Autor Thema: Ripper-Opfer oder nicht?  (Gelesen 65993 mal)

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JohnEvans

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Re: Ripper-Opfer oder nicht?
« Antwort #45 am: 27.04.2008 14:30 Uhr »
Hallo, Isdrasil,

Beim Lesen der Zeugenaussagen stoße ich immer wieder auf dieselben Probleme: sagen die Zeugen die Wahrheit? Wenn ja, an wie viel können sie sich tatsächlich erinnern? Was fiel der Unaufmerksamkeit oder sogar einem Schreck anheim? Was veränderten sie im nachhinein unbewusst?
Wie genau sind ihre Zeitangaben tatsächlich?

Selbst wenn wir mal diese Probleme außen vor laßen, so bleibt eine einfache Tatsache. Nämlich die, daß auch die zuverläßigsten Zeugen nie den gesamten Tathergang beobachten konnten. Oft liegt einige Zeit zwischen einzelnen Beobachtungen, die wir heute, ebenfalls unbewusst, zu einem einzigen kontinuierlichen Zeitablauf zusammen schweißen, obwohl es eventuell nie so gewesen sein muß.
 
Kurzum: uns fehlen einfach Puzzleteile.

Versuchen wir jetzt dennoch, aus Schwartz Aussage die wenigen Fakten heraus zu picken, immer unter der Annahme, er irrst oder lügt nicht:

a) der Mann attackiert Stride, augenscheinlich aus heiterem Himmel und ohne Grund

b) dabei oder vorher zieht er Stride aus dem Hof bzw dem Hofeingang heraus auf die offene Straße

c) Stride geht zu Boden und schreit ein paar Mal (3 x ?) leise auf

Als nächstes betrachten wir nun die Möglichkeiten, und sehen, wie und wo diese mit den Tatsachen in Einklang zu bringen sein könnten.

Mit ein paar Variationen (Liz kannte ihren Angreifer oder nicht) ergeben sich daher 4 Optionen:

1) der Angreifer war ihr Mörder, aber nicht der Ripper

2) der Angreifer war ihr Mörder und der Ripper

3) der Angreifer war nicht ihr Mörder und es gibt einen zweiten Mann (Pfeife?), der sie anschließend tötete, dieser ist der Ripper

4) oder auch nicht

Und jetzt Watson, kombinieren wir fröhlich! :icon_wink:

1) der Angreifer war ihr Mörder, aber nicht der Ripper – der Mann wirkt wütend und scheint keine Angst vor fremder Einmischung zu haben. Vllt gehört der zweite sogar zu ihm.
Das, und eine weitere Erklärung unter Punkt 3), erklärt sehr gut, wie dir schon aufgefallen ist, warum er sich offensichtlich nicht um den Gesangsverein im Haus kümmert.
Aber es gibt Unstimmigkeiten, die allerdings, wie bereits angeführt, daher rühren können, daß uns Puzzleteile fehlen. Wie zB:

a) der Mann attackiert Stride, augenscheinlich aus heiterem Himmel und ohne Grund - Ohne Grund wohl nur für den Zeugen, der Täter hatte bestimmt einen.

b) dabei oder vorher zieht er Stride aus dem Hof bzw dem Hofeingang heraus auf die offene Straße DAS ist hingegen ausgesprochen interessant!!! Warum zieht er Stride erst raus, nur um sie später wieder in den Hof zu ziehen und zu ermorden?

Auch diese Cachous passen nicht ganz zu der Überlegung, daß Stride ruhig mit einem wütenden Angreifer in den dunklen Hof geht. Natürlich besteht die Möglichkeit, daß die beiden ihr Problem in aller Ruhe dort weiter regeln wollten, es aber nicht schafften, wie der Ausgang der Geschichte demonstriert.

c) Stride geht zu Boden und schreit ein paar Mal (3 x ?) leise auf - Die gängige Meinung ist, sie kannte ihn. Ich denke aber, das mußte nicht der Fall gewesen sein. Diese Schreie klingen durchaus auch so, als wäre sie nur überrascht, aber nicht beängstigt gewesen. Mehr hat Schwartz vom Angriff ja nicht bekommen. Es läßt sich daher nicht mit Sicherheit sagen, ob Stride ihren Angreifer kannte, und wenn ja, wie gut.

2) der Angreifer war ihr Mörder und der Ripper – gegen diese Annahme spricht für mich die plumpe, offene Vorgehensweise, die eher nur nach Wut aussieht. Nicht nach einem geplanten Mord. Hier stört mich auch besonders, daß der Täter Stride b) dabei oder vorher aus dem Hof bzw dem Hofeingang heraus auf die offene Straße zieht - Man möchte meinen, daß er seinen Mord so unauffällig wie möglich an- und begeht.
Weshalb ich für mich diese Variante (Angreifer = Ripper) kategorisch ausschließe.

3) der Angreifer war nicht ihr Mörder und es gibt einen zweiten Mann (Pfeife?), der sie anschließend tötete, dieser ist der Ripper
So unwahrscheinlich es klingt, aber dieses Szenario erklärt einfach alle Tatsachen wie

a) der Mann attackiert Stride, augenscheinlich aus heiterem Himmel und ohne Grund - Wer immer sie angriff, hatte einen Grund dafür. Irgenwo im www.casebook.org meinte ein Poster (sorry, vergessen, wer), dieser Mann könnte vom Club gewesen sein und er wollte Stride aus dem Hof jagen, weil er nicht wollte, daß sie dort Kunden suchte.

b) dabei oder vorher zieht er Stride aus dem Hof bzw dem Hofeingang heraus auf die offene Straße - Aufgemerkt: aus dem Hof, was 100% zu der Beobachtung paßt, die Schwartz machte:

c) Stride geht zu Boden und schreit ein paar Mal (3 x ?) leise auf - Daher könnten ihre leisen Schreie sehr wohl bedeuten, daß sie, schon erwähnt, ihren Angreifer doch kannte und / oder sich gar nicht wehren wollte, keine Hilfe oder Aufmerksamkeit erregen wollte, da sie wußte, daß der Angreifer irgendwie im Recht war. Und mehr als einen Rauswurf hätte sie nicht zu befürchten gehabt.

Ob sie wirklich Kunden suchte? Oder hatte sie etwa eine Verabredung? Mit ihrem Mörder? Mit dem Ripper?

Auch in dieser Inszenierung wollen einfach diese Cachous nicht ganz zu der Überlegung paßen, daß Stride ruhig mit einem wütenden Angreifer in den dunklen Hof geht.
Es sieht einfach so aus, als wäre „Ruhe nach dem Sturm“ eingetreten. Und als hätte Liz gerade vor gehabt, diese Cachous zu verwenden. Oder erhielt sie sie als Geschenk?

Für wen wollte sie einen frischen Atem haben??? Für den wütenden Angreifer? Wohl nicht.

Fazit  1) Wahrscheinlichkeit: 95%
            3) Wahrscheinlichkeit: 90% (und einem großen Zufallstreffer für den Ripper)
            4) zu viele Zufälle verderben die Logik! :icon_lol: und
            2) kann ich nur ausschließen

JE

Offline Isdrasil

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Re: Ripper-Opfer oder nicht?
« Antwort #46 am: 27.04.2008 18:58 Uhr »
Hi John

Eine sehr schöne Ausführung.

Und tatsächlich: zu 95% denkst Du, der Angreifer war ihr Mörder, aber nicht der Ripper. Genau dies meinte ich. Es gibt einfach keinen Querverweis auf eine Rippertat. Lediglich die Zeit hat den Mord an Stride mit dem Ripper in Verbindung gebracht - selbstverständlich gibt es einige auch wahrscheinliche Möglichkeiten des Tathergangs und selbstverständlich kann auch der Ripper der Täter gewesen sein. Aber mein Bauch sagt mir nein - und auf meinen Bauch höre ich immer!  :icon_wink:

Ich kann mir auch wieder ganz obskure Dinge zusammenreimen: Möglicherweise bekam der Ripper Wind vom Mord an Stride, da er in der Nähe wohnte (Batty Street?), und nutzte die Gunst der Stunde...aber wer weiß das schon?

Und bevor ich heute in das Bett gehe, überlege ich noch mal kurz, wie Du auf die 95% nochmal 90% für Punkt 3 draufpackst... :icon_aetsch:

Grüße, Isdrasil

Offline Phil

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Re: Ripper-Opfer oder nicht?
« Antwort #47 am: 27.04.2008 22:13 Uhr »

Auch ich finde deine Ausführung sehr schön, John  :icon_thumb: Soviel Arbeit macht sich nicht jeder...das sieht man selten...also: Daumen hoch!  :icon_wink:

Und zu deinem Bauchgefühl, Isdrasil: Auch ich höre immer (naja gut, meistens) auf meinen Bauch. Und der sagt mir definitiv: Stride wurde vom Ripper umgebracht. Der Angreifer muss nicht ihr Mörder gewesen sein, der kann auch danach noch gekommen sein.

So. Jetzt haben wir Bauch gegen Bauch. Und was machen wir jetzt?  :icon_lol: Eine Bauchumfrage? Wessen Bauch sagt "Ja" und wessen Bauch sagt "Nein"? Bin mal auf die Ergebnisse gespannt...wenn ich besonders gut drauf bin starte ich diese Umfrage bald wirklich  :icon_aetsch:

Und nun genug des sinnlosen Gesülzes meinerseits  :icon_exclaim:

Liebe Grüße,

Phil
"Happiness ain't at the end of the road, happiness IS the road" (Zitat aus dem gleichnamigen Lied von Marillion; Lyrics: Steve Hogarth)

JohnEvans

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Re: Ripper-Opfer oder nicht?
« Antwort #48 am: 01.05.2008 17:34 Uhr »
Hi, Phil Isdrasil,

danke für die Blumen.

Und tatsächlich: zu 95% denkst Du, der Angreifer war ihr Mörder, aber nicht der Ripper.
Nein, denke ich nicht. Schrieb ich auch nicht. Ich sagte, es ist wahrscheinlich, nicht, daß ich das auch meine. :icon_wink:
Es ist auch nur dann wahrscheinlich, wenn Schwartz Aussage völlig richtig ist.

Und hier geht es schon los: zum einen unterscheidet sich seine bei der Polizei gemachte Erzählung doch erheblich von der, die der Star wiedergab, was, zugegeben, nicht seine Schuld gewesen sein muß, aber ein Rest Mißtrauen bleibt.

Zum anderen haben wir die nicht zu übersehende Tatsache, daß die Aussage Schwartz von keinem anderen Zeugen, der zur selben Zeit in Berner Street war, unterstützt wird.
Niemand der dort ebenfalls Anwesenden (Mrs Mortimer, Mr Goldstein, Mr Brown) haben Schwartz gesehen. Oder Stride mit ihrem Angreifer. Oder den Mann mit der Pfeife, bzw dem Messer. Oder den Angriff als solchen, der sicherlich nicht zu übersehen war für jemanden, der sich zur selben Zeit in der Nähe aufhielt.

Und das ist mehr als interessant, denn diese Zeugen können durchaus die Anwesenheit der anderen bestätigen, und zwar für den Zeitraum von ca 12:35 bis 12:55. Aber ... kein Schwartz um 12:45 (um diese Zeit will er seine Beobachtung gemacht haben).

Nun, ich sage nicht, daß Schwartz lügt, aber er könnte sich irren. Nicht bezüglich des Ortes, ich bin mir sicher, den kannte er, da er ja in Berner Street wohnte, aber mit großer Wahrscheinlichkeit irrte er in der Zeit.

Eine Möglichkeit wäre, daß Liz früher angegriffen worden war, dann aber verblieb genug Zeit für das Auftauchen einen anderen Täters.

Außerdem sagt Schwartz, Liz wäre "zu Boden gestoßen worden", aber der Autopsiebericht sagt deutlich, daß sie keine in solchen Fällen auftretenden Verletzungen aufwies. Es ist daher möglich, daß Schwartz entweder seine Beobachtung heftig übertrieb oder sogar ein anderes Opfer als Stride sah.

Womit Schwartz Aussage leider nicht als Grundlage zur Überlegung, ob Stride vom Ripper getötet wurde, heran gezogen werden kann.

Somit bleibt nur die Art, wie sie attackiert wurde und die spricht ziemlich eindeutig für den Ripper als Täter.

Hinzu kommt, daß beim Wegfall von Schwartz Zeitangabe, Liz sehr wohl ein paar Minuten später getötet und der Täter / Ripper durchaus von Diemschütz gestört worden sein könnte,

JE

JohnEvans

  • Gast
Re: Ripper-Opfer oder nicht?
« Antwort #49 am: 09.05.2008 20:39 Uhr »
Hallo, Isdrasil,

ja, wo bleibst du denn???? Keine Lust oder keine Argumente mehr zum Weiterdiskutieren? Findest du nicht, daß die Tatsache, daß weder Schwartz noch seine Beobachtungen von anderen Zeuge gesehen wurden, etwas mehr als eigenartig ist???

JE

MrsPeel

  • Gast
Re: Ripper-Opfer oder nicht?
« Antwort #50 am: 10.05.2008 00:14 Uhr »
Oh...die Nacht der Liz Stride, dass ist sehr faszinierend und auch sehr verwirrend.
John Evans hat das ja wunderbar verdeutlicht!
Sehr viele Zeugen, sehr konfuse Zeitangaben und die Frage, wann wurden die Zeugen vernommen?
Einen Tag später?
Vielleicht weiß das jemand und kann mir helfen denn ich findes das sehr wichtig.
Warum?
Ich denke auch John hat das Problem angesprochen, denn bitte bedenkt, schon nach dem Mord an Annie Chapman war die öffentliche Erregung in Whitechapel sehr groß! Die Leute waren aufgebracht und sprachen darüber, angeheizt durch die Medien und ihren plärrenden Zeitungsjungen. Auch könnte ich mir vorstellen, dass die Bewohner des Hauses Hanbury Street einen sehr zweifelhaften Ruhm genossen, weil jeder wissen wollte, wie es denn so war in jener schicksalshaften Nacht.
Anders ausgedrückt, diese Leute waren plötzlich wer. (Und wenn auch nur bei den Nachbarn und im Pub).
So, und nach dem Doppelmord, war eine neue Stufe gezündet worden.
Deswegen könnte es sein, dass einige Zeugen und ich glaube noch nicht mal böswillig, dramatisierten, sich auch in dem Zeitpunkt irrten und natürlich vor dem Zeugenstand aussagten, ehrbar und stocknüchtern gewesen zu sein.
Deswegen meine Frage, wann wurden sie gehört.
Ausgehend auf diesen Überlegungen war ich mal so frei und habe eine Art Timeline zusammengestellt. Dabei traue ich mich mal, die Zeugen, die ich für problematisch halte, rot zu unterlegen.
Voila... fangen wir an:

23 Uhr - John Gardener und J. Best sehen Stride mit einem Mann an der Tür des Bricklayers Arms in der Seetles Street.
            Aussage: Mann war 1, 70 groß, gut gekleidet, schwarzer Anzug, schwarze Melone, dicker, schwarzer Schnauzbart. Er und Stride küssen 
            sich und Gardener und Best wundern sich über das seltsame Paar. (Dies könnte tatsächlich stimmen. Die beiden beobachten eine    
            für sie ungewohnte Situation. Der Gentleman passt nicht zu der Frau und so sehen sie genauer hin und merken sich
            Einzelheiten. Laut ihrer Aussage gehen die beiden in Richtung Commercial Road.

23 Uhr 45: William Marshall sieht die Stride mit einem Mann gegenüber Berner 64 stehen. Und, obwohl, wie er selbst sagte, keine
-               Laterne in der Nähe war, gibt er folgende Aussage: 1,65 groß, mittleren Alters, kurzer schwarzer Mantel (Cut-Away), dunkle
0 Uhr        Hose, runder Hut mit Schirm, sieht aus wie ein Büroangestellter. Er und Stride sprechen miteinander.


0 Uhr - Dutfields Yard: William West tastete sich durch den Innenhof und geht dann mit seinem Bruder und Louis Stansley nach Hause. Dabei müsste
           er der Stride und dem Unbekannten eigentlich begegnet sein. Er sieht aber nichts.

0 Uhr 30 - Charles Letchford geht durch die Berner Street und sieht nichts!

0 Uhr 30 - PC Smith macht seine Runde durch die Berner Street und die vielleicht bedeutenste Aussage.  Er sagt aus: Mann, 1,70 gross, steifer
-              Jägerhut aus Filzstoff (dunkle Farbe), dunkle Kleidung, ca. 28 Jahre. Trug ein in Zeitungspapier eingewickeltes Päckchen in der
0 Uhr 35   Hand. Und an der Stride will er eine Blume entdeckt haben.

0 Uhr 35   Fanny Mortimer schnappt nach Luft, sieht nichts - will aber Diemschütz Karren gehört haben.  
-
1 Uhr


0 Uhr 40  Morris Eagle tastet sich durch das Tor in den Innenhof und stolpert über niemanden. Auch ist nicht bekannt, ob er auf seinem
              Weg durch die Berner Street jemanden sah.


0 Uhr 45  James Brown sieht einen Mann und eine Frau. Sie unterhalten sich und die Frau sagt zu dem Mann: Nein, nicht heute Nacht. In einer
-             einer anderen Nacht. Mann: 1, 70 groß, langer Mantel, Hut.
0 Uhr 50


0 Uhr 45  Der Schwartz Zwischenfall! Wunderbar aufbereitet von John, doch hier nochmal die wichtigste Aussage und dabei beziehe
-             ich mich auf die Aussage von Donald Swanson:
0 Uhr 50  Schwartz sieht in einiger Entfernung vor sich einen angetrunkenen Mann gehen, der dann eine
              Frau anspricht. Es kommt zu einer Rangelei.
              Potentieller Angreifer: ca 30 Jahre alt, ca 1,65 groß, helle Haut, dunkles Haar, schmaler Schnauzbart, dunkle Jacke, dunkle
              Hose. Hatte nichts in den Händen.
              Potentieller Zeuge/Komplize/Helfer: ca 35 Jahre alt. ca 1,80 groß, helle Haut, hellbraune Haare, brauner Schnauzbart, dunkler Übermantel
              alter, schwarzer Filzhut, hielt eine Tonpfeife in der Hand.      

0 Uhr 50 - Charles Letchfords Schwester treibt es auch noch in die Nacht. Auch sie sieht nichts!

ca 1 Uhr Diemschütz findet Elizabeth Stride.

Ich persönlich halte die Letchford und Brown Aussagen für äusserst problematisch. Beide könnten sich in der Zeit geirrt haben.
Auch William Marshall hat trotz schlechter Lichtverhältnisse eine sehr genaue Beschreibung abgeben können. Auch bei ihm könnte zumindest der Zeitpunkt seiner Beobachtung angezweifelt werden.
Fanny Mortimer hat vermutlich Diemschütz Karren gehört, aber da war der Mord vielleicht schon in vollem Gange. Deswegen würde ich ihre Nachtwache auf nach 0 Uhr 50 datieren, also zu einem Zeitpunkt wo Schwartz schon auf der Flucht vor seinen (eingebildeten???) Verfolger war.
Zu Schwartz. Sein subjektives Empfinden könnte schon vor dem Zwischenfall von Furcht geprägt worden sein. Es war dunkel, es war unheimlich und er war in einem fremden Land, mir fremder Sprache, in einer Gegend deren Bewohner stark antisemitsch und fremdenfeindlich waren. Es kann also sein, dass er die Situation deutlich bedrohlicher einschätzte als sie war. Ein Mann geht vor ihm betrunken auf Stride zu. Sie sagt, er solle seinen besoffenen Hintern wegschaffen und so kommt es zu einer Rangelei. Der Mann sagt Lipski und Schwartz fühlt sich angesprochen. Er hat noch mehr Angst, war doch Lipski ein Schimpfwort für einen Juden. Aber vielleicht hat der Betrunkene auch nur Lizzi gesagt, da er die Stride vom sehen her kannte.
"Hey Lizzi, jetzt hab dich nicht so!"
Oder
Lizzi!
Pah!
Klatsch!
In diese Rangelei mischt sich ein anderer ein. Ein Mann, der die Stride vielleicht schon länger beobachtet hatte.
Spekulation:

0 Uhr 30  PC Smith sieht die Stride mit einen Kunden. Es hat vielleicht schon ein wie immer geartetes Geschäft stattgefunden oder es wird noch
-             verhandelt. Vielleicht hat der Mann einen ausgefallenen Sonderwunsch, will dass die Stride mit ihm geht, oder sie unterhalten sich nur. 
0 Uhr 35  Das Paket, dass der Mann trägt könnte irreführend sein. Oder schleppt der Ripper seine Messer etwa in Zeitungspapier gewickelt,
              unter dem Arm mit sich herum? Und vielleicht war es Brown der Teile dieser Unterhaltung gehört hat.

0 Uhr 35  Die Stride wird von dem Mann verlassen und ist ab jetzt alleine.
-
0 Uhr 45

0 Uhr 45  Der Zwischenfall mit dem Betrunkenen. Flucht Schwartz, Flucht Betrunkener,  Auftritt: JTR!
-
0 Uhr 50

0 Uhr 50  Abblende, die Musik geht an, ENDE!
-
1 Uhr

Puh.
Jetzt habe ich hoffentlich nix vergessen.
Aber das sind so meine Überlegungen.
Gute Nacht wünscht
Mrs Peel
 :icon_eek:  
« Letzte Änderung: 10.05.2008 00:29 Uhr von MrsPeel »

JohnEvans

  • Gast
Re: Ripper-Opfer oder nicht?
« Antwort #51 am: 10.05.2008 13:59 Uhr »
Hallo, Mrs Peel,

sehe schon ... we´re needed! :icon_thumb:

Ich möchte meinen Antworten folgende Überlegungen voraus schicken: Zeitangaben von Zeugen dürfen leider nicht sekundengenau betrachtet werden. Sie hatten weder alle eine eigene Uhr, noch haben sie ununterbrochen drauf geblickt, geschweige denn, die Zeit notiert.
Die damaligen gängigen Methoden der Zeitabfragung waren einfach Turmuhren, Kirchenuhren, eventuell Pubuhren, selten eigene. Und ohne die Präzesion von Funkuhren varierten die verschiedenen öffentlichen Uhren von einander. Selbst Abweichungen von ein paar Minuten können alles ändern.

Hinzu kommt, daß die meisten Menschen Uhrzeiten oft aufgrund von Gewohnheiten schätzen. Packert ist ein gutes Beispiel dafür.

0 Uhr - Dutfields Yard: William West tastete sich durch den Innenhof und geht dann mit seinem Bruder und Louis Stansley nach Hause. Dabei müsste er der Stride und dem Unbekannten eigentlich begegnet sein. Er sieht aber nichts.
Also, immer vorausgesetzt, die Zeiten sind einigermaßen zuverläßig, um diese Zeit (null Uhr) finde ich es gar nicht verdächtig, daß er Stride nicht gesehen hat. Warum auch?

0 Uhr 30 - Charles Letchford geht durch die Berner Street und sieht nichts!
Nun, Mr Brown sichtet jemanden, den er für Stride hält, 5 min später, allerdings nicht in Berner Street, sondern an der Ecke Berner Street / Faiclough Street. Stride war also offenbar erst zur Berner Street unterwegs, aber eben ncoh nicht dort.

0 Uhr 35 - 1 Uhr Fanny Mortimer schnappt nach Luft, sieht nichts - will aber Diemschütz Karren gehört haben. 
Richtig. Und sie blieb bis ungefähr 0:50. Und ihre Anwesenheit wird durch Mr Goldstein bestätigt. Somit ist diese Zeugenaussage eine, auf die man sich am ehesten verlassen kann.

0 Uhr 45  James Brown sieht einen Mann und eine Frau.
Meine Informationen sagen 0:35 Uhr, aber wie gesagt, ist einfach eine Frage der Uhren.

… ich mich auf die Aussage von Donald Swanson:
0 Uhr 50  Schwartz sieht in einiger Entfernung vor sich einen angetrunkenen Mann gehen,
Soweit ich informiert bin, sagt Swanson nichts von einem Betrunkenem!!! Diese Variation in Schwartz Aussage finden wir in der Zeitung (sorry, kann gerade nicht nachschauen in welcher, aber wenn es gewünscht wird, stürze ich mich nach dem WE drauf).
Und gerade dieser sehr große Unterschied, belastet die Glaubwürdigkeit seiner Aussage noch mehr.

Ich persönlich halte die Letchford und Brown Aussagen für äusserst problematisch. Beide könnten sich in der Zeit geirrt haben.
JEDER könnte sich in der Zeit geirrt haben. Außer man hat definitiv andere Beweise / Indizien, an denen man festmachen kann, daß sich ein Zeuge tatsächlich irrt, sollte man das Prinzips des Zweifels für alle Zeugen anwenden

Und somit sind Mrs Letchford´s und Mr Brown ´sAussagen keine Spur unglaubwürdiger als die der anderen. Und eigentlich stimmen sie mit den Aussagen der anderen überein.

Die einzige Aussage, die zeitlich zu keinem der andern paßt, ist die von Schwartz!!! Und dummerweise ist es genau diese unzuverläßige Aussage, auf der der spekulative Verlauf des Geschehens beruht.

Zum Thema „Spekulation“ noch so viel:

0 Uhr 45 … Der Zwischenfall mit dem Betrunkenen. Flucht Schwartz, Flucht Betrunkener,  Auftritt: JTR!
Das wäre in der Tat ein irrer Zufall, an dem ich nicht zu glauben mag. Sollte Schwartz Aussage stimmen, dann kommt eigentlich mit großer Wahrscheinlichkeit nur der Angreifer als Täter in Frage.

Die einzige Möglichkeit, die ich sehe, JtR ein zu bauen, ist, daß die Zeitangaben Schwartz nicht korrekt sind. Dann funktioniert das Szenario besser, falls nichts bestens.
Stride könnte durchaus angegriffen worden sein, etwas früher. Vielleicht von dem Mann, den sie ablehnte. So um 12:35, das paßt zu Brown´s Aussage, sowie zur Nicht-Beobachtung von Mrs Mortimer.
Danach trifft sie den Ripper – der ihr vielleicht äußerst galant geholfen hat, den Angreifer zu verscheuchen. Das wiederrum würde zur Schwartz Beobachtung vom Messer in der Hand des zweiten Mannes paßen.

Ich bin, wie du, der Meinung, Stride wurde von Jack getötet. Nur nicht in der knappen Zeitfolge, die uns Schwartz möglicher Zeitirrtum glauben macht.

JE

zom Palmer

  • Gast
Re: Ripper-Opfer oder nicht?
« Antwort #52 am: 11.05.2008 16:46 Uhr »
hallo zusammen

jetzt kommt mein senf dazu.
für mich persönlich bildet dieser mord, dass größte mysterium im ganzen ripper-fall. der ripper hat immer da gemordet wo e entweder nicht so schnell gestört wurde ( der erste mord fand in einer nicht häufig frequentierten seitenstraße statt. der zweite mord im einem hinterhof. hier musste er nur die tür im auge behalten ob jemand kommt odr nicht. (obwohl es mich immer stutzig macht das niemand von de bewohnern etwas gehört haben will))
Dieser mord hier fand aber auf einer straße statt die
1. zu einem der laufwege der streifenpolizisten gehörte bzw. sehr nahe an diesem lag.
2. er macht es noch neben einem haus in dem eine feier stattfand (dann hatte der ripper unheimlich viel glück das die leute nichts mitbekommen haben ???).
deshalb passt mir dieser mord einfach nicht ins konzept.

so jetzt komme ich mal zu den abläufen die meine vorredner hier skizziert haben. respekt!
wenn ich mir die so durch lese entwicklet sich bei mir eine vorstellung wie die tat abgelaufen seien könnte:

1. liz wartet in der hofeinfahrt/vor der hofeinfahrt auf neue kundschaft. (sie könnte vorher schon gv mit einem anderen kunden wohlmöglich sogar in diesem hinterhof gv gehabt haben)
2. diesen bekommt einer der anwesender der feier mit und will sie von dort vertreiben (hat vielleicht angst das der gute ruf dieser einrichtung durch sowas beschutzt wird)
3. er geht raus um sie zu vertreiben. dabei erkennt  sie wieder und ruft lizzi zu ihr (vielleicht wer er sogar einmal ein kunde bei ihr und denkt sich jetzt vielleicht könnte er noch ne kleine nummer schieben).
4.liz will nicht und der der angreifer wird etwas rabiater (schubs auf die straße).er zeihtzsie wieder rein. liz wehrt sie vermutlich weiter und zieht eine waffe (rasiermesser, küchenmesser oder was weiss ich.-imo dieprostituierten haben sich nach den beiden ersten morden versucht zu schützen und sich bewaffnet)
5. es kommt zu einem handgemenge bei dem liz ausversehen getötet wird. der angreifer bekommt angst und inzeniert einen gescheiterten rippermord. (hat vielleicht nicht die kaltblütigkeit sie auch noch zu verstümmeln oder dimschütz kamm ihm dazwischen).

noch kurz was zu den zeugenaussagen:

meiner meinung nach waren die meisten sowieso durch die berichte in der presse vorgefertigt. die leute im east end wollten sich wohl alle gegnüber dem anderen wichtig machen und verfeinerten jaweils ihre aussagenum einege details um besser dazustehen. (z.b. hutchinson der ihn so genau beschreibt als ob er ihn persönlich kannte . ich bezweifle sehr stark das menschen die eine person nur kurz sehen sich solche details meken können und das über drei tage. er hat vielleicht die gängige vorstellung des rippers genommen und sie verfeinert damit es glaubwürdiger rüber kommt bei der polizei.)

gruss zom

MrsPeel

  • Gast
Re: Ripper-Opfer oder nicht?
« Antwort #53 am: 11.05.2008 22:03 Uhr »
Hui, da sind jetzt einpaar interessante Ansätze aufgetaucht!
 :icon_thumb:
Und einpaar Fehlspekulationen meinerseits.
 :icon_redface:
Vielleicht. :icon_wink:
Zuserst zu Mr Steed... äh... Evans, also... ich korrigier mich und spekuliere neu.
(In der vagen Hoffnung einmal eine beinahe vernünftige Timeline zusammen zu bekommen. Ich hasse dieses Chaos rum um Dutfields Yard.)   
1. Vergiss William West (mein Fehler!), klar... die Stride war noch meilenweit entfernt. Herrgott nochmal!
2. Sehr gut deine Berichtigung zu Letchford. Ich muss nachsehen, ob ich meinem Büchern die Begegnung Stride (?) einige Minuten später übersehen habe.
3. 0 Uhr 35 -  Fanny Mortimer und Mr Goldstein. Tja, da hackt es, denn er ist der Mann mit der Tasche. In dem Schachner Buch (ich habe sozusagen quer gelesen mit dem Buch von Tom Cullen ) steht da, dass Fanny ihn sieht, wie er zügig die Strasse hinunter geht. Er blickt auch kurz in Richtung Berner Street Club...
(Ist es die Musik, der Gesang? Oder ist es irgendetwas anderes. Ein seltsames Geräusch oder so? Deswegen eine Frage, gibt es die Goldstein Aussage en detail nachzulesen und wenn, wo?).
....und verschwindet in Richtung Fairclough.
Dann steht in dem Buch weiter, dass Fanny (Zitat): "kurze Zeit später - sie war wieder ins Haus gegangen - Diemschütz Karren hört. Wie lange war sie abwesend? Und ja, ich weiß, ich spekuliere hier um maximal 15 Minuten und ich weiß auch, dass das verflucht knapp ist. Jedoch, ehrlich gesagt, nicht zu knapp um jemanden in den Hof zu zerren. Besonders wenn man damit spekuliert, dass es Diemschütz Karren war, der den Mörder aufgeschreckt hat.
Und ich gehöre auch zu denen die glauben, dass der Mörder/Ripper noch im Hof war, als Diemschütz um Hilfe zu holen, davonlief.
Und auch richtig... *seufz... jeder kann sich in der Uhrzeit geirrt haben und doch denke ich, dass das Aussage von PC Smith einigermaßen korrekt sein könnte und das bedeutet um 0 Uhr 30 ging etwas vor.
Möglichkeit:
0 Uhr 30 - PC Smith sieht die Stride und einen Kunden. Er geht weiter, sie verschwinden in den Hof und erledigen etwas... *hust...räusper.
0 Uhr 35 - Fanny Mortimer sieht Mr Goldstein und dessen Aufmerksamkeit wird durch etwas gewegt, dass ihn dazu veranlasst in Richtung des Clubs zu blicken. Aber was das war, dass kann der Gute nicht sagen. Es ist auch viel zu dunkel um etwas zu erkennen. Und wenn ich jetzt noch mal spekulieren darf, vielleicht war es wirklich die Stride mit einen Kunden.
0 Uhr 35 - 1 Uhr: Fanny geht wieder ins Haus.
0 Uhr 35 - 1 Uhr: Brown sieht einen Mann und eine Frau. Spekulation: Es ist der gleiche Mann, den PC Smith gesehen hat. Beide, er und die Stride haben getan was getan wurde und sind aus der Toreinfahrt wieder auf die Strasse getreten.
Und jetzt kommt es....Tatsächlich!
In Swansons Memoiren scheint wirklich kein Betrunkener vorzukommen. Es war wohl ein Reporter des Star der zufällig   auf der Wache war, als Schwartz seine Aussage tätigte. Wir wissen also nicht, ob die Geschichte so stimmt. Von Mr Schwartz Sprachproblemen gar nicht zu reden. Und deswegen könnte es doch trotzdem möglich sein, dass es tatsächlich zu einer Auseinandersetzung kam und zwar zwischen der Stride und dem gleichen Mann, der von PC Smith gesehen wurde. Ich weiß natürlich, dass der Mann den Smith gesehen hat, etwas in der Hand hielt... so und jetzt stellen wir uns mal was ganz irres vor und die Variante ist an Unschuld nicht zu übetreffen:
 :icon_eek:
1. Die Stride stolpert durch die Nacht und trifft auf jemanden den sie kennt. Dieser jemand trägt ein in Zeitungspapier damals übliches Take-Away-Menue (ich tippe mal auf Fleischpastete oder sollte ich mich wirklich überwinden und die Geschichte von Matthew Packer und den blöden Weintrauben glauben?).. okay... die Stride sieht nicht gut aus und er, und sie, gehen in den Innenhof und futtern etwas davon.
(Frage: Wie sah die Obduktion von Strides Mageninhalt aus?)
Goldstein kommt vorbei und stört.
Fanny Mortimer verschwindet wieder ins Haus.
Stride und der Mann gehen wieder auf die Strasse. Der Mann sagt, na...jetzt kannst du ja auch was für mich tun (vielleicht ist er doch schon angetrunken?) und die Stride antwortet etwas.
Auftritt und Abgang James Brown.
(Wir haben vielleicht noch 15 Minuten bis Diemschütz!)
Das Päckchen in Zeitungspapier (inzwischen etwas geschrumpft und zerknäult) wandert in die Tasche des Unbekannten. Er hat die Hände frei und platzt gleich vor Wut. Erst frisst die doofe Trulla mit ihm und dann mag sie ihn nicht. Es kommt also zu jener Rangelei, deren Zeuge Mr Schwartz wird. Und es kommt zu dem Auftritt einer dritten Partei , die ich weiterhin für den Mörder halte.

Jetzt noch so eine Frage aller Fragen... Schwartz sah 2 Männer und die beiden wurden nie gefunden!
Ich weiß nicht, ob ihr es wisst, aber in dem Tom Cullen Buch steht folgendes (Zitat Robert Anderson): ...ich will nur hinzufügen, daß der einzige Mensch, der den Mörder deutlich gesehen hat (Schwartz?), den Verdächtigen ohne zu zögern identifizierte, als er ihm gegenübergestellt wurde; doch er weigerte sich, gegen ihn auszusagen. Wenn ich behaupte, er war polnischer Jude (Aaron Kosminski?), dann stelle ich damit eine bewiesene Tatsache fest.
Anzumerken wäre noch und das für alle, die Kosminski für ziemlich Tatverdächtig halten, dass Laut Census 1891 ein Kosminski in der Berner Street gelebt hat!
Nun zurück zu Anderson. Dieser unterstellt dass ein Jude (Schwartz) den Täter (einer der beiden Männer) gesehen hat, jedoch nicht aussagen will, weil er den Täter auch für einen Juden hält.
Doch... und nehmen wir mal an, Mister Anderson schwafelt nicht nur so antisemitisch daher, sondern es war tatsächlich so... wen hielt Schwartz (?) für den Täter?
Und was wäre, wenn er sich einfach geirrt hätte, ging doch die Polizei aus, dass der Täter der Mann wäre, der die Rangelei mit der Stride hatte. Und nicht der, der angeblich Mister Schwartz hinterher lief.
Oder eben die Frage... wer lief wem hinterher und ich sage mal, es war der Mann, der nun kein Päckchen mehr in der Hand hielt. 
Auch wirft Andersons Behauptung eine dritte Frage auf.
Goldstein hat Schwartz angeblich nicht gesehen oder ist es etwa wie in den Hitchcock Film "Trouble with Harry" wo jeder jeden und sich selbst verdächtigt und deswegen sehr wenig bis gar nichts sagt. Schließlich war die Sache mit der Lederschürze und John Pizer noch gar nicht lange her. Auch wurden sozialistische und dann auch noch jüdische Clubs auch nicht gerne gesehen. Die Gefahr eines Progroms bestand durchaus und viele der dort lebenden Juden wussten aus eigener Erfahrung wie das Enden konnte.
Oder, und genau das beschäftigt mich immer mehr, was haben die Zeugen und damit meine ich die Zeugen bei allen Ripper morden wirklich gesehen.
Es war ja spät in der Nacht, die Leute sind müde und gehen oder stehen in einer dunklen Strasse. Was also erregt ihre Aufmerksamkeit noch?
Ein seltsames Geräusch, wie vielleicht bei Mr Goldstein?
Ein Mann, der zu so einer Person wie die Stride nicht passt? (Gardener/Best)
Kurzum alles was nicht dazugehört und anders ist.
Oder ist es etwa ganz anders und dass glaube ich immer mehr, dass der Täter eben genau das Gegenteil von dem ist, was Gardener und Best und andere beobachtet haben. Ein Mann also der äusserlich all das vereinigt, was die Menschen von Whitechapel jeden Tag sehen und deswegen einfach vergessen oder als nicht berichtenswert finden.
Ein Schatten nur....
:icon_redface:
Ups...
...dass war wieder prosaisch.
 :icon_redface:
Und jetzt noch einige Worte zu zom...
...verzeih, Mr Evans hat mich sehr lange aufgehalten...
 :icon_mrgreen:
....es stimmt, die Strasse schien sehr fidel zu sein, aber was ist mit dem Mitre Square?
Mindestens drei Zugänge (falls ich mich recht erinnere) und eine Akustik wie in einem Konzernsaal. Also, wenn ich der Ripper wäre, ich wäre mir vorgekommen wie auf dem Präsentierteller.
 :icon_eek:
Es grüßt
Mrs Peel
 :icon_mrgreen:

     
   

                 

Offline Isdrasil

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Re: Ripper-Opfer oder nicht?
« Antwort #54 am: 12.05.2008 11:55 Uhr »
Hi

Meine Güte - ihr legt da ein paar Posts hin, Respekt!  :icon_thumb:

Ich habe mir noch nicht die Mühe gemacht, alles durch zu lesen, und daher ist mein Kommentar vielleicht etwas zusammenhangslos hier rein geschmissen....trotzdem, ich will es nun mal los werden  :icon_mrgreen:

Inzwischen glaube ich, dass der Kehlschnitt bei den Opfern des Rippers kein Teil seiner eigentlichen Fantasien war und eher zweckmässiger Natur war - sei es nun wegen dem Blut, dem Lärm, der Gegenwehr oder etwas ähnlichem. Jedenfalls zähle ich den Kehlschnitt nicht mehr zur Signatur des Rippers.
Und da in diesem Fall beim Mord an Stride nichts mehr übrig bleibt außer der zeitlichen Schiene, welches auf den Ripper als Mörder hindeutet, bin ich äußerst skeptisch.
Zudem die Sache mit den Zeugenaussagen, die hier schon anschaulich behandelt wird - am Ende bleibt nur ein Opfer mit einer durchschnittenen Kehle, die "übliche" Attacke im East End also.
Über die Tatorte lässt sich soviel wie sowenig spekulieren - sie wurden wahrscheinlich eher durch die Opfer selbst ausgewählt als durch den Ripper. Was es mir zeigt ist, dass es sich bei dem Ripper um einen schnellen, jedoch auch risikobereiten Killer handelte. Daher (war das jetzt in diesem Thread) glaube ich auch nicht, dass er sich um Beschmutzungen durch Blut viel kümmerte.

Grüße, Isdrasil

JohnEvans

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Re: Ripper-Opfer oder nicht?
« Antwort #55 am: 14.05.2008 19:05 Uhr »
Hallo, Mrs Peel, Isdrasil,

Deswegen eine Frage, gibt es die Goldstein Aussage en detail nachzulesen und wenn, wo?).
Laut A-Z gibt es nur einen bekannten Bericht über Goldstein in Lloyd´s Weekly London Newspaper, 7 October 1888, welchen ich leider noch nie gelesen habe.

… ich tippe mal auf Fleischpastete oder sollte ich mich wirklich überwinden und die Geschichte von Matthew Packer und den blöden Weintrauben glauben?
Sollst du nicht! Die Autopsie ergab kein bißchen Weintraubenverdächtiges, allerdings auch keine Fleischpastete :icon_wink: , in Stride´s Magen, dafür aber „mehliges Pulver“ (Mehlsuppe?)

… und doch denke ich, dass das Aussage von PC Smith einigermaßen korrekt sein könnte und das bedeutet um 0 Uhr 30 ging etwas vor.
Denke ich auch. Allerdings ist 0:30 etwas früher als Schwartz Aussage angibt.
Aber gerade dieser kleine zeitliche Unterschied macht einen großen Unterschied im Tathergang.

Wenn Stride nur 20 – 30 Minuten früher angegriffen wurde anstatt um zirka 0:50, dann erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, daß ihr wütender Angreifer eben nicht auch ihr Mörder war. Genug Zeit für Jack, auf der Bildfläche aufzutauchen, falls er nicht ohnehin bereits dort war (der Mann mit der Pfeife?)

Übrigens: Schwartz und seine Erzählung wurden nicht nur nicht von den andern Zeugen gesehen / bestätigt, sondern ebenso vielsagend ist auch, daß Schwartz seinerseits keinen der anderen Zeugen, die ja in und um Berner Street waren, gesehen hat.
Dabei hätte er ja, falls seine Zeitangabe richtig wäre, mindestens an ein oder zwei von ihnen auf seiner Flucht (immerhin die gesamte Berner Street hinunter, also überquerte er auch die Fairclough Street) vorbeikommen müssen!

Die korrigierte Timeline (Angriff um ca 0:35), als eben jene Zeugen noch oder wieder nicht in der Berner Street waren, erlaubt nun durchaus, daß der Ripper erst später zuschlug und daher sehr wohl von Diemschütz unterbrochen wurde.

Inzwischen  ... zähle ich den Kehlschnitt nicht mehr zur Signatur des Rippers.
:icon_thumb:

Und da in diesem Fall beim Mord an Stride nichts mehr übrig bleibt außer der zeitlichen Schiene, welches auf den Ripper als Mörder hindeutet, bin ich äußerst skeptisch.
Nichts mehr??? Wie wäre es denn mit dem typischem Kehlschnitt? Ich finde, der deutet recht stark auf den Ripper hin. Ich wiederhole mich, aber vergleiche diesen Kehlschnitt mal mit dem, den Mr Brown seiner bedauernswerten Mrs Brown 2-3 Stunden früher versetzt hatte.

Außerdem hätten wir auch noch: dieselbe Opfergruppe, die Tatzeit nach Mitternacht, das schnelle Töten, der überraschende Angriff (Cachous!!!). Also, da sind durchaus jede Menge Übereinstimmungen, nicht wahr?

… am Ende bleibt nur ein Opfer mit einer durchschnittenen Kehle, die "übliche" Attacke im East End also.
Die „üblichen“ Attacken neben Angriffen mit einem Messer bestanden auch aus Verprügeln, Erschlagen, Erdrosseln oder Verletzungen anderer Art (siehe: Emma Smith).
Und Angriffe mit dem Messer waren ebenso Stechereien (Tabram!!!) und selbst im Falle von Kehlschnitten, kannst du nur dann von „üblich“ sprechen, wenn für dich alle Kehlschnitte gleich sind.

Keine Verallgemeinerungen, bitte.

Siehe oben, es gibt erhebliche Unterschiede in der Durchführung eines solchen Schnittes. Siehe und lese dazu ebenfalls Karyo Magellan´s tolle Ausführung zum Thema „Kehlschnitte“: http://www.karyom.com/ bzw http://www.karyom.com/Cutthroat.pdf

JE

Offline Isdrasil

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Re: Ripper-Opfer oder nicht?
« Antwort #56 am: 14.05.2008 19:40 Uhr »
Hi John

Ich kenne die sehr interessante Ausführung Magellans schon einige Zeit, aber trotzdem danke für deinen Link  :icon_thumb:

Du darfst mich auch nicht falsch verstehen - ich sagte, ich bleibe bei Stride äußerst skeptisch. Eine generelle Meinung bilde ich mir nur sehr selten, da ich mir der vielen Optionen durchaus bewusst bin.

Und genau diese Ausführungen verleiten mich zu der Annahme, es handelt sich nicht um einen Rippermord. Du sagst selbst: Ein überraschender, schneller Mord.
Also durchaus in Manier des Rippers. Aber was sehen wir bei Betrachtung von Magellans Grafiken und der näheren Auseinandersetzung mit den Post Mortem Berichten? Stride ist das einzige Opfer, dessen Speiseröhre nicht durchtrennt war, und Stride ist das einzige Opfer, dessen Hauptschlagadern (oder zumindest eine) nicht vollständig durchtrennt waren. Der Kehlschnitt an Stride unterscheidet sich zwar nicht in der Richtung der Ausführung, jedoch eklatant in der Schwere und Tiefe. Aber wie sollte dies zustande kommen, wenn der Ripper den Schnitt schnell und überraschend durchführen konnte - also durchaus so, wie er es von Nichols und Chapman bereits gewohnt war? Kann man nicht erwarten, dass der Ripper in Betrachtung der übrigen üblich ausgeführten Wunden eine gewisse Routine inne hatte?
Vielleicht spielt der Schal, den Stride trug, eine Rolle? Kann sein - jedoch trugen auch Chapman und Eddowes Tücher um den Hals.

Ich möchte nicht pauschalisieren - aber Stride bereitet mir wirklich starke Kopfschmerzen. Das passt einfach nicht so recht zusammen. Dann noch ein Kerl, den sie schonmal wegen Körperverletzung angezeigt hatte. Ich weiß nicht so recht.
:SM032:

Dann noch der Tatort - ich bezeichne ihn nicht unbedingt als Ripperuntypisch. Aber als (relativ) Opfergruppen-untypisch. Soll heißen: Ich glaube, wenn Stride einen Freier gehabt hätte (und ich gehe davon aus, dass sich der Ripper als Freier an seine Opfer begab), wäre der Mord eher weiter hinten im Hof passiert. Und das unter Anderem auch wegen Kidney und dem Streit um Lizzies Prostitution. Sie hätte meiner Meinung nach keinen Ort gewählt, der sich so direkt an der Strasse befindet. Aber das ist wohl eher ein etwas schwächeres Argument - zugegebenermaßen. Mitre Square ist auch ein belebter Ort - dennoch wählte Eddowes die dunkelste Ecke des Platzes aus. Dieses Verhalten würde ich auch bei Stride erwarten und daher einen durch einen Freier begangenen Mord eher von der Strasse weg in die dunklen Ecken des Hofes hinein vermuten.

Ich bin halt einfach skeptisch - wenn auch nicht abgeneigt.  :icon_wink:

Grüße, Isdrasil
« Letzte Änderung: 14.05.2008 19:57 Uhr von Isdrasil »

zom Palmer

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Re: Ripper-Opfer oder nicht?
« Antwort #57 am: 14.05.2008 20:09 Uhr »
hi Isdrasil

für mich wirkt der mord eher als ob jemand diesen dem ripper unterschieben wollte. die wunden am hals können auch nachträglich dem opfer beigefühgt worden sein. vielleicht wurde sie zuerst erwürgt (gab es eigentlich irgendwelche spuren die auf erwürgen hindeuten?). außerdem glaube ich, dass dei ärzte sich gesagt haben alles passt zum ripper also ist es ein ripper und niemand sich so richtig die mühe gemacht hat die leiche genaue zu untersuchen (wenn was aussieht wie eine ente und sich anhört  wie eine ente dann ist es eine ente). außerdem war die spurensuche damals noch in den kinderschuhen. autopsien wurden in schuppen durchgeführt und es gab auch noch keine richtigen patologen.

gruss zom


Offline Isdrasil

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Re: Ripper-Opfer oder nicht?
« Antwort #58 am: 15.05.2008 08:17 Uhr »
Hi Zom

Das ist natürlich auch ein sehr interessanter Aspekt. Nach dem Aufkommen der Whitechapelmurder-Manie wurde bestimmt vorschnell gehandelt und der ein oder andere Mord dem gleichen Täter zugeordnet. Auch ich kann es mir bei Stride so vorstellen. Und auch ich kann mir vorstellen, dass jemand, der Tötungsabsichten hatte, einen Kehlschnitt durchgeführt haben könnte um den Verdacht zumindest von sich abzulenken. Und sollte dies nicht der Fall sein, so ist der Schnitt durch die Kehle doch eine „beliebte“ Methode bei Morden – siehe auch die von John erwähnte Mrs. Brown.

Zudem wurde in Dr. William Blackwell`s Bericht folgendes fest gestellt: “…deceased would have taken a minute or a minute and a half to bleed to death…”. Eine Minute ist ein realitv langsames und qualvolles Ausbluten des Opfers – unpassend zu den Kehlschnittverletzungen der anderen Opfer. Genauso unpassend wie die Tiefe und Schwere des Schnittes.

Meine Meinung  :icon_wink:

Grüße, Isdrasil

JohnEvans

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Re: Ripper-Opfer oder nicht?
« Antwort #59 am: 15.05.2008 19:24 Uhr »
Hallo, Zoom,

(gab es eigentlich irgendwelche spuren die auf erwürgen hindeuten?)
Keine.

Hallo, Isdrasil,

Stride ist das einzige Opfer, dessen Speiseröhre nicht durchtrennt war, und Stride ist das einzige Opfer, dessen Hauptschlagadern (oder zumindest eine) nicht vollständig durchtrennt waren.
Nein - auch Kelly´s und Eddowes´ Schlagadern sind cciht vollständig durchtrennt, ebenso deren Speiseröhren nicht. Im Falle Kelly stimmt sogar die Schnittrichtung nicht.

Kann man nicht erwarten, dass der Ripper in Betrachtung der übrigen üblich ausgeführten Wunden eine gewisse Routine inne hatte?
Die beste Routine ist keine Garantie dafür, daß jedes Vorhaben auch 100% gelingt.

Sie hätte meiner Meinung nach keinen Ort gewählt, der sich so direkt an der Strasse befindet. Aber das ist wohl eher ein etwas schwächeres Argument - zugegebenermaßen.
Eben. Nicholls wählte offenbar direkt die Straße, Eddowes einen Platz direkt neben einer Straße, ohne schützenden Zaun dazwischen. Im Gegenteil: so nahe an Straßen gelegene Orte bieten für die Prostituierten durchaus Vorteile: sie sind - unter "normalen" Umständen scheinbar "sicherer" - man kann schnell fliehen, wird im Falle von Hilfeschreien eher erhört und Hilfe eilt schneller herbei. Außerdem spart man sich Zeit beim Aufsuchen des Ortes, und wie wir wissen, ist Zeit Geld.

JE