Autor Thema: Kosminski´s Abgang u. die Einstellung seitens der Polizei?!?  (Gelesen 76890 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

diekralle

  • Gast
Kosminski´s Abgang u. die Einstellung seitens der Polizei?!?
« Antwort #60 am: 29.11.2004 14:30 Uhr »
Hallo academyfightsong,

klingt wirklich sehr schlüssig und rund. Allerdings ist Warren bereits einen Tag vor dem nächsten Mord zurückgetreten!

Mich würde interessieren warum man Kosminski bzw. den Verdächtigen nach der Durchsuchung überhaupt verdächtigt hat (was wurde gefunden?) und aus welchen Quellen diese Info stammt.

Und wenn Warren schon zurückgetreten ist und der Ripper demnach ja bekannt gesen sein muss, dann hätte sein Nachfolger den Fahndungserfolg doch nicht trotzdem verheimlicht. Mit dem Rücktritt sind die Konsequnzen ja gezogen und die Gründe somit verbraucht.

Und ob die Familie einen Serienmörder schützt? Wenn er im Schoße der Familie (unter einem Dach?) wohnte, dann hätten die das ja bestimmt mitbekommen.

Und bleibt noch die Frage, warum Abberline an Chapman als JtR glaubte.

Gruß

diekralle

Offline academyfightsong

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 509
  • Karma: +1/-0
Kosminski´s Abgang u. die Einstellung seitens der Polizei?!?
« Antwort #61 am: 29.11.2004 18:52 Uhr »
hi kralle,

mein posting war nicht so ganz ernst gemeint. das es sich bei dem verdächtigen um kosminski handelt, ist spekulation meinerseits.

die info stammt aus einem artikel von anderson für das blackwood’s magazin, vom märz 1910:

“One did not need to be a Sherlock Holmes to discover that the criminal was a sexual maniac of a virulent type; that he was living in the immediate vicinity of the scenes of the murders; and that, if he was not living absolutely alone, his people knew of his guilt, and refused to give him up to justice. During my absence abroad the Police had made a house-to-house search for him, investigating the case of every man in the district whose circumstances were such that he could go and come and get rid of his blood-stains in secret. And the conclusion we came to was that he and his people were low-class Jews, for it is a remarkable fact that people of that class in the East End will not give up one of their number to Gentile justice.”

quellen:
evans/skinner – the ultimate jtr sourcebook. s.690 – the anderson suspect.
stewart evans – kosminski and the seaside home


was den „sexual maniac of a virulent type“ angeht, es ist nicht bekannt, wie es um kosminski’s geisteszustand im jahr 1888 bestellt war. die frühsten aufzeichnungen stammen aus dem jahr 1890.
die aussage von jacob cohen: "Er läuft durch die Straßen und hebt Brotkrümel aus dem Rinnstein auf um diese zu essen. Er trinkt Wasser aus der Tränke und weigert sich Essen aus den Händen von Leuten anzunehmen. Er hob ein Messer auf und bedrohte damit seine Schwester umzubringen. Er ist sehr dreckig und weigert sich, zu waschen. Er versuchte in all den Jahren kein einziges Mal Arbeit zu finden." stammt aus dem jahr 1891.
 
quelle: jacktheripper.de

wir wissen nicht was cohen mit „all den jahren“, meint. in den colney hatch akten, ist kosminski von beruf als hairdresser verzeichnet. wir wissen nicht viel über jacob cohen selbst und in welchem verhältnis er zu kosminski stand.

“The 1891 census shows that Cohen's given address, 51 Carter Lane, EC, St. Paul's, was a hotel/restarant and pub with cooks, waitresses, barmaids and borders. No "Cohen" was among them in the April census, although there were many lodging houses in the area and Cohen may have left there between February and April.”

quelle: Scott Nelson's "Kosminski's Relatives"

in kosminski’s krankenakte finden sich auch keine hinweise auf seinen geisteszustand im jahr ´88. seinen ersten anfall, hatte er laut krankenakte, im july 1890. woraus man evtl. schliessen könnte, dass sein zustand um 1888 noch relativ stabil gewesen ist. vielleicht konnten seine angehörigen es nicht mehr verantworten, ihn länger bei sich einzusperren und gaben ihn professionelle hände.

seine einweisung ging jedenfalls nicht reibungslos über die bühne: (streit innerhalb der familie?)

am 12. juli 1890 wird aaron kosminski von seinem schwager! woolf abrahams, dem mile end town workhouse übergeben. drei tage später, wird er von einem ungenannten bruder wieder abgeholt.
jetzt gibt es ein kleines problem, kosminski hat keinen bruder! es kann sich hierbei nur um seinen anderen schwager, morris lubnowski handeln. (engl. schwager = brother in law) der mit aarons schwester matilda verheiratet ist.

(anm: aaron kosminski lebte abwechselnd bei seinen schwestern, matilda (lubnowski) und betsy (abrahams), sion square bzw. greenfield street.)

ein halbes jahr später, februar 1891, wird kosminski wieder dem mile end town, durch seinen schwager woolf übergeben. von dort wurde er dann drei tage später, weiter ins colney hatch asylum verlegt. wo er die nächsten drei jahre verbringt und im april 1894 mit dem leavseden asylum für geisteskranke, seine endstation erreicht.

quellen der einweisungsdaten:
philip sugden – the complete history of jack the ripper
robert house - aaron kosminski reconsidered


kosminski wird als verdächtiger zwar gern belächelt, aber man sollte dabei nicht vergessen, dass er von drei hochrangigen tieren der metropolitan police, als hauptverdächtiger genannt wurde. das fbi-profil passt nahezu perfekt auf ihn und... most important! wer sagt eigentlich, dass der ripper vor jeder tat noch smalltalk mit seinenm opfer gehalten hat? der ripper könnte genauso gut jemand gewesen sein, der im schatten auf seine gelegenheit gewartet hat. z.b. hanbury street. der hinterhof wurde oft von prostituierten und ihren freiern genutzt. er brauchte nur im schatten hocken, warten (evtl. dabei onanieren) bis das geschäft erledigt ist. freier und prostituierte verlassen selten hand in hand den ort des geschehens. eine hure wird das geld vom boden aufgesammelt haben, sich ihren rock zurecht gerückt und evtl. geschminkt haben. genug zeit zum zuschlagen.

wenn mich jemand fragen würde ob kosminski, jack the ripper war, würde ich antworten: ich weiss es nicht. aber ich denke, dass die lösung definitiv in der polish jew theorie zu suchen ist.

warum abberline chapman verdächtigte? keine ahnung. abberline ist und bleibt ein rätsel.

Offline Anirahtak

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 243
  • Karma: +0/-0
Re: Kosminski´s Abgang u. die Einstellung seitens der Polizei?!?
« Antwort #62 am: 23.07.2011 01:23 Uhr »
Mir stellt sich auch eine Frage zu Kosminskis Abgang.

http://www.jacktheripper.de/tatverdaechtige/kosminski/

Zitat
[...] Im Juli 1890 wurde er von seinem Aufenthaltsort am Sion Square zur Behandlung in das Mile End Town Workhouse Krankenhaus eingewiesen. [...] Drei Tage später wurde er entlassen und in die Obhut seines Bruders übergeben.

Am 4. Februar 1891 wurde er in ein Krankenhaus in der 16 Greenfield Street eingewiesen, und von dort aus am 7. Februar in die psychiatrische Anstalt" Colney Hatch Lunatic Asylum" verlegt. [...]

Drei Jahre später wurde er aus der psychiatrischen Anstalt " Colney Hatch Lunatic Asylum" nach Laevesden, einem Heim für "ältere Schwachsinnige", gebracht [...]

In diesem Heim verbrachte er die nächsten 25 Jahre bis an sein Lebensende im Jahre 1919.

Wenn man nun Kosminski für einen wahrscheinlichen Täter hält und davon ausgeht, seine Familie wusste es und schützte ihn, wie erklärt man sich dann die Zeitspanne zwischen November 1888 und Juli 1890/ Februar 1891? Er hätte ja rund um die Uhr beaufsichtigt werden müssen, wie soll das über solch einen langen Zeitraum vonstatten gegangen sein?

Offline Lestrade

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 2949
  • Karma: +14/-3
  • Watson, fahr schon mal die Kutsche vor...
Re: Kosminski´s Abgang u. die Einstellung seitens der Polizei?!?
« Antwort #63 am: 23.07.2011 10:49 Uhr »
Die 16 Greenfield Street war die Adresse von Aaron Kosminski´s Schwester Matilda und ihrem Mann Morris Lubnowski. Kein Krankenhaus.

Ja, wo hielt sich denn Aaron Kosminski all die Zeit über auf? Was machte er? Wo war er z.B. zwischen März 1889 und Dezember 1889? Im Dezember wurde er mit dem Hund ohne Maulkorb "erwischt". Der Constabler, Borer, war City Police Angehöriger. Wir wissen das "Kosminski" von der City Police rund um die Uhr bewacht wurde. Wir wissen von Insp. Cox, ebenfalls City Police, dass er einen Jack the Ripper Verdächtigen ca. 3 Monate beschattete, so dass der Verdächtige sich kaum noch aus dem Haus traute. Und zwar nach dem Miller´s Court. Genauso wie Detective Sagar dies mit einem Verdächtigen tat. Bei ihm könnten die Spuren in den Dezember 1890 führen. Auch er war bekanntlich City Police Beamter. Falls alle über Kosminski sprachen, so wie Anderson, Swanson und Macnaughten es taten, dann war ein Kontakt zu dem Verdächtigen in 1888, 1889, 1890 und 1891 durchaus möglich. Robert Sagar sprach auch von einer "privaten Anstalt". Aus bekannten Quellen wissen wir, dass die Polizei im Herbst 1888 auch alle privaten Anstalten unter die Lupe nahm. Wir wissen auch, das "Kosminski", zur Zeit der Morde auf freiem Fuss war. Es scheint nicht immer davor und überhaupt nicht danach der Fall gewesen zu sein. Von H. Cox wissen wir, dass der Verdächtige, wenn er durchdrehte, hin- und wieder in eine Anstalt nach Surrey ging. Und vielleicht war das "Seaside Home" nichts weiter als eine "private Anstalt" in Surrey oder anderswo. Freunde und Familie schienen sich ja trotzdem um ihn zu kümmern. Falls die Familie ihn selber für den Ripper hielt, werden sie wohl alles mögliche getan haben um ihn zu schützen. Und wenn er halt eingesperrt wurde. Falls seine Schwester tatsächlich ein Informant für die Polizei war, könnten zwischen Ihr und der Polizei Absprachen existiert haben, die eine zeitweise Observation zuließen, falls der Bruder wieder mal auf "freiem Fuss" war. Es muss ja einen Grund gegeben haben, warum Aaron Kosminski seine Schwester mit dem Messer angriff (Stephen Ryder fand in 2001 in Anderson´s Korrespondenz einen Brief, wo eine nahe Verwandte des möglichen Rippers angedeutet wird, welche dringend Hilfe sucht, ...und viel hatte Anderson ja nicht aufbewahrt). Alles hätte so funktionieren können, bis Kosminski´s Zustand immer schlechter wurde. Und der bei seiner letzten Einweisung anwesende Jacob Cohen war vielleicht ein Freund oder ein weiteres Familienmitglied, das an der "Betreuung" Kosminskis teilnahm. Und wenn Kosminski wußte dass er von der Polizei überwacht wurde, wenn er wußte dass seine Familie ihn für den Ripper hielt, dann könnte er mit seinem Wahnsinn aufgehört haben. Ihn auf frischer Tat zu erwischen, diese Chance war doch extrem hoch. Gerade dieser Druck, dass er ständig beobachtet und kontrolliert wurde, hätte ihn noch paranoider werden lassen als er ohnehin schon war. Und wie sagte Swanson? Der Verdächtige (Kosminski) wußte dass er identifiziert wurde! Und ich denke, dass Kosminski es auch von der Polizei gesagt bekam.
Ein Szenario, wo die Polizei von November 1888 bis Februar 1891 vor der Tür Kosminskis wartete, kann ich mir auch nicht vorstellen. Doch dass sie einige Augen auf ihn hatten, wenn er mal nicht in "privater Gefangenschaft" war, kann ich mir gut vorstellen. Und zwar solange, bis er aus einer öffentlichen Anstalt nicht mehr herauskonnte.
Man sollte sich auch fragen, warum ausgerechnet Dr. Houchin, ein Polizei Chirurg der H-Division in Whitechapel, 1888 befähigt wurde, Papiere für Einweisungen in Anstalten auszustellen und dann dies auch im Mile End Arbeiterkrankenhaus im Februar 1891 für Aaron Kosminski tat.  
Der Zeuge Matthew Packer aus der Berner Street antwortete auf eine Frage, wo der vermeintliche Mörder denn wohnen könnte mit "in der nächsten Straße" , da hätte er ihn auch schon mehrere Male vorher sehen können.
 
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...

Southwark

  • Gast
Re: Kosminski´s Abgang u. die Einstellung seitens der Polizei?!?
« Antwort #64 am: 24.07.2011 17:52 Uhr »
Was ich allerdings nie verstanden habe ist:

Warum hat die Polizei damals  nicht öffentlich bekannt gegeben dass vom Ripper keine Gefahr mehr ausgehen würde?
Man hatte ja ab Ende Dezember 1888 die verstärkte Polizeipräsenz wieder abgezogen.
Und man glaubte ja in Kosminski den Schuldigen zu haben auch wenn man ihm nichts nachweisen konnte.

Waren hier  eventuell politische Motive ausschlaggebend ?
Befürchtete man Aufstände wenn bekannt würde dass ein Mitglied der jüdischen Bevölkerung diese Greueltaten begangen hatte ?
 :unknown: :unknown: :unknown:


Offline Lestrade

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 2949
  • Karma: +14/-3
  • Watson, fahr schon mal die Kutsche vor...
Re: Kosminski´s Abgang u. die Einstellung seitens der Polizei?!?
« Antwort #65 am: 24.07.2011 20:11 Uhr »
Hallo Southwark!

Ich beginne mal mit folgenden:

James Douglas Swanson (der Sohn of Donald Sutherland Swanson's ältesten Sohn, Donald Nevill):

Letter from JDS to the Editor of the Daily Telegraph [October 1987] -kann allerdings nicht ganz wörtlich weitergeleitet worden sein-

My Grandfather was a highly intelligent man. He was in complete command of all his faculties at the time of his death in 1924 at the age of 76. My Grandfather's notes were made in 1910 when he was 62. We are hardly dealing with an OLD MAN'S MEMORY as Sergeant Donald Rumbelow suggests. My Grandfather would have been 40 when appointed to this case. Jack the Ripper would have been his main concern for several years. The identity of the murderer would have been indelibly imprinted on his mind.
Jack the Ripper was my Grandfather's main concern until, he the Ripper was put safely away and the file closed, presumably about 1890. My Grandfather would then have been occupied with other cases. Kosminski would no longer have been his concern so my Grandfather would no longer have kept a tally on him and his demise.
The fact that some one's idea of how a [murderer?] should behave during his stay in Colney Hatch does not coincide with the reported behaviour of the man in question cannot possibly challenge the unequivocal signed statement of the man who knew that Kosminski was the suspect. Surely it is time that poor demented Kosminski and the victims he disembowelled should be allowed to Rest in Peace.
J. D. SWANSON

Meine persönliche Meinung ist die, dass man Jack the Ripper zwar im November/Dezember 1888 identifizieren konnte, ihn aber eben nicht sicher hinter öffentlichen Schloß und Riegel bringen, geschweige den Hängen konnte. Ich gehe davon aus, dass JtR zwischen Ende 1888 bis Anfang 1891, von seiner Familie betreut bzw. in privaten Einrichtungen war und man es erst schaffte ihn im Februar 1891 in das offizielle und nicht private Colney Hatch einzuliefern. Es sollte in der Familie Abrahams/Lubnowski möglich gewesen sein, Aaron Kosminski privat unterzubringen. Sein Bruder Isaac Abrahams hatte um 1888 etwa 14 Angestellte, da sollte mit Sicherheit soviel übrig geblieben sein um Kosminski zumindest zeitweise vor einer öffentlichen Einrichtung fernzuhalten. Die Polizei könnte die Taktik gefahren haben, Kosminski in einen ganz anderen Wahnsinn zu treiben. Sie konnten ihm nichts nachweisen also hätten sie die Zermürbungstaktik angewandt haben können, nach dem Motto "wir machen dich fertig, irgendwann brichst du ein". Was ja dann auch passiert ist. Aaron Kosminski wurde immer unerträglicher, so dass seine Familie ihn in eine öffentliche Einrichtung brachte bzw. dem zugestimmt hatte. Anderson´s Vorwurf, der Ripper wurde von seinen Leuten geschützt, würde so auch Sinn machen. Sinn machen würde auch Kosminski´s Schwester Matilda Lubnowski, falls Sie die Informantin war. Dann hatte die Polizei vielleicht ein Arrangement mit ihr, weil sie Informationen liefern konnte, die ihren Bruder schwer belasteten. Im Gegenzug hielt die Polizei möglicherweise die ganze Geschichte flach. Swanson und Macnaghten´s "Kosminski- Informationen" waren ja eher privater bzw. inoffizieller Natur. Anderson machte es ja öffentlich und nannte den Namen des Rippers vielleicht oder u.a. wegen Matilda Lubnowski nicht.

Es gibt noch Dinge die mir aufgefallen sind.

Matilda´s Mann Morris Lubnowski war Bootmaker. Bootmaker- Leather Apron- The Whitechapel Murderer- Jack the Ripper! Du kannst mir folgen?

Mrs. Kuer in der Batty Street sprach so gut wie kein Englisch, ähnlich wie Schwartz aber sie konnte über ein Gespräch mit dem "Lodger" berichten. Sie sprach deutsch, wo Kosminski herstammte, da sprach man auch deutsch. Kosminski sprach in Colney Hatch deutsch.

Erst knapp 2 Jahre und 3 Monate nach der letzten Ripper- Tat, brachte man Kosminski hinter "öffentlichen Gardinen". Vorher schaffte man es eben nicht. Sollte man da als Polizei, unter diesen ganzen unsäglichen Umständen, ohne wirklich gerichtbare Beweise, an die Öffentlichkeit gehen oder einfach nur froh sein, dass JtR nie wieder zuschlagen wird?

Grüße.
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...

Offline Craddock

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 170
  • Karma: +0/-0
Re: Kosminski´s Abgang u. die Einstellung seitens der Polizei?!?
« Antwort #66 am: 24.07.2011 21:02 Uhr »
Was ich allerdings nie verstanden habe ist:

Warum hat die Polizei damals  nicht öffentlich bekannt gegeben dass vom Ripper keine Gefahr mehr ausgehen würde?
Man hatte ja ab Ende Dezember 1888 die verstärkte Polizeipräsenz wieder abgezogen.
Und man glaubte ja in Kosminski den Schuldigen zu haben auch wenn man ihm nichts nachweisen konnte.

Waren hier  eventuell politische Motive ausschlaggebend ?
Befürchtete man Aufstände wenn bekannt würde dass ein Mitglied der jüdischen Bevölkerung diese Greueltaten begangen hatte ?
 :unknown: :unknown: :unknown:




Was wäre denn höchstwahrscheinlich passiert, wenn die Polizei gesagt hätte, dass man weiß, wer der Täter ist, man aber im Moment mangels Beweisen nichts unternehmen kann? Man muss sich doch nur das Verhalten der Presse ansehen, die Stimmung in der Bevölkerung. So eine Meldung seitens der Polizei hätte alles nur verschlimmert, stillhalten war da sicherlich die klügere Alternative. Ansonsten halte ich es nicht für unwahrscheinlich, dass sehr bald Spekulationen aufgekommen wären, bei "dem Mann, dem man nichts beweisen kann" handle es sich eher um "den Mann, dem man nichts beweisen darf". Die politischen Motive wären somit wahrscheinlich eher durch ein Statement der Polizei Gegenstand öffentlicher Diskussionen geworden, ungeachtet dessen, ob sie in der Realität überhaupt vorlangen, was ich für mich eher ausschließe. Hätte man irgendetwas in der Richtung fallen lassen, dass man weiß, wer hinter den Morden steckt, wäre die Bevölkerung doch sofort auf die Barrikaden gegangen, hätten Zeitungen bestimmt begonnen, Nachforschungen anzustellen, wer kürzlich auf welche Art auch immer aus dem Verkehr gezogen wurde, wer um die Zeit vom November 1888 herum verstorben ist usw. Zumal ganz allgemein betrachtet ein Satz wie "Wir wissens, könnens aber nicht nachweisen" nicht sonderlich zum Ansehen der ohnehin krisengebeutelten Polizei beigetragen hätte. Lestrades Zermürbungstaktik scheint da eher das geeignete Vorgehen gewesen zu sein. Der Verdächtige, der von der City-Police überwacht wurde, soll sich bei seinen Streifzügen durch die Stadt ja öfter mal umgedreht haben, wenn ich mich recht erinnere (Lestrade hilft da bestimmt gerne weiter, die Passagen glaube ich, kennt er auswendig :D). Gut möglich also, dass die Beamten, den den guten Mann observierten, angewiesen wurden, dass der Verdächtige gerne von ihren Bemühungen erfahren und wissen soll, dass sie da sind und ein Auge auf ihn haben. Weit erstaunlicher finde ich ja immer noch, dass in all den Jahren danach, ungeachtet des Gebots des Schweigens, das bei der Polizei geherrscht haben mag (und das von etlichen anderen aus der Bagage ja gerne mal umgangen wurde), nie jemand mit der Sprache herausrückte. Keiner. Kein kleiner Constabler, der am Rand der Ermittlungen herumspukte. Kein geltungssüchtiger Leiter irgendwelcher Abteilungen. Kein politischer Gegner der großen Köpfe im Polizeiapparat jener Tage. Selbst wenn das Wissen um die Identität des Täters nur einem kleinen Kreis gegeben war, muss doch irgendwem mal irgendwas aufgefallen sein. Und für die Observierungen braucht man ja auch ein gewisses Kontingent an Leuten, und da soll keiner geredet haben? Wussten die gar nicht, wen sie observierten? Haben die in all den Jahren danach nie 1+1 zusammengezählt? Haben sie es getan, fälschlicherweise aber 3 rausbekommen? Erstaunlich, wie gesagt :D

Offline Lestrade

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 2949
  • Karma: +14/-3
  • Watson, fahr schon mal die Kutsche vor...
Re: Kosminski´s Abgang u. die Einstellung seitens der Polizei?!?
« Antwort #67 am: 24.07.2011 22:23 Uhr »
Ich glaube, die Polizei hatte über 80 Personen im Oktober 1888 überprüft. Das ist eine ganze Menge. Kosminski war wohl mit dabei und wohl auch schwer unter Verdacht. Ich würde davon ausgehen, dass zuerst die MET an ihm dran gewesen war, aber keiner ihrer Zeugen etwas ausrichten konnte. Wahrscheinlich ließen sie ersteinmal ab von diesem Verdächtigen und es kam zur Tragödie im Miller´s Court. Vielleicht durch diese grausame Tat oder auch durch neue Informationen, hätte sich die MET entschloßen haben können, diesen Verdächtigen den Zeugen der City Police vorzustellen. Laut Swanson sendete die MET ihren Verdächtigen Kosminski in ein Seaside Home, wo eine Identifizierung stattfand. Im Prinzip dürfte das dann wohl gleichzeitig eine Übergabe des Verdächtigen an die City Police gewesen sein, weil der Zeuge (Lawende nehme ich an) aus ihrem Mordfall stammte. Bedenken dabei würde ich aber noch, dass eventuell die MET durch einen Fehler das "Kelly- Verbrechen" mitverschuldet haben könnte, irgendwie, und sie daher lieber das Risiko eines erneuten Versagens an die City Police weiterreichten. Eine Zusammenarbeit war wohl weiterhin gesichert zwischen beiden Einheiten aber die Observation blieb in den Händen der City Police. So würde ich mir das vorstellen.

Gesprochen haben Beamte, sogar zwei wichtige und fähige der City Police, jener Einheit die ja auch observierte, Cox und Sagar.

Cox:

There were several other officers with me, and I think there can be no harm in stating that the opinion of most of them was that the man they were watching had something to do with the crimes

Sagar sprach von der Butcher´s Row, Spuren führten zum King´s Block/Model dwellings in Stoney Lane/ Artizans' Dwellings. Bis zur Butcher´s Row sind es von da nur 300m.

Wenn wir davon ausgehen, das alle von Kosminski sprachen, dann war er an einigen Orten im East End zu finden (Cox, Macnaughten).

Observierte ihn Cox ca. drei Monate in der Greenfield Street/Yalford Street (Kosminski´s Brüder und die Schwester) nach dem Miller´s Court, dann könnte Kosminski ca. März 1889 in eine private Anstalt gekommen sein (siehe Macnaughten, Sagar und Cox). Hier verweist ja Cox (siehe oben) auch auf seine überzeugten Kollegen. Im Dezember 1889 wurde er mit dem Hund erwischt. Der Hund gehörte ja einem Jacobs. Handelte es sich um Jacob Cohen? Dann hätte er um diese Zeit auch dort gelebt haben können und auch observiert worden sein. Von neuen Beamten, doch schon ein Jahr vom Horror Herbst entfernt und vielleicht nicht mehr ganz so heiß und "motiviert"? Zwischendurch war Kosminski wieder in einer Anstalt oder wurde wieder von der Familie herumgereicht? Wer weiß. Dann gab es noch die Wohnhäuser wie weiter oben bereits erwähnt in Stoney Lane. War Sagar vielleicht Ende 1890/ Anfang 1891 in der Butcher´s Row erneut mit dieser Observation befasst? Wir wissen es nicht. Aber da gab es auch 2-3 Schneider und einen Friseur zwischen all den Butchern. Es wird sicherlich nicht so abgelaufen sein aber ähnlich könnte ich es mir gut vorstellen.

Die ganze Sache ist natürlich ein Prozeß, mit einer eigenen Dynamik, der dann wohl 2 Jahre und 3 Monate dauerte, bis die Beamten "zufrieden" gewesen waren. Ein Prozeß ohne weitere Morde die dem Ripper glichen und vor allem einem Täter, der garnicht so gewesen war wie man ihn erwartet hatte: 1,75m groß, mit kurzgeschnittenen, schwarzen, krausen Haaren. So beschreibt ihn ja Cox. Obendrein isst dieser Verdächtige Abfälle von der Straße, stank und muss an die Hand genommen werden (meinte Sagar dies damit: "There was no doubt that this man was insane"). Sagar und Cox hätten Kosminski, Jack the Ripper, wahrhaftig vor sich gehabt haben können und wie beschreiben sie ihn? Doch sehr schwach und dies spricht doch Bände. Warum sollten Beamte der Polizei, die nicht so tief mit den Hintergründen vertraut waren, diesen Mann öffentlich als Ripper darstellen? Das konnten nur Leute die Wissen hatten. Und dazu gehören eben Cox, Sagar und Anderson. Swanson sagte im Prinzip garnix, seine Vermerke waren rein privat.

Wenn Beamte wie Cox oder Sagar, ihren Leuten strikte Anweisungen gaben, ihre Arbeit akribisch zu verrichten, dann hat es der treue britische Diener ihre Majestät bestimmt auch so getan. Wenn ich jemanden etwas anvertrauen würde, dann sicherlich einen britischen Polizeibeamten. Damals wie heute.
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...

Offline Craddock

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 170
  • Karma: +0/-0
Re: Kosminski´s Abgang u. die Einstellung seitens der Polizei?!?
« Antwort #68 am: 25.07.2011 21:10 Uhr »

Wenn Beamte wie Cox oder Sagar, ihren Leuten strikte Anweisungen gaben, ihre Arbeit akribisch zu verrichten, dann hat es der treue britische Diener ihre Majestät bestimmt auch so getan. Wenn ich jemanden etwas anvertrauen würde, dann sicherlich einen britischen Polizeibeamten. Damals wie heute.

Naja, einige andere, die weit weniger eingeweiht waren, haben ja durchaus nicht ungern geplaudert. Aber hier, wo es einigermaßen interessant gewesen wäre, haben wir´s scheinbar mit einer ganzen Armee an Tugendbündlern zu tun. Ärgerlich. Andererseits ist mir eh lieber, wenn die "meinem" Aaron nichts genaues nachweisen, ich kann ihn mir immer noch schwer als Ripper vorstellen, selbst wenn er von dem bekannten Verdächtigen der plausibelste sein mag. Da geht´s mir ein bisschen wie dir mit Swanson. Du glaubst dem alten Kerl gern, weil du ihn auf Photos sympathisch findest, und ich hab Mitleid mit Aaron, weil ich irgendwie glaube, dass er durch eine Reihe unglücklicher Verkettungen in eine ganz ganz miese Sache reingeraten ist. :D

Man, du, manchmal hätt ich gern ein Weltbild wie Cornwall (oder wie man die schreibt), echt jetzt. :)

Offline Lestrade

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 2949
  • Karma: +14/-3
  • Watson, fahr schon mal die Kutsche vor...
Re: Kosminski´s Abgang u. die Einstellung seitens der Polizei?!?
« Antwort #69 am: 25.07.2011 23:38 Uhr »
Ich glaube Swanson eher deshalb (obwohl das mit der Sympathie stimmt), weil er sich als "Rentner" jene bekannten Notizen machte, die niemals für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Er wußte alles über den Fall und wenn er ein solche Bemerkungen machte, die glücklicherweise in den 1980er Jahren entdeckt wurden, dann nehme ich es eben sehr ernst. Er meinte den Verdächtigen "Kosminski" (wahrscheinlich ja Aaron Kosminski) und erwähnte für diesen eine (wenn auch mißglückte) Identifizierung. Er sprach ja nicht von "Jack the Ripper". Jeder weiß, dass diese Notizen im Zusammenhang mit Anderson stehen. Für Anderson war es Jack the Ripper, für Swanson der Verdächtige. Dennoch denke ich, dass auch Swanson "Kosminski" für den Ripper hielt und er nicht nur ein "Verdächtiger" war, das war Polizeisprache. Er benutze ja auch nicht Leather Apron oder Whitechapel Murderer. Der Name Jack the Ripper war eine Erfindung eines Zeitungsschreibers. Swanson war ein "cooler" Ermittler, durch solche "Ablenkungsmanöver" oder "Verklärungen", ließ er sich nicht beirren. Alles in allem, kein Mensch dürfte jemals so viel über Jack the Ripper gewußt haben wie er. Wenn er erläutert, das Kosminski als Täter in Frage käme, dann kann man kaum jemanden ernster nehmen, Swanson für das eine, Kosminski für das andere.

Aaron Kosminski seine Familie lebte in der Greenfield Street und der nahen Umgebung. Er lebte dort 1888 wohl auch mit ziemlicher Sicherheit. Die Berner Street als ganz naher Tatort und die Batty Street mit dem Hemdenfund (wenn denn so wahr) ebenso nahe an seinem Wohnort, könnten nach dem Double Event, speziell im Falle Stride, in die Greenfield Street geführt haben. Zu der Familie von Aaron Kosminski bzw. ganz zu ihm selbst. Ersteinmal...

Sollte etwas später der Zeuge Lawende ihn wiedererkannt haben wollen, dann hatte Aaron Kosminski wirklich ein großes Problem. Dann sah ihn Lawende an der Church Passage mit Catherine Eddowes und Mrs. Kuer etwas später in ihrem Haus in der Batty Street mit sehr unvorteilhaften Kleidungsstücken. Und nebenan lag der Dutfield´s Yard in der Berner Street. Entweder hatte Aaron Kosminski das Pech was nur dem größten Dummkopf passieren konnte oder er war Jack the Ripper. Falls es jemand anderes war, tat der ihm den Gefallen, mit seinen Taten aufzuhören. Was in meinen Augen das Pech für Aaron Kosminski noch erhöht hätte. Aber soviel davon, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...

Offline Anirahtak

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 243
  • Karma: +0/-0
Re: Kosminski´s Abgang u. die Einstellung seitens der Polizei?!?
« Antwort #70 am: 25.07.2011 23:39 Uhr »
... Wenn ich jemanden etwas anvertrauen würde, dann sicherlich einen britischen Polizeibeamten. Damals wie heute.
Überleg dir das lieber zwei Mal - die Vertraulichkeiten könnten sogleich darauf in der Murdoch-Presse wieder auftauchen...

Danke jedenfalls für die Ausführungen.

Offline Craddock

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 170
  • Karma: +0/-0
Re: Kosminski´s Abgang u. die Einstellung seitens der Polizei?!?
« Antwort #71 am: 26.07.2011 01:48 Uhr »
Ich glaube Swanson eher deshalb (obwohl das mit der Sympathie stimmt), weil er sich als "Rentner" jene bekannten Notizen machte, die niemals für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Er wußte alles über den Fall und wenn er ein solche Bemerkungen machte, die glücklicherweise in den 1980er Jahren entdeckt wurden, dann nehme ich es eben sehr ernst. Er meinte den Verdächtigen "Kosminski" (wahrscheinlich ja Aaron Kosminski) und erwähnte für diesen eine (wenn auch mißglückte) Identifizierung. Er sprach ja nicht von "Jack the Ripper". Jeder weiß, dass diese Notizen im Zusammenhang mit Anderson stehen. Für Anderson war es Jack the Ripper, für Swanson der Verdächtige. Dennoch denke ich, dass auch Swanson "Kosminski" für den Ripper hielt und er nicht nur ein "Verdächtiger" war, das war Polizeisprache. Er benutze ja auch nicht Leather Apron oder Whitechapel Murderer. Der Name Jack the Ripper war eine Erfindung eines Zeitungsschreibers. Swanson war ein "cooler" Ermittler, durch solche "Ablenkungsmanöver" oder "Verklärungen", ließ er sich nicht beirren. Alles in allem, kein Mensch dürfte jemals so viel über Jack the Ripper gewußt haben wie er. Wenn er erläutert, das Kosminski als Täter in Frage käme, dann kann man kaum jemanden ernster nehmen, Swanson für das eine, Kosminski für das andere.

Aaron Kosminski seine Familie lebte in der Greenfield Street und der nahen Umgebung. Er lebte dort 1888 wohl auch mit ziemlicher Sicherheit. Die Berner Street als ganz naher Tatort und die Batty Street mit dem Hemdenfund (wenn denn so wahr) ebenso nahe an seinem Wohnort, könnten nach dem Double Event, speziell im Falle Stride, in die Greenfield Street geführt haben. Zu der Familie von Aaron Kosminski bzw. ganz zu ihm selbst. Ersteinmal...

Sollte etwas später der Zeuge Lawende ihn wiedererkannt haben wollen, dann hatte Aaron Kosminski wirklich ein großes Problem. Dann sah ihn Lawende an der Church Passage mit Catherine Eddowes und Mrs. Kuer etwas später in ihrem Haus in der Batty Street mit sehr unvorteilhaften Kleidungsstücken. Und nebenan lag der Dutfield´s Yard in der Berner Street. Entweder hatte Aaron Kosminski das Pech was nur dem größten Dummkopf passieren konnte oder er war Jack the Ripper. Falls es jemand anderes war, tat der ihm den Gefallen, mit seinen Taten aufzuhören. Was in meinen Augen das Pech für Aaron Kosminski noch erhöht hätte. Aber soviel davon, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.

Mir musst dus nicht unbedingt schmackhaft machen, ich weiß es ja. Ich sag ja auch, Kosminski ist so ziemlich der Letze, den man als Verdächtigen ausschließen kann... ich würd nur gern. Wenn man mal gewisse Zeit mit Leuten verbracht hat, und sei es nur, weil man viel über die liest, wachsen einem manche einfach ein bisschen ans Herz. :D


Offline Lestrade

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 2949
  • Karma: +14/-3
  • Watson, fahr schon mal die Kutsche vor...
Re: Kosminski´s Abgang u. die Einstellung seitens der Polizei?!?
« Antwort #72 am: 26.07.2011 19:03 Uhr »
Danke jedenfalls für die Ausführungen.

Gerne Anirahtak! ;)

...wachsen einem manche einfach ein bisschen ans Herz.

Nein Craddi. :mocking:
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...

Offline Stordfield

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 169
  • Karma: +0/-0
Re: Kosminski´s Abgang u. die Einstellung seitens der Polizei?!?
« Antwort #73 am: 14.01.2019 16:07 Uhr »
Hallo!


wo Kosminski herstammte, da sprach man auch deutsch


Wo genau stammte er denn eigentlich her?
Ich finde es sehr interessant, dass er nur Deutsch sprach. War das in seiner Familie so üblich?

Gruß Stordfield
Du kannst fliehen, wohin Du willst; Du nimmst Dich immer mit.

Offline Lestrade

  • Superintendent
  • *****
  • Beiträge: 2949
  • Karma: +14/-3
  • Watson, fahr schon mal die Kutsche vor...
Re: Kosminski´s Abgang u. die Einstellung seitens der Polizei?!?
« Antwort #74 am: 15.01.2019 00:22 Uhr »
Hallo Stordfield! Ein sehr altes Zitat, welches ich jetzt, den damaligen Zeitpunkt betreffend, gar nicht mehr richtig nachvollziehen kann. Wahrscheinlich lag der Hauptgrund darin, dass in Aaron Kozminski´s Anstaltsakten zweimal (glaube ich) vermerkt wurde, dass er nur Deutsch spricht. Damit kann aber auch Jiddisch- Deutsch gemeint gewesen sein. Bekannt war auch, dass Kinder von seiner Schwester Matilda Lubnowski in Deutschland geboren wurden. Man muss auch die damalige Grenzsituation mit einbeziehen und da lag die deutsche Grenze so zwischen 1871/1881 nicht weit von Klodawa, Aaron´s Geburtsort im damaligen Polen bzw. Russland. Klodawa hat auch noch einen deutschen Namen, so war der Ort vielleicht noch früher einmal Deutsch. Ich habe das bereits einmal ausgearbeitet aber es gerade nicht zur Hand, wie das genau war. Der Bruder Isaac ging viele Jahre vor Aaron direkt nach England, Matilda wohl zunächst nach Deutschland, wo Kinder geboren wurden. Heute ist das Polen. Vielleicht erinnerst Du dich, eine weitere Schwester, Bertha, gab an in Torun/Thorn (Deutschland)) geboren zu sein. Das waren Angaben, die Sie in den USA gemacht hat, wohin es Sie verschlagen hatte. Wir vermuten, dass dies der Wohnort der Schwester Matilda war wo auch Kinder geboren wurden. Dieser Ort lag damals an der Deutsch- Polnischen Grenze, 100km von Klodawa entfernt. Die USA Geschwister Bertha Held und Helen Singer machten in den USA nicht immer korrekte Angaben, Vermutung ist, sie wollten ihre Herkunft etwas verschleiern. Otto Held und Jacob Singer, ihre Ehemänner waren wohl Deutsch, letzteren müsste ich noch einmal nachschauen aber die Mühe muss ich mir momentan sparen. Ist zwar kein Beweis aber vielleicht ein Indiz dafür, dass in der Familie auch Deutsch/ Jiddisch Deutsch gesprochen wurde. Die Geographie lässt ja auch einen Mix zu. Gut möglich aber auch, dass Bruder Woolf mit Aaron einige Zeit im damaligen Deutschland (Torun?) lebten, bevor es nach England ging. Ich hatte das Archiv in Torun angeschrieben aber es gab keinerlei Aufzeichnungen zu dieser Familie. Eine Verbindung nach Torun könnte es aber dennoch gegeben haben. Aaron hat bei einer Anhörung (Hunde- Geschichte) gesagt “I goes…“, meine, jemand hat mal behauptet, dies wäre ein typischer Fehler eines Deutschen. Zur Zeit der Morde hat man dreimal einen Mann befragt, dessen Englisch sehr auf die deutsche Sprache schließen ließ. Ich hoffe, dass reicht erst einmal als Antwort, falls mir noch etwas einfällt, lasse ich es dir wissen. Achso, die Frau Kuer in der Batty Street, Stichwort blutige Wäsche, sprach auch nur Deutsch. Wenn man die Kosminski Familie, wie ich, dort im Zusammenhang sieht, könnte dies auch wieder ein Indiz für die deutsche Sprache aber auch nur purer Zufall sein. 
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...