Autor Thema: ...und schon wieder eine Bitte!  (Gelesen 7264 mal)

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Stordfield

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...und schon wieder eine Bitte!
« am: 15.10.2009 11:52 Uhr »
Hallo !

Könnte vielleicht mal jemand von euch das Wirrwarr um Aaron Kosminski, Nathan Kaminski und David Cohen aufdröseln?
Ich komme da nicht ganz mit.
Who is who?

Danke.
Gruß Stordfield

Offline panopticon

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Re: ...und schon wieder eine Bitte!
« Antwort #1 am: 15.10.2009 22:47 Uhr »
Hallo Stordfield!

Na dann probiere ich das hier mal kurz (bitte mich zu korrigieren, wenn mir ein Fehler unterläuft):

Zunächst  ist da einmal „Kosminki“ (ohne Vornamensangabe), eine der drei Personen, die Sir Melville Macnaghten in seinem Memorandum als Hauptverdächtige nennt, und den er als „polnischen Juden“ beschreibt. Eine ähnliche Person gleicher Herkunft und Religion wird von Sir Robert Anderson in mehreren Publikationen als der Ripper genannt (u.a. in seinen Memoiren „The Lighter Side of My Official Life“, 1910), ohne jedoch einen expliziten Namen zu nennen. Dies erledigt Chief Inspector Donald Swanson, der in seine Kopie von Andersons Memoiren neben den Ausführungen eigene Notizen anbringt, unter anderem „...he was sent to Stepney Workhouseand then to Colney Hatch and died shortly afterwards. The suspect was Kosminski“.

Auf der Suche nach einem Insassen namens Kosminski entdeckte der Ripperforscher und Autor Martin Fido (in den späten 1980ern, wenn ich mich richtig erinnere) im Archiv der Colney Hatch Nervenheilanstalt einen Insassen namens  „Aaron Kosminski“, dessen Biografie allerdings bei näherer Betrachtung nicht wirklich mit den Ausführungen Macnaghtens übereinstimmt. (Alles über Kosminski / Aaron Kosminski natürlich näher nachzulesen unter : http://www.jacktheripper.de/tatverdaechtige/kosminski/ )
Ein anderer „Kosminski“ konnte jedoch nicht ausfindig gemacht werden.

Bei weiteren Nachforschungen nach Personen mit einem zumindest ähnlichen Namen fand Fido stattdessen jedoch noch einen gewissen „Nathan Kaminsky“, der im März 1888 im Whitechapel Workhoues Infirmary wegen Syphilis behandelt und kurze Zeit später als geheilt entlassen wurde. In den Unterlagen von Colney Hatch ist dieser aber nicht zu finden.

Fido suchte nun in eben diesen Unterlagen noch nach einem „polnischen Juden“ und fand lediglich noch einen gewissen „David Cohen“, der am 7. Dezember 1888 wegen auffälligem Verhalten als Verrückter verhaftet, in das Whitechapel Workhoues Infirmary eingeliefert und danach nach Colney Hatch überstellt wurde, wo er im Oktober 1889 verstarb. Der Name “David Cohen“ wurde angeblich jedoch auch öfter als Alternative zu „John Doe“ (also eine namentlich unbekannte Person) verwendet. Auch die aufgeführte Adresse jenes Cohen dürfte nicht gestimmt haben - in der angeführten 86 Leman Street befand sich vielmehr ein „Protestant Boys´Club“. Wie Nathan Kaminski wird Cohen als „polnischer Jude“, 23 Jahre alt und „ohne Verwandte“ beschrieben.

Dies alles fügte Fido zu folgender Theorie zusammen :
Aaron Kosminski ist nicht die Person, die Macnaghtan bzw Swanson meinten (beide hätten sich im Namen geirrt), sondern vielmehr Nathan Kaminsky, bei dem es sich, so Fidos Argumentation, auch um den eigentlichen „Leather Apron“ handelte. Als Kaminsky erfuhr, dass die Polizei nach „Leather Apron“ fahndete und John Pizer verhaftete, hätte er seinen Namen in „David Cohen“ geändert. Fidos Theorie daher:  Kaminsky und Cohen seien ein und dieselbe Person.

Stellt sich natürlich u.a. die Frage, wodurch er auf die Idee kam, "Leather Apron" mit "Kosminski" zu verbinden....?
Jede/r mag sich jetzt ihre/seine eigene Meinung über diese Theorie bilden...

(Irgendwo habe ich auch eine Theorie gelesen, die Polizei selbst hätte Kaminsky´s Namen bei der Festnahme bewußt falsch angegeben, um keinen Aufruhr zu riskieren, der eventuell entstanden wäre, wenn die Bevölkerung von der Festnahme von "Leather Apron" Kaminsky erfahren hätte...)

Soweit ich weiß, veröffentlichte Fido seine Theorie erstmals im Buch:
Fido, Martin: "The Crimes, Detection and Death of Jack the Ripper" (1987)

best regards,
panopticon

Stordfield

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Re: ...und schon wieder eine Bitte!
« Antwort #2 am: 15.10.2009 23:03 Uhr »
Hallo panopticon !

 :icon_beten:

Vielen Dank für die prompten, detailierten und für mich hilfreichen Ausführungen.
Ich war schon ganz wirr bei dem Namens- Hickhack und um so mehr ich darüber las, um so schlimmer wurde es.  :icon_verwirrt:
Jetzt blicke ich wenigstens wieder einigermaßen durch.

Gruß Stordfield


Offline Lestrade

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Re: ...und schon wieder eine Bitte!
« Antwort #3 am: 15.10.2009 23:38 Uhr »
Nach allem was ich bisher über Jack the Ripper las,scheint mir das am Interessantesten.Man gewinnt den Eindruck,das die Polizei nach dem letzten Mord unbewußt erfolgreich war.Sie hatten Verdächtige verhaftet,beschattet bzw.von deren Tod (Druitt) erfahren.Leider konnten sie keinen sofort Jack the Ripper zuordnen.Wußten aber,als die Serie stoppte,das er dabei sein muss.Letztlich war der Täter mit seinem Verhalten bereits im 20.Jahrhundert.Die Polizei noch nicht.Nach einiger Zeit (vielleicht wenigen Jahren) konnten sie wohl davon ausgehen,das z.B. durch Druitt´s Tagesabläufen,Kosminski´s bewiesener Harmlosigkeit (auch wenn er total bekloppt war) nicht so viel übrig an Verdächtigen blieb,die wirklich dazu in der Lage waren,diese Greueltaten begangen zu haben.David Cohen/Nathan Kaminsky als jemand der vollkommen durchdrehte nach der Verhaftung und den man vor sich selbst und anderen schützen musste war ganz sicher "der heißeste" Kanditat für einige wichtige Ermittler und daher auch als möglicher Ripper besonders ernst zu nehmen.Ich würde fast behaupten,das er schon früher in das Visier der Polizei geriet,aus welchen Gründen auch immer,aber wahrscheinlich durch seine überzeugend gespielte "Harmlosigkeit" selbige auf´s Glatteis führte.Ersteinmal...Würde mich nicht wundern,wenn er irgendwann in seinem Leben mal als Schlachter oder Arzthelfer etc. gearbeitet hätte...was herauszufinden wäre...Außerdem meine ich mich zu erinnern,das man zehn Jahre nach seinem Tod,seine Mutter und Schwester fand,wenn es denn stimmt.Dann sollte man sich fragen warum man das tat.Wenn es stimmt,dann hatte man diesen Cohen wirklich sehr ernst genommen...Die Polizei wußte,das sie den Ripper hatten,der hatte aber 3-4 Gesichter...Rate mal mit Rosental ohne Profiling...Heute wäre das ein Leichtes...
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...

Arthur Dent

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Re: ...und schon wieder eine Bitte!
« Antwort #4 am: 16.10.2009 09:22 Uhr »
Nach allem was ich bisher über Jack the Ripper las,scheint mir das am Interessantesten.Man gewinnt den Eindruck,das die Polizei nach dem letzten Mord unbewußt erfolgreich war.Sie hatten Verdächtige verhaftet,beschattet bzw.von deren Tod (Druitt) erfahren.Leider konnten sie keinen sofort Jack the Ripper zuordnen.Wußten aber,als die Serie stoppte,das er dabei sein muss.Letztlich war der Täter mit seinem Verhalten bereits im 20.Jahrhundert.Die Polizei noch nicht.Nach einiger Zeit (vielleicht wenigen Jahren) konnten sie wohl davon ausgehen,das z.B. durch Druitt´s Tagesabläufen,Kosminski´s bewiesener Harmlosigkeit (auch wenn er total bekloppt war) nicht so viel übrig an Verdächtigen blieb,die wirklich dazu in der Lage waren,diese Greueltaten begangen zu haben.David Cohen/Nathan Kaminsky als jemand der vollkommen durchdrehte nach der Verhaftung und den man vor sich selbst und anderen schützen musste war ganz sicher "der heißeste" Kanditat für einige wichtige Ermittler und daher auch als möglicher Ripper besonders ernst zu nehmen.Ich würde fast behaupten,das er schon früher in das Visier der Polizei geriet,aus welchen Gründen auch immer,aber wahrscheinlich durch seine überzeugend gespielte "Harmlosigkeit" selbige auf´s Glatteis führte.Ersteinmal...Würde mich nicht wundern,wenn er irgendwann in seinem Leben mal als Schlachter oder Arzthelfer etc. gearbeitet hätte...was herauszufinden wäre...Außerdem meine ich mich zu erinnern,das man zehn Jahre nach seinem Tod,seine Mutter und Schwester fand,wenn es denn stimmt.Dann sollte man sich fragen warum man das tat.Wenn es stimmt,dann hatte man diesen Cohen wirklich sehr ernst genommen...Die Polizei wußte,das sie den Ripper hatten,der hatte aber 3-4 Gesichter...Rate mal mit Rosental ohne Profiling...Heute wäre das ein Leichtes...


Heututage wäre es v.a. deshalb leichter, weil die forensischen Methoden zur Beweisicherung besser sind - angefangen von simplen Fingerabdrücken bis zu DNA-Spuren. Mit Profiling kann man zwar den Kreis möglicher Verdächtiger eingrenzen - aber es ist kein Zaubermittel. Man denke nur an diesen Serienkiller in Washington, der aus dem Auto heraus wahllos Menschen erschossen hat. Zuvor hieß es von Profilern immer: Serienkiller sind i.d.R. weiße Männer... und dann erwischte man den ersten Schwarzen.

Dass es heute - ohne handfeste Zeugen oder Beweise - durch Profiling und forensische Psychiatrie "ein leichtes" wäre, wage ich zu bezweifeln: Selbst gestandene forensische Psychiater wurden schon von Psychopathen getäuscht: Martha Stout erzählt in "Der Soziopath von nebenan" z.B. von einem Fall, im dem ein Psychopath (bereits in einer Geschlossenen in Behandlung) eine Psychiaterin so umgarnte, dass sie ihm zur Flucht verhalf...Und Robert D. Hare gab in "Gewissenlos" zu, dass er schon von einem Psychopathen verarscht worden ist, ohne zu merken, dass er es mit einem Psychopathen zu tun hatte.

Ganz unabhängig davon möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass es psychiatrisch gesehen gewaltige Unterschiede gibt zwischen den verschiedenen Arten "bekloppt" zu sein. Wir sollten nicht Psychopathie und Psychosen in einen Topf werfen. Was Laien alles unter dem Begriff "verrückt" zusammenfassen, ist ein weites Feld.
So können Menschen, die unter Psychosen leiden, zwar gewalttätig werden - aber wer solche Straftaten begeht, ist nicht in diesem Sinne "verrückt" (was man angesichts des damaligen Forschungsstandes aber noch nicht wissen konnte) - sondern ein Psychopath.

MfG, Arthur Dent

 

Offline Lestrade

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Re: ...und schon wieder eine Bitte!
« Antwort #5 am: 16.10.2009 12:40 Uhr »
Heututage wäre es v.a. deshalb leichter, weil die forensischen Methoden zur Beweisicherung besser sind - angefangen von simplen Fingerabdrücken bis zu DNA-Spuren. Mit Profiling kann man zwar den Kreis möglicher Verdächtiger eingrenzen - aber es ist kein Zaubermittel. Man denke nur an diesen Serienkiller in Washington, der aus dem Auto heraus wahllos Menschen erschossen hat. Zuvor hieß es von Profilern immer: Serienkiller sind i.d.R. weiße Männer... und dann erwischte man den ersten Schwarzen.

Dass es heute - ohne handfeste Zeugen oder Beweise - durch Profiling und forensische Psychiatrie "ein leichtes" wäre, wage ich zu bezweifeln: Selbst gestandene forensische Psychiater wurden schon von Psychopathen getäuscht: Martha Stout erzählt in "Der Soziopath von nebenan" z.B. von einem Fall, im dem ein Psychopath (bereits in einer Geschlossenen in Behandlung) eine Psychiaterin so umgarnte, dass sie ihm zur Flucht verhalf...Und Robert D. Hare gab in "Gewissenlos" zu, dass er schon von einem Psychopathen verarscht worden ist, ohne zu merken, dass er es mit einem Psychopathen zu tun hatte.

Ganz unabhängig davon möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass es psychiatrisch gesehen gewaltige Unterschiede gibt zwischen den verschiedenen Arten "bekloppt" zu sein. Wir sollten nicht Psychopathie und Psychosen in einen Topf werfen. Was Laien alles unter dem Begriff "verrückt" zusammenfassen, ist ein weites Feld.
So können Menschen, die unter Psychosen leiden, zwar gewalttätig werden - aber wer solche Straftaten begeht, ist nicht in diesem Sinne "verrückt" (was man angesichts des damaligen Forschungsstandes aber noch nicht wissen konnte) - sondern ein Psychopath.

MfG, Arthur Dent


Vielen Dank ! Das ist sehr aufschlussreich.

Ich bleibe ja auch nur im Bereich der Hypothesen und Theorien hängen.Dachte halt immer,nach dem letzten Mord an Kelly muss ja irgendetwas bei der Polizeiarbeit passiert sein.Das der Ripper plötzlich gestorben sei oder abgehauen ist,konnte ich in meiner Sturheit nie akzeptieren.So viel Glück ? Deswegen lag für mich immer sehr nahe,das er weggesperrt wurde.Aber es muss ja dann etwas behindert haben ihn am Ende zu überführen und zu verurteilen.Was könnte ich aber dazu spekulieren ? Das es zu Unruhen kommen könnte wegen des möglichen jüdischen Täters ? Nun ja,immerhin muss es ja Leuten aufgefallen sein,dass sich z.B. Kosminski und Kaminsky von der Bildfläche verabschiedet hatten.Kam denn da jemals Protest aus der Bevölkerung "Ihr wollt uns nicht sagen wer der Ripper ist !" ? So beruhigt man ja auch nicht gerade die Leute.
Druitt konnte man nicht mehr interviewen,Kosminski war ja wohl nicht der hellste und Kaminsky war sicherlich auch nicht sehr gesprächig und auch nicht mehr so lange am Leben.Da waren ein paar Vögel in´s Netz gegangen aber wie nun herausfinden,wer von denen falsch singt,wenn kein Ton mehr herauszukitzeln ist ?
Natürlich ist das von mir ja auch nur Spinnerei in den Tag hinein.In meiner Naivität würde ich halt heute,wenn man mir die Akten auf den Tisch knallen würde,ersteinmal ganz dämlich fragen wer denn nach Kelly alles so in Gewahrsam kam und dort auch nicht mehr heraus.Heute (Heute !!!) würde selbst mir ein 24jähriger polnischer Jude aus Whitechapel auffallen,der in der Klapper landete und dort als äußerst gewaltätig auffiel.Warum musste man diesen Mann derart isolieren,wenn er vorher in dieser Weise eben nicht aufgefallen war ? Das wäre für mich ersteinmal bemerkenswert.Aber was weiß ich denn,wer noch irgendwo hinter Schloß und Riegel kam ? Bleibt am Ende überhaupt dieser ganze Namenswirrwarr um Cohen/Kaminsky so wie eben die Ähnlichkeit zwischen den Namen Kosminski/Kaminsky und das gleiche Alter und die Herkunft.Und das beide möglicherweise am Ende in der gleichen Einrichtung landeten.
Grundlage dafür,das es unter Umständen später tatsächlich zur Vertauschung dieser Namen kommen konnte.Es wäre zumindest möglich...Aber würde es uns selbst dann helfen,wenn Swanson statt Kosminski denn Namen Kaminsky in Anderson´s Memoiren gekritzelt hätte ? Wirr wäre es trotzdem geblieben...Allerdings sehe ich gerade bei Swanson nicht durch.Einige seiner zeitlichen Angaben sind merkwürdig und wer indentifizierte in seinen Augen wen und wann und wofür ? Vielleicht kann mir da jemand von euch mal einen Überblick verschaffen.Möglicherweise kapiere ich es auch einfach nicht.Er hatte doch behauptet der Ripper sei kurz nach der Einweisung verstorben,dann gab es doch angeblich mal eine Gegenüberstellung mit einem Zeugen.War da Cohen/Kaminsky überhaupt noch am Leben ? Und nach welchem Mord soll das passiert sein und wo ? Hat der noch mehr durcheinandergehauen in einem Fall von solcher Wichtigkeit ? Am Ende lande ich aber immer bei zwei gleichaltrigen jüdischen Polen...
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...