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Carrie Brown

Curriculum Vitae

ca. 1832

Freitag, 24. April 1891 im "East River Hotel", Manhattan, New York, U.S.A.

Carrie Brown


Der Mord an Carrie Brown in einem New Yorker Billighotel ereignete sich nur 9 Wochen nach der Bluttat an Frances Coles in London, die immer wieder gerne als das eigentlich letzte Opfer der Mordserie von „Jack the Ripper“ genannt wird. Obwohl man nicht kategorisch ausschließen kann, dass sie kein Opfer des Whitechapel-Mörders wurde, stehen die Chancen für eine Aufnahme in die Liste der anerkannten Opfer schlecht, da sich die Tat in einigen Einzelheiten doch erheblich von der Vorgehensweise des Rippers unterscheidet.

Über das Leben von Carrie Brown ist im Allgemeinen nicht sehr viel bekannt, aber dank des unermüdlichen Einsatzes einiger Ripperologen, allen voran Philip Sugden, Michael Conlon und Wolf Vanderlinden, wird es wohl früher oder später gelingen, etwas Licht ins Dunkel ihrer Vergangenheit zu bringen. Dennoch muss leider erwähnt werden, dass wohl vieles für immer im Verborgenen  bleiben wird, denn in den späten 1960er-Jahren wurde die offizielle Vernichtung ihrer Akte von Seiten der New Yorker Behörden angeordnet, da man dieser keine große Bedeutung beimaß.

Carrie Brown war circa 60 Jahre alt und verdiente sich ihren Lebensunterhalt als Gelegenheitsprostituierte im Einzugsgebiet der New Yorker Docks. Wie auch die anderen, dem Ripper zugerechneten Opfer, war sie dem Alkohol nicht abgeneigt und wurde des Öfteren im betrunkenen Zustand angetroffen. Über den Hintergrund ihres Spitznamens „Old Shakespeare“ (ihren Freunden war sie jedoch nur als „Shakespeare“ bekannt), gibt es bis heute unterschiedliche Meinungen. Die einen gehen davon aus, dass sie gerne aus Spaß Gedichte William Shakespeares rezitierte, die anderen, dass sie tatsächlich eine anerkannte Schauspielerin in jüngeren Jahren war und somit Werke des bekannten Schriftstellers zu ihrem täglichen Repertoire gehörten. Welche Erklärung auch immer stimmen mag, Fakt ist, dass Carrie Brown wohl eine sehr gebildete Frau gewesen sein muss.
Zwischen 1848 und 1849 heiratete sie den Seemann James Brown und die beiden hatten nach heutigen Erkenntnissen drei Kinder – Einen Sohn, der sehr jung starb und zwei Töchter. Nach zehn Jahren Ehe wandte sich Carrie immer mehr dem Alkohol zu und die Beziehung litt zusehends darunter, sollte aber bis zum Tod ihres Mannes im Jahre 1873 oder 1874 fortbestehen. Mehrere Entziehungskuren, die sie auf Anraten ihrer Familie antrat, blieben ohne Erfolg und so verbrachte sie die letzten zehn Jahre ihres Lebens in verschiedenen Arbeitshäusern der amerikanischen Metropole.

 

Tathergang

Donnerstag, 23. April 1891

13:00 – 17:00 Uhr:
Nachdem Carrie Brown den Vormittag in Mamie Harrington’s Unterkunft, No. 49 Oliver Street, verbrachte, trifft sie im Laufe des Nachmittags auf ihre Freundin Alice Sullivan und erzählt ihr, dass sie die letzten drei Tage nichts mehr gegessen habe und sehr hungert. Sullivan zeigt Mitgefühl und lädt Carrie auf ein Käsesandwich in der Water Street ein.

19:00 Uhr:
Zurück in „Harrington’s“-Unterkunft beginnt Carrie Brown eine Unterhaltung mit dem soeben eingetroffenen Ameer Ben Ali, auch bekannt als „Frenchy“, und sie trinken mehrere Bier zusammen. Anschließend verlassen beide die Unterkunft und machen sich auf den Weg zu einem Saloon an der Ecke Oliver und Oak Street.

20:30 Uhr:
Alice Sullivan trifft erneut auf Carrie Brown, die ihre Zeit noch immer mit „Frenchy“ teilt. Kurz darauf verlässt „Shakespeare“ ihre Bekanntschaft und geht mit einer anderen Freundin, Mary Healey, in Richtung des „East River Hotel“ in der Water Street.

21:00 - 22:00 Uhr:
Die Haushälterin des Hotels, Mary Corcoran (oder Cochrane) beobachtet, wie Carrie Brown mit Mary Healey an der Bar trinkt. Mary Healey verlässt bald darauf das Hotel und die Assistentin der Haushälterin, Mary Miniter, gesellt sich zu Carrie und erfährt ihren Namen und einen Teil ihrer tragischen Lebensgeschichte.

Das "East River Hotel"
Das "East River Hotel"

22:30 Uhr:
Carrie Brown verlässt die Toilette des „East River Hotel“ und begibt sich auf die Suche nach einem Kunden.

ca. 23:00 Uhr:
Carrie Brown erscheint in Begleitung eines Mannes erneut im Hotel und fragt nach einem Zimmer für die Nacht. Mary Miniter beschrieb den Mann später als „ungefähr 32 Jahre alt, 1,70 Meter groß, schlank gebaut, lange spitze Nase und starker heller Schnurrbart. Er trug einen dunkelbraunen Cutaway, eine schwarze Hose und eine alte schwarze, verbeulte Melone. Er war offenbar Ausländer, möglicherweise ein Deutscher“.
Als der Fremde das Zimmer Nr. 31 bezahlte, fragte Miniter nach seinem Namen und erfuhr, dass er C. Nicolo oder Nocolai hieß. Als man später im Rahmen der Ermittlungen das Hotelregister überprüfte fand sich dort der Eintrag „C. Kniclo und Gattin“, den der Nachportier des Hotels, Eddie Fitzgerald, vermerkte.
Bevor sich Carrie Brown und ihre Begleitung in das Zimmer im fünften Stockwerk aufmachten, fragte sie, ob sie noch ein Bier haben könnte. Der Mann nickte und gab Mary Miniter etwas Geld, die kurz darauf mit einer Zinnkanne Ale zurückkehrte.
Ebenfalls gegen 23:00 Uhr betrat Ameer Ben Ali das Hotel.

Freitag, 24. April 1891

0:30 - 1:00 Uhr:
Ameer Ben Ali fragt nach einem Hotelzimmer und bekommt Nummer 33, schräg gegenüber dem Raum, indem sich Carrie Brown und ihre Begleitung aufhalten, zugeteilt.

1:00 - 2:00 Uhr:
Ein fremder Mann betritt das „Glenmore Hotel“ am Chatham Square, ca. sechs Blocks nördlich des „East River Hotel“ und fragt nach einem Zimmer. Dem Nachtportier fällt auf, dass die Hände, das Gesicht und die Kleidung des Mannes mit Blut beschmiert waren und er auffallend nervös agierte. Da das Hotel ausgebucht war, bat er den Gast zu gehen, doch anstatt das Hotel zu verlassen begab sich dieser in den Waschraum. Der Portier machte den Mann darauf aufmerksam, dass die Benutzung des Waschraums nur Hotelgästen vorbehalten ist und verwies ihn aus dem Gebäude. Später gab der Angestellte zu Protokoll, dass der Fremde „mit einem ausgeprägten deutschen Dialekt sprach“. Auch die weiteren Angaben stimmten mit der Beschreibung überein, die Mary Miniter von dem Mann in Carrie Browns Begleitung machte.

5:00 Uhr:
Der Nachportier des „East River Hotel“, Eddie Fitzgerald sieht, wie sich Ameer Ben Ali „in einer verdächtigen Art und Weise aus dem Gebäude schleicht“.

9:30 Uhr:
Eddie Fitzgerald begibt sich auf eine Runde durch das Hotel, um die Langschläfer zu wecken. Da er auf mehrmaliges Klopfen an der Zimmertür Nr. 31 keine Reaktion erhält, öffnet er den Raum mit dem Generalschlüssel und erblickt die sterblichen Überreste von Carrie Brown.

 

Besitztümer

  • Kleidung
  • Zwei Paar alte Monokel, eines davon in seinem Etui
  • Ein kleines Baumwollsäckchen aus hellem, farbenprächtigem Stoff
Carrie Brown
Die aufgefundene Tatwaffe
Carrie Brown
© N.Y.C. Municipal Archives
Die aufgefundene Tatwaffe und einige
persönliche Gegenstände von Carrie Brown

 

Verletzungen

Bericht von Captain Richard O’Connor, wie er die Leiche am Tatort vorfand:

Carrie Brown lag auf ihrer rechten Seite, der rechte Arm mutwillig unter ihren Körper gedrückt. Der linke Arm ruhte auf ihrer Brust und die Beine waren in fötaler Position leicht angezogen. Die untere Hälfte ihres Körpers war nackt, ihr Unterkleid fast bis zu den Achselhöhlen hochgezogen und ihr Kopf war in Kleidung eingewickelt, die fest um ihren Hals gebunden war. Der Körper zeigte mehrere Einschnitte im unteren Körperbereich und sie wurde ausgeweidet.
[…]  auf dem Körper der Toten fand sich ein eingeritztes Kreuz oder „X“, ebenso an der Wand neben der Tür.

Verletzungen an der Leiche
Verletzungen an der Leiche
Verletzungen an der Leiche
© N.Y.C. Municipal Archives
Verletzungen an der Leiche
© N.Y.C. Municipal Archives

 

Bericht von Arthur Macdonald, einem New Yorker Kriminologen, der offensichtlich die Akte von Carrie Brown studieren durfte:

Das Opfer war eine ältere Frau, die üble Plätze aufsuchte, Trinkerin war und wahrscheinlich unmoralische sexuelle Verhältnisse pflegte. Das Autopsieergebnis zeigte eine eindringende Wunde auf der linken Seite der Bauchhöhle, die Muskeln in diesem Bereich waren zerfetzt und weggezogen, als wären sie durch ein stumpfes Instrument verursacht. Die Wunde war 24 Zentimeter lang, begann an einem Punkt unter der Leistenfalte und reichte weiter bis sie die Bauchhöhle durchdrang und die Eingeweide heraustraten. Auf der rechten Seite war eine Wunde, die mit einem scharfen Instrument zugefügt wurde, vier Zentimeter lang […] 
Das Gekröse war auf einer Länge von 40 Zentimetern geöffnet. Auf dem Hinterteil, oder Teil der Hüfte, fanden sich zwei Wunden die zusammen ein X formten; ein Schenkel dieses Buchstabens verlief etwa fünf Zentimeter rechts und parallel über dem Kreuzbein bis rechts zur Mittellinie, war 27 Zentimeter lang und besaß die Form eines Halbmonds.Das Hinterteil war von mehreren Schnitten überzogen, die, richtet man sie in Linie aus, so dass die Zwischenräume verschwinden, den Eindruck erwecken, als wären sie nur eine Wunde. Betrachtet man diese als nur eine Wunde, erkennt man, dass sie im weicheren Teil über der Leiste beginnt, das Bauchfell kreuzt, weiter an der rechten Seite des Rektums läuft und 26 Zentimeter über und rechts vom Steißbein, mit einer Länge von 17 Zentimetern und 11 Zentimetern Tiefe endet.
Das Instrument ging durch die Beckenhöhle, hinter das Bauchfell und kreuzte die Muskeln des Gesäßmuskels. Weiterhin gab es zwei oberflächliche Wunden, die, beginnend am Steißbein, die Muskeln zwischen den Schenkeln kreuzten und im weichen Gewebe der Leiste endeten, wo sie den Buchstaben X formten. Eine oberflächliche Wunde auf dem linken Schenkel begann am Nabel und endete in Richtung Schenkel, mit einer Gesamtlänge von 18 Zentimetern. Eine weitere oberflächliche Wunde startete am selben Punkt und verlief nach unten in der gleichen Richtung mit einer Länge von 12 Zentimetern, während sie mit der vorherigen Wunde ein umgedrehtes X formt. Sie befindet sich in einem Abstand von 17 Zentimeter zur untersten Wunde und besteht lediglich aus einer Schürfwunde.
Es gab zwei weitere oberflächliche Wunden auf der Seite des Unterbauchs: Auf der Unterseite der Leiste, eine lange, hauptsächlich äußerliche von 12 Zentimetern und eine andere von 12 Zentimetern Länge; keine Anzeichen von Prellungen.

Zeitgenössische Zeichnung der Tatortsituation

Zeitgenössische Zeichnung der Tatortsituation

Die Untersuchung des Halses zeigt, dass der Mörder sein Opfer strangulierte, und das Zungenbein bis zu einem Punkt zusammengepresst wurde, den dem die Gefäße platzten und eine Blutung verursachten. Man fand weiterhin heraus, dass die Lunge verstopft war. Auf einem der Ohren fand sich ein leichter Einschnitt, das Herz war normal und gut erhalten; die Leber und die Nieren deuteten auf Alkoholismus hin.
Zwei Teile der Eingeweide waren abgelöst, sowie der linke Eierstock, welcher auf dem Bett gefunden wurde. Kein Körperteil fehlte. Die Teile, die abgelöst waren, fand man in der Blutlache auf dem Bett.
Diese Wunden erwecken den Anschein als wären sie nach oder während der Strangulation zugefügt worden. In dem Zimmer, in dem das Verbrechen verübt wurde, fand man blutige Fingerabdrücke am Türrahmen und blutige Fußabdrücke neben dem Bett.

Das Instrument, das bei diesem Mord Verwendung fand, war ein gekerbtes Tafelmesser.

 

Thomas Schachner
(Dokument zuletzt bearbeitet am 20.02.07)