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Lecker Lecker Lecker

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Shadow Ghost:
Was ich mich schon immer gefragt habe ist, was die Leute damals im East End so gegessen haben. Viel erfahren wir da aus unseren üblichen Quellen (Jack the Ripper-Bücher, Zeitungsartikel, Polizeiakten,...) nicht. Eines der Opfer -- ich glaube es war Annie Chapman -- hat vor seiner Ermordung eine gebackene Kartoffel gegessen, und auch hie und da hört man mal wieder etwas.
Deshalb starte ich diesen Thread, sozusagen als kleine Rezeptsammlung aus dem East End. Vielleicht kriegen wir so im Laufe der Zeit ein nettes Kochbuch zusammen.
Als erstes möchte ich hier ein paar klassische Gerichte aus den Arbeitshäusern vorstellen:

Haferschleim
Zutaten
Haferflocken - 2 Unzen
Wasser - ein Pint
Melasse - ½ Unze (Optional)
Salz - Prise
Zubereitung
Das Wasser in einem Topf zum Kochen bringen und anschließend die Haferflocken vorsichtig unterrühren, so dass sich eine einheitliche Masse ergibt. Das Ganze aufkochen und etwa 20 Minuten köcheln lassen. Zum Schluß die Melasse einmischen.
HINWEIS: Haferschleim sollte sofort aufgetischt werden und nicht über längere Zeit warmgehalten werden. Die großen Mengen allerdings, die in einem mittelgroßen bis großen Arbeitshaus benötigt wurden, machten es erforderlich, dass mit der Zubereitung bereits am Vorabend begonnen werden musste. Das wirkte sich erheblich auf den Geschmack aus.

Suppe
Zutaten
Fleisch - ohne Knochen, in kleine Würfel geschnitten - 3 Unzen
Knochen - klein gehackt - 3 Unzen
Erbsen oder Linsen oder Bohnen - gut gewaschen - 2 Unzen
Salz & Pfeffer
Haferflocken - ½ Unze
Gemüse (z. B. Möhren, Rüben, Zwiebeln, Lauch) - gut gewaschen und sehr fein gehackt - 1 Unze
Kräuter nach Belieben
Zubereitung
Die Knochen (in einem Netz) und das Fleisch mit einer Prise Salz in einem Topf mit Wasser geben und zum Kochen bringen. Den Schaum an der Oberfläche abschöpfen und das Gemüse und die anderen Zutaten zugeben. Für ungefähr vier Stunden köcheln lassen. Zum Schluß das Netz mit den Knochen herausnehmen und servieren.

Milchreis
Zutaten
Reis (oder Grieß oder Sago) - gewaschen - 3 Unzen
Zucker - ½ Unze
Wasser - ½ Pint
Milch - ½ Pint
Salz - Prise
Fett (zum Einfetten)
Zutaten
Den Reis im Wasser kochen. Den gekochten Reis zusammen mit der Milch, dem Zucker und dem Salz in gut eingefetteten Kochgeschirr in einem Ofen langsam für etwa 75 Minuten backen.

Brühe
Zutaten
Fleischfond - 1 Pint
Gemüse (z.B. Möhren, Rüben, Zwiebeln, Lauch) - gut gewaschen und sehr fein gehackt - 2 Unzen
Bratfett - ½ Unze
Salz & Pfeffer
Kräuter nack Belieben
Zubereitung
Das Gemüse für etwa 10 Minuten sanft im Bratfett anbraten. Den Fleischfond zugeben und etwa 20 Minuten kochen.

(Quelle: http://www.epsomandewellhistoryexplorer.org.uk/WorkhouseRecipes.html)

Ich hoffe, ich habe es halbwegs korrekt übersetzt. Vielleicht mag es der ein oder andere ja mal nachkochen und uns hier berichten.

Andromeda1933:
Arme Teufel, die ansonsten „alternativ“ hungern müssten, sind nicht wählerisch. Ich glaube, ein großes Problem der armen Menschen sollten die Gewürze gewesen sein, mit denen man so einiges halbwegs schmackhaft machen kann. Gewürze waren damals sicher noch sehr teuer, wegen der langen Schiffspassagen aus Indien usw.

Shadow Ghost:
Ich denke einmal, dass die Leute damals weniger "exotische" Gewürze verwendet haben als wir heutzutage (mal abgesehen vom Pfeffer, der in den Rezepten vorkommt). Sie werden vielmehr auf heimische Gewürze zurückgegriffen haben. Als ich beispielsweise während des Kochens eines Gulaschs gemerkt habe, dass ich keinen Kümmel mehr im Haus habe, habe ich mal gegoogelt, was die Leute früher alternativ verwendet haben. Da hieß es, dass früher Dill "der Kümmel des armen Mannes" gewesen sein soll. (Hat übrigens sehr gut geschmeckt, zwar nicht nach Kümmel, aber doch sehr gut und mal ne Abwechslung).

Und so dürfte es statt der exotischen Gewürze eben heimische gegeben haben: Bärlauch, Minze, Waldmeister, ...

Lestrade:
Eine große Rolle könnte auch Fisch (Barnett war ja z.B. Fish-Porter) gespielt haben, vielleicht bei den Gewürzen auch Curry…

Da die Opfer schon angesprochen wurden, hier noch einige Aussagen:

Chapman:

“The stomach contained little food, but there was not any sign of fluid”

Um 1.35 Uhr soll Annie aber noch eine “baked potato“ gegessen haben (wie von Shadow bereits erwähnt).

Stride:

“It contained partly digested food, apparently consisting of cheese, potato, and farinaceous powder (flour or milled grain).”

Eddowes:

“I removed the content of the stomach and placed it in a jar for further examination. There seemed very little in it in the way of food or fluid, but from the cut end partly digested farinaceous food escaped.”

Kelly:

“In the abdominal cavity there was some partly digested food of fish and potatoes, and similar food was found in the remains of the stomach attached to the intestines."

Aber okay, lasst uns lieber bei Rezepten bleiben…

Andromeda1933:
Ohne es wirklich zu wissen bin ich der Meinung, dass die Kartoffel und viel Brot den Hauptbestandteil der Mahlzeiten armer Leute war. Billig und nahrhaft. Fleisch (und dieses sicher nur von geringer Qualität) gab es bestimmt nur am Sonntag, falls überhaupt. Fische konnte man sich ggf. auch selbst angeln, sollte also öfter auf dem Teller gewesen sein.

http://www.victorianlondon.org/index-2012.htm

Unter Food&Drink, Cookery books    steht so einiges, aber mehr über die Küche „besserer Leute“

Diese Adresse ist ohnehin eine Fundgrube!

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