Autor Thema: mjk coloriert.  (Gelesen 66719 mal)

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Saucy_Jacky

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Re: mjk coloriert.
« Antwort #30 am: 08.06.2006 18:59 Uhr »
...leider ist dieses thema vorerst auf eis gelegt .-(
Schade. Darf ich fragen wieso?

Offline thomas schachner

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Re: mjk coloriert.
« Antwort #31 am: 08.06.2006 19:17 Uhr »
...aus zeitlichen gründen.
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Offline panopticon

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Re: mjk coloriert.
« Antwort #32 am: 20.11.2009 11:21 Uhr »
Hallo!

Hier seit langem mal wieder etwas zum Thema "angewandte Bildforschung"!
Im Grunde kann man eigentlich ja niemandem vorwerfen, dass er/sie sich die Mühe gemacht, bzw. den Versuch unternommen hat, das Bild zu kolorieren. (Ist doch nett und besser geht wahrscheinlich immer.) So auch nicht dem Herren vom Cacebook.
Dass er in Bezug auf die Decken irgendwelche Farben hat nehmen müssen, ist ziemlich klar, wenn man sich länger mit „schwarzweiß sehen“ beschäftigt, bekommt man darin aber auch Übung. Ich habe das Bild vor längerer Zeit selbst restauriert (siehe unten), dabei ging es mir aber nicht um eine reine Kolorierung, denn das Bild weist zusätzlich noch ganz andere Probleme auf. Interessanterweise habe ich die Decke und die Matratze in den gleichen Farben ausgeführt, ohne dieses Bild hier gekannt zu haben. (Ich zweifle eigentlich auch daran, dass das in einem früheren Posting beschriebene Programm bei einem dermaßen alten Bild in diesem Zustand wirklich zuverlässig Farbwerte erkennt, und beweisen ließe es sich wohl kaum.)  Der Grund für meine Farbwahl war jedenfalls, dass beides eine an sich höhere Farbsättigung gehabt haben muss. Hier aber zum Beispiel Beige/Ocker- oder Rottöne zu verwenden, macht (selbst wenn dem so war) keinen Sinn, da es eigentlich darum geht, festzustellen, wie die Auffindung an sich ausgesehen hat, und sich der Körper dazu doch vom Bett abheben sollte. (Also eigentlich der gleiche Grund, warum Blueboxes blau / Greenscreens grün sind.) Dennoch liegt hier die „Kolorierung“ des Bildes vom Casebook (in Wirklichkeit handelt es sich hier ja eigentlich um eine Übermalung) in einer Menge Punkte daneben: Das reicht vom nicht kolorierten rechten Arm von Kelly bis hin zum komplett nach eigenem Gutdünken überpinselten Gesicht. (Wenn man kleinlich ist, bemängelt man dann eben auch noch das Bettzeug, und geht dann dazu über festzustellen, dass die Wände an  Enden von Holzbetten zu Viktorianischer Zeit eher selten dunkel gestrichen waren, schon gar nicht in Armenvierteln - aber wie gesagt, das ist beides entschuldbar, da es wohl kaum jemanden weiterbringt.)

Eine richtige Nachbearbeitung findet prinzipiell eigentlich anders statt, ist aber, wie auch Thomas bereits erwähnt hat, extrem zeitintensiv. (Ein Problem, das sich von Anfang an stellt, ist eine gute Variation des Basisbildes zu finden -  fast alle Bilder, die in Umlauf sind, sind in manchen Bereichen schon so überarbeitet, dass die Auswahl schwer fällt und eigentlich jedes an bestimmten Stellen unbrauchbar ist - da müsste man eigentlich eigens einen Scan vom Original (oder mehrere verschiedene, die man dann miteinander "fusioniert" oder verrechnen lässt) anfertigen):

Wie bereits erwähnt, birgt das Bild aufgrund seines Alters, sowie der Kameras und Beleuchtungsmöglichkeiten von damals schon einmal generell ein paar Probleme. Dafür gibt es aber u.a. wiederum Einblick in die Arbeitsweise der Kriminalfotografen von damals, was ja auch ganz nett ist: Bevor man  überhaupt an eine Kolorierung/Restauration schreiten kann, muss man sich das Bild einmal als Gesamtes ansehen, und sich fragen, wo und warum denn Probleme bezüglich der Belichtung aufgetreten sind/sein könnten. Generell ist auf fast jedem Bild ja mehr zu sehen, als die meisten ad hoc sehen, und so ist es auch in diesem Fall: (Ich habe die ursprüngliche Fotografie zur besseren Veranschaulichung farblich gekennzeichnet und in diesen Bereichen den Kontrast noch ein wenig übertrieben: Abb.1)
Wir haben in der Originalfotografie zwei extrem überbelichtete Stellen: Die Beine und den Kopf. Die Überbelichtung der Beine resultiert aus einer extremen Lichtquelle zur Linken des Fotografen (gelb umrandet). Ob dies nun von einem der Fenster herrührt oder ein zusätzliches künstliches Licht ist, um Kelly´s Becken nicht allzu lange belichten zu müssen, ist fraglich - ich denke, dass sie von beidem stammt, da sie bis zu Kelly´s rechtem Bein doch ziemlich abnimmt.
Die zweite Lichtquelle ist auf jeden Fall kleiner, „gerichteter“, weniger intensiv und beleuchtet Kelly´s Kopf, der für die Ermittler neben dem Becken wohl der zweite „wichtige“ Bereich war, von rechts oben. Für sie gibt es neben der Überbelichtung des Kopfes noch weitere Indikatoren im Bild (orange umrandet), die von einem Hot Spot an der Rückwand, über die Überstrahlung auf der rechten Seite dessen, was der Täter auf den Tisch gelegt hat (ich möchte das jetzt nicht explizit aussprechen) bis hin zum Schattenwurf der Tischplatte und Reflexionen an der Stütze des Betthauptes reichen.   
Zwischen den beiden Lichtquellen gibt es eine bemerkbare Zäsur, die zumindest bis an den unteren Teil der Wand  reicht, und vom Schatten einer (oder meherer) Person(en) oder, wahrscheinlicher vom Schatten eines Fotoapparates (und eventuell einer Person hinter dem Fotografen) herrühren könnte, die/der sich wohl leicht vor einer der Lichtquellen im Raum befand/en (rot umrandet).

Dies scheint sich, wenn man dann nachforscht, auch mit der zeitgenössischen Illustration aus den Illustrated Police News (Abb.2) zu decken, allerdings wird der Constable zur  Rechten des Fotografen nicht einfach als dessen „Bewacher“ herumgestanden sein, sondern vielmehr die kleinere Lichtquelle (ich nehme an, eine Laterne oder ähnliches, ziemlich wahrscheinlich Polizeiausrüstung) gehalten haben, die das Gesicht stärker ausleuchten sollte, und deren Indikatoren ich, wie oben beschrieben, mit den orangefarbenen Bereichen in Abb. 1 markiert habe. (Aus heutiger Sicht hätten die Beamten die „wichtigen“ Bildpartien eher unbeleuchtet  belassen sollen: Unterbelichtung lässt sich digital an sich ganz gut beheben, Überbelichtung nicht, da hier durch die Überstrahlung gar keine Bildinformation vorhanden ist.)

Mit all diesen Ergebnissen geht man dann daran, die Überbelichtung in den einzelnen Bereichen so weit möglich auszugleichen (der linke Unterschenkel von Kelly zum Beispiel ist aufgrund der Nähe zur linken Lichtquelle zu überbelichtet, hier ist eben keine Information bezüglich Struktur vorhanden, da lässt sich wenig machen), ehe man sich daran macht, das Bild generell zu bearbeiten und danach jeden einzelnen Bereich des Bildes ( - nicht wie bei dem Casebookbild mit farbigen Flächen zu belegen, sondern) mittels Veränderung der  vorhandenen Graustufen, Schwarz- und Weißwerte zu kolorieren. (Ist gerade bei Braun- und Hauttönen nicht wirklich einfach, die werden oft ziemlich unnatürlich!).  Danach gibt’s dann nochmals ein gesamtes Finishing.

Wie gesagt ,auf jeden Fall sehr zeitintensiv (im Grunde muss man auch ständig nachrarbeiten), und bei diesem Motiv lässt man es dann auch in vielen Bereichen  gerne nicht allzu  zu wissenschaftlich „naturgetreu“ ausfallen, da man vieles, was man dabei entdeckt, eigentlich nicht (zumindest nicht so genau) entdecken wollte. (Ich habe das in der Unterbauchgegend um am Tisch deshalb auch unterlassen.) Letzteres ist auch der Grund, warum ich die Bearbeitung von mir (Abb.3) hier an sich nicht anders bringen will, als ich dies tue (das Original ist natürlich wesentlich größer, weniger „grafisch“, nicht nochmals komprimiert, und besitzt wesentlich höhere Auflösung und Farbtiefe).

Was ich dabei jedoch vor allem im Bezug auf Kelly´s Gesichtsverletzungen entdecken, und bisher nicht sehen konnte, werde ich später in einem anderen Thread posten (Dort, wo die Frage aufgeworfen wird, ob Kelly denn nun ein Opfer von JtR war oder nicht, ich werde danach noch einen Link dazu hierherstellen).


Liebe Grüße,
panopticon


P.S.: „FM“ steht da übrigens nicht an der Wand (Ich habe übrigens auch kein Blut an die Wand „gedichtet“, da sich auf dem Bild so ja auch keines feststellen lässt) : Eine Vergrößerung des Ausschnittes oberhalb von Mary Jane´s rechtem Ellenbogen zeigt, nicht nur, wo ein weiteres Problem mit dem (zumindest von mir verwendeten) Bild liegt (Rasterung), sondern, dass hier eigentlich sogar  wesentlich mehr an der Rückwand eingraviert zu sein scheint: (Siehe 2.Bild unten) Kann das jemand lesen? Ein Abdruck auf dem Foto wird es wohl nicht sein, es schließt mit Kelly´s Arm ab. (Auf dem unteren Ausschnitt habe ich zur Verdeutlichung noch mal kurz an der Gradation geschraubt.) Das Untere sieht aus wie F+P+M+2“ oder „F+P+M+?“ ? Das darüber kann ich gar nicht wirklich lesen, irgendwas mit „RS“ am Schluss...? Auf dem mir als Basis verwendetem Bild war das gar nicht so auffällig, aber ich habe schon ein anderes (ob nun anderer Scan oder andere Bearbeitung) gesehen, wo das Wandgekrizzel noch wesentlich deutlicher zum Vorschein kam – Leider finde ich es gerade nicht. Jetzt wäre natürlich interessant zu wissen, ob das tatsächlich auch aus dem Scan eines Originals herauszuholen ist!?

P.P.S.: (@ Scharfnase) Wie man sieht, gibt es bei uns in Österreich eine Menge Bildbearbeitungsprogramme! (Ich habe hierfür zumindest insgesamt 3 verwendet, für genaueres Arbeiten und Analysieren reicht Photoshop allein eigentlich nicht aus.)  :icon_wink:

« Letzte Änderung: 20.11.2009 12:07 Uhr von panopticon »

OceanTango

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Re: mjk coloriert.
« Antwort #33 am: 22.12.2009 19:35 Uhr »
hallo alle zusammen,

folgendes möchte ich euch nicht vorenthalten.

dank geht an stephen p. ryder (casebook), der seinen photoshop lange strapaziert hat.

high resolution version auf anfrage.



danke!

neue nachricht (zu dem bild):
kurze frage:
mary jane kelly hat eine rote umrandung um das rechte bein, von oben ausgesehen das oberste???
was meint ihr darüber über die herkunft?
abdruck eines strumpfbandes evtl.?

gruß,Sonja
....

Amnael

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Re: mjk coloriert.
« Antwort #34 am: 24.12.2009 17:33 Uhr »
Ich hab im Internet ein weiteres Bild vom Tatort gefunden, es scheint eine saubere Bleistiftskizze zu sein und man erkennt die Verletzungen sehr viel besser:

may_roora

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Re: mjk coloriert.
« Antwort #35 am: 02.02.2010 19:53 Uhr »
@panopticon

Auf dem Originalbild ist mir eigentlich sofort das "FM" aufgefallen. Jetzt, da ich deinen Beitrag gelesen habe, sehe ich aber auch "F + P + M + 2"! Allerdings könnte das P auch ein R und die 2 auch ein Z sein. Was könnte das also bedeuten?
Zuerst habe ich die Initialien der Mordopfer in Betracht gezogen, allerdings käme Frances Coles als einzige für F in Frage und diese wurde 1.) später ermordet und 2.) ist es nicht einmal sicher, dass es der Ripper war.
Ansonsten könnte man ja sagen, P steht für Polly (Mary Ann Nichols) und M 2 für die zweite Mary (Mary Kelly), die er ermordet hat. Aber das F passt dann eben nicht dazu... Vielleicht rede ich auch völligen Quatsch. :icon_confused:

Wenn darüber wirklich etwas mit "RS" steht, ist meine erste Assoziation dazu (Walter) Richard Sickert, der bekanntlich seinen Namen häufig mit R.S. abgekürzt und mehrere Formen wie R. St. etc benutzt hat...   :icon_neutral:
Zudem sieht der Raum auf seinem Gemälde „The Camden Town Murder", oder „What Shall We Do For the Rent?" ausgerechnet genau diesem Foto so ähnlich... :icon_eek:


PS. Warum befindet sich hinter dem Bett eigentlich eine Tür? oO Ist mir erst spät aufgefallen... Und hat schon mal jemand dahinter nachgesehen? :icon_mrgreen:

Offline panopticon

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Re: mjk coloriert.
« Antwort #36 am: 03.02.2010 00:56 Uhr »
Hallo may_roora!
Willkommen im Forum!

Warum befindet sich hinter dem Bett eigentlich eine Tür? oO Ist mir erst spät aufgefallen... Und hat schon mal jemand dahinter nachgesehen? :icon_mrgreen:

Diese Tür, sofern sie jemals eine solche war (so sicher bin ich da noch nicht, forsche aber noch), war zu diesem Zeitpunkt nicht verwendbar, da sie wohl Bestandteil der ´wooden partition´ war, die Dr. Phillips beim Inquest erwähnte. Dahinter befand sich auf jeden Fall der Stiegenaufgang zur oberen Etage, also u.a. zum Raum von Mrs. Prater direkt über dem von Kelly – und auch die Decke zwischen diesen beiden Räumen könnte nur eine Art ´Raumteiler´ gewesen sein. Prater erwähnt auf jeden Fall, dass die ´partition´ sehr dünn war, und sie Mary Jane normalerweise sogar beim Auf- und Abgehen im Raum zuhören konnte.


Woher die "Schrift" auf dem Bild kommt, ist mir ehrlich gesagt noch immer ein Rätsel. Da ich, wie ich jetzt feststellte, als Basis eigentlich eine schlechtere Digitalisierung verwendet habe, als das HiRes-Bild, das hier im Forum zu finden ist, habe ich eben dieses nun auch extra heruntergeladen und danach untersucht, - und fand diese  Zeichen darauf ebenfalls.... Ohne die Originalfotografie untersucht zu haben, lässt sich da aber auch wenig dazu sagen, da es sich bei der Ursache dafür durchaus auch nur um irgendeine Art mechanischer Einwirkung auf die Bildoberfläche handeln könnte (Bsp. Ab- / Durchdruck, tatsächliche Schrift auf dem Bild,...), oder oder um etwas, das vielleicht auch beim Scannen entstanden ist, - aber irgendwie sieht es eben so aus, als wäre da eine Schrift an der Rückwand...
Im Grunde jedenfalls, muss die Schrift, auch wenn sie da tatsächlich an der Wand war, nicht wirklich was mit den Morden zu tun haben (wovon ich dann eigentlich auch ausgehen würde) – Wer weiß, wer in dem Raum schon aller gewohnt hat, und sich da verewigte, bzw wo die ´partition´ war, bevor sie Teil der Wand wurde. Ein ´R´ könnte das aber auf jeden Fall auch sein, stimmt! (Statt einer ´2´ ließe sich mit dem Teil schräg darüber auch eine Art, große, schräge ´7´ sehen.) Ich finde es ja immer wieder interessant, dass solche eigentlich nicht eindeutig zu beweisenden Details wie das ´FM´ ins Auge stechen, während...


(@ Amnael:) ...viele Marys rechten Arm direkt darunter (auf der Matratze liegend, sieht aus dieser Perspektive an einer Stelle wie fast abgetrennt aus) für ein Bettlaken halten, wie der Urheber dieser Zeichnung und auch der der Casebook-´Koloration´. Die Zeichnung ist allein aufgrund des Stils und der Fehler übrigens mit Sicherheit erst sehr viel später entstanden, wenn sie nicht sogar ziemlich neu ist.


Was die Ähnlichkeiten von Sickerts Bildern und diversen Fotos betrifft: Kleiner Sickert-Exkurs! ;) Genau darin liegt der Knackpunkt an Cornwells Theorie, und beweist, dass Cornwell, sofern sie das überhaupt ernst meint, was sie sagt, in Punkto Kunst und deren Geschichte (ja sogar Sickerts bekannter Praxis) nicht einmal ein Laie ist. Zunächst: Warum malte Sickert überhaupt Themen wie Morde? Verkürzt gesagt: Zum damaligen Zeitpunkt war die Malerei durch die Fotografie stark in Bedrängnis geraten, daher ließen sich die Künstler diverse Strategien einfallen, um der Malerei neuen Sinn zu geben. Dadurch entstanden eben diverse moderne Stile, allen voran der Impressionismus, aber auch die Themenbereiche wurden, wie eben von Sickert, ganz bewusst gewählt: Man bannte das auf die Leinwand, was die Fotografie nicht direkt abbilden konnte: So zum Beispiel subjektive Interpretationen menschlicher Abgründe, und gerade Morde ließen da viele Möglichkeiten zu. Was die Fotografie garantiert nicht liefern konnte, war zum Beispiel das Zimmer von Jack the Ripper. (Auch wenn Sickerts Idee wohl primär darauf beruht, dass ihm irgendjemand mitteilte, dass sein Vormieter JtR gewesen sein soll, und er diese damals in London generell nicht unhäufige Geschichte wohl so amüsant fand, dass er sie in einem Gemälde umsetzte.). Da damals auch so gut wie niemand Fotografien von Tatorten zu Gesicht bekam, waren Interpretationen von Tatorten natürlich auch ein sehr interessantes Thema für die Malerei. Was dieses Motiv für Künstler noch interessanter machte, war die Tatsache, dass man dafür eigentlich neben den Malutensilien in erster Linie nur ein Modell, ein Bett und  eventuell einen Spiegel brauchte. Man wird auch wohl kaum einen Künstler finden, der sich zudem noch nie mit Körperstudien beschäftigt hat, und einige haben sogar in Leichenhäusern Studien von Toten gemacht. Sickert hätte das aber gar nicht gebraucht, für die Posen auf seinen Bildern reichen lebende Modelle. Jetzt aber der wirklich extrem peinliche Punkt  für Cornwell: die von ihr ins Spiel gebrachte ´Ähnlichkeit´ von  einem Bild Sickerts mit der Fotografie der toten Catherine Eddowes: Der eigentliche Grund, warum das Bild ähnlich wirkt, ist der, dass sich auf dem Rücken liegende Personen (zum Beispiel in einem Bett oder in einem Sarg) generell aus dieser Perspektive schwer portraitieren lassen. Der Ripper hatte wohl, sofern er im Dunkeln überhaupt etwas sehen konnte, eine etwas andere Perspektive auf die Opfer – Cornwell´s Theorie wäre folglich sogar wesentlich unabsurder, wenn sie so gelautet hätte : ´Oh, my god, Sickert und der Polizeifotograf könnten ein und dieselbe Person gewesen sein!´ Natürlich auch zum Brüllen komisch, aber nicht ganz so dumm, wie ihr tatsächlicher Rückschluss, die Bilder würden die Theorie untermauern, Sickert wäre JtR gewesen. Der einzig nachvollziehbare Rückschluss wäre gewesen, dass Sickert eventuell (!) die Fotografien kannte. Es gab schon damals eine Menge Künstler, die für ihre Arbeiten mit Fotografien arbeiteten (und es gab auch eine Menge Fotografen, die Fotografien als Vorlagen verkauften).
Auguste Rodin oder Edgar Degas waren unter den frühesten und bedeutendsten, von denen diese Praxis bekannt war. Letzterer war es auch, der seinen Studenten (!) Walter Sickert dazu brachte, nach Fotografien zu arbeiten. Dieser verwendete sogar bis in seine späten Jahre in erster Linie Fotografien aus der viktorianischen Epoche. Ob er für Bilder wie ´The Camden town murder´oder ´What shall we do for the rent?´ auch über die Tatortfotos der Rippermorde als Vorlagen verfügen konnte, ist, so weit ich weiß, nicht geklärt und ziemlich unwahrscheinlich, aber notwendig hätte er es zumindest aufgrund der doch eher simplen Posen der Frauen auf diesen Gemälden mit Sicherheit nicht gehabt. Zudem geht Cornwell überhaupt allgemein von einem Kunstbegriff aus, der erst viel später im 20. Jahrhundert aufkam. In der Kunst lässt sich eigentlich jede Entwicklung in ihrer Zeit logisch erklären, daher ist unter Garantie festzuhalten, dass der Mörder von Whitechapel mit Sicherheit keine ´künstlerische Motivation´ für die Art und Weise der Ausführung seiner Taten hatte.


Grüße,
panopticon


P.S.: (vor allem @ OceanTango) In den nächsten Tagen poste ich meine Theorie zu dem dunklen Streifen am Unterschenkel, allerdings in einem anderen Thread.

« Letzte Änderung: 03.02.2010 01:12 Uhr von panopticon »

may_roora

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Re: mjk coloriert.
« Antwort #37 am: 18.02.2010 03:52 Uhr »
Hallo panopticon,

erstmal danke fürs Willkommenheißen. :)

Ich glaube auch nicht, dass die Schrift etwas mit den Morden zu tun haben muss, auch wenn sie natürlich Neugier weckt. Erstens hast du meiner Meinung nach Recht, wenn du schreibst, dass es nichts Außergewöhnliches ist, sich irgendwo zu verewigen (wie viele "I was here" schon jeder von uns an vielen verschiedenen Orten gelesen haben muss... :icon_mrgreen: ). Und zweitens kann ich mir nicht vorstellen, dass der Ripper Spuren hinterlassen hat, die nicht eindeutig auf seine Person hinweisen, dafür wirkt er irgendwie zu stolz auf sich und seine Taten.

Was Sickert angeht, ist meine persönliche Theorie, dass die Morde des Rippers auf ihn einfach eine große Faszination ausübten. Vielleicht konnte er sich sogar selbst mit dem Ripper identifizieren oder spielte mit diesem Gedanken. Aber wäre er wirklich JtR gewesen, glaube ich nicht, dass er es "nötig gehabt hätte", Morde zu malen. Er hätte sie schlicht und einfach ausgeübt.
Außerdem war z. B. die Post Mortem Fotografie nichts Außergewöhnliches zu der Zeit, dass er u.a. auch solche Fotos benutzt hat, ist also durchaus möglich, auch wenn das heute vielleicht irgendwie makaber wirkt.

Na ja, Cornwell dreht sich oft die Tatsachen so hin, dass sie auf ihre Theorie zu passen scheinen (man kanns ihr nicht unbedingt verübeln, ohne "was wäre wenn" käme man ja vielleicht gar nicht auf neue Ideen, aber sie dann als Wahrheit zu verkaufen, ist schon etwas naiv). Zum Beispiel behauptet sie, hässliche Frauen hätten Sickert fasziniert und seinen Frauenhass angespornt, und er hätte niemals schöne Frauen gemalt, nur unattraktive, dicke oder sehr dünne Frauen. Das stimmt aber nicht. Die Frauen auf seinen Bildern sind sehr unterschiedlich. Diese hier halte ich z. B. sogar für ziemlich attraktiv: http://www.nzz.ch/images/__1.648801.1199954975.jpg (wobei man sich sowieso vor Augen führen muss, dass damals wohl ein anderes Schönheitsideal herrschte)


Freundliche Grüße,
may

OceanTango

  • Gast
Re: mjk coloriert.
« Antwort #38 am: 23.02.2010 19:02 Uhr »
man sieht das becken!
das "fleisch" von dem oberschenkel und die eingeweide etc.
das ist "nur" für einen arzt relevant ...
lecker *würgh*

JackSehast

  • Gast
Re: mjk coloriert.
« Antwort #39 am: 15.06.2010 19:10 Uhr »
Mal ne Frage...

Nichts gegen die Arbeit dieses Künstlers, aber...

Wo ist das Blut an der Wand?

Es hieß das an der Wand neben der Leiche viele Blutspritzer waren (was ja bei der Art von "Operation" kein wunder ist).


Ich sage nicht, das dort ein FM war oder nicht war, aber ich sehe da gar kein Blut mehr.

Jan

P.S: Gute Idee mit dem Schild... ich mach mich schonmal an die Arbeit.  :twisted:



Das mit dem Blut an der Wand (oder nicht an der Wand) ist mir auch aufgefallen.
Stimmt irgendwas in den Berichten nicht ? War das Übertreibung oder so etwas in der Art ?