Ha, langsam macht es Spaß!
@Lestrade
Genau das meinte ich! Mal ein bischen weiterdenken und spekulieren. Solche Gedankenspiele sind doch tausendmal wertvoller als das ewige Wiederholen von „Expertengewäsch“ (sorry an die Experten!) Deine Idee gefällt mir ausgesprochen gut, es wäre ja auch wirklich komisch, wenn jemand so ein Blutbad anrichtet und vorher niemals auffällig wurde. Andererseits hat es viele Serienmörder gegeben, die NIE auffällig wurden und vielleicht eine ganz andere Entwickelung gemacht hätten, WÄREN sie von Ärzten betreut worden. Würde deine Theorie auf deinen Lieblingsverdächtigen zutreffen? Sickert dürfte allerdings ein verschrobenes Verhältnis zu Ärzten gehabt haben. Wer als kleines Kind 3 mal im Intimbereich operiert wurde (ohne Narkose – Patienten wurden damals noch an Händen und Füßen fixiert!), dürfte davon ein Leben lang geprägt gewesen sein. Trotzdem hatte Sickert später nachweislich Kontakt zu Ärzten (allerdings nie wegen seelischer Probleme, obwohl er durchaus eine Persönlichkeitsstörung gehabt haben könnte).
Interessant am Openshaw-Brief finde ich die Verse am Ende des Briefes („Oh have you seen the devle...“). Es handelt sich um eine Anspielung auf ein cornisches Volksmärchen, das wohl kaum ein ungebildeter East-End-Slum-Bewohner gekannt haben dürfte. Auch die mit Absicht eingestreuten Rechtschreibfehler (man beachte, das wirklich schwierige Wörter korrekt geschrieben sind), deuten auf einen gebildeten Schreiber hin...
@panopticon
Man merkt, dass du weißt wovon du sprichst. Darf ich fragen, inwiefern du mit Kunst zu tun hast?
Natürlich ist nicht jeder, der malen / zeichnen kann auch gleich ein Künstler, aber da Sickert ganz offensichtlich diverse Ripper / Nemo Briefe geschrieben hat, werden Hinweise wie der Ätzgrund oder kleine Bilder auf den Briefen nunmal interessant. Warum er seine Briefe hätte mit Bildern verzieren sollen kann ich dir nicht sagen. Das würde meiner Meinung nach nur dann Sinn machen, wenn er der Mörder gewesen wäre. Dann könnte man seine Briefe, seine Zeichnungen, sowie manche seiner späteren Kunstwerke als Teile eines kranken Spiels ansehen, das er spielte, indem er seine Umwelt immer wieder mit kleinen Hinweisen auf sich selbst als Täter versorgte. Man beachte, dass der Täter offensichtlich einen erhöhten Nervenkitzel bevorzugte, denn er beging die Morde (und die darauf folgenden „Operationen“) an öffentlichen Plätzen, er hätte jederzeit erwischt werden können. Ich würde seine „Verziehrungen“ der Briefe also nicht wirklich als „Werbung für sein künstlerisches Können“ betrachten. Das es für seine Kunstwerke auch künstlerische Erklärungen gibt steht außer Frage (das schreibt sogar die „unsympathische“ PC). Aber kann man deshalb ausschließen, dass die Bilder eine „Doppelbedeutung“ haben? Nein, kann man nicht (genausowenig, wie man das Gegenteil beweisen kann).
Warum würdest du auschließen, dass der Täter über Kunstwissen verfügte?
Zu der Untersuchung des Briefpapiers durch Peter Bower zitiere ich direkt aus PCs Buch:
„Zu dem neuen Beweismaterial mit sicheren und warscheinlichen Übereinstimmungen zwischen dem Papier, auf dem die Briefe Sickerts und des Rippers geschrieben wurden, gehören nach den Angaben von Peter Bower:
-zwei Nemo-Briefe, die warscheinlich zu einem Brief passen, den Sickert auf Papier der Marke Joynson Superfine an den Kunsthändler D.C. Thompson schrieb (ca. 1890, Getty Research Institute)
-ein Nemo-Brief, der definitiv mit 2 weiteren Briefen übereinstimmt, die Sickert auf Joynson Superfine an D.C. Thompson schrieb (Getty Research Institute)
-ein Nemo Brief, der definitiv mit einem Brief auf Joynson Superfine übereinstimmt, den Sickert an seinen Freund William Rothenstein schrieb (Harvard)
-eine Variete-Skizze auf Papier mit einem fragmentarischen „Brookleigh Fine“ Wasserzeichen (1888, Walker Art Galery), die warscheinlich zu zwei Ripper-Briefen passt (Public Record Office)
-ein Brief Sickerts mit „Mockton N.B.“-Wasserzeichen (Sickert Archives), der warscheinlich mit einem Ripper-Brief übereinstimmt (Corporation of London Records Office)
-der Brief mit „Gurney Ivory Laid“-Wasserzeichen, den Sickert an eine Miss E. Case schrieb (um 1890, British Library) und der definitiv mit einem Ripper Brief übereinstimmt (Corporation of London Records Office).
Die Rede von „wahrscheinlichen“ Übereinstimmungen ist Gutachter-Jargon. Wie andere Sachverständige, die vor Gericht aussagen, stellt Bower damit lediglich für´s Protokoll fest, dass der eine Befund dem anderen „entspricht“. In Wirklichkeit bedeutet das, dass die Ähnlichkeiten so groß sind, dass die Geshworenen diese „Entsprechungen“ ernst nehmen sollten.“
Hier endet das Zitat. Und hier gibt es beispielsweise den mit dem Tuschpinsel geschriebenen Brief zu sehen, der auch ein paar Bildchen enthält:
http://www.learningcurve.gov.uk/workshops/document7a.pdfUnd der hier (naja, hat etwas Comic-haftes, erfordert aber trotzdem Talent):
http://www.flickr.com/photos/simon_p_white/3046899262/Ich werde mich mal über Sickerts Kunstwerke (die mir persönlich übrigens ganz gut gefallen) mal ein bischen schlaulesen. Auch ein Lebensbericht aus einer neutralen Quelle wäre mal interessant...
@Claudia
Ich meinte nicht die Karrikatur-artigen Schmierereien, die auch in dem erwähnten Gästebuch zu finden sind (obwohl auch diese von einigen Experten Sickert zugeschrieben werden), sondern durchaus gut gemachte Skizzen(?), die auch in Patsys Buch abgebildet sind! Wenn deine Katze so malen kann, solltest du mit ihr auf Tournee gehen!
Was an den Mathematicus-Hinweis findest du denn so schlimm? Würde man nur DAS rausgreifen, würde es natürlich lächerlich klingen, wenn man aber hunderte solcher “Kleinigkeiten” zusammenträgt, wiegt das vielleicht schon etwas schwerer! Wenn du dem Buch nichts abgewinnen konntest, ist das natürlich auch OK, jeder kann sich seine eigene Meinung bilden. Allerdings würde mich noch interessieren, was du von Peter Bowers Untersuchungsergebnissen hältst...
@KvN
Danke! Ich habe beim Lesen von PCs Buch auch oft mit dem Kopf geschüttelt, ich würde dieses Buch NIE als “Meisterwerk” weiterempfehlen. Trotzdem gibt es auch viele Ideen, die ich sehr interessant finde. Lestrades “Ärzte-Idee” hat mich ein bischen an PC erinnert, sie hat ebenfalls oft ihre Gedanken in verschiedene Richtungen (die allerdings alle zu Sickert führen / führen sollen) treiben lassen. Aber zum Glück hat Lestrade nicht gleich eine “Cased Closed” Nummer abgezogen wie PC, sondern spekuliert einfach mal ein bischen herum (wie wir alle). Ich möchte auch nochmal betonen, dass ich mir keineswegs sicher bin, dass Sickert der Ripper war (auch wenn er es gewesen sein könnte)! Aber ich bin mir zu 100%, ääääh... sorry Lestrade, ich meinte natürlich 98% sicher, dass er einige der Briefe geschrieben hat!
Natürlich kann man Morde nicht als “Kunstwerke” bezeichnen, da geb ich dir recht. Trotzdem könnte der Ripper nach Mary Kelly gemerkt haben, dass keine wirkliche Steigerung mehr möglich ist und auf andere Arten des Mordens umgestiegen sein, nachdem er die K5 als beendetes Projekt abgeschrieben hat.
Das Künstler solche Taten nur reflektieren, aber nicht begehen, ist eine Verallgemeinerung, die ich so nicht unterschreiben würde, auch wenn das sicherlich häufig zutrifft. Oder könnte man einen des Serien-Mordens Angeklagten gleich freisprechen, nur weil er Künstler ist? Das wohl bekannteste Beispiel eines Künstlers, der wegen bestialischer Morde lebenslang einsitzt ist wohl Charles Manson, auch wenn dieser kein Maler, sondern Musiker war. Aber Kunst ist Kunst, woll?
Leute, es macht Spaß mit euch!
Schönen Sonntag!
Yours Truly
Jörn The Whopper