Literatur - Film - Fernsehen > Filme, Dokumentationen etc.

Jack the Ripper– Auf den Spuren eines Phantoms

<< < (3/3)

Arthur Dent 2:
Hi Lestrade!



--- Zitat ---Lücken für einen unbekannten "Kosminski" (vielleicht über die Lubnowskis) sollten in dieser Familie sogar möglich sein. Klar, wirkt das etwas spinnert aber bestimmte Zufälle will ich einfach nicht ausschließen.
--- Ende Zitat ---

Also für mich wirkt das gar nicht "spinnert" - mir ist ebenso wie dir bewusst, dass wir nur mit den Verdächtigen arbeiten können, die uns aktuell bekannt sind. Es kann auch m.E. sehr gut sein, dass wir einige "bessere" Verdächtige noch gar nicht auf dem Schirm haben und scheinbare Widersprüche "unsere" Verdächtigen betreffend auch dadurch und nicht nur aufgrund der durchwachsenen Quellenlage mit ungenauen oder gar fehlerhaften Informationen zustande gekommen sind.

Ich habe ja selber schon vor einiger Zeit hier im Forum geschrieben, dass ich Jacob Levy persönlich lediglich deshalb für den am besten passenden Verdächtigen halte, weil ich JTR aus diversen Gründen für einen psychisch krank gewordenen jüdischen Metzger aus dem East End halte - und Jacob unter allen Metzgern aus der Gegend, die ich bisher kenne, am besten auf diesen Prototypen passt. Sollte mir irgendwann ein anderer psychisch krank gewordener jüdischer Metzger aus der Gegend begegnen, auf den die uns bekannten Infos besser passen, würde auch ich ihn sofort als Verdächtigen fallen lassen. Sollte sich gar irgendwann vielleicht herausstellen, dass ich mit der Metzger-These völlig falsch liege, hätte ich auch keine Probleme damit, wenn mir ein besserer Verdächtiger präsentiert wird - ebenso wie du bereit bist, zwischen den von der Polizei als "Kosminski" bezeichneten Hauptverdächtigen und Aaron Kozminski zu differenzieren und weitere Indizien zu suchen, die deren Identität zu bestätigen oder widerlegen helfen.

Es ist ja tatsächlich gut möglich, dass wir uns hier an den Falschen abarbeiten, nur weil uns allen der echte JTR in der ganzen Forschung noch nie über den Weg gelaufen ist, oder wir zwar mal von ihm gehört haben, aber wegen schlechter Quellenlage einfach nicht genug über ihn wissen, um bemerken zu können, dass das eigentlich ein besserer Verdächtiger ist.
Man denke nur z.B. mal an Charles Lechmere/Cross: Ich glaube zwar nicht, dass er JTR war, aber bevor Holmgren ihn sich mal genauer unter die Lupe genommen hatte, war er nur einer von zahlreichen unauffällig wirkenden Zeugen. Heute wissen wir z.B., dass er auf seinen Wegen durchs East End verdammt nah an den Tatorten vorbei kam und auch noch Fleischauslieferer war - und er ist als erster am Nichols-Tatort inzwischen ein ernsthafterer Verdächtiger als die meisten der "Klassiker".


--- Zitat ---Immer wenn ich Swanson Aussagen lese, denke ich jedesmal, dass er erwartet hatte, dass der Verdächtige "Kosminski" dem Tode geweiht war. Zurück zu den Presseberichten aus 1889 und später wo von Syphilis und Alkoholismus die Rede war (auch hier muss man wieder an Jacob Levy denken). Bei Aaron Kozminski ist dort nichts von zu finden aber vielleicht war das bei "Kosminski" der Fall.
--- Ende Zitat ---

Deine gesunde Skepsis in allen Ehren, aber wenn ich daran denke, wie herunterkommen er in der letzten Phase seine Freiheit gewesen sein soll: Da kann so ein Polizist, der ja kein Arzt ist, schon mal den Eindruck bekommen, dass der Mann es vermutlich nicht mehr lange machen würde. So ein rascher gesundheitlicher Verfall bis zum frühen Tod war ja kein Einzelfall in dem Elend im East End.

Allerdings gebe ich dir Recht, dass der Fall JTR so spektakulär auch für die Profis von der Polizei war, dass simple Verwechslungen wohl eher unwahrscheinlich gewesen wären. Man verwechselt vielleicht ein paar Taschendiebe, mit denen man mal vor längerer Zeit zu tun hatte, aber sicher nicht so einfach die Hauptverdächtigen in der übelsten Mordserie des ganzen Berufslebens. Das könnte man nur damit erklären, dass selbst diese leitenden Polizeibeamten nach dem Ende der Ermittlungen praktisch nur noch Infos vom Hörensagen über das weitere Schicksal ihrer Hauptverdächtigen bekamen und dass diese Polizisten auch unterschiedliche Hauptverdächtige hatten. Allerdings wussten die Beamten das ja auch untereinander, wer welchen als seinen Hauptverdächtigen ansah. An diesem Punkt der Fallgeschichte knabbere ich auch schon die ganze Zeit: Es ist ja ziemlich unwahrscheinlich, dass die alle sich nur mit ihren eigenen Lieblingskandidaten wichtig machen wollten. Insbesondere bei solchen privaten Notizen wie denen Swansons gibt es ja keinen Grund, dabei an seiner Lauterbarkeit zu zweifeln: Er glaubte das wirklich, was er da schrieb. 


MfG, Arthur Dent


Lestrade:
Hi Arthur!


--- Zitat von: Arthur Dent 2 am 30.12.2019 18:19 Uhr ---Er glaubte das wirklich, was er da schrieb.
--- Ende Zitat ---

Und glaubte das bereits 1895... es ist so schwer vorstellbar, dass Swanson diesen Fehler machte, falls es denn überhaupt einer war...

Bei Isaac Abrahams, Aaron´s Bruder, waren beim CID Report zu dessen Einbürgerung 1901 u.a. Swanson und Anderson beteiligt, letzterer bestätigte den Bericht mit seiner Unterschrift. Auch sah man sich wohl zu dieser Zeit Isaac Abrahams noch einmal persönlich an.

War man sich bewusst, dass dieser Mann der Bruder des vermeintlichen Jack the Ripper war? Das alles war ca. 10 Jahre her und niemand, sprich Swanson oder Anderson, hätte darin jetzt automatisch einen Bruder sehen müssen, selbst wenn sie zur Zeit der Ripper Morde miteinander zu tun hatten. So ein (normaler) Name geht vielleicht schnell mal über den Schreibtisch. Ist ja auch nicht wichtig, was die Todesfrage bezüglich Aaron Kozminski betrifft, wenn man ohnehin glaubt, dass dieser Mann bereits lange tot ist. Aber hier hätte eine Chance bestehen können, einen möglichen Fehler zu korrigieren (Swanson). Ob das Thema damals noch einmal zur Sprache kam oder nur bei diesen und jenen Assoziationen weckte, wissen wir nicht.

Klar ist eben, dass für Swanson und Anderson der Ripper früh in´s Gras biss. Macnaghten ist klar, er war sich nicht sicher, ob "Kosminski" noch in einer Anstalt war oder nicht und das im Jahre 1894.

Zum Verdächtigen von Cox, äußerte sich dieser selbst in etwa so:

"Das Rätsel bleibt ungelöst, bis nicht jemand auftaucht, der sich selbst einwandfrei belasten kann, jener blutrünstige Dämon zu sein bzw. der wahre Mörder wieder mit seinen Taten auf der Bildfläche erscheint und auf frischer Tat ertappt wird. Dann ist er noch am Leben fragen sie? Ich weiß es nicht. Soviel ich weiß, ist er möglicherweise tot. Persönlich kann ich aber eh nichts beweisen.

Sein Kollege Sagar:

"Man nimmt an, dass er sich auf den Weg nach Australien gemacht hat und dort dann starb. "Die Polizei ist zufrieden mit der Identität des Mannes", bemerkte der Inspektor, "aber was aus ihm geworden ist, wissen wir nicht."

Für "Australia" lasse ich eventuell noch "Austria" gelten.

Angenommen auch Cox und Sagar sprachen über "Kosminski", dann waren sie, genau wie Macnaghten", tatsächlich unsicher was diesem Mann wirklich widerfuhr. Aber, dass der Mann nicht mehr unbedingt lange lebte ist auch deren Tendenz. Wenn jemand etwas mehr oder besser wusste, dann sicherlich ein Mann wie Swanson in seiner Position (Anderson natürlich auch). 

Etwas, was ich eher ungern formuliere, weil "Verschwörung", ist, dass es tatsächlich Menschen gegeben haben könnte, mit mehr Einfluss als ein Anderson, die daran interessiert waren, Aaron Kozminski "sterben" zu lassen. Beinahe unvorstellbar für mich.

Lestrade.

Arthur Dent 2:
Hallo Lestrade!


--- Zitat ---Etwas, was ich eher ungern formuliere, weil "Verschwörung", ist, dass es tatsächlich Menschen gegeben haben könnte, mit mehr Einfluss als ein Anderson, die daran interessiert waren, Aaron Kozminski "sterben" zu lassen. Beinahe unvorstellbar für mich.
--- Ende Zitat ---

Also, ich bin da hin- und hergerissen:

Einerseits lässt sich vieles damit erklären, dass man schließlich keinen eindeutig überführten Täter hatte, sondern verschiedene Hauptverdächtige der verschiedenen Ermittler, und dass sie nach Abschluss der offiziellen Ermittlungen praktisch nur noch als Privatleute über inoffizielle Kanäle etwas zu deren Schicksal erfuhren wie jeder andere in der Stadt auch - da können sich Fehler über das Stille-Post-Prinzip eingeschlichen und/oder sich korrekte Informationen mit Gerüchten vermischt haben bzw. irrtümlicherweise den falschen Verdächtigen zugeordnet worden sein. Zumindest für die niedrigeren Dienstränge in der Polizei und jene Spitzenbeamte, die nicht in alle Details des Falles eingeweiht waren, wäre das recht gut nachvollziehbar.

Andererseits war der Fall aber auch ein Politikum:
Er hätte entweder zum sozialen Aufstand im East End oder gar, falls man JTR als einen Juden identifiziert hätte, zum Pogrom gegen die jüdische Bevölkerung eskalieren können.
Und da schon während der Ermittlungen explizit aus diesem Grund Beweise vernichtet wurden (das Goulston Street Graffiti), halte ich es durchaus für möglich, dass man zumindest während der ersten Zeit nach der Mordserie, als das gesellschaftliche Klima noch aufgeheizt war, in den oberen Etagen von Polizei und Politik der Ansicht gewesen sein könnte, deeskalierende Infos seien besser als vielleicht verunsichernde Fakten (Z.B. "Wir sind uns nicht ganz sicher, ob der es wirklich war, oder ob JTR doch noch frei rumläuft").
Das Streuen der Info von der sicheren Überwachung und baldigen Einweisung bis zum frühen Tod des mutmaßlichen Täters hätte dann vor allem dazu gedient, die Bevölkerung und die einfachen Polizisten zu beruhigen und zur Entspannung der Lage im East End beizutragen. Und man hätte das eigene Versagen bei der Ergreifung von JTR relativieren können. Macnaghtens Memorandum hatte ja auch die Funktion, die wieder aufkochenden Wogen zu glätten: Er präsentierte darin drei "Hauptverdächtige", von denen keine Gefahr mehr ausging, weil sie entweder tot oder zu der Zeit weggeschlossen waren.
Die Frage wäre dann, wer wieviel wusste. Hatte z.B. Swanson tieferen Einblick, oder glaubte er selbst am Ende einfach die Aussagen von höherer Seite? Es ist ja auch heutzutage noch eine heikle Frage, wie mit Dienstgeheimnissen umgegangen wird.
Leider wird es für so etwas wohl keine belastbaren Dokumente geben, denn einen Entschluss zur Täuschung der Öffentlichkeit und der einfachen Polizisten wird man wohl kaum schriftlich festgehalten haben.
Viele Jahre nach Ende der Mordserie dann, als klar war, dass die Bedrohung durch JTR und den Mob auf den Straßen tatsächlich zu Ende war, sah die Sache anders aus: Nun trauten sich einige vielleicht wieder, etwas mehr von dem preiszugeben, was sie wussten oder zumindest zu wissen glaubten.

Vielleicht war es auch eine Kombination von beidem. Aber das sind natürlich alles nur Gedankenspiele, solange wir nicht über mehr Hintergrundinfos dazu verfügen.


MfG, Arthur Dent

Lestrade:
Frohes neues Jahr, Arthur!

Wie Du es formulierst, da kann man nichts weiter hinzufügen.

Mal sehen, wie sich alles so weiterentwickelt.

Gruß, Lestrade.

Navigation

[0] Themen-Index

[*] Vorherige Sete

Zur normalen Ansicht wechseln