Die Opfer > Chapman, Annie

Der adleräugige Mann und der Chapman-Mord

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Isdrasil:
Hi

Ich habe lange überlegt, ob ich diesen Post zu den Zeugen oder zu Chapman stellen sollte. Da allerdings das Interesse durch die Behandlung des Chapman-Mordes entstand und der Bericht insgesamt Aussagen von drei Zeugen beinhaltet, sehe ich ihn hier als richtig platziert an.

Aus dem Daily Telegraph vom Montag, den 10. September 1888:

"Mrs. Fiddymont, Ehefrau des Besitzers des Prince-Albert Pubs, der an der Ecke Brushfield und Stewart Street eine halbe Meile vom Tatort entfernt liegt, sagte aus, dass sie gestern morgen gegen 07:00 Uhr mit einer Freundin an der Bar stand und sich unterhielt. Plötzlich kam ein Mann mit einer rauen Erscheinung in den Pub. Mrs  Fiddymont war durch seine Erscheinung verängstigt.
Er trug einen braunen  Hut, einen dunklen Mantel und keine Weste. Er hatte seinen Hut über die Augen gezogen, das Gesicht teilweise verdeckt, und bestellte einen halben Pint Bier. Fiddymont schenkte ihm das Bier ein, während sie ihn im Spiegel hinter der Bar beobachtete. Als der Mann dies bemerkte, drehte er ihr den Rücken zu. Mrs. Fiddymont zuckte zusammen, denn sie bemerkte auf dem rechten Handrücken Blutspuren. Dies, zusammen mit der Erscheinung des Mannes, verunsicherte Mrs. Fiddymont stark. Sie bemerkte zudem, dass sein T-Shirt zerrissen war. Gleich nachdem er das Bier in einem Zug getrunken hatte, ging er nach draußen.
Mrs. Mary Chappell, eine Freundin Fiddymonts, die nebenan in der Stewart Street No. 28 wohnte, bestätigt und bekräftigt die Aussage Fiddymonts. Als der Mann in den Pub kam, habe der Ausdruck in seinen Augen – sein Blick war erschreckend und Furcht einflößend - ihre Aufmerksamkeit geweckt. Mrs. Fiddymont war durch den Blick so verängstigt, dass sie Chappell bat, hier zu bleiben. Der Mann trug ein hellblaues Shirt, welches an der rechten Schulter stark zerrissen war, beinahe schon in Fetzen. Unter seinem Ohr befand sich ein schmaler Streifen Blut, parallel zum Kragen seines Shirts. Zwischen seinen Fingern befand sich getrocknetes Blut. Als er den Pub verließ, ging Mrs. Chappell durch die andere Tür und beobachtete den Mann, der in Richtung Bishopsgate-Street ging. Sie rief Joseph Taylor herbei, und dieser folgte dem Mann.
Taylor ist ein Bauhandwerker und wohnt in der Stewart Street No. 22, und hat ausgesagt, dass er den Mann verfolgte, sobald dieser seine Aufmerksamkeit geweckt hatte. Taylor lief zügig und holte den Mann ein, sprach ihn jedoch nicht an. Er beschreibt den Mann als schmächtig, etwa 5 Fuß 8 Inch groß, und zwischen 40 und 50 Jahre alt.  Er machte einen schäbig-vornehmen Eindruck, trug „pepper and salt“ Hosen, die schlecht saßen, und einen dunklen Mantel. Als Taylor ihn eingeholt hatte, blickte ihn der Mann flüchtig an. Taylor beschreibt den Blick wie folgt: „seine Augen waren so wild wie die eines Adlers“. Der Mann hielt seinen Mantel am Kragen zusammen. Er wurde durch Taylor nervös und beinahe verängstigt. Der Mann trug einen rotfarbenen Oberlippenbart und hatte kurzes, dunkelblondes Haar. Taylor gab auf, ihm zu folgen und beobachtete ihn bis zur Halfmoon-Street…"

Verwirrend ist für mich die Entfernung des Tatortes zum Pub und die dazugehörenden Zeitangaben. Setzt man den Mord an Annie Chapman auf 05:45 Uhr und glaubt den Zeugenaussagen, so liegen zwischen beiden Ereignissen ca. 75 Minuten.
Vergleicht man dies nun mit dem Double-Event und der Strecke Berner Street – Mitre Square, so sieht man, dass diese Strecke durch verwinkelte Strassen beinahe doppelt solange ist und daher in etwa die doppelte Zeit beanspruchen müsste. Von den Befürwortern des Doppelmordes wird allerdings das Zeitfenster von ca. 20 Minuten, welches dem Ripper zum Zurücklegen der Strecke zur Verfügung stand, als ausreichend angesehen.
Ich hoffe, man kann aus der professorischen Datei unten etwas ablesen. Man erkennt in etwa die Lage des Tatortes und des Pubs.

Die Frage stellt sich: Was machte der Ripper solange zwischen dem Mord und der Sichtung in diesem Pub? War der Mann überhaupt der Ripper? Und wenn nicht, weshalb verhielt er sich so verdächtig?

Grüße, Isdrasil

Pathfinder:

danke herr kollege, geht doch und auch noch schnell wenn man nur will  :icon_thumb: :icon_wink:

also ich finde diesen "vorfall" schon interessant. was deine fragen betrifft, so kann ich nur zu einem sagen, er hatte sich irgendwo verstecken müssen (aus welchen grund kann man ja bei gelegenheit im chat vertiefen), da er ansonsten evtl. aufgeflogen wäre. das verdächtige verhalten kann natürlich mit der tat zu tun gehabt haben. wenn man einen menschen töte kann es durchaus vorkommen, das man sich unfreiwillig verdächtig verhält.

und zu deiner letzten und allerwichtigsten frage, war dies jtr. also isdrasil, wenn wir das wüssten  :icon_confused:
wenn ich meine meinung hier kundtun darf, ich würde sagen durchaus möglich.

Isdrasil:
Hi

Ich möchte hier noch einen kleinen Vergleich der Zeugenaussagen von Mrs. Long und den Leuten aus dem Pub anstellen (und hoffe, Pathfinder versteht das - schließlich war er es, der es im anderen Thread hat anklingen lassen):

Long sah Chapman gegen 05:30 mit einem Mann vor dem Haus in der Hanbury Street stehen, in dem der Mord begangen wurde. Sie beschrieb den Mann folgendermaßen:
Dark complexion, brown deerstalker hat, possibly a dark overcoat. Aged over 40, somewhat taller than Chapman. A foreigner of "shabby genteel."

Zum Vergleich die Attribute des "Adleraugenmannes":
Brauner Hut, dunkler Mantel, Alter zwischen 40-50 Jahre, Größe ca. 5 Fuß 8 Inch (Chapman war 5 Fuß groß), ein schäbig-vornehmer Eindruck (shabby-genteel - kann man das so übersetzen?).

Man könnte einerseits feststellen, dass die Attribute beider Sichtungen in allen Punkten übereinstimmen. Doch andererseits handelt es sich doch um sehr allgemeine und vor Allem alltägliche Beobachtungen. Ein Mantel und ein Hut gehörten in London zu dieser Jahreszeit schon zum täglichen Bild, der "shabby-genteel"-Look dürfte auch jeden zweiten, dritten Mann betroffen haben, und das Alter ist auch kein Beweis. Wir haben hier keine individuellen Merkmale wie eine bestimmte Tätowierung oder etwas in der Art. Doch reicht die Summe dieser Dinge trotzdem aus, um die beiden Aussagen zusammen zu bringen?

Grüße, Isdrasil

Pathfinder:

ausreichend ist relativ. ok, auch wenn die kleidung eher alltäglich sein düfte und handgemenge, rauferein ect ebenfalls an tagesordnung war, so ist zumindest die zeitliche "nähe" einfach interessant. klar 75 min. ist ne menge holz, aber ich glaube auch nicht, dass jemand gleich nach einem mord in die nächste kneipe rennt und sich ein bier runterkippt.

aber wie du bereits geschrieben hast, es sind drei punkte, die zusammen passen könnten, das blut an den fingern und unterm ohr und das ist nicht wenig.

man müsste die ganzen zeugenbeschreibungen über die personen vergleichen, die irgendwie in der mordserie aufgefallen sind. vielleicht gibt es ja die eine odere andere, die dieser beschreibung ähnelt.

JohnEvans:
Wenn dieser Mann der Täter wäre, warum ist er 1,5 Stunden nach der Tat immer noch in der Gegend? Und geht in dem Zustand in einen Pub? Er, der ansonsten so vorsichtig war, sich nicht sehen zu lassen.
Und diese Verletzungen? Woher sollen sie sein? "Keine Kampfspuren" hieß es in den Berichten. Wenn Annie nicht mit ihm gekämpft hatte, hatte er auch keine Verletzungen. Falls er welche gehabt hätte, so hatte er Zeit, die Spuren zu beseitigen - es gab öffentliche Brunnen.

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