Autor Thema: Könnte es nicht doch Selbstmord gewesen sein?  (Gelesen 11452 mal)

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Offline Isdrasil

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Könnte es nicht doch Selbstmord gewesen sein?
« am: 21.03.2012 20:20 Uhr »
Hi!

Seit ich mich mit dem Fall „Jack the Ripper“ befasse (bescheidene – und das meine ich ernst – 6 Jahre), habe ich stets bei einer Sache ein seltsames, mulmiges Gefühl gehabt. Anfangs konnte ich es nie genau greifen, doch mit der Zeit und der immer intensiveren Beschäftigung mit Täterpsychologie lichtete sich der Nebel und ich fing an, diese Ahnung konkreter fassen zu können: Es ging um den Mord an Mary Jane Kelly – und darum geht es immer noch.
Von Anfang an glaubte ich an die Täterschaft des Rippers, und von Anfang an hatte dieser Mord einige Besonderheiten, denen ich inzwischen eine Schlüsselrolle zum Verständnis des Täters zurechne. Ich habe mich nie sonderlich um die Frage geschert, ob der Ripper nun die Kehle von links nach rechts durchtrennte, ob nun ein Zeuge die Wahrheit sagte oder ob die Kleidung blutbefleckt war. Natürlich hat man sich über diese Fragen Gedanken gemacht, denn immerhin mögen sie im Gesamtkontext der Taten eine Rolle spielen. Doch für mich persönlich war schon immer das Verständnis für die Gedankenwelt des Täters wichtig, denn hier findet man die Antworten auf die meisten Fragen, die uns bewegen. Und über die Gedankenwelt des Täters sagen oben genannte Aspekte – wenn auch interessant zu diskutieren – recht wenig aus.
Ich kann mich noch an einen Kritikpunkt von John Evans erinnern, der mir vorwarf, ich würde das Pferd von hinten aufzäumen wollen. Dies habe ich nie so gesehen. Natürlich habe ich stets angenommen, Kelly wäre ein Opfer des Rippers, und natürlich habe ich die Brücke zwischen Eddowes und Kelly scheinbar zurecht gebogen, um diese Morde zu verbinden. Ebenso bin ich mit dem Mord an Martha Tabram verfahren. Aber was von außen als Hinbiegerei erscheint, war für mich immer die Suche nach dem Schlüssel zum Verständnis des Täters, und unter diesem Aspekt  sind Änderungen in der Signatur, Abweichungen im Verhalten oder der Tatbegehung kein wirkliches Indiz für einen anderen Täter, sondern eher ein Hinweis zu verschiedenen Reaktionen des Täters auf verschiedene Einflüsse und damit direkte Ausdrücke seiner Persönlichkeit. Dazu gehört natürlich eine gewisse Portion Sturheit, denn man wird auf viel Kritik stoßen und mit wenig bis kaum belegbaren Theorien um die Ecke kommen, macht sich verwundbar… aber kommen wir nun nicht um die Ecke, sondern lieber zum Thema: Ich neige inzwischen dazu, einen Selbstmord des Täters anzunehmen. Und zwar nicht aus Reue, nicht aus der Angst heraus, entdeckt zu werden. Sondern aus einem ganz anderen Grund.
Nicholls, Chapman, Eddowes. Sie haben alle eines gemeinsam: Der Täter scheint bei der Ausübung seiner Verstümmelungen auf die Weiblichkeit der Opfer fixiert zu sein. Direkt kommt er zur Sache und legt seinen Fokus nach dem Kehlschnitt auf die weiblichen Geschlechtsorgane und den Bauchraum. Von Beginn an legt er eine große Professionalität an den Tag, sei es nun durch gezielte Übung an Tieren, im Beruf, oder durch langjährige Beschäftigung mit seiner Gedankenwelt und seinen Fantasien – dieser Täter weiß, was er will, er weiß, wie er es kriegt, und er holt es sich ohne große Umschweife. Er ist relativ schnell, zielgerichtet, und hört genau dann auf, wann er es beabsichtigt. Er scheint keinen großen Drang zu verspüren, Verletzungen zuzufügen, die außerhalb seiner Fantasie liegen: Die Beine bleiben unangetastet, die Arme ebenso. Der Täter scheint die Opfer während der Ausübung nicht zu bewegen. Alle Verletzungen sind dem Opfer so zuzufügen, wie es auf dem Boden liegt. Die Tat erscheint abgeschlossen, der Täter befriedigt.
Ich glaube nicht, dass er sich Gedanken um die Beats der Polizei machte. Er wusste, dass die Prostituierten die Beats kannten. Und er dürfte wohl gewusst haben, dass so eine Runde einige Zeit dauerte. Weshalb ich das annehme? Ganz einfach: Im Prinzip hatte er eine viel größere, unberechenbare Gefahr im Nacken – Zivilisten. Von der Streifenpolizei dürfte er erwartet haben, dass es noch ein wenig dauere, bis diese wieder vorbeikam. Zivilisten jedoch sind unberechenbar, können jeden Moment am Tatort erscheinen, können brüllen, rufen, rennen, können in Gruppen erscheinen, können selbst bewaffnet sein. All dies war im egal. Er tötete auf „offener Strasse“. Weil er wusste, dass er seine Sache ohne Umschweife und Experimente durchziehen würde. In der Nacht des Double-Events jedoch liess er sich anscheinend erstmals aus der Ruhe bringen, bei einem Mord stören. Ein Zeichen von Unsicherheit? Und danach der Mord an Eddowes: Erstmals diese Verletzungen an den Augen. Was hat das zu bedeuten?
Dann eine Pause. Im ganzen Monat Oktober kein Mord im East End. Schließlich der Mord an Kelly: Herausragend brutal verlässt der Täter seinen Fokus, verstümmelt das Opfer in seiner Ganzheit, schält die Haut von den Knochen, zerhackt das Gesicht, schneidet Fleischlappen aus dem Körper des Opfers und türmt diese auf (entschuldigt die drastischen Worte). Er scheint außer sich zu sein, scheint von seinen professionellen Bewegungen auf Overkill umzuschalten, von lautloser schneller Killer auf unberechenbaren Irren. Als Krönung entfernt er Kelly nicht nur einige Organe, sondern auch ein ganz bestimmtes Organ – und dieses Organ fügt sich exakt in meinen Gedankengang ein: Das Herz.
Manche haben das Fehlen des Herzens als Indiz für eine Beziehungstat bewertet, ich sehe darin etwas anderes: Was in der Nacht des Double-Events seinen Anfang nahm, fand beim Mord an Kelly seinen Ausdruck. Der Täter verliess seinen Fokus auf die Weiblichkeit. Er verliess seine Wut und seinen Hass auf Frauen, über dessen Ursprung gerne diskutiert werden darf, und schritt auf einen neuen Pfad: Den Hass auf die Menschen im Allgemeinen. Kelly ist kein Ausdruck mehr, wie man ihn bei Nicholls, Chapman oder auch noch Eddowes sah. Kelly bedeutet die pure Zerstörung des Menschlichen, des Lebens, die absolute Raserei und Wut auf das Menschsein und damit auf sich selbst. Das Herausreißen des Herzens ist kein Zeichen für eine nicht überwundene verletzte Liebe, es ist das Zeichen der absoluten Rage. Der Täter dürfte bei der Ausführung ein hasserfülltes Gesicht gehabt haben. In seinem Körper waren Unmengen an Adrenalin, er verspürte in diesen Momenten meiner Meinung nach wenig von Befriedigung oder „Spass“ an der Sache, hier war ein Täter am Werk, der sich abreagierte und die Grenzen seiner vormals klar abgesteckten Fantasie bei Weitem überschritt.
Und genau diese Diskrepanz war es, die mich schon immer bewegte und die ich zu erklären versuchte. Und seit einiger Zeit vermute ich etwas, was ich vorher noch niemals vermutete: Zwischen der Nacht des Double-Events und dem Mord an Kelly muss etwas passiert sein. Etwas persönliches, was die Wut des Täters auf das Menschsein erklärt. Etwas, was bereits in der Nacht des Double-Events präsent war, den Täter jedoch erst nur leicht verunsicherte. In dieser Nacht findet man erste Zeichen von Schwäche, erste Zeichen von dem Abweichen auf andere Aspekte der Tatbegehung. Dann die Pause. Anscheinend schien er verhindert zu sein, kam nicht zum Morden. Woran kann das gelegen haben? War er in dieser Zeit im East End und bettlägerig? In meinen Augen unwahrscheinlich – selbst die vergangene Zeit würde meiner Meinung nach die Abkehr von der Professionalität nicht erklären. Nein, es muss etwas anderes gewesen sein. Ihr wisst, ich bevorzuge die Vorstellung, dass der Täter nicht aus dem East End kam. Würde auch zu dieser Pause passen. Möglicherweise kam er nicht in sein Jagdgebiet, fristete sein Dasein außerhalb des East Ends, außerhalb des Königreichs, und kam dort einfach nicht zum Zug. Möglich ist so vieles.

Eines muss uns in diesem Zusammenhang ins Bewusstsein gerufen werden: Der Täter besteht nicht nur aus Täter. Er ist auch Mensch. Er hat ein Leben neben dem Morden. Er kann Familie haben, er kann einen Beruf haben. Diese Dinge können ihm auch wichtig sein. Nicht alles in seinem Alltag muss sich um das Morden drehen.

Und genau hier setzt mein Gedanke an, den ich nach diesem langen Post überraschend kurz fassen werde: Ich glaube, dass dem Täter sein Leben im Allgemeinen aus den Händen glitt. Dass es aus den Fugen geriet. Dass es im Oktober ein einschneidendes Erlebnis gab, welches sich bereits im September abzeichnete. Ich glaube, dass es dem Täter immer unmöglicher wurde, seine Gewohnheit „East End – Prostituierte – Morden“ auszuüben, dass ihm dies einen unglaublichen Stress verursachte. Und ich kann mir inzwischen vorstellen, dass der Täter innerhalb dieser Gedankenwelt und innerhalb seines ruinierten Lebens am Ende war, am Boden zerstört, und schließlich freiwillig aus dem Leben schied. Nicht aus Reue. Nicht aus Angst entdeckt zu werden. Er war am Ende. Außerhalb seines Mörderdaseins. Außerhalb „Jack the Rippers“. Damit meine ich keine Krankheit, sondern eine Affektentscheidung irgendwann nach dem Mord an Kelly. Ich glaube, dass sein Leben neben seinem Leben als Mörder am Ende war.

Ich sehe den Ripper nicht als souveränen Kerl von Welt an. Er dürfte verschlossen gewesen sein, introvertiert. Hatte er Familie, so war er recht ruhig, schüchtern, zurückhaltend. Stets des brodelnden Vulkans in sich bewusst. Stille Wasser sind tief, sagt man. Und dieser Mensch hat in der Nacht des Mordes an Kelly sein Innerstes nach Außen gekehrt. Er lässt uns auch heute noch teilhaben an seinem inneren Kampf, an seinem Hass, seiner Verzweiflung, seiner Wut, seiner unbändigen Kraft und dem Schrei seiner Seele nach der Ruhe, die er niemals fand, weil tief in seinem Innern das andere Ich lauerte. Ich sehe durch den Mord an Kelly die Tat eines zerrissenen Menschen, eines Menschen, dessen Tat das letzte Aufbäumen einer schon lange verkorksten Existenz darstellt. Konnte er zu Beginn der Mordserie noch einigermaßen klar und abgeklärt damit umgehen und seine Macht über Leben und Tod voll auskosten, fiel er immens schnell in ein tiefes Loch: Die weltweite Aufmerksamkeit, das mühselige Aufrechterhalten seines Doppellebens, die innneren Kämpfe mit sich selbst - all dies, zusammen mit diesem noch nicht identifizierten Ereignis, welches seinen Ausdruck im Zerbrechen seiner Professionalität und damit seiner Existenz als Serientäter und somit Herr über Leben und Tod bedeutete, könnte ihn tatsächlich zu diesem letzten Schritt bewegt haben. Er war Mörder aus Leidenschaft. Er war einmal gut. Doch er frass wohl zuviel in sich rein und hielt dem Druck am Ende nicht mehr stand.

Ich habe den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht. Aber das muss ich auch nicht - das kann man ja auch gemeinsam tun.  ;)

Grüße, Isdrasil
« Letzte Änderung: 21.03.2012 21:26 Uhr von Isdrasil »

Damien

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Re: Könnte es nicht doch Selbstmord gewesen sein?
« Antwort #1 am: 22.03.2012 13:53 Uhr »
Hallo Isdrasil,

nach laaaanger Zeit schaffe ich es auch mal wieder hier in das Forum. Auch wenn ich unregelmäßig die Posts verfolge, Es ist immer wieder spannend :)

Ja, zu deiner Theorie muss ich sagen, dass ich dir da sehr beipflichte. Für mich war es auch immer schwer zu verstehen, warum die Morde plötzlich aufhörten.
Ich meine ein Serienkiller macht in der Regel solange weiter, bis er irgendwann aus was für Gründen geschnappt wird, oder wie deine Theorie ist, dass er
sich selber umbringt.

Ich kann mir im Fall JTR auch nur folgende Dinge vorstellen:

1. Er wurde geschnappt und es wurde geheim gehalten - Dabei kann ich mir aber auch nur die Anti-Semitischen Hintergründe oder eine bekannte Persönlichkeit vorstellen, warum das dann nicht bekannt gebeben wurde.

2. Er ist wirklich wegen einem anderen Delikt festgenommen- oder aus dem Verkehr gezogen worden. Obwohl ich das nicht glaube, da seine Taten bestimmt irgendendwann heraus gekommen wären.

3. Er starb. Entweder durch natürliche Umstände oder eine Krankheit, Mord oder eben deinem argumentierten Selbstmord.

Ich glaube jedenfalls auf gar keinen Fall die Geschichte, dass er nach Amerika geflohen ist und dort ebenfalls weiter gemordet hat. Ich habe mich schon immer gefragt, wie man eine Verbindung zu der Tat gegen Carrie Brown in New York herstellen konnte. Wenn ich davon ausgehe, das Mary Kelly wirklich vom Ripper ermordet wurde, frage ich mich, wieso die Leiche von Carrie Brown so "harmlos" im Vergleich zu Mary Kelly ausgesehen hat. Eigentlich müsste er doch versuchen sein letztes Werk noch zu "überbieten". So zumindest ist oftmals der Werdegang bei Serienmördern. Jetzt könnte man argumentieren, das Scotland Yard auch in Übersee ermittelt hat, jedoch denke ich dazu, dass diese Untersuchung dem damaligen Stand der Zeit entsprach. Es gab ja noch kein richtiges Profiling.

Wie es auch immer war. Irgendetwas ist nach dem Mord an Mary Kelly mit ihm passiert.

LG Alex

Offline Isdrasil

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Re: Könnte es nicht doch Selbstmord gewesen sein?
« Antwort #2 am: 22.03.2012 18:07 Uhr »
Hallo Damien

Ich kann deinen Gedanken zum Weitermorden auf Übersee nur zustimmen, auch wenn ich im Bezug auf die Aussage "er müsste ja sein Werk nach Kelly ebenso weiterführen wollen" die Sache ein wenig anders sehe. Liegt eben daran, dass ich nicht glaube, der Täter habe den Mord an Kelly als "perfekt" für sich oder als höchst befriedigend empfunden. Ich denke, es ist von uns nur menschlich, bei größerer Brutalität auch größeren "Spass" für den Täter zu vermuten - glaube aber, dass diese Formel nicht so ganz aufgeht.
Aber da lässt sich gerne drüber diskutieren.
 ;)

Was ich noch im Bezug auf meine Gedanken loswerden wollte, weil es durchaus falsch rüber gekommen sein kann:
Ich vermute, dass der mögliche Selbstmord nicht mit der Existenz des Täters als Serienmörder zusammenhängt. Wir müssen den Menschen da getrennt betrachten: Er verbrachte in ein paar Monaten nur wenige Minuten effektiv mit Morden, möglicherweise noch ein paar Nächte sinnlosen Umherstreifens oder vergeblichen Suchens nach Opfern (wobei ich mir das ehrlich gesagt im East End schlecht vorstellen kann). Da bleibt noch genug Zeit nebenbei, um ein Mensch mit Alltag zu sein, mit alltäglichen Problemen. Und ich kann mir vorstellen, dass diese alltägliche und bürgerliche Seite des Rippers mit der Zeit von Problemen überladen war, deren Natur noch nicht einmal mit den Morden zusammen hängen muss. Natürlich wuchs auch die psychische Belastung, ein Doppelleben aufrecht zu erhalten. Natürlich wuchs der Druck, doch entdeckt zu werden, einen Fehler zu begehen. Aber ich meine, an den Punkten Double-Event, Pause im Oktober, und Mord an Kelly eine gewisse Steigerung der Aggression und Unsicherheit festzustellen, die durchaus mit dem Leben abseits der Morde zusammenhängen kann.

Und wie Du schon sagtest und mehrere Möglichkeiten aufzähltest: Irgendwas ist nach dem Mord an Kelly passiert. Und irgendwas muss auch während der Mordserie passiert sein.

Grüße, Isdrasil

Offline Anirahtak

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Re: Könnte es nicht doch Selbstmord gewesen sein?
« Antwort #3 am: 22.03.2012 22:15 Uhr »
Hallo,

sehr interessante Überlegungen sind das, Isdrasil. Vieles davon hatte ich mir auch schon so (ähnlich) gedacht oder kann es nachvollziehen.

Zitat
Zivilisten jedoch sind unberechenbar, können jeden Moment am Tatort erscheinen, können brüllen, rufen, rennen, können in Gruppen erscheinen, können selbst bewaffnet sein. All dies war im egal. Er tötete auf „offener Strasse“. Weil er wusste, dass er seine Sache ohne Umschweife und Experimente durchziehen würde. In der Nacht des Double-Events jedoch liess er sich anscheinend erstmals aus der Ruhe bringen, bei einem Mord stören. Ein Zeichen von Unsicherheit? Und danach der Mord an Eddowes: Erstmals diese Verletzungen an den Augen. Was hat das zu bedeuten?
Sehe ich im Großen und Ganzen auch so, bis auf den egal-Teil. Wäre es ihm wirklich egal gewesen, hätte man ihn erwischt. Meine Vermutung ist, dass er sich zwar darauf verließ, von den Opfern an relativ "sichere" Orte gebracht zu werden, aber trotzdem die ganze Zeit noch auf der Hut war. Also dass er während der Tat die Außenwelt nicht völlig ausblendete, sondern parallel noch auf sie achtete, vor allem durch Lauschen auf herannahende Geräusche und sofort aufhörte und floh, sobald er etwas bemerkte. Das erscheint mir eher vorsichtig als gleichgültig (natürlich unter Berücksichtigung, dass es keineswegs vorsichtig im objektiven Sinn ist, auf offener Straße Morde zu begehen, aber innherhalb seines individuellen Rahmens "vorsichtig").

Bei der Nacht des Doppelevents vermute ich zuviel Übermut an diesem speziellen Abend, eher das Gegenteil von Unsicherheit und Stress. Nach den zwei + X Opfern fühlte er sich zu "übermächtig" -oder etwas in der Art, jedenfalls ein aufgeblähtes Ego, welches den Sinn für Gefahreinschätzung vernebelte- und er wurde leichtsinniger, achtete nicht mehr richtig darauf, ob der Tatort geeignet war. Vielleicht ahnte er das schon ansatzweise während der Begegnung mit Schwartz (falls er das war) oder als er Diemschütz' Wagen nahen hörte. Richtig bewusst wurde es ihm erst später, worauf ich noch zurückkomme. Jedenfalls gehe ich davon aus, dass er bei keiner vorherigen Tat schon so früh gestört wurde und dass dies nicht nur, aber auch mit dem größeren Leichtsinn an diesem Abend zusammenhängen könnte. Diesen Leichtsinn sehe ich (in vielleicht abgeschächterer Form) fortgesetzt, als er gleich im Anschluss Eddowes ermordete, nachdem er auch mit ihr von Zeugen gesehen wurde (allerdings geht nirgends hervor, ob er auch die Zeugen bemerkt hatte) und evtl. noch die GSG-Nummer obendrauf setzte.

Zitat
Er verliess seine Wut und seinen Hass auf Frauen, über dessen Ursprung gerne diskutiert werden darf, ...
Tja, da böte sich die Mutter oder eine Mutterfigur an oder es fehlte völlig daran. Mir ist bei so ziemlich allen bekannten Serienmörder-Lebensläufen aufgefallen, dass sie mindestens aus instabilen Familienverhältnissen stammten oder oft auch selbst misshandelt wurden. Was mich einerseits überhaupt nicht überrascht, anderseits aber doch insofern, als dass dies sehr vielen Menschen so geschieht, die dann trotzdem nicht zu Serienmördern werden. Es müssen also mehrere Faktoren sein, ein schlechtes Aufwachsen gehört auf jeden Fall dazu.

Weiter wäre auch denkbar, dass sich seine Einstellung aus einer oder mehreren schief gegangenen Beziehungen im Erwachsenenalter speiste. Aber das erscheint mir persönlich eher abewgig als die Mutter-/Familien-Variante, weil solche grundlegenden Störungen doch eher in der Prägungsphase gelegt werden, in der sich der Charakter bildet und nicht erst beim ausgereiften Erwachsenen. Sicher könnten auf die grundlegende verkorkste Beziehung zur Mutter(figur) und dem entsprechenden Frauenbild weitere schlechte Beziehungen zu Frauen im allgemeinen gefolgt sein und eine davon war dann nicht der Grund, aber der Auslöser. Oder Mit-Auslöser zuzüglich zu Schwierigkeiten noch weiterer Art.

Überlegenswert finde ich noch, dass der Hass auf Frauen das eine ist, der komplette Mangel an Empathie und diese allerhöchste Form der Rücksichtlosigkeit das weitere.

Zitat
Zwischen der Nacht des Double-Events und dem Mord an Kelly muss etwas passiert sein. Etwas persönliches, was die Wut des Täters auf das Menschsein erklärt. Etwas, was bereits in der Nacht des Double-Events präsent war, den Täter jedoch erst nur leicht verunsicherte. In dieser Nacht findet man erste Zeichen von Schwäche, erste Zeichen von dem Abweichen auf andere Aspekte der Tatbegehung. Dann die Pause. Anscheinend schien er verhindert zu sein, kam nicht zum Morden. Woran kann das gelegen haben?
Das habe ich mir aufbauend auf oben angenommener Leichtsinnigkeit am Abend des Doppelevents so erklärt, dass ihm genau dies hinterher bewusst wurde: Er hatte sich sträflich unvorsichtig verhalten, selbst für seine Verhältnisse. Ihm dämmerte, dass gerade die angestrebten Allmachtsgefühle ihn zu einem gefährlichen Leichtsinn verleiteten. Für ihn ein schlimmes Dilemma. Das könnte zuerst Unsicherheit und damit einhergehende Tatenlosigkeit ausgelöst haben. Als er sich sich von dieser Erkenntnis wieder etwas erholt hatte und er wieder seinem "Bedürfnis" nachgehen wollte/musste, ließ er von nun an mehr Vorsicht walten als je zuvor und suchte gezielt nach einem vermeintlich sichereren Tatort und fand Kelly mit Zimmer (was zusätzlich einige Zeit in Anspruch genommen haben könnte).

Soweit mein alternativer Erklärungsansatz, der natürlich keine Erklärung dafür liefert, weshalb er danach aufhörte.

Zitat
Und genau hier setzt mein Gedanke an, den ich nach diesem langen Post überraschend kurz fassen werde: Ich glaube, dass dem Täter sein Leben im Allgemeinen aus den Händen glitt. Dass es aus den Fugen geriet. Dass es im Oktober ein einschneidendes Erlebnis gab, welches sich bereits im September abzeichnete. Ich glaube, dass es dem Täter immer unmöglicher wurde, seine Gewohnheit „East End – Prostituierte – Morden“ auszuüben, dass ihm dies einen unglaublichen Stress verursachte. Und ich kann mir inzwischen vorstellen, dass der Täter innerhalb dieser Gedankenwelt und innerhalb seines ruinierten Lebens am Ende war, am Boden zerstört, und schließlich freiwillig aus dem Leben schied. Nicht aus Reue. Nicht aus Angst entdeckt zu werden. Er war am Ende. Außerhalb seines Mörderdaseins. Außerhalb „Jack the Rippers“. Damit meine ich keine Krankheit, sondern eine Affektentscheidung irgendwann nach dem Mord an Kelly. Ich glaube, dass sein Leben neben seinem Leben als Mörder am Ende war.
Das erscheint mir sehr, sehr denkbar.

Da man ja nichts von ihm weiß, wird dieser Aspekt leicht außer Acht gelassen, dass seine Handlungen nicht nur durch seine Störung und dem Mörderdasein beeinflusst wurden, sondern auch durch sein Alltagsleben, zwangsläufig. Allein schon das Aufrechterhalten seines Doppellebens, das du erwähnst, stelle ich mir hochgradig anstrengend vor. Und natürlich könnte er außerdem zahllos unterschiedliche alltägliche Probleme gehabt haben. Ganz gleich, ob er aus dem East End stammte oder aus anderen Gefilden.

Bei der weltweiten Aufmerksamkeit habe ich kaum eine Vermutung, ob er sie genoss, ob sie ihm missfiel oder ob sie ihn überhaupt nicht kümmerte. Ich tendiere aber auch dazu, ihn mir eher als verschlossenen Typen vorzustellen, passend zur Unauffälligkeit.

Im Prinzip könnte ich an verschiedenen Stellen noch weiterschweifen, aber ich mach hier erstmal halt. :)

Schönen Gruß


Offline Isdrasil

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Re: Könnte es nicht doch Selbstmord gewesen sein?
« Antwort #4 am: 23.03.2012 16:02 Uhr »
Hi Ani!

Schöne ausführliche Antwort – ich gehe mal auf ein paar deiner Gedanken ein, obwohl wir hier wirklich außerordentlich tiefe und weitreichende Themen ansprechen. Ich vergess also bestimmt so einiges, was mir zu deinen Ausführungen eingefallen ist…

Tja, da böte sich die Mutter oder eine Mutterfigur an oder es fehlte völlig daran. Mir ist bei so ziemlich allen bekannten Serienmörder-Lebensläufen aufgefallen, dass sie mindestens aus instabilen Familienverhältnissen stammten oder oft auch selbst misshandelt wurden. Was mich einerseits überhaupt nicht überrascht, anderseits aber doch insofern, als dass dies sehr vielen Menschen so geschieht, die dann trotzdem nicht zu Serienmördern werden. Es müssen also mehrere Faktoren sein, ein schlechtes Aufwachsen gehört auf jeden Fall dazu.

Ja, so sehe ich das auch. Ich denke, es gehören neben den sozialen Faktoren auch noch eine Menge anderer Umstände dazu, die einen Menschen zum Morden bewegen. Dazu sind wir zum Glück alle Individuen. Interessant und auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass erwiesenermaßen bei 90% der sexuell motivierten Serienmördern (wir reden hier von Sadisten, Soziopathen und pathologisch gestörten Tätern) eine Stirnlappenanomalie vorhanden ist, die eine kriminelle Karriere zu begünstigen scheint. Ich denke hier oft an den Fall des Phineas Gage, ein Musterbeispiel für körperlich bedingte Verhaltensänderung:
http://de.wikipedia.org/wiki/Phineas_Gage
Jedenfalls benötigt es einen bunten Mix aus Faktoren, um aus einem Menschen einen Serienmörder zu machen. Eine miese Kindheit ist wohl einer davon. Da stimme ich Dir 100% zu.

Überlegenswert finde ich noch, dass der Hass auf Frauen das eine ist, der komplette Mangel an Empathie und diese allerhöchste Form der Rücksichtlosigkeit das weitere.

Das finde ich auch wirklich sehr interessant. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist auch die Tatsache, dass manche Serientäter (wie zum Beispiel Frank Gust) eine völlig normale Beziehung führten und innerhalb dieser Beziehung sogar so etwas wie Liebe und Zuneigung empfinden konnten, während sie ihren Opfern gegenüber als kalte und herzlose Killer erschienen. Es scheint tatsächlich die berühmte doppelte Persönlichkeit zu geben, den janusköpfigen Menschen, jedoch nicht unbedingt aus einer Geisteskrankheit heraus, sondern durch verschiedene andere Mechanismen heraus bedingt. Frank Gust drückte es so aus: „Ich spaltete mein Denken in zwei Gruppen: Eine böse Seite, von der niemand etwas wissen durfte, und die gute, die jeder sehen durfte. Dieser tobende Konflikt glich immer mehr einem Krieg, den ich gegen mich selber führte“. Gust war ein normaler Mensch, schüchtern und zurückhaltend, jedoch sozial normal integriert. Weder Kollegen noch seine Frau ahnten etwas. Seine Morde zeigten eine immense Gefühlskälte, in seiner Kindheit gab es einige Probleme und das Verhältnis zu seiner Mutter war ebenso unterkühlt und schwierig. Ihm gelang es also, bei völliger Zurechnungsfähigkeit dieses Doppelleben zu spielen, und von der anderen Seite her gedacht muss man wohl, um ein Doppelleben aufrecht zu erhalten, auch bei einigermaßen klarem Verstand sein. Ich kann mir aus diesem Grund und im Hinblick auf dieses Beispiel vorstellen, dass ein Täter, der einen gewissen Hass auf Frauen oder eine bestimmte Frauengruppe empfindet, dennoch eine Frau lieben kann und dennoch von einem Moment zum anderen die Empathie ausschalten und auf Killermodus gehen kann. Das mag sich im ersten Moment komisch anhören, aber es ist durchaus vorstellbar. Es wäre menschlich, und es wäre ebenso menschlich zu sagen: Meine Frau ist anders als die anderen Frauen. Möglich ist alles.

Werden wirklich richtig lange Posts hier, deswegen höre ich hier jetzt auch mal auf…zu deinen anderen Ausführungen bezüglich Double Event und so weiter kann ich aber auch nur sagen: Ja, so kann es natürlich auch sein
 ;)

Grüße, Isdrasil

Stordfield

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Re: Könnte es nicht doch Selbstmord gewesen sein?
« Antwort #5 am: 23.03.2012 18:21 Uhr »
Hallo!

Ich denke, der Ripper steckte sein ganzes Leben schon voller Wut. Hineingeboren in den Dreck und die gewalttätige Atmosphäre des East End drückte die Hoffnungslosigkeit auf sein Gemüt. Er hatte nichts und war ein Niemand. So wie heute einige Halbstarke aus purer Zerstörungslust, Frust und Langeweile öffentliche Einrichtungen demolieren und sogar Menschen tödlich verletzen, machte er sich mit seinen Morden ein wenig Luft. Anfangs klappte dies vielleicht auch noch, aber ich glaube, dass er dabei keine  wirkliche Befriedigung empfand. Die Situation entglitt ihm immer weiter und bei Kelly schließlich hatte er selbst über sich keinerlei Kontrolle mehr. In dieser Phase könnte es durchaus möglich sein, dass er beschloss, mit allem Schluss zu machen. Nichts ergab für ihn einen Sinn mehr.

Gruß Stordfield

Offline Isdrasil

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Re: Könnte es nicht doch Selbstmord gewesen sein?
« Antwort #6 am: 24.03.2012 12:19 Uhr »
Hallo Stordfield,

Glaubst Du, dass der Ripper nur aufgrund seiner Existenz als Mörder den Selbstmord beschlossen haben könnte (also mit sich selbst nicht mehr zurecht kam) oder denkst Du, dass noch andere Aspekte hinzukommen könnten?

Das ist das, was ich mich immer frage - ich meine, Jack the Ripper hin oder her, aber dieser Mensch kann ja auch noch ganz weltliche Probleme gehabt haben: Mangel an Geld, Arbeitslosigkeit, eine schlimme körperliche Krankheit außerhalb dessen, was ihm als Motiv angerechnet werden könnte, der Tod eines nahestehenden Menschen...
Was kannst Du, bzw. was könnt ihr euch da vorstellen? Und denkt ihr, dass dies mit dem mordlosen Oktober zusammen hängen könnte?

Grüße, Isdrasil

Offline Anirahtak

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Re: Könnte es nicht doch Selbstmord gewesen sein?
« Antwort #7 am: 24.03.2012 13:51 Uhr »
Er entstammte der High Society und wie es halt so ist - man bekommt einfach kein gutes Personal mehr. Mit diesem Stress und dieser Belastung konnte er nicht mehr leben. :biggrin:

Problemvarianten gibt es viele, die man tatsächlich noch nach seiner Herkunft aufteilen könnte. Falls er irgendwelche tieferen Empfindungen zu bestimmten anderen Menschen hatte und jemand davon starb (Mutti?), wäre das natürlich ein schichtenübergreifender möglicher Anlass für Selbtmord. Ebenso eine eigene Erkrankung. Wenn er selbst Slumbewohner war, fällt mir die weitere Problemerörterung schon relativ schwer, weil das Lösen existentieller Schwierigkeiten dort doch eher alltäglich war.

Gerade fällt mir noch ein: In meiner Vorstellung lasse ich ihn ja alleine leben, so als etwas Bessergestellten innerhalb der ärmeren Bevölkerung. Ihm könnte Arbeitsverlust und Abstieg nach ganz unten gedroht haben.

Wenn er ein Problem hatte -ob zwischenmenschlicher, gesundheitlicher oder finanzieller Natur- das zum Suizid führte, könnte diesem natürlich eine depressive Phase vorausgegangen sein, sehr wahrscheinlich sogar, und Depressionen gehen mit Erstarrung, also Tatenlosigkeit einher (mordloser Oktober).
« Letzte Änderung: 24.03.2012 14:09 Uhr von Anirahtak »

Offline Isdrasil

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Re: Könnte es nicht doch Selbstmord gewesen sein?
« Antwort #8 am: 27.03.2012 12:17 Uhr »
Er entstammte der High Society und wie es halt so ist - man bekommt einfach kein gutes Personal mehr. Mit diesem Stress und dieser Belastung konnte er nicht mehr leben. :biggrin:

 :biggrin:
Ist aber auch ein Kreuz...entweder das Personal ist überqualifiziert und sich zu schade zum Anpacken, oder eben hoffnungslos unterqualifizert...  :pardon:

Ne, also deine Anmerkung mit der depressiven Phase ist genau richtig. Wenn man vermutet, dass der Ripper aus dem East End kam, muss man sich diesen Monat Pause zwangsläufig erklären, und wenn man zudem noch Kelly zu den Opfern zählt, muss man sich die Tat auch irgendwie erklären können. Die Annahme einer depressiven, gedrückten, und somit unmotivierten, antriebslosen Phase passt da sehr gut in`s Bild. Schwierig wird es dann aber, wie Du schon meintest, plausible Gründe für diese Phase zu finden. Immerhin müsste ein Slumbewohner so einiges gewohnt sein - was natürlich nicht außer Acht lassen soll, dass jeder anders reagiert und gewiss nicht alle Menschen in Slums harte Säue sind, die jedes Problem locker wegstecken. Aber man darf zumindest mal vermuten, dass solche Menschen Probleme anders und eventuell etwas "gelassener" angehen als meinetwegen reiche verwöhnte Schnösel aus der Stadt. Was bleibt, ist die Möglichkeit persönlicher, schichtenübergreifender Probleme, ein Todesfall zum Beispiel. Oder das der Täter doch besser gestellt war. Hast Du ja schon alles gesagt. Merke gerade, dass ich Dich wiederhole...
 ;)

Ich persönlich hänge an meinem Täter, der außerhalb des East Ends wohnte. Dies passt meiner Meinung nach auch hier sehr gut in das Bild: Es kann die Tatabstände erklären, die Bewegungen in der Nacht des Double-Events, die vergebliche Suche nach dem Täter sowie in diesem Fall die Pause im Oktober…es scheint mir so, als sei der Täter in diesem Monat nicht in`s East End gekommen, und als läge dies mit an den Problemen, die ich vermute.

Grüße, Isdrasil

Offline Anirahtak

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Re: Könnte es nicht doch Selbstmord gewesen sein?
« Antwort #9 am: 11.04.2012 00:25 Uhr »
Hallo,

Immerhin müsste ein Slumbewohner so einiges gewohnt sein - was natürlich nicht außer Acht lassen soll, dass jeder anders reagiert und gewiss nicht alle Menschen in Slums harte Säue sind, die jedes Problem locker wegstecken.
Nein, das natürlich nicht...

Zitat
Aber man darf zumindest mal vermuten, dass solche Menschen Probleme anders und eventuell etwas "gelassener" angehen als meinetwegen reiche verwöhnte Schnösel aus der Stadt.
...so schon eher.

Ich gehe anhand der Pyramide von Maslow (---> http://www.pflegewiki.de/images/2/2f/Pyramide.jpg) davon aus, dass der Mensch erst ab den höheren Stufen zum Suizid neigt. Weiter unten, wo es noch ums unmittelbare Überleben geht, entwickelt er ungeahnte Kräfte, um es abzusichern, auch wenn die äußeren Umstände unglaublich übel sind. Von den Opfern stammte ja auch keines aus dieser Gegend und einige hatten wohl schon deutlich bessere Zeiten gehabt. Trotzdem kämpften sie sich durch.

Was aber wie gesagt nicht heißen soll, ein EE-Bewohner hätte nicht kapitulieren können. Nur in der Tendenz.

Zitat
Was bleibt, ist die Möglichkeit persönlicher, schichtenübergreifender Probleme, ein Todesfall zum Beispiel. Oder das der Täter doch besser gestellt war. Hast Du ja schon alles gesagt. Merke gerade, dass ich Dich wiederhole...
 ;)
Macht nix, ich habe auch etwas wirr und brainstormartig geschrieben.

Wäre nun interessant zu wissen, was damals die häufigsten Gründe für Selbstmord waren. Das könnte ja auch nochmal von den heutigen abweichen, oder zumindest, was weitere Gründe betrifft. Ich denke da bspw. an das Stichwort "Viktorianische Prüderie". Also nicht, dass er sich unmittelbar aus Prüderiegründen suizidiert hätte, aber dass es innerhalb völlig anderer Moralvorstellungen als heute auch andere/weitere Anlässe zum Selbstmord gegeben haben könne, als jene, die uns heute einfallen. Falls ich noch was dazu herausfinden kann, sage ich an dieser Stelle Bescheid.

Schönen Gruß