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Fachliche Themen => Allgemeine Diskussion => Thema gestartet von: Floh82 am 02.01.2010 15:09 Uhr

Titel: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: Floh82 am 02.01.2010 15:09 Uhr
Eine Sache lässt mir in letzter Zeit keine Ruhe: Die entnommenen Organe.

Noch einmal kurz zusammenfassend:

Bei Polly Nichols wurden keine Organe entnommen, einige Verletzungen im Bauchbereich könnten aber zumindest als Versuch einer Organentnahme gewertet werden (ist aber Spekulation).
Chapman fehlten die Gebärmutter sowie Teile der Blase.
Bei Eddowes fehlten die linke Niere und Teile der Gebärmutter.
Und bei Mary Jane Kelly fehlte schließlich das Herz.

Es gibt ja mehrere Erklärungen darüber warum der Täter die Organe entnahm, was er mit den Organen machte etc. Für mich sind die meisten aber eher unbefriedigend.

Wenn es Trophäen waren: Warum ausgerechnet die Gebärmutter? Warum dann die Niere mit Teilen der Gebärmutter? Und wenn Nichols und Stride zu seinen Opfern gehören: Warum fehlen dort Trophäen? Selbst wenn die Zeit knapp war hätte er zumindest andere Teile mitnehmen können: Zunge, Finger, Haare etc.

Schwarze Magie/Rituale etc.? Dafür gibt es keinerlei andere Hinweise. Allerhöchstens den Ort des Mordes an MJK könnte man als eine Art "Altar" betrachten.

Kannibalismus: siehe Trophäen.

Organhandel? Auch dass ist eher zweifelhaft, dafür sind die Morde zu brutal.

Andere Gedanken?
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: Larkin am 02.01.2010 16:44 Uhr
Hallo Floh!
Warum die Gebärmutter?
Ich schätz mal, dass er die Gebärmutter mitnahm, da diese, wie kein anderes Organ, Weiblichkeit symbolisiert.
Warum die Niere mit Teilen der Gebärmutter?
Ich glaub, dass den Täter die warmen Innereien seiner getöteten Opfer generell erregt haben. Dass die Gebärmutter mitgenommen wird, scheint für den Täter von Anfang an Teil des Plans bzw. seiner Phantasie gewesen zu sein, bei den anderen Organen bin ich mir nicht mal sicher ob er überhaupt wusste was er da so rausschnippselte. Also ich behaupte mal, dass ich das nachts im Dunkeln auch nicht erkennen würde - trotz gefühlte 70 Jahre Biounterricht.
Er nahm wohl irgendwas noch mit. Ohne großartigen Plan.
Warum fehlen bei Nichols und Stride die Trophäen?
Das hab ich mich auch schon oft gefragt. Warum fehlen bei Nichols keine Organe? Ich kann mir das nur so erklären, dass der Täter zu diesem Zeitpunkt eine solche Phantasie einfach noch nicht entwickelt hatte und sie erst nach dem Mord an Mary Nichols in ihm geweckt wurde. Und Liz Stride? Die zähle ich nicht zu den Opfern des Rippers. Daher ist die Frage nach den fehlenden Trophäen bei Liz für mich eigentlich auch schon beantwortet: Es war ein anderer Täter mit anderen Motiven.
Organhandel?
Dann hätte man doch die Leichen weggeräumt bzw. versteckt und auch mehrere Organe mitgenommen, damit sich der Mord auch rentiert (hört sich blöd an- ich weiß :().
Schwarze Magie/Rituale?
Das sehe ich genauso wie du - es gibt keine Hinweise darauf.
Kannibalismus?
Ich weiß nicht - kann man eine Gebärmutter denn überhaupt essen? Kann ich mir gar nicht vorstellen. Aber möglich ist es natürlich.
Ich bin nachwievor der Meinung, dass er die Organe gebraucht hat um sich zuhause nochn paar mal an ihnen "aufzugeilen".
Nix genaues weiß mer net  :)

Liebe Grüße
Larkin ;)
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: Amnael am 22.01.2010 19:00 Uhr
Du musst dir einmal das Täterprofil anschauen:
Der Mann war ein Aussenseiter, er wollte als solcher Aufmerksamkeit, sprich zeigen was er konnte, er wollte ein Sieger sein. Ein Sieg wird mit einer Trophäe belohnt...
Ausserdem hatte der Mann einen mahnischen Hass auf Frauen, doch gleichzeitig schien er sich vor ihnen zu fürchten und genau da liegt der Punkt:
Wenn er den Frauen die Gebärmutter entnimmt, nimmt er ihnen das, was die Frau ausmacht. :icon_wink:
In dem er ihnen das Gesicht zerschneidet, muss er sie nicht mehr fürchten, da sie dann nicht einmal mehr menschlich aussehen...

Was mich stutzig macht ist, warum der Mörder beim fünften Mord das Herz mitnahm. Ein Herz ist weder ein Symbol für Weiblichkeit, noch ist es ein Geschlechtsorgan...
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: Phil am 22.01.2010 20:19 Uhr

Ein Symbol für Liebe?
Oder für das Leben.
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: Amnael am 22.01.2010 23:52 Uhr
@Phil

Ich denke, du verstehst mich nicht so ganz. Der Mörder nahm beim zweiten Mord die Gebährmutter mit, beim vierten die Gebährmutter samt Niere. Die Niere schien er ohnehin für die Polizei vorbereitet zu haben, aber bei Kelly lässt er die Gebährmutter liegen und ändert diese Gewohnheit dadurch, dass er stattdessen ein Herz mitnimmt. Wenn er die Gebährmutter und das Herz mitgenommen hätte und das Herz wiederum der Polizei geschickt, würde sich das was nach dem vierten Mord geschehen ist, wiederholen, was zum Ripper durchaus passen würde. Stattdessen lässt er wie schon gesagt seine geliebte Gebährmutter liegen und nimmt stattdessen ein Herz...
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: Stordfield am 22.01.2010 23:59 Uhr
Hallo Amnael!

Du setzt voraus, dass der Täter wußte, was er tat, dass er im absoluten Wahnsinn, im Blutrausch irgendeinen logischen Gedanken faßte. Daran kann und mag ich nicht glauben. Schau Dir doch nur die Bilder vom Opfer an! Das ist geistiges Delirium!

Gruß Stordfield
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: panopticon am 23.01.2010 13:29 Uhr
Hallo!

Ich denke auch: Der Ripper hat sich maximal das Organ gegriffen, das ihm im jeweiligen Fall (vielleicht subjektiv am schwersten) zu erbeuten erschien, wenn er überhaupt so weit dachte. Wenn da bezüglich der Verletzungen überhaupt eine Art ´Schema´ war, war das vermutlich am ehesten noch ab Chapman von Opfer zu Opfer: Chapman: Gedärme über die Schulter > Eddowes: Gedärme über die Schulter; Eddowes: Nase abtrennen (bzw verkehrte Vs) >  Kelly: Nase abtrennen (bzw verkehrte Vs). Wohl eher so was wie ein (vielleicht sogar unbewusstes): "Ich war´s wieder, ihr wisst wer!", das war´s dann aber auch schon. Deshalb glaube ich auch nicht , dass der Täter der Polizei überhaupt irgendetwas (Briefe, Organe,...) schicken musste, um zu kommunizieren. Dass es ihm ferner aber vielleicht sogar auch noch irgendwie um Ikonographie ging, bzw er sich damit überhaupt auskannte, wage ich dann schon sehr stark zu bezweifeln (auch wenn er in der Epoche des Symbolismus lebte). Da wäre er ja  dann auch anders veranlagt gewesen, als die von ihm hinterlassenen Tatorte das zeigen. Insofern ist das wohl eher auszuschließen. Ich würde  dann sogar noch eher annehmen, dass er im Auftrag von irgendjemandem von Anfang an ein Herz gesucht hat, und das ist nicht gerade sehr wahrscheinlich.
Prinzipiell scheinen wir es hier also, wie Stordfield schon feststellte, eben in erster Linie mit einer Art ´Blutrausch´ zu tun zu haben...

Grüße,
panopticon
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: Loki am 23.01.2010 18:54 Uhr
Ich glaube bei Polly Nichols wurden Teile des Magens entfernt dies sollte noch erwähnt werden.
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: zwo am 23.01.2010 20:51 Uhr
Dass es zweimal eine Gebärmutter war, finde ich als interessierter Laie jetzt überhaupt nicht wichtig. Bzw., wäre mir nicht "ins Auge gestochen".

Um es kurz zu machen:
Ich versuchte mich vorhin in die Rolle eines Zuhörers zu versetzen, und was mir durch den Kopf gehen würde, wenn es um unbekannte Personen ginge:
Als Beispiel: ein Bekannter besucht mich, erzählt mir, was auf der Welt so alles passiert ist in der letzten Zeit, darunter auch den Fall eines Mörders. Und seinen Opfern, und was dazu bekannt ist.
Er könnte das ja in der Zeitung gelesen haben, dass man mal wieder einen Serienmörder gefasst hat, irgendwo auf der Welt.
Wenn er mir das so erzählt hat, wie das bis dato von den Ripperfällen bekannt ist, ohne JtR zu nennen und die Umstände, hätte ich die Frage so beantwortet:
"Da sammelt jemand Beweise für sich selbst. Damit er damit zuhause vor sich selbst prahlen kann. Und sich damit gut fühlt."
Ich glaube daher auch nicht, dass es bei weiteren Opfern in erster Linie um weitere Gebärmuttern gegangen wäre. (Solch eine Diskussion ist natürlich müssig...möglich aber, dass sich der Täter danach auf andere Körperteile spezialisiert hat, welche fehlten, sie aber nicht mit den Rippermorden in Zusammenhang gebracht wurden.)

Als Laie sehe ich das aus einem ganz anderen Blickwinkel (nämlich aus dem unwissenden Blickwinkel, der auch ganz falsch sein kann), und dachte mir, ob es nicht sein kann, dass JtR keinen Fetisch entwickelt hat im Sinne von Ähnlichkeiten und Sammelleidenschaft; soll heissen: er hatte keinen speziellen Fokus entwickelt auf gewisse Körperteile/Organe.
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: Stordfield am 23.01.2010 22:13 Uhr
Hallo Loki und zwo!

Ersteinmal herzlich willkommen im Forum. Ich wünsche euch viel Spaß hier.
@Loki: Meinst Du, es fehlen Teile des Magens bei ihr? Das wäre mir neu. Wo hast Du das denn her?
@zwo: Ich gebe Dir Recht, aber das hat panopticon ja schon gesagt. Höchstwahrscheinlich hat der Ripper sich einfach gegriffen, was er "fand", ohne darüber nachzudenken.

Gruß Stordfield


Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: zwo am 23.01.2010 23:47 Uhr
Danke Stordfield für das Willkommen!

Dass es ähnliche Meinungen gibt, hatte ich schon nachgelesen, auch in anderen Beiträgen.
Doch ging es mir auch um die Fragestellung. Wobei ich da vielleicht sogar zuviel hineininterpretiert habe, in das "Warum"?
Warum Gebärmutter oder warum Organe überhaupt? Woher die "Fixierung" auf Organe?
So hatte ich den Beitrag verstanden.
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: Stordfield am 24.01.2010 10:55 Uhr
Hallo !

Teile eines Körpers sind wahrscheinlich die persönlichsten, intimsten Dinge, die ein Serienmörder von seinem Opfer besitzen kann. Dem entsprechend hoch wird für ihn der Erinnerungsgrad an seine Tat sein. Außerdem dienen Organteile vielen multiplen Tätern mit dem Andauern der Serie auch manchmal kannibalistischen Zwecken.

Gruß Stordfield
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: Lestrade am 24.01.2010 14:54 Uhr
Ich denke, dass solche Dinge viel mit Macht erlangen zu tun haben. Er nimmt sich erst etwas, später verleibt er es sich ein (Kannibalismus).
Auf der Suche nach etwas, was er niemals bekommen hat.

Es ist auf dem Weg dahin eben vollkommen pervertiert. Der Täter wird in keiner seiner Lebensphasen, normale aber ganz wichtige zwischenmenschliche, fühlbare Erfahrungen gemacht haben. Da sucht der Mensch nach Kompensation. Wenn er dann außer Gewalt, Vernachlässigung, Lieblosigkeit nichts anderes erfahren hat, können diese Dinge ausarten. Ich denke, er wird ganz früh Gewaltfantasien entwickelt haben. Macht er in der Zeit seiner sexuellen Erwachungsphase zu den fehlenden "positiven" Erfahrungen, Gewalterfahrungen und wird dabei Zeuge von Mord und Totschlag, Vergewaltigung, ist wohlmöglich bei Schlachtungen oder ähnlichem dabei, erlebt Ablehnung, immer wieder, dann wird er seine eigene, sexuelle Fantasie von da an immer mit solchen Dingen in Verbindung sehen. Das könnte sich schon in frühen Tierquälereien geäußert haben. Warum ? Weil da nichts anderes sein kann. Seine Sexualität entwickelt sich eben. Wie bei jedem von uns. Nur unsereins lernt währenddessen menschliche Wärme kennen, Zuneigungen, Berührungen, Verständnis, Zärtlichkeit, tauscht sich mit anderen aus, tauscht Gefühle aus, schafft es dadurch Bindungen zu erlangen, wir entwickeln uns normal. Wir erleben kein Trauma. Er hat diese Dinge nie erfahren. Was soll an Stelle dieser Dinge sein? Ein Nichts? So etwas gibt es nicht. Diese Lücke wird sich füllen. Und in ganz schlimmen Schicksalen, wenn alle Weichen in die falsche Richtung gestellt wurden, wenn zig Dingen Tür und Tor geöffnet wurde, kann sich diese Lücke mit absoluter Grausamkeit erfüllen. Wenn wir mit unserer Liebe im Leben die Erfüllung suchen, sie uns leitet, dann wird seine Grausamkeit ihn leiten, sein Hass. Und wie wir unsere Bedürfnisse erfüllt sehen wollen, will er seine erfüllt sehen. Mit fatalen Ausgang...

In Ausführung seiner Bedürfnisse und das wollte er erleben, erfühlen ( es war nur eine Frage der Zeit ), suchte er Befriedigung, Ruhe, Erfüllung. Diesen Frauen solche Dinge anzutun befriedigte ihn. Ganz einfach, ganz unvorstellbar grausam, vollkommen entmenschlicht. Wie seine sexuellen Fantasien auch immer aussahen, sie hatten mit Verstümmelungen zu tun. Die meisten Organe liegen eben im Bauchraum, inwieweit seine Fantasien auf Vagina, auf die Gebärmutter lagen, sei dahingestellt. Vielleicht war er der Meinung, solche Frauen sollten keine Kinder bekommen, sollten nicht Empfangen können. Neben der Gewaltvorstellung, könnte sich der Hass bemerkbar machen. ich denke, beide Dinge gingen bei ihm Hand in Hand. Verstümmelungen die als "persönliche Beziehung" eingestuft werden, könnten mit Erinnerungen seinerseits mit Personen zu tun haben (Mutter, Schwester) oder aber er kannte die Opfer. Er hatte sonst keine Macht über Menschen, Menschen verstanden ihn nicht, Menschen lehnten ihn ab. Aber nicht in der Zeit des Mordens, da hatte er diese Macht. Da konnte er oder wollte er mit ihnen machen, was er wollte. Nahm er Organe mit waren dies "Trophäen", etwas was ihm "gehörte". Endlich. Sollte er wirklich kannibalische Taten ausgeführt haben, dann wurden diese Menschen ein Teil von ihm. Für immer. Er war sexuell hochgradig gestört, ein sexuell motivierter Mörder, dem seine Taten befriedigten. Eben auf die Weise, wie er sie ausführte.

Gruß, Lestrade.
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: Loki am 25.01.2010 17:38 Uhr
An Stordfield
Ich habe eine Dukumentation, ein Buch und ein Film gesehen wo das behaubtete wurde.
Also das Entfernen von Teilen des Magens.
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: Stordfield am 25.01.2010 18:11 Uhr
Danke für die Antwort, Loki. Um welches Buch handelt es sich denn ?

Gruß Stordfield
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: Loki am 25.01.2010 18:25 Uhr
Das Buch Heißt :Serienmörder Die Faszination Des Bösen von Charlotte Greig Erste Auflage. (Ein Sammelband ber die Bekanntesten Serienmörder)
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: KvN am 28.02.2010 21:28 Uhr
Gute Frage, wahrlich...

Viele Serientäter haben ihren Opfern Organe entnommen, hierbei spielte sowohl eine gewisse Sammelleidenschaft (sprich Trophäenjagd) eine Rolle als auch Kannibalismus, zumindest ansatzweise. Zum Konzept des Rippers gehörte es, die Opfer zu entwürdigen, man betrachte nur die Fundpositionen. Ich denke dass die Organentnahme auch in diesem Licht zu sehen ist, also die Demütigung des Opfers erhöhen sollte. Aber ich glaube auch, dass es für sein krankes Denken durchaus Sinn machte welche Organe entnommen wurden, die Blutrauschtheorie halte ich für unzutreffend. Immerhin, bei Chapman durchtrennte er fein säuberlich die Mesenterialbefestigungen, bei Kelly schnipselte er das Myokard aus dem Perikard, eine Niere von vorne zu entnehmen (bei Dunkelheit!) ist auch kein einfaches Unterfangen...Eine unkontrollierte Schlachterei sieht wohl anders aus. Und er hatte Wissen und Erfahrung. Ich glaube nicht dass vielen Einwohner des East End im Jahr 1888 auch nur die Existenz eines Dünndarmgekröses bekannt war oder eines Herzbeutels, ganz zu schweigen von der exakten Position der Nieren. Aber das ist eine andere Geschichte...

Grüße
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: Aeneas am 01.03.2010 23:55 Uhr
ich schließe mich KvN an, ich kann nicht glauben das er im blutrausch handelte. Er wußte mit sicherheit genau was er tat, als er es tat.

Vieleicht entfernte er Organe von den Opfern die er kannte, die ihn abgewiesen haben oder sich lustig gemacht haben über ihn. Bei Kelly war es wohl besonders schlimm, oder ihre abllehnung traf ihn besonders(schließlih war sie hübsch)

bei anderen nahm er nichts mit, da sie ihn nicht zu sehr "gedemütigt" hatten, sie brachte er nur um. Auch denke icch das er genau wußte wie er die Organe entnehmen mußte, was nicht automatisch auf einen arzt deutet, man kann sich wissen durch erfragen erlangen. Bei einem "freundschaftlichen" gespräch mit einem arzt kann man viellernen.


Sorry für die  fehler, schreibe vom handy aus, sonst hätte ich noch ausführlicher geschrieben
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: KvN am 02.03.2010 07:58 Uhr
Ich bin auch nicht zwingend der Meinung dass es sich um einen Arzt gehandelt hat. Ein Prosekturgehilfe, ein Fleischer mit gewisser Kenntnis der menschlichen Anatomie, ein Medizinstudent...Zahlreiche Möglichkeiten. Allerdings unterstelle ich dem Täter auch praktische Erfahrung im Durchtrennen von Gewebe, nur theoretisches Wissen ist zu wenig. Immerhin: Es war dunkel, der Zeitdruck war enorm, die Instrumente unzureichend. Eine Niere aus nur einem vertikalen Schnitt zu entnehmen, der die Linea Alba nicht kreuzt, bedeutet er muss mit beiden Händen im Bauchraum gearbeitet haben, also ohne jede Sichtkontrolle. Und er hat nur einen Fehlschnitt in den Darm gemacht.
Ich halte es daher auch für unzutreffend dass er nur ein Messer verwendet hat. Für die Halswunde benötigte der Mörder ein großes, massives Messer, immerhin gab es laut Autopsiebericht keine Anzeichen dass er mehrere Schnitte setzte und das zu durchtrennende Gewebe inkl. der Luft - und Speiseröhre ist relativ zäh. Die Schnitte gingen tw. bis zur Wirbelsäule durch, da braucht es schon so etwas wie ein Schlachtermesser. Damit wären aber die Organentnahmen in dieser Form nicht ohne massivste Verletzungen der anderen innere Organe möglich gewesen.

Fazit: Eine gewisse "Grundausstattung" muss der Täter wohl bei sich gehabt haben...

Grüße
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: Aeneas am 02.03.2010 09:47 Uhr
Ja, genauso stell ich mir das auch vor, so wie KvN beschrieben hat ;)

Was ich nicht verstehe, warum er den Kopf nicht vom Körper trennte, wo er doch schon das restliche Gewebe abgeschnitten hatte????

Ich kenn mich leider nicht aus, aber kann es sein das das durchtrennen der Wirbel zu schwer war ???? Hat da jemand Ahnung???? Für mich haben sich die Autopsieberichte immer so gelesen als wolte er den kopf vom Rumpf trennen.......
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: KvN am 02.03.2010 12:43 Uhr
So ist es, eine Enthauptung ist schwierig und zeitaufwendig, durchaus verständlich dass er sich diese Mühe erspart hat...

Grüße
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: Aeneas am 02.03.2010 15:52 Uhr
woher weißt du das???? hast du Medizin studiert????
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: may_roora am 03.03.2010 00:59 Uhr
Mir ist da was durch den Kopf gegangen.
Ausgerechnet Mary Kellys Herz wurde entnommen, bei manchen anderen die Gebärmutter oder andere Organe, aber niemals auch das Herz. Deutet das nicht vielleicht auf Barnett hin?
Angenommen, Joseph Barnett war JtR, (oder auch "nur" der Mörder von MJK) würde diese Tat doch gut zu ihm passen. Vielleicht hat er den anderen Frauen die Gebärmutter heraus geschnitten, um ihnen die Weiblichkeit zu nehmen, aber das Herz der Frau, die er liebte, hatte möglicherweise eine andere, größere Bedeutung für ihn. Wenn er dieses nicht ganz "besitzen" konnte, als sie noch lebte, wollte er es vielleicht nach ihrem Tod wenigstens für sich allein haben.
Was meint ihr dazu?  ???
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: Aeneas am 03.03.2010 07:27 Uhr
Barnett ist auch immernoch mein hauptverdächtiger ;)
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: KvN am 03.03.2010 08:30 Uhr
Morgen zusammen!

Nö, ich bin bloß Notfallsani (Bundesdeutsch: Rettungsassistent), war aber schon bei einigen Autopsien, Obduktionen etc. dabei, habe auch schon selber paar Mal seziert, bringt meine Hackn so mit sich...

@May: Sehr romantisch, so gehört sich´s für eine Rilke Leserin! Aber: Die Polizei verdächtigte Barnett nicht ernsthaft, er hatte ein Alibi, es deutete auch sonst so gut wie nichts auf ihn als Täter hin. Meiner Meinung nach hatte er auch nicht im Ansatz die nötigen Kenntnisse und als Liebestragödie kann ich mir diese Schlachterei auch nicht vorstellen.

Ich will euch euren Lieblingsverdächtigen ned ausreden, aber ich schließe den Fischträger mal aus...

Grüße
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: Shadow Ghost am 03.03.2010 09:25 Uhr
Ich denke mal, dass der Ripper bei Mary Kelly einfach die Zeit hatte, das Herz zu entnehmen. Ich vermute mal, dass das einfach diese Zeit braucht, um sich bis dahin "durch zu arbeiten".
Aber wie ist das jetzt eigentlich: Dr Bonds Bericht kann man doch auch so verstehen (zumindest passiert es mir hin und wieder so), dass das Herz "absent" ist in Bezug auf die Brusthöhle (oder wie immer man das nennen mag), nicht aber unbedingt auf eine vollkommene Abwesenheit. Schließlich habe ich auch schon Zeitungsberichte gelesen, in denen ausdrücklich erwähnt wurde, dass keines von Kellys Organen fehlte. Das ist immer noch ein Punkt, der mich verwirrt.

Viele Grüße,
Shadow Ghost
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: Aeneas am 03.03.2010 11:57 Uhr
Aha, ein Sani mit intensiven kenntnissen ;) schön sowas bei uns zu haben.
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: Isdrasil am 03.03.2010 12:10 Uhr
Hi

@May Roora und der Rest

Ja, in der Tat scheint die Sache mit dem fehlenden Herzen - sollte es nun tatsächlich gefehlt haben - auf einen persönlichen Aspekt der Tat hinzudeuten.
Ich kann mir zum Beispiel auch vorstellen, dass der Täter damit unterbewusst die Persönlichkeit Kellys zerstören wollte, da er sie persönlicher als die anderen Opfer kennen gelernt haben dürfte. Er sah sie in ihrer gewohnten Umgebung und nahm sie daher eher als Mensch wahr. Bei den Opfern zuvor konnte er den Abstand viel besser bewerkstelligen und sie tatsächlich als "Objekte" betrachten.  
Kroll tötete sein letztes Opfer in seiner Wohnung, und er kannte es schon längere Zeit. Auch hier war die Ausführung der Tat besonders entmenschlichend, zum Einen weil es seiner ursprünglichen Fantasie entsprach, jedoch auch zum Teil gerade aufgrund dieser intimen Täter-Opfer-Rolle. Ich meine, er habe sogar etwas in diese Richtung geäußert.
Etwas Ähnliches könnte ich mir zum Beispiel auch bei Kellys Mord vorstellen. Die Umstände waren einfach anders, ob der Täter nun Barnett, ein Bekannter oder gar ein gänzlich Unbekannter war - die meist notwendige Anonymität zwischen Opfer und Täter war sehr wahrscheinlich bei diesem Mord gestört. Und deshalb müssen meiner Meinung nach auch die Verletzungen und damit die Organentnahme anders bewertet werden.

Zu der Organentnahme: Da bin ich eigentlich nach wie vor meiner alten Meinung - dass der Ripper der klassische Typ Sexualtäter war, der sich genau das in seinen Fantasien eben so vorstellte. Deswegen würde ich die Frage damit beantworten, dass der Täter diese Organentnahme in seiner frühen Jugend als sexuell erregend empfand (beim Zusehen beim Schlachter, Bauernhof etc.) und dies daher in seinen Taten nachstellte. Weshalb jemand so etwas erregend findet führt uns direkt in die tiefste Psychologie...ich denke immer noch, dies hängt mit körperlichen Defekten wie der berühmten Stirnlappenanomalie und anderen Parametern zusammen (Erfahrung, Persönlichkeit). So pauschal kann man das gar nicht beantworten finde ich. Bin aber der Meinung, der eigentliche Schlüssel liegt in der Kindheit. Die Verletzungen geben uns Hinweise darauf, wir müssen sie nur lesen. Und natürlich spielt der Trophäenaspekt auch eine Rolle, sowie das Nacherleben der Tat zuhause oder auch die erneut empfundene Erregung im eigenen Heim.

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: KvN am 03.03.2010 12:59 Uhr
Vor allem dürfte unser Freund recht praktisch gedacht haben: Herz, Niere, Uterus...Alles recht handlich, kann man unauffällig in die Tasche stecken! Ja, und ob das Herz nur aus dem Brustkorb entnommen wurde oder tatsächlich mitgenommen...Diese Frage wird wohl auf ewig ein Rätsel bleiben!
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: panopticon am 03.03.2010 23:18 Uhr
Hi.

Der ´Blutrausch´ eines Arztes oder Fleischers sieht im Endeffekt natürlich aufgrund vorhandener Praxis und Gewohnheit im Detail anders aus, als der eines Laien, bleibt aber dennoch ein ´Blutrausch´(und auch optisch als ein solcher erkennbar), selbst wenn so manches/jedes Organ dann in einem solchen Fall letztendlich mitunter ´fein säuberlich´ entfernt wurde. Auch ich gehe eigentlich davon aus, dass wir es hier nicht mit einem kompletten Laien zu tun haben, aber einige Verletzungen zum Beispiel an Mary Kellys Körper, wie die Verletzungen an den Oberarmen und diverse andere Schnitte, sind im Prinzip dennoch vordergründig nicht wirklich rational begründbar (vor allem nicht bei einem Arzt als Täter). Selbst wenn der Täter ein Arzt war, müsste er nicht zwangsläufig von vornherein geplant haben, ein bestimmtes Organ mitzunehmen. Auch ein Arzt könnte sich erst im Endeffekt lediglich das Organ ´gegriffen´ haben, dessen ´Erbeutung´ ihm im jeweiligen Fall am schwierigsten erschien. An ein Herz kam der Täter ja, wie Shadow Ghost schon erwähnte, wohl aus zeitlichen Gründen überhaupt nur in einem Fall heran.


Shadow Ghost bringt die Sache mit dem Herzen eigentlich überhaupt auf den Punkt, deshalb habe ich jetzt auch noch mal nachgesehen:

Während Dr. Bond bei der post mortem-Untersuchung des Körpers (!) von MJK eigentlich nur festhält ´The pericardium was open below and the heart absent.´ (womit er eben nicht zwangsläufig ´from the room´, sondern eben "nur" ´from the body´ gemeint haben könnte), beinhalten zum Beispiel sowohl The Star, als auch The Times vom 10. November 1888 den Satz (wohl von gleicher Quelle): ´The kidneys and heart had also been removed from the body and placed on the table by the side of the breasts.´ (Auf den Tatortfotos habe ich zwar noch nichts entsprechendes entdecken können, diese lassen aber auch kombiniert gar nicht den ganzen Tisch überblicken, und eine ´Verdeckung´ könnte ebenfalls noch möglich sein.)

Die Daily News vom selben Tag, weiß sogar folgendes zu berichten:
´In addition to this, one breast had been removed, the flesh roughly torn from the thigh, and the abdomen ripped as in previous cases, several of the organs having been removed from the trunk and laid on the table beside the bed. It was stated in some of the evening papers that the particular organ missing in two previous murders was also found to have been abstracted in this case also. That, however, is not the case. Small portions of the body are missing, but that, it is somewhat enigmatically stated, can be accounted for.´

Unter dem Strich platzieren also die ersten beiden Zeitungen das Herz wortidentisch auf den Tisch, und die dritte erwähnt, dass maximal ´kleine Teile des Körpers fehlen´. Bei Zeitungen muss man natürlich generell vorsichtig sein, zumal die oben zitierten auch einige Dinge berichteten, die so definitiv nicht der Fall waren, aber in den Akten habe ich (bisher) auch nichts gefunden, was eindeutig darauf hinweisen könnte, dass das Herz komplett fehlte. Wenn man sich die gerichtliche Untersuchung ansieht, findet das Herz darin gar keine Erwähnung, was auch zumindest merkwürdig wäre, wenn es denn tatsächlich gefehlt hätte.

Also so wie es aussieht, lässt sich auf jeden Fall darüber streiten, ob der Täter das Herz tatsächlich mitnahm. Ich habe zumindest keinen Anhaltspunkt darauf gefunden, der explizit darauf hinwies, dass es völlig fehlte. Wenn jemand einen findet/weiß, bitte posten!


Auch wenn ich nach wie vor überzeugt bin, dass wir es hier mit irgendeiner einer Art (!) ´Blutrausch´ zu tun haben: Allein der Kehlschnitt scheint ja eigentlich bereits darauf hinzudeuten, dass der Täter, vermutlich auch auf Praxis basierend, prinzipiell schon wusste, wie er ´vorzugehen hatte´, was aber eben nicht zwingend bedeutet, dass ihm auch jede seiner Vorgangsweisen während der jeweiligen Tat bewusst war.  Warum auch ich eigentlich von keinem absoluten (!) Laien ausgehe, ist zum Beispiel auch, dass ich neulich die Fotografie des Opfers des ´Wiener Rippers´ (Vielleicht auch ein aus ortsspezifischen Gründen interessanter Fall für Dich, KvN? ;) ) gesehen habe. (Habe ich hier schon mal in diesem Thread hier angemerkt: http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,769.0.html ) Ich kann und will sie hier nicht hereinstellen - zum einen aus rechtlichen Gründen nicht, zum zweiten, weil sie auch aus einem ziemlich ´ungünstigen´ Winkel für eine frei zugängliche Veröffentlichung aufgenommen wurde, wodurch selbst eine vereinfachte Skizze davon einen Charakter aufweist, der für ein Posting hier definitiv nicht geeignet ist. Vorweg: Mit JtR haben wir es hier mit Sicherheit zwar nicht zu tun, was aber für das Thema hier interessant ist: Die Art und Weise, wie hier die Vorderseite des Opfers "geöffnet" wurde, deckt sich meines Erachtens nach dermaßen stark mit der Skizze, die Frederick William Foster von der toten Catherine Eddowes anfertigte, dass ich momentan ziemlich überzeugt davon bin, dass dieses Vorgehen irgendwo ´erlernbar´ ist/war, und sowohl der Täter in Wien, als auch der vom Mitre Square die gleiche, wie auch immer geartete ´Ausbildung´ hinter sich gebracht haben müssen. Die ´Wiener Zeitung´ berichtete zumindest über den Fall  in Wien auch: ´Der Schnitt, der die ganze Bauchhöhle eröffnete, muß von einer mit dem Schlachten vertrauten Person mit kräftiger Hand, und zwar von unten nach oben, geführt worden sein.´ (Siehe dazu: http://www.jacktheripper.de/zeitungsarchiv/wiener_zeitung/1898_dezember_28.php) Im Obduktionsbefund war zu lesen, dass der Täter wahrscheinlich ´in der anatomischen Zerteilung von Leichen versiert´ gewesen sei, und die Absicht, die Tote besonders entsetzlich, und zwar charakteristisch zu verstümmeln, ließe sich auch aus einigen Merkmalen erkennen. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es im Wiener Fall keinen Kehlschnitt gab, dass die Schnitte zumindest optisch präziser wirken als bei JtR, und dass als Verdächtiger in diesem Fall auch ein Fleischhauergehilfe gehandelt wurde, der jedoch ein (wenn auch fragwürdiges) Alibi (Schwester) vorweisen konnte.  Was aber für das Thema hier noch von Bedeutung sein kann: Die Leber des Opfers wurde wohl ´durch das Zimmer geschleudert´. 


Ich würde daher zumindest aktuell, wie unspektakulär und banal das jetzt auch klingen mag, von einem Fleischer, Koch, Bauern, eventuell vielleicht sogar Prosekturgehilfen oder ähnlichem als Täter im Falle der Whitechapelmorde ausgehen, wobei mir einfällt: Kann es sein, dass der Täter die Gedärme von Annie Chapman und Catherine Eddowes ganz einfach deshalb (womöglich eben sogar unbewusst) über die Schulter legte, weil er das so ´gelernt´ hat? Auch wenn es dem Täter im Fall Eddowes nicht gelang: Wie ich (als kompletter Laie in diesem Bereich!) unter ´Schlachtung´ auf Wikipedia nachgelesen habe, muss beim Entweiden darauf Acht gegeben werden, dass keine Kotreste ans Fleisch gelangen. Auf einem Bild daneben hängen die Innereien allesamt nach unten, bzw über den Oberkörper der Tiere... Weiß da jemand was dazu?

Dass der Täter irgendeinen bewussten Hang zu irgendeiner Art ´Symbolismus´ (jenseits von ´Demütigung per se´) oder gar ´Romantik´ hatte, schließe ich jedenfalls nach wie vor aus. Und Joseph Barnett als Täter im Grunde auch, zumindest stufe ich ihn aufgrund der derzeitigen Sachlage als ´nicht sonderlich wahrscheinlich´ ein. Das ist aber ohnedies wieder ein anderes  Thema...


Grüße,
panopticon
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: Shadow Ghost am 04.03.2010 00:22 Uhr
In Bezug auf die romantische Bedeutung des Herzens treibt mich schon den ganzen Tag eine ziemlich blöde Frage um, die ich mich kaum zu stellen wage, aber was soll's: Hatte das Herz damals überhaupt schon die romantische Bedeutung als Organ der Liebe, wie es sie heute hat? Ich meine, Symbole können doch mit der Zeit ihre Bedeutung ändern. Früher wurde das Herz, soweit ich weiß, als Sitz der Seele angesehen, was ja nicht unbedingt dasselbe sein muss wie ein Symbol der Liebe; und vielleicht war das Herz früher einmal ein Symbol für (Lebens-)kraft oder etwas ganz anderes?
Worauf ich eigentlich hinaus will, ist, wenn wir schon über eine symbol-behaftete Handlung diskutieren, sollten wir (zumindest für mich) erst einmal die mögliche Symbolik klären.

Viele Grüße,
Shadow Ghost
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: may_roora am 04.03.2010 03:28 Uhr
@KvN

Zitat
Sehr romantisch, so gehört sich´s für eine Rilke Leserin!
Danke!  (http://cosgan.de/images/smilie/liebe/n045.gif)  Rilke ist toll...

Hm, mit dem Alibi hast du natürlich recht. Allerdings hab ich ganz wenig darüber gelesen, mich würde mal interessieren, wer und wie viele Männer mit ihm Karten gespielt haben in jener Nacht, und ob nicht sogar die Möglichkeit besteht, dass sie Komplizen von ihm waren... Oder beispielsweise zu betrunken, um sich noch genau an die Nacht erinnern zu können! Kann ja alles sein...


@panopticon

Zitat
Kann es sein, dass der Täter die Gedärme von Annie Chapman und Catherine Eddowes ganz einfach deshalb (womöglich eben sogar unbewusst) über die Schulter legte, weil er das so ´gelernt´ hat?
Woher weiß man bzw. warum vermutet man denn, dass er die Gedärme über die Schulter gelegt hat?

Zitat
Dass der Täter irgendeinen bewussten Hang zu irgendeiner Art ´Symbolismus´ (jenseits von ´Demütigung per se´) oder gar ´Romantik´ hatte, schließe ich jedenfalls nach wie vor aus.
Wieso denn? Hältst du ihn dafür für zu kaltblütig? Ich fände es seltsam, wenn hinter der Organentnahme nichts Symbolisches stünde. Wenn es nur zur Qual oder Demütigung der Opfer gedient hätte, hätte er sie doch nicht vorher getötet, oder? :icon_question:


@Shadow Ghost
 
Auf jeden Fall hatte das Herz bereits die romantische Bedeutung! Die hat es schon viel, viel länger. In Wikipedia kannst du Genaueres nachlesen: http://de.wikipedia.org/wiki/Herz_%28Symbol%29

Außerdem geschahen die Rippermorde zur Epoche des Naturalismus. Der bekannteste Vertreter des Naturalismus war Arno Holz, er hat viele Liebesgedichte geschrieben und das Wort "Herz" sehr oft verwendet. Du wirst es ganz häufig finden, wenn du einige seiner Gedichte liest:  :icon_wink: http://www.deutsche-liebeslyrik.de/holz.htm

Achja, noch etwas; dass es schon längst für Liebe stand, merkt man beispielsweise auch daran, dass die Epoche des Naturalismus erst ca. 50 Jahre nach der Romantik folgte.


Gute Nacht
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: KvN am 04.03.2010 08:33 Uhr
Morgen!

Also ich kann mir wirklich nicht vorstellen dass jemand in Ruhe Karten dippelt und dann eine solche Verzweiflungstat aus enttäuschter Liebe begeht...Obwohl ich Rilkes Lyrik durchaus auch schätze. Die Sache mit den Gedärmen ist dem Autopsiebericht zweifelsfrei zu entnehmen, könnte meiner Merinung nach aber auch Teil des stagings sein. Chirurgen tun sowas eher selten*ggg*, ob es der Technik eines Fleischers, Jägers oder Bauern entsprach vermag ich nicht zu sagen.
Zum Symbolgehalt: Mir ist kein Serienmörder bekannt der seine Opfer nach diesem Gesichtspunkt ausweidete, zumeist wurde die Organentnahme als sadisitischer Akt gewertet. Aber die menschliche Seele ist eben ein weites Land...Die Opfer vorher zu töten war in Anbetracht der Umstände unvermeidlich, vielleicht war ja auch die Ausweidung eine Art "Entschädigung", weil der Mörder seine Opfer nicht bei lebendigem Leib quälen konnte.

@panopticon: Ich bin durchschaut! Korrekt, ich bin auch in Wien z´haus...
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: Shadow Ghost am 04.03.2010 11:50 Uhr
@ may_roora

Danke für die Information; so etwas habe ich mir eigentlich schon gedacht (wenn auch nicht literaturwissenschaftlich unterlegt), aber manchmal reibt man sich eben an solchen Kleinigkeiten auf. Dennoch meine ich, dass - sollte es sich wirklich um eine symbolische Handlung gehandelt haben - es sich nicht um eine bewusst symbolische Tat gehandelt hat (nach dem Motto: ich will jetzt einen versteckten Hinweis geben oder weil Du mir mein Herz gebrochen hast,...), denn so etwas würde nach meinem Empfinden vorherige Planung oder eine rationale Entscheidung während der Tat voraussetzen. Beides halte ich für wenig wahrscheinlich.
Sollte es sich hingegen um eine unbewusst symbolische Tat handeln, so haben wir das Problem, dass wir eben nicht wissen können, welche symbolische Bedeutung das Herz für den Täter in dessen Unterbewusstsein hatte. Ich gehe hierbei davon aus, dass ein Metzger einen anderen Bezug zu einem Herzen haben dürfte als ein Arzt oder ein Ingenieur.

Ich glaube stattdessen nicht an eine symbolische Handlung. Jack the Ripper hat das Herz wohl einfach aus der Brusthöhle entfernt, weil es eben da war. Ich habe es gerade nicht im Kopf, aber was war eigentlich mit Mary Kellys Lungen? Lagen die noch unberührt in der Brusthöhle, waren sie verletzt oder vielleicht sogar aus der Brusthöhle entnommen?

Viele Grüße,
Shadow Ghost

P.S. Rilke fand ich in meiner Jugendzeit auch super. Dies ging dann nahtlos über in Jim Morrison. Später hat mich dann Pablo Neruda gepackt.
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: panopticon am 05.03.2010 14:24 Uhr
Hi.

Woher weiß man bzw. warum vermutet man denn, dass er die Gedärme über die Schulter gelegt hat?

Das mit den Gedärmen und der Schulter bei Chapman und Eddowes ist, wie KvN schon erwähnte, den Autopsieberichten zu entnehmen. Siehe z. Bsp. auch hier: (Vorletzter Absatz) http://www.jacktheripper.de/opfer/chapman/ und hier (direkt unter den drei Bildern) : http://www.jacktheripper.de/opfer/eddowes/
Des weiteren gibt es die von mir im Zusammenhang mit dem Wiener Fall (wo diese Vorgehensweise übrigens nicht stattfand) erwähnte Skizze der toten Catherine Eddowes von Frederick William Foster. Auch darauf ist zu sehen, wie der Täter sein Opfer ´hinterließ´. Du findest sie zum Beispiel hier (irgendwo war die gesamte Skizze auch hier im Forum, wenn ich mich recht erinnere, nur leider finde ich sie gerade nicht): http://photos.casebook.org/displayimage.php?album=35&pos=7


Wieso denn? Hältst du ihn dafür für zu kaltblütig? Ich fände es seltsam, wenn hinter der Organentnahme nichts Symbolisches stünde. Wenn es nur zur Qual oder Demütigung der Opfer gedient hätte, hätte er sie doch nicht vorher getötet, oder? :icon_question:

Der eigentliche Grund, warum ich persönlich das ausschließe, liegt darin, dass ich diesen Fall schon während meiner Studienzeit bezüglich kunsthistorischer, kommunikationswissenschaftlicher und sozialpsychologischer Aspekte äußerst ´detailversessen´ untersucht und diskutiert habe. Das "Bild", das JtR hinterließ, wäre jedenfalls im Prinzip dem ´Symbolismus´ zuzurechnen, wenn er es denn bewusst hinterlassen hätte, was ich eben ausschließe. Nur zur allgemeinen Erklärung: Beim ´Symbolismus´ handelt es sich um eine Strömung in Bildender Kunst und Literatur, die sich aus der Romantik entwickelte und etwa zeitgleich mit dem von may_roora erwähnten ´Naturalismus´ seinen Höhepunkt erreichte (in etwa um 1890), wobei festzuhalten ist, dass ´Naturalismus´ als Epochenbegriff primär die Literatur betrifft – in der Bildenden Kunst gibt es diesen (in enger Verbindung mit dem ´Realismus´) zwar auch, allerdings wird der Begriff ´Naturalismus´ dort heute in erster Linie zur Beschreibung einer Darstellungsweise verwendet. (Ähnliches gilt auch für den Symbolismus, dessen Einfluss sich zum Beispiel besonders stark bei den Surrealisten erkennen lässt.) Die Themen der ´Symbolisten´ waren etwa das Verdrängte, das Unterbewusste, das Mythologische und das Okkulte, in erster Linie aber das Rätselhafte. (Zu  erwähnen, dass  auch die als ´Impressionismus´ bezeichnete Strömung zeitgleich koexistierte, ist hier wahrscheinlich überflüssig, zumal Walter Sickert oftmals damit in Verbindung gebracht wird, obwohl er , streng genommen, kein  typischer Vertreter dieser Richtung war.)

Um aber auf JtR zurückzukommen und auf  ´Symbolik´ einzugehen: Im Gesamteindruck (!) lässt sich an den jeweiligen Verletzungen, und der Art und Weise, wie der Täter die Toten an den Tatorten hinterlassen hat, kein System von Symbolen zweifelsfrei erkennen, dem in der damaligen (!) englischen / europäischen Gesellschaft oder Kultur in dieser Form eine über die sinnlich wahrnehmbare Sache hinausweisende Bedeutung zuerkannt wurde. Wenn wir es hier also abseits einer generellen Warnung des Täters vor sich selbst und vor dem, zu was er imstande ist, mit einer Art Symbolik zu tun haben, dann lediglich mit einer, die letztendlich nur für den Täter selbst zweifelsfrei nachvollziehbar war (wie Shadow Ghost eben bereits erwähnte), ferner vielleicht mit einer für eine ganz spezifische Zielgruppe (dazu unterscheidet sich sein Vorgehen von Fall zu Fall allerdings doch recht stark), oder aber eben mit einer, die aufgrund bestimmter (vielleicht nicht einmal zutreffender) und aus dem Gesamtkontext gerissener  Details von den  damaligen Medien (zur Auflagensteigerung) oder Laien hineininterpretiert wurde. Fazit: Ganz egal, was sein eigentliches Motiv war (und selbst wenn er, was nicht gerade wahrscheinlich ist, im ´Auftrag´ einer anderen Person oder ´übergeordneten´ Sache handelte): Dem Täter ging es hier in erster Linie letztlich um sich selbst, oder anders formuliert: Ja, er war ziemlich kaltblütig. (Insofern glaube ich aufgrund der Vorgehensweise des Täters auch nicht, dass die Morde für ihn primär zur Qual oder Demütigung der Opfer dienten (da wäre er dann wahrscheinlich, wie Du schon erwähnt hast, anders vorgegangen), sondern zu seinem wie auch immer gearteten eigenen ´Nutzen´, selbst wenn dieser ´Nutzen´ eventuell nur ´Befriedigung´ war.)


@panopticon: Ich bin durchschaut! Korrekt, ich bin auch in Wien z´haus...
:icon_mrgreen:


Grüße,
panopticon
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: KvN am 08.03.2010 21:58 Uhr
Gut gedacht, wohl gesprochen!

Trotzdem: Wir haben bei den Rippermorden ein ausgeprägtes staging, sowohl bei den einzelnen Taten als auch bei der Serie im gesamten betrachtet. Wenn auch keine Symbolik im engeren Sinn erkennbar ist - da bin ich völlig deiner Meinung - die Fundposition war deutlich abwertend und ich glaube nicht dass es Zufall ist, genauso wie die Steigerung des Grades der Verstümmelung. Das Arrangement im Fall Kelly ist für mich die denkbar abscheulichste Karikatur einer liebesbereiten Frau, zynisch und ekelhaft.

Aber vielleicht ist das einfach mein subjektives Empfinden...

Grüße
 
Titel: Re: Die Organentnahme - Warum?
Beitrag von: may_roora am 08.03.2010 23:03 Uhr
Zitat
"Im Fall von Mary Jane Kelly wurden viele ihrer inneren Organe entfernt und sowohl in ihrem Zimmer als auch unter und neben ihrem Körper verteilt. Lediglich das Herz wurde vermisst."
Quelle: Wikipedia
- Falls das, was in Wikipedia steht, stimmt, war das Herz wohl wirklich weg. :icon_confused:

@panopticon
Ich habe den Naturalismus nur erwähnt, um Shadow Ghost einen Beweis zu liefern, dass das Herz damals auch schon für Liebe stand. Ich weiß nicht, ob er sich irgendwie als Künstler gesehen hat und ein gewisses "Bild" hinterlassen wollte. Allerdings ist meine (wie KvN auch sagt, vlt persönliche, subjektive) Meinung, dass er nicht einfach sinnlos herum geschnippselt hat. Irgendwas Symbolisches kann, denke ich, sehr wohl dahinter gesteckt haben. Nur weil er ein Mörder war, muss er nicht völlig gefühlstot gewesen sein. Eben weil es ihm nur um sich selbst ging, hat er in den Morden meiner Meinung nach etwas Persönliches gesehen und diese vielleicht wie einen selbsterfundenen Ritus gefeiert.

Ahh, das mit den Gedärmen hab ich falsch verstanden, ich dachte, JtR hätte sie über seine eigene Schulter gelegt und wollte deswegen wissen, woher man die Idee denn bitte hat. :icon_mrgreen:
Wenn er sie über die Schulter des Opfers gelegt hat, ists ja klar, dass die so vorgefunden wurden. :)