Autor Thema: Zeugenaussagen  (Gelesen 58225 mal)

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Offline Lestrade

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Re: Zeugenaussagen
« Antwort #15 am: 13.02.2010 07:13 Uhr »
Guten Morgen panopticon, Guten Morgen Shadow !

Super- superinteressant eure Beiträge. Sehr informativ und aufschlussreich eure Meinungen, vielen Dank.

Mir fehlt aber gerade die Zeit detallierter zu antworten.

Hanbury Street halte ich auch für den risikoreichsten Tatort. Unglaublich wie er vorging.

Grainger ist bemerkenswert, ohne Zweifel und sein abgebrochenes Medizinstudium und seine Tätigkeit bei der Feuerwehr machen Ihn sehr verdächtig. Allerdings wissen wir auch, dass der Ripper nicht der einzige Mörder war, der unterwegs gewesen ist. Ich zähle mindestens zwei weitere Männer dazu, deren Opfer in Verbindung mit den Rippermorden gebracht werden. Dann gab es ja auch noch offenbar Gangs die Frauen angriffen. Dazu noch Leather Apron, wo ich spekuliere das einige seiner Aktivitäten dem Ripper zugeordnet werden könnten, als erste Versuche. Zu dieser Geschichte wäre natürlich interessant zu erfahren, wer Der oder Die Zeugen waren.

Ich bin eben immer noch erstaunt wie der Ripper vorging. Der muss gedacht haben, ihm passiert garnix. Ich glaube Anderson hat sich einmal zu seinem Hauptverdächtigen geäußert, dass er den Constablers und Ermittlern aus seinem Bereich gut bekannt war. Sollte er während der Serie tatsächlich einmal von der Polizei interviewt worden sein, dann muss er sich ganz gut aus der Affäre gezogen haben, trotz seiner möglichen Vorgeschichte. In einem meiner ersten Postings habe ich einmal erwähnt, dass ich nicht glaube, dass die Polizei solch einen Mann als Ripper vermutet hätte, selbst wenn sich Beweislast ergeben hätte. Aber wie könnte dieser Mann überhaupt gelebt haben ? Ich weiß es nicht...

panopticon, eine schöne Idee mit Stride und dem Mann, der sie wohlmöglich eher aus der Gefahrenzone bringen wollte. Wäre mir nie eingefallen.

Vielleicht war diese Art von Serienkiller in 1888 doch nicht ganz so wie die in 1960er,1970er oder 1980er Jahren oder heute zu vergleichen. Immerhin sind die gesellschaftlichen Bedingungen wandelbar...

Klar, vielleicht wurden all die genannten Zeugen ja doch zu Gegenüberstellungen geladen aber nur einer konnte wirklich sicher sein bei der Erkennung.

Es grüßt euch,

Lestrade.
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Offline Lestrade

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Re: Zeugenaussagen
« Antwort #16 am: 13.02.2010 07:43 Uhr »
By the way...

Ich habe noch einen Mann gefunden, dessen Namen ich noch nie gehört habe in diesem Fall. Er wurde auch am Tatort von Stride gesehen. Interessant dabei ist, dass man diesen Namen, der völlig bei der Rippergeschichte unterging, heute mit einem Familienmitglied aus dem Kosminski Clan in Verbindung bringen kann. Dann hätten wir in einer Nacht, bei zwei Morden, zwei Zeugen dessen Sichtungen sich mit dem Namen "Kosminski" verbinden lassen, nämlich Levy und eben dieses anderen Zeugen. Finde ich bemerkenswert, da ja der Anderson Verdächtige eben genau diesen Namen "verliehen" bekommen hat.

Mach ich aber ein andermal ausführlicher...
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Offline Lestrade

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Re: Zeugenaussagen
« Antwort #17 am: 13.02.2010 08:42 Uhr »
So, bevor ich mich jetzt wirklich ausklinke...

Noch ein Gedanke, zwar vom Thema weg aber noch eine Idee zu der möglichen Lebensart des Rippers.

Und zwar betrifft es die Päckchen und/ oder Taschen die der Täter mitgeführt haben sollte. Mal daran gedacht, dass er mit irgendetwas Handel getrieben hatte, was ihn möglicherweise unverdächtig machte ? 

Bis dann...

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Aeneas

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Re: Zeugenaussagen
« Antwort #18 am: 14.02.2010 14:47 Uhr »
jüdisches Erscheinungsbild

was ist "jüdisches Aussehen"?? und worin liegt der unterschied zu "normalem Aussehen"???

zwo

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Re: Zeugenaussagen
« Antwort #19 am: 14.02.2010 15:38 Uhr »
Das hatte ich mich auch schon des Öfteren gefragt, als ich so gelesen habe.
Eine Kippa (hier schauen: http://de.wikipedia.org/wiki/Kippa ) als Erkennungszeichen wird damit wohl kaum gemeint sein. Oder andere traditionelle Kleidungsstücke.

Vielleicht war damals damit ein grundsätzlich dunklerer Typ gemeint. Dunkle Haare, dunkler Schnurri, vielleicht kleiner als der Durchschnitt = jüdisches Aussehen?

Offline Lestrade

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Re: Zeugenaussagen
« Antwort #20 am: 15.02.2010 10:02 Uhr »
Denke ich auch...

"Osteuropäisches" Aussehen (Polnisch, Russisch) vermute ich... Vielleicht noch eine Hakennase, die Klischees halt...
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Aeneas

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Re: Zeugenaussagen
« Antwort #21 am: 15.02.2010 11:28 Uhr »
naja, wenn "Jüdisches Aussehen" gleich "Osteuropäisches Aussehen" ist, wie sahen dann die Osteuropäer (Polen und Russen) eben aus????

Es muss doch einen gravierenden unterschied geben den manche Leute sogar im dunkeln sahen??????

Offline Lestrade

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Re: Zeugenaussagen
« Antwort #22 am: 15.02.2010 12:21 Uhr »
So, um auf meine Geschichte zurückzukommen...

Im Falle Stride gab es noch eine Zeugin, Fanny Mortimer. Sie sah im Falle Stride, um den Tatzeitpunkt herum, einen Mann mit einer Tasche. Dieser Mann war Leon Goldstein (Cigarette Maker), der aber wohl selber umgehend zur Polizei ging und auch nicht von der Polizei verdächtigt wurde der Ripper zu sein. Er lebte in der 22 Christian Street, nahe der Berner Street.

Irgendwann stellten Nachkommen einer Familie Otterstedt (wohl deutschstämmig) fest, dass Vorfahren einmal in der 22 Christian Street in London lebten. Unter dieser Adresse findet man in der Volkszählung 1881 auch eine Rebecca Goldstein. 1891 lebten Goldsteins dann aber einen Block weiter. Also kann also durchaus richtig sein, das 1888 ein Leon Goldstein unter dieser Adresse gemeldet war. Otterstedts behaupten, das in 1895 ein Maurice Kosminski (Master Baker, 32 Jahre in 1895) mit Familie ( Frau Rebecca 30 sowie die Kinder Israel 6, Betsy 5) zu dieser Adresse zog. Paul Begg sagt aber es wäre die Nummer 36 statt 22. Hierbei ist auch interessant, dass der Vorname Rebecca auch der gleiche war wie bei Frau Goldstein.
Über Maurice Kosminski ist wenig bekannt, auch nicht ob er verwandt ist mit Martin Kosminski. Martin Kosminski war ja dem Zeugen Joseph Hyam Levy bekannt, einem Zeugen aus dem Fall Eddowes aus der gleichen Nacht des Double Events. Maurice Kosminski stammte aber aus der Nähe von Kalisz, Martin Kosminski ja direkt aus diesem Ort in Polen.

1891 findet man den Maurice Kosminski und Familie noch unter der Adresse 70 Berner Street. 1888 wird noch unter dieser Adresse ein Louis Freedman geführt, er betrieb einen Backshop. 1889 ist er allerdings nicht mehr verzeichnet, möglich, das Maurice Kosminski schon in 1888 den Backshop übernahm. Auch hier wieder ein interessanter Aspekt, den ein Freedman lebte in der Volkszählung von 1881 noch in der 1 Black Lion Yard. Martin Fido, der ja "Kosminski" in Verbindung gleichsetzt mit David Cohen und Nathan Kaminsky sagt, Nathan Kaminsky lebte 1888 in 15 Black Lion Yard. 1881 gab es diese Nummer wohl noch nicht im Census.

In 45 Boyd Street lebte 1881 an der Ecke zur 70 Berner Street wo der Backshop lag ein Woolf Abrahams (Schneider,damals 18 Jahre, in 1888 also 25 Jahre), wohnte dort mit Moses Abrahams (?) zusammen. Möglicherweise mit Maurice Kosminski verwandt. Woolf könnte später eine Betsy Kosminski geheiratet haben. Zu den anderen Kosminskis findet wir ja Beziehungen zu dem Namen Abrahams.
Waren also Martin und Maurice verwandte Kosminskis ?

Welche Beziehungen könnte also unter den Goldsteins, Maurice Kosminski, Freedmans und Abrahams gegeben haben? Polizeibeamte behaupten Jahre später, sie hätten einen Tatverdächtigen in der Reihe von Schlächtern (Butchers) observiert. Könnte es auch unter der Reihe von Bäckern (Bakers) gewesen sein? Butcher´s Row/ Baker´s Row?

Leon Goldstein war Cigarette Maker. Lawende sah einen Mann mit Pfeife, bei Kelly wurde wohl auch eine gefunden. Dies ist ja ersteinmal nicht ungewöhnliches und ich möchte auch nicht Leon Goldstein verdächtigen, er war wohl auch über jeden Zweifel erhaben aber es bringt mich auf eine Idee. In den Kosminski- Beziehungen und Verwandschaft findet man, wenn ich mich recht entsinne, auch Tabakhändler. Möglich wäre es ja, dass der Ripper wie ein Hausierer durch die Gegend zog, in Pubs oder Logierhäusern sein Produkt anbot. So etwas wäre doch ein gute Tarnung, wer verdächtigt schon einen mit ´nem "Bauchladen"? Falls er in einer Bäckerei gearbeitet hätte, würde das auch die Zeitpunkte seiner Verbrechen erklären können. Wenn er um die Monatsmitte herum in einer Bäckerei beschäftigt gewesen wäre, so wie es vielleicht der Arbeitsplan hergab. Dies kann man natürlich auf alles mögliche konstruieren. Es sind nur Gedanken und Überlegungen meinerseits...

Es läßt sich auch wohl auch heute nicht mehr nachvollziehen ob Maurice Kosminski oder Louis Freedman Brüder hatten. Und wie sie miteinander verbunden gewesen sein könnten. Hatte Maurice Kosminski schon vorher bei Freedman gearbeitet? Warum gab Louis Freedman in 1888 oder danach sein Geschäft auf? War dieses Haus, das Haus des "Bruders", wie von Swanson beschrieben? Aber warum hätte dann die City Police hier observiert anstelle der MET?

Ich wollte es euch nur mitteilen, falls noch nicht bekannt.

Ich finde es halt bemerkenswert, dass man über beide Opfer des Double Events über die Zeugen Joseph Levy (Martin Kosminski) und Fanny Mortimer (Maurice Kosminski), wenn auch über Umwegen, Verbindungen entdeckt. Im Bezug zu einem der Hauptverdächtigen der Polizei mit Namen "Kosminski".

Es grüßt euch Lestrade.
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Re: Zeugenaussagen
« Antwort #23 am: 15.02.2010 12:23 Uhr »
naja, wenn "Jüdisches Aussehen" gleich "Osteuropäisches Aussehen" ist, wie sahen dann die Osteuropäer (Polen und Russen) eben aus????

Es muss doch einen gravierenden unterschied geben den manche Leute sogar im dunkeln sahen??????

Wie Juden !

Ach, was weiß ich Aeneas...
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Re: Zeugenaussagen
« Antwort #24 am: 17.02.2010 10:38 Uhr »
Um beim Thema der Zeugen weiterzumachen und auch auf KvN seine Meinung in einem anderen Thread einzugehen, möchte ich erwähnen, dass man Hutchinson nicht allzu schnell abstempeln sollte. Genau wie Matthew Packer, will auch Hutchinson den Verdächtigen Tage später wiedererkannt haben. Packer, dem man noch weniger Glauben schenkt als Hutchinson, könnte aber dennoch eine interessante Beobachtung gemacht haben, die in ähnlicher Weise auch Hutchinson widerfuhr.
Packer (und auch Hutchinson) könnte einen Mann gesehen haben, der unter vielen Namen bekannt gewesen war. Einer davon war “LeGrand of the Strand. In 1888 ca. 40 Jahre alt. Dieser Mann war Polizeibekannt und galt als sehr gewalttätig und mit einigen diversen kriminellen Delikten (Feuerlegen war wohl noch harmlos) ausgestattet. Es war bekannt, dass er Prostituierte verfolgte und schlug und ihnen die Schuld für alles Mögliche gab. Er gehörte wohl zu den Führern einer Art “Sicherheitsvereins“. Dieser Verein hatte wohl seinen Sitz unweit der Berner Street. Es war üblich, um Mitternacht herum zu zweit “auf Streife“ zu gehen und den alteingesessenen Prostituierten das Leben schwer zu machen und um “seinen Mädchen“ mehr Spielraum zum Geldverdienen zu geben.
In solch einer Einrichtung würden wir, für einen Mann wie Jack the Ripper, hervorragende Bedingungen vorfinden. Dort wäre ein Nährboden für Hass und Verfolgung gegenüber Prostituierten quasi legal. Dort hätte er offiziell agieren können ohne sofort in Verdacht zu geraten. Es wäre gut gewesen für Alibis. Möglicherweise wäre ein solcher Club auch ein gutes Versteck gewesen. Die bekannten Ermittler behaupteten ja über einen Hauptverdächtigen, dass er “allein in bestimmten Einrichtungen zu den Tatzeitpunkten herum“ genächtigt hätte.
Der Ripper hätte dann quasi um Mitternacht, mit Mitgliedern des Vereins und z.B. auch mit LeGrand, sich auf in die Straßen gemacht haben können. Aufgelockert mit Alkohol und ausgestattet mit einem Messer und einer Menge Hass. In der Nacht des Stridemordes eben mit jenem LeGrand. Dieser könnte ja der erste Stride- Angreifer gewesen sein. So wie dieser laut Schwartz auf die Frau zuging und Gewalt anwendete, wäre das ein passendes und bekanntes Verhalten für LeGrand gewesen. Möglicherweise haben sich die “Streifengänger“ dann getrennt und der Ripper konnte allein fortfahren mit seinen eigentlichen Absichten. Es wäre interessant zu erfahren, wann dieser Verein aktiv war. Nur Anfang und Ende eines Monats oder an Feiertagen, also dann wenn auch die Mitglieder nicht arbeiten müssen? Eddowes könnte bei diesem Vorgehen die Ausnahme gebildet haben. Da der Ripper bei Stride seine eigentlichen Absichten nicht ausführen konnte. Weder wusste er wo er schnell dieses Opfer findet oder sie sind Eddowes vorher in der Nacht oder überhaupt schon vorher begegnet.
Deswegen ist panopticon seine Theorie gar nicht so abwegig, dass der Ripper nicht gar ganz so allein agierte und die Begleiter vielleicht gar nicht ahnten wer da bei ihnen Mitglied ist. Die Taten führte er alleine aus, ganz klar aber auf dem Weg dahin, wäre ein solches Szenario ja möglich. Die Polizei vermutete ja eh Mitwisser oder Leute, die das Geheimnis des Rippers teilten. Dieses zunächst als “zweier Team“ unterwegs sein, könnte auch die unterschiedlichen Täterbeschreibungen erklären. Das vornehme Aussehen (LeGrand, also Hutchinson´s Aussage und Packer´s “Büroangestellten“ Beschreibung) und die Beschreibung eines schäbig- jüdisch- seemännischen Erscheinungsbildes (Marshall, Lawende).
LeGrand war auf jeden Fall bekannt und die Wahrscheinlichkeit von Packer oder Hutchinson wiedererkannt zu werden recht hoch. Solch einen Mann wie LeGrand, der auch vor Gewalt gegen Polizisten nicht halt machte, traue ich auch den Mut zu Packer einen “Besuch“ abzustatten. Auf diese Weise erkannte er ja jenen Mann aus der Nacht des Double Events wieder. Und hinter solch einer “Persönlichkeit“ hätte sich der eher unauffällige Jack the Ripper gut verstecken können.
LeGrand hatte Beziehungen nach Paris und Belgien, behauptet man. Mary Kelly reiste ja einmal unter dem Namen “Marie Jeanette“ nach Paris. Möglich, dass Kelly ein “Mädchen von LeGrand“ war. Falls der Ripper dann tatsächlich zum LeGrand Kreis gehörte, könnte er Kelly gekannt haben. Eine Sache die ich, wie ihr wisst, vertrete.
Genauso wie ich vermute, dass der Ripper in einer Gang war. Nun ja, LeGrand seine Einrichtung war wohl etwas Ähnliches. Hier könnte man denen auch die Aktivitäten von Leather Apron vor der eigentlichen Serie zuordnen.

Gruß, Lestrade.
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Stordfield

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Re: Zeugenaussagen
« Antwort #25 am: 17.02.2010 10:51 Uhr »
Hallo Lestrade!

Danke sehr für die interessanten Informationen.
Mit dem Privatdetektiv LeGrand hat der von Dir Beschriebene wohl nichts gemein, oder? Immerhin arbeitete der "Schnüffler" ja auch im Auftrag einiger Bürgerwehren, was ja auch so eine Art "Sicherheitsverein" ist.

Gruß Stordfield

Offline Lestrade

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Re: Zeugenaussagen
« Antwort #26 am: 17.02.2010 11:37 Uhr »
Hi Stordfield !

Ich glaub genau dieser LeGrand ist es. Habe diese Sachen aber meist überflogen. Bei seiner Vergangenheit, vor oder nach den Whitechapel- Ereignissen, ist es allerdings bemerkenswert, wie er sich für die Auflösung an Verbrechen gegen Prostituierte einsetzte. Irgendwo hab ich mal gelesen, dass er einen Brief mit roter Tinte, noch vor der Mordserie in 1888, an die Polizei oder so schrieb. Ähnlich einem angeblichen Ripper- Brief. Wenn er allerdings mit seinem Kollegen als "Detektiv" im Einsatz war und Packer interviewt haben will (wie ich gerade gelesen habe), dann könnte er aber nicht der Mann gewesen sein, den Packer wieder erkannt haben will. Das heißt nicht, dass LeGrand nicht am Tatort war. Verbindungen kann man deshalb trotzdem nicht ausschließen. Alles in allem könnte das jedoch ein paar Aspekte bei den Ripper- Briefen erklären, falls er den Täter kannte oder schützte. Es sind ja halt nur Überlegungen...weit hergeholt...
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Offline panopticon

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Re: Zeugenaussagen
« Antwort #27 am: 17.02.2010 14:39 Uhr »
Hallo Lestrade!

Zu Le Grand:

Wenn wir jetzt einfach alles, was gerade zufälligerweise in irgendwelchen Threads erwähnt wird, übereinandertürmen, bringt uns das, fürchte ich, nicht weiter. Wenn wir Le Grand als möglichen Täter aufgreifen, könnte ihn jeder Zeuge in jedem Fall gesehen haben – dazu müssten wir schon wissen, wie Le Grand ausgesehen hat. Also lassen wir Hutchinson mal weg. Auch, dass Packer Le Grand in der Nacht des Double Event in der Berner Street sah, halte ich für eine sehr gewagte Vermutung:

Matthew Packer hat ja, wie Du bereits erwähnt hast, Le Grand und seinen Kollegen Batchelor auf jeden Fall gesehen, aber eben nicht in der Mordnacht, sondern einige Tage später: Während Packer bei seiner Befragung durch Sergeant Stephen White am 30. September 1888 um 9h morgens ursprünglich angegeben hatte, nichts Auffälliges bemerkt zu haben, hat er es sich später scheinbar anders überlegt. Als White daraufhin (ich glaube am 4. Oktober?) die Order bekam, Packer zum Leichenhaus zur Identifikation der Leiche zu bringen, teilte ihm Mrs. Packer mit, dass ihr Mann bereits von zwei Detectives zu diesem Zweck abgeholt wurde, woraufhin sich White zum Leichenhaus begab, wo er die drei Herren antraf: White verlangte die Amtsbefugnis der beiden zu sehen, worauf sie ihm ihre Ausweise zeigten, ihm aber nicht gestatteten, diese in die Hand zu nehmen. Packer selbst erzählte plötzlich eine andere Geschichte, nämlich, dass die Tote wohl die Frau war, die in der Mordnacht in Begleitung eines Mannes Weintrauben bei ihm in der Berner Street gekauft hat. Als White Packer abermals in der Berner Street aufsuchte, fuhren Le Grand und Batchelor erneut vor und erklärten, Packer zu Charles Warren zum Scotland Yard zu bringen. Der Zeitung entnahm White, dass die beiden Detectives auch den Abfluss im Dutfield´s Yard untersucht haben, und dabei Weintrauben (bzw -stiele) gefunden haben sollen. Er erinnerte sich, dass einer der beiden einen Brief in der Hand hatte, der an ´Le Grand & Co, Strand´ adressiert war, und erstattete Bericht. Das ist ja der eigentliche Ursprung der ´Traubengeschichte´, und zu Recht steht die Vermutung im Raum, Le Grand und Batchelor hätten diese fingiert.

Le Grand ist natürlich eine interessante Figur, denn er war, wie Stodfield ja schon geschrieben hat, beim Mile End Vigilance Commitee (also einer der  Bürgerwehren), dort aber nicht einfach nur irgendwer: Er wurde  von diesem in seiner Funktion als angeblicher Privatdetektiv zur Supervision und Organisation (vermutlich einschließlich der Koordination der Routen) dieser Amateurtruppe engagiert. (Siehe dazu z.Bsp. Philip Sugden) Diese Bürgerwehr traf sich des Nächtens in der ´Crown´ in der Mile End Road, teilte dort die Routen zu und  machte sich dann, als das Lokal schloss, um 00.30h auf den Weg. Es ist also wenig bemerkenswert, wie stark sich Le Grand für die Auflösung des Falles einsetzte, er wurde dafür ja eigentlich bezahlt, wenngleich er diese ´Anstellung´ wohl umso länger gehabt hätte, je länger die Mordserie angedauert hätte...(Soviel kurz dazu.)

Szenen und Zeitwechsel: 1891 wurden Frauen im West End durch Briefe in farbiger Tinte bedroht, und schließlich wurde als Urheber dieser Briefe ein gewisser ´Charles Grant´ aufgespürt, der dafür 2 Jahre Schwerarbeit ausfasste, und eben mit Le Grand, der bereits vor seiner ´Karriere´ als ´Detective´ in erster Linie kriminell gewesen sein dürfte, identisch war. Als weiterer Hinweis, der heute als Belastung gegen Le Grand im Fall der Whitechapelmorde angeführt wird, soll ein Satz im ´Dear Boss´- Brief dienen : ´Grand work the last job was.´ Naja, da wäre vielleicht ein Schriftvergleich interessant, das macht Le Grand dann aber maximal zum Briefeschreiber, und nicht gleich zum Mörder. Le Grand war sicher eine der Personen, die von den Morden persönlich profitierten, und auch einer der am besten informierten über die ´Beats´ der Bürgerwehr. Das mit den Briefen war aber wohl von den ´Ripper-Briefen´ inspiriert, zumal er sich darin auch nicht als der Ripper ausgab, sondern diesen wohl nur einmal in der dritten Person erwähnte, um darauf hinzuweisen, dass man ihn genauso wenig erwischen werde, wie den Whitechapelmörder.

Also wenn einer Le Grand (und Batchelor) in der Mordnacht gesehen hat, dann eben, wie Du schreibst, am ehesten Schwartz – Aber mal so gesehen: Hätten die beiden sich dann in den kommenden Tagen wirklich so augenscheinlich selbst ins Spiel gebracht? Packer hätte sie ja auch in der Mordnacht in der Berner Street gesehen haben können, und sie dann wohl wiedererkannt. Das wäre schon eine sehr riskante Sache gewesen!


Zu der Theorie mit mehreren Tätern:

Ich habe nicht die ´Theorie´, dass der Täter ´gar nicht so allein agierte´, ich schließe es nur (noch) nicht aus. Übrigens: Noch was zu Fanny Mortimer: Soweit ich mich erinnere, will sie doch auch nicht nur den Mann, der vermutlich Leon Goldstein war, gesehen haben, sondern eben zusätzlich ebenfalls auch noch ein ´Pärchen´ – und zwar vor der Entdeckung der Toten, und danach (!)... oder irre ich mich da jetzt? Vielleicht waren ja auch das die zwei, die Schwartz gesehen hat, und gar nicht Stride und ihr Mörder?


Zu ´Kosminski´:

Dieser Maurice Kosminski ist übrigens ein interessanter Fund, ich fürchte nur, dass den ganzen Kosminskis allmählich niemand mehr wirklich folgen kann - mittlerweile tue ich mir da ja fast selbst schon etwas schwer... Eigentlich müsste man das alles mal unter ´Kosminski´ genau aufschlüsseln, inklusive Quellennangaben und chronologisch geordnet, und nur auf die Infos reduziert, die wirklich wichtig und tatsächlich nachvollziehbar sind. Apropos Quellenangaben: Woher kommt das mit den Otterstedts und wie ist der genaue Wortlaut?

Wenn ich Dich jetzt diesbezüglich richtig verstanden habe, wird dadurch möglich, dass die Polizei eigentlich durch den Mord an Stride, oder konkreter gesagt, durch Leon Goldstein auf die Spur eines ´Kosminskis´ kam, und nicht, wie man bisher am ehesten hätte vermuten können, (eventuell allein) durch den Fall Eddowes, und den Zeugen Joseph Hyam Levy, beziehungsweise die Haus-zu.Haus-Befragungen in der Goulston-Street, wo angeblich noch ein Kosminski wohnte?

Das liefert dann aber wieder eine komplett andere Möglichkeit zur Sicht der Dinge:
Erstens, weil Stride ja womöglich gar kein Opfer der Mordserie ist.
Zweitens, weil der Dutfield´s Yard der naheste Tatort zu Aaron Kosminski´s vermuteten Aufenthaltsort bei seinem Schwager Woolf Abrahams am Sion Square war.
Und Drittens, weil viele (Serien-)Mörder angeblich ihren ersten Mord in der Nähe einer Zufluchtsmöglichkeit begehen, der Fall Stride aber sicher nicht der erste Mord in dieser Serie war.

Das Ganze macht dann einen ´Kosminski´ als Täter im Falle Stride womöglich zwar wahrscheinlicher, in den anderen Fällen aber vielleicht gerade eben dadurch wiederum unwahrscheinlicher....  :icon_rolleyes:

Wäre es außerdem nicht denkbar, dass sich Anderson/Swanson aufgrund der langen Zeitdistanz (bewusst oder unbewusst) irrten, und es bei der  von ihnen ins Spiel gebrachten Gegenüberstellung damals vielleicht gar nicht primär um die Identifizierung des Täters ging, sondern in erster Linie einmal darum, rein die Anwesenheit einer Person bzw eines Zeugen an einem Tatort zu verifizieren?


Grüße,
panopticon

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Re: Zeugenaussagen
« Antwort #28 am: 17.02.2010 14:41 Uhr »
Hallo panopticon !

Bevor ich deinen Beitrag jetzt lese, poste ich schnell noch meinen. So können wir zu noch mehr Konfusion beitragen... :icon_thumb:

Packer hin- oder her, seine unterschiedlichen Aussagen und dann noch im Zusammenhang mit diesen eigenartigen Detektiven, ist mit Vorsicht zu genießen. Aber es hat mich zumindest auf eine Idee gebracht, dass eine Art von Bürgerwehren eine Rolle spielen könnte aber nicht muss.

Wir erinnern uns auch an die Begegnung des Wachmannes James Blenkinsop, kurz vor der Entdeckung von Eddowes, mit einem ordentlich gekleideten Mann, der Blenkinsop fragte, ob er einen anderen Mann mit einer Frau vorbeikommen gesehen hat. Ob all diese Vorkommnisse immer stimmen sei dahingestellt aber es fällt mir seit jeher auf, dass diese zwei unterschiedlichen Täterbeschreibungen immer wiederkehren.

Das Joseph Hyam Levy sehr merkwürdig und ängstlich im Falle Eddowes reagiert hatte, würde auch zu so einer Geschichte passen. Angenommen er kannte einen Kosminski, den er auch bei Eddowes gesehen hätte und wusste von dessen Verbindung zu einem Mann ähnlich wie LeGrand und ihre Einstellung zu Prostituierten und überhaupt zu kriminellen Machenschaften, so wäre sein Verhalten erklärbar. Man behauptet, er hätte Tür an Tür mit einem Jacob Koski gewohnt. Martin Kosminski (um die 44 Jahre), den er bei der Einbürgerung behilflich war, hatte zwei Brüder, Samuel (um die 32 Jahre) und Jacob. Es wird gemutmaßt, das Jacob Koski auch Jacob Kosminski (ca.43 Jahre) gewesen sein könnte.

Eigentlich gibt es für mich nicht nur zwei Verbindungen in der Nacht des Double Events zu diesem Namen sondern drei. Und zwar an allen “drei“ Tatorten. Die erste Verbindung, dass möglicherweise Maurice Kosminski (25 Jahre) schon im Backshop in 70 Berner Street tätig war. Der Ort des Stride Verbrechens. Die zweite, Joseph Hyam Levy kannte Martin Kosminski (um die 44 Jahre) und er war Zeuge bei Eddowes. Nummer drei, Isaac Kosminski (40 Jahre) könnte bereits in der Goulston Street gelebt haben.

Bemerkenswert bleiben auch die Polizeizeugen. Auch hier wieder der Double Event. Zwei PC, nämlich PC Harvey und PC Long (wohl gelernter Bäcker) werden im Juli 1889 aus dem Dienst entlassen. Harvey aus unbekannten Gründen, Long wegen Trunkenheit während seiner Pflichtausübung. Zwei PC, die dem Täter sehr nahegekommen sein müssen. Dies ist schon recht merkwürdig, wie ich finde. Long findet in der Goulston Street den Stofffetzen von Eddowes und ordnet diesen bereits hohe Aufmerksamkeit zu ohne bereits zu wissen, dass Eddowes ermordet wurde. Dazu das Graffiti. Ich will Long nicht unterstellen, ob er es schon vorher oder erst in jenem Moment gemeinsam mit der Entdeckung des Schürzenteiles bemerkt hatte aber merkwürdig bleibt sein Eifer schon. Oder hatte er andere Gründe so besonnen vorzugehen?

Warum man allerdings LeGrand so viel Vertrauen entgegenbrachte, ist mir schleierhaft. Oder man wusste wie viel Macht und Kenntnisse er hatte um zur Auflösung beizutragen.

Man kann sich aber hier auch immer etwas neues zusammenspinnen...

Lestrade.
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Offline Lestrade

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Re: Zeugenaussagen
« Antwort #29 am: 17.02.2010 15:06 Uhr »
Ach panopticon !

Genau wie meine Ex-Frau, kannst du mich aus allen Träumen reißen... :icon_verwirrt:

Ich denke, wenn ein Serientäter quasi die Möglichkeit erhält  im Verein "zu morden", dann würde ich die "erstes Opfer in der Nähe des Wohn- oder Arbeitsortes" Annahme beiseite schieben. Außerdem war das Gebiet nicht gerade riesig und in einem geographischen Profil von Amerikanern und Engländern neuerer Zeit wird die Flower and Dean- Street als möglicher Ripper- Wohnort angegeben. Somit scheint mir das Chaos diesbezüglich perfekt.

Und wer sich schon "LeGrand" nennt, dem traue ich alles zu. Den halte ich allerdings auch nicht für den Ripper. Aber wie du erwähnst, hatte er Kontrolle über die Einteilung der Streifengänger. Interessant. Dieser Mann war wohl alles, der Whitechapel- Übermensch der sich mit jedem anlegen konnte. Und selbstverständlich finden er und sein Kollege im Dutfield´s Yard eine entrappte Traube und fangen an wie die Weltmeister zu kombinieren. Und auf einmal hat Packer doch was gesehen. Na ich weiß nicht, ganz schön eifrig gewesen der gute LeGrand und sein Freund...

Otterstedt schicke ich dir gleich...

Lestrade.
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