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Walter Sickert - Porträt eines Briefeschreibers

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Jack the Whopper:
Ahoi!
Also für mich ist Sickert von allen Verdächtigen der Interessanteste. Das möchte ich auch gerne begründen. Vorher möchte ich aber darauf hinweisen, dass ich nicht PCs Buch abfeiern möchte, sondern lediglich ihre Theorie sehr interessant finde. Abgesehen davon, dass PC tatsächlich in erster Linie mit Vermutungen und Theorien um sich schmeißt, hat sie in ihrem Buch viele sehr interessante Aspekte aufgeschrieben, die hier nicht selten von Leuten in der Luft zerissen werden, die sich ihre "Gegenargumente" aus Buchkritiken und Internet-Seiten holen (anstatt das Buch selber zu lesen ) und deshalb wichtige Punkte übersehen. Ich gehe einfach mal auf die einzigen sinnvollen Gegenargumente ein.

-Das PC ledeglich mitochondriale DNA extrahieren konnte hat sie ja selbst geschrieben. Das diese Proben nichts darüber aussagen, ob Sickert die Briefe geschrieben hat oder nicht, hat sie in ihrem Buch selbst anerkannt. Lediglich der Verlag tönt auf dem Buchumschlag mit einem angeblichen DNA-Beweis, im Buch findet sich hingegen ein ganz anderer Beweis für Sickert als Schreiber. Ich zitiere einen Forumbeitrag vom Dezember 08:
Wenn Ihr das Buch gelesen hättet, dann würdet Ihr darauf stoßen, dass sie zum Mindesten EINEN ganz erheblichen Beweis vorbringt, den man einfach nicht wegdisskutieren kann.
Auf Seite 237 der Taschenbuchausgabe findet sich ein höchst brisanter Indizienbeweis.
Es geht um Schreibpapier der Firma Gurney Ivory Laid, die relativ geringe Mengen Papier herstellte.
Das hochwertige Briefpapier wurde von der Firma erst grob vorgeschnitten, in Stöße von 24 Blatt (der damals gängigen Kleinhandelsmenge, so wie heute 80 oder 100 Blatt Standart sind) aufgeteilt, und VON HAND Stoß für Stoß auf das genaue Maß nachgeschnitten.
Dieses Herstellungsverfahren ist wohl unbestritten individuell genug um einzelne Blätter aufgrund der durch die Handarbeiten bedingten Abweichungen einem Stoß zuzurodnen.
Genau dass hat er einschlägige Experte Peter Bower getan. Laut seinem Gutachten konnte er 5 Blätter eindeutig einem bestimmten Stoß zuordnen - zwei Briefe die angeblich von Ripper stammen und drei Briefe Sickerts.
So, ich denke das kann man so stehenlassen (die 5000 Komentare, in denen der sogenannte DNA-Beweis plattgeredet wurde, hätte man sich also schenken können). Ich finde es sensationell, dass man auch nach über 100 Jahren noch einen Schreiber von mehreren „Ripper-Briefe“ ermitteln konnte. Um so erstaunter bin ich, wenn sogar jemand wie Thomas Schachner dazu nicht mehr zu sagen hat als „Sickert wäre als Briefeschreiber überführt worden. na und?!“ Ich als Ripperologe wäre begeistert von solchen Erkenntnissen. Wenn jemand in einem Bekennerschreiben mit der Ermordung namentlich genannter Personen prahlt und damit droht weiterzumachen, dann ist das ein anonymes Geständnis. Auch wenn das nicht die Schuld beweist, ist es doch ein verdammt guter Grund die Person genauer unter die Lupe zu nehmen, erst recht, wenn dieser mit Vorliebe ermordete oder bedrohte Frauen malt.

-Ständig wird hier das Frankreich-Alibi erwähnt. Fakt ist: Sickert war (so seine Mutter) am 6. September in Frankreich und (so Blanche) am 16. September in Frankreich. Die Reise von Frankreich nach England war schon damals ein Katzensprung, Sickert könnte Annie Chapman trotzdem am 08. September ermordet haben. Die Aussage von Sickerts Frau am 21. September, die besagt, dass ihr Mann nun schon seit mehreren Wochen in Frankreich sei, hilft da auch nicht weiter, da Sickert ihr sicher nicht gesagt hätte, dass er zwischendurch nach England zurückkehren würde um eine Frau abzuschlachten, wenn er der Täter gewesen wäre. Die beiden waren in dieser Zeit nicht zusammen, wir wissen also nur, was Sickerts Frau geglaubt hat, mit Sicherheit wissen konnte sie es nicht. Übrigens gibt es Variete-Skizzen von Sickert, die auch von ihm datiert wurden und belegen, dass er 1888 im August, September und Oktober in London war.

-Das Sickert „mindestens einen unehelichen Sohn zeugte“ konnte nie bewiesen werden, auch wenn es sehr wahrscheinlich ist. Natürlich ist PCs Theorie über Sickerts angeblicher Impotenz an den Haaren herbei gezogen, aber egal, ob er am Penis oder am Hinterteil operiert wurde, er wird sicherlich eine oder mehrere Entstellungen im Intimbereich gehabt haben. Was sagt das aus? Nix! Ist aber auch unwichtig, Ob jemand als Täter in Frage kommt, ist ja nicht von einem möglichen Motiv abhängig, es gibt viele berüchtigte Mörder, deren Motiv nie ermittelt werden konnte, obwohl sie als Täter einwandfrei überführt wurden. Trotzdem ist es sehr interessant zu lesen, was PC über die Bedingungen schreibt, unter denen damals operiert wurde. Zweifellos gehen solche traumatischen Erlebnisse an keinem Kind spurlos vorbei. Und eine Entstellung im Intimbereich würde zum Profil des FBI Profil pasen, das über JtR erstellt wurde...

-Dass Sickert erst 1942 starb, lässt sich durchaus mit dem abrupten Ende der Mordserie vereinbaren, zumal es ja keinen Beweis für dieses Ende gibt. Es wäre durchaus möglich, dass der Täter seine Methoden und Vorlieben änderte. Man bedenke, dass auch dem sogenannte Zodiac Killer nur 5 Mordopfer zugerechnet werden, die er zwischen 1968 und 1969 getötet hat. Er selbst hat aber noch bis 1974 zahlreiche Briefe an die Polizei geschickt, in der er mit der Ermordung von 37 Menschen prahlt. Hier hat der Täter nachweislich entweder seine Methoden geändert oder aufgehört zu morden (aber trotzdem weiterhin seine Briefe geschickt). Das zeigt, dass es durchaus nützlich sein könnte etwas weniger engstirnig an die JtR Theorien heranzugehen. Es gibt keinen Beweis dafür, dass der Ripper nur im Herbst 1888 gemordet hat und ausschließlich Frauen in Whitechapel wollte. Vielleicht waren die „Kanonischen Fünf“ (oder andere Frauen im East End) für den Ripper so eine Art „Gesamtkunstwerk“, dass mit Mary Kelly beendet war. Danach könnte er sich neuen „Projekten“ gewidmet haben.

So, da ich kein Klugscheißer bin, lasse ich mich auch gerne eines besseren belehren. Lasst mich wissen, was ihr denkt. In diesem Sinne: CATCH ME IF YOU CAN (HA HA)! 
Yours truly, Jörn

Lestrade:
Ich wollte dieses Buch nicht lesen und jetzt muss ich es wohl...am besten du schickst es mir... :icon_biggrin:

Schräg ist es schon aber ich akzeptiere deine Bemühungen und deinen Eifer.

Vielleicht haben Sickert diese Taten des Rippers einfach nur fasziniert und inspiriert (falls er es nicht selber war).

Und so unbeliebt als Täter ist er ja auch nicht. Viele Experten lehnen ihn ab. Nun, ich bin kein Experte.

Floh82:
Zugegeben ich habe das Buch nicht gelesen und ich habe es auch nicht vor. Die Dame ist mir höchst unsymphatisch (nicht weil sie glaubt Jack the Ripper entlarvt zu haben, sondern einfach wegen eines Fernsehinterviews indem sie mir höchst arrogant vorkam - sowas kann ich gar nicht ab) und von solchen Personen lese ich im Allgeminen eher wenig Bücher ;)

Zu den angesprochenen Dingen:

Das Zitat aus dem Buch kenne ich nicht, halte es aber für sehr interessant. Wenn (Betonung auf wenn) der Sachverhalt tatsächlich so war und ist, dass 100% sicher ist dass dieses Papier einiger Ripper-Briefe identisch ist mit dem Papier einiger Sickert-Briefe, ist das letztendlich tatsächlich einmal etwas handfestes. Ich sehe nur ein Problem: Sickert hat also laut dieser Papierfakten einen Stapel Papier gekauft, der für die Ripper-Briefe und seine privaten Briefe gekauft wurde? Von wem wurde dieser Stapel gekauft? Und wer war die Bezugsquelle? War Sickert der Käufer oder vielleicht eine Kanzlei, eine Arztpraxis,... die das Papier für Kunden auslegte?

Das Frankreich-Argument dass ich auch gerne nutze soll nicht als Alibi verstanden werden (und so verstehe ich es auch nicht). Ich möchte allenfalls zu bedenken geben, dass er in diesem Zeitraum ständig zwischen England und Frankreich hin und her gereist sein muss. Selbst für einen Künstler der sein Atelier nachgewiesenermaßen in London hatte, ist das ein hoher Zeit- und Kostenaufwand. Und neben seinem Atelier das er betrieben bzw. genutzt hat, hat er noch ein paar Frauen abgeschlachtet? Mir kommt das einfach etwas sonderbar vor.

Ob er nun einen Sohn hatte oder nicht ist schlicht und einfach nicht bewiesen und kann daher eigentlich weder von der einen oder anderen Seite als Beweis angebracht werden.

Dass der Ripper unter Umständen anders weitergemordet hat, halte ja auch ich für möglich. Ich gehe zwar erstmal von den kanonischen 5 aus...aber weitere Opfer sind möglich. Sie lassen sich nur leider nicht nachweisen daher können wir keinerlei Hinweise von solchen erhalten.

Danke für die Offenlegung des Zitats, dass ist wie gesagt wirklich sehr interessant. Aber ich bleibe dabei: Für mich ist Sickert kein heißerer Kandidat als andere. Ich schließe ihn für mich sogar aus. Soll aber nicht heißen dass ich mich nicht täuschen könnte.

Floh82:
Noch eine Sache zu den Bildern:

Ich halte Bilder (oder Kunstwerke, je nach Blickwinkel des Betrachters) für ziemlich ungeeignet einen Menschen wegen irgendetwas zu verurteilen was auf den Bildern zu sehen ist. Tote Menschen, Morde,... und andere Widerlichkeiten finden sich nicht nur auf Bildern Sickerts. Andere durchaus bekannte Künstler schufen ebenfalls Bilder die...naja sagen wir mal etwas sonderbar sind. Einer seiner Lehrer Edgar Degas malte ein Bild dass eine Frau auf der Toilette zeigt. Einige Expressionisten malten tote Tiere oder Menschen. Ich glaube nicht dass man daraus schließen kann ein Mensch wäre tatsächlich in irgendeiner Weise gestört.

Jack the Whopper:
@Lestrade:
Falls du das Buch wirklich lesen möchtest, bekommst du es bei amazon.de für ca. 70 Cent, haha...
Das Sickert von den Ripper-Morden fasziniert war, ist eine Tatsache. Eine Tatsache, die natürlich immer als Erklärung herhalten muss, wenn Sickert mit dem Ripper in Verbindung gebracht wird. Seine Faszination zeigt sich unter anderem in den Bildern "Jack Ashore" und "Jack the Ripper´s Bedroom" (welches übrigens das Zimmer einer Pension zeigt, in dem Sickert eine Zeit lang gelebt hat)... Ist natürlich möglich, dass er einfach nur ein Spinner war, der die Briefe nur geschrieben hat um sich dem Täter näher zu fühlen (oder so ähnlich).


@Floh82:
Die Frage WER den Papierstapel tatsächlich gekauft hat, finde ich interessnt, ich kann sie dir nicht beantworten. Allerdings halte ich es auch für relativ unwichtig. Sickert war ein sehr eifriger Briefeschreiber, er wird sich sicherlich nicht nur einen Stapel von schlappen 25 Stück besorgt haben, sondern immer mehrere Stapel auf einmal. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich einen halben Stapel gekauft hat, und danach der "wahre" Briefeschreiber ins gleiche Geschäft kam um zufällig die zweite Hälfte des Stapels zu kaufen. Dazu kommt, das diverse Ripper-Briefe mit "Mr. Nemo" + "Mr Nobody" (beides Bühnenpseudonyme Sickerts) unterzeichnet waren und kleine kunstvolle Skizzen enthalten, die durchaus seinem Mal-Stil entsprechen...

Zu den Bildern: Ich stimme dir zu Sonst könnte man PC ja auch unterstellen, dass sie ein brutaler Psycho ist, bloß weil sie entsprechende Romane schreibt. Bei Walter Sickert ist es wohl eher die Gesammtliste der Auffälligkeiten, die mich auch dazu bringt, mir seine Bilder genauer anzusehen...

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