Autor Thema: Gedanken zu Mary Jane Kelly  (Gelesen 18456 mal)

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Andromeda1933

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Gedanken zu Mary Jane Kelly
« am: 13.04.2016 10:30 Uhr »
Gedanken zu Mary Jane Kelly † 09.11.1888

Sie bleibt das größte Rätsel in der Geschichte des „Autumn Of Terror“ von London 1888.
Mary Kelly war deutlich jünger als die vorherigen Opfer und wurde als einzige nicht auf der Straße, sondern in ihrer eigenen Wohnung ermordet. Im Laufe der Zeit wurde sie vermutlich immer idealisierter dargestellt: jung, attraktiv, singend. Kelly jedoch lebte in der übelsten Straße eines Slums und hatte hohe Mietschulden für ihr schäbiges Quartier. Einzig, sie war noch kein Wrack, wie es z.B. Eddowes oder Nichols waren. Die Mietschulden (trotz Prostitution) lassen einen hohen Alkoholkonsum vermuten. Tatsächlich war sie oft betrunken gesehen worden und galt in diesem Zustand als streitsüchtig. Auch in der Mordnacht erschien sie den späteren Zeugen betrunken.

Die letzten Tage vor ihrem Tod lebte sie scheinbar allein in ihrem trostlosen Loch im Miller's Court 11, Dorset Street, obwohl vorher oftmals eine Freundin bei ihr übernachtete.
Ob sie auch eine lesbische Tendenz hatte, bleibt unbeantwortet. Vielleicht ließ sich zu zweit einfach mehr verdienen. Ihr Partner, Joseph Barnett, verließ deshalb im Streit die gemeinsame Wohnung. Zu dritt im Bett in einem winzigen Zimmer, das konnte er nicht verkraften.
Barnett gab der Polizei später an, dass im Streit mit Kelly eine Fensterscheibe der ebenerdigen Wohnung zu Bruch ging (siehe das berühmte Miller's Court Foto) und deshalb mit einem Vorhang überdeckt wurde. Auch sprach er vom Verlust des einzigen (?) Schlüssels der Wohnung kurze Zeit vor dem Mord. Die Aussagen einiger Zeugen der Mordnacht sind nicht weiter von Belang, zum Teil ohnehin unglaubwürdig (insbesondere Hutchinson).

Die Möglichkeit, der Täter wäre durch das Fenster eingestiegen, wird immer wieder kolportiert.
Ein Griff durch das Loch im Fenster.....aber ganz in der Nähe des Fensters stand ein kleiner Tisch. Konnte das ohne Lärm gelingen? Die Tür war nicht verschlossen! Das konnte der Mörder natürlich nicht wissen – oder etwa doch?! Denn die Tür war nach dem Mord rätselhafterweise verschlossen und musste aufgebrochen werden!

Stieg der Mörder durchs Fenster ein, wobei er über einen Tisch hinweg musste?
Nicht sehr wahrscheinlich, zudem er im Hof hätte gesehen werden können.

Brachte Kelly den Mörder selbst mit ins Haus?
Möglich, doch der Zeuge Hutchinson ist sehr unglaubwürdig. Auch mordete der Ripper bislang in den Straßen.

Betrat der Mörder tief in der Nacht das unverschlossene Zimmer und ermordete Kelly im Schlaf?
Das halte ich für die wahrscheinlichste Variante.
Und hier betritt nun Joseph Barnett die Bühne.

Barnett, nicht Jack The Ripper! Joseph Barnett galt als anständiger Mann, hatte als Fischträger am Markt eine recht gut bezahlte Arbeit. Er muss Kelly einst geliebt haben. Nicht lange vor dem Mord jedoch, verlor Barnett seine Arbeit am Markt, was viele als Folge eines Diebstahls auslegen.
Brauchte er Geld für Kelly? Mary Kelly trank viel und ging immer wieder der Prostitution nach. Das Leben des Joseph Barnett geriet aus den Fugen. Insbesondere zerstritten sich Barnett und Kelly wegen der anderen Prostituierten, die bei ihr übernachten durften.

Der scheußlichste Mord Jack The Rippers war in Wirklichkeit eine Beziehungstragödie - oder vielleicht sogar noch mehr......

Die Zeugin Prater, ebenfalls Mieterin im Miller's Court 11, hörte gegen 04.00 Uhr den Ruf
„Oh, Murder“, kümmerte sich aber bekanntlich nicht weiter darum, weil Rufe dieser Art in jener Gegend oft vorgekommen wären. Ich rätselte oft darüber, warum die Leiche Kellys derart entstellt wurde. Das bis zur Unkenntlichkeit zerschnittene Gesicht der Frau könnte jedoch einen Sinn haben – dazu später mehr.
Ihre „Identifizierung“ (durch Barnett!) an Hand der Augen und Ohren kann man schon als Farce bezeichnen – siehe Foto der Leiche!

Ob er den Mordgedanken bereits hatte, als der Schlüssel „verloren“ ging? Den Schlüssel hatte Barnett, da bin ich mir sicher. Ging es ihm (zuerst) nur darum, Zutritt zur Wohnung zu behalten?Oder gehörte der verlorenen Schlüssel gar zu einem noch raffinierteren Plan?
Barnett wurde von der Polizei intensiv verhört, seine Kleidung kontrolliert, sein Alibi überprüft.
Der Polizei erschien er nicht verdächtig. Allerdings verschließt sich eine Tür nicht von selbst, was einen Fremden als Täter praktisch ausschließt. Die Polizei erfuhr durch Barnett von diesem verlorenen Schlüssel, es gibt nichts, was die Richtigkeit dieser Angabe bestätigt.
War das alles ein Versuch, die allgemeine Verwirrung zu erhöhen? Den Beamten erschien Barnett glaubwürdig, zumal die Polizei nach einer „Bestie in Menschengestalt“ fahndete, dem Barnett bestimmt nicht entsprach. Als Täter sah ihn niemand, da er nicht für einen Serienmörder gehalten werden konnte. Doch der Mord im Miller's Court gehörte nicht zu einer Reihe von Morden!

Kellys Leiche wurde das Herz entnommen. Einem Serienmörder kann man „Trophäensammeln“ unterstellen, was oft vorkommt. Welche Bedeutung konnte es bei Kelly haben? Unbekannt!
Oder verbrannte das Herz gar in dem Kessel über dem offenen Feuer, welches so heiß war, dass gelötete Nähte des Kessels schmolzen? Da bliebe nur ein kleiner Klumpen übrig, unidentifizierbar.
Die verbrannte Stoffreste im Feuer, blutige Kleidung des Täters? Unbekannt.

Oft wird von dem „großen Risiko“ des Mörders gesprochen. Wer immer den Stoff beiseite geschoben hätte, der das Loch im Fenster verdeckte, er hätte „Jack The Ripper“ bei seiner furchtbaren Arbeit gesehen! Hätte, könnte, würde haben..... Blödsinn! Mal im Ernst, Du gehst des nachts spazieren und bemerkst irgendwo ein Loch in einer Fensterscheibe. Versuchst Du nun das Fenster zu öffnen, um in die Wohnung hinein zu sehen? Quatsch! So etwas macht man einfach nicht – schon gar nicht, wenn Licht hinter dem Fenster zu bemerken ist (offenes Feuer in Kellys Zimmer). Also, wenn jemand zu Hause sein müsste. Bestenfalls Einbrecher verhalten sich derart, wo war also bitte das „große Risiko“ für den Mörder?

Jetzt kommen wir aber zu der entscheidenden Weichenstellung des Mordes im Miller's Court,11.
War das Opfer überhaupt Mary Jane Kelly?

Dieser Gedanke ist ja nicht völlig neu, wird aber viel zu wenig Ernst genommen. Vermutlich, weil er viele Theorien über das Mysterium „Jack The Ripper“ gefährden würde.
Das Opfer war vielleicht eine der Prostituierten, die Kelly in letzter Zeit bei sich übernachten ließ. Der Mörder war Barnett und der Mord eine Art letzter „Liebesdienst“ für Kelly oder auch Teil eines raffinierten Plans. Kelly wurde ein neues Leben ermöglicht!

Der nächtliche Ruf „Oh, Murder“ - was „Mord“ bedeutet und der, wie die Zeugin aussagte, nicht sehr laut war. Also, vor Dir im Zimmer steht ein Mann mit einem Messer bewaffnet und Du schreist in diesem Moment nicht einfach drauflos? Dieses „Mord“ mit gedämpfter Stimme passt nicht.
Die Zeugin Prater wohnte übrigens direkt über der Wohnung von Kelly.
Mir drängt sich seit jeher der Verdacht auf, in diesem Augenblick wurde nicht etwa getötet, sondern der Mord entdeckt – und zwar von Kelly!
War Barnett noch im Raum? Ich vermute es. Er wird mit Kelly gesprochen haben. Gut möglich, dass Kelly beim Anblick der verwüsteten Leiche auch ohnmächtig wurde.

Mary Kelly hatte über drei Monate hinweg hohe Mietschulden angehäuft, die sie auch durch Prostitution nicht begleichen konnte. 35 Schilling, eine große Summe damals für Menschen in Whitechapel. Die Lebensbedingungen dort waren knallhart. Wer nicht zahlen konnte, flog raus. Egal, ob der Schuldner krank oder alt war oder Kinder hatte. Gerade diese herzlose „Grundordnung“ in Whitechapel macht die hohen Mietschulden Kellys so unverständlich.
Warum durfte sie trotzdem im Miller's Court wohnen bleiben?
Noch recht jung, halbwegs gesund und attraktiv, hätte sie woanders neu beginnen können, aber dafür musste sie erst einmal ihrem Gläubiger entkommen. Der „Tod“ half ihr dabei, in Person des Joseph Barnett natürlich. Dieser zerstörte auch Kelly in dieser Nacht, symbolisch.
Seine Wut und Frustration entluden sich. Deshalb diese unzähligen Verletzungen im Gesicht des Opfers. Niemand konnte wirklich sagen, wer die Tote war. Den Umständen nach musste es Mary Kelly sein, wer denn sonst? „Identifiziert“ wurde sie von Barnett.
Aber, Kelly wurde Stunden nach der errechneten Mordzeit gesehen – und nicht nur einmal!

Die Zeugin Maxwell sagte unter Eid aus, Kelly am nächsten Morgen gegen 8.00 vor dem Eingang zum Miller's Court gesehen und mit ihr gesprochen zu haben!
Es war der Tag der Lord Mayor's Show, ein bedeutender Feiertag, da ist nicht viel Platz für einen Irrtum. Kelly sprach davon, dass ihr übel war und sie sich übergeben hatte. Als Maxwell später zurückkehrte, sah sie Kelly ein zweites Mal, nun vor der Gaststätte „Britania“, wie sie mit einem Mann redete.
Der Schneider Lewis gab später an, Kelly an diesem Tag gegen 8.00 morgens gesehen zu haben, wie sie das Haus verließ. Auch will er sie später gegen 10.00 in einer Kneipe gesehen haben.
Auch eine andere Frau, namentlich nicht mehr bekannt, gab der Polizei gegenüber an, Kelly an diesem Tag kurz nach 8.00 gesehen zu haben.
Seltsam, dass man sich diesen Aussagen gegenüber so desinteressiert zeigte. Drei Personen, die Kelly fast zur gleichen Zeit (Stunden nach ihrem angeblichen Tod) gesehen haben, das klingt nicht nach Wichtigtuerei oder Irrtum.

Ihr Vermieter McCarthy gab an, dass Kelly Briefe aus Irland erhielt, die seinem Wissen nach von Kellys Mutter stammten. Barnett bestritt diese Briefe.
Die Leiche im Bett war unidentifizierbar. Half der „Tod“ Kelly, ihr Leben als Prostituierte hinter sich zu lassen und nach Irland zurück zu kehren?
Das hört sich heute kompliziert an. Frauen wie Kelly (siehe auch die anderen Opfer) besaßen nicht viel. In der Regel nicht einmal ein zweites Kleid oder ein zweites Paar Schuhe. Ihr Hab und Gut trugen sie ständig bei sich. Der Mord an einer „Kollegin“, vielleicht auch einer Geliebten Kellys sollte Barnett möglich gewesen sein. Er musste diese anderen Frauen hassen, zerstörten sie doch sein Leben mit Kelly und rissen diese immer tiefer in die Prostitution. Er war seit langem ein gedemütigter Mann.

Tot und damit auch schuldenfrei, konnte Kelly neu beginnen. Alles, was sie dafür benötigte, hatte sie. Jugend und eine gewisse Attraktivität. Befreit von ihrem bisherigen Vorleben, konnte sie auch im erzkatholischen Irland von vorn beginnen.

McCarthy – ihr Vermieter wird in letzter Zeit auch als Mörder Kellys gehandelt. Der „richtigen“ Kelly wohlgemerkt. McCarthy hatte es in Whitechapel zu etwas gebracht. Er war einer der „Macher“ dort und wusste mit Sicherheit seine Ellenbogen zu benutzen, um sich in der harten Welt des Slums durch zu setzen. So etwas wie Mieterschutz gab es damals nicht. Wer die Miete schuldig blieb, flog gnadenlos auf die Straße, egal, ob alte Menschen, kranke Menschen oder Familien. Hunderte, tausende schliefen nachts auf Parkbänken, auf Treppen, überall.
In dieser hartherzigen Welt brachte Kelly es fertig, die Miete für 3 Monate schuldig zu bleiben, ohne auf der Straße zu landen! Viele gehen seit jeher davon aus, dass Kelly ihrem Vermieter gefällig war, dieser gegen Sex bereit war, von einem Rauswurf abzusehen.
Wusste Kelly vielleicht mehr über ihn und seine Geschäfte? Versuchte sie, ihn zu erpressen?
McCarthy musste als Vermieter einen weiteren Schlüssel gehabt haben – verschlossene Tür!
Über den verlorenen Schlüssel war McCarthy sicher nicht informiert, denn es hätte Kellys Schulden ihm gegenüber noch erhöht. Drei Monate Mietrückstand – und ausgerechnet an Tag ihrer Ermordung, einem Feiertag, schickt dieser McCarthy einen seine Eintreiber, Bowyer, los, um das Geld einzufordern. Fast könnte man geneigt sein zu glauben, dieser Bowyer sollte den Mord entdecken – was er auch tat.
McCarthy als Mörder von Mary Kelly? Der Gedanke ist gar nicht absurd. Vielleicht sagte Barnett einfach die Wahrheit?

Vier Jahre nach dem Mord, also 1892, besuchte die kanadische Journalistin Kit Watkins den Miller's Court. Dort traf sie u.a. die damalige Zeugin Prater, die sie mit der Nachmieterin des Zimmers von Mary Kelly bekannt machte. Eine Frau namens Lottie Owen, die gerade eine gebrochene Nase kurierte, die von einem Stiefeltritt ihres Ehemannes herrührte..…. 
Frau Owen zeigte keine Scheu oder Beklemmung in dem Raum zu leben, in dem eine Frau geschlachtet wurde und an dessen Holzwänden noch deutlich eingetrocknete Blutflecke zu erkennen waren. McCarthy hatte den Raum in keinster Weise renovieren lassen und es ist durchaus wahrscheinlich, dass das Ehepaar Owen an dem Tisch zu Mittag aß, auf dem einst die abgeschnittenen Brüste einer Frau lagen.
« Letzte Änderung: 13.04.2016 11:11 Uhr von Andromeda1933 »

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Re: Gedanken zu Mary Jane Kelly
« Antwort #1 am: 13.04.2016 20:07 Uhr »
Hallo Andromeda!

Der Fall Kelly unterscheidet sich in der Tat in einigen wesentlichen Punkten von den vorigen.

Jedoch haben deine Überlegungen dazu m.E. ein paar Schwächen:

Zunächst hat der Ripper offenbar schon zuvor immer zumindest versucht, nicht unmittelbar auf der Straße zu töten:
- Nichols tötete er vor einem verschlossenen Tor in der Buck's Row. Es ist plausibel anzunehmen, dass er mit ihr dort hinein gegangen wäre, wenn es offen gewesen wäre.
- Chapman tötete er im Hinterhof der Hanbury Street 29 - hier hatte er Glück und die Tür war offen.
- Stride tötete er hinter dem offenen Tor zum Dutfields Yard.
- Eddowes tötete er vor dem verschlossenen Tor im Mitre Square.
Dass Kelly ein eigenes Zimmer hatte, könnte einfach Glück für ihn gewesen sein. Oder dem Mörder war klar, dass sein bisheriges Vorgehen inzwischen zu riskant wurde bzw. er sein Verstümmelungsphantasien nur dann erfolgreich zu Ende bringen würde, wenn er Prostituierte mit eigenem Zimmer suchte.


Und was die These betrifft, dass Kelly vielleicht nicht das Opfer war, sondern lediglich den Mord an einer Zimmergenossin nutzte, um dieses Leben hinter sich zu lassen und zu verschwinden:

Falls Kelly tatsächlich das schlimme Ereignis hätte nutzen wollen, hätte sie sich nicht noch am Morgen in der Nähe aufgehalten, wo man sie wiedererkennen könnte und sie hätte schon gar nicht mit möglichen Zeugen gesprochen. Das wäre absurd.
Denn ein Mord im eigenen Zimmer, das hätte Ärger mit der Polizei gegeben als mögliche Komplizin oder Mitwisserin. Ganz davon abgesehen, dass es auch ohne Polizei - nur wegen des Vermieters - absurd gewesen wäre, zwar den eigenen Tod vortäuschen zu wollen, aber sich dann weiter lebendig in der Nähe herumzutreiben, wo sie wiedererkannt werden kann.

Vernünftig wäre - egal ob wegen Polizei oder Vermieter - nur eins gewesen: Sofort so weit wie möglich weg aus dem Viertel.


Und was die Überlegung von McCarthy als mutmaßlichen Mörder angeht:

Die Todesstrafe zu riskieren für eine kleine unbedeutende Hure, die Ärger macht?
Da hätte es simplere und wesentlich ungefährlichere Methoden gegeben, irgendwelche Probleme mit ihr aus dem Weg zu räumen, als so einen öffentlichkeitswirksamen Mord, der einen an den Galgen bringen kann. Angefangen von bezahlten Schlägern bis hin zum "Verschwinden lassen"...
Laut Gerichtsmedizinern musste der Mörder etwa zwei Stunden mit dem Opfer zugebracht haben, um es so zuzurichten. Mal ganz abgesehen davon, dass ein normaler Mensch es kaum fertiggebracht hätte, Kelly noch wüster zu verstümmeln als JTR seine Opfer.


Die Geschichte enthält zwar seltsame Aspekte, aber diese Überlegungen vermindern sie m.E. nicht, sondern würden ihr noch weitere seltsame Aspekte hinzufügen.


MfG, Arthur Dent
« Letzte Änderung: 13.04.2016 20:29 Uhr von Arthur Dent 2 »

Offline Lestrade

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Re: Gedanken zu Mary Jane Kelly
« Antwort #2 am: 13.04.2016 21:47 Uhr »
Zur Identifikation von Kelly, Joseph Barnett im Inquest:

http://www.casebook.org/official_documents/inquests/inquest_kelly.html

I was a fish-porter, and I work as a labourer and fruit- porter. Until Saturday last I lived at 24, New-street, Bishopsgate, and have since stayed at my sister's, 21, Portpool-lane, Gray's Inn-road. I have lived with the deceased one year and eight months. Her name was Marie Jeanette Kelly with the French spelling as described to me. Kelly was her maiden name. I have seen the body, and I identify it by the ear and eyes, which are all that I can recognise; but I am positive it is the same woman I knew. I lived with her in No. 13 room, at Miller's-court for eight months. I separated from her on Oct. 30.

Wurde korrigiert:

Barnett, at the mortuary when viewing Mary's body, identified her by her hair and eyes, and not as some reports have claimed by her ears and eyes

http://www.casebook.org/ripper_media/book_reviews/non-fiction/cjmorley/14.html

Lestrade.
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Offline Lestrade

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Re: Gedanken zu Mary Jane Kelly
« Antwort #3 am: 13.04.2016 23:43 Uhr »
Zum Schlüssel:

Ich bin jetzt nicht ganz so up to date aber ich glaube, es soll ein Schnappschloss gewesen sein. Da bin ich auch kein Fachmann, doch soweit ich weiß, kann man solch ein Schloss einfach beim herausgehen durch das zuziehen der Tür einrasten lassen. Ohne Klinke außen und Schlüssel lässt es sich nur von innen öffnen (oder vom Schlüsseldienst heutzutage). Laut Barnett ging der Schlüssel verloren und durch das kaputte Fenster, ließ sich die Tür dann aber von innen öffnen.

Was mich wundert ist, dass Mrs. Cox nicht davon sprach, dass Kelly mit Blotchy Man in ihren Raum ging, nachdem Sie durch das Fenster gegriffen hatte. Das klang jedenfalls nicht so an. Mrs. Cox wurde auch nicht explizit dazu befragt, falls ich nichts überlesen habe.

Die Tür muss ja nicht abgeschlossen gewesen sein, d.h. der Schlüssel kann tatsächlich verloren gegangen sein, es hätte eine "ins Schloss gefallene Tür" ausgreicht haben, um eben, auch als Polizei, nicht in das Zimmer kommen.

Die Polizei kam eben nicht auf die Idee, durch das Fenster zu greifen, wie Kelly, Barnett und andere, kam nicht auf die Idee, den Vermieter zu fragen, ob noch ein Schlüssel vorhanden war, Mc Carthy selber kam vielleicht nicht darauf, das war ja für alle eine ziemliche Horrorsituation. So könnte man ja nicht einfach sagen, Barnett war der Täter und er schloss ab, wenn gar kein Schlüssel nötig war um die Türe abzuschließen. Sie fiel ja so ins Schloss. Das gilt für jeden anderen möglichen Täter. Vielleicht reichte der vorhandene Schlüssel schlicht und einfach aus um den Schnappverschluss zu lösen ohne das man überhaupt "richtig abschliessen" konnte. Ein Schlüssel wurde nicht gefunden und es klingt plausibel, dass es auch gar keinen mehr gab. Außer, Kelly hat sich einen nachmachen lassen aber bei den Mietschulden glaube ich das weniger. Okay, vielleicht hätte Sie den "in Natura" bezahlen können...

Ich vermute eher, Sie ging auch mit Blotchy Man via Fensterdurchgriff in ihre Wohnung. Warum man Mrs. Cox dazu nicht befragte, bleibt mir ein Rätsel...
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Andromeda1933

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Re: Gedanken zu Mary Jane Kelly
« Antwort #4 am: 14.04.2016 09:42 Uhr »
Hallo Lestrade, alter Kumpel!
Bei allem Respekt, aber das meinst Du doch nicht im Ernst, dass weder die Polizei noch McCarthy (dessen Wohnungstüren wohl oft dieses Schloss gehabt haben dürften) auf die Idee kamen, das Schnappschloss mit einem Griff durchs Fenster zu öffnen? Unverschlossen wäre so ein Schloss auch leicht mit einem Dietrich oder anderem zu öffnen gewesen.

Sorry, das sollte nicht unhöflich sein!
« Letzte Änderung: 14.04.2016 10:08 Uhr von Andromeda1933 »

Andromeda1933

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Re: Gedanken zu Mary Jane Kelly
« Antwort #5 am: 14.04.2016 09:59 Uhr »
Hallo Arthur!

Hinterhof, vor einem verschlossenen Tor...das ist für Dich kein offenes Terrain?

Kelly „stolperte“ ja sozusagen in diese Lage, außerdem war sie eine Trinkerin. Eine solche Frau reagiert nicht sofort kaltblütig oder logisch. Nach 10.00 ward sie nie wieder gesehen.
WENN sie etwas gegen McCarthy in der Hand hatte, war sie bestimmt keine unbedeutende Nutte mehr. Jedenfalls nicht für ihn. Ich sehe ihn an sich nicht als den Mörder der Kelly, aber die verschlossene Tür und der Zeitpunkt, an dem er seinen Eintreiber los schickt. Vielleicht wirklich nur Zufall, liegt mir aber schwer im Magen.
Ich habe übrigens nur meine persönliche Sicht der Dinge gepostet, eine These ist es nicht.
Wer auch immer Kelly der eine andere Frau im Miller's Court tötete, das Zerfleischen des Opfers ließ sofort und definitiv nur eine Lösung zu: ein neues Opfer von  Jack The Ripper!
In meinen Augen ein Fehlschluss.

Offline Lestrade

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Re: Gedanken zu Mary Jane Kelly
« Antwort #6 am: 14.04.2016 11:57 Uhr »
Bei allem Respekt, aber das meinst Du doch nicht im Ernst, dass weder die Polizei noch McCarthy (dessen Wohnungstüren wohl oft dieses Schloss gehabt haben dürften) auf die Idee kamen, das Schnappschloss mit einem Griff durchs Fenster zu öffnen? Unverschlossen wäre so ein Schloss auch leicht mit einem Dietrich oder anderem zu öffnen gewesen.

Sorry, das sollte nicht unhöflich sein!

Mein Lieber! Schon gut, bei unseren Späßen auf Facebook...

Also ich bin mir nicht sicher, mit welcher Form von Ernsthaftigkeit ich das betrachten soll. Wie ich ja schrieb, bin ich weder ein Fachmann für Schlösser noch aktuell, was die Betrachtung des fehlenden Schlüssels betrifft.

Was ich weiß ist, dass die Polizei zunächst nichts weiter unternahm, um in das Zimmer zu kommen. Sie warteten ja, wie Du weißt, auf die Bluthunde, welche jedoch nie ankamen.

http://www.casebook.org/dissertations/rip-swood.html

Alerted to Kelly's murder by her landlord, John McCarthy, and Thomas Bowyer, Inspector Walter Beck arrives at Millers Court shortly after 11.00am, followed by Doctor George Bagster Philips at 11.15am and Inspector Frederick George Abberline at 11.30am. The door and windows to Room 13 are locked. At Doctor Philips's behest - according to Abberline - no attempt is made to break into the room as everyone waits for the bloodhounds to arrive. The New York Herald noted on 10 November 1888:

Not even the reporters were allowed within the police line. It was determined this time to keep the clews from being effaced, tampered with or distorted. Besides, bloodhounds were to be employed, and scent must not be obliterated.

Everybody cools their heels until 1.30pm when Superintendent Thomas Arnold arrives with news that the bloodhounds aren't coming and instructs McCarthy to break open the door, which he does with a pickaxe.


Die Polizei wusste wahrscheinlich zu diesem Zeitpunkt noch nichts über den Weg übers Fenster und wenn McCarthy und Bowyer es gewusst hätten, hätten sie es sicherlich der Polizei mitgeteilt oder aber, falls sie es taten, nutzte die Polizei diesen Hinweis nicht, warum auch immer.

Es könnte sein, dass die Polizei nicht realisiert hatte, dass das Zimmer per Griff durch das Fenster zu öffnen war. Das haben sie erst später erfahren.

Wie sah das Schloß den aus? Groß, schwer, breit, klein, leicht und schmal, wie war das Innenleben? Alles ganz oder was kaputt? Ging es mit einem Dietrich vielleicht auch nicht auf?

Falls richtig zugeschlossen, konnte man es dennoch, ohne Schlüssel, von innen öffnen? Wäre das Fenster insgesamt leichter zu knacken gewesen?

Ein Frank, via Casebook, kannte sich als Fachmann da besser aus:

"The lock on MJK’s door seems to have been a spring lock. They were used in those days, or so I’ve understood. With such a lock, the bolt shoots home as you pull the door to and locks the door. So, the Ripper probably didn’t need to stick his hand through the window to lock the door behind him, he just had to pull it shut."

DC Walter Dew (MET):

“As soon as the chief officers arrived they decided to force the door which, if I remember rightly, had an automatic lock.”

Ripperologe Bob Hinten:

Gaining access to the room by reaching through the broken window was not particularly easy - in fact it was quite tricky.

I built a mock up of the room to test my theory and found the only way to safely do it was to stand on the window ledge, hold the down pipe with your right hand and reach in through the broken pane with your left.

You could just reach the lock using this method. Don't forget Abberline never said he had practical experience of doing this, he simply accepted Barnett's word that it was 'easy'. But 'easy' compared to what? I dare say it was easier than scaling Mount Everest, but less easy than picking a coin off the floor.

There is very little reason for MJK to be too concerned about the missing key. On leaving the room all she had to do was to leave it on the latch. On entering the room she released the latch and locked herself in.

Why the dire neccesity to securely lock an empty room with nothing of value inside?

Don't forget when she returned to the room with blotchy man there was a witness right behind the couple. Witness states they entered the room. She says nothing about MJK going round the corner and swinging off drainpipes!

Hier das Schloss und der Schlüssel, den Bob Hinten vermutet oder so ähnlich, ganz unten sind die Bilder:

http://www.casebook.org/forum/messages/4921/6718.html

Daily News, 10 November 1888:

http://www.casebook.org/press_reports/daily_news/18881110.html

The door was fastened, not that it had been locked from the inside, but having a catch lock, the person who had gone out last had merely slammed the door behind him, and it had thus become fastened.

Auch noch interessant Simon Wood:

http://www.casebook.org/dissertations/rip-swood.html

oder auch das:

Contrary implication - It was previously stated that McCarthy "took the key back;" hence, Kelly could not have locked the door using a key she did not have. Albeit, the type of "lock" was a spring-latch (or "spring lock"), requiring the key to enter not lock it, and the door had to be opened "by reaching through the window."

http://www.casebook.org/dissertations/dst-yoststranger.html

Mehr kann ich dazu einfach nicht sagen.

Beste Grüße,

Lestrade.
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Offline Lestrade

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Re: Gedanken zu Mary Jane Kelly
« Antwort #7 am: 14.04.2016 12:28 Uhr »
BTW.: Tabram, falls ein Ripper Opfer, wurde ja auch irgendwie Indoor ermordet!
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DomiHu

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Re: Gedanken zu Mary Jane Kelly
« Antwort #8 am: 20.04.2016 11:27 Uhr »
Hallo liebe Leute.. :)
 ich melde mich auch mal zu Wort und bin eigentlich ganz froh dass der Fall Kelly auch bei anderen eine gewisse Verwirrung auslöst.

Andromeda1933: Ich stimme dir zu es gibt viele Ungereimtheiten und es ist alles ziemlich spekuletiv was den Fall Kelly angeht aber ich habe einige Punkte die vielleicht nicht ganz passen bzw die es in die Überlegungen mit einzubeziehen gilt. Leider scheinen wichtige Fragen in Bezug auf Kelly nicht beantwortet zu sein als Beispiel:
1.) Wurden die Sachen im Kamin als Mittel zum Zweck(Licht) verbrannt ? Anders gefragt war noch daneben genug Holz oder Kohle um die Feuerstelle anders zu befeuern ?
2.) Warum legte sie ihre Sachen feinsäuberlich zusammen ? Für gewöhnlich kam man doch ziemlich schnell zur Sache und entkleidete sich nicht unbedingt völlig und zog erstmal "Schlafsachen" an
3.) Waren die im Kessel verbrannten Sachen dann nicht zwangsläufig Kleidungsstücke einer anderen Person wenn kellys Kleidung zusammengelegt da lag ? --> ist somit Frage 1 nicht negativ beantwortet ?

Alles wichtige und unbeantwortete Fragen die vielleicht unser Rätselraten beendet hätten.. Aber bei allem Respekt.. Ich glaube auch nicht dass McCarthy tatsächlich so dumm war und für eine Prostituierte die ihm (wohl bestimmt nicht als einzige) was schuldete.

Arthur Dent 2: Genau diese Überlegungen haben mich immer etwas gestört.. Gab es überhaupt einen ungestörten Ort in dem überbevölkerten Whitechapel ? Ich glaube nicht und somit waren diese Orte doch ziemlich "intim" und auch die Opfer wussten wohl ziemlich gut wo man ungestört ist und brachten ihren Mörder zu diesen Orten. Ein nicht zu unterschätzender Fakt sind vor allem die Sichtverhältnisse im East End ! Schauen wir uns mal den Mord an Eddowes an .. Guckt man sich eine Zeichnung des Mitre Square an so ist man schockiert von der Gerissenheit und dreistigkeit des Mörders dort einen Mord zu begehen der (plus den Verstümmelungen) wohl mindestens 10-15 minuten bei sehr schneller Ausführung bedarft hätte und das an einem Ort der deutlich öfter kontrolliert wurde als irgendwelche Seitenstrassen im East End und auch noch quasi von allen Seiten von Fenstern umgeben ist. Der Schlüssel liegt in den Sichtverhältnissen und das ist für mich der Punkt der bei Kelly nicht recht passt ! Mal ein paar Gedankengänge die mir nicht ganz schlüssig scheinen.

Geht man davon aus dass der Schlüssel wirklich verschwunden ist und nicht dem Ripper in die Hände gefallen ist (was ziemlich unrealistisch wäre wenn es ein Fremder war) dann schieben wir den Schlüssel mal als überbewertet zur Seite ! Aber Stop !War es nicht ein Zufall dass der (wohl scheinbar einzige) Schlüssel verschwand, die Bewohner somit gar nicht ins Zimmer gekommen wären(da es sich ja um ein Schnappschloss gehandelt hat und man nicht davon ausgehen kann dass immer einer der Bewohner zuhause geblieben wäre), und dann gleichzeitig die Scheibe kaputt ging und somit eine Art "Ersatzschlüssel" darstellte ? Hätte es somit nicht zwangsläufig während des gleichen Abends dieses glücklichen Zufall bedurfts ? Ist es also wahrscheinlicher dass die Scheibe vorsätzlich (als "Ersatzschlüssel") an dieser Stelle(!?) eingeschlagen wurde, war es der oben erwähnte glückliche Zufall oder war der Schlüssel nicht vielleicht eine Art Schutzbehauptung Barnetts oder was sagen die anderen Mitbewohner zum Schlüssel ?

Ein weiterer wichtiger Punkt den es zu klären gilt bezieht sich auf die Mitbewohner ! Die zusammengelegten Sachen Kellys schließen aus dass sie den Mörder selbst hinein gelassen hat bzw gebracht hat also muss dieser selbst eingedrungen sein--> ergo er muss entweder den Schlüssel gehabt haben oder kelly beobachtet haben und den, wie in Lestrades Beitrag beschrieben, komplizierten Trick mit dem Fenster gekannt haben ( aufgrund der Dunkelheit wird er wohl kaum das Loch im Fenster gesehen und erstmal rumprobiert haben !). Der Ripper als Dieb des Schlüssels ? Nicht sehr plausibel.. Also muss er kelly beobachtet haben, aber wäre ihm dann nicht auch aufgefallen dass Kelly regelmässig Besuch von Barnett bekam und ständig andere Frauen bei ihr übernachteten ( was abschreckend gewesen sein muss da unberechenbar) ? Kelly wurde mitten in der Nacht an einem Wochenende ( und der nächste Tag war ein Feiertag) ermordet ! Das war förmlich die "Hauptgeschäftszeit" dieser besagten Freundinnen, die hätten sie nachts um 4 in Kellys Zimmer ein Licht gesehen wohl mit Sicherheit Kellys um ein warmes Quartier angepumpt hätten.
All dies passt so gar nicht in das Bild und stört mich massiv bei dem "offiziellen Bild" dieses Mordes... entschuldigt für dieses lange Statement aber je mehr man über Kelly nachdenkt desto mehr Fragen drängen sich auf

Schönen Tag noch euch allen !
Domi

Offline Lestrade

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Re: Gedanken zu Mary Jane Kelly
« Antwort #9 am: 20.04.2016 15:14 Uhr »
Hallo Domi!

Ich befinde mich gerade mitten im Umzug, deshalb nur ganz kurz.

Vorab, was ich hier in den Raum werfe geschieht eher aus einem Gefühl heraus und beruht weniger auf Fakten. Auch gebe ich dir bzw. den anderen recht, wenn behauptet wird, dass Kelly mehr Fragen aufwirft als alle anderen Opfer.

Ich denke, dass Kelly eine Art Borderline- Persönlichkeit aus heutiger Sicht darstellte. Persönlich habe ich damit einiges an Erfahrung sammeln können. Ich kenne viele Frauen mit dieser Art Persönlichkeitsstörung und war auch in Beziehung mit Frauen, die an Borderline leiden. Interessant dazu ist auch ein Buch, "Wenn Liebe weh tut" oder so ähnlich (ich habe es bereits eingepackt) und ein guter Film, "Allein". Frauen mit Borderline suchen sich oft einen bestimmten Typ Partner, meist recht fürsorgliche und beide passen dann zunächst so gut zusammen, wie eine "Hand in einem Handschuh" passt. Mich erinnert das dann an Kelly und Barnett (so wie sie beschrieben wurden) als auch an meine persönlichen Erfahrungen, als "Gegenpart" solcher Frauen mit ihrer "Störung".

Es ist ja eben auch das Opfer, was uns etwas über den Täter erzählt und hier könnte Kelly etwas anders geartet gewesen sein als die anderen Frauen. Mir scheint es, dass Kelly versuchte ihr alleinsein zu vermeiden und stets aktiv war, entsprechende Personen um sich herum zu haben, vielleicht auch schon bereits, als die Beziehung zu Barnett kriselte. Ich denke nicht, dass Astrakhan-Mann, gesehen von Hutchinson, ihr Mörder war sondern jemand, den Sie später noch einmal aufgabelte. Wahrscheinlich gegen 4 Uhr morgens. Vielleicht jemand, der nicht gleich (nach dem Akt) wieder "nach Hause" musste (wie die üblichen Freier) sondern bleiben konnte (vielleicht für einige Stunden). Die Entkleidung muss nicht unbedingt für den Akt erfolgt sein sondern kann mit der Hoffnung vollzogen worden sein, dass dieser Mann bleibt. Das könnte auch bedeuten, dass Sie ihren Mörder "kannte" (was immer das zu bedeuten hatte) und er ihr als Mensch bekannt war, der wohl eher auch als ruhig und zurückhaltend galt. Am Ende könnte das auch als Zeichen für die Gesichtsverstümmelungen stehen. Egal wer der Mörder war, egal wie verrückt er auch gewesen sein mag, man muss ihn nicht gleich für einen barbarischen Schlächter gehalten haben, wenn man ihn sah.

Wie gesagt, ich schreibe das eher aus dem Bauch heraus und mit wenig Zeit aber ich wollte diese Art von Überlegungen einmal anregen. Isdrasil hatte hier im Forum schon einmal über eine besondere Art von "Stressbewältigung" für den Täter im Zimmer des Miller´s Court geschrieben, was ich persönlich sehr interessant fand. Der Mörder könnte von Kelly selbst ins Zimmer geführt worden sein und er befand sich somit in einer für ihn unbekannten Situation, nicht nur was die Räumlichkeiten angeht sondern auch bezüglich des Opfers.

Beste Grüße,

Lestrade.
Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit...

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Re: Gedanken zu Mary Jane Kelly
« Antwort #10 am: 20.04.2016 21:06 Uhr »
Hallo DomiHu!

"Der Schlüssel liegt in den Sichtverhältnissen und das ist für mich der Punkt der bei Kelly nicht recht passt ! Mal ein paar Gedankengänge die mir nicht ganz schlüssig scheinen."

Das verstehe ich jetzt nicht. Ein geschlossenes Zimmer mit abgehängten Fenstern ist doch ein wesentlich besserer Schutz als die Dunkelheit in offenen Gassen. Dementsprechend konnte sich der Mörder ja auch exzessiv austoben.


Was die Geschichte mit dem verschwundenen Schlüssel betrifft: Die ist für mich nicht besonders seltsam. Wenn die Tür tatsächlich abgeschlossen gewesen wäre, wäre das der Polizei aufgefallen. Daher gehe ich davon aus, dass lediglich das Schnappschloss beim Zuziehen eingerastet war.

Falls Kelly den Schlüssel tatsächlich verloren hat, so war das wegen des zerbrochenen Fensters für sie kein Problem (vielleicht hatten Kelly oder Barnett gar selber ein Stück Scheibe deshalb herausgeschlagen). Probleme hätte sie wohl eher mit ihrem Vermieter bekommen, wenn sie es ihm erzählt hätte.

Inwiefern könnte ein verlorener Schlüssel eine Schutzbehauptung Barnetts sein? Er hätte nicht behaupten können, deshalb NICHT im Zimmer gewesen zu sein: Kelly hätte ihn einfach hereinlassen können. Und er hätte sich auch nicht herausreden können, er habe nicht gewusst, wie man durch die Scheibe greift, um die Tür zu öffnen.
Nein, eine Schutzbehauptung ergibt keinen Sinn. Barnett hätte, wäre er der Mörder gewesen, ja auch den Schlüssel einfach im Schloss oder im Zimmer zurücklassen und die Tür zuziehen können. Oder er hätte wegen des Schlüssels einfach den Mund halten können: "Ich wohne dort nicht mehr, woher soll ich wissen, wo der hingekommen ist?" Wozu sollte Barnett also eine Geschichte vom verlorenen Schlüssel erfinden, selbst wenn er der Mörder gewesen wäre - was ich nicht glaube. Diese Geschichte hätte ihm überhaupt nichts genützt.

Auch für die Tat und den Täter war das mit dem Schlüssel völlig wurscht: Sobald die Tür ins Schloss fiel, war sie zwar noch von innen zu öffnen, aber nicht mehr von außen, so dass keiner einfach hereinplatzen konnte. Das war auch dem Täter klar, unabhängig davon, ob er wusste, dass der Schlüssel weg ist.
Da jeder wusste, was Kelly treibt, konnte er davon ausgehen, dass wohl keiner der Nachbarn oder Bekannten sie nachts bei ihrer "Arbeit" stören würde - und damit auch ihn nicht. Und als er wieder ging, zog er einfach die Tür hinter sich zu und ließ das Schloss einschnappen.

Ich halte diese Schlüssel-Geschichte für überbewertet.

MfG, Arthur Dent

DomiHu

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Re: Gedanken zu Mary Jane Kelly
« Antwort #11 am: 21.04.2016 13:09 Uhr »
Hallo Arthur Dent2!

Also erstmal zur den Sichtverhältnissen... Bei jedem bisherigen Tatort des Rippers war es für ihn möglich in seiner Position sich zu verbergen ( er war hauptsächlich in dunkleren Bereichen) und GLEICHZEITIG konnte er die Umgebung beobachten und hatte somit die Möglichkeit zu fliehen ! Egal wie dreist und frech ein Mörder ist... er würde immernoch an seinem Leben hängen und versuchen doch nicht geschnappt zu werden. Bei jedem bisherigen Tatort hat er dieses Muster befolgt und es wahrscheinlich auch angewendet. Im millers court liegt der Fall anders... er war in einem Raum den (so wie du es ja auch beschreibst) Jeder betreten konnte und den auch viele Menschen betraten um dort zu nächtigen oder um Kelly zu besuchen (was auch ein Grund für Barnetts Auszug war). Da wir uns ziemlich einig sind dass der Ripper besonders kelly ins Auge gefasst haben (Verletzungen im Gesicht, deutliche Abweichung der bisherigen Charakteristikas und wechsel des Tatortprofils) muss und sie ihn nicht auf der Strasse aufgabelte stellt sich doch automatisch die Frage ab wann er sie beobachtete und was er dabei gesehen hätte. Er hätte wie Lestrade bereits ausführte Kellys Drang dahingehend beobachten können dass sie ständig von Menschen umgeben werden wollte und auch einen erhöhten Drang nach Protektion erkennen ließ. Und um ehrlich zu sein glaube ich nicht dass Kelly als "Teilzeitprostituierte" ständig ihrem Job nachging und es die anderen, wahrscheinlich alkoholisierten und verzweifelten ,Frauen wohl auch in einer kalten (wir reden hier vom 9 November!!) Nacht kaum gestört hätte, Kelly um ein Quartier anzubetteln.
Es war einfach sehr viel Risiko mit diesem Ort verbunden dessen wir uns häufig heute gar nicht mehr bewusst sind da wir die grausamen Lebensumstände all dieser Menschen ausblenden..

Ja genau das meinte ich doch ! Wenn der Schlüssel verschwunden ist so fällt es einem für gewöhnlich erst auf wenn man auf oder abschließen will. Bei dieser Tür erübrigt sich das Abschließen zum Teil was mich dazu veranlasste zu fragen ob die Scheibe nun als Folge des Verlustes oder als eine Art glücklicher Zufall kaputt ging. Dabei sei bemerkt dass es nicht einfach war die Tür durch den "Fenstertrick" zu öffnen.. nun müsste man noch mit einbeziehen dass es durch das Schnappschloss nötig gewesen wäre dass immer ein Bewohner zuhause ist solange wie der Schlüssel nicht wieder aufgetaucht ist und die Scheibe NICHT kaputt gegangen ist.. Es waren nur diese Fragen an denen man Barnetts "Geschchte" abtasten könnte und die er schlüssig zu beantworten hätte. Und mit der "Schutzbehauptung" meinte ich eher seine psychische Konstitution... Dieser Mann war in gewisser Weise ein Kontrollwütiger (kompensation seiner physischen Defizite) der zunächst mit diesem Attribut bei Kelly punkten konnte.. verliert ein solcher Mensch offentsichtlich die Kontrolle über diesen Bezugspunkt und wird offen zurückgewiesen so führt das zu einer zwanghaften Kontrollsehnsucht wobei der Diebstahl des Schlüssels um Zugang zu Kelly (und in gewisser Weise kontrolle über ihre Besuche) zu behalten, wohl das geringste Übel wäre!

Liebe Grüße Domi

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Re: Gedanken zu Mary Jane Kelly
« Antwort #12 am: 21.04.2016 21:11 Uhr »
Hallo Domi,

ich fürchte, wir reden etwas aneinander vorbei, daher möchte ich einige deiner Aussagen aufgreifen und darauf eingehen:


"Bei jedem bisherigen Tatort des Rippers war es für ihn möglich in seiner Position sich zu verbergenund und GLEICHZEITIG konnte er die Umgebung beobachten und hatte somit die Möglichkeit zu fliehen"

Verbergen? Fliehen?
Wo hätte er sich in der Buck's Row verbergen können? Eine auf beiden Seiten zugebaute Straße, und das Tor zum Hof war verschlossen. Das war ein Korridor, der zur Falle geworden wäre, wären von beiden Seiten Leute gekommen.
Wo hätte er sich in dem kleinen Hinterhof in der Hanbury Street verbergen können, wenn einer der Bewohner aus dem Fenster geschaut oder gar in den Hof gekommen wäre? Wohin hätte er aus dem Hinterhof fliehen können? Der war mit nur einem Zugang eine Falle. Er hätte höchstens über den Zaun klettern können, nur um in einem anderen Hinterhof zu gelangen. Und wenn die Türen zu dem verschlossen waren, was dann?
Nur im Dunkel des Dutfields Yard oder im Mitre Square hätte er sich in die hinterste Ecke verziehen können und hoffen, dass er nicht bemerkt wird. Aber der Dutfields Yard hatte auch nur das offene Eingangstor und war damit ebenfalls eine Falle. Lediglich im Mitre Square hätte er drei Passagen zur Flucht heraus gehabt.
An allen vier Orten musste er aber mit Passanten rechnen, die während seiner Taten über ihn stolpern konnten.


"er war in einem Raum den (so wie du es ja auch beschreibst) Jeder betreten konnte und den auch viele Menschen betraten um dort zu nächtigen oder um Kelly zu besuchen"

Nein, ich habe genau das Gegenteil geschrieben:
Wenn die Tür ins Schloss gefallen war, konnte keiner einfach so hereinschneien. Selbst wenn jemand an ihre Tür gekommen wäre und geklopft hätte, hätte der Täter nur still sein und warten müssen, bis der Betreffende mangels Reaktion von drinnen wieder geht.
Und er konnte davon ausgehen, dass sich keiner darüber wundert, wenn um diese Uhrzeit spät Nachts keine Reaktion käme: Da Kelly als Gelegenheitsprostituierte nachts oft unterwegs war, oder im Zimmer Kunden bei sich hatte, wäre das nachvollziehbar gewesen.
Also wenn ich merke, dass bei jemandem die Vorhänge geschlossen sind, gehe ich davon aus, dass die Person entweder nicht da ist oder nicht gestört werden will.

Ein Zimmer mit geschlossener Tür und zugehängten Fenstern war daher ein sicherer Tatort als alle vorherigen, wo unvermittelt Passanten oder gar Streifenpolizisten vorbeikommen konnten.
Das Hauptrisiko lag bei Kelly vor allem im Verlassen des Tatorts - aber dieses Risiko hatte er bei allen anderen auch, und bei denen kam noch das höhere Risiko hinzu, während der Taten auf offen zugänglichem Terrain entdeckt zu werden.


"Da wir uns ziemlich einig sind dass der Ripper besonders kelly ins Auge gefasst haben (Verletzungen im Gesicht, deutliche Abweichung der bisherigen Charakteristikas und wechsel des Tatortprofils) muss und sie ihn nicht auf der Strasse aufgabelte ..."

Ich weiß nicht, wie du zu dieser Ansicht kommst, wir wären uns darin einig, denn ich habe dies nirgendwo im Forum geschrieben.

Im Gegenteil: Für mich ist es wahrscheinlicher, dass Kelly den Täter ganz normal als Kunden auf der Straße aufgegabelt und mit in ihr Zimmer genommen hat, so wie die anderen auch. Denn sie wurde in dieser Nacht gesehen, wie sie erst Blotchy Man, und danach Astrachan Man auf ihr Zimmer führte. Sie brauchte dringend Geld, weil sie mit der Miete im Rückstand war und der Eintreiber wieder kommen würde. Daher gehe ich davon aus, dass sie die Nacht "durcharbeiten" wollte, um am nächsten Tag Geld dafür zu haben.

Und dass der Täter Kelly schlimmer zurichtete als die vorherigen, hat für mich zwei einfache Gründe:
Erstens steigerte er sich von Tat zu Tat weiter in die Verstümmelungen hinein - sie wurden schon bei den Straßen-Opfern von Nichols über Chapman bis Eddowes schlimmer.
Zweitens hatte er schlicht und einfach in dem geschlossenen Zimmer mehr Zeit als auf der Straße, weil nicht alle paar Minuten Passanten oder gar Polizisten vorbeikamen.
Übrigens hat er auch schon Eddowes Gesicht verstümmelt - also keine "Abweichung", sondern lediglich Steigerung. Das noch Exzessivere bei Kelly lässt sich demnach einfach durch die besseren Tatort-Umstände erklären.


"Die zusammengelegten Sachen Kellys schließen aus dass sie den Mörder selbst hinein gelassen hat bzw gebracht hat also muss dieser selbst eingedrungen sein"

Nö. Sie kann auch einfach ordentlich gewesen sein, und der Täter hat gewartet, bis sie die Sachen ausgezogen und hingelegt hat. Wenn Frau arm ist und nicht viel anzuziehen hat, geht Frau damit sorgfältiger um, wenn sie es sich leisten kann - zumal wenn es ihr Kapital ist, für Whitechapel-Verhältnisse gut auszusehen.


"Also muss er kelly beobachtet haben"

Nö, er musste nur als Kunde auftreten, alles andere machte Kelly für ihn: Sie führte ihn an einen ruhigen Ort (ihr Zimmer), sie schloss die Tür und die Vorhänge, sie zog sich aus. Das ist der Vorteil bei Prostituierten als Opfer. Der Täter muss bei der Kontaktaufnahme noch nicht einmal gewusst haben, dass Kelly überhaupt ein Zimmer hat.

 
"Es war einfach sehr viel Risiko mit diesem Ort verbunden"

Nicht mehr als bei den übrigen, sondern eher weniger. Siehe oben.


"verliert ein solcher Mensch offentsichtlich die Kontrolle über diesen Bezugspunkt und wird offen zurückgewiesen so führt das zu einer zwanghaften Kontrollsehnsucht wobei der Diebstahl des Schlüssels um Zugang zu Kelly (und in gewisser Weise kontrolle über ihre Besuche) zu behalten, wohl das geringste Übel wäre!"

Du willst also damit sagen, dass du Barnett als Täter in  Betracht ziehst? Nach dem Motto: Wenn er sie nicht haben kann, soll sie keiner haben?
Neigst du dabei eher zu der These, dass Barnett auch die übrigen Morde begangen hat (z.B. um Kelly von der Prostitution abzuhalten), oder dass er nur sie getötet hat und den Mord dem Ripper in die Schuhe schieben wollte?


MfG, Arthur Dent

Offline Arthur Dent 2

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Re: Gedanken zu Mary Jane Kelly
« Antwort #13 am: 23.04.2016 11:33 Uhr »
Hallo Domi,

hier noch eine Anmerkung zu folgendem Zitat von dir:

"Da wir uns ziemlich einig sind dass der Ripper besonders kelly ins Auge gefasst haben (Verletzungen im Gesicht, deutliche Abweichung der bisherigen Charakteristikas und wechsel des Tatortprofils) muss und sie ihn nicht auf der Strasse aufgabelte ..."


Ein Auszug aus der Fallanalyse des FBI unter Leitung von Supervisory Special Agent John E. Douglas, dem Chef der Abteilung für Verhaltensforschung:

"Daß Serienmörder ihren modus operandi streng beibehalten, dieser Schluß ist falsch. Täter werden ihr Verhalten ändern, weil sie Erfahrung sammeln. Sie lernen dazu. Der modus operandi des Rippers war die Opferwahl, die Annäherung und die Methode des Erstangriffs. Was dann stattfand, war sein Ritual, seine Handschrift. Serientäter müssen immer ein bestimmtes Ritual durchführen, das ihnen ihre Phantasie vorschreibt. Solche Rituale können zunehmend ausgearbeitet werden, wie es bei seinem letzten Opfer der Fall war, wo er viel Zeit hatte, seine Phantasien auszuleben.
Ermittler von Serienmorden sollten niemals die gleiche Art von Morden erwarten, erst recht nicht, wenn die Opfer draußen getötet wurden, wo der Täter selten die Zeit hat, seine Phantasien zu verwirklichen."


Daher sind der andere Tatort und die noch exzessiveren Verstümmelungen für mich keine Abweichungen von den bisherigen Charakteristika.
Der andere Tatort könnte entweder dem Ermittlungsdruck und der stark gestiegenen öffentlichen Wachsamkeit geschuldet gewesen sein - anstatt zu den billigsten, obdachlosen Straßenhuren suchte er nun Kontakt zu bessergestellten, die eigene Räumlichkeiten hatten. Oder es war einfach ein glücklicher Zufall für ihn, dass Kelly ein eigenes Zimmer hatte.
Und dank der Ungestörtheit in einem geschlossenen Raum konnte er nun seine Phantasien exzessiv ausleben.


Es gibt eine echte Abweichung, die mir im Fall Kelly Gedanken macht:
Sie entsprach in einem zentralen Punkt scheinbar nicht dem üblichen Opferprofil - sie war zu jung.
JTR frühere Opfer waren in ihren Vierzigern, was vermuten lässt, dass sein Hass sich insbesondere gegen ältere Frauen gerichtet haben könnte.
Aber es kann auch einfach nur Zufall gewesen sein, wenn ihm das Alter eigentlich egal war und nicht zu seinem Opferprofil gehörte.



Noch eine Bemerkung, was die zusammengelegte Kleidung in Kellys Zimmer betrifft:
Im Kamin fand die Polizei verbrannte Kleidung, die dank der Zeugin Maria Harvey zum Teil als Kellys identifiziert werden konnte. JTR hatte mit den Sachen ein Feuer gemacht - vermutlich um etwas mehr Licht zu haben, wahrscheinlich hat er hinterher auch noch welche von seinen eigenen blutverschmierten Klamotten im Kamin entsorgt. Es ist also gut möglich, dass die Sachen, die Kelly bei der Begegnung mit dem Ripper getragen hatte, dort verbrannt sind, und die ordentlich zusammengelegten lediglich ihre zweite Garnitur zum Wechseln war.



MfG, Arthur Dent
« Letzte Änderung: 23.04.2016 12:36 Uhr von Arthur Dent 2 »

Offline Lestrade

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Re: Gedanken zu Mary Jane Kelly
« Antwort #14 am: 25.04.2016 12:49 Uhr »
Es sei auch noch erwähnt, dass Maria Harvey Kleidungsstücke am vorherigen Abend bei Kelly zurückließ.

Inquest 12 November:

I left with her two men's dirty shirts, a little boy's shirt, a black overcoat, a black crepe bonnet with black satin strings, a pawn-ticket for a grey shawl, upon which 2s had been lent, and a little girls white petticoat.

Have you seen any of these articles since? - Yes; I saw the black overcoat in a room in the court on Friday afternoon. (das wäre dann der Nachmittag, nachdem man Kelly aufgefunden hatte)

Bei den anderen Opfern, Nichols, Chapman, Stride und Eddowes, wurden auch noch die Besitztümer aufgelistet, bei Kelly, so glaube ich, nicht. Das Inventar im Miller´s Court gehörte wohl Mc Carthy.

Inspector Frederick G. Abberline:

There were traces of a large fire having been kept up in the grate, so much so that it had melted the spout of a kettle off. We have since gone through the ashes in the fireplace; there were remnants of clothing, a portion of a brim of a hat, and a skirt, and it appeared as if a large quantity of women's clothing had been burnt.
Can you give any reason why they were burnt ? - I can only imagine that it was to make a light for the man to see what he was doing. There was only one small candle in the room, on the top of a broken wine-glass. An impression has gone abroad that the murderer took away the key of the room.


Also offenbar wurde eine große Menge Frauenkleidung verbrannt. Gut möglich, dass diese Kelly gehörte.

Vom FBI Profil bin ich seit jeher überzeugt. Die Profiler sind auch der Meinung, dass ein nächster Mord auch wieder auf der Straße hätte stattfinden können. Diese Art von Täter sind Gelegenheitskiller und wenn, aus ihrer Geistessicht, alles passt, schlagen sie zu. Das muss nicht mit unserer Vorstellung von "Gelegenheit" übereinstimmen.

Ich weiß nicht, ob die Kleidung, welche verbrannt wurde, nun die gewesen war, welche Kelly an diesem Abend trug oder ob diese über den Stuhl hing. Es macht vielleicht Sinn, dass er das Opfer entkleidete und die Kleidung sofort in den Kamin warf und weitere Kleidung vom Stuhl verfeuerte. Und immerhin standen ihre Schuhe auch ordentlich vor dem Kamin. Ich habe mir dazu noch nie wirklich Gedanken gemacht. Das Feuer wurde offenbar sehr heiß, vielleicht wären die Schuhe im Feuer zu unerträglich für den Mörder geworden oder es war nicht mehr nötig sie in die Glut/ das Feuer nachzulegen. Arthur´s Bemerkung, dass die Kleidung auf dem Stuhl eher Wechselkleidung war, macht Sinn, wie ich finde.

Ein ähnlicher Täter, Richard Chase, sprach auch eine ehemalige Klassenkameradin an, wollte zu ihr ins Auto, sie konnte das verhindern. Gelegenheitskiller gehen also auch auf potentielle Opfer zu, welche sie kennen. Kelly war gewohnt als Prostituierte in der Leman Street aufzutauchen. Ich erinnere hier an Officer Cox´s Statement, dass er einen Mann verfolgte, der einen Shop in der Leman Street besuchte, welcher ein Treffpunkt für Kriminelle war (vielleicht eine Opium-Höhle oder so). Vielleicht höre ich nur die Flöhe husten aber vielleicht haben die Gesichtsverstümmelungen damit zu tun, dass man sich "kannte". Sicher bin ich mir da allerdings nicht. Auch im Falle von Eddowes, die Verletzungen im Gesicht könnten, so wurde es nachgestellt, schlicht und einfach davon herrühren, dass der Täter nicht gleich den Hals erwischte, weil Eddowes sich stark wehrte. Ich lasse mir das einfach offen.

Der Täter hatte schlechte Sichtverhältnisse bei (vielleicht Tabram), Nichols, Stride und Eddowes. Bei Chapman wurde es bereits langsam hell. Während er im Zimmer des Miller´s Court ist, ein kleines Stück Kerze auf einem kaputten Weinglas gibt wahrscheinlich nicht genug Licht her, könnte ihm eingefallen sein, mit Kleidung den Kamin zu beheizen und somit ausreichend Licht zu erzeugen, was ihm ja auch offenbar gelang. Keine Ahnung, ob er der herumliegenden Kleidung gleich gewahr wurde und er zunächst mit Kelly´s noch getragender Kleidung began Feuer zu machen.

Beste Grüße, Lestrade.
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