Autor Thema: Hyam Hyams  (Gelesen 23391 mal)

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Offline Lestrade

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Re: Hyam Hyams
« Antwort #15 am: 29.12.2010 11:08 Uhr »
Herzlich Willkommen Craddock!

Natürlich müssen wir davon ausgehen, das es Aaron Kosminski war, der im Seaside- Home kurz vor Februar 1891 von einem Zeugen identifiziert wurde. Da war er aber auch schon ein dünnes Männchen, das Krümel von der Straße frass. Über zwei Jahre waren seit Ende 1888 vergangen. Wie stand es um Aaron Kosminski aber in 1888? Er war in der Anstalt ein leicht zu händelndes Wesen. Keine Beschreibungen von Gewalt, Hass und Tötungsabsichten wie von Swanson, Anderson und Macnaughton auf diese oder jene Art beschrieben. Die Ausnahme bildet der Messerangriff auf seine Schwester. Und ob er bei seinem Bruder lebte, erscheint ja auch recht fragwürdig. Es spielte ja eher sein Schwager dabei eine Rolle. Auch hier hätte Swanson dann geirrt. Kein Bruder, kein Versterben, kein Vorname. Ein bißchen viel für einen Ermittler seiner Sorte. Da muss man sich einfach mal Fragen, was die Gründe dafür gewesen sein könnten? Genau wie Macnaughton in seinem Memorandum nur "Kosminski" erwähnt, die anderen aber mit Vornamen ausstattet. Bei der MET wußte man nicht den vollständigen Namen und vielleicht eben auch nicht den richtigen des Mannes, der ihnen von der City Police zur Gegenüberstellung gebracht wurde. Wir wissen nicht, wie die Zusammenarbeit beider Polizeieinheiten im Falle Jack the Ripper aussah. Wir wissen nicht, wie die Seaside- Home Geschichte ablief. Wir wissen nicht, wie der Verdächtige sich vorstellte. Kosminski ist ein häufiger Name, da, wo er herkommt. Und es sollte bekannt sein, das Serienkiller gerne unter falschen Namen auftreten.
Auch bei dem Zeugen ist es so eine Sache. Lawende beschreibt ein jüdisches Aussehen und erschreckt dann aber bei der Gegenüberstellung genau vor dieser Tatsache? Möglich aber nicht wirklich total glaubhaft. Schwartz erwähnte so etwas nicht und scheint mir da geeigneter. Ich denke aber, es handelt sich bei dem Zeugen, um jemand uns unbekannten.
Vermutlich gab es bei der City Police einen Verdacht gegen einen Mann, der durch einen ihrer PC noch verstärkt wurde, weil er dem äußeren Habitus von einem Mann entsprach, den dieser Constabler an einem der Tatorte sah. Sollte sich um den Mitre Square handeln. Sehr wahrscheinlich, das dieser Verdächtige dann observiert wurde.  Zur MET- Gegenüberstellung sollte er dann wohl aus dem Haus seines Bruders gebracht worden sein und auch wieder zum Bruder zurück. Keine Ahnung wie die Polizeieinheiten miteinander kommunizierten aber ich habe den Eindruck, das der Zeuge eher urplötzlich auftauchte. Und da die Identifizierung mit aller Wahrscheinlichkeit nach nicht in London stattfand, frage ich mich manchmal, ob der Zeuge überhaupt Londoner gewesen war oder er als Gast dort Zeuge wurde. Aber das sind nur weit abschweifende Gedanken.
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Offline Lestrade

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Re: Hyam Hyams
« Antwort #16 am: 29.12.2010 12:32 Uhr »
Um aber bei den neuesten Erkenntnissen über Hyam Hyams und beim Thema zu bleiben:

Unser Hyam Hyams in Colney Hatch hatte, soweit ich es gerade überblicken kann, wohl eine andere familäre Herkunft als bisher ursprünglich angenommen. Der Hyam Hyams aus dieser Familie heiratete wohl eine Rose, unserer eine Sarah. Es scheint, das beide Paare einst in der Jubilee Street wohnten. 217 Jubilee Street war die Adresse unseres Hyam Hyams bei der ersten Workhouse Einlieferung im Dezember 1888 durch die MET. Der andere, mit seiner Rose, lebte in 1891 in der 232 Jubilee Street. Die Wohnorte unseres HH mit seiner Sarah 36 New Street, Gravel Lane und davor in der 23 Heneage Street sind aber höchst interessant. Erstere, wenn ich mich nicht irre, nahe Middlesex- Street (Hutchinson) und nur 200 Meter von der Goulston Street weg, die zweite auch nur 200m von der Hanbury Street entfernt. Aber ich bin da kein Oberexperte. Von der 217 Jubilee Street erreichtet man, wenn auch weiter entfernt, sehr gut die Berner Street. Außerdem lag diese Straße nahe dem London Hospital. Bei Hyams erneuten Einlieferung am 15. April 1889 galt die Adresse 4 Bell Court Lane. Keine Ahnung wo die nun lag. Durch die falsch angenomme Herkunft von Hyam Hyams fällt der Mitre Square als Verbindung weg. Allerdings ist die New Street ja auch nur ein Katzensprung weit weg. Die Rolle von Hyam Hyams unter den Verdächtigen, ändert sich durch die Tatsache andere Elternteile für mich übehaupt nicht. Warum auch? Eltern, Brüder und eine Schwester hatte er da auch. Und statt Herkunft Mitre Street war es eben die Love Street und die Eastmans Court Bell Lane. Lag letztere nicht genau an der Goulston Street? Der Vater verstarb auch hier als HH 10 Jahre alt war. Er wuchs als ältester Sohn ab da mit seiner alleinerziehenden Mutter auf. Sie war 3 Jahre älter als ihr verstorbener Mann. Könnte für eine dominate Ehefrau und Mutter sprechen, muss aber nicht.
Aber geniest das bitte noch mit Vorsicht, ich habe diese neuen Hinweise erst überflogen...
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Offline panopticon

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Re: Hyam Hyams
« Antwort #17 am: 29.12.2010 15:01 Uhr »
Herzlich Willkommen im Forum, Craddock!

Wie Du kann ich mir auch nicht wirklich vorstellen, dass wir es hier mit einer Namensverwechslung zu tun haben – die ganze Verwechslungsgeschichte entsprang ja in erster Linie Martin Fido, weil er zunächst trotz intensiver Suche keinen ´Kosminski´ in Anstaltsakten fand. Im Grunde passt bezüglich Andersons Story, wenn auch nicht alles, doch so einiges auf Aaron Kosminski – ich denke, solange kein neuer Anstaltsinsasse mit dem Namen ´Kosminski´ auftaucht, ist am ehesten davon auszugehen, dass Swanson wohl Aaron gemeint hat. Generell sehe ich die ganze Angelegenheit um Andersons Behauptungen ähnlich wie Evans. Bin auf Deinen Beitrag zu Aaron Kosminski gespannt!


Wir wissen nicht, wie die Zusammenarbeit beider Polizeieinheiten im Falle Jack the Ripper aussah.
(...)
Keine Ahnung wie die Polizeieinheiten miteinander kommunizierten...

Nach dem ´Double Event´: Zusammengelegte Untersuchungseinheiten; tägliche Korrespondenzen; nächtliche Konferenzen in der Leman Street Police Station (Robert Sagar z. Bsp. war Liaison Officer von Seiten der City Police); Briefverkehr,............. -> Buchtipp: ´Jack the Ripper: Scotland Yard Investigates´ von Evans & Rumblow, inklusive ganzer Kapitel wie ´Policing the Metropolis´, ´Was there a Police Solution?´ oder ´Did Anderson Know?´ und sogar eines über ´Popular Ripper Myths´.


Lawende beschreibt ein jüdisches Aussehen und erschreckt dann aber bei der Gegenüberstellung genau vor dieser Tatsache?

Wenn ich Lawendes Aussagen schon auf einen Nenner bringen müsste, würde ich sagen, er beschrieb vom optischen her eine Art hellhaarigen Seemann (übrigens ein damals ziemlich untypischer Beruf für Juden).
 

Aber zurück zum Thema ´Hyams´:

Lag letztere nicht genau an der Goulston Street?

Korrekt. Bell Lane war quasi die Verlängerung der Goulston Street nach Norden, die wiederum in die Crispin Street verlief. Ich würde bezüglich der neuen Entwicklungen zu dem Hyams von Colney Hatch aber noch ein wenig abwarten – zu vieles ist diesbezüglich noch sehr im spekulativen Bereich....


Grüße,
panopticon

Offline Lestrade

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Re: Hyam Hyams
« Antwort #18 am: 29.12.2010 16:10 Uhr »
Bell Lane war quasi die Verlängerung der Goulston Street nach Norden

Danke für die Aufklärung. Natürlich müssen wir die weitere Entwicklung abwarten.

Und danke für die Tipps zur Polizeiarbeit. Klingt sehr interessant. Werde ich mich mit befassen.

Ja, Lawende beschrieb in eher so, wie von dir formuliert. Ich meinte mich zu erinnern, das er irgendwann einmal "jüdisches Aussehen" erwähnte. Hab ich mich vielleicht geirrt. Habe auch nicht immer alles auf dem Schirm. Sollte er jedoch wirklich der Zeuge gewesen sein, stellte sich sein "Seemann" allerdings tatsächlich als ein Jude heraus.

Lebte Aaron Kosminski´s Schwester nicht ebenfalls in der New Street? Verheiratet als Lubnowski? Nummer 63 und die Hyams 36? Zog die Mutter Kosminski nicht irgendwann auch dorthin, zur Tochter und zum Schwiegersohn? Naja, Craddock wird uns da vielleicht bald aufklären. Bin auch sehr wegen seiner Aaron Kosminski Meinung gespannt.
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Offline Craddock

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Re: Hyam Hyams
« Antwort #19 am: 29.12.2010 21:24 Uhr »
Lebte Aaron Kosminski´s Schwester nicht ebenfalls in der New Street? Verheiratet als Lubnowski? Nummer 63 und die Hyams 36? Zog die Mutter Kosminski nicht irgendwann auch dorthin, zur Tochter und zum Schwiegersohn?

1891 ist unter 63 New Street eine Familie Cohen zu finden, bei der es sich höchstwahrscheinlich um die Lubnowskis handelt. Zuvor lebten sie, ab etwa Dezember 1885, wenn ich jetzt nicht ganz daneben liege, in der 16 Greenfield Street. Dürfte also wohl die Adresse sein, von der aus Aaron am 4. Februar 1891 zum zweiten Mal ins Workhouse eingeliefert wurde. Umzug und Namensändernung dürften demzufolge relativ schnell vonstatten gegangen sein... hm.

Tante Edith: Ach ja, die Mutter von Aaron scheint wohl auch dort gelebt zu haben. Zur Frage ab wann, gehen die Meinungen aber auseinander, es scheint auch nicht wirklich gesichert, ob sie überhaupt in England war, ich gehe aber mal davon aus, dass ja. Scott Nelson vermutet, dass sie irgendwann zwischen 91 und 94 zur Familie gezogen ist, könnte aber genauso gut früher gewesen sein.

---------

Ich hab ja schon gesagt, dass mich Lawende als möglicher Zeuge nicht wirklich befriedigt. Und Panopticons Beitrag zeigt ja auch, dass die Beschreibung von Lawende nicht unbedingt auf einen Juden hinweist, eher auf einen Seemann. Zudem gab er ja auch wiederholt an, dass er nicht sicher sei, ob er den Mann überhaupt wiedererkennen würde.

Zu Hyams Krankenbild kann man wohl auch irgendwie geteilter Meinung sein. Die epileptischen Anfälle sind ja irgendwie auch eine sehr vage Aussage. Bei Kosminski hat man ja zB Beispiel auch Wahnsinn aufgrund von wiederholter Masturbation diagnostiziert. Da sollte man sich schon die Frage stellen, ob die Herren Mediziner nicht etwa auch bei anderen Fällen eine ähnliche diagnostische "Glanzleistung" erbracht haben könnten. Im Grunde aber sehe ich bei Hyams ein ähnliches Problem wie bei Cohen und eigentlich auch bei AK. Irgendwie sind mir die alle ein wenig zu verhaltensauffällig. Bei Kosminski bleibt aber immerhin der Trost, dass der Krankheitsverlauf immerhin über einen gewissen Zeitraum voranschritt. Bei Hyams und Cohen scheint ihr komplettes "Durchknallen", um es einmal so salopp zu nennen, für meinen Geschmack etwas zu zeitnah am Mordgeschehen liegen. Und diese extreme Form von Raserei (oder wie immer man es nennen will), erscheint mir auch nicht gerade typisch für Serienmörder. Aber was weiß man schon, irgendwo muss man ja mal ansetzen, sonst kommt man ja gar nicht weiter.
« Letzte Änderung: 29.12.2010 21:41 Uhr von Craddock »

Offline Lestrade

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Re: Hyam Hyams
« Antwort #20 am: 29.12.2010 23:03 Uhr »
Schöner Beitrag Craddock!

Aber was weiß man schon, irgendwo muss man ja mal ansetzen, sonst kommt man ja gar nicht weiter.

Ja, was bleibt einem weiter übrig?

Die Diagnosen entsprachen natürlich auch nur dem damaligen Stand der Wissenschaft. Gerade die Beschreibung von Aaron Kosminski hat mich nach Alternativen suchen lassen. Dennoch muss man davon ausgehen, das es sich bei dem genannten "Kosminski", tatsächlich um Aaron Kosminski gehandelt hat. Ein Bild über seine Psyche kann ich mir daraus allerdings nicht machen. Doch das muss nichts bedeuten...

Die Serie endete zumindest mit jener Rasantheit Ende 1888, mit der sie eigentlich ja besonders aufwartete. Cohen und Hyam Hyams landeten mit dieser Auffälligkeit recht bald in Gewahrsam. Und mit der gleichen Abfolge, Workhouse, Colney Hatch, wie sie Aaron Kosminski ("Kosminski") auch eigen war. Cohen starb tatsächlich, wie von Swanson zum Verdächtigen ja berichtet. Ich kann mir nicht vorstellen, das diese beiden gewaltätigen Männer, zu diesem Zeitpunkt durch die Polizei von einer möglichen Täterschaft ausgeschlossen werden konnten. Dafür war dieser ganze Bereich zu sensibilisiert. Was mir allerdings bei Cohen und Aaron Kosminski, als mögliche Täter, immer wieder in´s Auge sticht ist ihr Alter. Der Durchschnitt der Zeugenbeschreibungen war um die Mitte 30. Cohen und AK waren in 1888 23 Jahre. 10 Jahre Unterschied sind eine ganze Menge. Aber auch das muss nichts bedeuten...

Beim Alter punkten dann wieder Hyams und Levy. Außerdem meine ich mal irgendwo gelesen zu haben, das Swanson in späteren Jahren, die Einbürgerungspapiere o.ä. für Aaron´s Bruder, Isaac Kosminski mitunterschrieben hatte. Für den Bruder des Mannes, den er für Jack the Ripper hielt? Er wollte dabei mithelfen, aus diesem Mann einen Engländer zu machen? Vielleicht kann jemand mal die Quelle ausfindig machen. Vielleicht unterliege ich aber auch einem Irrtum...

Manchmal denke ich, das ein großer Anteil der Informationen, die wir aus der Hand der Beamten haben, eine Mischung aus mehreren Verdächtigen ist. Aus Verdächtigen, die sich ähnlich waren (Wohnort, Familienverhältnisse, psychische Erkrankungen, Verdächtigungen, Glauben, Aussehen). Und da sehe ich eben diese 4 Kandidaten. Und dann muss man sich fragen, ob der "Kronzeuge" und der PC- Zeuge, vielleicht doch von einem Tatort stammten und der "schwachsinnige" Kosminski nicht am falschen Ort zur falschen Zeit war. Und das dann der wahre Ripper davonkam. Entweder vollkommen unerkannt blieb oder "Kosminski" ein Bauernopfer für einen Mann ala Cutbush wurde. Das quasi eine Identifizierung des falschen Mannes, zum Glücksfall für den richtigen Mann wurde. Zum Glück auch für einige andere vielleicht. Aber da beginnt der Punkt, an dem andere weitermachen sollten...

Mich überzeugen allerdings Swanson und Anderson...

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Offline Craddock

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Re: Hyam Hyams
« Antwort #21 am: 30.12.2010 01:14 Uhr »
Das ist es ja gerade, sowohl Anderson als auch Swanson scheinen sich ja sehr sicher zu sein. Vor allem Swanson ist natürlich ein Indiz dafür, dass da wirklich etwas Hochbrisantes vorgefallen sein muss, schließlich handelt es sich bei seinen Äußerungen ja nur um an den Rand von Andersons Buch geschriebenen Notizen, die wohl einzig ihm allein zur Erinnerung dienten. Er hatte also überhaupt keinen Grund, irgendetwas "Aufgeschöntes" zum Besten zu geben, das unter Umständen Scotland Yard in einem besseren Licht dastehen ließe, da seiner damaligen Ansicht nach wahrscheinlich sowieso niemand außer ihm selbst jemals in den Genuss kommen würde, das zu lesen.

Ich werde aus dieser Identifikation einfach nicht schlau. Allein wenn ich mir die Szene vorstelle, die sich da abgespielt haben soll (Achtung Satire  :lol:):

Zeuge: "Ja, das ist er!"
Swanson (dem ich jetzt einfach mal unterstelle, dabei gewesen zu sein): "Yes!"
Kosminski: "Bababubu."
Zeuge: "Ist der Jude? Sieht jüdisch aus. Ist mir gar nicht aufgefallen, als ich ihn auf frischer Tat erwischt hab."
Swanson: "Jaja, Jude, und?"
Zeuge: "Oh... Nee... dann will ich nicht."
Kosminski: "Nananananana!"
Swansons: "Och Mensch!"
(Zeuge tritt ab. Swanson schreitet auf den Verdächtigen zu.)
Swanson: "Nun, dann wären wir hier fertig. Wollen sie zurück nach London? Sollen wir sie wo absetzen?"
Kosminski: "Ja, ich hab da nen Bruder. Wär nett von ihnen."

Wieso erwähnen beide die Identifizierung, aber keiner sagt irgendetwas davon, ob man sich mit dem Verdächtigen dann noch näher befasst hat. Sowohl Anderson als auch Swanson erklären, der Verdächtige habe definitiv mitbekommen, dass er soeben identifiziert wurde. Und dem folgt dann nichts? Die setzen sich nicht mit dem an einen Tisch, links und rechts vielleicht noch mit ein paar Kerlen flankiert, die reichlich Muskeln in Uniform spazieren tragen, und reden noch ein bisschen mit ihm? Die setzen ihn einfach bei seinem Bruder ab und überwachen ihn dann? Wenn er identifiziert wurde, und vor allem, wenn er das auch mitbekommen hat, dann dürfte dem Guten in diesem Moment doch gehörig der Schreck in die Glieder gefahren sein. Haben sie sich nicht eingehender mit ihm beschäftigt, weil er offenbar geistig nicht ganz anwesend war? Woher dann aber die Überzeugung, dass er definitiv gewusst haben soll, dass er identifiziert wurde? Fand doch ein Verhör statt und weder Anderson noch Swanson sprechen davon? An dieser Seaside Home Sache ist einfach soviel unklar, da passt nichts richtig zum anderen.

Lestrade hat übrigens Recht, könnte man die vier von ihm aufgeführten miteinander verschmelzen, wär wohl alles geregelt.

Was Isaac Kozminski aus der Goulston Street betrifft (@Lestrade: Falls du den meinst?), so bin ich mir nicht sicher, ob der wirklich identisch mit Aarons´s Bruder Icek ist. Aber mir ist da wieder ein anderer Artikel von Scott Nelson eingefallen. Der unterbreitet die schöne Theorie, dass Isaac möglicherweise der Verdächtige war und Aaron der Zeuge, der ihn identifizierte.. Inwieweit er den ernst meint, weiß ich selber nicht, aber erbauend zu lesen ist er in jedem Fall. Aber er hätte sich mal besser entscheiden sollen, ob Aaron nun Isaac´s Bruder, Neffe, Sohn, Schwager oder Opa ist  :biggrin:
Finden kann man ihn hier ( ich muss allerdings sagen, wie erschreckend ich es finde, dass sich in diesem Fall sogar die abenteuerlichsten Theorien über gewisse Strecken logisch und einleuchtend lesen lassen... ): http://www.casebook.org/dissertations/dst-isaac.html

KvN

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Re: Hyam Hyams
« Antwort #22 am: 30.12.2010 08:06 Uhr »
Hi Craddock!

Auch von mir ein herzliches Willkommen!
Witziger Beitrag, indeed! Und beleuchtet ziemlich gut die Widersprüchlichkeiten. Ich selbst bin - wie allseitig bekannt - ja sehr skeptisch bezüglich der Identifizierung...
Vor allem frage ich mich, was dieser wichtige, anonyme Zeuge wohl gesehen haben mag. Schwartz, Lawende, Hutchinson, niemand kann sagen dass sie definitiv JtR gegenüber gestanden hätten.
Und die Aussage dass ein Jude den anderen nicht an den Galgen bringen wollte ist ja der nächste Nonsens, die jüdischen Religionsvorschriften verlangen die Bestrafung von Mördern. Und hätte die Polizei das so einfach akzeptiert? Einen Zeugen, der die damals spektakulärste Verbrechensserie aufklären hätte können, aber eben aus ethischen Gründen nicht wollte?
Ist die Echtheit der Swanson Marginalien eigentlich hinlänglich gesichert? Erscheint mir doch auch recht eigenartig, dass jemand, der über die handelnden Personen wohl gut Bescheid wusste nur kryptisch "Kosminski" notiert, auch wenn es nur zur Unterstützung seiner eigenen Erinnerung diente.

Grüße

Offline Lestrade

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Re: Hyam Hyams
« Antwort #23 am: 30.12.2010 11:02 Uhr »
Morjens die Herren... mir fehlt heute ein bißchen die Zeit...

Swanson´s handschriftliche Vermerke sollen seine Schrift gewesen sein. Soweit identisch mit anderen Aufzeichnungen von ihm. Möglich, das sie nicht mit einem Mal notiert wurden, sondern in zwei Sitzungen, mit zwei unterschiedlichen Schreibuntensilien. Ich stöber da aber jetzt nicht im CB oder sonstwo... ihr solltet es finden...

Der Verdächtige soll ja, laut Swanson, nur unter großen Schwierigkeiten gebracht worden sein und dann später mit Handschellen in das Workhouse und weiter nach CH. Einfach zu händeln war der wohl nicht. Und obwohl Jahre später Kosminski zu den harmlosen Irren nach LA (hihi) kam, heißt es ja nicht, das er in 1888 sehr aggressiv gewesen sein könnte. Ich habe ja auch keine Ahnung, was denen in den Anstalten gegeben wurde oder was die für Experimente mit ihnen gemacht haben aber einen Mann wie Jack the Ripper dann unter die harmlosen Verrückten zu stecken, wäre ja wie eine Auszeichnung gewesen. Aber nichts ist unmöglich...

Seaside Home lag wohl außerhalb von London und die City Police macht sich die Mühe, den Verdächtigen trotz der Schwierigkeiten nach außerhalb zu bringen. Konnte der Zeuge seinen Arsch nicht nach London schwingen? Komplizierter geht es wohl kaum... Wenn so ein großer Verdacht vorhanden war, warum den Zeugen nicht in ein Wägelchen setzten, ihn vor dem Haus des Verdächtigen plazieren, warten bis der herauskommt, warten bis der Zeuge mit dem Kopf nickt und weiterfahnden? Nein, die erklären ihm das er soeben identifiziert wurde... Entweder hatten die noch so viel in der Hinterhand, wo sie erst dachten, es könnte reichen und war aber nichts... oder der Zeuge stand plötzlich über Nacht zur Verfügung und es blieb keine Zeit, sich dessen Rückrat anzuschauen...

Vielleicht hatte der Verdächtige es aber auch schon länger mitbekommen, das die Bullen ihn auf dem Kieker hatten und geahnt das sie ihm nichts konnten. Der schwankende Zeuge wurde dann sicherlich ersteinmal zum Glücksfall für ihn, allerdings sollte ihm dies auch belastet haben, denn der Zeuge hätte ja jederzeit die Wende vollziehen können... Ausgerastet muss er ja wohl danach sein, den es kam ja zur Einweisung. Ein absoluter Dummkopf sollte der Verdächtige also nicht gewesen sein...

Anderson schrieb, die House-to-house Suche hätten ihnen die großen Aufschlüsse geliefert und sie hätten richig damit gelegen. Die fand ja im Herbst 1888 statt. Sicherlich dauerte diese Auswertung der Daten etwas aber dann frühestens etwas mehr als 1,5 Jahre oder gar vielleicht erst nach über 2 Jahren auf Aaron Kosminski zu stoßen ist ja ein etwas "langsamer Erfolg"... Oder natürlich, sie observierten ihn sehr, sehr, sehr lange...
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Offline Anirahtak

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Re: Hyam Hyams
« Antwort #24 am: 17.03.2011 21:06 Uhr »
@ Mort

Das Krankheitsbild Alkoholismus würde mE im Vergleich zu Schizophrenie zwar eher für den Ripper in Frage kommen; allerdings stelle ich ihn mir auch nicht als Alkoholiker vor. Gleich gar nicht als einen, der sich zeitgleich ins Delirium gesoffen hat.

Offline Lestrade

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Re: Hyam Hyams
« Antwort #25 am: 09.04.2011 13:14 Uhr »
Hier ein paar Originaldokumente über Hyam Hyams:

http://forum.casebook.org/showthread.php?p=171681#post171681

Interessant als Verdächtiger für Sagar und Cox ist er allemal, gerade durch Sagar´s "Stoney Lane", da Hyam Hyams´ "Gravel Lane" unmittelbar daneben lag.
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