Mir ist die Schwartz-Aussage ein einziges Rätsel
Na passt doch gut in´s Bild. Ist dir oder euch schon mal aufgefallen, dass in diesem Falle ganz viel auf Indizien beruht und viel zu wenig auf Tatsachen? Sicherlich ist es das!
Indizien bedeutet aber auch, dass sich ganz viel unter dem Teppich bewegt. Dinge geschehen oder vorhanden sind, die wir aber nicht eindeutig benennen können. Und das ist logisch. Ich bin überzeugt, wenn wir das, was wir als festes Grundwissen annehmen, die vorhandenen Unterlagen mit den vollständigen Akten und dem gänzlichen Wissen vergleichen würden, ein doch sehr verzerrtes Bild der Realität entstehen würde im Vergleich mit dem, was wir dafür halten. Einzig Theorien oder Annahmen, die indizieren können was tatsächlich geschah, entwirren das Bild etwas. Gut so.
Egal was wirklich geschah, Beamte wie Swanson oder Anderson (beide MET, "Kosminski"), unter Zurechnung von Leuten wie Sagar oder Cox (beide City Police, Cohen und/oder Hyams ), hielten über die Identität ihres oder ihrer "Verdächtigen", mehr denn weniger ihren Mund verschlossen. Ich würde daraus schließen, dass selbst zu jener Zeit der Morde, die Polizei mehr wußte als die Öffentlichkeit erfuhr. Es ist die Art von Polizeiarbeit, die wir auch heute noch kennen. Normal würde ich sagen auch wenn die Polizei damals, trotz aller internen Probleme, erst recht später das Problem erkannte. Aber sie kriegten die Kurve...
Die ganze Sache m u s s sich aber noch weiter im "Mund verschlossen halten" gewandelt haben, denn meines Erachtens wußten nur wenige (wahrscheinlich nur MET Beamte) von der Identifikation im Seaside Home. Monro´s "heiße Kartoffeln" unterstreichen diese These.
Was könnte selbst einen Mann wie Anderson dazu gebracht haben, sich auf die Zunge zu beißen und die Lippen zusammenzupressen? Und warum wurde wahrscheinlich ein Mann wie Abberline, nicht vollständig mit eingeweiht?
Auf der einen Seite:
Der geheime Ort (Seaside Home)
Der Zeuge (Jüdisch)
Der Verdächtige (nicht gleich als jüdisch auszumachen und bestimmt aus der ärmsten Schicht)
Auf der anderen Seite hätten sich Swanson oder Anderson, vielleicht auch Sagar über eine mögliche Verurteilung gefreut. Es war zumindest ein kurzzeitige, höhere Stufe der Geheimhaltung vonnöten, die letztendlich aber anhielt.Warum?
Meines Empfinden nach, entschied sich das im Seaside Home, als für den Zeugen sichtbar wurde, welcher Religion der Verdächtige angehörte. Der Verdächtige war bestimmt nicht mehr so einfach als Jude auszumachen gewesen. Er war es früher sicherlich einmal aber nun dürfte nur noch sein familärer Anhang das Indiz dafür gewesen sein. Eigentlich fiel er nur noch als fremd auf, als Pole wahrscheinlich, denke ich.
Ich glaube, es war mehr mit dem Zeugen "zu handeln" gewesen als mit dem Verdächtigen. Die MET muss eine Chance gesehen haben, den Verdächtigen aus dem Haus seines Bruders zu nehmen, egal ob das Seaside Home eine Anstalt war oder eine polizeiliche Einrichtung. Die Beschreibungen über den Verdächtigen, von Seiten des Zeugen im Vorfeld, dürfte die Polizei zu der Gewissheit gebracht haben, dass dieser Mann nur "Kosminski" sein kann. Bestimmte Beamte wußten garantiert über die Schärfe dieses Konfliktes bescheid. Warum bekam der Zeuge erst irgendwann mit, dass der Verdächtige Jude war? Weil der auf den ersten Blick nicht so aus sah, vermute ich. Kann mir auch gut vorstellen, dass die Idee vorhanden war, den Verdächtigen "ohne familären Anhang" darzustellen, für eine spätere Verhandlung versteht sich. Vielleicht ein Trick, den Verdächtigen überhaupt aus der Obhut seines Bruders zu bekommen, mit dem Hinweis, den Bruder und weitere Mitglieder der Familie aus der Sache herauszulassen. Die Gewissheit bei Anderson und Swanson war da und sie hielten diese Erkenntnis zunächst klein, aufgrund der Schwierigkeiten, die ich eben beschrieb aber am Ende scheiterte die Sache doch. Keine Chance eine Kehrtwendung beim Zeugen zu erreichen. Der war sich bewußt, auch vor Gericht damit bestehen zu können. Dieser Zeuge hätte jeden identifiziert, nur keinen Glaubensbruder. Man muss gar damit rechnen, dass die Beamten den Zeugen linken wollten. Der Zeuge, letztendlich in allen, muss sehr stark gewesen sein und gut vertraut mit den englischen Sitten und auch mit dem englischen Rechtssystem. Jemand, der erst sagt, ich habe ihn identifiziert, dann mitbekommt um wen es sich handelt und dann einen Rückzieher macht, der muss mutig gewesen sein, vorallem darin, sich dann auch nicht mehr beeinflussen zu lassen. Der Zeuge im Seaside Home, hätte der Polizei unter solchen Umständen, wenn denn so gewesen, nie wieder geholfen. Aber dies tat Lawende. In meinem Szenario, kann Lawende niemals der Zeuge aus dem Seaside Home gewesen sein.
Dennoch war da eben eine Reihe von Zeugen (oder sogar Verdächtige):
Mrs. Long (sah nur ´nen Penner)
PC Smith (fühlte sich nicht ernstgenommen)
Schwartz (wurden seine beiden Männer gefunden?)
"Pipeman" (wurde er gefunden?)
Lawende (hätte ihn wohl nicht wiedererkannt)
J.H. Levy (verhielt sich merkwürdig)
Harris (sah nichts)
PC Mitre Square (erkannte jemanden grob äußerlich wieder)
Hutchinson (der beste Zeuge)
Sarah Lewis bestätigt ja irgendwie Hutchinson seine Geschichte. Hutchinson irrte sich mit Sicherheit nicht und seine Aussage wird ja bekräftigt, indem uns Sarah Lewis erzählt, dass Sie ihn zu der Zeit sah. Demzufolge kann man Hutchinson seiner Beschreibung glauben. Man kann ihm glauben, dass er diesen Mann auch noch einmal wiedersah. "Kosminski" war ein armer polnischer Jude aber dass passt nicht zu Hutchinson seiner Beschreibung. Da wir aber wissen, dass "Kosminski" von einem anderen Juden identifiziert wurde, würde Hutchinson sein Mann als Zeuge schon in Frage kommen. "Niemand hat jemals den Ripper gesehen" (oder wiedererkannt) würde die obige Liste der "bekannten" Personen löschen. Aber nicht jemanden, der garnicht bekannt geworden ist. Und diese Variante passt eher zur Seaside Home Geschichte.
Grüße.