Autor Thema: Das GSG  (Gelesen 47071 mal)

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Offline Lestrade

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Re: Das GSG
« Antwort #45 am: 28.07.2010 11:43 Uhr »
Einen guten Morgen an alle!

Was für eine hervorragende Diskussion, fabelhaft. Erstklassige Arbeit panopticon. Ich stelle fest, jeder Gedanke, jede Meinung die hier zum Vorschein kommt würde einen Sinn machen, zeigt uns aber auch die Bandbreite gewisser Möglichkeiten an. Die Basisinformationen die wir besitzen, lassen das auch zu. Wo also können wir nun ansetzen, um zumindest in eine Richtung zu pendeln, uns in etwas "festzulegen"?

Beim Täter selbst, meine ich. Was können wir definitiv zu ihm sagen?

Er war ein unorganisierter Täter und seine "Mission" war die, die Straßen von den Prostituierten zu "reinigen". Demzufolge war er nur schwach- mittelmäßig intelligent, er wählte spontan seine Opfer aus, die aber auf jedenfall Prostituierte sein mussten, er personalisierte sie aber nicht bzw. versuchte ihre Persönlichkeit auszuschalten, indem er ihre Gesichter verstümmelte (Eddowes, Kelly). Letzteres hing vielleicht damit zusammen, das er diesen Opfern schon einmal begegnet war oder vor der eigentlichen Ermordung mit ihnen einen gewissen Zeitraum verbracht hatte (ca.1 Stunde dürfte gereicht haben, damit dieser Mann darin etwas "persönliches" sah). Möglich auch, das es ein gewisser Ausdruck in ihren Gesichtern ihn dazu animiert hatten. Er kannte die Umgebung seiner Opfer, er kannte Prostituierte, die er vermutlich allgemein "stalkte". Der Umgang mit Prostituierten und das gesehen werden mit ihnen, dürfte keinen Stress für ihn bedeuten haben. Darin war er erfahren und routiniert bis bekannt.
Entscheidend für ihn war aber die Ermordung von P R O S T I T U I E R T E N, die er wohl als Schande empfunden hatte und die es auszurotten galt. Ohne jegliche Schuldgefühle. In seinen Augen tat er der Gesellschaft etwas gutes. Den Opfern dürfte er ängstlich bis unsicher begegnet sein, was er aber versucht haben wird zu kompensieren. Durch einen gewissen Charme, kleinen Gaben oder ähnlichem. Die weitere Verbindung seiner Taten, zu seiner eigentlichen Sexualität, dürfte nur in seiner Fantasie stattgefunden haben und nicht am Tatort direkt (deshalb auch Trophäen o.ä.) und auch nur danach. Sex für ihn fand nur in seiner Fantasie statt (mit allem pervertierten Gedankengut). Falls er Geschwister hatte, entspricht sein Typus nicht der eines älteren Geschwisterteils oder n u r die eines älteren. Hatte er z.B. einen Bruder, war er der jüngere von Beiden. Würde solch ein Mann und gerade nach solch einer Nacht, tatsächlich solch eine Spur mit dem Graffiti hinterlassen? Das Schürzenteil hatte er sicherlich auch nicht mit "voller Absicht" dort liegengelassen. Ein organisierter Täter hätte vielleicht die Kommunikation gesucht, irgendwann, aber bestimmt keine Spuren auf seinen Fluchtweg gelegt. In dem Falle dann sogar zwei Spuren. Es gab schon die doppelte Verneinung im Grafitti und nun noch eine doppelte Spur? Es spricht eher für etwas unorganisiertes beim Täter, nämlich das er das Schürzenteil überhaupt "verliert", ausgerechnet unter dieser Art von Graffiti. Nur das Schürzenteil oder nur das Graffiti okay aber am Ende beides? Diese Konstellation Graffiti/ Schürzenteil wirkt chaotisch und passt zum Typ Jack the Rippers. Und von diesem Typ wissen wir (siehe Stordfield), dass sie nicht kommunizieren. Ich lege für mich vorerst fest, das der Ripper das Schürzenteil dort zurückliess aber nicht der Verursacher des Graffiti war. Erschwerend kommt noch hinzu, das in diesem Gebiet schon ein kleines, neues "Polen" entstanden war und einige Zeugenbeschreibungen eben auf einen "Nichtengländer" hinweisen. Übersetzt heißt es, wir müssen von einer 50:50 Chance ausgehen, das der Täter tatsächlich anderer Nationalität war und dann solches Graffiti zu schreiben, wäre zwar nicht gänzlich unmöglich aber kaum wahrscheinlich.

Was will ich wieder einmal sagen?

Es gibt zwei Möglichkeiten, den organisierten und den nicht organisierten Serienkiller. Jack war zweifelsohne der nicht organisierte. Das zeigt uns gerade die Nacht des DoubleEvents. Es gibt keine Anzeichen für irgendetwas planvolles. Und ein planender Täter hätte keine doppelte Spur gelegt. Nicht an dieser Stelle, nicht in dieser Nacht, nicht auf diese Art. Ein unorganisierter Täter kann aber gut solch ein Teil ausgerechnet unter solch einem Graffiti verlieren, das (und das können wir im Jack the Ripper Fall wahrlich nicht ausschließen) möglicherweise auch noch auf seine Nationalität hindeutet und in die Richtung seines Lebensmittelpunktes weist. In doppelter Ausführung. Was empfinde ich bei der Betrachtung dieser Angelegenheit? Unberechenbarkeit, Chaos, Unlogik und nichts gegenteiliges. Attribute die zur Persönlichkeit des Rippers passen. Deshalb keine Graffiti von Jack the Ripper.

Grüße, Lestrade.
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Stordfield

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Re: Das GSG
« Antwort #46 am: 28.07.2010 12:06 Uhr »
Hallo Lestrade!

Ein richtig gutes Profil, das Du da erstellt hast! Könnte ich so schreiben, wie Du, dann wären meine Worte beinahe exakt so ausgefallen.
Mach weiter so!

Gruß Stordfield

Offline Lestrade

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Re: Das GSG
« Antwort #47 am: 28.07.2010 16:18 Uhr »
Vielen Dank Stordfield! Werde ich. Ich habe noch einiges in petto. Denn wir haben ja Zeit...

Liebe Grüße,

Lestrade.
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Offline Lestrade

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Re: Das GSG
« Antwort #48 am: 28.07.2010 17:30 Uhr »
Hier noch etwas für dich Stordfield, allerdings kurz vom Thema weg.

Hier siehst du, zwischen der Sekunde 20-30, eine gute Interpretation des Äußeren des Rippers, wie ich finde. Er erscheint während dieser Dokumentation noch in einigen anderen Sequenzen, wo auch Größe und Statur gut passen. Jedenfalls würde ich ihn nach den Zeugenbeschreibungen so aussehen lassen.

http://www.youtube.com/watch?v=JKdytcr8ANg&feature=related

Hier ist auch schwierig das Alter zu erraten, er kann 25 sein oder 35 Jahre alt sein. Gut gemacht muss ich sagen.

Lestrade.
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Offline Claudia

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Re: Das GSG
« Antwort #49 am: 29.07.2010 06:25 Uhr »
Hi Lestrade!

Respekt für Deine Ausführungen, einige Punkte sehe ich persönlich aber garnicht als so "gesichert" an...
Seine Mission war, die Strassen von Prostituierten zu reinigen? Glaub ich eher nicht, für ihn waren Prostituierte nur die leichtesten Opfer, ich kann da noch nichtmal gesichert einen Hass auf selbige erkennen, nicht zwingend.
Du nimmst da vieles an, das sein kann, vielleicht sogar teilweise wahrscheinlich ist, für mich aber noch lange nicht sicher.
Ich mag mich auch nicht zu den Familienverhältnissen, der Sexualität usw festlegen, kann alles sein, muß es aber keinesfalls.
Auch die Begriffe "organisierter" oder "unorganisierter" Täter entstammen eher der neueren Geschichte und berücksichtigen eher weniger die damaligen Lebensverhältnisse.

Will heißen: Auch ein potentiell organisierter Täter könnte als unorganisierter auftreten, wenn er keine andere Wahl hat.
Ob dieser Täter kommuniziert hat oder nicht (wobei ich das GSG nicht kommunikativ einordne), dazu können wir meines Erachtens genau null sagen, wie zu den meisten Aspekten in diesem Fall (zB auch der Intelligenz des Täters).

Grüße, Claudia




Offline Lestrade

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Re: Das GSG
« Antwort #50 am: 29.07.2010 10:41 Uhr »
Guten Morgen Claudia!

Natürlich nehme ich Dinge an oder muss es. Es ist mir lieber als zu mich zu äußern: "mein Gefühl sagt mir, es muss so gewesen sein"

Wo siehst du einen organisierten Täter? Für meinen unorganisierten Täter kann ich zumindest die auf der Straße ermordeten (und zwar an Ort und Stelle) und dort auch einfach liegengelassenen Opfer verweisen. Er hat sie zu nichts gezwungen, hatte also keine Hilfsmittel dabei und ihn störte auch nicht die Polizei. D i e s e r Mann machte sich einfach k e i n e Mühe. Dieses Verhalten läßt Rückschlüsse auf sein Leben zu. Da hatte er wohl nichts zu "verwalten". Die Chance hier einen netten, sauberen und fürsorglichen Familienvater als Täter zu finden, der seinen Alltag penibel plante, sehe ich als nahezu bei null an. Ein unorganisierter Täter kann sicherlich lernen organisierter zu werden und da hatte der Ripper allen Grund zu. Er hatte sich da auch verbessert indem er Kelly in einem Raum ermordete wo sie nicht sofort gefunden werden konnte. Täter lernen eben auch, viel dürfte es aber bei ihm nicht gewesen sein. Ein organisierter Täter verändert sich aber nicht zum schlechten, zum unorganisierten Täter, er kann Fehler machen ja aber wo erkennst du solche Tatabläufe beim Ripper? Nichols, Chapman möglicherweise Tabram waren genau wie der DoubleEvent, vom gleichen Verlaufstypus. Diese Unorganisiertheit stellt keine Ausnahme da. Eben weil der Täter so war. Wenn man anfing das zu unterteilen sollte doch wohl keine Rolle spielen. Profiling gab es damals auch nicht. Wollen wir jetzt sagen, was es damals nicht gab nutzen wir eben heute nicht? Was ist das für eine Art? Organisierte oder weniger organisierte Menschen gab es schon immer. Ich verstehe nicht was du da willst.
Betrunkene Prostituierte waren für ihn die leichtesten Opfer. Was war dann seine "Mission"? Kein Hass? Ich frage erneut, wie diese armen Frauen ausgesehen hätten, wenn Hass, wie du ihn dir vorstellen musst, im Spiel gewesen wäre. Der Gründe, warum Menschen wie der Ripper solche grauenvollen Taten begehen, haben ihren Beginn in frühester Kindheit und manifestieren sich später immer mehr. Jack the Ripper´s Hass gegenüber der Prostitution oder gewissen Prostituierten entstand in seiner Kindheit, sonst hätte dieser sich nicht so tief eingegraben. Demzufolge dürfte seine Mutter, Oma, Schwestern, Tante oder irgendwelche anderen weiblichen Erziehungsberechtigten einen sehr traumatischen Eindruck bei ihm hinterlassen haben. Wie eine alkoholkranke Mutter, die Männer wie die Unterwäsche wechselte oder eine inaktiven bzw. fehlenden Vater. Oder wie denkst du, entstehen solche Probleme?
Manche Dinge, die in ein Profil oder drumherum von Serienkillern auftauchen, finden wir auch in der ganze normalen Psychologie wieder. Den organisierte oder den unorganisierten Menschen, den Einzelgänger oder den Familienmenschen usw. aber irgendwelche Kriterien muss man ja nun mal erstellen um einen Überblick zu bekommen.
Warum nun ein jüngerer Bruder? Auch hier wieder das Verhalten des 0815 Menschen, so wie sich eben Familien entwickeln. Wir Menschen unterschätzen das enorm. Jeder von uns hat Mutter und Vater und oft meist auch Geschwister. Das sind unsere ersten Beziehungen die uns prägen und unser Leben bestimmen. Niemand kann das von sich weisen, es ist gegen die Natur. Ich habe 6 Geschwister. 5 Schwestern, meine jüngste Schwester ist 5 Jahre älter als ich, wurden zuerst geboren. Bei meiner Geburt war meine älteste Schwester bereits 17 Jahre. Mein einziger Bruder wurde ein Jahr nach mir geboren. Es gab also die 5 Schwestern, einen Break und dann kam ich und mein Bruder. Meine 5 Schwestern würden sich sehr ähneln und zwar jede für sich mit den Schwestern aus einer ähnlichen Familie. Das sind Muster, die man dort im Verhalten annehmen kann, weil es eben ein Teil menschlicher, familärer und persönlicher Entwicklung darstellt. Ich bin der ältere Bruder, der organisiertere, der fürsorgliche, der beschützende, das bringen diese Rollenspiele in einer Familie eben mit sich. Genau weil ich diese Aspekte austrage, gehen diese meinen Bruder ab, bzw.waren nicht so ausgeprägt. Natürlich lernt der Mensch und verändert sich, er reift (hoffentlich) so haben natürlich auch ich und mein Bruder solche Prozesse durchgemacht bzw. sind Zeit Lebens in solchen drin. Der Ripper zeigte eben, das er nicht unbedingt der Leader bzw. "ältere Bruder" war. Ich würde nie den Kopf eines oder mehrere Geschwisterpaare als Ripper erwarten. Ich erkenne da einfach nichts.
Und wie gesagt, besondere Intelligenz sehe ich nirgends in den Tatabläufen, Gerissenheit ja aber Gerissen kann der größte Dummkopf sein. Wenn du Null dazu sagen kannst, muss du weder etwas intelligentes noch etwas geringeres intelligentes erkennen können. Da würde ich an deiner Stelle mal genau hinschauen, weil das kann nicht sein. Dann wärst du ein medizinisches Wunder. Naja, ob dieser Täter unter diesen Umständen Geschlechtsverkehr ausüben konnte, möchte ich wohl stark bezweifeln. Dann hätte er sich komplett umziehen müssen und überhaupt, mit den Hosen bis auf die Knöchel, wäre ein Flucht kaum dringewesen. Hätte er onaniert, hätte man Spuren gefunden und warum sollte er es in die Hosen gehen lassen? Nicht das es ihn nicht erregte, das meine ich nicht, kann ich auch nicht sagen, woher sollen wir das auch wissen? Aber es ist eben ein anderes Lustempfinden bei den Dingen die er getan hat als es Leute wie du und ich es empfinden. Und eben auch mit anderen Abläufen. Ich kann mir da nichts Normales für den Täter vorstellen. Also bleibt das Gegenteilige übrig. Ein großer Redner war dieser Mann bestimmt nicht. Über was sollte er auch großartig reden? Er war Jack the Ripper. Der ist damit nicht hausieren gegangen und hatte kein Background wie ein vielleicht organisierter Täter, der sich hinter seiner biederen Maske doch recht sicher fühlen kann. Der redete vielleicht nach ´nem Glas Bier etwas mehr oder zweien. Den kann ich mir vorstellen, eine halbe Stunde neben einer Prostituierten zu stehen und 3 Worte zu sagen und sonst nur zu starren. Die Prostituierten bestimmen bei solchen Männer die Konversation, nicht umgekehrt.
Nehme es mir nicht übel Claudia aber ich finde man muss nicht unbedingt studiert haben um gewisse Aussagen treffen zu können. Ich habe es schon einige Male erwähnt, ich beanspruche hier nichts auf Richtigkeit. Es sind meine aufrichtigen Gedanken, die ich mir darum mache, manches wird stimmen, manches eben nicht und einiges ist eine Tatsache, wie z.B. das der Täter sich keine Mühe mit seine Opfern machte. Angesprochen, plötzlich angegriffen, ermordet, verstümmelt, liegengelassen und weg. Das er mit Organen keine Tagesreise machte dürfte doch klar sein. Der war bequem, gab sich keine Mühe, diese Art von Täter "reist" nirgendwo hin. Das war ein Local Man. Diskutieren können wir hier über alles. Wenn man allerdings dies nicht glaubt und jenes, das nicht sein kann und das auch nicht und man da null erkennt usw. und so fort, dann erzähl uns doch mal im Detail, wie du dir die einzelnen Dinge erklärst. Dann wird die Geschichte hier vielleicht auch ausgewogener, in jeglicher Hinsicht.

Liebe Grüße,

Lestrade.
 
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Raison-d-eatre

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Re: Das GSG
« Antwort #51 am: 29.07.2010 12:28 Uhr »
Ich reihe mich auch einmal in die Diskussion ein.

Natürlich ist es auch erforderlich, Dinge anzufügen, derer man sich nicht sicher ist. Es ist einfach schon zu viel Zeit vergangen, um eindeutige Aussagen diesbezüglich zu treffen.
Allerdings stimme ich Claudia zu.

Zitat
Was war dann seine "Mission"? Kein Hass?
Ich glaube nicht, dass er sie unbedingt gehasst haben muss.
Es könnte doch auch sein, dass es ihn psychisch-sexuell erregt hat Frauen zu ermorden. Prostituerte waren vielleicht einfach nur die leichtere Opfer. Oder er hätte sie genommen, weil sie quasi "Abschaum der Gesellschaft" waren. Vielleicht, weil er keinen Hass auf die Gesellschaft hatte, oder aus anderen Gründen.

Zitat
Jack the Ripper´s Hass gegenüber der Prostitution oder gewissen Prostituierten entstand in seiner Kindheit, sonst hätte dieser sich nicht so tief eingegraben.
Das ist etwas wage, nicht? Vielleicht ist er im Laufe seinens Lebens selbst dazu gekommen? Vielleicht hat er irgendwann im Erwachsenenalter entdeckt, dass es ihn erregt, wenn Frauen leiden? Wenn man den Gedanken weiter verfolgt könnte man auch vermuten, dass etwas in seiner Beziehung / Ehe /.... nicht stimmte, oder er brauchte einfach einen zusätzlichen "Kick"?

Deine Argumentation zu den Familienverhältnissen bezüglich der Geschwistr finde ich sehr schlüssig.

Zitat
ob dieser Täter unter diesen Umständen Geschlechtsverkehr ausüben konnte, möchte ich wohl stark bezweifeln
Möglich wäre das natürlich schon, ich persönlich gehe aber davon aus, dass das überhaupt nicht sein Ziel war und er keinen Geschlechtsverkehr brauchte!

Zitat
Ein großer Redner war dieser Mann bestimmt nicht. Über was sollte er auch großartig reden? Er war Jack the Ripper.
Das ist etwas hoch gegriffen finde ich. Es gibt keinerlei Hinweise auf irgendeine Art des Konversationsverhaltens. Es gibt viele Arten von Menschen - unabhängig von Intelligenz - da kann man nicht auf einen besonderen Typen schließen. Es gibt zu wenig über die Persönlichkeit des Rippers zu sagen und zu viele Möglichkeiten.
Vielleicht hat er gern geplaudert? Vielleicht unterhielt er sich über aktuelle Geschehnisse (abseits vom Ripper)? Vielleicht unterhielt er sich über den Ripper und gab sich als "Beschützer"? Vielleicht hat er es auch genossen ihnen Angst zu machen, sobald er sich ihrer sicher sein konnte.

Zitat
Der war bequem, gab sich keine Mühe, diese Art von Täter "reist" nirgendwo hin.
Auch das finde ich etwas wage. Es gibt genug Menschen, die sich ab und an komplett untypisch verhalten. Die genau gegensätzliche Dinge tun. Vielleicht war er auch geschäftlich unterwegs? Man kann nicht viel darüber sagen, denke ich.

Zuletzt möchte ich ganz kurz anmerken: Ich empfinde den Beitrag etwas unhöflich und es absolut unangebracht zu sagen "Man muss ja nicht darüf studiert haben". Alle hier im Forum können falsch liegen, sogar Sie!

Stordfield

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Re: Das GSG
« Antwort #52 am: 29.07.2010 12:37 Uhr »
Hallo!

Alle hier im Forum können falsch liegen, sogar Sie!

Nichts anderes hat Lestrade gesagt. Siehe:
Ich habe es schon einige Male erwähnt, ich beanspruche hier nichts auf Richtigkeit.
Lestrade.

Gruß Stordfield

Raison-d-eatre

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Re: Das GSG
« Antwort #53 am: 29.07.2010 12:39 Uhr »
Ja natürlich!  :icon_biggrin: Das ist mir nicht entgangen.
Ich meint nur: man sollte vielleicht nicht persönlich werden.

(Aber das ist OT)

Offline Shadow Ghost

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Re: Das GSG
« Antwort #54 am: 29.07.2010 12:59 Uhr »
Für meinen unorganisierten Täter kann ich zumindest die auf der Straße ermordeten (und zwar an Ort und Stelle) und dort auch einfach liegengelassenen Opfer verweisen. Er hat sie zu nichts gezwungen, hatte also keine Hilfsmittel dabei und ihn störte auch nicht die Polizei. D i e s e r Mann machte sich einfach k e i n e Mühe.

Mal abgesehen davon, dass die Einteilung in "organisiert" und "unorganisisert" noch aus den Embryo-Tagen des Profilings kommt (verwendet das FBI diese Einteilung eigentlich noch?), so gibt es doch auch "organisierte" Aspekte beim Ripper, denn er hatte sehr wohl Hilfsmittel dabei, nämlich sein Messer. Dies hatte er nicht nur dabei, er hat es sogar wieder vom Tatort mitgenommen. Das verlangt also schon ein gewisses Maß an Planung und Überlegtheit. Sicherlich aber ist er kein reiner "organisierter" Täter wie ihn sich das FBI vorstellt, aber eben auch (in meinen Augen) kein rein "unorganisierter" Typus.

Offline panopticon

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Re: Das GSG
« Antwort #55 am: 29.07.2010 13:17 Uhr »
Hi.

Generell ist diese dichotomische ´Kategorisierung´ von ´organisiertem/nichtorganisiertem Täter´, wie Shadow Ghost bereits erwähnte, empirisch eigentlich gar nicht wirklich überprüfbar und entspricht auch nicht dem aktuellen Stand der Wissenschaft. Was Kommunikation betrifft, die hier ja eigentlich durch das GSG auch das Thema ist: Selbst in dieser veralteten ´Typologisierungsmethodik´ ist auch der so genannte ´unorganisierte Tätertyp´ jemand, der sehr wohl, aber eben nur minimal (!, soll heißen: eigentlich nur durch seine Taten selbst) kommuniziert, denn um das Watzlawick´sche metakommunikative Axiom zu zitieren: ´Man kann nicht nicht kommunizieren.´ Dementsprechend ist beispielsweise jeder Schnitt, den der Täter setzte, klarerweise Kommunikation und  ebenso die Wahl der Tatorte. Gerade letztere liefert in unserem Fall an sich ein sehr gutes  Bild von der Wahrnehmung und Gedankenwelt des Täters: Das Parallelgramm (bzw ohne Stride: Dreieck), das sich aus diesen täterspezifischen Faktoren in Kombination mit der Stadtplanung in unserem Fall hier ergibt, deutet zumindest schon einmal definitiv nicht auf einen so genannten ´unorganisierten Tätertyp´ hin. Auch die zeitlichen Aspekte tun das nicht - wie aber bereits erwähnt, ist diese Kategorisierung ohnedies nicht mehr zeitgemäß. Um es abzukürzen: Wenn ich jetzt mal einen zusammenfassenden Blick auf alles, was ich über den Täter bisher gesammelt habe, werfe und ein aktuelles Resümee abliefern müsste, müsste ich mich eigentlich darauf einigen, dass es am wahrscheinlichsten ist, dass wir es hier mit einem doch einigermaßen berechnenden Täter zu tun haben, der aber den Eindruck erwecken wollte, dass man es hier mit einer ziemlich ´unorganisierten Person´ zu tun hätte, was in dieser Reinform absolut nicht der Fall war. Die mittellosen Frauen wählte er, wenn ich weiter in meinen Notizen und Abwägungen schmökere, wohl wahrscheinlich als Opfergruppe, weil er wusste, wo er sie zu den von ihm gewählten Zeiten am ehesten antraf (was für Prostitution spricht) und sie leichte Opfer waren. Dass der Angriff auf Prostitution als solche das eigentliche Ziel der Mordserie war, ist möglich, aber verhältnismäßig eher unwahrscheinlich. Er scheint die Opfer eher als Objekt und ´geeignetes Mittel zu einem wie auch immer gearteten Zweck´ betrachtet zu haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Motiv des Täters rein sexueller Natur war, ist natürlich recht hoch, es gibt aber (meinen Notizen folgend) sogar wahrscheinlichere Motive.

Was hingegen das Graffito betrifft, um das es hier eigentlich geht: Das ist eines der am schwierigsten zu beurteilenden Punkte –Höchstwahrscheinlich ist, dass der Täter keine Briefe schrieb und daher wäre ihm prinzipiell auch das Graffito nicht zuzuschreiben – was stutzig macht, ist aber die Wortwahl im GSG, die sich von diversen Briefen auch erheblich unterscheidet.  Ich fürchte, dass man über den Urheber der Wandschmierage lange streiten kann, sich aber kaum eine signifikante Tendenz dabei ergeben wird, zumal die Position des GSG allein schon strittig ist. Was die Schürze betrifft, liegt die Wahrscheinlichkeit laut meiner momentanen Aufzeichnungen am höchsten, dass der Täter sie bereits bewusst vom Tatort mitnahm, um eine Spur zu legen. All diese Wahrscheinlichkeiten näher auszuführen und zu diskutieren, würde aber den Rahmen hier sprengen. Bei der Schürze werde ich es demnächst aber wohl mal angehen.

Ist jetzt alles keine ´Theorie´ von mir, weil ich prinzipiell nicht zu einer solchen neige, sondern eigentlich nur Wahrscheinlichkeiten abwäge, sondern eben nur der aktuelle Stand in meinem Wahrscheinlichkeitslisting. Die Faktenlage für die Aufstellung von wirklich vertretbaren Hypothesen ist in diesem Fall leider wirklich sehr dünn und es bleibt zu hoffen, dass noch weitere Informationsquellen auftauchen oder sich noch Anhaltspunkte finden lassen. Deshalb auch wieder zurück zum GSG.


Grüße,
panopticon
« Letzte Änderung: 29.07.2010 13:54 Uhr von panopticon »

Offline Lestrade

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Re: Das GSG
« Antwort #56 am: 29.07.2010 13:18 Uhr »
@Raison-d-eatre

Oh ja! Das wäre ja wohl auch ein weiteres Weltwunder, wenn ich richtig liegen würde. Ich halte es mit Charlie Chaplin:

Als ich mich selbst zu lieben begann,
habe ich aufgehört, immer recht haben zu wollen,
so habe ich mich weniger geirrt.
Heute habe ich erkannt: das nennt man DEMUT.


Ich finde wichtig ist über die einzelnen Dinge zu diskutieren, Fragen aufzuwerfen, Fragen zu provozieren, sich Meinungen auszutauschen. Das funktioniert hier im Forum sehr gut. Zu sagen was alles nicht gewesen sein kann ist einfach, ist sicher. Theorien oder Meinungen ein gewisses Fundament zu geben, weitaus schwieriger und vorallem viel, viel unsicherer. Ich gehe dann lieber den Weg, der vielleicht auch eine Blamage bedeuten könnte. Außerdem hast du doch eben selber etwas detaillierteres von dir gegeben, auf meine Ausführungen mit deiner Meinung oder deiner Ansicht reagiert. 1-2 Dinge hast du dabei auch für dich mitnehmen können. Das ist doch ein guter Ausstausch wie ich finde. Und zwischen all diesen Dinge kann die Wahrheit verborgen liegen oder sie lautet eben ganz anders. Viele Dinge können hier nur als vage bezeichnet werden, nach all der Zeit, da habt ihr recht. Aber ehrlich gesagt juckt mich das nicht. Ich versuche an meine Grenzen zu gehen und gebe mich eben nicht, mit dem was wir wissen, zufrieden. Das ist legitim, wie ich finde.
Es geht mir nicht ums "studieren", was ich sagen wollte war, das er die Opfer einfach liegengelassen hat, nachdem er sie blitzartig angriff und getötet sowie verstümmelt hatte. Dies wirkt für mich einfach gegenteilig zu den Tätern, die ihre Opfer entführen, fesseln, quälen, vergewaltigen und verschwinden lassen. Die waren vorsichtiger, planvoller und das sehe ich eben beim Ripper nicht. Ich finde das fällt einfach auf. Mir jedenfalls und ich bin nicht gerade ein intellektuelles oder irgendwie begabtes Musterbeispiel. Mit Kritik muss hier jeder leben, auch ich. Ich sage meine Meinung und muss eben damit rechnen, das sie nicht immer gut ankommt. Und ja, damit rechne ich meistens. Sollte ich unhöflich erscheinen, bleibt da immer noch der subjektive Eindruck jedes einzelnen Lesers. Manche nehmen es persönlich, manche eben nicht. Das ist die Entscheidung und das Problem jeden einzelnen. Das ist menschlich, das ist normal, passiert jeden Tag in unserem Leben. Auch ich mache mir ja einen Eindruck von jedem der hier schreibt. Und das sind m e i n e Eindrücke. Ich muss hier nicht mit jedem "lieb Freund" sein. Mit manche kann man, mit manchen nicht, mit manchen mit der Zeit dann doch oder vielleicht auch nicht mehr. Und das "sogar Sie", ist genauso unhöflich und unangebracht, weil es mir unterstellt recht haben zu wollen. Und das verbiete ich mir "ihrerseits". Sollte sich Claudia unwohl mit meiner Reaktion fühlen, dann tut es mir leid und bitte um etwas Nachsicht, ich kann versichern, dies war nicht persönlich gemeint.

Dennoch liebe Grüße und auf weitere spannende Diskussionen,

Lestrade.

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Offline Shadow Ghost

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Re: Das GSG
« Antwort #57 am: 29.07.2010 13:31 Uhr »
Es gibt zwei Möglichkeiten, den organisierten und den nicht organisierten Serienkiller. Jack war zweifelsohne der nicht organisierte. Das zeigt uns gerade die Nacht des DoubleEvents. Es gibt keine Anzeichen für irgendetwas planvolles. Und ein planender Täter hätte keine doppelte Spur gelegt. Nicht an dieser Stelle, nicht in dieser Nacht, nicht auf diese Art.

Ich persönlich würde, um im FBI-Jargon zu bleiben, Ted Bundy als organisierten Typus bezeichnen. Den 14 Juli 1974 verbrachte er damit, am Lake Sammamish in aller Öffentlichkeit Frauen anzusprechen, um sie in sein Auto zu locken. In zwei Fällen ist ihm das auch gelungen. Ein so planvoll vorgehender Täter wie er (er hatte sich zum Schein einen Gips um einen Arm gelegt und Frauen gebeten, ihm beim Abladen seines Bootes zu helfen, nur um sie zu seinem Auto zu locken, wo es natürlich kein Boot gab, weil er es erst nochvon zuhause holen wollte,...) hinterließ bei seinem "double event" mehr als nur eine doppelte Spur. Diverse Personenbeschreibungen führten zu einem Phantombild, seine Automarke wurde bekannt, er verwendete sogar seinen richtigen Vornamen.
Worauf ich hinaus will ist, dass auch planende Täter sehr wohl eine Menge Spuren hinterlassen können. Sicherlich erscheint auf den ersten Blick Bundys Vorgehen ausgereifter und planvoller als das, was wir beim Ripper zu sehen glauben. Aber so lange man so wenig über den Ripper weiß, insbesondere, wie er sich seinen Opfern näherte, kann man wenig über den Planungsgrad seiner Taten sagen. Sicherlich wird er keine Verletzung vorgetäuscht haben müssen, aber da seine Opfer Prosituierte waren, reichte es ja auch, sich als Freier auszugeben. Sicherlich hat er seine Opfer auf der Straße liegen lassen und nicht im Wald versteckt, aber aufgrund der damaligen Transportmöglichkeiten wird es auch das einfachste gewesen sein. Sicherlich hat er nicht einmal den Versuch unternommen, seine Opfer zu verstecken, aber ihm war eben eine schnelle Flucht wichtiger.
Wir können nicht sagen, ob er von Anfang an vor hatte, in dieser Nacht zweimal zu töten, oder ob sein Drang nach dem Mord an Liz Stride einfach noch nicht befriedigt war. Wir wissen es einfach nicht. Die einzige Person, die es uns sagen könnte, ist tot: der Ripper.

Offline Lestrade

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Re: Das GSG
« Antwort #58 am: 29.07.2010 13:35 Uhr »
Zur Kenntnis genommen Shadow...

Muss jetzt aber ersteinmal zum Friseur, nein, er heißt nicht Kosminski oder Klosowski... :icon_mrgreen:
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Offline Anirahtak

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Re: Das GSG
« Antwort #59 am: 29.07.2010 21:38 Uhr »
...
Warrens Aussage, dass das Graffiti für alle auf der Straße sichtbar war, bezieht sich übrigens wohl (das war der Grund, warum ich nochmals nachgelesen habe) darauf, dass es bereits 5.00h morgens war, als er ankam, und jeden Sonntag am Pettycoat Lane Market doch eine Menge Leute bereits sehr früh durch die Gegend liefen. Morgendämmerung war an diesem ´brillianten Herbstsonntag´ übrigens um 5.26h, Sonnenaufgang um 5.59h. In der Nacht war es aber wohl recht dunkel –abnehmender Mond, 3.Tag im letzten Viertel, die sichtbare Mondfläche zu  zwischen  39% und 29% beleuchtet.
...
Wahnsinn, ich bin immer wieder erstaunt, was du alles weißt! :icon_eek: Danke. :)

Ich bin ja sehr erstaunt, dass sich die Angaben all dieser Polizeibeamten über den Fundort so stark voneinader unterscheiden. Bei zivilen Zeugen kann das gut sein, aber für Polizisten gehört es doch zum Handwerk, vor Ort alles präzise aufzunehmen. Auch dann, wenn dieses Handwerk damals noch jung war und sie aus verschiedenen Bezirken stammten. Verstehe ich nicht, dieses Wirrwarr...  :SM006:


Zu der Diskussion, die hier gerade läuft (gehört ja eigentlich schon zum Profil-Thema):

Ich meine auch, dass man gar nicht so viele endgültige Aussagen über den Ripper treffen kann. Bspw. liegt es im Bereich des Möglichen, dass er einen Hass auf Prostituierte hatte. Allerdings ist dies nicht der einzige mögliche Schluss, da Straßenprostituierte als Opfer schlichtweg am einfachsten erreichbar waren. Andere Personen (ob weiblich oder männlich) hätte er mittels Tricks oder Entführung an den Tatort bringen müssen, was sehr viel aufwändiger gewesen wäre und auch risikoreicher. Es liegen keine Hinweise vor, dass er es von Grund auf nur auf Prostituierte abgesehen hatte - außer dem, dass alle Opfer dieser Gruppe angehörten, was ich aus obigen Gründen aber nicht als ausreichend betrachte, um dies als endgültig so festzustellen.


@ Claudia

Wieso genau ordnest du das GSG nicht als kommunikativ ein? Was meinst du, bezweckte er damit?