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Zum Mord an Hedwig Nitsche

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Shadow Ghost:
Norddeutsche allgemeine Zeitung (Berlin)
Monday, 26 October 1891
Abend-Ausgabe
Aus Berlin
* Eine entsetzliche Blutthat, anscheinend die That eines Irrsinnigen, ist in der Nacht zum gestrigen Sonntag in der Holzmarktgasse vollführt worden. Das scheußliche Verbrechen, das in gewisser Beziehung den blutigen Thaten "Jack des Aufschlitzers" in den Straßen von Whitechapel gleicht, wirft so erschreckend grelle Streiflichter in the Nacht- und Schattenseiten des Lebens unserer Großstadt, daß sich die Ueberzeugung aufdrängt, nur eine auf den Grund gehende Umänderung und Regelung der bestehenden Verhältnisse könne da Abhülfe schaffen. Nur mit Widerwillen kann man auf eine Widergabe der Einzelheiten bei der neuen Mordthat eingehen; denn es ist ein Abgrund von widerlichem Schmutz und abscheulichstem Laster, der sich da vor den entsetzten Blicken aufthut. Doch nur die offene, sachgemäße Erörterung kann den Weg weisen, der zur Beseitigung derartiger Uebelstände, der fressenden Pestbeulen an dem Körper der Gesellschaft, führt.
Die erste Mittheilung über die Blutthat übermittelte gestern Vormittag weiteren Kreisen eine Bekanntmachung des königlichen Polizeipräsidenten an den öffentlichen Anschlagsäulen mittelst der üblichen blutrothen Zettel. Dieselbe besagte: "300 M Belohnung. In der Nacht vom 24. zu 25. Oktober d.J. gegen 1 Uhr wurde in einer Kellerwohnung des Hauses Holzmarktgasse Nr. 10 die unter sittenpolizeilicher Kontrolle stehende unverehelichte Hedwig Nitsche durch einen Mann, der sie in der Köpnickerstraße angesprochen und den sie nach der bezeichneten Wohnung mitgenommen hatte - anscheinend durch Stiche in den Hals -, gemordet. Der Leib ist in seiner ganzen Länge aufgeschnitten. Der Thäter ist gesehen worden und wird wie folgt beschrieben: Alter etwa zwanzig Jahre, mittelgroß, schlank, aschblonde, in die Stirn hineingekämmte Haare, kleiner blonder Schnurrbart, bekleidet mit kaffeebraunem Ueberzieher, welcher mit Blut befleckt sein dürfte, dunkler Anzug, kleiner hellgrauer Filzhut mit hellem Bande und kleiner Krempe. Seine blutigen Manschetten hat der Thäter zurückgelassen."
Die Holzmarktgasse ist bekanntlich eine schmale Straße, die, im rechten Winkel umbiegend, aus der Köpnicker- in die Michaelkirchstraße führt. In dem Keller des Hauses Nr. 10 dieser Gasse bewohnt der Schlächtergeselle Poetsch mit seiner Frau ein einfenstriges Zimmer, daß die Eheleute als "Absteigequartier" an Dirnen zu vermiethen pflegen; die Frau Poetsch hält sich, wenn das Zimmer von diesen Gästen belegt ist, vor der Thür auf, während ihr Mann ins Wirthshaus geht. In der Nacht zum Sonntag gegen ½1 Uhr kam die Nitsche, wie das "Kl. Journ." mittheilt, eine kleine, in Schlesien geborene Person, mit schwarzem Haar, in Begleitung des in der polizeilichen Bekanntmachung beschriebenen Mannes in die Kellerwohnung, die nun Frau Poetsch verließ, um sich vor die Hausthür zu stellen. Hier dürfte sie, ihrer Angabe gemäß, ungefähr 15 Minuten gestanden haben, als eine andere Dirne, Franziska Müller, anlangte. Die Müller wechselte mit der Poetsch einige Worte, trat dann mit ihrem Begleiter in den dunklen Hausflur, wo sie diesem  bedeutete, zu warten, da das Zimmer nicht frei sei. Die Müller stieg die Kellertreppe hinab und klopfte an die Thür. Ihr antwortete eine Männerstimme: "Sie ist fertig." Wenige Augenblicke hierauf riß ein Mann die Thüre auf, die Müller sah in das erleuchtete Zimmer und stieß einen Schrei aus, denn sie hatte in einer Blutlache am Boden liegend die Nitsche erblickt. Der Mann stürmte die Treppe hinauf in den Hausflur, dort jagte er an dem Begleiter der Müller vorüber, stieß die Poetsch bei Seite und rannte die Holzmarktgasse entlang in die Michaelkirchstraße, von dort in die Köpnickerstraße, wo man seine Spur verlor. Die Müller war in den Hausflur geeilt, hatte hier ihrem Begleiter und der Frau Poetsch zugerufen: "Die Nitsche ist ermordet", worauf die drei Personen unter lauten Raufen: "Haltet den Mörder" die Verfolgung des Flüchtigen unternahmen, die jedoch resultatlos verlief. Zurückgekehrt, gewannen sie erst einen Ueberblick über die schreckliche That, die an der Nitsche verübt worden war. Das Bett, links vom Eingang des Zimmers, war unberührt; vor demselben lag hingestreckt auf dem Rücken, über und über mit Blut besudelt, die Nitsche leblos; sie war vollständig bekleidet. Jaquet, Taille, Korset und die Ober- und Unterkleider waren vorn gewaltsam auseinander gerissen, der Hut lag auf dem Spiegelkasten, der Schirm lehnte am Bett, die Handschuhe hielt die Nitsche in der rechten Hand. Die Leiche zeigte gräßliche Verletzungen. Im Halse bemerkte man einen tiefen Stich und von diesem ausgehend einen Stich durch die Kehle. Die ganze Vorderseite des Körpers bis hinauf zur Brusthöhe war durch einen tiefen Schnitt aufgeschlitzt, die Eingeweide waren herausgerissen. Unter der Leiche wurden zwei Tischmesser gefunden, die zum Haushalte der Poetsch gehören. Als man die Leiche zu wenden versuchte, gewahrte man, daß der Mörder den rückwertigen Theil seines Opfers ebenfalls auseinandergeschnitten und die der Nitsche gehörige Hutnadel in ihrer ganzen Länge in das Fleisch gestoßen hatte. Entsetzt standen die Hausbewohner und die herbeigeeilten Passanten vor der bestialisch zerfleischten Leiche. Erst nach einiger Zeit löste sich der Bann von den Umstehenden, und nun beeilte man sich, die Revierpolizei zu benachrichtigen. Ein noch Nachts herbeigerufener Arzt konnte nach Besichtigung der Leiche nur den Tod der Nitsche konstatieren.
Die polizeilichen Erhebungen haben folgende Einzelheiten ergeben: Die Poetsch und die Müller ließen aus einem Lokal in der Krautstraße den Zuhälter der Nitsche holen. Der Begleiter der Müller, an welchem der Mörder im Hausflur vorbeigerannt ist, was verschwunden. Da auch er die Persönlichkeit des Mörders gesehen hat, ist es dringend erwünscht, daß er sich zu seiner Vernehmung bei der Kriminalpolizei melde. Man glaubt, daß die That, wie folgt, geschehen ist: Der Thäter hat sofort, nachdem er mit der Nitsche das Zimmer betreten, sein Opfer mit dem linken Arm umfaßt und demselben mit der rechten Hand, in welcher er ein ihm gehöriges Messer gehalten, den Stich und Schnitt am Halse beigebracht, der jedenfalls sofort tödlich gewirkt hatte. Dann muß er ein Messer aus der Schublade des Tisches genommen haben, mit welchem er die Verletzung unterhalb des Rückens der Nitsche bewirkte. Dieses Messer steckte steckte noch im Fleische seines Opfers, als man die Leiche besichtigte. Mit einem zweiten, ebenfalls der Schublade entnommenen Messer hat er dann, nachdem er die Kleider der am Boden Liegenden mit großer Gewalt aufgerissen, die scheußliche Verstümmelung ausgeführt. Das eine Messer war vollständig mit Blut besudelt, an dem anderen was die Spitze blank. Mit Bezug auf die Verfolgung des Mörders erwähnt das obengenannte Blatt, daß der Letztere in der Holzmarktgasse auch an einem Nachtwächter vorübergerannt ist. Augenzeugen behaupten, daß der Wächter leicht die Verhaftung des Mörders hätte vollziehen können. Er soll dessen Verfolgung auch dann nicht aufgenommen haben, als Frau Poetsch ihm mitgetheilt hatte, was vorgefallen sei. Der Beamte habe zu Protokoll gegeben, daß er die Mittheilung der Poetsch nicht für glaubwürdig gehalten habe. - Die Nitsche war vor ihrer Ermordung noch bis 12 Uhr Nachts mit ihrem Zuhälter, dem Manne der Poetsch und einem dritten "Freunde" in der an der Ecke der Holzmarktgasse befindlichen Kneipe zusammen gewesen. Dann gingen die Männer zum Billardspiel in die Krautstraße und die Nitsche begab sich in die Köpenickerstraße. Dort scheint sie mit dem Mörder zusammengetroffen zu sein, denn mehrere andere Dirnen sagten vor der Polizei aus, daß auch sie in der Köpnickerstraße von einem Manne, auf den die obige Beschreibung paßt, angesprochen worden seien. Sein Benehmen sei hierbei insofern auffallend gewesen, als er bei jeder der Angesprochenen für den Fall, daß er sie begleite, die Bedingung stellte, daß er von Niemandem bemerkt und gesehen werden dürfe. Auf diese Bedingung scheint die Nitsche eingegangen zu sein. - Auch eine andere widerliche Einzelheit, die übereinstimmend gemeldet wird, dürfen wir als kennzeichnend nicht übergehen. Ehe am Morgen die Polizei erschien, zeigte der Zuhälter der Ermordeten, der die Leiche mit einem Tuch bedeckt hatte, den sich zudrängenden neugierigen Nachbarn die Ermordete gegen ein Trinkgeld!
Gestern abend um 6½ Uhr hat, wie der rg.-Berichterstatter meldet, die Besichtigung der Ermordeten und der Oertlichkeit durch eine Gerichtskommission stattgefunden. Die Leiche ist schrecklich zugerichtet. Eigenthümlich ist die Erscheinung, daß die Todte die Zunge aus dem Munde hervorstreckte. Es scheint daher schon aus diesem Grunde die Annahme berechtigt zu sein, daß der Mörder sein Opfer zuerst gewürgt habe. Darauf deutet auch der geringe Bluterguß, sowie der Umstand hin, daß weder die Müller mit ihrem Begleiter, noch auch die Kupplerin die geringste Wahrnehmung von dem Vorfall gemacht haben, obgleich die beiden Ersteren sich unmittelbar vor der Zimmerthür befanden. Außerdem erscheint er nicht recht ausführbar, einer stehenden Person die Stiche in den Hals beizubringen, welche die Nitsche zeigt, da sich viele derselben unmittelbar unter dem Kinn befinden und die Ermordete einen nur kurzen Hals hat. Die Mordthat ist im Uebrigen außerhalb des Bettes vollführt worden; denn die Blutflecke, welche das Bettlaken zeigt, sind auf den Umstand zurückzuführen, daß dieses zusammengewürgt im Unterleibe der Nitsche steckte. Einen widerlichen Eindruck machte des sich während des ganzen gestrigen Tages an der Mordstelle aufhaltende "Bräutigam" der Nitsche, Gaida. Er erklärte, früher Bäckergeselle und dann Steinträger gewesen zu sein, bis er schließlich die Nitsche kennen gelernt habe und von ihr "unterstützt" worden sei. Gaida spielte die Rolle eines Verzweifelten und rief wiederholt aus: "Ach, wie habe ich sie geliebt; ich nehme mir das Leben!" Auf den Einwand, daß er doch den Namen eines Zuhälters verdiene, fuhr er auf und wies darauf hin, daß er in der Mariannenstraße 4 einen eigene Wohnung besitze. Diese Wohnung besteht aus einem vier Treppen hoch hofwärts belegenen kleinen Zimmerchen. Hier wohnte auch seit dem 1 d.M. unangemeldet die Nitsche, welche früher sich Ludauerstraße Nr. 2 bei einer Frau Hermann aufhielt. Hauptsächlich schien Gaida den Verlust der Kleidung der Ermordeten zu beklagen, denn er kam immer wieder darauf zurück, daß das neue Kleid 56 Mk gekostet habe und nun, wie auch die übrigen Kleidungsstücke, zerschnitten bezw. zerrissen worden sei. Nach Angabe des Genannten ist die Ermordete in Ullersdorf geboren und führte seit Jahren einen leichtsinnigen Lebenswandel. Die Leiche ist gestern um 8 Uhr nach dem Schauhause überführt worden.
Bei Schluß der Redaktion geht uns folgende Meldung zu:
Obwohl die Obduktion noch nicht stattgefunden hat, scheint es sicher zu sein, daß die Leichentheile als kunstgerecht ausgeschnitten und fehlend anzunehmend sind.
Ein Kriminalschutzmann hat in der vergangenen Nacht in einem von Dirnen besuchten Lokal der Alten Schönhauserstraße einen Mann festgenommen, auf den die Beschreibung des Mörders genau paßt. Alle Personen, welche den Mörder in der Nacht zum Sonntag gesehen haben, rekognoszieren den Festgenommenen auf das Bestimmteste. Es ist dies der Handlungskommis Ernst Schulze, welcher in Malsow, Kreis Westhavelland, geboren ist und hier in der Elisabethstraße eine Schlafstelle inne hat. Obgleich gegen Sch. weiteres Belastungsmaterial noch nicht zusammengebracht worden ist, so ist erstens die Rekognition wichtig, dann aber auch der Umstand, daß er sich in Widersprüche verwickelt hat und sein Alibi mit Bestimmtheit nicht nachweisen kann.

Berliner Börsenzeitung
26 October 1891
- Eine Blutthat, welche an die schrecklichen Frauenmorde in Whitechapel erinnert, ist gestern Nacht gegen 1 Uhr im Keller des Hauses Holzmarktgasse 10 verübt worden. Dort haben die Schlächter Poetschschen Ehelaute eine Wohnung inne, von welcher ein Zimmer als Absteigequartier an Dirnen zur Nachtzeit vermiethet wurde. Zu den Gästen dieses Schlupfwinkels gehörten namentlich die unverehelichte Hedwig Nitsche, welche in der Mariannenstraße wohnte und die unverehelichte Müller. Kurz vor 1 Uhr nun traf hier die Erstere in Begleitung eines etwa 20jährigen Mannes ein, welcher die Nitsche in der Köpnickerstrasse angesprochen hatte, nachdem er schon vorher mehreren anderen Mädchen vergeblich seine Begleitung angeboten. Als nicht lange darauf die Müller gleichfalls in Begleitung eines Mannes dasselbe Zimmer betreten wollte, fand sie dasselbe besetzt. Als sie die Thür öffnen wollte, drängte sich ein Mann an ihr vorbei, sprang die Kellertreppe hinauf, stiess die dort befindliche Frau Pötsch zurück und rief dieser zu: "Na, die ist fertig". Dann lief er eiligst die Holzmarktstrasse entlang. Kaum hatten nun die Müller und die Pötsch den Raum betreten, als sich ihnen ein entsetzlicher Anblick bot. Vor der nur mit Matratze und Keilkissen versehenen Bettstelle lag vollständig bekleidet die Leiche der Nitsche. Der Hals war mittels eines Messers zerstochen und dann durchschnitten worden. Der Leib war darauf, nachdem die Kleider heruntergerissen worden, vom Brustbein ab bis nach unten gänzlich aufgeschlitzt, so dass die Eingeweide heraushingen. Unter der Leiche lagen zwei mit Blut besudelte Messer, welche zum Haushalte der Pötsch gehören. Diese scheinen zum Aufschneiden des Leibes gedient zu haben, während die Halswunde mit dem Messer des Mörders, welches nicht zurückgelassen wurde, beigebracht worden zu sein scheint. Eine Beraubung ist ausgeschlossen. Ob Leichentheile fehlen, muss die Obduktion ergeben. Die Halsstiche müssen beigebracht worden sein, als die Ermordete neben dem Verbrecher stand, denn sie hatte ihre Handschuhe noch krampfhaft mit der Hand umspannt, während Hut und Schirm abgelegt worden waren. Charakteristisch ist es, dass der Mörder bei allen Mädchen, denen er seine Begleitung anbot, die Bedingung stellte, dass sie allein wohnen, und niemand von seiner Anwesenheit etwas merke. Obwohl nun der Begleiter der Müller die Verfolgung des Flüchtigen gleich aufnahm, so konnte er denselben nicht mehr einholen. Bevor die Revierpolizei und die Criminalpolizei unter Fuhrung [sic] des Grafen Pückler am Thatorte erschien, machte sich der Zuhälter der Nitsche, welcher sich als "Bräutigam" der Ermordeten vorstellte, daran, die Leiche dem herbeiströmenden Publicum gegen Entgelt zu zeigen! Der Mörder hat am Thatorte seine Manschetten zurückgelassen. An den öffentlichen Anschlagsäulen befindet sich die folgende Bekanntmachung: 300 Mk. Belohnung. In der Nacht vom 24. zum 25. Oktober gegen 1 Uhr wurde in einer Kellerwohnung des Hauses Holzmarktgasse 10 die unter sittenpolizeilicher Controle stehende unverehelichte Hedwig Nitsche durch einen Mann, der sie in der Köpenickerstraße angesprochen und den sie nach der bezeichneten Wohnung mitgenommen hatte, anscheinend durch Stiche in den Hals gemordet. Der Leib ist in seiner ganzen Länge aufgeschnitten. Der Thäter ist gesehen worden und wird, wie folgt, beschrieben: Alter etwa 20 Jahre, mittelgroß, schlank, aschblond, in die Stirn hineingekämmte Haare, kleiner blonder Schnurrbart, bekleidet mit kaffeebraunem Ueberzieher, welcher mit Blut befleckt sein dürfte, dunklem Anzug, kleinem hellgrauen Filzhut mit hellem Bande und kleiner Krempe. - Ein anderer Berichterstatter meldet, dass der Mörder aus dem Leichnam seines Opfers den Uterus herausgeschnitten und mitgenommen habe - ein weiterer Beweis, dass die That von einem wahnwitzigen, in abscheulichem Aberglauben befangenen Menschen verübt worden ist. Nach demselben Berichterstatter soll der Mörder sich zur Ausübung des Verbrechens nur der beiden der Frau Poetsch gehörigen Messer bedient haben. Der Begleiter der Müller, welcher an der Hausthür gewartet und sich dann an der Verfolgung des davoneilenden Mörders betheiligt hatte, gab an, dass er, der nur noch wenige Schritte von dem Blutbesudelten entfernt gewesen, durch plötzliches Herzklopfen verhindert worden sei, den Thäter zu fassen. Als dann Andere hinzukamen, war der Mörder bereits in der Köpenickerstrasse verschwunden. Die Untersuchungen der Polizei am Thatorte haben sich bis 8 Uhr Abends gestern hinzugezogen, um welche Zeit die Leiche nach der Morgue geschafft wurde. Der Mörder hat vor Ausführung der That gegen 11 Uhr in einem Café der Köpenickerstrasse geweilt.
- In der Nitsche'sche Mordsache ist noch die Thatsache zu melden, dass ein Criminal-Schutzmann in der letzten Nacht in einem von Dirnen besuchten Local der Alten Schönhauserstrasse einen Mann festgenommen hat, auf den die Beschreibung des Mörders genau passt. Alle Personen, welche den Mörder in der Nacht zum 25. d.M. gesehen haben, recognosciren den Festgenommenen auf das Bestimmteste. Es ist dies der Handlungscommis Ernst Schulze, welcher in Vachow, Kreis Westhavelland, geboren ist und hier in der Elisabethstrasse eine Schlafstelle inne hat. Obgleich gegen Sch. weiteres Belastungs-Material noch nicht zusammengebracht worden ist, so ist erstens die Recognition richtig, dann aber auch der Umstand, dass er sich in Widersprüche verwickelt hat und sein Alibi mit Bestimmtheit nicht nachweisen kann.

Shadow Ghost:
Norddeutsche allgemeine Zeitung (Berlin)
Tuesday, 27 October 1891
Abend-Ausgabe
Aus Berlin
* Zum Morde in der Holzmarktgasse liegen heute Mittheilungen von Bedeutung nicht vor. Gegen die Behauptung, daß Pötsch, der Wirth des Absteigequartiers der Nitsche, "Schlächter" sei, wendet sich die "Allg. Fleischer-Ztg." mit folgender Auslassung: "Pötsch hat nach seinen eigenen Angaben das Schlächtergewerbe niemals erlernt. Hin und wieder wird er, wie er behauptet,als Schweinetreiber auf dem Viehhof beschäftigt." - In Bezug auf die grausige Zurschaustellung des Leichnams hört das "Kl.J.", daß es die Mitglieder eines Tanzkränzchens waren, welche, aus der Ohmgasse kommend, an dem Leichnam gleichsam vorbeidefilierten! - Der rg.-Berichterstatter meldet, der Zuhälter der Nitsche, Gaida, habe von Bewohnern des Hauses Mariannenstraße 4 die Mittheilung erhalten,daß am Freitag sowohl, als auch am Sonnabend vor dem Morder die Nitsche den Besuch eines Mannes empfangen habe, dessen Aussehen dem des gesuchten Mörders gleiche. Auf diese Thatsache dürfte indes nicht viel Gewicht zu legen sein, da es dem Mörder zweifellos auf ein bestimmtes Opfer nicht angekommen sei. - Wie der p.-Berichterstatter mittheilt, hielt heute in der königlichen Anatomie Prof. Dr. Liman an der Leiche der Ermordeten einen Vortrag für seine Hörer auf dem Gebiete der Staatsarzneikunde. Der Andrang von Neugierigen, namentlich von Frauen, auch Damen der besseren Gesellschaftsklassen (!?) [sic] nach dem Thatorte in der Holzmarktgasse, wie nach dem Leichenschauhause, in welch letzterem man die Leiche der Ermordeten irrthümlich in den Glasbehältern der Schauhalle ausgestellt glaubte, obgleich hier nur unbekannte Todte zur Zwecke der Rekognition aufgebahrt werden, soll, dem genannten Reporter zufolge, gestern und heute Vormittag ein bedauerlich großer gewesen sein. Die Leiche werde morgen Nachmittag in aller Stille auf dem Armenfriedhof beerdigt werden. Der [sic] Ermittlungen darüber, wie lange Zeit der Mörder in dem Keller gewesen ist, haben, dem y.-Reporter zufolge, ergeben, daß der Thäter 30 bis 35 Minuten Zeit gehabt hat, um sein bestialisches Werk vorzunehmen. Die gestern stattgehabte Untersuchung habe ergeben, daß der ausgeschnittene Körpertheil von dem Mörder nicht mitgenommen worden ist; vielmehr wurde das fehlende Organ in dem Keller zu den Füßen der Leiche liegend gefunden. Ueber die Verhaftung des Schulze meldet dieser Reporter Folgendes: Ein die Schanklokale kontrollirender Kriminalschutzmann fand den Sch. zwischen Dirnen und Zuhältern sitzend in dem Café Schultze in der Alten Schönhauserstraße. Dem Beamten, welchem die Aehnlichkeit des Mannes mit der Beschreibung des Mörders auffiel, beobachtete den Sch., der mit nervöser Hast sprach und sich ab und zu scheu umblickte, einige Zeit; dann trat er an ihn heran und flüsterte ihm zu, daß er ihm folgen solle, da er Kriminalschutzmann sein und mit ihm zu sprechen habe. Sch. erhob sich sofort und fragte den Beamten mehrere Male lebhaft, was denn los sei. Es wurde ihm jedoch erst auf dem Polizeipräsidium die Eröffnung gemacht daß man gegen ihn Verdacht geschöpft habe, wobei Schulze höhnisch lachte und erklärte, daß das Alles nur Unsinn sei.
Der rg-Berichterstatter meldet unter Berufung auf amtliche Stellen: Es ist die Ansicht verbreitet worden, daß gegen Schulz nicht ausreichende Verdachtsmomente vorliegen; dies ist nach dem Urtheil an zuständiger Stelle nicht richtig. Die Verdachtsgründe haben sich erheblich verstärkt: die Schulze gegenübergestellten Frauenspersonen, welche ihn in der Mordnacht gesehen, halten ihre Rekognition bestimmt aufrecht. Sehr wichtig ist die Aussage der Lubasch, bei welcher Sch. wiederholt gewesen ist. Diese behauptete, er habe braune Handschuhe, bei der Vernehmung nun sind aus der Rocktasche Schulze's durch den Kriminalpolizei-Inspektor von Hüllessem solche Handschuhe herausgeholt worden. Die Mädchen beschrieben genau die Kleidung, wie bereits angegeben. Auffallend ist, daß Sch. am Sonntage Nachts ohne Ueberzieher nach Hause gekommen ist. Er will bereits um 11 3/4 Uhr in der Elisabethstraße gewesen sein und mit den Söhnen seiner Wirthin gesprochen haben. Nach Aussage der Genannten haben dieselben schon geschlafen, als Sch. nach Hause kam.Die Wirthin meint, Sch. sei kurz vor 1 Uhr heimgekehrt; kurz nach ihm sei ein zweiter Schlafbursche gekommen, und jetzt sei es gerade ein Uhr gewesen. Ist dies richtig, so muss Sch. schon vor 1 Uhr in seiner Schlafstelle gewesen sein. Erst um 1 Uhr 10 Minuten wurde in dem 55. Polizeirevier durch die Schneiderin Krause Anzeige von dem Morde erstattet. Dieses liegt 10 Minuten von dem Thatorte entfernt, und man kommt zu dem Ergebniß, daß der Mord gleich nach 12½ Uhr verübt worden ist. Von der Holzmarktgasse bis zur Schlafstelle beträgt die Entfernung 10 Minuten, und Schulze war bei seiner Ankunft daselbst ganz außer Athem. Seine Angabe, er seilangsam nach Hause gegangen, ist sonach unwahr. Er hat noch die ganze Nacht im Bette gekeucht und sich herumgewälzt. Alles dies belastete ihn in hohem Maße. Es ist dabei aber selbstverständlich, daß die Polizei auch noch andere Spuren verfolgt. In den vielen noch eingegangenen Anzeigen wird ein Verdacht namentlich auf einen Kellner gelenkt; doch legt die Kriminalpolizei diesem Umstand wenig Bedeutung bei. Die Aerzte haben ihr Gutachten dahin abgegeben, daß sämmtliche Verletzungen mit den beiden vorgefundenen Küchenmessern beigebracht worden sein können.

Berliner Börsenzeitung
27 October 1891
Abend-Ausgabe
- Zum Morde in der Holzmarktgasse wird uns berichtet, dass jener Körpertheil, welcher vom Mörder aus der Leiche herausgeschnitten und mitgenommen sein sollte, vorgefunden worden ist. Der Polizei ist es von Wichtigkeit, zu erfahren, ob das Verbrechen durch einen in der Anatomie ausgebildeten Mann oder durch einen Laien ausgeführt worden ist. Hierzu musste die Behörde vor Allem ermitteln, wie lange Zeit der Mörder in dem Keller gewesen ist, und die dieserhalb angestellten Recherchen haben folgendes Resultat ergeben. Die Nitsche ist bis etwa 7 Minuten nach 12 Uhr mit ihrem Zuhälter Gaida und mehreren Freunden und Freundinnen zusammen gewesen und trennte sich um diese Zeit von denselben an der Ecke der Brücken- und Köpnickerstrasse, die letztere langsam hinuntergehend. Bald nach ¼1 Uhr wurde sie mit einem Fremden gesehen, mit dem sie das Haus Holzmarktgasse 10 betrat. Kutz vor 1 Uhr kam der Mörder herausgestürzt, wodurch fast mit Sicherheit anzunehmen ist, dass der Thäter 30-35 Minuten Zeit gehabt hat, um sein bestialisches Werk vorzunehmen.

Shadow Ghost:
Norddeutsche allgemeine Zeitung (Berlin)
Wednesday, 28 October 1891
Morgen-Ausgabe
Aus Berlin
rg. (Zum Morde in der Holzmarktgasse) Die Obduktion der Leiche der ermordeten Nitsche hat ergeben,daß die Nitsche an den Stichwunden in den Hals gestorben ist. Zwei von diesen Stichen sind von rechts nach links mit kräftiger Faust geführt worden, während der dritte die Gurgel durchgeschnitten hat. An der Leiche fehlen Körpertheile nicht. Dagegen ist der Versuch gemacht worden, solche auszulösen. Es ist diesauch zum Theil bereits zur Ausführung gekommen,indem ein Stück Fleisch und ein innerer Körpertheil losgeschnitten worden sind; beides aber befindet sich bei der Leiche. (Es entspricht dies unserer gestrigen Meldung.Die Red.) Man muthmaßt, daß der Mörder seine Absicht noch nicht völlig zur Ausführung gebracht hatte, sondern durch die seitens der Müller verursachte Störung habe aufgeben müssen. Die beiden Theile sind in Spiritus gelegt und dem Untersuchungsrichter zugestellt worden. - Der Verhaftete, Ernst Schulze, welcher vor derObduktion an die Leiche herangeführt wurde, benahm sich völlig ruhig. Seine Kleidung ist genau derjenigen entsprechend, welche in der Bekanntmachung an den Anschlagsäulen bezeichnet wurde; doch sind keinerlei Blutflecke wahrnehmbar. Ein Gerichtschemiker ist mit der Feststellung betraut worden,ob dieKleidungsstücke vielleicht blutbesudelt gewesen und dann gereinigt worden sind.
Abend-Ausgabe
Aus Berlin
rg. Zum Mord in der Holzmarktgasse hat sich ein Umstand ergeben, welcher den verhafteten Schulze bedeutend entlastet. Schulze hat angegeben, er habe seinen kaffeebraunen Ueberzieher in der Mordnacht nicht getragen, ihn vielmehr am 24 d.M. bei einem Pfandleiher M. versetzt und erst am 25.Morgens um 10 Uhr eingelöst. Das Geld dazu habe er sich auf ein seinen Eltern entwendetes Sparkassenbuch verschafft. Diese Angaben haben sich als stichhaltig erwiesen.Die blutigen, unter dem Bett vorgefundenen Manschetten anlangend, wird bekannt, daß dies Fabrikat aus Auerbach i.S. stammt und noch den Kundenstempel Nr- 565 trägt, ein Stempel, welchen Geschäfte auf Wäschestücke zu drucken pflegen, um ihre Kunden zu merken.

Berliner Börsenzeitung
28 October 1891
Morgen-Ausgabe
- Zum Morde in der Holzmarktgasse schreibt man uns: In der Voruntersuchung wider den wegen Mordverdachtes verhafteten Commis Ernst Schulze sind wir in der Lage, Folgendes zu berichten: Die Obduction hat ergeben, daß die unverehelichte Nitsche an den Stichwunden in den Hals gestorben ist. Zwei von diesen Stichen sind von rechts nach links mit kräftiger Faust geführt worden, während der dritte die Luftröhre durchgeschnitten hat. An der Leiche fehlen, wie dies bisher angenommen worden ist, Körperteile nicht. Dagegen ist der Versuch gemacht worden, auf kunstgerechte Weise solche auszulösen. Es ist dies auch zum Teil bereits zur Ausführung gekommen, indem ein Stück Fleisch und ein innerer Körperteil losgeschnitten worden sind; beides eben befindet sich noch bei der Toten. Man mutmaßt daraus, daß der Mörder seine Absicht noch nicht völlig zur Ausführung gebracht habe, sondern durch die seitens der Müller verursachte Störung daran verhindert worden sei. Der Verhaftete, welcher vor der Obduction an die Leiche herangeführt wurde, benahm sich völlig ruhig. Seine Kleidung ist genau derjenigen entsprechend, welche in der Bekanntmachung an den Anschlagsäulen bezeichnet wurde; doch sind keinerlei Blutflecke wahrnehmbar. Ein Gerichts-Chemiker ist nun mit der Feststellung betraut worden, ob die Kelidungsstücke vielleicht besudelt gewesen und dann gereinigt worden sind. - Wie man uns ferner mittheilt, ist die Ansicht verbreitet worden, daß gegen den verhafteten Schulze nicht ausreichende Verdachtsmomente vorliegen; dies ist nach dem Urtheil an zuständiger Stelle nicht richtig. Die Verdachtsgründe haben sich erheblich verstärkt; die Schulze gegenübergestellten Frauenspersonen, welche ihn in der Mordnacht gesehen und ein gutes Gedächtnis in diesem Punkte haben, halten ihre Rekognotion bestimmt aufrecht. Sehr wichtig ist die Aussage der Lebasch, bei welcher Sch. wiederholt gewesen ist. Diese behauptet, er habe braune Handschuhe. Bei der Vernehmung nun sind aus der Rocktasche Schulzes durch den Criminal-Polizei-Inspektor von Hüllessem solche Handschuhe herausgeholt worden. Die Mädchen beschreiben genau die Kleidung, wie bereits angegeben. Auffallend ist, daß Schulze am Sonntage Nachts ohne Ueberzieher nach Hause gekommen ist. Er will bereits um 11 3/4 Uhr in der Elisabethstraße gewesen sein und mit den Söhnen seiner Wirtin gesprochen haben. Nach Aussage der Genannten haben dieselben schon geschlafen, als Sch. nach Hause kam. Die Wirtin meint, Sch. sei kurz vor 1 Uhr heimgekehrt, kurz nach ihm sei ein zweiter Schlafbursche gekommen, und jetzt sei es gerade 1 Uhr gewesen. Ist dies richtig, so muß Sch. schon vor 1 Uhr in seiner Schlafstelle gewesen sein. Erst um 1 Uhr 10 Minuten wurde in dem 55. Polizeirevier durch die Schneiderin Krause Anzeige von dem Morde erstattet. Dieses liegt 10 Minuten vom Thatorte entfernt, und man kommt zu dem Ergebnis, daß der Mord gleich nach 12½ Uhr verübt worden. Von der Holzmarktgasse bis zur Schlafstelle beträgt die Entfernung 10 Minuten, und Schulze was bei seiner Ankunft daselbst ganz außer Atem. Seine Angabe, er sei langsam nach Hause gegangen, ist sonach unwahr. Er hat noch die ganze Nacht im Bette gekeucht und sich herumgewälzt. Alles dies belastet ihn im hohen Maße. Es ist dabei selbstverständlich, daß die Polizei dabei noch andere Spuren verfolgt. In den vielen noch eingegangenen Anzeigen wird ein Verdacht namentlich auf einen Kellner gelenkt; doch legt die Kriminalpolizei diesem Umstand wenig Bedeutung bei. Die Aerzte haben ihr Gutachten dahin abgegeben, daß sämmtliche Verletzungen mit den beiden vorgefundenen Küchenmessern beigebracht worden sein können.

Shadow Ghost:
Norddeutsche allgemeine Zeitung (Berlin)
Thursday, 29 October 1891
Abend-Ausgabe
Aus Berlin
rg. Zum Morde in der Holzmarktgasse ist ermittelt worden, daß Sonntag um 10 Uhr im Volks-Kaffeehaus in der Drankenstraße 108 ein Mann, welcher ganz wie der Mörder der Nitsche beschrieben wird, einen kaffeebraunen Ueberzieher an einen dort als Gast anwesenden Kellner für 3,50 M verkauft und dabei gesagt hat, er müsse schleunigst Berlin verlassen. Dieser Kellner ist bis jetzt nicht ermittelt worden.

Berliner Börsenzeitung
29 October 1891
Morgen-Ausgabe
- Bezüglich des Mordes in der Holzmarktgasse hat sich ein Umstand herausgestellt, welcher den verhafteten Commis Schulze zu entlasten scheint. Sch. hatte angegeben, er habe seinen kaffeebraunen Ueberzieher in der Mordnacht nicht getragen, denselben vielmehr am 24. d.M. bei einem Pfandleiher M. versetzt gehabt und erst am 25. Morgens um 10 Uhr eingelöst. Das Geld dazu habe er sich auf ein seinen Eltern entwendetes Sparkassenbuch verschafft. Diese Angaben haben sich als richtig erwiesen.

Shadow Ghost:
Norddeutsche allgemeine Zeitung (Berlin)
Friday, 30 October 1891
Abend-Ausgabe
Aus Berlin
rg. (Zum Morde in der Holzmarktgasse) Die Meinung, daß die Unschuld des verhafteten Schulze erwiesen sei, ist nicht ganz richtig, und an seine Entlassung istvorläufig nicht zu denken. Der Umstand, daß er in der Nacht zum Sonntag seinen kaffeebraunen Ueberzieher getragen hat, ist allerdings wesentlich entlastend für ihn. Er hat das Stück am Sonnabend Nachmittag um 4 Uhr verpfändet und Sonntag früh um 10 Uhreingelöst. Darüber, daß der Mörder einen solchen Ueberzieher getragen hat, können sich die Zeuginnen nicht täuschen. Es ist eben mit der Möglichkeit zu rechnen, daß Schulze einen fremden Ueberzieher getragen hat, und zwar deshalb, weil ein anderer Schlafbursche der Frau Grünthal ein ebensolches Kleidungsstück besitzt, das er zur Arbeit nicht mitnimmt, welches also dem Schulze zugänglich war. Es ist also die Möglichkeit da, daß Schulze, nach der Verpfändung seines eigenen, den Ueberzieher seines Schlafkollegen angezogen hat. Es handelt sich demnach wesentlich darum, um diesen Einwand zu beseitigen, ob Schulze, nachdem er kein Kleidungsstück in der Lothringerstraße verpfändet hatte, in den Abendstunden einen kaffeebraunen Ueberzieher getragen hat. Bis jetzt hat dies nicht festgestellt werden können, weil in dem Lokal, wo er gewesen ist, Wirth und Bedienung sich nicht darauf besinnen können. Vielleicht aber hat einer der übrigen Gäste eine darauf bezügliche Wahrnehmung gemacht. Sch. will von 5-7 Uhr Tieckstr. 10 bei Rasmus gewesen sein, von 7-11 im Fidelen Karzer, Chausseestr. 4. Die frühere Behauptung, daß er um 11 Uhr nach Hause gegangen sei, hat er widerrufen, will vielmehr noch nach dieser Zeit bei Simon in der Lindenstraße sich aufgehalten haben. Er trug ein blaues Jacket und gestreifte Beinkleider. Wichtig ist es, daß Schulze in einer Wildpratthandlung das Zerlegen des Wildes gelernt hat.

Berliner Börsenzeitung
30 October 1891
Morgen-Ausgabe
- Zum Fall Nitsche ist ermittelt worden, daß Sonntag um 10 Uhr im Volks-Kaffehaus in der Oranienstraße 108 ein Mann, welcher ganz wie der Mörder der Nitsche beschrieben wird, einen kaffeebraunen Ueberzieher an einen dort als Gast anwesenden Kellner fpr 3,50 Mk verkauft und dabei gesagt hat, er müsse schleunigst Berlin verlassen. Dieser Kellner ist bis jetzt nicht ermittelt worden. Interessiren wird es auch, den Aufenthalt eines Kellners Alfred Wolff, 20 Jahre alt, schlank, mit aschblondem Haar, welcher im Mai oder Juni in Küstrin gearbeitet hat, zu erfahren. Derselbe ist hier nicht angemeldet und auch bei der Kellner-Controlle nicht ermittelt worden, es ist aber nicht ausgeschlossen, daß er sich ungemeldet hier befunden hat oder noch befindet.

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