Autor Thema: Kevin Dutton – Psychopathen: Was man von Heiligen, Anwälten und Serienmördern le  (Gelesen 5729 mal)

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Natürlich sind Sie kein Psychopath. Vielleicht sind Sie eine Führungskraft oder ein sehr spiritueller Mensch. Sie haben Charme, Sie sind unerschrocken und risikofreudig, können harte Entscheidungen treffen. Sie sind sehr aufmerksam und können sich gut auf ein Ziel konzentrieren. Sie werden feststellen, dass das Eigenschaften sind, die Sie mit Psychopathen teilen. Selbstredend sind diese Eigenschaften nützlich, wenn man ein Serienmörder werden will. Aber auch im Gerichtssaal, in der Wirtschaft oder im OP. Oder im Leben eines Heiligen. Jede Medaille hat zwei Seiten.

»Eine meisterhafte, sehr lesbare und unterhaltsame Darstellung der Psychopathie und ihrer Manifestationen im Alltag. Manche seiner Ideen werden kontrovers diskutiert werden, aber es ist ein höchst anregendes Buch für alle, die die ›psychopathische‹ Welt, in der sie leben, besser verstehen wollen.« Prof. Dr. Robert Hare, Erfinder der Psychopathy Checklist


Wir sind die böse Elite. Verherrliche uns nicht. Aber geh auch nicht den anderen Weg und fang an, uns zu entmenschlichen.
S. 205
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Das Buch beweist wegen seiner sehr laxen Definition von *Psychopath* gar nichts. Selbst Sportler sind für ihn Psychopathen, wenn sie sich nicht von äußeren Umständen beeinflussen lassen und sich für die Dauer des Wettbewerbes auf ihre Aufgabe konzentrieren können. Ich habe nie an Wettbewerben teilgenommen, kann mir aber sehr gut vorstellen, dass man sich so gut konzentrieren kann, dass äußere Einflüsse an einen nicht mehr herankommen; das passiert bei mir bei jeder Trainingsstunde. Er kreidet auch Chirurgen an, dass diese sich nicht von dem Blut irritieren lassen, sondern ihre Arbeit machen und im Notfall einen kühlen Kopf bewahren. Offensichtlich wäre es ihm lieber, wenn sie bei Kreislaufversagen wie Rumpelstilzchen um den OP-Tisch sprängen.

Man kommt gar nicht drumherum, bei sich selbst psychopathische Züge festzustellen, weil die Auslegung so weit gefasst ist. Jeder, der in einer Notsituation sich nicht hinsetzt und selbst bemitleidet, kann sich das nach ihm auf die Fahnen schreiben.
Außerdem lässt er bei Kaltblütigkeit / Skrupellosigkeit den Abstumpfungseffekt außer Acht: Wer viel entsprechende Filme sieht, reagiert irgendwann nicht mehr empfindlich darauf. Alles eine Frage der Gewöhnung.

Ich war teilweise recht verwirrt, weil der Autor innerhalb kurzer Zeit von Börsenmarklern zu Sportlern und dann weiter zu Serienmördern springt. Das ist einfach extrem beliebig.
Andere Dinge wie Achtsamkeit, oft angestrebt und Gegenstand zahlreicher Bücher, ist bei ihm ebenfalls psychopathisch.

Auch logische Schlussfolgerungen sind psychopathisch, ich kopiere aus der englischen Version:

While attending her mother’s funeral, a woman meets a man she’s never seen before. She quickly believes him to be her soulmate and falls head over heels. But she forgets to ask for his number, and when the wake is over, try as she might, she can’t track him down. A few days later she murders her sister. Why?

Man kann die Lösung ganz locker herleiten:

1. Die Frau kennt die Nummer des Mannes nicht, hätte also von einem Mord keinen direkten Gewinn.
Daraus ergibt sich
2., dass sie den Mann auf der Beerdigung der Schwester wieder sehen möchte.

Die Schlussfolgerung ist so einfach, dass ich sie hinbekomme.

If the first answer that springs to your mind is some variation of jealousy and revenge – she discovers her sister has been seeing the man behind her back – then you are in the clear. But if your first response to this puzzle is “because she was hoping the man would turn up to her sister’s funeral as well”, then by some accounts you have the qualities that might qualify you to be a cold-blooded killer

Der Guardian weist auch auch die Schwachstelle des Rätsels hin:

There is a problem though. When Kevin Dutton, the author of this compulsive quest into the psychopathic mind, tried the question on some real psychopaths, not one of them came up with the “second funeral” motive. As one commented: “I might be nuts but I’m not stupid.”

Im Grunde reichen Erfahrungen mit Black Stories aus, um auf die Lösung zu kommen.

Fazit

Was mir in dem Buch gefehlt hat, war die Erklärung, wo die pragmatischen Menschen enden, die mit Ehrgeiz und Egoismus ausgestattet sind und wo der Psychopath anfängt. Dennoch ist es eine sehr interessante Einführung in die Denkweise der Psychopathen.


Kevin Dutton ist promovierter Psychologe und Professor am Calleva Research Centre for Evolution and Human Science der Universität Oxford. Er ist Mitglied der Royal Society of Medicine und der Society for the Scientific Study of Psychopathy. Zahlreiche Veröffentlichungen.


Taschenbuch: 320 Seiten
Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag (1. Mai 2013)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3423249757
ISBN-13: 978-3423249751
Originaltitel: The Wisdom of Psychopaths. Lessons in Life from Saints, Spies and Serial Killers
Größe und/oder Gewicht: 20,8 x 13,6 x 3,4 cm


Zitate


Weißt du, ich hab schon ziemlich früh herausgefunden, dass die Leute ihren Willen nicht bekommen, weil sie oft selbst nicht wissen, was sie tatsächlich wollen. Sie lassen sich zu stark vom Augenblick mitreißen und kommen vorrübergehend vom Weg ab. Und genau an diesem Punkt ändert sich die Dynamik. Nun geht es auf einmal nicht mehr darum, zu bekommen, was man will. Sondern darum, gesehen zu werden, was man will. Zu gewinnen.

Wenn du in dem Moment in dem du in den Ring steigst, völlig besessen davon bist, deinen Gegner auszuknocken, wirst du aller Wahrscheinlichkeit scheitern. Wenn du dich darauf konzentrierst, den Kampf zu gewinnen, dich einfach darauf fokussierst, deinen Job zu machen, ja dann knockst du ihn vielleicht sowieso aus.

S. 213




Die Sache mit der Angst oder wohl eher, was ich unter Angst verstehe – denn um ehrlich zu sein, ich glaube nicht, dass ich je Angst gehabt habe -, ist doch die: In den meisten Fällen ist sie völlig ungerechtfertigt. Wie heißt es so schön? Neunzig Prozent der Dinge, über die die Menschen sich Sorgen machen, passieren nie. Was soll das Ganze dann?

S. 222


Was dich wahnsinnig gemacht hat, war deine Fantasie. Dein Gehirn befand sich im Schnelllaufmodus und du hast dir alle möglichen Katastrophen vorgestellt, die passieren könnten. Aber nicht passiert sind. Der Trick ist also der, dein Gehirn wann immer möglich davon abzuhalten, dir vorauszueilen. Wenn du das konsequent tust, wirst du dich früher oder später auch von der Vorstellung verabschieden, dass du immer mutig sein musst.

S. 223

Die Besprechung der einzelnen Kapitel, Videos und Links finden sich hier: http://nomasliteraturblog.wordpress.com/2013/05/07/kevin-dutton-psychopathen-was-man-von-heiligen-anwalten-und-serienmordern-lernen-kann/