Autor Thema: Mary Kelly und der verlorene Schlüssel  (Gelesen 25834 mal)

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Offline Anirahtak

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Re: Mary Kelly und der verlorene Schlüssel
« Antwort #15 am: 26.10.2010 22:53 Uhr »
Hallo KvN,

das ist ganz interessant - für meine persönlichen Überlegungen wäre es nämlich ganz "passend" wenn er sie gekannt hätte. Damit meine ich auch nicht unbedingt eine enge Bindung, tatsächlich eher flüchtig. Im Prinzip hätte er nicht mehr über sie wissen zu brauchen als wir: Geht anschaffen, wohnt allein in einem eigenen Zimmer und nimmt Freier dorthin mit. Ich meine ja, sie wurde wegen dieses Zimmers zu seinem Opfer. Da ich mir nicht recht vorstellen kann, dass er sich bei Verhandlungen mit Prostituierten explizit nach einem geschlossenen Raum erkundigte (für so unvorsichtig halte ich ihn nicht), denke ich mir, dass er Kelly für sein Vorhaben ausguckte, von der er entsprechendes wusste.

Was nun meine Vorstellung von deiner unterscheidet, ist, dass er unter anderem wegen der "unvollendeten" Tat bei Stride Wert auf einen geschlossenen Raum legte. Womit ich dir Stride als Opfer nicht einreden will, nur der Vollständigkeit halber.

Wegen der Polizei - einerseits war das Handwerk noch recht jung, andererseits frage ich mich auch manchmal... Aber um eine Verschwörung zu vermuten, ist mir das noch nicht genug. Ich glaube, sie konnten es damals wirklich noch nicht besser. Hätte eine Verschwörung überhaupt durch vorgespielte Inkompetenz kaschiert werden müssen? Ich denke nicht.

Schöne Grüße allerseits

Offline panopticon

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Re: Mary Kelly und der verlorene Schlüssel
« Antwort #16 am: 27.10.2010 05:28 Uhr »
Hallo Anirahtak!

Du hast völlig recht: Allzu großen Unterschied macht es letztlich aufgrund der aktuell vorliegenden Fakten und deren Beurteilbarkeit im Endeffekt wohl keinen – ich wollte es primär als weitere Denkmöglichkeit und eben auch im Bezug zu einigen Details und auch zeitbezogen  erwähnen – vielleicht entdeckt ja zum Beispiel mal jemand ein diesbezüglich interessantes Detail (in Text oder Bild). Wie Du und KvN (wenn ich Euch richtig verstehe), sehe ich den ´Ripper´ auch nicht als völlig ´konzeptlosen´ Irren, der einfach dort zuschlug, wo er sich gerade zufälligerweise aufhielt und sich gerade die Möglichkeit zum Morden bot, sondern primär auch als (wie auch immer motivierten) Psychopathen. Die Frage ist aber dann dennoch, wie weit sein mögliches ´Konzept´ ging. Ad hoc würde ich sagen, er hat das Gebiet (´Christ Church´ in diesem konkreten Fall, Whitechapel und Umgebung im Allgemeinen) zwar (warum auch immer) ´ausgewählt´, hätte Kelly aber auch im offenen Hof getötet, wenn er das Risiko einer Entdeckung als dementsprechend gering empfunden hätte. (Ob er allein agierte, ist ja zudem auch noch fraglich.) Eure Idee, dass er das Gebiet zuvor eventuell ´auslotete´ oder (inklusive Opfer und dessen Situierung) ohnedies irgendwie ´kannte´, ist aber, gerade, weil auch ich von keinem völlig spontanen Täter ausgehe, auf gar keinen Fall von der Hand zu weisen! Obwohl  ich eher davon ausgehe, dass Kelly sich ursprünglich zur Bettruhe begab, sehe ich aber ein Problem mit einer Art ´Einbrecher´ – gerade, wenn der Schlüssel fehlte: Prater hat sich ihren Angaben zu Folge ´verbarrikadiert´. Die Polizei ´krachte´ laut Dr. Phillips tatsächlich ins Zimmer, zumal die Tür auch an den Tisch stieß, und auch der zweite Stuhl befand sich dem zweiten Tatortfoto zu folge in Türnähe (und wurde auch schon mal mit einer Axt verwechselt, was hier aber nichts zur Sache tut). Deshalb habe ich mich gefragt, ob es nicht noch eine Möglichkeit gäbe, dass der Täter Kelly ursprünglich auf der Straße (womöglich als Freier) begegnete, sie sich zum Schlafen begab, und der Täter dennoch nicht einbrechen musste. Eine trotz ´Zweisamkeit´ erfolgte ´Verbarrikadierung´ könnte ihm letztlich ja sogar gelegen gekommen sein –  dass das Aufbrechen der Tür durch die Polizei in diesem Fall letztendlich ganz gut zu seinem  ´Konzept´ gepasst haben könnte, sehe ich eigentlich so wie KvN. Die schwierigere Frage ist m. E. nach aber, wie der  Täter nun genau reinkam... (Hoffe, es ist annähernd nachvollziehbar, bin gerade alles andere als ´ausgeschlafen´.)


Beste Grüße,
panopticon

Offline Lestrade

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Re: Mary Kelly und der verlorene Schlüssel
« Antwort #17 am: 27.10.2010 08:02 Uhr »
Ich möchte weiterhin auf die Möglichkeit verweisen, das der Täter be Kelly, wie möglicherweise schon bei Nichols und Stride, erneut zu diesen Frau zurückkkehrte. Was auch immer seine Motivationen dafür waren. Die plötzliche, überfallartige Attacke sollte bei der zweiten Begegnung stattgefunden haben. Meiner Meinung nach öffnete Kelly dem Täter einfach die Tür, weil sie wußte, das er es nocheinmal war.

Vielleicht ging sie wirklich von einer Art "Übernachtung" aus und kannte diesen Mann, vielleicht vom Sehen her...
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Maicrit

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Re: Mary Kelly und der verlorene Schlüssel
« Antwort #18 am: 28.10.2010 16:07 Uhr »
Hallo Lestrade,

interessanter Gedanke,daß JtR.bei einem Folgebesuch zuschlug,Mary und JtR.sich schon gekannt haben.
Da der Ripper den Schlüssel besaß,könnte das dessen Verschwinden erklären,und auch die defekte Fensterscheibe.
Mary als auch Barnett wussten nicht genau wann der Schlüssel abhanden kam,Zitat:"Der Schlüssel ging vor einiger Zeit verloren",Zitat Ende.
Vielleicht dachte MJK nie an die Möglichkeit,daß ein Freier bzw. Besucher den Schlüssel entwendet hatte.
Das JtR.den Schlüssel durch einen Griff durchs Fenster zunächst einmal nur klaute,während Mary schlief,ist eventuell auch in Betracht zu ziehen.
Allerdings würde sich Mary bestimmt daran erinnert haben,daß sie mit ihrem Schlüssel vor dem zu Bett gehen die Tür abgeschlossen hatte.
So ganz sorglos ist Mary hinsichtlich des Schlüssel jedoch nicht gewesen.
Nach entdecken der Leiche wurde die Tür gewaltsam durch die Polizei geöffnet,und die Tür stieß gegen einen Tisch.
Mary machte sich einige Gedanken darüber,daß jemand mittels Griff durchs Fenster die Tür öffnet,eindringt und ihr etwas antun könnte.Dabei dachte sie vermutlich auch manchmal an JtR.


Gruß





Offline Lestrade

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Re: Mary Kelly und der verlorene Schlüssel
« Antwort #19 am: 28.10.2010 18:28 Uhr »
Hallo Maicrit!

Die Zeugin Mrs. Cox erwähnte nicht,  das Kelly erst durch´s Fenster griff, bevor sie in ihr Zimmer eintrat. Sie sah Kelly ja angeblich mit "Blotchy". Ich weiß auch nicht genau, wie so ein Schloß damals funktionierte, ist aber möglich, das man von innen die Türe beliebig auf und zu machen konnte, von außen aber einen Schlüssel brauchte. Keine Ahnung. Haben wir hier schon mal diskutiert, vielleicht findest du es ja noch. Hat man viel Fantasie bei den Zeugenaussagen, dann könnte man zu der Meinung kommen, das der Ripper schon 1-2 Stunden vor der eigentlichen Ermordung, auf Nichols, Stride und Kelly traf. Und letztendlich nur auf den ihm passenden Moment wartete. Möglich, das er mit bestimmten Versprechungen dabei agiert hatte. Ziel war es, Vertrauen bei den Opfern zu erwecken. Im Laufe der Mordserie, sollte sich das aber immer schwieriger gestaltet haben. Mit "kennen" wäre ich vorsichtig. Dies ist ein weites Feld. Die Möglichkeit bestand ja, das man sich mal über den Weg gelaufen war. Und dabei kann jeder verschieden, andere Eindrücke mitnehmen. Sollte sie tatsächlich wieder einen Schlüssel gehabt haben, dann war er auf jedenfall weg. Dann hatte der Mörder die Türe abgeschlossen und den Schlüssel mitgenommen. Werden wir wohl nie erfahren...

Gruß.
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Offline Anirahtak

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Re: Mary Kelly und der verlorene Schlüssel
« Antwort #20 am: 29.10.2010 00:22 Uhr »
Hallo!

Hallo Anirahtak!

Du hast völlig recht: Allzu großen Unterschied macht es letztlich aufgrund der aktuell vorliegenden Fakten und deren Beurteilbarkeit im Endeffekt wohl keinen – ich wollte es primär als weitere Denkmöglichkeit und eben auch im Bezug zu einigen Details und auch zeitbezogen  erwähnen – vielleicht entdeckt ja zum Beispiel mal jemand ein diesbezüglich interessantes Detail (in Text oder Bild).
Verstehe. Ich fragte mich nur, ob du auf etwas hinaus wolltest, was mir entgangen war. Aber jetzt ist es klar. Es schadet sicher nicht, Abläufe zu rekonstruieren zu versuchen, die zum aktuellen Zeitpunkt noch keinen Unterschied ausmachen.

Zitat
Wie Du und KvN (wenn ich Euch richtig verstehe), sehe ich den ´Ripper´ auch nicht als völlig ´konzeptlosen´ Irren, der einfach dort zuschlug, wo er sich gerade zufälligerweise aufhielt und sich gerade die Möglichkeit zum Morden bot, sondern primär auch als (wie auch immer motivierten) Psychopathen. Die Frage ist aber dann dennoch, wie weit sein mögliches ´Konzept´ ging. Ad hoc würde ich sagen, er hat das Gebiet (´Christ Church´ in diesem konkreten Fall, Whitechapel und Umgebung im Allgemeinen) zwar (warum auch immer) ´ausgewählt´, hätte Kelly aber auch im offenen Hof getötet, wenn er das Risiko einer Entdeckung als dementsprechend gering empfunden hätte.
Das hätte er bestimmt. Meine Vermutung ist halt, dass ihm der Sinn aus Sicherheits- und anderen Gründen nach einem geschlossenen Raum stand. Wie weit ging das Konzept...? Ich schätze, er wird nicht tage- oder wochenlang detaillierte Pläne ausgearbeitet haben, sich aber mindestens vor den Taten überlegt haben, wie er vorgehen wird, also keinesfalls erst währenddessen. Ausnahme bei Eddowes; vielleicht ging er auch schon bei Stride spontan vor, was dann für ihn ja beinahe schiefgegangen wäre, für sie trotz allem. Insofern wäre diese Nacht abweichend von seinem sonstigen, überlegteren Vorgehen abgelaufen, was auch ihm im Nachhinein eingeleuchtet haben könnte und er sich nach einer Möglichkeit in einem geschlossenen Raum umsah. Ich kann nicht beurteilen, ob er die anderen Orte ebenso gründlich im Vorhinein "auslotete", aber ich denke, eher nicht. Da verließ er sich wohl auf die Prostituierte, einen unbemerkten Ort zu finden und auf seine Intuition, ob die Luft rein war.


Zitat
(Ob er allein agierte, ist ja zudem auch noch fraglich.) Eure Idee, dass er das Gebiet zuvor eventuell ´auslotete´ oder (inklusive Opfer und dessen Situierung) ohnedies irgendwie ´kannte´,
Das Wort "kannte" habe ich ja eingebracht. Man kann es aber gerne streichen und durch "er wusste etwas über Kelly" ersetzen, siehe auch oben: Wohnt alleine in einem Raum, geht anschaffen und nimmt Freier dorthin mit. Davon hätte er erfahren können, ohne jemals mit ihr selbst mit ihr gesprochen zu haben. Keinesfalls wollte ich darauf hinaus, der Ripper sei ein näherer Bekannter Kellys gewesen.


Zitat
ist aber, gerade, weil auch ich von keinem völlig spontanen Täter ausgehe, auf gar keinen Fall von der Hand zu weisen! Obwohl  ich eher davon ausgehe, dass Kelly sich ursprünglich zur Bettruhe begab, sehe ich aber ein Problem mit einer Art ´Einbrecher´ – gerade, wenn der Schlüssel fehlte: Prater hat sich ihren Angaben zu Folge ´verbarrikadiert´. Die Polizei ´krachte´ laut Dr. Phillips tatsächlich ins Zimmer, zumal die Tür auch an den Tisch stieß, und auch der zweite Stuhl befand sich dem zweiten Tatortfoto zu folge in Türnähe (und wurde auch schon mal mit einer Axt verwechselt, was hier aber nichts zur Sache tut). Deshalb habe ich mich gefragt, ob es nicht noch eine Möglichkeit gäbe, dass der Täter Kelly ursprünglich auf der Straße (womöglich als Freier) begegnete, sie sich zum Schlafen begab, und der Täter dennoch nicht einbrechen musste. Eine trotz ´Zweisamkeit´ erfolgte ´Verbarrikadierung´ könnte ihm letztlich ja sogar gelegen gekommen sein –  dass das Aufbrechen der Tür durch die Polizei in diesem Fall letztendlich ganz gut zu seinem  ´Konzept´ gepasst haben könnte, sehe ich eigentlich so wie KvN. Die schwierigere Frage ist m. E. nach aber, wie der  Täter nun genau reinkam... (Hoffe, es ist annähernd nachvollziehbar, bin gerade alles andere als ´ausgeschlafen´.)
Tatsächlich bin ich jetzt etwas konfus... Wenn sie sich schlafen legte und er trotzdem nicht einbrechen musste, meinst du, sie legte sich in seinem Beisein schlafen?

Der Raum war sehr klein. Ich weiß nicht, ob man bis zu einem gewissen Maß zwangsläufig an Möbel stieß. Aber vielleicht hat er die Möbel auch extra verrückt, dass es so passieren musste. Nur, worin liegt da sein Vorteil?

Inwiefern das Türaufbrechen in sein Konzept passte, ist mir auch nicht so ganz klar. Er konnte nicht wissen, dass die Polizei die Axtmethode anwenden würde. Sollte er darauf spekuliert haben? Ich denke, das war ihm ziemlich egal.

Schöne Grüße

Offline panopticon

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Re: Mary Kelly und der verlorene Schlüssel
« Antwort #21 am: 05.11.2010 00:53 Uhr »
Hallo Anirahtak!

Tatsächlich bin ich jetzt etwas konfus... Wenn sie sich schlafen legte und er trotzdem nicht einbrechen musste, meinst du, sie legte sich in seinem Beisein schlafen?

Ja, das halte ich zumindest für eine weitere Möglichkeit. Es gibt andere Mordfälle jenseits von JtR, die durchaus mit dem von Mary Jane Kelly vergleichbar sind, wo ähnliches scheinbar tatsächlich geschah: Beispiele:

Die Prostituierte Dora Piernick zum Beispiel (1903), ich habe sie an anderer Stelle schon mal erwähnt (http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1250.msg19088.html#msg19088), hatte der Zeugin  Annie Cohen, einer anderen Prostituierten, zufolge Angst, allein in ihrem Zimmer im Lodging House zu schlafen (Sie hatte angeblich kurzfristig Gold in Höhe von 8 Pfund bei sich und fragte in der Mordnacht auch öffentlich diverse Personen wie den Händler Abraham Cohen, die Restaurantbetreiberin Jane Barber und ihre Schwägerin Sarah vergeblich, ob sie es ihr wechseln könnten – vielleicht hatte sie deshalb Angst?) -  Sie hat anderen Prostituierten, wie u.a. Annie Cohen, aber auch ihrer Schwägerin Sarah daher angeboten, bei ihr zu nächtigen, was Annie Cohen zwar einige Zeit tat, in Dora´s letzter Nacht aber trotz des gemütlichen Kamins, den Dora bewusst als Lockmittel einsetzte, ausschlug. Julian Bartelle, Dora Piernick´s ´Untermieter´ (der Mann im Raum unter ihrem) hörte, wie sich gegen 1h morgens die Tür zu ihrem Zimmer öffnete und irgendjemand den Raum betrat. Er schlief dann ziemlich durch, hörte aber gegen 6h morgens einen entsetzlichen Schrei, mehrere Schmerzenslaute einen lauten, krachenden Ton und zersplitterndes Glas, begab sich rauf und lauschte an der Tür von Dora, vernahm aber ´nur´ Stöhnen, lief vor´s Haus, um zu sehen, ob jemand aus dem Fenster türmte, und nachdem das nicht der Fall war, begab er sich wieder zu Bett. Am nächsten Nachmittag erkundigte sich ein junger Mann nach Dora. Die Frau des Landlord´s, Rosa Pourvoyer, die am Morgen ebenfalls Geräusche vernahm, stellte fest, dass der Schlüssel zu Dora´s Raum nicht da war (wohl ein Hotelartiges Etablissement) und Dora dementsprechend ausgegangen sein müsse – einige Stunden später brach aber schließlich ein Constable die Tür auf: Dora lag mit durchschnittener Kehle auf dem Bett, ihre Klamotten waren säuberlich zusammengelegt – Schlüssel und Mordwaffe fehlten, dafür war ein Fenster offen...

Auch Esther Praager (1908) hat ihren späteren Mörder – scheinbar ein Freier oder eine neue Bekanntschaft - vermutlich mit auf ihr Zimmer genommen und sogar Zeugen in der Unterkunft gegenüber angegeben, dass sie sich nun (also in Begleitung des fremden – und übrigens sehr schweigsamen – Mannes, den sie dabei hatte) schlafen legen werde... Wohl ein fataler Fehler, den Praager (wie Kelly nur mit Unterwäsche bekleidet, als man sie fand) nicht überlebte, aber so scheint es gewesen zu sein.

Ich denke eigentlich, dass es auch bei Mary Jane Kelly im Prinzip nicht viel anders gewesen sein könnte... Keine Beziehungstat, kein Einbrecher, kein Stalker oder Schlüsselfinder, sondern vielleicht nur ein auf der Straße aufgegabelter ´Freier´ oder ´neuer´ Bekannter, der ein bösartiges Ziel verfolgte, bereits mehrere Prostituierte auf dem Gewissen hatte, und letztendlich sogar kürzer blieb, als vom späteren Opfer ursprünglich gedacht...


Der Raum war sehr klein. Ich weiß nicht, ob man bis zu einem gewissen Maß zwangsläufig an Möbel stieß. Aber vielleicht hat er die Möbel auch extra verrückt, dass es so passieren musste. Nur, worin liegt da sein Vorteil?

Inwiefern das Türaufbrechen in sein Konzept passte, ist mir auch nicht so ganz klar. Er konnte nicht wissen, dass die Polizei die Axtmethode anwenden würde. Sollte er darauf spekuliert haben? Ich denke, das war ihm ziemlich egal.

Vorteil war´s nicht unbedingt, aber vielleicht kam es letztlich auch nicht gerade ´ungelegen´ – wir rätseln ja heute noch darüber. Ich denke jedenfalls, dass ein Einbrecher die Tür genauso gegen die Möbel hätte krachen lassen wie die Polizei - und jemand, dem Kelly die Tür öffnete, ihn aber nicht unbedingt hereinlassen wollte, hätte sie wohl an den Möbeln vorbei zum Bett ´manövrieren´ müssen...


Wie auch immer - zum Thema Schlüssel und Miller´s Court generell: Ich habe vorhin ja im Faden über den Miller´s Court u.a. einen Link zum Prozess zum Mordfall Kitty Ronan (1909) im Miller´s Court gepostet. Darin findet sich auch folgende Aussage von DI Wensley: 

Diese Passage im ´Morning Advertiser´: ´Die Türen der Häuser im Hof sind des nächtens nie verschlossen, so, dass jeder eintreten könnte´ ist die einzige Referenz, die ich von der offenen Tür kenne.“

Original, unter  falsch geschriebenem Opfernamen, nämlich ´Kitty Roran´ (sic):
http://www.oldbaileyonline.org/browse.jsp?id=t19090907-name-325&div=t19090907-77#highlight

Man könnte daraus doch möglicherweise u.a. auch ableiten, dass es eventuell auch Sache des jeweiligen Mieters war, selbst für ein Schloss zu sorgen (dann hätte McCarthy (während aller Morde im Miller´s Court Landlord, wenn meine Recherchen stimmen) in der Tat keinen zweiten Schlüssel gehabt und an dem Aufbrechen der Tür war im Grunde gar nichts sonderlich außergewöhnliches),....


Tja, schwierig, das Ganze, und dann eben auch noch die Frage, ob da nun Blut an der Scheibe war, und wem das dann gehörte, das wurde aber auch schon mal in einem anderen Faden diskutiert. (http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1018.0.html)

Ach ja, die anderen Fälle habe ich natürlich nur zum Vergleich erwähnt, nicht weil ich sie mit JtR in Verbindung bringen wollte – das wäre doch recht absurd, obwohl es mancherorts vorkommt.


Beste Grüße,
panopticon

Offline Anirahtak

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Re: Mary Kelly und der verlorene Schlüssel
« Antwort #22 am: 05.11.2010 23:30 Uhr »
Hallo panopticon,

vielen Dank für die Links und Hinweise. :)

In der Tat alles sehr schwierig. Ich gehe ebenfalls eher von einem Freier oder sonstwie "Aufgegabelten" aus als von allem anderen genannten (andere Möglichkeiten würde ich trotzdem nicht definitiv ausschließen, aber tendenziell eben einer, den sie selbst mitgebracht hat). Beim Einbrecher vermute ich zuviel Lärm - spätestens, wenn Kelly davon aufgewacht wäre. Wobei für mich auch die Frage im Raum steht, wieviel Krach denn eigentlich gemacht hätte werden müssen, damit wirklich mal jemand nachsehen gegangen wäre...

Und in "Blut an der Scheibe" wird noch die Möglichkeit eines Schnappschlosses eingebracht. Damit hätte sich der Täter ja gar nicht des Schlüssels bemächtigen müssen, ob vor oder nach der Tat.

Prostituierte, die Freier bei sich übernachten ließen - könnten das solche gewesen sein, die selbst keine feste Bleibe hatten und nicht die Dienstleistung zuzüglich des Lodging House für sich danach noch zahlen wollten?

Schöne Grüße

kokablue

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Re: Mary Kelly und der verlorene Schlüssel
« Antwort #23 am: 03.08.2011 11:14 Uhr »
Ich glaube der Tatsache wird zuviel Beachtung geschenkt.

Kelly hat Ihren Mörder schlicht mitgenommen - so wie die anderen auch (eventuell noch später reingelassen).
Das es in diesem Fall auf eine Unterkunft hinauslief - super für den Täter aber reiner Zufall.

Er ist dort nicht eingebrochen oder ähnliches..

Offline Anirahtak

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Re: Mary Kelly und der verlorene Schlüssel
« Antwort #24 am: 05.08.2011 02:07 Uhr »
Wenn es denn Zufall war, dann wäre er aber trotzdem von seinem sonstigen Opfer-Schema abgewichen. Gut, dazu müsste man natürlich wissen, ob die Altersstruktur der vorherigen Opfer auch nur Zufall war.

kokablue

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Re: Mary Kelly und der verlorene Schlüssel
« Antwort #25 am: 05.08.2011 06:58 Uhr »
@Anirahtak

Das ist ein Argument.

Ich erkläre mir damit aber immer die wüsten Verstümmelungen in Kellys Gesicht.
Dem Täter passte das jugendliche Gesicht vielleicht wirklich nicht und er hats entsprechend bearbeitet...


OceanTango

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Re: Mary Kelly und der verlorene Schlüssel
« Antwort #26 am: 05.08.2011 07:19 Uhr »
fragen über fragen.
rein technisch hat keiner recht von uns.
mary jane wußte doch das der täter unterwegs war um seine nächstes/n opfer zu suchen.
warscheinlich hat er ihr geld geboten um in das haus/heim zu kommen.
wie war das rein psychologisch beschützt doch die mutter ihr heim...
also brauchen wir GROSSES vertrauen auf jacks seite.
vielleicht hat er sie geliebt.
wer weiß...
liebe geht irrwege das weiß man doch.
liebe ist auch relativ und macht schmerzen. vielleicht war das der antrieb...
vielleicht kannten sie sich.
nicht auszuschließen.
ich denke frau kelly war nicht dumm auch die verstümmelungen sind frapierend im verhätnis zur mutter kind tötung oder umgekehrt.
täterspezifisch halt.

mal sehen wo es uns hintreibt....

ps.: frau kelly und die blume . welch poetische ausrichtung...  :yahoo:

Offline Anirahtak

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Re: Mary Kelly und der verlorene Schlüssel
« Antwort #27 am: 06.08.2011 08:56 Uhr »
@Anirahtak

Das ist ein Argument.

Ich erkläre mir damit aber immer die wüsten Verstümmelungen in Kellys Gesicht.
Dem Täter passte das jugendliche Gesicht vielleicht wirklich nicht und er hats entsprechend bearbeitet...

Das erkläre ich mir immer damit, dass er so lange ungestört war.