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Fachliche Themen => Allgemeine Diskussion => Thema gestartet von: Isdrasil am 02.01.2009 19:08 Uhr

Titel: Interpretation der kurzen Mordabstände
Beitrag von: Isdrasil am 02.01.2009 19:08 Uhr
Hi Ihr,

Mal wieder eine allgemeine Frage:

Wenn man die Ripperfälle betrachtet, dann sind besonders die relativ kurzen Abstände zwischen den Morden auffällig. Es gibt durchaus Mörder, die ihre Opfer in ähnlicher Weise wie der Ripper verstümmelten oder sogar noch grausamer zu Werke gingen - aber mitunter vergehen etliche Wochen, Monate, ja manchmal sogar Jahre zwischen den einzelnen Taten.
Der Ripper hingegen betrat die Bühne des Schreckens sehr schnell und brauchte nur wenige Wochen, um ganz London in Aufruhr zu versetzen und seinen Namen auf der ganzen Welt bekannt zu machen (ja, ich weiß - der Pressefuzzi war es, nicht der Mörder...war mehr als Phrase gemeint  :icon_wink:).

Was meint ihr - was sagen die Zeitabstände möglicherweise über den Täter aus? Wieso schlug Jack the Ripper so schnell hintereinander zu? Was ist eure persönliche Meinung hierzu?

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Interpretation der kurzen Mordabstände
Beitrag von: Alexander-JJ am 03.01.2009 11:24 Uhr
Da gibt es meiner Meinung nach mehrere Möglichkeiten:

1. JTR "brauchte" das. Er musste so schnell hintereinander morden um seine Triebe zu befriedigen bzw seine inneren Dämonen zufrieden zu stellen (das ist mein Favorit).

2. JTR wusste das er lange Zeit keine Gelegenheit bekommen würde, wieder in dieser Art zu morden. Etwa weil er doch ein Seemann war, weil er zur Armee musste, weil der Aufenthalt in einem Irrenhaus, Gefängnis (wegen anderer Verbrechen), im Ausland o.ä. drohte. Dabei wäre er immer mit anderen Personen zusammen und würde nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten zuschlagen können ohne das es seine direkte Umgebung bemerkt.

3. Es handelte sich um eine Art archaischen Terrorismus mit unbekannten Zielen. Der Täter musste so schnell zuschlagen um seine Ziele zu erreichen. Oder es handelte sich um einen Fanatiker, der die Augen der Weltöffentlichkeit auf das East-End lenken wollte und/oder einen privaten Feldzug gegen Prostituierte führte.

4. Der Täter stand in enger Beziehung zu den Opfern und musste so schnell zuschlagen um deren evtl Flucht zu verhindern. Hier ist sowohl eine Verschwörung als auch eine Beziehungstat möglich.
Titel: Re: Interpretation der kurzen Mordabstände
Beitrag von: Floh82 am 03.01.2009 13:00 Uhr
Die kurzen Abstände weisen eigentlich recht deutlich auf eine Beziehungstat hin. Es wirkt als sei es ein Plan gewesen, der recht schnell über die Bühne gebracht werden musste. Allerdings durften es ruhig ein paar Wochen mehr sein, um nicht ganz aufzufallen.
Nun das würde meiner Meinung wie gesagt auf eine Beziehungstat oder auch die berüchtigte Verschwörungstheorie andeuten.

Allerdings glaube ich daran nicht unbedingt. Und deshalb ist das ein weiteres großes Fragezeichen.
Titel: Re: Interpretation der kurzen Mordabstände
Beitrag von: Lestrat am 03.01.2009 14:34 Uhr
Hallo,

ich denke Alexander hat einige sehr gute Punkte aufgezählt. Vor allem Punkt 1 erscheint mir sehr plausibel. :icon_exclaim:

Was eventuell auch möglich wäre: Er wußte das er aus Gesundheitlichen Gründen nicht mehr viel Zeit hatte.

Gruß

Lestrat

Titel: Re: Interpretation der kurzen Mordabstände
Beitrag von: Direwolf am 03.01.2009 21:24 Uhr
Wünsche erstmal allen nachträglich frohe Weihnachtsfeiertage gehabt zu haben und ein frohes neues Jahr (Einer muss ja immer den Nachzügler spielen ;))

Zum Thema:
Was mich dabei erst einmal interessieren würde wären die kurzen Abstände des Rippers im Vergleich zu anderen Serienmördern seiner Zeit. War der Ripper zu seiner Zeit schon ein Unikat, was die kurzen Abstände angeht, oder war das eher an der "Tagesordnung" bei Serienmördern dieser Zeit?

Die kriminalistischen Möglichkeiten waren damals nun mal noch nicht so ausgereift wie sie es heute sind. Genauso wie sich ein heutiger Serienmörder im klaren darüber sein muss, das ihm weniger als ein einzelnes verlorenes Haar schon zum Verhängnis werden kann, so wird wohl auch der Ripper wenigstens im Groben gewusst haben, welche Möglichkeiten es gab um ihm auf die Schliche zu kommen.
Angenommen die Hemmschwelle bei Serienmörder wäre durch die geringeren Mittel der Ermittler ohnehin schon kleiner gewesen, so würden mich die kurzen Abstände gar nicht so sehr überraschen.

L.G.
Direwolf   
Titel: Re: Interpretation der kurzen Mordabstände
Beitrag von: Harry Heine am 04.01.2009 17:42 Uhr
Hallo und frohes neues!  :icon_mrgreen:

Ich bin da ziemlich ratlos... Eine sehr interessante Frage. Die kurzen Abstände lassen die Taten wirklich wie im Rausch begangen erscheinen. Ehrlich gesagt kann ich mich da so gut wie gar nicht hinein versetzen, und bin auch ganz froh darüber...  :icon_wink: Was könnte ihn dazu gebracht haben, aufzuhören, nachdem er zuerst anscheinend unter so extremem Druck stand?
Dabei ist natürlich die Frage von entscheidender Bedeutung, wer nun wirklich Opfer der Mordserie war und wer nicht. Ich habe zuletzt Karyo Magellans Buch gelesen, und seine Darstellung des Falls, die nahe legt, dass Mary Kelly nicht dazu gehörte, aber Alice McKenzie und Frances Coles schon, hat mich ziemlich überzeugt. Dennoch ist es ein Rätsel, dass er nach der Nacht des Doppelmordes über ein Dreiviertel Jahr pausiert haben soll, ehe er wieder zuschlug. Meine Vorschläge wären

a) er war ein Matrose und tötete in der Zwischenzeit in anderen Ländern, so dass man die Taten nicht mit der Mordserie in Verbindung brachte

oder b) er starb kurz nach dem "double event" (und Magellans Theorie wäre falsch).  :icon_question: :icon_question: :icon_question:

oder c) mindestens eine der Taten ging auf das Konto eines Trittbrettfahrers (von Mary Kelly abgesehen, erscheint mir Eddowes als wahrscheinlichste Möglichkeit - war nicht Bagster Phillips der Meinung, sie sei nicht vom Ripper ermordet worden? Oder bringe ich da was durcheinander?)  :icon_question: :icon_question: :icon_question:

Zitat
Die kurzen Abstände weisen eigentlich recht deutlich auf eine Beziehungstat hin.[
quote][/quote] (Floh 82) Was meinst du mit Beziehungstat? Ein Kunde von allen?

Zitat


Was eventuell auch möglich wäre: Er wußte das er aus Gesundheitlichen Gründen nicht mehr viel Zeit hatte.



Maybrick?  :icon_wink:

LG


d) Sickert war's und... äh... hm.  :icon_mrgreen:

e) er schaffte es aus eigener Motivation aufzuhören. Warum auch immer. Soll ja vorkommen, und die, die man nicht geschnappt hat, kann man ja leider nicht fragen, warum...  :icon_wink:
Titel: Re: Interpretation der kurzen Mordabstände
Beitrag von: hedgehopper am 05.01.2009 10:20 Uhr
Also ich denke es war der Trieb....JTR hat bei Polly Nichols "leicht" angefangen & mit dem brutalen Gemetzel an Mary Kelly dann aufgehört. Er hat sich also jedesmal gesteigert um seine Befriedigung zu bekommen. Der Mord an Mary Kelly war sein Höhepunkt & hat wohl damit auch aufgehört.

Zitat von Harry Heine:
Ich habe zuletzt Karyo Magellans Buch gelesen, und seine Darstellung des Falls, die nahe legt, dass Mary Kelly nicht dazu gehörte, aber Alice McKenzie und Frances Coles schon, hat mich ziemlich überzeugt. Dennoch ist es ein Rätsel, dass er nach der Nacht des Doppelmordes über ein Dreiviertel Jahr pausiert haben soll, ehe er wieder zuschlug.

Ich habe das Buch nicht gelesen & möchte wissen was Dich überzeugt hat das MJK nicht dazu gehört aber McKenzie & Coles schon?

Ich sehe das so, das MJK dazu gehörte, McKenzie & Coles aber nicht.Warum? (s.o. dieses Beitrages))
Titel: Re: Interpretation der kurzen Mordabstände
Beitrag von: Stordfield am 06.01.2009 22:33 Uhr
Hallo !

Eventuell sind die kurzen Zeitabstände damit zu erklären , daß der Täter einfach die Gelegenheit hatte . Oft suchen Serienmörder sich doch ein bestimmtes Umfeld ( weil es in ihr Phantasiebild paßt oder wegen der guten Fluchtmöglichkeiten ) und einen Opfertyp aus , wobei eine gewisse Zeit vergeht , bis alles "stimmig" ist . Hier hat der Riper alles auf Anhieb gefunden , was er "brauchte".

Gruß Stordfield
Titel: Re: Interpretation der kurzen Mordabstände
Beitrag von: Isdrasil am 12.01.2009 07:36 Uhr
Hi

Interessante Antworten...ich persönlich hänge einem Mix aus dem oft genannten hohen Druck und der Ansicht Stordfields an - das Umfeld scheint wohl perfekt auf den Ripper gepasst zu haben und er war sozusagen von seinem Mordtrieb "durchdrungen".
Ich frage mich in diesem Zusammenhang oft, weshalb der Täter so derart vom Trieb durchdrungen gewesen sein konnte. War es sein möglicherweise fortgeschrittenes Alter, also die Tatsache, dass er seine Triebe schon lange unterdrücken musste - oder war es ein ganz anderer Parameter? Oder ist gerade bei jungen Tätern mit kurzen Mordabständen zu rechnen?

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Interpretation der kurzen Mordabstände
Beitrag von: Stordfield am 13.01.2009 19:53 Uhr
Hallo !

Zitat
Oder ist gerade bei jungen Tätern mit kurzen Mordabständen zu rechnen?
Das glaube ich nicht . Sie lassen wahrscheinlich noch am ehesten Vorsicht walten . Sicherlich werden sie nach ihrer "Einstiegstat" erst einmal abwarten und sich erst langsam wieder ans Werk machen , wenn sie sich nach einer gewissen Zeit sicherer fühlen . Bei einem jüngeren Täter würde ich persönlich von der Annahme ausgehen , daß zumindest zwischen den ersten Morden eine längere "Ruhephase" eintritt.

Gruß Stordfield
Titel: Re: Interpretation der kurzen Mordabstände
Beitrag von: Isdrasil am 15.01.2009 19:18 Uhr
Hi Stordfield

Hört sich logisch an. Da kann ich Dir nur zustimmen.  :icon_wink:

Oftmals beginnen die Fantasien ja auch in frühester Jugend - ein längeres Aufstauen dieser müsste also zu einem "explosiveren" Ausbruch führen...insofern muss ich wieder irgendwie an Tabram denken...diese Wut, diese 39 Stiche. Das hat für mich irgendwie immer noch eine gewisse Ähnlichkeit zu dem Mord an Kelly. Ich weiß nicht (und das ist jetzt auch ein wenig themenfremd), aber ich kann mir den Mord an Tabram immer noch als absolut spontane Tat eines Mörders denken, der die an Nicholls erstmals verwirklichte Fantasie in sich trug. Möglicherweise konnte er sie aus der Situation heraus nicht verwirklichen oder er war zunächst von diesem Ausbruch selbst überrascht - um kurz darauf seinen schrecklichen Gedanken zu folgen und den nächsten Mord geplant anzugehen. Mit dem Mord an Kelly entsteht in meinen Augen ein Gesamteindruck. Kelly ist irgendwie die Verbindung dieser beiden Charaktere - der wütende Ausbruch und die gezielte Verstümmelung. Aber ich schweife ab.  :icon_wink:

Stimmt. Jüngere Täter dürften zudem von der Tat noch mehr "geschockt" sein als Ältere, die sich schon länger mit dem Gedanken auseinander setzen konnten. Daher denke ich auch, dass der zeitliche Abstand vom ersten Mord über die Verarbeitung dessen hin zur Serie bei jüngeren Tätern größer sein dürfte.

Kann man also davon ausgehen (und dies deckt sich meist mit den Zeugenaussagen), dass es sich beim Ripper um einen verhältnismässig älteren Täter handelt, in Serienmordverhältnissen also über 35, wenn nicht sogar 40 Jahre? Ich denke schon - und ich denke, dass durch die lange Auseinandersetzung mit der Tat bereits ein stark vorgefertigtes Bild im Kopf des Täters vorhanden war - die wirklichen Änderungen innerhalb der Mordserie sind zu marginal, um von einer Reifung zu sprechen. Was auffallend ist, wäre die Abweichung im Fall Kelly, der sich zeitlich und auf die Verletzungen bezogen von den anderen Morden abhebt. Man meint, eine gewisse Wut zu erkennen, einen Aspekt der Raserei. Erneut ein Zeichen, dass der Täter wartete und daher ein explosiverer Ausbruch zustande kam?

Was ich mich immer frage: Nehmen wir an, wir befinden uns zeitlich nach dem Eddowes Mord. Aus irgendeinem Grund schafft es unser Täter nicht, einen Mord zu begehen. Vielleicht ist er krank, vielleicht hat er ein Bein gebrochen. Wer weiß...es vergeht ein Monat. Zwei Monate. Drei Monate. Und dann kommt er endlich wieder zu einer weiteren Tat. Doch anders als bei Kelly würde dieser Mord auf der Straße geschehen. Könnten wir trotzdem mit ähnlichen Verletzungen wie bei Kelly rechnen, mit der ähnlichen Raserei, mit einer ähnlichen "Verstümmelungswut"?

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Interpretation der kurzen Mordabstände
Beitrag von: Floh82 am 16.01.2009 09:12 Uhr
Ich würde dann von einer viel schlimmeren Tat ausgehen. Denn in dieser Zeit der "Ruhe" muss sich seine ganze Aggression, seine ganze Wut ja aufgestaut haben. Und wenn diese aufgestaute Energie in einer solchen, plötzlichen Tat ausbricht, muss das Ergebnis grausam sein.
Titel: Re: Interpretation der kurzen Mordabstände
Beitrag von: Isdrasil am 16.01.2009 09:42 Uhr
Also würde eventuell aus einem routinierten Täter ein etwas unkontrollierter Täter werden (zumindest für die eine Tat)?
Kann man dann nicht auch schlussfolgern, dass der Mord an Nicholls viel zu routiniert war, um eine Ersttat zu sein? Dass der Mord viel zu durchdacht war, um nach einer langen mordlosen Zeit als Einstieg zu gelten?

Ihr wißt, worauf ich raus will: Braucht ein bestimmter Tätertyp vielleicht erst einmal einen explosiven Ausbruch, um dann routiniert und geplant zu Werke zu gehen?

Ich mach einfach mal einen auf "Quizmaster" hier  :icon_mrgreen:

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Interpretation der kurzen Mordabstände
Beitrag von: Stordfield am 16.01.2009 09:53 Uhr
Hallo !

Zitat
Braucht ein bestimmter Tätertyp vielleicht erst einmal einen explosiven Ausbruch, um dann routiniert und geplant zu Werke zu gehen?
Davon würde ich persönlich ausgehen .

Gruß Stordfield
Titel: Re: Interpretation der kurzen Mordabstände
Beitrag von: Isdrasil am 16.01.2009 10:06 Uhr
Hi Stordfield

Eine schnelle Antwort erfordert eine schnelle Gegenantwort  :icon_wink:

Und sorry, dass ich wieder mit dem liebsten Thema anfange – ich bin derselben Meinung wie Du. Und im Endeffekt müsste dieser Tätertyp nach dem ersten explosiven Ausbruch doch schnell wieder einen Mord begehen, der routinierter ausfallen würde. Würde mehr Zeit vergehen, dürfte man wieder mit unkontrollierteren Mustern rechnen.

Und da ist der Punkt: Im Prinzip und auf Basis dieser Überlegungen ist und bleibt Tabram für mich der perfekte erste Mord, der Übergang eines bisher nur fantasierenden Täters zu einem routinierten Killer. Selbst der geringe zeitliche Abstand zwischen Tabram und Nicholls wäre absolut notwendig, um die Routine dieses von Mordlust getriebenen Täters zu gewährleisten.
Und siehe da – sobald man wieder einen längeren Zeitabstand hat (von Eddowes zu Kelly), wiederholen sich die explosiven Verhaltensmuster, ergänzend zu den bisherigen Verstümmelungen.

Alles in Hinblick auf die Zeitabstände, die eigentlich für einen älteren Täter sprechen, der von einem starken Drang beherrscht wird.

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Interpretation der kurzen Mordabstände
Beitrag von: Stordfield am 16.01.2009 10:28 Uhr
Hallo Isdrasil !

Ich schließe mich ebenfalls Deinen Ausführungen an .  :icon_lol:
Bloß , mit dem Alter scheint mir das so eine Sache zu sein . Kann man denn so einfach einen heutigen z. B. 30jährigen mit einem gleichaltrigen von damals vergleichen ? Waren die Menschen damals , durch die Lebensumstände und die kürzere Lebenserwartung nicht schon frühzeitig reifer ?

Gruß Stordfield
Titel: Re: Interpretation der kurzen Mordabstände
Beitrag von: Isdrasil am 16.01.2009 10:36 Uhr
Hi

Ich schließe mich ebenfalls Deinen Ausführungen an .  :icon_lol:

Langsam wird es unheimlich  :icon_mrgreen:

Bloß , mit dem Alter scheint mir das so eine Sache zu sein . Kann man denn so einfach einen heutigen z. B. 30jährigen mit einem gleichaltrigen von damals vergleichen ? Waren die Menschen damals , durch die Lebensumstände und die kürzere Lebenserwartung nicht schon frühzeitig reifer ?

Stimmt! Da hast Du wohl recht. Gar nicht bedacht. Ja, wird wohl so sein. Leider gibt es dazu keine Auswertungen, die Serienmörder von damals mit denen von heute vergleichen, aber die Menschen damals dürften wohl früher reif gewesen sein (geistig).  :icon_thumb:

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Interpretation der kurzen Mordabstände
Beitrag von: Stordfield am 16.01.2009 11:02 Uhr
Hallo !

Was m. E. gegen einen jüngeren Täter spricht , ist auch die Tatsache , daß es damals ja kaum Medien gab , die die Fantasie eines Menschen beschleunigen konnten . JtR mußte   
sich seine Gewaltvorsellungen sozusagen selbst "erarbeiten", während heutige Seientäter sich aus TV , Internet und Zeitschriften Anregungen holen können . Bei letzteren dauert es deshalb wohl nicht so lange , bis es zum Ausbruch kommt .

Gruß Stordfield
Titel: Re: Interpretation der kurzen Mordabstände
Beitrag von: Isdrasil am 16.01.2009 11:26 Uhr
Das ist ein sehr interessanter Aspekt!

Stimmt. Der Täter kann ja auch der Sohn eines Metzgers (zum Beispiel) gewesen sein und auf diese Art tagtäglich mit Gewalt und Blut konfrontiert gewesen sein. Aber es gab damals tatsächlich wesentlich weniger Möglichkeiten, mit Gewaltfantasien konfrontiert zu werden. Das wird auch eine Rolle spielen - hast mich überzeugt.  :icon_mrgreen:
Titel: Re: Interpretation der kurzen Mordabstände
Beitrag von: Raison-d-eatre am 16.01.2009 14:50 Uhr
auch wenn ich damit jetzt ein bisschen aus der Reihe tanze  :icon_lol:
ich glaube nicht, dass er wirklich diesen Beruf ausgeübt hat.
Natürlich bräuchte der Ripper vorher etwas "Übung", aber solche Phantasien bauen sich nicht nur dadurch auf, sondern auch, wenn sich Wut/ Aggression oder Ähnliches im Innern aufstaut und irgendwann zum Ausbruch kommt.

So könnte der Ripper zum Beispiel seine Aggressionen an Prostituierten "auslassen", weil er sich im klaren darüber ist was er tut, und auch weiß, dass er diese Wut oder Phantasien nicht an der Gesellschaft auslassen kann und nimmt deswegen eben Prostituierte als Opfer.
Titel: Re: Interpretation der kurzen Mordabstände
Beitrag von: Floh82 am 16.01.2009 15:45 Uhr
Da möchte ich kurz einlenken!

Die heutigen Medien haben sicherlich zu einer gewissen "Verrohung" der Gesellschaft beigetragen - nie war es so einfach sich wahre Horrorvorstellungen auf seinen PC zu holen und sich wenn gewollt stundenlang damit zu beschäftigen. Ob Filme, Fotos, Geschichten oder Spiele. Trotzdem ist diese mediale Versexung wie ich es jetzt mal nennen möchte, nicht das einzige Mittel sich bestimmten Fantasien hinzugeben und/oder gewisse Fantasien zu entwickeln.

Ich darf erinnern dass es im Mittelalter, lange vor Fotografie und "rotten" (wers kennt weiß Bescheid, wer nicht sollte nicht fragen ;) ), schlimmste Entgleisungen gab. Der erste belegte, deutsche Folterfall (in Bezug auf das juristische Bestrafungsurteil "Folter") war 1321.

Agatha von Catania wurden ca. 250 nach Christus als Bestrafung die Brüste "abgerissen". Die camera silens (schweigender Raum - licht und schallfreier Raum) ist ebenfalls recht alt, sie hat mehr psychische Folgen und ist daher schwer nachzuweisen. Anführen könnte ich auch noch das Rädern oder das Pfählen als mittelalterliche, ja sogar antike Foltermethode.
Und wo wir schonmal in der Antike sind: Das Opfern von Menschen ist auch nicht gerade einer medialen Epoche entsprungen. Und was Priester antiker Religionen so alles mit Innereien gemacht haben, möchte ich hier gar nicht erwähnen.

Gewaltphantasien der schlimmsten Sorte sind auch 1888 für einen recht jungen Menschen möglich gewesen. Mit dem Unterschied dass er zur Befriedigung seiner Phantasien oder besser zum Ausleben seiner Phantasien keine Computerspiele oder Internetportale hatte ;)

Dann zu was Anderem:

Tabram als Ersttat halte ich ebenso für möglich und auch stichhaltig. Aber Isdrasil verstehe ich richtig? Du meinst ein Täter der bei seiner ersten Tat unkontrolliert vorgeht und dann immer kontrollierter wird, bis er aufgrund eines hohen zeitlichen Abstands wieder unkontrolliert vorgeht? Das halte ich nämlich durchaus für möglich.
Der Täter ist bei seiner Ersttat aufgeregt, vielleicht auch einfach ausgedrückt "zu unerfahren" um eine kontrollierte Tat zu begehen. Emotionen überkommen ihn und er verliert die Kontrolle über sich. Dann folgen Taten die kontrollierter ablaufen, mal abgesehen von eventuellen emotionalen Überforderungen während der Tat ("abschlachten" etc.). Und schließlich folgt nach einer längeren "Ruhepause" (zwanghafte Pause oder nicht?) ein Ausbruch, ein unkontrollierter Mord, nämlich MJK.

So kann ich mir das auch in etwa vorstellen.
Titel: Re: Interpretation der kurzen Mordabstände
Beitrag von: Isdrasil am 16.01.2009 19:44 Uhr
Hi

auch wenn ich damit jetzt ein bisschen aus der Reihe tanze  :icon_lol:
ich glaube nicht, dass er wirklich diesen Beruf ausgeübt hat.
Natürlich bräuchte der Ripper vorher etwas "Übung", aber solche Phantasien bauen sich nicht nur dadurch auf, sondern auch, wenn sich Wut/ Aggression oder Ähnliches im Innern aufstaut und irgendwann zum Ausbruch kommt.
So könnte der Ripper zum Beispiel seine Aggressionen an Prostituierten "auslassen", weil er sich im klaren darüber ist was er tut, und auch weiß, dass er diese Wut oder Phantasien nicht an der Gesellschaft auslassen kann und nimmt deswegen eben Prostituierte als Opfer.

Meinst Du, der Ripper hat die Opfer aus diesem Grunde ausgesucht, weil sie eben leichte Opfer waren? Ist natürlich auch möglich - sozusagen als Frustabbau einer völlig anders gelagerten Wut. Nur sind die Verstümmelungen an den Opfern doch sehr konkret - wenn es um reinen Aggressionsabbau ginge, müsste doch eigentlich viel mehr Abwechslung dabei sein. Der Ripper wäre wohl ein Rüppel, der auch mal einen kleinen Jungen verprügeln würde. Ich glaube, es steckt ein sehr konkreter Ausdruck in der Art der Morde, und ich denke, diesen konkreten Ausdruck muss der Ripper irgendwo aufgeschnappt, bzw. erlernt haben.

Die heutigen Medien haben sicherlich zu einer gewissen "Verrohung" der Gesellschaft beigetragen - nie war es so einfach sich wahre Horrorvorstellungen auf seinen PC zu holen und sich wenn gewollt stundenlang damit zu beschäftigen.
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Gewaltphantasien der schlimmsten Sorte sind auch 1888 für einen recht jungen Menschen möglich gewesen. Mit dem Unterschied dass er zur Befriedigung seiner Phantasien oder besser zum Ausleben seiner Phantasien keine Computerspiele oder Internetportale hatte ;)

Ja, da gebe ich Dir recht. Sollte aber nicht in die Richtung gehen, dass moderne Medien gewaltsame Fantasien fördern - ich glaube nämlich nicht, dass jemand nur weil er Manson hört oder Ego-Shooter spielt zum Mörder wird. Vielleicht herrscht weniger Einfluss als wir denken, vielleicht ist der Anstieg von Kriminalität auch nur ein Trugschluss, der durch die wachsende Bevölkerungszahl oder die Globalisierung entsteht.
Aber der Ripper muss wohl irgendwann gemerkt haben, dass genau diese Verstümmelungen ihn erregen (sofern wir das sexuelle Motiv mal annehmen mögen), und in diesem Zusammenhang dürfte ein Täter heute wohl mehr Berührungspunkte mit Gewalt haben, um seine Neigungen zu entdecken. Darum ging es glaube ich mehr - um das Entdecken seiner Vorlieben und die Konfrontation damit.

By the way: Schöner Ausflug in die Geschichte  :icon_thumb: :icon_wink:

Tabram als Ersttat halte ich ebenso für möglich und auch stichhaltig. Aber Isdrasil verstehe ich richtig? Du meinst ein Täter der bei seiner ersten Tat unkontrolliert vorgeht und dann immer kontrollierter wird, bis er aufgrund eines hohen zeitlichen Abstands wieder unkontrolliert vorgeht? Das halte ich nämlich durchaus für möglich.
Der Täter ist bei seiner Ersttat aufgeregt, vielleicht auch einfach ausgedrückt "zu unerfahren" um eine kontrollierte Tat zu begehen. Emotionen überkommen ihn und er verliert die Kontrolle über sich. Dann folgen Taten die kontrollierter ablaufen, mal abgesehen von eventuellen emotionalen Überforderungen während der Tat ("abschlachten" etc.). Und schließlich folgt nach einer längeren "Ruhepause" (zwanghafte Pause oder nicht?) ein Ausbruch, ein unkontrollierter Mord, nämlich MJK.
So kann ich mir das auch in etwa vorstellen.

Ja - genauso habe ich das gemeint. Du hast den Punkt genau erfasst. Auch der Aspekt der Aufregung bei einer Ersttat ist interessant, stimmt.

Ich denke, dass die Kontrolle in Form einer routinierten Tat durch Regelmäßigkeit entsteht, dass der Täter dazu ein konkretes Bild entwickelt haben muss und dass die Ersttat oder Taten, die aus dem zeitlichen Rahmen fallen, von dieser Routine ausgeschlossen sein können. Die Ersttat kann ja auch sehr spontan entstanden sein und daher völlig aus dem Rahmen fallen - weil zum Beispiel die geeignete Waffe nicht vorhanden war oder der Täter selbst überrumpelt davon war - und dennoch kann der Täter direkt danach seine konkreten Fantasien verfolgen, da er die Hemmschwelle dazu überwunden hat.

Ich denke, es wäre sehr unwahrscheinlich, dass Nicholls das erste Opfer war. Und genauso denke ich, dass bei einer längeren Pause zwischen dem ersten Mord und Nicholls wohl nicht soviel Routine vorhanden wäre, wie es bei Nicholls eben der Fall war, sondern wieder dieser "nervöse" Part in Erscheinung treten würde. Man muss dabei die kurzen Abstände der Folgetaten berücksichtigen. Anscheinend hat der Ripper diese kurzen Zeitabstände benötigt, um die Morde so auszuführen, wie er es nun mal tat.
Daher erscheint mir Tabram durchaus als geeignetes Erstopfer und daher fügt sich Kelly auch so gut in diese Überlegung mit ein.

Grüße, Isdrasil

Titel: Re: Interpretation der kurzen Mordabstände
Beitrag von: Raison-d-eatre am 16.01.2009 20:38 Uhr
Zitat
Der Ripper wäre wohl ein Rüppel, der auch mal einen kleinen Jungen verprügeln würde

Dazu dass er es gelernt haben muss würde ich dir Recht geben, allerdings bezogen auf die Art der Ausführung nicht auf den Ausdruck.
Natürlich wird er sich nicht aufeinmal gedacht haben "oh weide ich sie doch mal aus" .
Ich meinte es allerdings eher ein klein wenig anders glaube ich....
Er hätte sie demnach nicht ausgesucht, weil sie leichte Opfer wären, sondern weil er genau wüsste was er tat und weil er mit einem recht guten Vernunft- bzw Moralempfinden aufgewachsen wäre.
Es hätte sich eine Art Wut in ihm gebildet, die er aber - wie er wusste - nicht an der Gesellschaft auslassen konnte, (weil es "falsch" war oder was immer) So hätte er Prostituierte also nicht wegen der Leichtigkeit als Opfer ausgesucht, sondern weil er sie nicht als Mitglied der Gesellschaft sieht.
Titel: Re: Interpretation der kurzen Mordabstände
Beitrag von: Stordfield am 12.11.2009 18:03 Uhr
Hallo !

JtR, aufgewachsen mit einem guten Moralempfinden?
Sorry, das halte ich für völlig abwegig.
Eher dürfte er durch totale Empathielosigkeit und Selbstsucht aufgefallen sein.
Aber mal angenommen, nur angenommen wohlgemerkt, er hätte in seiner Erziehung soetwas wie Moral erfahren, wo ist sie dann hin? Was könnte sie denn über Bord geworfen haben?

Gruß Stordfield
Titel: Re: Interpretation der kurzen Mordabstände
Beitrag von: Tresschen am 19.12.2009 00:31 Uhr
Moral ist nicht gleich Moral. Er könnte ja auch geglaubt haben, die Straßen vom Dreck und Unrat zu befreien. Er tötete Huren, daher vielleicht hat er gerade aus Moral heraus getötet. Wäre das nicht möglich?
Aber natürlich stellt sich die Frage, was für eine Kindheit und Erziehung er hatte, denn selbst wenn er selbst sein Tun als moralisch sah, so zeigt es doch auch ein sehr hohes Gewaltpotenzial. Was hat ihn dazu gebracht so heftig zu morden? War er ein Soziopath, der kein Mitleid mit anderen empfand? Oder tötete er eher wie im Rausch und empfand nachher sogar so etwas wie Reue?
Titel: Re: Interpretation der kurzen Mordabstände
Beitrag von: Saturn am 20.12.2009 11:05 Uhr
Hallo,

das mit den "gehobenen" Moralvorstellungen ist noch gar nicht mal so abwegig.
Im victorian. England war man felsenfest der Überzeugung, daß Großbritannien die von Gott "ausgewählte" Nation sei. Die imense Größe des brit. Empire gab scheinbar diesen Denkanstößen recht. Viele Bewohner Englands gingen damals täglich zum Gottesdienst und waren zu tiefst religiös. Ist ungefähr mit dem heutigen religiös-konservativen Nationalismus und den daraus resultierenden oft überholten Moralvorstellungen in weiten Teilen der USA vergleichbar.
Es kann also durchaus sein, daß JtR in einem tief moralischen und relig. Umfeld aufgewachsen ist. Der Haß auf Frauen oder Prostituierte kann vielleicht daher rühren, daß eine ihm nahestehende, weibl. Person (Mutter, Schwester oder sehr wahrscheinl. Geliebte) durch die Not gezwungen wurde, der Prostitution nachzugehen. Mit seinem anerzogenen, puritanischen (oder im Fall, daß der Ripper Ire oder Schotte war: tief kathol.) Weltempfinden war dies natürlich absolut nicht vereinbar. Da in der damaligen Gesellschaft vielfach Frauen noch als Besitztum des Mannes angesehn wurden, ist bei einem der eine niedrige Hemmschwelle hat, die "abtrünnige" Person natürlich äußerst gefährdet, und eine Beseitigung dieser Person (und evtl. aus Wut auch anderer Personen gleichen soz. Statuses) wird angesehen, als hättem man seinen Hund getötet, der einen in die Hand gebissen hat.

Grüße
Saturn
 
Titel: Re: Interpretation der kurzen Mordabstände
Beitrag von: Lorasma am 20.12.2009 12:14 Uhr
Hallo!

Ich halte eure Hypothese, die Taten seien aus religiösen Gründen begangen worden als wahrscheinlicher als das sexuelle Motiv. Zum einen erlebe ich in meiner beruflichen Praxis häufig, dass sich Psychosen überaus gerne mit religiösem Wahn paaren, zum anderen bietet diese Überlegung nicht nur den genannten Fall (Täter tötet Prostituierte, da diese als "sündig" betrachtet werden) sondern zudem der Übertragung. Einmal angenommen JtR war tatsächlich Kunde der Opfer, könnte er diese getötet haben, um seine eigene "Fehlbarkeit" (oder wie auch immer man das bei den Katholiken nennt) zu rächen :icon_evil:. Quasi Rache an Eva für die Vertreibung aus dem Paradies  :icon_rolleyes:. Denn falls JtR wirklich ein zutiefst religiöser Mensch gewesen ist, wird er sich ggf. "verführt" gefühlt haben- nicht ihn sondern die Prostituierte trifft aus dieser Sicht die Schuld- klassische Übertragung...  :icon_rolleyes:
Erklärt nur leider nicht die kurzen Zeitabstände zwischen den Morden  :icon_aetsch:

Einen schönen Sonntag euch!

Gruß aus dem verschneiten Essen!
Lorasma
Titel: Re: Interpretation der kurzen Mordabstände
Beitrag von: Shadow Ghost am 21.12.2009 11:27 Uhr

Ich glaube, dass die kurzen Abstände eine Kombination aus Drang, Gelegenheit und Erfahrung waren.
Betrachten wir den Ripper zu Beginn seiner „Karriere“. Er hat (aus welchen Gründen auch immer) das Bedürfnis, Frauen anzugreifen und ihnen die Geschlechtsorgane zu zerfleischen. Bei seinem ersten Versuch im Februar 1888 sticht er deshalb Annie Millwood nieder. Nur das diese sich noch wehren kann, weshalb einige Stiche auch die Beine treffen. Was lernt er daraus? Er muss das Opfer erst kampfunfähig machen!
Er wartet eine Zeitlang. Sicher ist er nach diesem ersten Angriff verwirrt und verängstigt. Doch er merkt auch, dass dieser erste Angriff kaum Aufmerksamkeit erfährt. Die Presse berichtet kaum darüber, und die Polizei steht auch nicht am nächsten Tag vor seiner Tür, um ihn zu verhaften. Dennoch weicht er für seinen nächsten Angriff nach Bow aus. Bezeichnenderweise findet der Angriff auf Ada Wilson eine Woche nach dem Tod von Annie Millwood statt. Er fühlt sich wieder etwas sicherer, denn die einzige Zeugin seines ersten Versuchs ist tot. Bei Ada Wilson versucht er, sein Opfer erst durch Stiche in den Hals zu töten. Doch das gelingt noch nicht so wie geplant. Sie kann noch um Hilfe rufen, und er kann mit knapper Mühe entkommen (vgl. Aussage von Rose Bierman). Was lernt er daraus? Keine Angriffe in Wohnungen, weil die Gefahr besteht, dass er nicht entkommen kann. Und: er muss sein Opfer am Schreien hindern!
Wieder dürfte er verängstigt gewesen sein, dass jeden Augenblick, die Polizei bei ihm vor der Tür steht. Er versucht sich unauffällig zu verhalten, und darauf zu warten, dass sich seine Lage beruhigt. Doch Ada Wilson überlebt den Angriff. Deshalb die relative lange Pause bis zu Martha Tabram. Sie konnte nicht mehr um Hilfe schreien, an ihr konnte er sich „austoben“.
Doch er merkt, das Zustechen bringt ihm nicht die Erfüllung, die er sich erhofft hat, beim nächsten Opfer muss er schneiden. Er hat mittlerweile die Sicherheit, dass die Polizei ihm nicht auf den Fersen ist. Das sagt ihm seine Erfahrung. Das sagen ihm die Presseberichte. Schon ziemlich bald dürfte er wieder auf der Jagd gewesen sein, dürfte Prostituierte angesprochen haben, abgewogen haben, wer als Opfer in Betracht kommt. Vielleicht war er auch schon kurz davor, sein Messer zu ziehen und wurde kurz vorher gestört. Drei Wochen später jedenfalls begegnete er Polly Nichols. Nun konnte er seine Phantasien ausleben, er konnte sich „Perfektionieren“. Bis zum double event dürfte ihn wenig aufgehalten haben außer der Suche nach der passenden Gelegenheit, dem passenden Opfer. Er dürfte gelernt haben, wie er der Bürgerwehr und der Polizei aus dem Weg gehen kann. Vielleicht waren ihm die Routen der Polizisten auch schon von einer früheren kriminellen Karriere her bekannt.
Nach dem double event jedoch ist ihm das Pflaster zu heiß geworden. Er hatte nun sowohl die Metropolitain als auch die City Police auf seinen Fersen, es gab erste Beschreibungen von ihm in der Presse. Er war gesehen worden. Vielleicht ist er sich zu selbstsicher geworden. Er beschließt, vorsichtiger zu werden, sich zurück zu nehmen. Scheinbar kann er sich soweit kontrollieren. Er besucht vielleicht frühere Tatorte. Vielleicht ergötzt er sich auch an den mitgenommenen Organen, wie auch immer er sie aufbewahrte. Er wird auch weiterhin Prostituierte aufsuchen in der Hoffnung auf eine Gelegenheit. Und die bietet sich im November im Zimmer von Mary Jane Kelly. Endlich kann er wieder zuschlagen, seine Phantasien, die sich nach dem Eddowes Mord noch verstärkt haben dürften („Was kann ich einer Frau noch alles antun?“), explodieren.
Nach dem Kelly Mord gibt es wahrscheinlich wenig, was er sich noch vorstellen könnte, ausleben zu wollen. Die Lage für ihn ist zu kritisch, vielleicht wurde er im Rahmen der Haus-zu-Haus-Befragungen auch schon von der Polizei vernommen, vielleicht fürchtet er auch die Zeugenbeschreibung von George Hutchinson. Jedenfalls zieht er sich zurück. Ob er später für die Angriffe auf Alive McKenzie oder Frances Coles verantwortlich ist, ist wohl Thema für einen anderen Thread.

Viele Grüße,
Shadow Ghost
Titel: Re: Interpretation der kurzen Mordabstände
Beitrag von: Shadow Ghost am 22.12.2009 13:23 Uhr
Ich muss mich der Fairness halber selber korrigieren. Ada Wilson wurde eine Woche nachdem Annie Millwood aus dem Krankenhaus entlassen wurde angegriffen, nicht eine Woche nach deren Tod. Dennoch bin ich der Meinung, dass der Ripper sich nach dieser Zeit wieder sicher genug gefühlt haben könnte, einen neuen Angriff zu versuchen. Sicherheitshalber aber etwas weiter entfernt, nämlich in Mile End (zweiter Fehler, Ada Wilson lebte nicht in Bow).
Ich hoffe, damit habe ich alle Fehler-Teufel meines eigenen Beitrags besiegt.  :icon_redface:

Viele Grüße,
Shadow Ghost