Autor Thema: Wie dunkel ist dunkel?  (Gelesen 51418 mal)

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Offline Shadow Ghost

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Wie dunkel ist dunkel?
« am: 15.06.2011 20:45 Uhr »
Der Todeszeitpunkt von Annie Chapman ist ein viel diskutiertes Thema, widersprechen sich doch die Zeugenaussagen und die Meinung von Dr Phillips. In diesem Zusammenhang ist die Aussage von John Richardson eine entscheidende.

Es wurde viel darüber spekuliert, ob Richardson, als er 8 September 1888 um 4.45 Uhr morgens nach der Kellerwerkstatt seiner Mutter im Hinterhof von Hanbury Street 29 sah, den eventuell bereits dort liegenden Körper von Annie Chapman übersehen haben könnte. Bei der Frage, wie das hätte passieren können, wird oft die herrschende nächtliche Dunkelheit herangezogen.
Dennoch frage ich mich, wie dunkel es wirklich gewesen sein konnte. Schließlich war wohl doch genügend Licht vorhanden, dass Richardson erkennen konnte, dass mit der Werkstatt alles in Ordnung war. Und es war wohl genügend Licht vorhanden, dass Richardson seinen Schuh bearbeiten und ein Stück Leder abschneiden konnte.

Sollte dann nicht auch genügend Licht vorhanden gewesen sein, um eine im Hof liegende Leiche zu sehen?

Offline Lestrade

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Re: Wie dunkel ist dunkel?
« Antwort #1 am: 16.06.2011 12:31 Uhr »
Sollte dann nicht auch genügend Licht vorhanden gewesen sein, um eine im Hof liegende Leiche zu sehen?

Für Richardson schon...

Hallo Shadow!

John Richardson sagte von sich selber, dass er alles gut überblicken konnte. Es fing an hell zu werden, zu dämmern, so um 4.45 Uhr. Die Sonne begann um 5.15 Uhr aufzugehen. Just als Albert Cadosch und Elizabeth Long ihre Beobachtungen machten. Ich glaube, 30 Minuten passen gut von den ersten Anzeichen der Dämmerung bis zum Erblicken der ersten Sonnenumrisse. Es war erst Anfang September, kaum Wolken und eine sehr kalte Nacht. Um 6.00 Uhr entdeckte John Davis Annie Chapman und sah mehr als er wollte. Er konnte detailiert doch einiges erkennen. Rechnet man zurück, 6.00 Uhr-5.15 Uhr- 4.45 Uhr, also etwas mehr wie eine Stunde, kommt es hin zwischen klar sehen, doch recht hell und den ersten Lichteinfällen. Das Verbrechen an Chapman ist also auch eines, dass begangen wurde, als es schon recht "hell" gewesen war.

Der Hinterhof der Hanbury Street 29 war ca. 16 qm gross oder klein. Stand man auf der Treppe, sah man vor sich einen Schuppen und rechts davon ein Klo. Der Zaun zu Cadosch sein Domizil war auch nur ca. 1m hoch.  Bilder und Videos nach zu urteilen, war da auch nichts, was den Hinterhof verdunkelt hätte. Eher hätten Lichter in Fenstern umliegender Wohnbereiche alles ein wenig heller gemacht. Da der Ort ja auch von Prostituierten genutzt wurde, sollte er nie ganz stockdunkel gewesen sein.

Inspector Chandler traf so 6.15 Uhr ein, Dr. Phillips um 6.30 Uhr. Cadosch will um 5.20 Uhr das erste Mal auf den Hof gegangen sein, zur Toilette, ein paar Minuten später nocheinmal. Beim ersten Mal hörte er ein "Nein", beim zweiten Mal "als ob etwas gegen den Zaun fällt". Mrs. Long meinte um 5.30 Uhr Annie Chapman mit einem Mann gesehen zu haben, vor der Hausnummer 29. Cadosch wollte um 5.32 Uhr zur Arbeit gegangen sein. Seine Toilettengänge sollen etwas mit einem Eingriff zu den gehabt haben, der vorher im London Hospital stattgefunden hätte, er könnte als etwas an seiner Blase gehabt haben. Die Polizei glaubte Mrs. Long, sie erkannte Annie Chapman später im Leichenschauhaus wieder und ihre Beschreibung des Mannes ist wenig spektakulär. Cadosch sein 5.32 Uhr scheint mir für damalige Verhältnisse sehr genau, er war auch etwas gehandicapt, vielleicht auch etwas genervt aufgrund der Blasengeschichte und könnte sich eher vertan haben als Mrs. Long. Er ging ja auch den Geschehnissen hinter und an dem Zaun nicht nach. Vielleicht hatte er es auch eilig. Es sind 12 Minuten von Cadosch erstem Gang in den Hof bis zum losgehen zur Arbeit. Lassen wir Mrs.Long sich zwei Minuten nach hinten irren und Cadosch ging vielleicht 5 Minuten später als angegeben los. Der ganze Vorfall könnte um 5.28 Uhr (Mrs. Long) angefangen haben, um 5.30 Uhr hörte Cadosch das "No" und um 5.34 Uhr hörte er die Geräusche und war dann auch weg. Möglich, dass der Täter noch bis 5.38- 5.40 Uhr am Tatort weilte. Der Todeszeitpunkt scheint mir nah um 5.30 Uhr zu liegen. John Davis machte sich um 5.45 Uhr auf, sich seinen Tee und ging und öffnete dann um 6.00 Uhr herum die Tür zum Hinterhof.

Eine Stunde nach dem wahrscheinlichen Todeszeitpunkt Annie Chapmans, war Dr. Phillips am Tatort. Er meinte später, sie könnte bereits 2 Stunden dagelegen haben. Aber bedenkt, Annie Chapman war sehr krank, Gehirn und Lunge, suchte Tage vorher schon die Krankenstube auf, es war sehr kalt an diesem Morgen und sie war schwer verstümmelt und viel Blut war verlorengegangen. Unter diesen Umständen war es vielleicht nicht einfach für Dr. Phillips, 1 oder 2 Stunden anzugeben.

Falls Annie Chapman schon länger nicht mehr am Leben gewesen wäre, was hätte Cadosch dann gehört? Dann hätten noch vor Davis, Personen (zumindest eine) Annie Chapman entdeckt. Die Wahrscheinlichkeit halte ich für gering. Richardson, Long und Cadosch empfinde ich als aufrichtige Aussagen. Da erscheint nichts dazugesponnen. Einzig Long und Cadosch müssen zeitlich dichter aneinandergelegen haben, denn soweit, liegen sie ja auch nicht auseinander und Cadosch scheint doch etwas krank gewesen zu sein, quälte sich vielleicht zur Arbeit und das kann auch die Sinne trüben.

Ich denke, Richardson sah niemanden um 4.45 Uhr neben sich und der Treppe liegen.

Viel, viel interessanter erscheint mir die Feststellung, dass der Täter nicht die Wasserstelle im Hinterhof benutze und sogar die Hintertür wieder verschloß. Er hatte ja seine Trophäen dabei und marschierte so, im fast hellen und blutverschmiert durch die nicht mehr leeren Straßen. Aufgefallen ist er wohl niemanden.

Grüße.
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Offline Shadow Ghost

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Re: Wie dunkel ist dunkel?
« Antwort #2 am: 16.06.2011 13:40 Uhr »
Eine Stunde nach dem wahrscheinlichen Todeszeitpunkt Annie Chapmans, war Dr. Phillips am Tatort. Er meinte später, sie könnte bereits 2 Stunden dagelegen haben. Aber bedenkt, Annie Chapman war sehr krank, Gehirn und Lunge, suchte Tage vorher schon die Krankenstube auf, es war sehr kalt an diesem Morgen und sie war schwer verstümmelt und viel Blut war verlorengegangen. Unter diesen Umständen war es vielleicht nicht einfach für Dr. Phillips, 1 oder 2 Stunden anzugeben.

Dr Phillips sprach ja davon, dass die Tote at least two hours tot gewesen sein soll, was er wohl anhand der Körpertemperatur und der fortschreitenden Leichenstarre festgestellt haben mag: the stiffness of the limbs was not marked, but was evidently commencing.

Cadosch will um 5.20 Uhr das erste Mal auf den Hof gegangen sein, zur Toilette, ein paar Minuten später nocheinmal. Beim ersten Mal hörte er ein "Nein", beim zweiten Mal "als ob etwas gegen den Zaun fällt". Mrs. Long meinte um 5.30 Uhr Annie Chapman mit einem Mann gesehen zu haben, vor der Hausnummer 29. Cadosch wollte um 5.32 Uhr zur Arbeit gegangen sein. [...]. Cadosch sein 5.32 Uhr scheint mir für damalige Verhältnisse sehr genau

Da Cadosh die 5.32 von der Turmuhr der Christ Church abgelesen haben will, glaube ich ihm ehrlich gesagt eher als der Mrs Long, die die 5.30 vom Glockenschlag einer Brauerei-Uhr gehört haben mag. Ich konnte bislang noch keine Antwort darauf finden, wie diese Uhr tickte bzw. schlug: zu Viertel-, halben und Dreiviertelstunde je einmal? Dann wäre eine Verwechslung durchaus vorstellbar. Zur Viertelstunde einmal, zur halben zweimal,...? Dann wäre ein Irrtum Longs schon schwerer vorstellbar, aber auch nicht ausgeschlossen, da die Brauerei-Uhr sicherlich nicht die einzige in der Gegend war, und ich mir durchaus vorstellen kann, dass eine zweite Uhr in der Nähe auch einmal zur Viertelstunde läutete, vielleicht ähnlich klang, und deshalb Mrs Long meinte zwei Schläge vernommen zu haben.
Damit Cadosch um 5.32 bei der Kirche hätte sein können, hätte er wohl das Haus um 5.30 verlassen müssen, dabei hätte er dann aber Mrs Long oder Annie Chapman mit dem Ripper sehen müssen.
Ein weiterer Punkt ist natürlich die Genauigkeit der Uhren. Aber ich möchte hier nicht spekulieren, ob die Uhr einer Brauerei oder die Uhr einer Kirche genauer gingen. Darum geht es in diesem Thread auch gar nicht.

Vielmehr sollte es in diesem Thread darum gehen, welcher Aussage mehr Glauben geschenkt werden kann: Richardsons oder Dr Phillips?

Nach all dem, was ich bislang über den Fall weiß, kann ich Richardsons Aussage nicht verwerfen. Zum einen passt es sehr gut in einen möglichen Tatablauf, wie Lestrade sehr schön dargestellt hat, zum anderen kann ich nicht glauben, dass Richardson die Leiche übersehen hat. Damit ergäben sich für mich nur folgende mögliche Szenarien:

1. Dr Phillips hat recht! Dann müssen wir aber davon ausgehen, dass Richardson gelogen hat.
a) Er hat gelogen in Bezug auf seinen Kontrollgang in den Hinterhof, und er war an diesem Morgen gar nicht in Hanbury Street 29. Aber warum sollte er so etwas tun, und sich damit in die Nähe eines Mordtatorts bringen?
b) Er hat gelogen in Bezug darauf, dass er die Leiche von Annie Chapman nicht gesehen haben will. In diesem Fall hätten wir einen ernsthaften Verdächtigen!
In beiden Fällen müssten dann die Ereignisse, die Long und Cadoche berichten, vom Tatgeschehen völlig unabhängige Ereignisse sein.

2. John Richardson hat recht! Dann müssen wir davon ausgehen, dass Dr Phillips sich geirrt hat, und die Ereignisse waren wahrscheinlich so, wie Lestrade sie beschrieben hat.

Offline Lestrade

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Re: Wie dunkel ist dunkel?
« Antwort #3 am: 16.06.2011 15:11 Uhr »
Vielmehr sollte es in diesem Thread darum gehen, welcher Aussage mehr Glauben geschenkt werden kann: Richardsons oder Dr Phillips?


Sehr schwierig Shadow! Die Ärzte verwirren mich im ganzen Fall am meisten. Da liest und erfährt man viel gegensätzliches. Ich würde beiden glauben, Dr.Phillips jedoch, obwohl sicher nach besten Wissen und Gewissen handelnd, hatte es nicht einfach, den Zeitpunkt zu bestimmen, würde ich meinen. Stell dir vor, man hätte sie 3-4 Stunden später gefunden, was wäre dann dazu herausgekommen?

Swanson trug in einem Dokument 6.00 Uhr als Zeitpunkt ein.

findest du hier im Buch:

Jack the Ripper: Scotland Yard Investigates

oder auch hier:

http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1078.msg20679.html#msg20679

Glauben wir Mrs. Long die Zeit um 5.30 Uhr und Cadosch hörte alles nach dieser Zeit, sagen wir 5.33- 05.37 Uhr, dann wäre Swanson näher dran als Dr. Phillips bezüglich der Zeugenaussagen. Beide trennen dann über 2 Stunden in ihren Meinungen.

Vertraute Swanson anderen medizinischen Meinungen oder hatte er eine Information, die uns nicht bekannt ist und ihn 6.00 Uhr hat eintragen lassen? Am nächsten dazu, wäre John Davis dran, der traurige Finder der armen Annie Chapman. Die Hintertür war angeblich verschlossen aber die vordere Eingangstür sperrangelweit offen... so wohl sein Statement...
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Offline Shadow Ghost

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Re: Wie dunkel ist dunkel?
« Antwort #4 am: 16.06.2011 16:15 Uhr »
Swanson trug in einem Dokument 6.00 Uhr als Zeitpunkt ein.

findest du hier im Buch:

Jack the Ripper: Scotland Yard Investigates

oder auch hier:

http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1078.msg20679.html#msg20679

Für mich sieht diese Auflistung aber eher nach den Zeitpunkten aus, zu denen die Leichen entdeckt wurden, nicht nach den Todeszeitpunkten.

Offline Lestrade

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Re: Wie dunkel ist dunkel?
« Antwort #5 am: 16.06.2011 16:29 Uhr »
Für mich sieht diese Auflistung aber eher nach den Zeitpunkten aus, zu denen die Leichen entdeckt wurden, nicht nach den Todeszeitpunkten.

Du hast absolut recht Shadow... so kann man sich irren, wenn man sich erinnert, dass bei Kelly keine Zeit eingetragen war und man dadruch "kombiniert", dies wären die Zeitpunkte gewesen, wo der Tod eingetroffen ist und meint, bei Kelly haben sie es nie richtig gewußt. Ab jetzt werde ich es richtig betrachten oder wieder...

Trotzdem ein gutes Beispiel, wie man sich in seinen Aussagen irren kann und das ist eben auch ein wichtiges Thema... Also danke für´s "Geraderücken"...
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Cassandra

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Re: Wie dunkel ist dunkel?
« Antwort #6 am: 17.06.2011 08:18 Uhr »
ich habe wegen des todeszeitpunktes noch mal bei evans/ rumbelow nachgelesen ... sie merken in ihrem buch ("Jack the Ripper - Scotland Yard investigates") an, wie ungemein schwierig zur damaligen zeit die feststellung des todeszeitpunkts war.

er wurde vom grundsatz her aus drei punkten hergeleitet:
1. rückgang der körpertemperatur; hierbei ist die körpertemp. rektal zu messen und gleichzeitig die temperatur der umgebung; dr. phillips habe weder das eine noch das andere gemessen;
2. fortschritt der totenstarre; rigor mortis setzt ca. 2-4 stunden nach dem tod im kiefer/hals- bereich ein; 8-12 stunden nach eintritt des todes ist er abgeschlossen; für die moderne wissenschaft ist der fortschritt der leichenstarre die schlechteste art, den todeszeitpunkt zu bestimmen, da er von sehr vielen variablen abhängig ist.
3. verdauung; unter normalen umständen verdaut der magen seinen inhalt innerhalb von 4 bis 6 stunden nach einer mahlzeit

ich persönlich denke, dass zeugen, noch dazu in der nacht, oftmals eine falsche idee von der uhrzeit haben. (hier fällt mir noch ein, dass arbeiter sich damals in den polizeirevieren in listen eintragen lassen konnten, um sich gegen ein geringes entgeld von einem polizisten auf streife wecken zu lassen) wenn man ebenfalls bedenkt, dass viele nicht mal eine uhr hatten und sich im zweifel an die kirchenglocken halten mussten, beschleichen mich zweifel an minutengenauen angaben eben dieser zeugen.

Offline Lestrade

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Re: Wie dunkel ist dunkel?
« Antwort #7 am: 17.06.2011 11:05 Uhr »
Dann haben wir hier die Dinge doch ganz gut herausgearbeitet.

Dr. Phillips verfehlte es, den genauen Zeitpunkt nachzuweisen und somit hätte Annie Chapman nicht bereits zwei, sondern erst eine Stunde tot sein können. Dies würde dann tatsächlich die Aussage von Richardson bestätigen, dass er um 4.45 Uhr nichts sah und demnach zu der Zeit auch die Dämmerung einsetzte. Mrs. Long sah dann mit dem ersten "Sonnenlicht" und recht klaren Himmel Annie Chapman mit dem "heruntergekommenen Herren" und Cadosch machte sehr zeitnah seine Beobachtungen. Ich spekuliere, dass Mrs. Long etwas früher als 5.30 Uhr das Pärchen beobachtete und dieses umgehend in den Hinterhof verschwanden. Dort müsste für diese Art von Täter eine Blitzattacke erfolgt sein und somit könnte man hier Cadosch gehörtes "No" einordnen. Ob 3-4 Minuten später etwas gegen den Zaun fiel oder der Täter einfach die Hintertür laut schloß, darüber kann man ebenfalls spekulieren. Ich bitte zu bedenken, dass zwischen Treppe und Zaun nicht viel Platz war und auch der Täter gegen den Zaun gestoßen sein könnte. Der mögliche Todeszeitpunkt um ca. 5.30 Uhr scheint mir recht sinnig, Dr. Phillips erschien um 6.30 Uhr und dass sie weniger als eine Stunde nicht mehr am Leben war, dürfte er auch ohne diverse Hilfsmittel erkannt haben. Ich würde meinen, von der Sichtung Mrs. Longs bis der Täter wieder den Hinterhof verließ, vergingen ca. 10 Minuten (ca. 05.28- 05.38 Uhr). Der Täter agierte unter guten Lichtverhältnissen.

Mit den Angaben von Zeiten durch die Zeugen, stimme ich überein. Da darf man gerne (in den meisten Fällen) 10, wenn nicht gar mehr, Minuten nach vorn oder hinten verschieben.

Aber wie dunkel ist nun dunkel? Ich biete euch an, Anfang September, an 2-3 Morgen, die hiesigen Lichtverhältnisse zu dokumentieren. Wer Interesse hat macht mit.

Grüße.
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Offline Shadow Ghost

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Re: Wie dunkel ist dunkel?
« Antwort #8 am: 17.06.2011 11:31 Uhr »
Wie gesagt hat Cadosch auf die Kirchturmuhr geblickt. Daher dürfte seine Zeitangabe halbwegs korrekt sein. Ich würde daher den ganzen Ablauf etwas früher ansetzen, aber ansonsten stimme ich mit Lestrade überein.

Offline Lestrade

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Re: Wie dunkel ist dunkel?
« Antwort #9 am: 17.06.2011 12:34 Uhr »
Einverstanden Shadow!

Ich recherchierte eben nochmals...

Laut eines Bericht von Swanson, ging Cadosch um 5.25 Uhr das erste Mal in den Hof, um 5.28 Uhr das zweite Mal und blickte dann auf der Kirchturmuhr um 5.32 Uhr als er sich auf den Weg zur Arbeit machte. Es ist zu vermuten, dass es Cadosch echt mit der Blase und es auch sehr "eilig" damit hatte...

Dann müsste man die Zeit, von Mrs. Long´s Sichtung bis der Täter den Hof wieder verließ, nun von 5.23 Uhr- 5.33 Uhr ansetzten. Diese Zeit (unmittelbar vor dem Begehen des Hinterhofs durch Opfer und Täter) würde meiner Meinung nach auch bleiben, wenn Mrs. Long um 5.15 Uhr ihre Beobachtung gemacht hätte und um diese Zeit eine andere Uhr vernahm und Sie diese Zeit irrtümlicher mit 5.30 Uhr verwechselte. Allerdings wären sich dann Opfer und Täter um 5.15 Uhr einig gewesen (Will you? Yes!). Warum also ca 8 Minuten warten und dann erst durch den Durchgang den Hinterhof betreten? Natürlich hätten Opfer und Täter einige Minuten im Hinterhof verbringen können, gebe ich zu aber ich denke, diese Art Täter schlug unter diesen Umständen sofort zu. Genau weiß ich dies aber natürlich nicht. Auch meine vorhin erwähnte Tür/Zaun Geschichte, müsste man dann unter anderen Aspekten sehen und der Täter müsste sehr schnell gewesen sein. 3-4 Minuten am Tatort? Kann ich nicht wirklich beantworten...

Also doch eher Mrs. Long die mit ihrer Zeitangabe falsch lag? Sieht so aus und dann mindestens 6-7 Minuten vor 5.30 Uhr.
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Offline Lestrade

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Re: Wie dunkel ist dunkel?
« Antwort #10 am: 03.09.2011 12:24 Uhr »
Hallo Shadow!

Ich habe heute morgen, gemeinsam in einem Team, Fotos machen können. Der heutige Morgen war mit all seinen Umständen perfekt dafür. Ich hoffe, alsbald die Fotos und meine Erfahrungen dabei hier vorstellen zu können.

Viele Grüße,

Lestrade.
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Offline Lestrade

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Re: Wie dunkel ist dunkel?
« Antwort #11 am: 04.09.2011 14:21 Uhr »
Ich möchte hier jetzt mit einem Foto einen Anfang machen. Dazu benötige ich eure Hilfe. Bitte beachtet, dass ich kein Profi bin und hier alles schildere wie Otto Normalbeobachter.

Einleitend möchte ich erwähnen, dass ich die Zeiten, die ich jetzt erwähne, bereits "übersetzt" habe.

Um 4.45 Uhr war es im Hinterhof schon so hell, dass man alles überblicken konnte. Richardson´s Aussage traf voll zu. Er hätte Annie Chapman sehen müssen. Zwischen 05.15-05.20 fand der eigentliche "Sonnenaufgang" statt, der recht schnell voranging. Vorher, so ab 4.35 Uhr setzte die Dämmerung ein. Langsam aber stetig, zwischendurch schien sie einmal zu verharren. Da es zwischen den Aussagen von Cadosch und Mrs. Long Diskrepanzen gab, habe ich ein Bild gewählt, welches aus der Sicht von Mrs. Long, um 5.20 Uhr vor ihren Augen aufgetaucht wäre. Mrs. Long meinte, ihre Beobachtungen um 05.30 Uhr gemacht haben zu wollen. Cadosch hatte seine Erlebnisse zwischen 05.15 Uhr und 05.32 Uhr. Mir erscheint es eher, dass Mrs. Long um 05.15 Uhr Opfer und Täter gesehen hatte. Folgendes Bild von 05.20 Uhr, würde die Lichtverhältnisse zeigen, welche, wenn man Cadosch glauben mag, in etwa bei der Durchführung der Tat vorhanden gewesen sein müssen. Oder aber, wenn man Mrs. Long glaubt, kurz bevor sie selber diese Personen erblickte. Für alles bietet sich dieses Bild von 05.20 Uhr gut an. Damals waren kaum Wolken, wir hatten auch so gut wie keine. Ein paar Schleiher vielleicht. Der Täter agierte bei guten Lichtverhältnissen und spazierte unter solchen auch zu seiner Unterkunft zurück.

Viel wichtiger jedoch, wie alt schätzt ihr diesen Mann auf dem Foto? Mrs. Long meinte damals um die 40 Jahre. Mehr, wie wir hier von diesem Darsteller, dürfte Sie wohl auch kaum von ihrem Verdächtigen bemerkt haben. Was meint ihr?
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DaniD

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Re: Wie dunkel ist dunkel?
« Antwort #12 am: 04.09.2011 20:00 Uhr »
Hallo Lestrade,
ich bin wirklich verblüfft, wie hell es um diese Uhrzeit scheinbar war. Ich habe mir das immer viel dunkler vorgestellt. Ds Foto bringt mich mal wieder zum Nachdenken. Ich versuche mir eine Gasse in London zu dieser Zeit vorzustellen. Konnte es evtl. sein, dass es durch die engen Gassen und die hohen Gebäude doch wesentlich dunkler war ? Wahrscheinlich eher nicht. Zumindest nicht wesentlich. Ach ich hab mir die Szenarien immer in enger, dreckiger und dunkler Umgebung vorgestellt. Hier scheint es aber nicht mehr ganz zu passen. Den Mann auf dem Bild würde ich etwas jünger schätzen. So zwischen 30 -37. Bin gespannt auf weitere Reaktionen.
@ Lestrade Vielen Dank für die fotografische Recherche
Gruß Dani

Offline Lestrade

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Re: Wie dunkel ist dunkel?
« Antwort #13 am: 04.09.2011 20:52 Uhr »
Hi Dani,

die Fotos sind natürlich auf reiner Amateurbasis entstanden.

Die Hanbury Street war zwar eine längliche Straße aber eben auch nicht mit "Hochhäusern" beflankt. So etwas 1:1 hinzukriegen, ist natürlich nahezu unmöglich. Den "Hinterhof" den wir verwendeten, kam dem allen schon bedeutend näher. Die Vorderfront- Szenerie konnte da nicht mithalten, war aber auch nicht zu verachten. Wir machten eben das Beste daraus. Aber es war interessant, selber einmal auf diese Art, die Dämmerung und den Sonnenaufgang bewußter wahrzunehmen. Eben Richardson´s Beschreibung der bereits eingesetzten, vorhandenen Dämmerung, bis zu Mrs. Long´s Bemerkung, dass die Sonne aufging. Dieses Verbrechen fand eben später statt als das von Nichols, Stride oder Eddowes. Die Tat an Kelly erst wieder im November. Ich bin ja auch kein Wetter- Experte aber von den ersten Lichteinfällen bis zum Sonnenlicht vergingen unserer aller Meinung nach ca. 35min.
Die Vorderfront der Hanbury-Street war ja auch keine Gasse o.ä., wie z.B. der Dutfield´s Yard oder die Church Passage bzw. Miller´s Court.

Als nächstes noch ein Foto von 04.49 Uhr als Richardson das Haus wieder verlassen hatte. Und danke für deinen Tipp wegen dem Alter. Schwierig oder?

Grüße, Lestrade.
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Direwolf

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Re: Wie dunkel ist dunkel?
« Antwort #14 am: 05.09.2011 00:39 Uhr »
Hallo zusammen :)

Uff, Lestrade.. damit hatte ich nun echt nicht gerechnet. Auch wenn das obere Foto nur auf Aamateurbasis entstanden ist und die Lichtverhältnisse auch nicht 1 zu 1 mit den von 1888 übereinstimmen, so kann ich mir nicht vorstellen, dass der Unterschied so rapide ausfällt, wie beispielsweise im vergleich zu deinem zweiten Foto. Auch ich war immer der Vorstellung verfallen, dass es eher finster und unheimlich war, als so hell beleuchtet. Ich denke von dieser Vorstellung dürften wir uns trotz allem nun verabschieden. Zu deinem Altersschätzungsanliegen: Auf Foto Nr. 1 würde ich die Person ebenfalls auf ca. 35 schätzen, +/- 1-2 Jahre vielleicht.

Auf Foto Nr. 2 schaut das ganze schon anders aus. Hier würde meine Einschätzung so ab 40 aufwärts ansiedeln. Um ehrlich zu sein könnte ich auf dem zweiten Bild nicht einmal genau sagen, ob die männliche Person nun einen Vollbart hat, oder noch nur Bartstoppeln. Wenn ich mir nun vorstelle, diese Person nur kurz zu sehen, sozusagen im Vorbeigehen, so kann ich mir nun auch gut vorstellen, weshalb sich die Beschreibungen der Zeugen so munter vor sich hin variieren.

L.G.
Direwolf