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Christopher Scott "Jack the Ripper - A Cast of Thousands"
177 Seiten
Book on demand (www.mye-books.com)

Um es vorweg zu nehmen: der Zweck dieses Buches bleibt uns größtenteils verschlossen. Da es aber letztlich auch keinen Sinn macht, heute noch nach der wahren Identität des Rippers zu fahnden, muss man das Buch als das akzeptieren, was es versucht zu sein – ein Nachschlagewerk über Personen, die mehr oder minder mit dem „Jack the Ripper“-Fall verbunden sind.

Der Autor, Chris Scott, hat auf der allseits bekannten Website www.casebook.org einen guten Namen und wird vielen, die sich eingehender mit den Whitechapel-Morden beschäftigen, ein Begriff sein. Wohl kaum ein anderer hat in den letzten Jahren so viele Zeitungsberichte aus den Archiven hervorgebracht und mit Sicherheit hat sich auch niemand so tief durch zeitgenössische Einwohnermeldelisten gearbeitet wie er. Verdient hat es Chris Scott allemal, ein Buch über die Mordserie zu schreiben.
Der interessierte Käufer sollte allerdings berücksichtigen, dass Chris Scott nicht über die Mordserie im Allgemeinen schreibt, sondern sich lediglich den Randfiguren des Falles widmet. Es findet keine Darstellung der Morde statt, auch die Namen bekannter Verdächtiger sucht man vergeblich. Alleine die von Chris Scott ausfindig gemachten Lebensdaten dieser Randfiguren werden dargelegt. 32 Personen nimmt er in den Fokus, unter denen Annie und ALice Crook, Israel Schwartz und John Netley die bekanntesten sind. Bei anderen Namen müssen selbst selbstbewusste „Hobby-Ripperologen“ schlichtweg passen und hektisch nach dem Referenzwerk "A-Z" greifen, um Gestalten wie Mrs. Buki, Colicott, oder Julius Lippmann zumindest halbwegs einordnen zu können (und selbst das allmächtige „A-Z“ versagt hier manchmal). Der ungeheuerlichen Recherchewut von Scott muss man Respekt zollen, denn das Werk besitzt erstklassige Inhaltstiefe.
Schlussendlich darf auch auf keinen Fall die äußerst interessante Einführung Chris Scotts in seine Arbeitsweise und seine Ressourcen verschwiegen werden. Auf der anderen Seite können wir uns aber nicht davon freisprechen, dass das Buch bei uns eine Mischung aus Mitleid und latenter Verstörtheit ob der Obsession von Chris Scott, mit der er an die Geschichte der "Jack the Ripper"-Morde herangehen muss, hinterließ. Sicherlich: wenn man tief, tief in die Materie eingestiegen ist, mag es interessant sein, sich über eine gewisse Hermine Dudley zu informieren – aber Hand aufs Herz, einen praktischen Nutzen hat das nicht mehr.

Was soll man also von diesem Buch halten?
Wenn alle Hauptfiguren, alle Quellen, alle Memoiren, etc. schon zigmal von Generationen von Ripperologen durchgekaut wurden, dann wendet man sich den Randfiguren zu, auch wenn das für die Aufklärung des Falles keinen sinnigen Zweck mehr erfüllt. Letztlich ist das Buch Ausdruck dessen, wie weit es die Ripper-Forschung gebracht, aber auch welch teilweise groteske Züge sie angenommen hat. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass Chris Scott das Buch momentan auch nur über das Prinzip „book-on-demand" vertreiben lässt.

 

Eastsidemags & Thomas Schachner