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Freisinnige Zeitung, 07. Oktober 1888

Der Londoner Frauenmörder ist noch nicht ermittelt. Die Polizei verhaftet zwar täglich der That verdächtige Personen, allein dieselben werden sehr bald wieder auf freien Fuß gesetzt, weil sie sich sehr bald legitimiren können, so sie sich die Nacht vom Sonnabend zum Sonntag, in welcher die letzten beiden Morde verübt wurden, zugebracht haben. In den letzten Tagen wurde im Guildhall-Polizeigericht ein Mann vor Gericht gestellt, welcher behauptete, er sei Student der Medizin und habe den Mord im Mitre Square verübt. Das Messer hätte er weggeworfen, und den Anzug, der er zur Zeit des Mordes getragen, ins Wasser geschleudert. Es stellte sich indeß bald heraus, daß der Angeklagte am Säuferwahnsinn leide und die That nicht begangen haben konnte. Gleichwohl wurde er vorläufig in Haft behalten. Die Polizeiverwaltung verzweifelt fast daran, ob der Mörder jemals entdeckt werden wird, falls er nicht, wenn seien Mordlust wieder erwacht, auf frischer That ertappt werden sollte. Vorläufig fehlen alle Anhaltspunkte, die zu seiner Entdeckung führen könnten. – Die Entdeckung am Themsequai beschäftig die Gemüter ebenfalls in hohem Grade. Der aufgefundene Rumpf wurde einer ärztlichen Untersuchung unterzogen und die Doktoren behaupten, daß derselbe der einer schönen jungen Frau sei. Von den jüngst entdeckten Armen soll angeblich nur einer der Leiche angehören. Ob der zerstückelte Körper mit einem Verbrechen im Zusammenhang steht, ist noch nicht festgestellt. Es ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß, da die Leichen für anatomische Zwecke sehr billig zu haben sind, Jemand sich einen schlechten Spaß erlaubt hat, um die durch die letzten Morde in Whitechapel geschaffene Aufregung im Publikum durch ein neues „Gräuel“ zu erhöhen. – Für die Ergreifung des Frauenmörders sind nunmehr bereits 24 000 Mark Belohnung ausgeschrieben. Die Summe wird aber voraussichtlich auf 50 000 Mark erhöht werden.

 

Thomas Schachner
(Dokument zuletzt bearbeitet am 20.11.06)