisiert. Da Verhalten die Persönlichkeit spiegelt, sollte Jack the Ripper auch im “normalen“ Leben nicht sonderlich organisiert gewesen sein. Andere Teile des MO waren die späten Nacht- bzw. frühen Morgenstunden, sowie Aktivität an Wochenend- und Feiertagen. Dass sich ein MO verfeinern und verändern kann, sieht man eindeutig an diesen Verbrechen. Wichtig wäre für ihn sicherlich gewesen, einen Ort zu finden, der zumindest temporär ruhig und somit sicher war.

Die Handschrift sehe ich im Kehlschnitt, an den Verstümmelungen und der Organmitnahme.
Würgen, bzw. Druckausübung durch Körpergewicht bzw. Druck durch Kraft und Gewicht eines kompletten Armes, bleibt wohl nur hypothetisch.

Ich würde gerne noch einmal auf den Stress an sich beim Ripper zurückkommen. Das könnte sich lohnen.

Gruß.
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Andromeda1933 am 03.10.2013 16:25 Uhr
Einige Leute meinen, die Gesichtsverletzung von Eddowes waeren eine Art „Bestrafung“ gewesen. Die abgeschnittene Nasenspitze soll als Indiz für Syphilis gelten, womit Prostituierte stets in Verbindung gebracht werden (spielt auch eine Rolle in meiner
Donovan – Rache – Konstruktion). Einen „Buchstaben“ sehe ich in ihrer Gesichtsverletzung ebenfalls nicht, im „Tagebuch“ kam das wohl vor.
Mein erster Gedanke ist, sie müsste bei einem Messerschnitt/stich ins Gesicht ganz schön aufgeschrien haben, bevor ihr die Kehle durchtrennt wurde. Doch Morris, unser Kumpel vom Mitre Square will (trotz offener Tür) nichts gehört haben.

So wie ich „Stress“ interpretiere, ob positiver oder negativer Art, ist er doch ein wissentlich empfundenes Gefuehl. In weitestem Sinne jedenfalls.
In welchem Ausmaß, falls überhaupt, kann ein geistig verwirrter Triebtäter Stress bewusst empfinden? Empfindet er Angst oder Scham während seiner Tat? Reduziert sich bei ihm nicht alles auf das unterbewusste „nicht erwischt werden“?
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Lestrade am 03.10.2013 19:19 Uhr
Auch hier wieder, ich kann dein Post absolut nachempfinden. Bei Eddowes gibt es eben zwei Lager. Diejenigen, die ihre Gesichtsverletzungen als vorsätzlich ansehen und die (wie ich), welche darin Abwehrverletzungen sehen. Wenn er Eddowes von hinten attackierte (davon sollte man ausgehen), dann kann beim “abrutschen“ während der Kehlschnittattacke, auch die Nasenspitze verloren gehen. Der Ripper hatte ein Messer dabei, das sicherlich nicht hätte schärfer sein können. Beide Meinungen haben in meinen Augen ihre Berechtigung.

Wenn ich mir alle hier genannten Opfer anschaue. Dann denke ich unwillkürlich daran, dass Stress für den Täter ein großes Problem darstellte. Das die Opfer seinen Stressabbau widerspiegeln. Für mich geriet dieser Täter schon dann in Stress, wenn sich beim normalen Menschen noch gar nichts diesbezüglich regte. So ein Mensch sollte nicht in der Lage sein, sinnvoll zu planen. Solch ein Mensch kann nur impulsiv reagieren und er würde sich auch eher nur Zufallsopfer suchen. Ein unkontrollierter und unberechenbarer Mensch.

Kombiniert man die Stressfaktoren mit seiner wachsenden Erfahrung, so könnte man davon ausgehen, dass Tabram ein Opfer für ihn war, dem er zunächst mit positiven Stress (Erregung), von außerhalb mitgebracht, entgegentrat. Unerfahrenheit, mit der unsicheren Konstellation am Tatort, da jederzeit jemand in diesem Flur erscheinen konnte, hätte sich mit der ursprüngliche Erregung mischen können und damit auch in einer sinnlosen Abstecherei mit 39 Wunden. Klingt, als wenn jemand sicher gehen wollte, dass sein Opfer nun wirklich tot sei. Aber das kostete einiges an Zeit und auch unnötig Kraft. Wenn der Ripper auch Tabram tötete, dann musste er sich für die nächste Tat eine bessere Möglichkeit ausdenken, sein Opfer schneller und weniger kraftaufwendig zu töten, um schneller an sein eigenes Ziel zu kommen, den Verstümmelungen. Er hatte Outdoor nur wenig Zeit, und die sollte eigentlich den Verstümmelungen gewidmet werden. Also was tun? Eine Lösung zu finden, bedeutet auch weniger dieses Stresses erleben zu müssen, bei dem man auch noch die gewollte Kontrolle verlieren kann. Der schnelle Kehlschnitt könnte die Lösung gewesen sein (in Kombination mit Würgen oder Druckausübung auf die Hals oder Oberkörpergegend)

Achso:
Vielleicht war das alles gar kein „zur Schau stellen“ seiner Opfer, wie es so oft geschrieben wurde. Er war ganz einfach „fertig“ mit allem, mit seiner Wut, seiner „Arbeit“ und ging dann ganz einfach weg, ohne auch nur den Versuch zu machen, sein Opfer zu verstecken.

Vielleicht einfach weniger bewusst, eher unbewusst. Also nicht vorsätzlich. Aber eine nicht eingerechnete Komponente, die ihm erst im Nachhinein (auch hier eher unbewusster) gefreut haben könnte. Das ist manchmal einfacher, manchmal ganz schwer zu beurteilen.  
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Anirahtak am 05.10.2013 09:14 Uhr
Hallo,

...

Ich weiß nicht, wie es euch geht. Womöglich stehe ich mit dieser Meinung alleine da, und vieles davon ist zugegeben auch meinem Bauchgefühl geschuldet. Ich sehe jedoch immer noch bei Tabram und Kelly einen nervösen Täter. Ich kann mir nicht helfen. So oft ich mir auch die Postmortem Berichte durchlese, und so wenig Anhaltspunkte ich hierfür auch finde, es sind am Ende kleine Worte wie „slashes“, die mir das Gefühl geben, hier war der Täter nicht so souverän wie gewohnt.
Das der Mord an Chapman wiederum so souverän wirkt, sagt mir, dass sich der Täter hier sicher fühlte, was mir im Umkehrschluss sagt, dass er sich zugetraut hätte, über den Zaun fliehen zu können. Das ist einer der Schlüsse, die ich aus meinen Überlegungen ziehe.
Andererseits, wenn er sich bei Kelly so unsicher gefühlt hätte, warum sollte er sich dann die Zeit nehmen, sie so zu zerstückeln und zu "platzieren", anstatt den Ort zu verlassen? Dass er nicht anders konnte und unter Zwang stand, trotz Unsicherheit weiterzumachen, wäre mir nicht einleuchtend, weil er bei den Straßentaten offenbar immer die notwendige Selbstdisziplin aufbrachte, rechtzeitig zu verschwinden. (Falls er Kellys Tür selbst von außen abgeschlossen hat, kommt mir das auch eher selbstsicher vor als nervös.) Was mein Bauchgefühl angeht, sehe ich bei Kelly einen Täter, der aus seiner Sicht endlich einen Tatort gefunden hatte, wo er deutlich mehr Zeit hatte, seinem Drang nachzugehen.


Zitat
...

Man kann sich gerne mal überlegen, wo man sich selbst bei einer Schandtat am sichersten fühlen würde: Draußen, wo man zwar auch gesehen werden kann, jedoch mindestens zwei Möglichkeiten der Flucht besitzt. Oder in einer Räumlichkeit, die am Ende nur einen Ausweg bietet, und von der man sich zudem ebenso nicht sicher sein kann, nicht beobachtet zu werden (kennt jemand das Gefühl, wenn man in einem beleuchteten Raum sitzt und draußen ist es finster?). Dabei bedenke man, dass man draußen in der Dunkelheit zusätzlich noch unwahrscheinlicher erkannt werden würde, als es wohl bei einem möglichen Tumult in einem Hausflur oder gar einem Raum wäre.
Diese Überlegung konzentriert sich auf die Fluchtmöglichkeiten sofern jemand dazukommt, was natürlich nicht falsch ist. Wenn ich mir aber überlege, eine Schandtat begehen zu wollen, bei der ich überhaupt die Gefahr des Eintreffens von Zeugen minimieren will, erscheint mir eine nächtliche Räumlichkeit einer alleinstehenden Person zielführender als die Straße. Vor allem, wenn man bereits einige Straßentaten begangen hat und unzufrieden mit dem kurzen, fremdbestimmten Zeitfenster ist, das dort zur Verfügung steht. Da Kelly eine alleinstehende Prostituierte war und bspw. Hutchinson wohl gerade in dieser Nacht am Ort herumlungerte, hat diese Überlegung auch ihre Schwachstellen, aber ich würde sie aus Ripper-Sicht trotzdem nicht ausschließen. Er könnte überlegt haben, auf der Straße jeden Passanten fürchten zu müssen, was zutrifft, in Kellys Raum aber nur gezielte Besucher und dies zu dieser Tatzeit als unwahrscheinlich genug eingeordnet haben, um es zu wagen.
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Lestrade am 08.10.2013 12:41 Uhr
Ich bin überzeugt, dass der Ripper ein Mensch gewesen war, der permanent in einer Stresssituation lebte. Und ich denke, wir sollten uns diesen Stress, ihm Verhältnis zu uns selber, ganz anders vorstellen.

Die Frage ist auch, wie er damit umgehen konnte bzw. inwieweit ihm das überhaupt möglich war, dies zu tun.

Meiner Meinung nach gab es Stress, den er in die Taten mit hineinbrachte, es gab Stress, der während der Tat entstand. Dies kann man sicherlich noch in “positiv“ und “negativ“ unterscheiden. Ich meine das so, dass er seine Position als Jäger mochte (positiv) aber die Wahl des endgültigen Tatortes vielleicht unangenehmer empfand (negativ). So können “Prostituierten- Hetze“ in Pubs ebenfalls positiv auf ihn gewirkt haben aber “Religions- Hetze“ negativ. Er war sicherlich ein Mensch, der die dabei entstehenden Impulse schlecht kontrollieren konnte. Mit Sicherheit gab es einen ganz tief emotionalen Stress, der seine Wut und seinen Hass bestimmte und mit seinen Fantasien (Mord, Verstümmelung, Kannibalismus) Hand in Hand ging. Ich denke, diesen Stress sehen wir an (fast) allen Opfern. Aber der wird weniger, mit dem anderen vorhandenen bzw. entstehenden Stress zu tun gehabt haben.

Dies ist vielleicht der Stress (der tief verwurzelte), den Isdrasil meinte und damit läge er auch bei Tabram und Kelly meiner Meinung nach richtig. Aber ich denke, dass es da eine Beziehung zwischen dem emotionalen Stress und dem restlichen Stress gab. Der emotionale Stress kam dann am besten zum Ausdruck, wenn der restliche Stress niedriger gehalten werden konnte. Da könnte natürlich auch die Tatortsituation entscheidend gewesen sein und das war sie auch. Aber da die Tatortsituation als auch noch andere Faktoren (ob nun gewollt oder nicht) von ganz anderem Stressverhalten beeinflusst wurden, sollte man eben den gesamten Stress differenzierter sehen und “unterteilen“. Sich dabei auch zugestehen, dass zwischen ihnen jedoch (natürlich) ganz direkte Zusammenhänge existieren.

Dass der Täter Stress, und zwar ganz tief emotionalen, an die Opfer auslassen konnte, ist deutlich an Tabram und Kelly zu sehen. Nun, die anderen Opfer zeigen das ebenfalls, wenn auch nicht so krass aber immer noch ausreichend genug, um zu erkennen, was dahintersteckt. Das konnte er tun, wenn er ausreichend Zeit und Sicherheit hatte. Der Indoor- Bereich bei Tabram und der Raum von Kelly boten das. Hier sollte jedoch anderer Stress weniger gewesen sein (weniger würde ich aus der Sichtweise des Täters betrachten) und sich nicht so ungünstig ausgewirkt haben, wie bei Nichols, Chapman, Stride und Eddowes.

Der Tatstress drumherum (primär), war sicherlich bei Tabram und Kelly weniger. Bei Nichols, Chapman, Stride und Eddowes in meinen Augen definitiv erhöht. Der gestörte, tief verwurzelte Stress in seinen Fantasien (sekundär), kam jedoch bei Tabram und Kelly am deutlichsten zum Vorschein. Dann, wenn der Tatort sicherer war und “Indoor“ lag. Der primäre und sekundäre Stress bedingen sich dabei einander. Inwieweit der Täter dies bewusst selbst wählen und bestimmen bzw. beeinflussen konnte, kann ich nicht sagen, tendiere aber dazu, es dem “Zufall“ zuzuschreiben. Dazu müssen wir natürlich anmerken, dass wir nicht wissen, ob Tabram tatsächlich ein Ripper- Opfer war.

Bei Tabram wissen wir es nicht genau, bei Nichols, Chapman, Stride und Eddowes ist es aber so, dass sie sehr schnell, quasi unmittelbar nach der Ermordung, aufgefunden werden konnten. Bei Kelly war das nicht der Fall. Der Zeuge George Hutchinson traf Kelly um ca. 2 Uhr und verweilte gegenüber dem Eingang des Miller´s Court noch bis fast 3 Uhr. Die Mordschreie wurden erst um ca. 4 Uhr vernommen. Viele sind sich nicht sicher, ob es tatsächlich die Mordnacht war, die Hutchinson beschrieb. Ich persönliche denke es. Der Mann, welchen er mit Kelly sah, muss nicht zwangsläufig ihr Mörder gewesen sein. Natürlich kann dieser Mann Kelly lautlos um jene Zeit getötet haben, ohne das Hutchinson es bemerkte. Der Täter muss ja Hutchinson dann gar nicht so wahrgenommen haben, wie wir meinen würden. In der Berner Street nahm der Ripper offensichtlich Schwartz und Pipeman auch nicht gleich wahr. Aber da waren eben die Mordschreie um 4 Uhr und ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Art von Täter so viel Zeit mit einem noch lebenden Opfer verbringen kann. Was aber möglich sein kann ist, dass dieser Mann wiederkehrte. Was ich sagen will, ist das:

Hutchinson kann Kelly mit ihrem Mörder gesehen haben aber er kann auch überhaupt nichts gesehen haben, was mit der Tat zu tun hatte. Allgemein geht man davon aus, dass Kelly ihrem Mörder zwischen 4 Uhr- 6 Uhr ausgesetzt war. Da war Hutchinson gar nicht mehr vor Ort. Sie kann aber auch um 2.15 Uhr oder um 7.30 Uhr ermordet worden sein. Wir wissen es nicht. 

Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Isdrasil am 08.10.2013 19:55 Uhr
Hallo Ihr,

oh mann...ich würde liebend gerne mehr bei den Diskussionen teilnehmen. Gerade jetzt im Moment fällt es mir sehr schwer. Ich hoffe, ihr verzeiht mir das und hoffe ebenso auf bessere Zeiten.
  ;)

Viele Fragen bleiben leider unbeantwortet, aber ich wiederhole mich hier...stattdessen tippe ich schnell mal ein paar Gedanken nieder und leiste so wenigstens nen kleinen Beitrag.

Also. Fangen wir mal an. Stress. Was ist Stress? Lestrade hat hier schon einige gute Gedanken geäußert. Eigentlich jeder hier.
Prinzipiell denke ich, in den Hinterköpfen vieler (auch von mir) schwebt "Stress" in seiner neumodischen Bedeutung, im Sinne von "manche Dinge nicht in einer angemessenen Zeit erledigen zu können", von "zuviel um die Ohren haben", herum. Doch ich meine den Stress in einer anderen Form. Ich meine den Stress in der Art, wie ihn jemand erfährt, der sich tagelang auf eine Fragesituation vorbereitet, in dann doch völlig neuen Fragestellungen entgegentritt. Einer unvorhergesehenen Prüfung, oder einer vorher erdachten Situation und einem plötzlichen, unerwarteten Zwischenruf. Man denke an Referatsituationen, in denen man alle möglichen Parameter vorher durchdenkt, durch eine flapsige Bemerkung eines der Zuhörer jedoch völlig aus der Bahn geworfen wird. Kurzum - der Stress, der entsteht, wenn Unerwartetes geschieht. Das hat wenig mit Zeitdruck zu tun. Vielmehr hat es etwas mit der Persönlichkeit desjenigen zu tun, dem der Stress widerfährt. Manch einer geht souverän mit dieser Situation um, ein Anderer fängt das Stottern an.

Der Ripper war in meinen Augen eine labile, zwanghafte Person. Womöglich hat er noch einige andere Macken und Ticks im Alltag gehabt. Ich kann mir gut vorstellen, dass er eine der Personen war, die beim außer Haus gehen nochmal schauen, ob auch wirklich der Herd aus ist (um ein flapsiges Beispiel aus dem heutigen Alltag zu nennen). Oder dessen Einrichtungsgegenstände in einer bestimmten Reihenfolge im Zimmer platziert sein müssen. Jedenfalls zwanghaft.
Das heißt, jegliche Abweichung von seinem Plan, ob nun im Großen oder im Kleinen, zeigen sich in seinem Verhalten, ob nun im Großen oder im Kleinen.

Dann gibt es den Trieb. Den Tötungstrieb. Den Drang zu morden, den er ebenso tagtäglich in Gedanken durchspielt, und bei Folgetaten an den vorherigen Taten misst, diese als Maßstab für weitere Taten nimmt. Der Widerspruch, der zwischen diesen beiden Parametern entsteht, diesen Widerspruch meine ich mit "Stress". Es ist der innere Konflikt zwischen Erdachtem und dem, was geschieht, der in einer zwanghaften Person Stress verursacht. Es geht dabei nicht darum, ob eine Tat geradlinig verläuft. Es kommt darauf an, wie sie im Vorfeld vom Täter erdacht wurde.

Oftmals äußert sich dieser Widerspruch in Wut. Nehmen wir den labilen Handwerker, der sich ein Projekt erdenkt. Er fängt an zu werkeln. Plötzlich passt etwas nicht. Verflixter Nagel! Dann wieder...dieser verfluchte Millimeter! Er fängt an, fuchtig zu werden, wird ungenau, ungeduldig. Es geht irgendwann nicht mehr um sein Werk, darum, dass er einfach eine Pause machen könnte. Nein, eine bestimmte Personengruppe wird wie bekloppt auf den Nagel einhämmern, und selbst wenn dieser krumm wie sonstwas wird. Es geht in diesem Falle nur noch um die nicht anders erlernte Stressbewältigung dieser Person, um das Unvermögen, diesen Konflikt zwischen Erdachtem und Realität zu bewältigen. Das Projekt tritt in den Hintergrund, und eine eher Impuls geleitete Handlungsweise kommt zum Vorschein.
Das muss natürlich nicht auf jeden Handwerker zutreffen.
 ;)

Was macht also der Ripper? Ist er eine dieser Personen, die ein "Projekt" (sorry für die Ausdrucksweise) auch zu Ende bringen wollen, wenn es nicht 100% passt, und dadurch ihren Faden verlieren? Nicholls, Chapman, Eddowes - bei diesen Morden war er fertig, hörte auf. Bei Kelly liess er sich mehr Zeit. Doch liegt das wirklich daran, dass er mehr Zeit hatte, oder lag es an anderen Gründen? Das ist es, was meiner Überlegung zugrunde liegt: Vielleicht verliess er bei Kelly den Pfad seines Projektes, trat dieses in den Hintergrund und machte der Wut Platz, die aufgrund des angesprochenen Widerspruches entstand? Scheint uns daher der Mord an Kelly so ausladend?
Eventuell trat bei Kelly eine unterbewusster geleitete Handlungsweise des Rippers in den Vordergrund. Ich bin der (beinahe) festen Überzeugung, dass bei dem Mord an Kelly die tiefe Seele des Rippers am ehesten zu Tage kommt, und zwar genau aus dem Grund, da es meiner Meinung nach der Mord war, der ihm am Wenigsten behagte. Man erkennt die Menschen erst in Situationen, in denen sie sich beweisen müssen. Erst wenn jemand ins kalte Wasser geschmissen wird, erkennt man seine Souveränität, sein Selbstbewusstsein, sein Vermögen, ungewollte Situationen zu meistern. Beim Mord an Kelly erkenne ich den Widerspruch, die Wut, den Stress, den Zwang und die Labilität dieser Persönlichkeit.

Ich möchte noch ergänzen, dass ich wesentlich andere Ansprüche an einen "sicheren" Tatort habe als anscheinend die Mehrzahl hier. Sicher bedeutet für mich immer subjektiv, und man fühlt sich dann subjektiv am sichersten, wenn die Umgebung und die Umstände exakt den vorher erdachten Umständen entsprechen. Gerade bei labilen, zwanghaften Persönlichkeiten. Da kann es sein, dass sie sich sicherer fühlen, die Schlucht auf einem dünnen Seil zu überqueren, anstatt die Hängebrücke zu nehmen: Weil das Seil in ihren Gedanken standhielt, die Brücke aber immer einbrach. Sicher bedeutet nicht sicher nach unserem Maßstab. Sicher bedeutet soviel wie "meinen Vorstellungen entsprechend". Diesen Satz lasse ich unbedingt bei Tätern der Kategorie des Rippers gelten.
Und da kann ein scheinbar sicheres Zimmer schnell zur beengenden Falle werden. Wir können ewig weiter diskutieren, wie hell es wo war, wo man am Besten fliehen konnte etc. Am Ende zählt für mich, dass ein Täter erst einmal in eine Situation kommt, die er nicht hundertprozentig kontrollieren kann. Es gibt viel zu viele Parameter, vom Opferverhalten ganz zu schweigen. Einige Parameter können auch während der Tat entstehen, ein Hund der bellt, eine Tür die knallt. Stress entsteht dann, wenn diese Parameter genügen, um subjektives Unbehagen zu spüren. Zudem bei zwanghaften Personen, die denken, sie würden die Situation kontrollieren.

Man kann darüber diskutieren, ob nach dem Double-Event ein Mord in einem Raum nicht genau das war, was sich der Täter wünschen würde. Aber daran glaube ich nicht. Ich glaube nicht daran, dass der Täter die Innenraumsituation in seine Gedanken einbezog. Sie war einer der nicht kontrollierbaren Parameter. Meiner Meinung nach.

Grüße, Isdrasil

...ich möchte noch anmerken, dass ich diese Diskussion sehr erfrischend finde und jeder einzelne Beitrag hier sehr nachdenkenswert ist  :good:
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Lestrade am 08.10.2013 20:38 Uhr
Hallo Isdrasil,

So wie Du es meinst, ist es jetzt auch bei mir angekommen. Danke für deine Erklärung. Ich kann das nun nachvollziehen und es erscheint mir aus dieser Sicht und Betrachtung auch sehr sinnig. Mit meinem bisherigen Verständnis dafür, konnte ich die Gründe deiner Überlegungen bis dato nur im geringen Umfang erfassen.

Noch zum Gegenteil des Ripper- Stresses:

Weniger Stress sollte der Ripper kurz nach den Morden gezeigt haben. So 3-4 Stunden danach, in denen er sich entspannt fühlte. Da hätte er vielleicht sogar “geplaudert“. In gewisser Weise könnte das nach dem DoubleEvent nicht gleich der Fall gewesen sein, weil er da wahrscheinlich von der Polizei “verfolgt“ wurde (Goulston Street).

Beste Grüße,

Lestrade.
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Anirahtak am 08.10.2013 23:19 Uhr
Ja Isdrasil, bei mir ist auch angekommen, was du meinst. Trotzdem hätte ich dazu nochmal eine Frage. :pardon:

Was hat deiner Ansicht nach eine zwanghafte Ripper-Persönlichkeit in diese ungewohnte (evtl. von Tabram abgesehen, aber zumindest "ungeübte"), gefühlt unsichere Tatortsituation verschlagen? Es sind zwei Punkte, die mich zu der Frage veranlassen. Zwanghafte Persönlichkeiten neigen ja eher nicht dazu, mal etwas Neues auszuprobieren. Im Gegenteil meiden sie ungewohnte Situationen. Weiterhin dürfte es viel einfacher gewesen sein, eine Prostituierte zu finden, die auf der Straße arbeitet, als eine mit eigener Räumlichkeit (was mich persönlich ja zu der Annahme veranlasst, Kelly sei gerade wegen ihres Raums zum Ripper-Opfer geworden). Wie erklärst du dir unter diesen Umständen, dass er von seinem subjektiv sicheren Muster abgewichen ist?
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Isdrasil am 09.10.2013 06:31 Uhr
Hi

Mal kurz antworten, bevor es auf die Arbeit geht...  :boredom:

Ich denke, da rechnet man dem Ripper zuviel Eigeninitiative zu. Generell glaube ich eher, dass er die Tatortwahl den Frauen überliess. Er dachte weniger darüber nach, als wir meinen mögen. Meiner Ansicht nach war der Ripper ein einfach gestrickter Geist, der sich nicht allzu sehr um die Zukunft scherte und eher im hier und jetzt lebte. Zudem denke ich, dass sich diese zwanghafte und labile Persönlichkeit in ihrem gewohnten Umfeld (wie zum Beispiel Arbeitsplatz) einigermaßen behaupten konnte, in einem anderen Umfeld jedoch völlig versagte: Das war, wenn sich der Ripper in Gegenwart von Frauen befand. Er wusste nicht mit Ihnen umzugehen, mied allzu persönliche Kontakte und beschränkte sich bei Interaktionen mit dem weiblichen Geschlecht auf das Mindeste. Und das Wichtigste: Ich denke, er war tief im Innern äußerst unsicher im Umgang mit Frauen, wenig selbstbewusst und eigentlich schüchtern.
So dürfte er nach Wahl des Opfers schlicht und ergreifend hinter der Unglücklichen "her geschlurft sein". Ich stelle mir das so vor, dass der Ripper in solchen Situation einfach unfähig war, sein Unbehagen zu unterbrechen, und still und leise in diese für ihn unbehagliche Situation geschlittert ist.
Er war für eine Unterbrechung dieser Situation einfach zu hilflos, frass seine Probleme eher nach Innen, anstatt diese zu lösen bzw. zu verhindern.

In Kellys Räumlichkeit dürfte er ebenso hilflos gewirkt haben, möglicherweise ein Grund, weshalb diese keinen Verdacht schöpfte. Wir wissen von Barnetts Sprachfehler - möglich also, dass Kelly diese Art von Männern ganz anziehend fand, möglicherweise eine Art Helferkomplex gegenüber wenig selbstbewussten Männern empfand. Ich denke, Kelly stellte sich den Ripper anders vor, attraktiver und womöglich galanter, und liess ihn deshalb mit zu ihr kommen.

Und so entstand die Tatortsituation: Ein unsicherer, schüchterner und labiler Ripper sowie ein nichts ahnendes Opfer. Während des Mordes verlieh der Ripper seinem Unbehagen, seinem Stress dann Ausdruck, und eliminierte Kelly ebenso als Person, da ihn das Persönliche zwischen ihm und ihr womöglich auch abgeschreckt hatte...

Der Ripper war also eine zwanghafte Person mit bestimmten Vorstellungen, die jedoch unfähig war, sich diese Situationen selbst zu schaffen.

So...muss los...hoffe, man hat es einigermaßen verstanden.  ;)

Grüße
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Lestrade am 09.10.2013 09:33 Uhr
Das mit der Zwanghaftigkeit kann ich mir auch gut beim Ripper vorstellen. Es gibt ja u.a. die Einteilungen in zwanghafte bzw. triebhafte Psychopathie/Persönlichkeitsstörung, wo sich eben auch bestimmte Merkmale finden lassen wie; zwanghaft, autistisch, paranoid, schizoid, unsicher, pervers, starr, die Schuld stets auf andere schiebend an denen sie auch ihre Wut auslassen usw. Genau so, wie Isdrasil es ja beschreibt. Das sind Merkmale, wie wir sie auch dem Ripper zuschreiben sollten.

Ich denke, dass Frauen dem Ripper Angst machten. In etwas so, als wenn ein Kleinkind von einem Hund angegriffen wurde und im späteren Leben, aufgrund dieser schrecklichen Erfahrung, Hunde eigentlich meidet, nicht mit ihnen in Kontakt kommen kann aber gleichzeitig Vernichtungsfantasien gegen diese Tiere entwickelt. Diese entstehen dann in der frühen sexuellen Reifephase und mischen sich mit der eigenen Sexualität und es kommt zu einer Prägung bezüglich bestimmter Vorstellungen.

Frauen, insbesondere Prostituierte, galten beim Ripper wohl nicht einzig (wenn auch als klare Nummer 1) und allein der Befriedigung seiner sexuellen Wünsche nach Mord und Verstümmelung etc., sondern auch der Vernichtung einer Sache, die ihm permanent Angst machte. Allein mit einer Frau bzw. Frauen, sollte für den Ripper eine große Angst und Stresssituation bedeutet haben, die es zu überwinden galt.

So erscheint natürlich die Situation in Kelly´s Zimmer in einem ganz anderen Licht, denn da war er mit einer Frau tatsächlich (lange) a l l e i n und dann passt dazu auch die Entpersonalisierung (Gesicht) besonders gut. Hier hätte am Ende der Ripper tatsächlich einiges überwunden, n a c h d e m er erst einmal einiges an Stress bewältigen musste. Stimmt es tatsächlich, dass der Mörder von Kelly versucht hat ihr Gesicht nachzubauen, dann könnte das Verhöhnung gewesen sein (er hätte seine Angst besiegt), einfach nur unglaublich pervertiert oder so etwas wie die Rückgabe der Persönlichkeit (“re- personalisierung“) bzw. vollkommen geisteskrank oder eine Mischung aus allem oder einigem davon. Gehört das gar mit zum Zwang?

Ich kannte nur Ressler´s Zitat,, fand aber nun Stordfield´s Hinweis von vor über fünfeinhalb Jahren:

Hallo !

Ich las gerade ein Profil , das FBI - Agent McCrary erstellt hat . Darin steht , daß der Ripper in spottender Art und Weise , aus M. Kellys Nasen - und Ohrenspitzen auf dem Nachttisch ihr Gesicht geformt haben soll . Stimmt das ?

Gruß Stordfield

Robert Ressler:
“Bei seinem letzten Opfer entfernte Jack the Ripper nicht nur die Gebärmutter, sondern schnitt dem Opfer dessen Ohren und Nase ab und platzierte diese auf eine abgetrennte Brust um ein Gesicht nachzuäffen“.

Zu allem passt dann wohl auch der Satz, “Zwang zur Serie“.

Unter´m Strich und ja auch ganz wichtig, Isdrasil´s Botschaft kam an.   

Gruß, Lestrade.
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Lestrade am 09.10.2013 09:41 Uhr
Hier Gregg McCrary im Kapitel 3:

When police arrived the following morning, they found a severed breast on the bed table, decorated with the tips of her nose and ears in the mocking rendition of a face. The contents of her abdomen were spread over the bed and thrown around the room.

http://www.trutv.com/library/crime/serial_killers/notorious/ripper_profile/3.html

Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Isdrasil am 09.10.2013 12:12 Uhr
Hi

Freut mich, dass meine Botschaften mal wieder ankommen. Heißt ja nicht, dass man einer Meinung sein muss.

Lestrade, deinem letzten (vorletzten) Post kann ich nur zustimmen.  ;)

Was ich noch schnell erwähnen wollte: Wenn ich von einem "schüchternen" Täter spreche, dann meine ich damit die innere Welt des Rippers. Manchmal erscheinen eigentlich schüchterne Menschen nach außen recht aufgeschlossen. Als Resultat einer lebenslangen Auseinandersetzung lernen Menschen, Masken zu tragen, sich zu verstecken, bestimmte Situationen nach Drehbuch zu absolvieren. So gelingt es schüchternen Menschen unter bestimmten Umständen, ihre Persönlichkeit an die Umgebung anzupassen, werden von den anderen quasi nicht gesehen, nicht erkannt. Der Alltag spielt hier eine wichtige Rolle. Ein als wirklich aufgeschlossen geltender Mensch ist hingegen in jedem Moment er selbst. Das wäre zumindest meine Vorstellung davon.

Man kann auch gerne überlegen, ob sich der Ripper tatsächlich von den Frauen ansprechen liess. Das ist meine bevorzugte Sicht der Dinge und passt zu dieser Persönlichkeitsbeschreibung.

Ergänzend kann man erwähnen, dass Kelly wahrscheinlich hinter diese Maske blickte. Es gelang ihr bewusst oder unbewusst in der Zeit in ihrem Zimmer, den Ripper zu demaskieren. So muss er sich jedenfalls aufgrund der intimen Situation gefühlt haben. Noch ein Grund für ein Unbehagen seitens des Täters. Er fühlte sich nackt, enttarnt. Die Szene im Millers Court könnte ihm die Macht entrissen haben, die er bei den anderen Morden spürte.
Die Macht dürfte in dem Moment zu bröckeln angefangen haben, als der Ripper begriff, dass es Indoor ging. Da war es aber zu spät für ihn. Jetzt musste er durch. Womöglich hat er sogar einige Zeit mit sich selbst gehaddert (ob er den Mord wirklich begehen sollte).

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Lestrade am 09.10.2013 12:43 Uhr
Ergänzend kann man erwähnen, dass Kelly wahrscheinlich hinter diese Maske blickte. Es gelang ihr bewusst oder unbewusst in der Zeit in ihrem Zimmer, den Ripper zu demaskieren. So muss er sich jedenfalls aufgrund der intimen Situation gefühlt haben. Noch ein Grund für ein Unbehagen seitens des Täters. Er fühlte sich nackt, enttarnt. Die Szene im Millers Court könnte ihm die Macht entrissen haben, die er bei den anderen Morden spürte.
Die Macht dürfte in dem Moment zu bröckeln angefangen haben, als der Ripper begriff, dass es Indoor ging. Da war es aber zu spät für ihn. Jetzt musste er durch. Womöglich hat er sogar einige Zeit mit sich selbst gehaddert (ob er den Mord wirklich begehen sollte).
Grüße, Isdrasil

So eine Konstellation könnte natürlich Dinge, wie ich sie annehme, auf den Kopf stellen. Dies könnte nämlich erklären, warum der Täter dann längere Zeit bei der lebenden Kelly verweilen konnte.

Ich schätze diese Konstellation chancenmäßig zwar nicht sehr hoch ein aber durchaus (u.U.) für möglich. Dass jemand (in dem Falle ein Opfer) “Zugang“ zum Ripper finden konnte.

Aber auf diese Überlegung muss man erst einmal kommen. So oder so bleibt sie bemerkenswert. 
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Stordfield am 09.10.2013 14:15 Uhr
Hallo!

Weil gerade von Mr. Ressler die Rede war- Ich lese zum wiederholten Mal (weil ziemlich kompliziert für mich) ein Buch, in dem auch das "Motivationsmodell" nach Ressler et al. behandelt wird.
Könnt ihr mir vielleicht bitte den Inneren Dialog erklären? Was bedeuten Generalisierung, sowie die Aussage der starken, einschränkenden Voraussetzungen bzgl. Ursache, Auswirkung und Möglichkeit (kognitive Aufzeichnungs- und Verarbeitungsprozesse.)?
 :flag_of_truce:
Das ist zu hoch für mich. Aber ich muß es trotzdem wissen.

Gruß Stordfield
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Andromeda1933 am 09.10.2013 15:20 Uhr
Mir wird langsam schwindelig bei Eurer Psycho-Diskussion! Verkraftet Ihr noch etwas einfaches?

Was im Miller's Court geschah sehe ich auch als „Vernichtungsversuch“. Vermutlich an Kelly, jedenfalls an einer Frau. Sollte der Mord im Miller's Court NICHT von Barnett begangen worden sein, sehe ich da auch eine „Linie“ von Eddowes zu „Kelly“. Immerhin wurde hier an 2 Opfern das Gesicht massiv verletzt.  Schon möglich, dass die Gesichtsverletzungen der Eddowes, wie Lestrade anmerkt, auf ihre Gegenwehr zurück zu führen sind.  Umso merkwürdiger, dass hier Nachtwächter Morris im Lagerhaus nichts gehört haben will, denn es ist unwahrscheinlich, dass der ganze Vorgang lautlos vonstatten ging. Wahrscheinlich pennte der Kerl während seines Nachtdienstes. Wenigstens wusste er aber hinterher, was zu tun war. Bei den schmalen Passagen, die den Square mit den Straßen verbinden, sollte man einen Aufschrei außerhalb des Squares nicht gehört haben, denke ich.

Ich bin unter den posts hier schon mehrmals auf die Aussage gestoßen, der Täter hätte versucht, aus Fleischstücken usw. auf dem Tisch ein Gesicht zu formen. In (seriösen) Büchern finde ich nichts dazu. Wer letzten Endes auch immer das Opfer zerhackte und sogar Stücke der Frau an Nägel in der Wand hängte, versuchte diese Frau zu „vernichten“, geradezu „aufzulösen“.
Deshalb sehe ich persönlich keinen „erotischen Hintergrund“ oder ähnliches. Ich denke, hier ging es einzig um Hass, Wut, vielleicht auch Frustration, allein auf diese Frau gerichtet. Nicht auf das weibliche Geschlecht an sich. Ich sehe den Mord im Millers Court nicht als Teil einer Serie.

Das rätselhafte Szenario um Stride ist allen bekannt, wann „Kelly“ in ihrer Bude starb gibt dagegen viel Platz für Diskussionen. Lestrades letzte Bemerkung finde ich interessant.
Vielleicht kam der Mann später wieder, den Hutchinson (angeblich) gesehen haben will. Ich setze die Klammern hier, weil mir Hutchinsons Aussage grundsätzlich s e h r suspekt ist.
Möglich ist, dass dieser Mann irgendwann zu Kelly sagte, „warte, ich hole noch was zu trinken“. Dafür wäre sie sicher wach geblieben.
Plus – wer es auch immer war, er musste jetzt gewusst haben, wie er die Tür mit einem Griff durchs Loch im Fenster öffnen konnte! Wie viele dafür wohl in Frage kamen....


Mir geht da was durch den Kopf, dieses rätselhafte Singen der Kelly, was bezeugt wurde. Warum sollte sich ein Freier eine Stunde lang diesen Quatsch anhören.  Ein Freier hat was anderes im Sinn. War er besoffen eingeschlafen?  Was aber, wenn er nicht wusste, wie nun weiter??? Er war im Zimmer mit der Frau, aber Sex? Frustriert, schüchtern usw. wusste er vielleicht (noch) nicht, was auf ihn zukommt, wenn er mit einer Frau allein ist – eher aber, er war impotent und bis unter die Haarwurzeln geladen mit Emotionen aller Art. Nutten freuen sich, wenn gelegentlich ein Freier nur quatschen will. Kelly sollte keine Gefahr in ihm gesehen haben, wenn sie eine Stunde im Zimmer für ihn sang. Oder zwang er sie gar mit dem Messer an der Kehle für ihn zu singen, um den Leuten, denen sie beide vorher begegnet waren zu signalisieren, dass alles „in Ordnung“ war? Bisschen albern, dieser Gedanke. Zu viele Krimis gesehen...

Als gänzlich unfähig soziale Kontakte herzustellen sehe ich ihn nicht. Lassen wir mal Kelly beiseite, dann wissen wir immerhin noch von Chapman und Eddowes, dass sie mit einem Mann sprechend gesehen wurden. Klar, diese Frauen waren ganz unten angekommen. Eine Flasche Gin in Aussicht verkauften sie ihre Seele, dennoch dürfte auch in ihnen noch ein Überlebensreflex vorhanden gewesen sein, der sie vor dem Mitgehen mit einem gefährlich wirkenden Mann zurück gehalten hätte.
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Isdrasil am 09.10.2013 17:31 Uhr
Hi Stordfield,

ohje, das ist wirklich ein weites Feld. Ich fang mal klein an und schreibe ein paar Zeilen zum "Inneren Dialog".
Ein Teil der sogenannten Existenzanalyse (ein Bereich der Psychologie) geht davon aus, dass jeder Mensch in Beziehung zu zwei Welten steht: Der äußeren Welt und der inneren Welt. Diese beiden Welten bestimmen die Realität eines jeden Einzelnen von uns. Um eine besonders gefestigte Persönlichkeit zu werden/sein muss man erreichen, dass sich diese beiden Welten in möglichst großer Übereinstimmung befinden. Das soll an einem Beispiel heißen: Wenn sich deine innere Welt nach einer eigenen Familie sehnt, wirst Du versuchen, die äußere Welt daran anzupassen und diese Familie zu gründen. Oder wenn die äußere Welt verlangt, dass Du bestimmten gesellschaftlichen Pflichten nachgehst, wirst Du versuchen, deine innere Welt dementsprechend anzupassen. Natürlich entstehen hierbei Konflikte. Der Mensch ist in einem ständigem Kampf zwischen diesen beiden Parteien, manchmal ohne es zu merken. Breche ich dieses Tabu? Wieso habe ich jetzt ein schlechtes Gewissen? Soll ich oder soll ich nicht?
Dadurch, dass die Gedanken prinzipiell frei sind (man denke an das bekannte Lied) und man sich in seiner ganz eigenen Intimität die innere Welt schafft, muss der Abgleich ständig stattfinden. Und hier tritt - unter Anderem - der innere Dialog ins Spiel. Manche machen es unbewusst, manche völlig bewusst, und ich kenne sogar Menschen, die es laut tun: Mit sich selbst sprechen.
Dieser Dialog zwischen mir selbst quasi pendelt dauernd das Gleichgewicht zwischen Innen und Außen ab. Natürlich strebe ich als Mensch nach Zufriedenheit. Aber wie erreiche ich diese Zufriedenheit? Indem ich mir die Fragen stelle, die mir keiner sonst stellen kann: Entspreche ich mir selbst, entspreche ich den Ansprüchen meiner Umwelt, und inwieweit möchte ich entsprechen, angepasst sein?

Hast Du dich schon einmal dabei erwischt, als Du gesagt hast: "Na, das hast Du aber wieder gut gemacht!"? Das war ein Paradebeispiel des inneren Dialogs. Wahrscheinlich gab es in der äußeren Welt eine Situation mit bestimmten Ansprüchen, denen Du nicht gerecht wurdest. Du hast dich in diesem Moment in deiner inneren Welt gleich selbst gemaßregelt. Du erziehst dich quasi selbst, und versuchst durch deine Selbsterziehung einen Platz in der Realität zu finden, mit dem Du dich abfinden kannst, mit dem Du leben kannst.

Das ist ein Teil des inneren Dialogs. Es ist ein Gespräch mit uns selbst. Es kann lobend oder maßregelnd sein. Auch abwägend. Aber es dreht sich immer um "Innen" und "Außen" und dem Abgleich.

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Lestrade am 09.10.2013 19:26 Uhr
Hi Stordfield!

Ich denke, der innere Dialog ist eine Art von Selbstgespräch, bei dem man sich selber reflektieren kann, ohne auf einen anderen direkt angewiesen zu sein. Dafür ist also kein direktes Gegenüber notwendig, an und in dem man sich spiegeln könnte. In diesem Selbstgespräch werden allerdings auch die Meinungen oder die Erfahrungen mit anderen eingebaut und somit ist ein anderes Gegenüber doch, wenn auch unbewusster, vorhanden.

Generalisierung kenne ich als Verallgemeinerung. Also nach dem Motto: Mama war schlecht, weil sie wechselnde Partner hatte und Alkohol trank und somit sind alle Frauen schlecht, die wechselnde Bekanntschaften haben und Alkohol trinken.

Aber über das alles kann ein jeder so viel philosophieren wie er will.

Der Rest kommt später.

@Andromeda:

Wir haben doch noch nicht wirklich damit angefangen.

Ansonsten: Wieder nachvollziehbar, wobei eine Attacke mit Gesichtsverletzungen sehr schnell vonstattengegangen sein und der Angreifer, mit einem festen Griff oder seinem Körpergewicht, das Opfer am laut sein gehindert haben könnte. Ich denke, Hutchinson war da (Lewis sah jemanden, der Hutch gewesen sein könnte) aber ob seine Geschichte so stimmte? Was wartete er da solange? Hoffte er auf eine Unterkunft für die Nacht? War er ein Ex? Wurde es ihm einfach zu kalt und er entschied sich weiterzugehen?

Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Lestrade am 09.10.2013 19:59 Uhr
So, nun aber weiter:

Hallo!

Weil gerade von Mr. Ressler die Rede war- Ich lese zum wiederholten Mal (weil ziemlich kompliziert für mich) ein Buch, in dem auch das "Motivationsmodell" nach Ressler et al. behandelt wird.
Könnt ihr mir vielleicht bitte den Inneren Dialog erklären? Was bedeuten Generalisierung, sowie die Aussage der starken, einschränkenden Voraussetzungen bzgl. Ursache, Auswirkung und Möglichkeit (kognitive Aufzeichnungs- und Verarbeitungsprozesse.)?
 :flag_of_truce:
Das ist zu hoch für mich. Aber ich muß es trotzdem wissen.

Gruß Stordfield

Jeder von uns nimmt wahr, versteht, denkt, lernt und bewertet usw. die Dinge um sich herum. Dabei passiert ja auch etwas in uns, wir werden dadurch angesprochen und reagieren mit entsprechenden Gefühlen. Das alles gilt es in Einklang zu bringen, es zu verarbeiten und einzuordnen, damit umzugehen. So kann man, im inneren Dialog (siehe letztes Post), für sich die erfahrenen Dinge durch spinnen und sich so seine Realität schaffen. Siehe auch Isdrasil:

Ein Teil der sogenannten Existenzanalyse (ein Bereich der Psychologie) geht davon aus, dass jeder Mensch in Beziehung zu zwei Welten steht: Der äußeren Welt und der inneren Welt. Diese beiden Welten bestimmen die Realität eines jeden Einzelnen von uns. Um eine besonders gefestigte Persönlichkeit zu werden/sein muss man erreichen, dass sich diese beiden Welten in möglichst großer Übereinstimmung befinden.
Grüße, Isdrasil

Nun können bestimmte Voraussetzungen bei Menschen nicht gegeben sein diese Thematik, wie für uns normal, ohne größere Störungen anzugehen. Dort sieht die “Realität“ dann anders aus.  

Inwieweit das alles weit genug erforscht ist, kann man wohl schwer einschätzen. Ich sage immer, der menschliche Verstand ist wie das Weltall. Ihn gänzlich zu verstehen, ist nahezu unmöglich also muss man mit vielen Annahmen arbeiten. Philosophie ist dabei auch wichtig.  
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Anirahtak am 09.10.2013 23:00 Uhr
Ich habe wieder alles verstanden und es erscheint mir auch im Großen und Ganzen stimmig, jedoch findet sich hier...

...

Die Macht dürfte in dem Moment zu bröckeln angefangen haben, als der Ripper begriff, dass es Indoor ging. Da war es aber zu spät für ihn. Jetzt musste er durch. Womöglich hat er sogar einige Zeit mit sich selbst gehaddert (ob er den Mord wirklich begehen sollte).
...für mich der Knackpunkt, wenn man die zwanghafte Persönlichkeit zugrunde legt. Zwanghafte Persönlichkeiten sind ja auch ausgeprägte Kontrollfreaks, liegt in der Natur der Sache. Lassen wir es mal Zufall sein, dass von allen verzweifelten Prostituierten ausgerechnet eine mit einem Raum ihn ansprach - ich meine zwar ebenfalls, dass er die Ortswahl den Frauen überließ. Nur meine ich noch hinzu, dass man zuvor besprach, wohin es gehen sollte, zumindest ungefähr und ganz besonders im Falle Kellys, sie könnte sogar in... ähm... "Sondierungsgesprächen" damit geworben haben, dass ein Zimmer zur Verfügung steht. Hutch zB will den Satz "In Ordnung, Schatz. Komm mit. Du wirst es gemütlich haben." gehört haben. Nicht, dass dieser Kunde der Ripper gewesen sein muss (sofern es ihn gab), ich will darauf hinaus, dass Kelly das Indoor-Detail schon im Vorhinein erwähnt haben dürfte, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit, wie ich meine.

Es sei nun dahingestellt, ob ein zwanghafter (Kontrollfreak!) Killer mit exakter Vorstellung vom Außentatort trotzdem hinter ihr herschlurft...

Ausreden will ich es dir nicht, aber halt nur so mal, um auf den kleinen Fehler im Bild hinzuweisen... :biggrin:
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Isdrasil am 10.10.2013 12:01 Uhr
Hallo Ani,

Ich verstehe deinen Einwand. Und wenn ich ehrlich bin, habe ich ihn sogar erwartet.
 ;)

Ich sehe die Sache aber etwas anders. So pauschal gibt es in meinen Augen keinen Zusammenhang zwischen einer zwanghaften Person und einem Kontrollfreak. Dazu muss man unterscheiden, wie passiv oder aktiv eine Person ist und inwiefern diese Person gelernt hat, Umstände ihren Wünschen nach anzupassen. Das greift wieder wunderbar in den von Stordfield angesprochenen inneren Dialog.

Ich sehe einen Unterschied zwischen zwanghaften Vorstellungen und zwanghaftem Verhalten. Es kann durchaus sein, dass eine Person zwar eine zwanghafte Vorstellung davon hat, wie eine Sache abzulaufen hat, aber dennoch in einer passiven Rolle verharrt. Es kommt immer darauf an, wie selbstreflektiert eine Person ist.
Es gibt meiner Meinung nach solche und solche. Passive und aktive Menschen, welche die Umwelt nach ihren Vorstellungen gestalten oder gestaltet sehen wollen.
Lestrade hat es erwähnt: Die Abstimmung der inneren und äußeren Welt kann gestört sein. So durchdacht die innere Welt auch sein kann, so unfähig kann die Person sein, die äußere Welt danach zu gestalten.
Wie gesagt, es geht mir um Vorstellungen, nicht um zwanghaftes Verhalten. Es geht vielmehr um starr vorgefertigte Abläufe in den Gedanken des Täters und den inneren Zwang, diese Abläufe exakt so erleben zu wollen. Inwiefern der Täter souverän genug ist, um dies zu bewerkstelligen, steht für mich auf einem anderen Blatt.

Nichts desto Trotz kann ich deinen Post absolut nachvollziehen. Bei Zwang muss man auch ohne Zweifel an Kontrolle denken. Zwanghafte Vorstellungen und Kontrollergreifung gehen für mich jedoch nicht „zwanghaft“ einher.

Ich hatte erwähnt, dass es durchaus sein kann, dass der Ripper noch mit sich gehaddert hat. Wir wissen nicht, was zwischen Ihm und Kelly genau ablief. Wie gesagt, der Konflikt zwischen seinem Tötungsdrang und seiner Vorstellung, wie etwas abzulaufen hat, muss nach meiner Theorie groß gewesen sein. Ab einem gewissen Punkt trat dieser Konflikt zu Tage.
Wer weiß, vielleicht versuchte er auch, Kontrolle zu erlangen. „Lass uns nicht auf dein Zimmer gehen. Lass uns doch lieber in eine dunkle Ecke verschwinden!“ Dann hätte er sich sofort geoutet. Hätte er auf die Möglichkeit des Mordes verzichten sollen? „Ach, nee, lass mal. Habe es mir anders überlegt.“. Da war aber noch der Drang zu töten. Womöglich größer als vorher, nach so einer langen Pause.

Du hast einen Einwand gehabt, der sehr interessant ist: Hutchinson. Wie man diese Figur auch bewerten mag, er hatte womöglich einen Einfluss auf die Geschehnisse dieses Abends. Vielleicht verhinderte seine Anwesenheit sogar, dass der Täter auf offener Strasse zuschlug, zum Beispiel vor dem Durchgang zum Millers Court. Wer weiß? Möglich ist so vieles.

Ich hab „früher“ immer einen bestimmten Satz hinter einige meiner Posts gesetzt. Ich glaube, das gewöhne ich mir mal wieder an:

…es kann natürlich auch völlig anders gewesen sein!  :blum1:

Grüße, Isdrasil

Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Anirahtak am 10.10.2013 21:47 Uhr
...

Ich hab „früher“ immer einen bestimmten Satz hinter einige meiner Posts gesetzt. Ich glaube, das gewöhne ich mir mal wieder an:

…es kann natürlich auch völlig anders gewesen sein!  :blum1:

Grüße, Isdrasil


Nicht notwendig. Es interessierte mich nur, wie Punkte, die mir als unstimmig auffallen, in Zusammenhang gebracht werden. Es war wie gesagt nicht meine Absicht irgendjemand seine Vorstellungen auszureden und gehe auch nicht davon aus, dass meine eigene Vorstellung die einzig wahre sein kann.
Titel: Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
Beitrag von: Isdrasil am 11.10.2013 12:28 Uhr
Es war wie gesagt nicht meine Absicht irgendjemand seine Vorstellungen auszureden und gehe auch nicht davon aus, dass meine eigene Vorstellung die einzig wahre sein kann.

Das habe ich auch nie von Dir gedacht  ;)

Wie man bei uns in Franggn sagen würde: "S´bassd scho!"

Hm...und was machen wir nun? Ich habe soeben den Faden verloren...

Grüße