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War "Jack" impotent?

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Andromeda1933:
Ertragt Ihr einen laienhaften Versuch, die Person „Jack The Ripper“ zu deuten?

Als ich noch jung war (Der Kanzler hieß aber nicht mehr Adenauer), ging meine Volleyballgruppe abends oft noch ins „zweite Trainingslager“, also den Durst löschen.
Damals schlich in den Kreuzberger Szenekneipen eine Type herum, der, weil niemand seinen wirklichen Namen kannte, allgemein nur „Der Faschist“ genannt wurde. Das lag an den wenigen Sprachfetzen, die man gelegentlich von ihm verstehen konnte. „Früher war Ordnung usw.“.
Er war aber kein alter Mann, so um die Ende 30 etwa. Er sah immer aus, als würde er gegen die Sonne blicken. Die Augen zugekniffen, die Zähne bissen aufeinander, Nickelbrille, aber nicht sonderlich heruntergekommen. Ich kann mich auch nicht erinnern, ihn mal besoffen gesehen zu haben. Allerdings war er überall unbeliebt und ging wirklich jeden auf den Sack.
Einen Abend saßen wir so um die 10 Mann plus einige Freundinnen an einem großen Tisch, da kam er durch die Kneipe geschlichen, blinzelnd, sabbelnd usw. Zu meinem Entsetzen fragte ihn tatsächlich einer meiner Kumpels, ob er sich nicht setzen wollte. Das tat er dann auch und mein damaliger Freund fing mit ihm ein Gespräch an, dass ich einigermaßen mitbekam, weil ich nahe genug dran saß. Seltsam, dass mir das alles nach all den Jahren wieder einfällt. Das bringt wohl die Beschäftigung mit „Jack“ als Nebenwirkung mit sich.... Natürlich erinnere ich mich nach etwa 30 Jahren nicht mehr an vieles, aber etwas war ganz besonders.
In irgendeinem Moment hörte ich den „Faschist“ zu meinem Freund sagen, dass er Philosophie studiert hatte (kann mich aber nicht erinnern, ob er abgeschlossen hatte). UND, er habe noch nie etwas mit einer Frau gehabt.
Mein Freund versuchte mit ihm darüber zu sprechen und fragte ihn, was denn seiner Meinung nach eine Frau für ihn sei (irgendwie lautete die Frage derart – ich kriege es nicht mehr genau hin). Wichtig war aber die Reaktion. Es began ganz fürchterlich im Gesicht des Verrückten zu arbeiten an, er blinzelte immer mehr, sagte aber nichts. Das dauerte so ungefähr eine Minute, dann stand er plötzlich auf und versuchte wortlos, meinen Freund zu schlagen.
Wir entfernten ihn daraufhin ganz schnell vom Tisch und der Wirt schmiss ihn auch gleich hinaus.
Mir blieb dieses Verhalten im Gedächtnis, dass auch irgendwie zu „Jack“ passen würde.
Der „Faschist“ war mit der Frage, was eine Frau für ihn sei (oder wie auch immer die Frage wirklich lautete) völlig überfordert und seine Hilflosigkeit schlug daraufhin in Aggression um.
Seit einiger Zeit habe ich den Gedanken, dass „Jacks“ Gewalttätigkeit womöglich daher rührte, dass er impotent und/oder sozial inkompetent war.
Abgesehen davon, dass bei einer schweren Geistesstörung nun wirklich so ziemlich jedes (leider!) Szenario möglich ist, kann ich mir den Mörder durchaus ungefähr so vorstellen, wie eine Person, die hier auch recht oft erwähnt wird (den Namen habe ich jetzt vergessen...).
Ich glaube jedoch nicht so recht, dass dieses Verstümmeln der Opfer eine Art von Sex für ihn darstellte. Also, dass er dabei Lust oder Erregung empfand.
Eher scheint mir die dafür nötige – und vermutlich erst in diesen Momenten freigewordene – Gewalt das Resultat von Frustration, Hass, Enttäuschung, Angst gewesen zu sein.
Was wir heute als „emotionelle Intelligenz“ oder „soziale Kompetenz“ bezeichnen, war für Jack völlig unbekannt. Gut möglich, dass er  kein Idiot an sich war, denn mangelnde Bildung ist kein Beleg für mangelnde Intelligenz, aber in sozialer Hinsicht war er wohl ausgesprochen hilflos.
Er wusste ungefähr was Sexualität bedeutete, konnte sie aber nicht „erreichen“.
Normale Frauen ließen sich vermutlich nicht mit ihm ein, deshalb suchte er die Nähe zu Prostituierten. Denen gegenüber entwickelt man ja in aller Regel keine Gefühle der Liebe.

Gehörte er nun tatsächlich zu den zahlreichen Einwanderern aus Osteuropa? Ohne jetzt vorein-genommen zu sein, lernte er dort (auf dem bitterarmen Land) vielleicht nichts anderes als Lieblosigkeit, Trostlosigkeit und Gewalt zwischen Mann und Frau kennen. In dieser Welt war die Frau war dem Mann Untertan. In manchen Landstrichen in Osteuropa ist das immer noch der Fall. Auf einem Bauernhof wird viel geboren und gestorben. Sieht man Tiere bei der Fortpflanzung, schlachtet Tiere, weidet sie aus. Wenn man derart aufwächst, ist Blut nichts mehr, dass Ekel oder Angst hervorruft. Und das Männer ihre Frauen (und Kinder) schlugen, war sicher alltäglich.
Wer weiß, was so einer alles in seine Kindheit erlebte und ansehen musste. Man braucht zeitlich gar nicht so weit zurück gehen. In den U.S.A. beispielsweise waren in den 20/30er Jahren die weißen Landarbeiter im Süden oft noch ärmer, als viele Schwarze. Gewalt, Inzucht, Hoffnungslosigkeit, eine einzige atemraubende Spirale. Starb die Frau, nahmen einige ihre Töchter als neue „Ehefrau“. In einer vergleichbaren Welt könnte „Jack“ aufgewachsen sein.
Bevor die Morde begannen, hatte er vielleicht versucht, auf normale Weise mit einer Frau zusammen zu sein. Ich kann mir vorstellen, dass er abgewiesen wurde, weil er vielleicht unbedarft und zu grobschlächtig war und keine Zärtlichkeit zeigen konnte. Vielleicht einfach nur „ran“ wollte, wie er es von anderen gesehen hatte. Er wurde womöglich sehr schroff abgewiesen oder vielleicht auch ausgelacht. Eine Frau, vielleicht auch eine der alkoholisierten Prostituierten, könnte sich über seine (eventuell sehr kleine) Männlichkeit lustig gemacht haben. Oder auch, weil er den Sex nicht vollziehen konnte, weil er im entscheidenden Moment nicht wusste, „wie weiter“.
Ein ganzes Sammelsurium von Enttäuschungen, Frustrationen und vielleicht auch an Demütigungen durch Frauen, hat dann die Gewalt in ihm entstehen lassen. Und ich denke, er lebte einige Zeit damit (innerlich brodelnd wie ein Vulkan), bevor er im Jahre 1888 „auf Tour“ ging.
Ohne jeden Zweifel haben die Messerstiche in den Unterleib eine sexuelle Motivation, doch ich denke dabei nicht an „seine Version“ von Sex. In ihnen könnte sich seine Unfähigkeit zum Verkehr mit Frauen wieder spiegeln. Wenn er es schon nicht auf die „richtige Art“ konnte, so  vielleicht auf diese tödliche Weise. Und es war auch eine Art Vergeltung an Frauen, weil sie sich nicht mit ihm einließen. Wenn er sie vorher tötete, waren sie still und konnten nicht (mehr) über ihn lästern. Sie machten sich über ihn  lustig. Das taten sie nun nicht mehr, wenn sie so vor ihm lagen. Seine Taten waren die eines Zerstörers, Vernichters. So grausam er auch vorging, er quälte seine Opfer nicht. Der Wahnsinn geschah nach dem eigentlichen Mord.
Ich sehe in den Verletzungen kein wirklich erkennbares, wiederholtes Muster. Die Frauen lagen doch nicht unter Lampen auf einem OP-Tisch. Der Mörder stach und schnitt in fast völliger Dunkelheit vor sich hin, da war kein Feinmechaniker am Werk. Wenn man 20x in einen Unterleib sticht, sieht das doch nicht jedes mal gravierend anders aus (denke ich).
Wer er auch immer war, von woher er auch kam, der „Gentleman-Killer“ aus besseren Gegenden, der seine Mordlust im  East End ausleben wollte, war er wohl nicht.

PS: die Option, das die Opfer (zumindest 3 von ihnen) aus „Rache“ ermordet wurden (Donovan) halte ich mir aber offen. Auch die Drohung weiterer Postings.

Lestrade:
Beeindruckendes Posting! Hervorragend durchdacht. Die Erfahrung mit dem “Faschisten“, die in deiner Erinnerung wieder zum Vorschein kam, finde ich persönlich auch sehr interessant. Inwieweit für ihn bestimmte Handlungen Sex waren, ist der einzige Punkt, an dem ich leicht anders tendiere. Aber das ist auch ganz schwierig zu betrachten. Es gibt ja doch auch einige Spielarten der Sexualität, wo ich mich stets frage, was diese mit Sexualität zu tun haben? Ab wann ist ein Fetisch keine Sexualität mehr und ab wann ist er eine ernsthafte Störung? Ab einer bestimmten Stelle, fehlt einem dann wohl doch die Vorstellungskraft. Aber wenn das deine Vorstellung von der Ripper- Persönlichkeit ist, dann liegen wir wohl nicht allzu weit auseinander.

Ob er impotent war? Ganz sicherlich für alles das, was wir Sexualität nennen. Diese Begriffe, Impotenz und Sexualität, sind sicherlich nur im Vergleich mit der Normalität diesbezüglich zu betrachten. Ich denke, in der Ripper Welt haben diese Begriffe ganz andere Definitionen und auch ganz andere Dimensionen. 

Andromeda1933:
Klar, bei diesen Wahnsinnigen kann man wirklich nicht ausschließen, dass sie sich beim Morden auch noch erregen, vielleicht gar einen Orgasmus erleben. Der berüchtigte BTK-Killer hat ein kleines Mädchen erhängt und ihr onanierend beim Todeskampf zugesehen. Es gibt da Abgründe, die uns unverständlich bleiben (vielleicht sogar zum Glück) und ich beneide die Ermittler und Ärzte nicht, die sich mit einem solchen Individuum unterhalten müssen.
Mir kam die Idee mit der Impotenz, weil ich las, dass diese oft in Aggression umschlagen kann. Sich selbst (und auch nicht seine Partnerin) nicht befriedigen zu können, hat wohl schon so manch einen böse werden lassen. Dazu noch ein gehässiges oder abwertendes Wort der Frau... Manchmal frage ich mich, ob die Taten nicht „spontan“ nach einem erfolglosen Sexversuch geschahen.

Thorsten:
So wie Du das beschreibst, Andromeda, mußte ich zwangsläufig an Tschikatilow denken.

Andromeda1933:
Hallo Thorsten,

ich muss gestehen, dass ich mich mit diesem Kerl noch nie näher befasst habe. Muss ich nachholen. Willkommen im Forum!

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