Autor Thema: Jacob Levy  (Gelesen 292861 mal)

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Offline Lestrade

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Re: Jacob Levy
« Antwort #195 am: 26.05.2016 11:41 Uhr »
Guten Morgen Arthur!

Ich bin, was diese These betrifft, erst einmal ganz bei dir (wie man heute so schön sagt). Beachten wir aber, was Anderson so über seinen Verdächtigten schrieb und denken gleichzeitig an Sagar´s Anmerkung, dass es die Freunde seines Verdächtigen für besser hielten, ihn in eine private Anstalt zu schicken. Ich weiß einfach nicht, was es bedeuten soll, "die Identität verheimlichen" und müsste das alles einmal bei Odell im Zusammenhang lesen. Gerade bei Anderson´s Statements muss man von so etwas vielleicht sogar ausgehen. Wahrscheinlich war es auch so, dass man um die Zeit der Sagar -Observation (ca. Dezember 1888), die Irrenanstalten nach einem bestimmten Mann durchforstete. Vielleicht waren es Sagar´s erwähnte Freunde, die den Verdächtigen aus dem Fokus der Polizei bringen wollten. Ich erwähne diezbezüglich gerne diesen rätselhaften Vorfall am 22 November 1888 (keinen Tag nach der Farme Attacke), wo wir nicht wissen, was da überhaupt geschehen war. Ich weiß es nicht aber vielleicht war Sagar für eine kurze Zeit in der Butchers Row nach diesem Datum und den Angehörigen des Verdächtigen gelang es jenen Mann eben irgendwo privat "zu verstecken". Nach seiner Rückkehr tritt Cox auf den Plan... gab es bereits für diesen Mann im Oktober 1888 Verdachtsmomente, wo ebenfall die Angehörigen hilfreich zur Stelle waren, dann klingt das auch erst einmal nach "Verschwörung", könnte aber in der Realität alles so passiert sein.

Ich finde unsere Diskussion hier (schon länger) für sehr inspirierend und überlege gerade, mir die Bücher von Odell zu besorgen. Möglicherweise könnten diese sehr anregend für weitere Überlegungen sein.

Wenn ich mich an Odell in dieser Doku erinnere (ich weiß jetzt nicht, in welcher), dann ging er von einem unauffälligen (reinen) Psychopathen aus. In seinem Falle dann wohl von einem jüdischen Schlächter. In unseren Fällen (Levy und Kosminski) gehen wir zwar auch von etwas ähnlichem aus, allerdings noch zusätzlich im Background mit einer schweren geistigen Erkrankung, wie Formen der Schizophrenie, durch was auch immer ausgelöst, ausgestattet.

Gruß, Lestrade.
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Offline Shadow Ghost

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Re: Jacob Levy
« Antwort #196 am: 26.05.2016 12:44 Uhr »
Hier der Times-Artikel vom 3. April 1889:

POLICE
At the GUILDHALL, yesterday, before Mr Alderman Wilkin, GEORGE WILKINS, described as a labourer, 19 years of age, was charged with breaking and entering premises situate at No. 5, Duke-street, Aldgate, and stealing therefrom a package of serge, value seven guineas, the property of Mr. E. Bell, C.C. On the evening of the 26th of March, Detective-sergeant Pentin noticed the prisoner in King William-street; he was wheeling a barrow. The officer's suspicions were raised, and he followed the accused into Mitre-square, Aldgate, and from there to 5, Duke-street. Here he entered the premises, but, after a short time, he came out, and, having taken a sack from the barrow, re-entered the premises. Pentin waited outside, and as the prisoner did not come out he communicated with Detective-sergeant Sagar. Both officers then searched the warehouse, and on the top floor they found the prisoner; he had his boots off. In Mr. Bell's wareroom a large package of serge had been moved, and a label that was on it had been taken off. This was found in the prisoner's pocket. A previous conviction was proved by a sessions warder, and the prisoner was committed for trial.

Offline Arthur Dent 2

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Re: Jacob Levy
« Antwort #197 am: 26.05.2016 18:06 Uhr »
Hallo Lestrade!

Zitat
Beachten wir aber, was Anderson so über seinen Verdächtigten schrieb und denken gleichzeitig an Sagar´s Anmerkung, dass es die Freunde seines Verdächtigen für besser hielten, ihn in eine private Anstalt zu schicken. Ich weiß einfach nicht, was es bedeuten soll, "die Identität verheimlichen" und müsste das alles einmal bei Odell im Zusammenhang lesen.


Nun ja, ich sehe da schon ein paar Unterschiede zu meiner These und der von Odell (zumindest so, wie ich sie jetzt aus den Rezensionen kenne):

Ich halte es für wahrscheinlich, dass seine Familie und Freunde unseren Verdächtigen in eine private Anstalt steckten, vermutlich einfach deshalb, weil er offensichtlich verrückt geworden war und sie seine wachsende Unberechenbarkeit und Gefährlichkeit bemerkten - unabhängig davon, ob sie nun tatsächlich Verdacht geschöpft hatten, er könne möglicherweise der Ripper sein, oder nicht.

Aber dass nicht seine Nächsten, sondern die jüdische Gemeinde sich ihm angenommen hätte, und zwar WEIL sie ihn für den Ripper hielt, und ihn im Geheimen vor ihre eigene Gerichtsbarkeitkeit stellte und dies vor den Behörden und der Öffentlichkeit vertuschen wollte, das hat eine ganz andere Qualität. Das wäre eine Verschwörung.

Bei meiner These könnte eine Verheimlichung der Identität auch ganz einfach aufgrund privater Überlegungen der Familie, was ihren Ruf angeht o.ä. geschehen sein, oder genau weil man verhindern wollte, dass (ihrer Meinung nach falsche) Verdächtigungen im Zusammenhang mit den Morden aufkommen könnten.

Im anderen Fall wäre es eine bewusste Vertuschung von Morden durch die Offiziellen der jüdischen Gemeinde gewesen. Ich halte es aber für plausibler, dass die jüdische Gemeinde, nicht nur aus Respekt vor dem Gesetz und den Opfern, sondern auch gerade wegen des Antisemitismus einen solchen Mörder der Justiz ausgeliefert hätte - um damit ganz klar zu machen, dass solche Leute keinen Schutz bei ihnen finden.


Zitat
Wahrscheinlich war es auch so, dass man um die Zeit der Sagar -Observation (ca. Dezember 1888), die Irrenanstalten nach einem bestimmten Mann durchforstete. Vielleicht waren es Sagar´s erwähnte Freunde, die den Verdächtigen aus dem Fokus der Polizei bringen wollten.

Die Polizei hat ja laut einem Artikel des The Bristol Mercury vom 29. Dezember 1888 in der Tat die privaten Sanatorien überprüft, wie du weißt:
"The Dublin Express London correspondent on Thursday gave as the latest police theory concerning the Whitechapel murderer, that he has fallen under the strong suspicion of his near relatives, who to avert a terribly family disgrace, may have placed him out of harm's way in safe keeping. As showing that there is a certain amount of credence attached to this story, detectives have recently visited all the registered private lunatic asylums, and made full inquiries as to the inmates recently admitted." (The Bristol Mercury, 29. Dezember 1888)
Aber ob seine Angehörigen das nun getan haben, weil sie ihn aus der Schusslinie holen wollten, oder schlicht und einfach nur, weil er ihnen zu verrückt wurde...  Keine Ahnung.


Zitat
Ich erwähne diezbezüglich gerne diesen rätselhaften Vorfall am 22 November 1888 (keinen Tag nach der Farme Attacke), wo wir nicht wissen, was da überhaupt geschehen war.

Äh, ich auch nicht, ich stehe gerade auf dem Schlauch... auf welchen rätselhaften Vorfall spielst du an?


Zitat
Wenn ich mich an Odell in dieser Doku erinnere (ich weiß jetzt nicht, in welcher), dann ging er von einem unauffälligen (reinen) Psychopathen aus. In seinem Falle dann wohl von einem jüdischen Schlächter. In unseren Fällen (Levy und Kosminski) gehen wir zwar auch von etwas ähnlichem aus, allerdings noch zusätzlich im Background mit einer schweren geistigen Erkrankung, wie Formen der Schizophrenie, durch was auch immer ausgelöst, ausgestattet.


Diese These vom Psychopathen hatte ich anfangs hier im Forum ja auch vertreten, wie du dich vielleicht erinnerst. Schließlich bin auch ich davon aber abgekommen, und zwar vor allem aus zwei Gründen:
Erstens wegen der Äußerungen der Polizisten, dass ihr Hauptverdächtiger schließlich eingewiesen wurde, und zweitens wegen genauerer Lektüre der Verstümmelungen von Kelly. Der Täter hat sie dermaßen wild zerhackt, dass er offensichtlich völlig die Kontrolle verloren haben muss. Das sieht mir nicht mehr nach der typischen "kalten Aggression" eines Psychopathen aus, für den totale Kontrolle im Mittelpunkt seiner psychischen Bedürfnisse steht. Daher tendiere auch ich nun schon seit einiger Zeit zur Theorie vom "crazy jewish butcher".


MfG, Arthur Dent



P.S. Je mehr ich über Sagars Einsätze lese, desto mehr erhärtet sich meine Vermutung, dass die Gegend um Aldgate sein primäres Einsatzgebiet war.

Offline Lestrade

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Re: Jacob Levy
« Antwort #198 am: 26.05.2016 21:09 Uhr »
Hi Arthur!

Ich mache mal folgenden Vorschlag:

Ich werde versuchen, mir diese drei Ripper- Bücher von Odell zu besorgen. Mir scheint das, alles in allem, sehr interessant. Meine Partnerin gelingt es immer wieder, im Ausland, überwiegend England, gesuchte Bücher sehr günstig zu ergattern (während ich das schreibe, hat sie auch schon zwei bestellt, dass dritte ist uns noch zu teuer, Fact and Fiction ist allerdings dabei). Nach dem Lesen bin ich dann vielleicht auch schlauer. Wird natürlich eine Weile dauern, bis ich darauf zurückkommen kann.

(Ich bin auch gerne bereit Arthur, dir das Buch nach dem Lesen zu leihen, denn ich bin da wirklich an deiner Meinung interessiert)

Zu dem Vorfall am 22 November 1888 habe ich hier schon öfters geschrieben. Das letzte Mal war hier, glaube ich:

http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1725.15.html

Vielleicht liest du von Post 19 bis Post 35 einmal nach. Es war eine Diskussion zwischen Shadow und mir. Im letzten Post finden auch noch einmal Cox und Sagar Erwähnung genauso wie die Greenfield Street. Das war ja nicht lange vor der Einweisung von Aaron Kozminski und jene Straße war der Wohnort der Aaron-Geschwister Matilda und Isaac (nebenan in der Yalford Street lebte der Bruder Woolf).

Ich persönlich würde sagen, Krankheit und Verdacht müssen sich ja nicht gegenseitig beim Handeln von etwaigen Angehörigen ausgeschlossen haben. Zu Kozminski´s Familie gehörte ein Rabbi, Israel Lubnowski. Ende letzten Jahres hatten wir eine Diskussion (mit Chris Philips und Robert Lintford) im JTRForums über diesen Israel Lubnowski. Es ist nicht ganz klar, ab wann er in London war. Für offenbar eines seiner Kinder, eine Tochter, gibt es einen Krankenhauseintrag für April/Mai 1887. Er könnte bereits nach der Volkszählung 1881 eingereist sein, wie eben auch Woolf, seine Frau Betsy und Aaron. Aber diese Tochter wurde, anderen Angaben zu Folge, noch in Polen geboren, also 1885. Das gleiche gilt für zwei jüngere Geschwister, die ebenfalls in Polen (ca. 1887 und 1889) geboren wurden. Das ganz jüngste dann in London (1891). Man könnte zumindest annehmen, dass die Mutter nicht in London sondern in Polen jene zwei Kinder gebar, obwohl diese Familie schon in London ansässig gewesen war. Warum, wieso, weshab wüsste ich nicht. Die 1887 Adresse wäre dann Batty Gardens gewesen, das war im Prinzip unmittelbar an der Adresse Woolf Abrahams, Berner Street 1882 gewesen (neben dem Dutfields Yard). Ich habe keine Ahnung, wie solch ein Rabbi unterwegs war aber es gibt die Möglichkeit, dass er nur temporär in London in den 1880ern aktiv war. Alleine oder mit Familie. In der Familie und überhaupt in dieser Gemeinschaft sollte auch dieser Rabbi einen hohen Stellenwert besessen haben. Es wäre genauso gut möglich, dass jenen Rabbi im Herbst 1888 die Botschaft in Polen erreichte, dass man gewisse Probleme mit Aaron hat und dieser dann erneut nach London reiste. Ich denke aber weiß es nicht, dass solch ein Rabbi- Minister bestimmte Einflüsse und Kontakte hatte, um solch eine schwierige Angelegenheit zu regeln. In 1891 finden wir die gesamte Rabbi Familie dann in der Yalford Street, wo er in der Zwischenzeit wieder ganz nahe an Matilda und Isaac wohnte. Woolf muss aus dieser Straße dann Ende 1889/ Anfang 1890 wieder weggezogen sein, in den Sion Square. Auch Matilda und Isaac verschwanden dann plötzlich nach Aaron´s Einweisung aus ihren Wohnorten in der Greenfield Street. Ob Aktivitäten von höheren jüdischen Einflüssen dann eine Verschwörung gewesen wären, ich weiß es nicht. Es kommt ja immer auf den ganz persönlichen Eindruck an, den dabei jene Personen haben. Was denke sie und warum denken sie so? Fakt scheint jedoch zu sein, dass es keine wirklich gerichtlichen Beweise im Falle Kosminskis gab, sondern nur Indizien, gewisse Überzeugungen. Selbst wenn Angehörigen den Verdacht hatten, wie sicher und überzeugt waren sie wirklich? Was reden sich Leute ein? Ich weiß das alles nicht. Ich denke in dieser Richtung auch für den jüdischen Zeugen im Seaside Home. Lag es wirklich daran, dass er einen Glaubensbruder nicht an den Galgen liefern wollte, wie von Anderson und Swanson beschrieben? Wir wissen ja überhaupt nicht was da zu bezeugen gewesen war, wir wissen nicht, inwieweit der Zeuge wusste um was es dabei auch grundsätzlich ging. Kann doch sein, dass er einen schwerkranken und hilflosen Verdächtigen sah, ihn wiedererkannte und es ihm nicht gefiel, dass die Polizei kurz drauf schon dessen Erhängung feierte. Vielleicht tat ihm der Verdächtige leid und auch ein solches Gehabe und er sagte im Anschluß, "Hey Leute, aber 100prozentig sicher bin ich mir dann doch nicht".

Wie hätten wir reagiert, wenn du der Bruder eines solchen Verdächtigen gewesen wärst? Du ezählst mir den Vorfall, berichtest nur von Indizien, deinem eigenen Verdacht aber bist einfach nicht sicher. Ich, als weiterer Angehöriger, kann helfen und tue das auch, weil wir beide wissen, dass dein Bruder sehr schwer krank ist. Wollen wir ihn der Polizeijagd aussetzen oder schauen wir lieber, was wir ihm gutes tun können? Vielleicht ist er ja gar nicht der gesuchte Mörder? Anders verhält es sich, wenn du einen klaren Beweis für seine Täterschaft hättest. Dann übergeben wir ihn, aus unserem Rechtsempfinden heraus, der Polizei. Tun wir das nicht, handeln wir illegal und beginnen eine Verschwörung, aus eigenem Schutz oder zu Schutze unserer Gemeinschaft...

Ich weiß nicht, was damals wirklich passiert war. Weiß nicht, ob Angehörige den ihrigen beschützen wollten, weil er krank war und grundlos (aus ihrer Sicht) von der Polizei beschuldigt wurde oder ob sie Wissen hatten, dass er der gesuchte Mörder war. Oder aber ob Menschen aus dieser Gruppe entweder so oder so dachten...

Wenn ich allein bei Aaron Kozminski bleibe, ein naher Verwandter war ein Rabbi und wenn jener Aaron einer der Hauptverdächtigen gewesen war, dem man (zumindest lange) nichts beweisen konnte, dann hatte dieser Rabbi mit Sicherheit davon gewusst und er hätte seinen Part gespielt. Wenn ich mich recht erinnere, musste im jüdischen Recht jemand wahrhaftig bei einer schlimmen Tat von 1 oder 2 Personen gesehen werden, die auch wirklich darauf schwören mussten. Das war offenbar nicht der Fall, eben auch nicht für das englische Recht. Selbst bei einer eigenen starken Überzeugung der Schuld, hätte das für den jüdischen Rechtsmenschen wahrscheinlich keine Verschwörung bedeutet, sondern ein "normales Handeln", sprich ersteinmal Schutz. Allerdings hätte im Falle von Kosminski, die Übergabe des Mannes von einer privaten Anstalt in eine öffentliche, eine Art "Verabredung" mit dem englischen Recht stattgefunden haben können. Den eines wäre dann gesichert gewesen, der Verdächtige würde nie wieder eine Anstalt als freier Mann verlassen. Genau das klingt dann nach einer wirklichen Verschwörung.

Gruß, Lestrade.
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Offline Lestrade

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Re: Jacob Levy
« Antwort #199 am: 26.05.2016 21:13 Uhr »
Hier der Times-Artikel vom 3. April 1889:

POLICE
At the GUILDHALL, yesterday, before Mr Alderman Wilkin, GEORGE WILKINS, described as a labourer, 19 years of age, was charged with breaking and entering premises situate at No. 5, Duke-street, Aldgate, and stealing therefrom a package of serge, value seven guineas, the property of Mr. E. Bell, C.C. On the evening of the 26th of March, Detective-sergeant Pentin noticed the prisoner in King William-street; he was wheeling a barrow. The officer's suspicions were raised, and he followed the accused into Mitre-square, Aldgate, and from there to 5, Duke-street. Here he entered the premises, but, after a short time, he came out, and, having taken a sack from the barrow, re-entered the premises. Pentin waited outside, and as the prisoner did not come out he communicated with Detective-sergeant Sagar. Both officers then searched the warehouse, and on the top floor they found the prisoner; he had his boots off. In Mr. Bell's wareroom a large package of serge had been moved, and a label that was on it had been taken off. This was found in the prisoner's pocket. A previous conviction was proved by a sessions warder, and the prisoner was committed for trial.


Herzlichen Dank!
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Offline Arthur Dent 2

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Re: Jacob Levy
« Antwort #200 am: 27.05.2016 20:08 Uhr »
Hallo Lestrade!


Zitat
Ich werde versuchen, mir diese drei Ripper- Bücher von Odell zu besorgen. Mir scheint das, alles in allem, sehr interessant.

Ich bin schon auf deinen Bericht gespannt.


Zitat
Zu dem Vorfall am 22 November 1888 habe ich hier schon öfters geschrieben.

Ich habe das mit dem Vorfall noch einmal nachgelesen. Eine interessante These, die du da aufgestellt hast mit Aarons Schwester.

Nur nochmal zur Klärung: Du meinst aber mit dem Zeugen, der die Aussage zurückgezogen hat, jetzt nicht nur seine Schwester, sondern noch eine weitere Person, die was gesehen hat, oder?
Das wären dann ja zwei Zeugen, die ihre Aussage zurückgezogen hätten.


MfG, Arthur Dent

Offline Lestrade

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Re: Jacob Levy
« Antwort #201 am: 27.05.2016 21:27 Uhr »
Nabend Arthur!

Ich musste jetzt selbst erst einmal überlegen. Das habe ich damals im JTRForums ausführlicher erklärt.

Vom Sinn her ging es um folgendes:

Aaron Kozminski könnte seine Schwester attackiert haben und es gab dabei einen Zeugen. Matilda verzichtete jedoch auf eine Anzeige und spielte den Vorfall herunter. Später überlegte Sie sich das und es kam zur Seaside Home ID mit dem unbekannten jüdischen Zeugen, der jedoch nicht mitspielte...

Auch wenn der hier beschriebene Vorfall bereits im November 1888 stattfand, möchte ich nicht ausschließen, dass es zumindest einen weiteren Vorfall dieser Art auch später gegeben haben könnte. Es ist statistisch erwiesen, dass schizophrene Menschen (für mich) überraschenderweise sehr oft eigene Angehörige attackieren und deshalb wollte ich den von Jacob Cohen erwähnten Vorfall nicht unbedingt als Einzelfall abtun. Bei Aaron´s Einweisung Anfang 1891 sprach Jacob Cohen ja davon und es klang, so könnte man meinen, als ob dieser Vorfall erst kürzlich stattgefunden hatte und mit ein Grund war, Aaron nun entgültig einzuweisen. Dazu kommt, dass wir ja überhaupt nicht wissen, wann die Seaside Home ID stattfand. Ein solcher Vorfall, auch sei es die eigene Schwester gewesen, wäre für die Polizei sehr interessant gewesen, wenn ein Zeuge die Attacke beobachtet hätte und er gesehen hätte, wie der Angreifer versuchte die Kehle des Opfers mit einem Messer zu erreichen. Gerade auch dann, wenn der Verdächtige bereits unter starken Verdacht stand. Ich selber bin schon länger nicht mehr davon überzeugt, dass keiner der besten jüdischen Zeugen, Schwartz oder Lawende, der unbekannte Zeuge im Seaside Home war.

Das alles sind natürlich nur Erklärungsversuche und Versuche Alternativen für das ganze Seaside Home Szenario zu finden. Genauso sehe ich aber eine gewisse Chance, wie wir bereits neulich diskutierten, dass der Zeuge aus dem Miller´s Court stammen könnte. Der Zeuge bei einem möglichen Vorfall Matilda- Aaron hätte diese nicht als Geschwister ausgemacht haben müssen.

Dieser Jacob Cohen ist für mich auch besonders interessant, gerade bezüglich der Butchers Row Aussagen von Sagar, weil er ein sehr erfolgreicher Butcher aus Manchester gewesen war, der auch zu jener Zeit geschäftlich in London zu tun hatte und kurzzeitig sogar ein Unternehmen mit Aaron´s Bruder Woolf hatte, im Mantelgeschäft. Er war auch ein geborener Kozminski, der später nach Südafrika auswanderte (von wo er auch einwanderte). Man kann deshalb auch nicht ausschließen, dass er Verbindungen in die Butchers Row hatte. Auch die "Jacobs" Theorie als auch Aaron´s Dezember 1889 Aussage selber (Hundevorfall), dass der Hund einem "Jacobs" gehörte bringt mich zurück zum Schlachterbusiness von Jacob Cohen. Sagar sprach ja von "his friends" und immerhin war die anwesende Person (Jacob Cohen) bei Aaron´s Einweisung ein Butcher.

Es gibt immer wieder so Sachen, die man mit der Zeit erfährt und bestimmte Dinge in einem anderen Licht erscheinen lassen. Ich habe gelernt immer weiter vorsichtiger zu werden und mir vieles offen zu lassen. So auch in Sachen Matthew Packer, der gerne etwas heruntergespielt wird (vielleicht auch zurecht). So berichtete Packer, dass kurz nach dem Kelly Mord, ein Verwandter eines möglichen Verdächtigen auf ihn zukam. Jemand, der ganz in der Nähe wohnte. Er behauptete ja bereits Stride mit einem Mann gesehen zu haben, den er kannte und der ebenfalls aus der Nähe stammte. Es könnte so gewesen sein, dass dieser Verwandte den Verdächtigen nicht finden konnte und das nährte auch meine Theorie, dass Aaron Kozminski zunächst nach dem Kelly Mord verschwand. Dieser Verwandte könnte Morris Lubnowski, der Ehemann von Matilda, gewesen sein. Packer wohnte auf der Strecke zwischen den Wohnungen von Matilda und Isaac (Greenfield Street) und der Adresse von Woolf in der Providence Street in der Berner Street. Auch wenn Woolf im Oktober aus der Providence Street wegzog, muss die Wohnung dort nicht gleich vollends aufgegeben worden sein (gerade auch dann, wenn Auftragsarbeiten fürs Schneidergeschäft dort ausgeführt wurden). Packer könnte diese Familie gekannt haben und Morris befragte ihn ob er Aaron in der Zwischenzeit gesehen hatte. Einem zusätzlichen Eintrag in einem bekannten Bericht von Swanson an das Innenministerium zufolge, nahm Packer sich offenbar sogar einen Anwalt. Entweder nahm sich Packer selbst sehr wichtig oder aber er war tatsächlich wichtig und wurde erst kommunikativer mit der Polizei, als sich die "Detektive" Le Grand und Bachelor einschalteten. Es ist doch gut möglich, dass er der Polizei zunächst nichts sagte, weil er den Mann den er mit Stride sah, gut zuordnen konnte und keinen Ärger wollte. Auch sprach Packer davon, den gesehenen Mann auch noch einmal wiedergesehen haben zu wollen (Ecke Greenfield Street) als auch davon bedroht worden zu sein.

Konnte Packer bestätigen, dass er Aaron Kozminski in jener Nacht mit Stride sah und konnte der PC vom Mitre Square in die gleiche Kerbe hauen, indem er sagte, der Verdächtige ähnle dem Mann der er sah, welchen er auch vom Sehen her kannte, dann wäre Aaron Kozminski zweimal in einer Nacht von zwei Zeugen mit zwei Opfern "gesehen" worden (auch wenn beide Zeugen keinen "Mord" sahen). Das wäre für Kosminski natürlich fatal gewesen, gerade auch dann, wenn die blutige Wäsche in der Batty Street auch ihm gehört hätte. Nun stellen wir uns vor, dass die Attacke Matilda- Aaron wirklich stattfand, dann könnte auch die Seaside Home ID noch vor Ende 1888 stattgefunden haben. Im Dezember 1888 durchsuchte man private Anstalten und es wäre doch möglich, dass man das tat, weil man eine offizielle ID mit dem Zeugen vom 22 November durchziehen wollte. Abgesehen davon, ob Matilda nun diesen Vorfall anzeigte oder nicht. Im Zusammenhang mit den anderen Indizien hätte eine positive ID vielleicht sogar ausgereicht. In solchen Falle würde ich mich auch nicht von Swanson´s Aussage, "nach der Rückkehr in das Haus seines Bruders" abschrecken lassen. Es ist ja anzunehmen, dass der Verdächtige zur ID aus einer Anstalt geholt wurde und im folgenden auch immer wieder in einer (privaten) untergebracht wurde. Die Observationen als auch die Kontrolle über diesen Verdächtigen könnte die City Police gehabt haben und nicht die MET (Swanson). Als Swanson die ID beschrieb, egal für welchen Zeitraum, hätte er nicht gewusst haben müssen, dass der Verdächtige auch immer wieder Zeiten in Freiheit hatte, wenn vielleicht auch nie für lange. Viele denken, dass der Verdächtige direkt von der ID zurück zu seinem Bruder kam und vergessen dabei, dass er Insasse einer Anstalt gewesen war. Nehmen wir mal an, die ID fand im July/ August 1890 statt. Bevor er zu seinem Bruder zurückkehren konnte, könnten 5, 6 Monate vergangen sein. Sicher ist nur, dass er dann nur kurz bei seinem Bruder war, bevor es nach Colney Hatch ging.

Egal wie, der Vorfall am 22 November 1888 hätte an einem der Orte stattgefunden haben können, die Kosminski gewohnt war zu besuchen. Sie wurden von der Polizei observiert und als es zur Auseinandersetzung (Aaron kehrte plötzlich zurück) mit Matilda kam, war die Polizei sofort zur Stelle. Spuren vom Kelly Mord wären dann sicherlich nicht mehr an ihm auffindbar gewesen.

Ich kann mir gut vorstellen, dass all diese Überlegungen dem ähnlich war, was Macnaghten über Kosminski sagte:

"Many circumstances and a strong suspect"

Wir wissen das alles leider nicht. Aber sollten jemals Akten von Kosminski gefunden werden, in welchen steht dass er von Packer und dem Mitre Square PC gesehen wurde, das die blutige Wäsche aus der Batty Street ihm gehörte, dann könnte ich Swanson als auch Anderson gut verstehen, verstehen was Macnaghten mit seinen Aussagen meinte... aber das ist wohl alles nur Wunschdenken...

Gruß, Lestrade.
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Offline Arthur Dent 2

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Re: Jacob Levy
« Antwort #202 am: 28.05.2016 09:12 Uhr »
Hallo Lestrade!


Zitat
So auch in Sachen Matthew Packer, der gerne etwas heruntergespielt wird (vielleicht auch zurecht). So berichtete Packer, dass kurz nach dem Kelly Mord, ein Verwandter eines möglichen Verdächtigen auf ihn zukam. Jemand, der ganz in der Nähe wohnte. Er behauptete ja bereits Stride mit einem Mann gesehen zu haben, den er kannte und der ebenfalls aus der Nähe stammte.


Also für mich ist Packer kein brauchbarer Zeuge. Schon die Polizei (inklusive Swanson) hielt ihn für unglaubwürdig, weil er sich in zuviele Widersprüche verwickelte. Meiner Meinung nach war der alte Mann bestenfalls ein schlechter Zeuge, wahrscheinlicher aber ein Wichtigtuer, der sich in der Aufmerksamkeit sonnen wollte, die ihm plötzlich als möglicher Zeuge zuteil wurde - und so erfand er vermutlich einfach etwas.
Allein schon diese Behauptung, der Mann hätte bei ihm für Stride Trauben gekauft, aber bei der Obduktion konnten keine Trauben in Strides Magen gefunden werden.

Außerdem halte ich es für extrem unwahrscheinlich, dass JTR allzulange mit seinen potentiellen Opfern um die Häuser zog und ihnen gar bei Händlern etwas kaufte wie bei einem Date:
Dagegen spricht erstens JTRs Hass gegen diese Frauen. Außerdem war das Risiko zu hoch. Je länger er mit ihnen in der Öffentlichkeit herumzog, desto mehr Zeugen gab es - und desto größer war die Wahrscheinlichkeit, dass er jemandem begegnete, der ihn sogar kannte. JTR wird die Sache in der Öffentlichkeit so kurz wie möglich gehalten und mit den Prostituierten das "Geschäft" schnell  klargemacht haben, damit sie zügig in eine dunkle Ecke verschwinden konnten.

Packers Zeitangaben variierten stark zwischen 23 Uhr und 0.15 Uhr, das wäre mindestens eine halbe Stunde bis gar über eineinhalb Stunden vor dem Mord (0.45 - 1 Uhr) - bis dahin hätte Liz erstens die Trauben längst gegessen und zweitens hätte sie schon wieder jemand anderen getroffen haben können.

Und wofür hätte Packer sich einen Anwalt holen sollen? Damit der ihn mit Paragraphen vor JTR schützt? Falls er sich tatsächlich einen holen wollte, dann wohl eher, weil er befürchten musste, dass die Polizei ihm Ärger machen würde, vermutlich wegen Falschaussage und Behinderung der Ermittlungen.

Sorry, aber Packer ist für mich als möglicher Zeuge schon lange abgehakt.


MfG, Arthur Dent

Offline Lestrade

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Re: Jacob Levy
« Antwort #203 am: 28.05.2016 12:43 Uhr »
Hallo Arthur!

Also für mich ist Packer kein brauchbarer Zeuge. Schon die Polizei (inklusive Swanson) hielt ihn für unglaubwürdig, weil er sich in zuviele Widersprüche verwickelte. Meiner Meinung nach war der alte Mann bestenfalls ein schlechter Zeuge, wahrscheinlicher aber ein Wichtigtuer, der sich in der Aufmerksamkeit sonnen wollte, die ihm plötzlich als möglicher Zeuge zuteil wurde - und so erfand er vermutlich einfach etwas.

Ja, er war bereits ein älterer Herr! Er hatte nach der ersten Befragung durch die Polizei nichts gesehen oder gehört. Danach hielt er die Polizei aber für 7-8 Wochen in Schach. Warum ging die Polizei nach der ersten Befragung noch einmal zu ihm? Er sollte Stride identifizieren. Als die Polizei wieder da war, war er bereits mit den Privatdetektiven unterwegs. Die brachten ihn zuerst zu Eddowes, das war ein Test, er erkannte die Frau nicht wieder. Stride erkannte er dann wieder. Die Identifikation von Stride an sich, erfolgte nicht gleich (die Polizei hatte Mühe). Als er die erste Aussage machte, konnte er ja nicht über etwas ungewöhnliches Berichten. Er sah, seiner Meinung nach, nur ein Pärchen, wo er die Personen vom Sehen her kannte. Sie kauften Trauben und standen danach auf der Straße. Packer sprach von Regen aber den anderen Zeugen zu Folge und auch der trockenen Kleidung von Stride sowie den Wetterdaten nach, kam dieses Pärchen zu ihm, als es gerade aufhörte zu regnen. Es ist stark anzunehmen, dass er das Pärchen etwas später sah (er selbst machte unterschiedliche Angaben). Kurz vorher gab es jedoch einen kräftigen Schauer. Da wohl keine weiteren Kunden mehr zu erwarten waren, bei eben diesem Wetter, schloss er sein Geschäft. Wir hatten Diskussionen in mehr als einen Faden im Casebook vor nicht allzulanger Zeit wo Packer im wieder ins Gespräch kam. Das waren mit die besten Diskussionen die ich erlebte und bei vielen Interessierten besitzt Packer durchaus Glaubhaftigkeit. Mit dabei war der Autor Tom Wescott, eigentlich jemand, der Packer keine Bedeutung beimisst. Ich erwarte mit Sehnsucht sein neues Buch über das Berner Street Geheimnis und bin gespannt, wie er Packer dort nun behandeln wird. Swanson hielt Packers unterschiedliche Aussagen für wertlos, da sie sich widersprachen. Das muss nicht bedeuten, dass er ihn für unglaubwürdig hielt.

Allein schon diese Behauptung, der Mann hätte bei ihm für Stride Trauben gekauft, aber bei der Obduktion konnten keine Trauben in Strides Magen gefunden werden.

Aber Sie hatte Fruchtflecken auf ihrem Schal! Die Obduktion von Stride fand am Montag den 1 Oktober 1888 um 15 Uhr statt. Stride wurde am Sonntagmorgen, den 30 September 1888 gegen 1 Uhr ermordet. 38 Stunden nach ihrer Ermordung wurde ihr Magen untersucht. Die Magensäure hört nicht mit dem Tod auf zu wirken. Dazu kommt, dass Stride eine Reihe Zähne fehlten. In den Casebook Diskussionen erwähnte einige, dass sie selber Kerne als auch harte Schalen beim Essen von Weintrauben ausspucken. Meine Mutter tat dies (je nach Sorte) sehr oft, da ihr ebenfalls eine Reihe Zähne fehlten. Ich, obwohl in Besitz eines lückenlosen Gebisses, tue das auch manchmal. In unserem Garten in unserem alten Domizil (Umzug ist am 1 Juni jetzt vorbei) haben wir eine Sorte Weintrauben, bei denen ich das auch tat. Sie hat harte Schalen und große Kerne. Deshalb machten wir eher Saft bzw. Marmelade daraus.

Außerdem halte ich es für extrem unwahrscheinlich, dass JTR allzulange mit seinen potentiellen Opfern um die Häuser zog und ihnen gar bei Händlern etwas kaufte wie bei einem Date:

Aber der Mann den Cox beobachtete, ging eine beachtliche Zeit mit einer Prostituierten spazieren!

Und wofür hätte Packer sich einen Anwalt holen sollen? Damit der ihn mit Paragraphen vor JTR schützt? Falls er sich tatsächlich einen holen wollte, dann wohl eher, weil er befürchten musste, dass die Polizei ihm Ärger machen würde, vermutlich wegen Falschaussage und Behinderung der Ermittlungen.

Kurioserweise war die Polizei in Kontakt mit Packer, während die "Batty Street" Observation stattfand. Die Presse stellte dann um den 20 Oktober herum fest, dass Packer plötzlich sehr zurückhaltend wurde. Die Observation sollte ganz in seiner Nähe stattgefunden haben und dies würde auch zu seiner Behauptung passen, dass der gesehene Mann ganz in der Nähe lebte.

Ich kann nicht sagen, ob es sich tatsächlich um einen Anwalt handelte. Das ist freilich mit Vorsicht zu genießen. Die Angabe (13 November 1888) machte ein gewisser H. Hales. Es gab einen Anwalt zu der Zeit, einen H. Hale. Der Stempel des Polizeibeauftragten setzte man am 14 November darauf.

Hales:

states that Mr. Packer believes the murder to be his own cousin

Dies ist zunächst sehr verwirrend, könnte sich jedoch mit dem hier erklären:

Manchester Guardian 19 November 1888:

The statement made by a man to Packer, the fruit seller of Berner-street, that he was of opinion that his cousin had committed the foul deeds, is still being investigated by the detectives, who are inclined to doubt the veracity of the greater portion of the details. They, however, believe they have found the cousin referred to, and attach little importance to what was at first supposed to be a substantial clue.

Es war wohl eher der Cousin des Mannes mit dem Packer sprach.

Morris Lubnowski war nicht nur der Schwager von Aaron Kozminski sondern auch sein Cousin. Hier würden natürlich auch Israel Lubnowski als auch Jacob Cohen passen.

Packer könnte bis dahin nur Aaron Kozminski mit Liz Stride gesehen haben. Kommt nun ein Angehöriger von Aaron zu ihm und erzählt, dass er glaube, dass sein Cousin Aaron etwas mit den Morden zu tun hätte, dann könnte sich Packer Hilfe gesucht haben. Geschehen dann nach Kelly. Man kann Packer als Wichtigtuer abtun aber auch die Theorie erstellen, dass er zunächst nur eine Beobachtung machte, die er selbst nicht für wichtig hielt und dann aber plötzlich feststellen musste, dass er mitten in den Aktivitäten der Polizei bezüglich eines Mannes, als auch inmitten dessen eigene Familienaktivitäten stand. Und das, obwohl er lediglich eine Stunde, 45 oder 30 Minuten vor dem Mord, jenes Pärchen gesehen hatte.

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Re: Jacob Levy
« Antwort #204 am: 28.05.2016 13:59 Uhr »
Warum ging die Polizei nach der ersten Befragung noch einmal zu ihm? Er sollte Stride identifizieren. Als die Polizei wieder da war, war er bereits mit den Privatdetektiven unterwegs. Die brachten ihn zuerst zu Eddowes, das war ein Test, er erkannte die Frau nicht wieder. Stride erkannte er dann wieder.

Hier mal den genaueren Ablauf:

Sergeant White musste, geschickt durch Warren, am 4 Oktober noch einmal zu Packer. Man hatte die Zeitung gelesen und erfahren, dass am 3 Oktober Privatdetektive bei Packer waren und ihn in die Leichenhalle zu Eddowes brachten. Er erkannte die Frau nicht wieder, hatte aber nun doch etwas gesehen. Packer sollte nun Stride identifizieren, Sergeant White sollte ihn dafür abholen. Als White am 4 Oktober ankam, war Packer bereits mit den beiden Detektiven bei Stride gewesen, sie kamen gerade von ihr zurück. Er hatte sie wiedererkannt.

Die Detektive hatten die Spur mit den Weintraubenstengeln aufgegriffen. Es war ja logisch, Packer als Obsthändler neben dem Tatort diesbezüglich zu befragen. Es war schlechtes Wetter in der Mordnacht und wahrscheinlich verkaufte er nicht gut. Gut möglich aber, dass er sich an dieses Pärchen erinnerte, die er kannte, dies aber noch zeitlich etwas weiter vor der Tat einordnete. Da war vielleicht kein Grund diese Beobachtung mit dem Verbrechen in Verbindung zu bringen. Weder den Mann, noch die Frau. Ich weiß nicht, ob Packer die Tote im Yard neben ihn als die ihm bekannte Frau zuordnete. Vielleicht kannte er sie nur vom Sehen oder vom Spitznamen her, keine Ahnung. Ich weiß auch nicht, wieviele Prostituierte diesen Yard oder diese Straße für ihr Geschäft nutzten. Aber offenbar erkannte er Stride als die Frau wieder, welcher er in Begleitung eines Mannes Weintrauben verkaufte. Doch gut möglich, dass er den Privatdetektiven die Story mit den Stengeln abkaufte und er dann zugeben musste, dass er den Mann, den er die Weintrauben verkaufte, irgendwie kannte, weil dieser in der "nächsten Straße" beheimatet war. Packer war damals 57 Jahre alt, vielleicht verwirrte ihn das alles, die Fragen der Polizei, der Detektive, der Presse, dass er wohlmöglich einen ("bekannten") unschuldigen Mann einen schlimmen Verdacht aussetzte. Deshalb die unterschiedlichen Angaben in Zeit und Täterbeschreibungen usw. Dann die Observation in seiner Gegend, der Fund der blutigen Wäsche in der Straße gegenüber, plötzlich ein Mann, der (gerade) ihm gegenüber berichtet, dass sein Cousin wohlmöglich mit den Mordtaten zu tun hat.
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Re: Jacob Levy
« Antwort #205 am: 28.05.2016 16:18 Uhr »
Hallo Lestrade!


Zitat
Er hatte nach der ersten Befragung durch die Polizei nichts gesehen oder gehört. Danach hielt er die Polizei aber für 7-8 Wochen in Schach.

Eben. Genau das ist für mich ein Indiz dafür, dass erst dieses ganze Interesse, das ihm dann zuteil wurde, dazu brachte irgendwas zu erzählen (so wie z.B. Kinder das auch tun) - vermutlich basierend auf ein paar wahren Begebenheiten. 
Erst weiß er nichts, als die Polizei ihn nach Beobachtungen wegen des Mordes befragt, dann kommen diese Detektive und fragen ihn aus, nehmen ihn mit und geben ihm das Gefühl, wichtig zu sein, und danach fängt er an, das Gefühl von Wichtigkeit zu genießen.


Zitat
Warum ging die Polizei nach der ersten Befragung noch einmal zu ihm?

Vielleicht einfach weil sie erfahren hatte, dass die Detektive an ihm dran waren und natürlich überprüfen musste, ob es da nicht doch noch brauchbare Informationen gab, wenn Detektive sich für ihn interessieren?


Zitat
  In den Casebook Diskussionen erwähnte einige, dass sie selber Kerne als auch harte Schalen beim Essen von Weintrauben ausspucken. Meine Mutter tat dies (je nach Sorte) sehr oft, da ihr ebenfalls eine Reihe Zähne fehlten. Ich, obwohl in Besitz eines lückenlosen Gebisses, tue das auch manchmal.

Das ist interessant, an so eine Möglichkeit hatte ich nicht gedacht. Dennoch halte ich es für unwahrscheinlich, dass man dadurch überhaupt keinen Kern und kein Stück Schale in den Bauch bekommt... Aber geringe Mengen könnten natürlich übersehen worden sein, in der Tat.


 
Zitat
  Aber der Mann den Cox beobachtete, ging eine beachtliche Zeit mit einer Prostituierten spazieren!

Cox: "Not far from where the model lodging house stands he met another woman, and for a considerable distance he walked along with her. Just as I was beginning to prepare myself for a terrible ordeal, however, he pushed her away from him and set off at a rapid pace."
Was heißt hier "für eine beträchtliche Distanz"? Einige hundert Meter? Einige Minuten? Bestimmt jedenfalls nicht eine halbe Stunde bzw. zwei Kilometer oder mehr - in der Zeit hätten beide eine ganze Runde ums Viertel drehen können... Und wenn es wesentlich länger als ein paar Minuten gewesen wäre, hätte Cox das auch anders formuliert und eine andere Zeitangabe gemacht, oder gar hinzugefügt, dass sie gemeinsam durch mehrere Straßen zogen, statt zu sagen: "sie gingen eine beträchtliche Strecke nebeneinander her. Gerade als ich mich auf eine quälende Geduldprobe einstellen wollte, stieß er sie von sich weg" - Es war also noch keine quälend lange Zeit, er fürchtete nur, dass es langwierig werden könnte. Das klingt für mich wie maximal ein paar hundert Meter in derselben Straße. Als der Verdächtige in einem Shop verschwand, hat Cox dies ja auch mit einer Zeitangabe versehen und sagte: für etwa eine Viertelstunde - so lang wird das mit der Frau also wohl eher nicht gewesen sein.

Packer sagte, er habe seinen Shop gegen 0.15 Uhr geschlossen. Selbst wenn wir annehmen, dass er Stride und den Mann unmittelbar davor bedient hat, und nicht bereits zwischen 23 Uhr und 23.45 Uhr, wie er angab, wäre der Kerl danach immer noch über eine halbe Stunde mit Stride zusammen öffentlich durch die Straßen gezogen, bevor sie zwischen 0.45 Uhr und 1 Uhr ermordet wurde. Und wenn die Zeitangaben stimmen, sogar über eine Stunde bis zu eindreiviertel Stunden!
Nein: Wenn Packer tatsächlich Stride mit einem Mann als Kunden hatte, war der Kerl höchstwahrscheinlich nicht JTR.


Zitat
  Hales: states that Mr. Packer believes the murder to be his own cousin.
(...)
Es war wohl eher der Cousin des Mannes mit dem Packer sprach.

Sorry, aber das erscheint mir jetzt an den Haaren herbeigezogen: Da sagen ein Anwalt und eine Zeitung, Packer würde seinen eigenen Cousin für den Mörder halten, und die Polizei soll diesen Cousin auch noch überprüft haben - und du interpretierst das einfach mal um, dass es wohl der Cousin dieses Mannes gewesen sein könnte, den er eigentlich gemeint hat...
"My cousin" und "his cousin" bzw. "the cousin of this man" - da bestehen doch gewaltige Unterschiede. Sollten Hales und die Polizei den alten Packer tatsächlich so missverstanden haben, dass sie dessen eigenen Cousin mit dem Cousin des Fremden verwechselt haben? Glaubst du tatsächlich, dass da nicht nachgehakt wurde, wen genau er meint und wie der heißt? Also entweder waren Hales und die Polizisten extrem verwirrt und gerade nicht zurechnungsfähig - oder wohl eher Packer.
Wie steht es im Manchester Guardian vom 19. November 1888, den du zitiert hast, so treffend:
"the detectives, who are inclined to doubt the veracity of the greater portion of the details."

Sorry Lestrade, aber diese Geschichte mit der Verdächtigung seines eigenen Cousins - ein Detail, das ich bisher noch nicht kannte - bestärkt mich vielmehr darin, die Ansicht der Polizei zu teilen, dass Packer kein brauchbarer Zeuge ist.


 MfG, Arthur Dent
« Letzte Änderung: 28.05.2016 17:10 Uhr von Arthur Dent 2 »

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Re: Jacob Levy
« Antwort #206 am: 28.05.2016 17:11 Uhr »
Arthur, was wir hier meist tun, sind Dinge zu interpretieren! So, wie Du Packer´s Aktionen als "Wichtigtuerei" interpretierst. So, wie Du als auch ich Jacob Levy als JtR Verdächtigen "an den Haaren herbeiziehen". So wie Du JtRs Aktionen als "zügig" beschreibst. Wir wissen nicht, welche Zeit Cox meinte und ich interpretiere es so, dass dies wohl eher nicht zügig ablief. Der Zeuge Marshall sah Stride eine Stunde vor der Tat mit einem Mann, der ihm wie ein Seemann vorkam. Das ist eine Beschreibung wie wir sie auch von Lawende kennen als auch für den gesehenen Mann in der Church Lane, vielleicht auch von PC Smith. Du siehst die Möglichkeit, dass Jacob Levy in der Butchers Row arbeitete. Du siehst vielleicht in ihm "Jacobs", den Schlachter. Es gibt nichts was darauf hinweist.

Warum die Polizei noch einmal zu Packer ging, schrieb ich sofort dahinter, nämlich um Stride zu identifizieren. Im letzten Post vertiefte ich die Angelegenheit detaillierter.

Das die Polizei auch in der Batty Street Sache im Oktober den Verdacht am Ende herunterspielte, passt dann aber auch zu der November Story. Im ersten Falle ging der Mann nicht mehr vor die Türe, im zweiten Falle war er vielleicht nicht auffindbar. Es könnte Taktik der Polizei gewesen sein, den Verdächtigen in Sicherheit zu wiegen.
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Offline Arthur Dent 2

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Re: Jacob Levy
« Antwort #207 am: 28.05.2016 18:50 Uhr »
Hi Lestrade!


Zitat
Arthur, was wir hier meist tun, sind Dinge zu interpretieren! So, wie Du Packer´s Aktionen als "Wichtigtuerei" interpretierst.

Du hast recht, das habe ich vielleicht etwas einseitig interpretiert mit seinen widersprüchlichen Aussagen und etwas schnoddrig hingeschrieben. Er könnte auch einfach ein schon leicht verwirrter älterer Mann gewesen sein, der nur helfen wollte... Ich ziehe meine Unterstellung gegen Packer hiermit zurück.
Kern des Problems mit Packer ist aber m.E. nach wie vor, dass er wegen der Widersprüchlichkeiten letztendlich als Zeuge nicht brauchbar ist, was auch die Polizei meinte.


Zitat
So wie Du JtRs Aktionen als "zügig" beschreibst. 

Das ist weniger eine Interpretation, als eine vernünftige Schlussfolgerung angesichts der Tatsachen, wie schnell er bei den eigentlichen Morden war und dass er immer davongekommen ist.
Du musst doch zugeben, dass es für einen einheimischen Täter nahezu unmöglich gewesen wäre, stundenlang mit einem späteren Opfer durch die Öffentlichkeit zu laufen, ohne dabei auf zahlreiche Leute zu treffen, die ihn kennen.
Ich bin nur noch selten in meiner Heimatstadt, aber wenn ich mal wieder zu Besuch bin, laufen mir zu allen Tageszeiten regelmäßig mindestens ein halbes Dutzend Bekannte über den Weg.


Zitat
Wir wissen nicht, welche Zeit Cox meinte und ich interpretiere es so, dass dies wohl eher nicht zügig ablief.

In diesem Fall wohl zumindest nicht zügig genug für unseren Verdächtigen. Dass er die Frau schließlich wegstieß, interpretiere ich so, dass der "Geschäftsabschluss" ihm zu lange dauerte, und er deshalb abbrach: Es lief nicht so, wie er wollte bzw. es wurde ihm zu riskant.
Wie gesagt: Wenn die beiden ewig durch die Gegend gelaufen wären, hätte Cox das wohl etwas anders dargstellt.
 

Zitat
Der Zeuge Marshall sah Stride eine Stunde vor der Tat mit einem Mann, der ihm wie ein Seemann vorkam. Das ist eine Beschreibung wie wir sie auch von Lawende kennen als auch für den gesehenen Mann in der Church Lane, vielleicht auch von PC Smith.

Stimmt, aber um mal den Advocatus diaboli zu spielen: London ist nunmal eine Hafenstadt, da liefen jede Menge Seeleute rum, die sich nachts amüsieren wollten. Es ist auch nur eine Interpretation, dass dies immer derselbe gewesen sein könnte.
Hat Packer den Mann übrigens auch als Seemann beschrieben? Soweit ich weiß, nicht: Er beschrieb ihn vielmehr als untersetzt und mit einem Hut mit breiter Krempe...


Im Ernst, wir beide wissen, dass wir spekulieren. Ich spekuliere über den armen Jacob Levy (der sich nicht mehr wehren kann), weil er für mich genau in das Profil passt, dass ich mir angelesen habe. Er ist für mich der Prototyp des "Crazy jewish butcher", jedenfalls solange, bis ich eine Person finde, auf den die paar Informationen, die wir haben, besser passen.
Du spekulierst über Kosminski.


Aber wir können ein paar Überlegungen zur Plausibilität bestimmter Hypothesen in Zusammenhang mit den Morden anstellen.
Und wenn wir davon ausgehen, dass JTR ein Einheimischer war, ist es eine vernünftige Schlussfolgerung, dass er nicht mit seinen Opfern um die Häuser zog, bevor er sie ermordete, sondern so schnell wie möglich mit ihnen in einer dunklen Ecke verschwinden wollte - oder eben sein Vorhaben abbrach, wenn dies nicht funktionierte.
Wir kennen zwei Fälle des Wegstoßens von Frauen: Den Fall Stride und den Fall, den Cox berichtet hat. Das sind für mich Parallelen, die darauf hindeuten, dass er zügig klare Verhältnisse wollte und den Kontakt offenbar lieber abrupt beendete, wenn nicht alles "richtig" lief. Bei Stride sah er sich aber wohl - aus welchen Grund auch immer - gezwungen, sie vorher noch zum Schweigen zu bringen.


Zitat
Warum die Polizei noch einmal zu Packer ging, schrieb ich sofort dahinter, nämlich um Stride zu identifizieren. Im letzten Post vertiefte ich die Angelegenheit detaillierter.

Ja, und du hast explizit dargelegt, dass sie nicht aus eigenen Überlegungen nochmal zu ihm gingen, sondern offensichtlich aufgrund öffentlichen Drucks: Sie hatten in der Zeitung lesen müssen, dass diese Detektive mit ihm zugange waren. Was wäre das wohl für ein Skandal geworden, wenn die Polizei dem nicht nachgegangen wäre, aber Packer diesen Detektiven vielleicht doch noch hilfreiche Informationen hätte geben können? Die Polizei musste sich weiter mit ihm abgeben, und wenn vielleicht auch nur, um sich abzusichern.


Zitat
Das die Polizei auch in der Batty Street Sache im Oktober den Verdacht am Ende herunterspielte, passt dann aber auch zu der November Story. Im ersten Falle ging der Mann nicht mehr vor die Türe, im zweiten Falle war er vielleicht nicht auffindbar. Es könnte Taktik der Polizei gewesen sein, den Verdächtigen in Sicherheit zu wiegen. 

Das kann gut sein, dass sie Verdächtige in Sicherheit wiegen wollten, die Polizei hielt ja offensichtlich einige Informationen zurück. Nur glaube ich nicht, dass dies irgendwie mit Packer in Zusammenhang stand, sonst hätte Swanson ihn ja nicht auch polizeiintern als unbrauchbaren Zeugen bezeichnet. 


 
MfG, Arthur Dent

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Re: Jacob Levy
« Antwort #208 am: 28.05.2016 18:58 Uhr »
Ich bin eben noch einmal durch meine Informationen gegangen, Arthur!

Das es sich nicht um Packer´s Cousin gehandelt haben muss, erkennt man in diesen Berichten vom 15 November 1888:

http://www.casebook.org/press_reports/evening_news/18881115.html

Mr. Matthew Packer, of Berner street, the fruiterer who sold some grapes to a man who just before the Berner street murder was in company with the murdered woman, vouches for the following extraordinary statement. He says: "On Tuesday evening two men came to my house and bought twelve shillings' worth of rabbits off me. They then asked me if I could give an exact description of the man to whom I sold the grapes, and who was supposed to have committed the Berner street and Mitre square murders, as they were convinced they knew him, and where to find him.

Dienstag abend war dann der 13 November, jenen Eintrag (Mr. H. Hales... states that Mr. Packer believes the murder to be his own cousin) gab es dann wohl am 14 November (so der Stempel), diesen Zeitungsbericht dann am 15 November. Der Manchester Guardian 19 vom November 1888 berichtete dann das, wie bereits gepostet:

The statement made by a man to Packer, the fruit seller of Berner-street, that he was of opinion that his cousin had committed the foul deeds, is still being investigated by the detectives, who are inclined to doubt the veracity of the greater portion of the details. They, however, believe they have found the cousin referred to, and attach little importance to what was at first supposed to be a substantial clue.

Aber weiter vom 15 November:

"In reply to some questions by Packer, one of the men then said, 'Well, I am sorry to say that I firmly believe it is my own cousin. He is an Englishman by birth, but some time ago he went to America, stayed there a few years, and then came back to London about seven or eight months ago. On his return he came to see me, and his first words were, 'Well, Boss, how are you?' He asked me to have some walks out with him, and I did round Commercial street and Whitechapel. I found that he had very much altered on his return, for he was thoroughly harem scarem.

"'We met a lot of Whitechapel women, and when we passed them he used to say to me, 'How do you think we used to serve them where I came from? Why, we used to cut their throats and rip them up. I could rip one of them up and get her inside out in no time.' He said, 'We Jack Rippers killed lots of women over there. You will hear of some of it being done over here soon, for I am going to turn a London Jack Ripper.'" The man then said, 'I did not take much notice then of what he said, and I thought it was only his swagger and bounce of what he had been doing in America,' at some place which Packer says he mentioned, but he forgets the name. 'But,' continued the man, 'When I heard of the first woman being murdered and stabbed all over, I then began to be very uneasy, and to wonder whether he really was carrying out his threats. I did not, however, like to say anything about him, as he is my own cousin. Then, as one murder followed another, I felt that I could scarcely rest.

"'He is a perfect monster towards women, especially when he has had a drop of drink. But, in addition to what he said to me about these murders in America, and what was going to be done here, I feel certain it is him, because of the way these Jack Ripper letters which have appeared in the papers begin. They all begin 'Dear Boss,' and that is just the way he begins his letters. He calls everybody 'Boss' when he speaks to them. I did not want to say anything about him if I could help it, so I wrote to him, but he did not answer my letter. Since this last murder I have felt that I could not remain silent any longer, for at least something ought to be done to put him under restraint.'"

Packer states he feels sure the men are speaking the truth, as they seemed very much concerned and hardly knew what to do in the matter. He says he knows where to find the men; one works at some ironworks and the other at the West India Docks, and the man they allude to lives some where in the neighbourhood of Whitechapel. The reporter to whom the above statement was made at once sent off a copy of it to the Home Secretary, and also to Sir J Fraser, the Chief Commissioner of the City Police.

Sir William Fraser immediately acted on the information and sent Detective sergeants White and Mitchell to investigate it. They read the letter to Packer, who said it was true, and then took the detectives to the man's house. On being questioned by the police he stated where his cousin was generally to be found. It transpired that he is sometimes engaged on the Thames, and late, last night, a search was, it is said, being made for him upon the river.


Offenbar informierte der Reporter sofort das Innenministerium als auch die City Police. Das erklärt den beschriebenen Eintrag. Handelte es sich bei dem Reporter um Hales? Wenn ja, kam die Info verkehrt bei der Polizei an oder haben diese das missverstanden? Der Reporter berichtete eindeutig vom Cousin eines der Männer und nicht von Packer´s Cousin. Oder aber, war einer der Männer dieser Hales und es ging um seinen Cousin? Wenn ja, warum kam die Info über ihn dann genauso schnell bei den Behörden an, wie die des Reporters, der ja offenbar Kopien verschickte. Es könnte sich demnach eher nicht um Hales als einer der Männer handeln sondern um den Reporter selbst. Ergo, handelte es sich bei ihm nicht um einen Anwalt.

Was meinst Du, Arthur?

Alles in allem könnte, so meine Interpretation, Packer erneut die Wahrheit gesprochen haben, wiederum zu Nicht- Beamten. Einmal zu den Detektiven, einmal zu einem Reporter. Ich weiß nicht, wie die Sache im Detail ausging bzw. was wirklich zwischen den Männer gesprochen wurde aber, die Polizei:

They, however, believe they have found the cousin referred to, and attach little importance to what was at first supposed to be a substantial clue

Nun war dieser Cousin offenbar ein in England geborener Mann, der kurze Zeit im Amerika lebte. Zum ersteren muss ich passen, da Aaron Kozminski kein in England geborener Mann gewesen war. Das zweite ist jedoch interessanter, wenn auch wieder eine Interpretation.

Aaron hatte noch zwei Schwestern, Bertha Held und Helen Singer. Eine von ihnen, wahrscheinlich Helen Singer (eine Arbeit von Pat Marshall- Verwandte von Cox- und Chris Phillips) lebte in Amerika. Offenbar lebte Sie 1883/ 1884 in der 27 Greenfield Street bzw. 17 Yalford Street (das war genau die 1889er Adresse von Woolf Abrahams). 1888 muss Sie aber definitiv in Amerika gelebt haben. Berichten zur Folge wurde, Sie dort von ihrem Mann Aaron Singer verlassen. Wo Bertha lebte zur Zeit der Morde ist wohl nicht bekannt, zumindest habe ich es gerade nicht auf dem Schirm. Helen´s Mann Aaron verließ Polen, aufgrund irgendwelcher Unannehmlichkeiten, früher als Sie in Richtung London. Sie folgte später. Irgendwann ging es weiter in die USA. Nun war diese Familie ja sehr umtriebig, Jacob Cohen kam aus Südafrika (wohin er aus Polen einwanderte) nach England ging dann aber wieder an das Kap zurück. Ich kann nicht ausschließen, dass Teile dieser Familie auch aus den USA zurückkehrten. In der Greenfield Street 5 gab es 1891 noch einen Jacob Singer, vielleicht verwandt mit Aaron Singer. Aber ich weiß das nicht.

Ich achte halt sehr auf solche Details und kann bei solchen Konstellationen nicht ausschließen, dass Aaron Kozminski zwischen 1884 und 1887/88 auch einmal in den USA gelebt hatte, vielleicht mit den Singers, wo er mit einem Teil dieser Angehörigen wieder zurück nach England/ London ging. Die Chance, das weiß ich ja selber, ist gering und wahrscheinlich besteht überhaupt kein Zusammenhang mit jener Packer Aktion im November 1888, gerade auch, weil von einem im Land geborenen Mann die Rede war. Wir wissen aber auch, dass nicht alle Angaben immer korrekt waren oder korrekt wiedergegeben wurden.

Zur Packer Sache im November "glaubte die Polizei, sie hätten den Mann gefunden". Wie ist das zu verstehen?

Jedoch scheint es mir, dass Packer länger die Polizei in Atem hielt. Einmal damit, dass er Stride mit einem Mann sah und zweitens mit diesen beiden Typen, von denen einer behauptete, sein Cousin sei wahrscheinlich der Ripper. Obwohl Packer im zweiten Falle wieder nicht gleich zur Polizei schritt, könnte diese Geschichte absolut so abgelaufen sein, ohne das Packer etwas dazugesponnen hatte. Aber vielleicht war das alles auch ganz anders mit ihm, ich weiß es nicht.

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Re: Jacob Levy
« Antwort #209 am: 28.05.2016 19:27 Uhr »
Nun haben wir fast zeitgleich geschrieben... Ja, brauchbar wäre Packer vor Gericht nicht gewesen, durch viele unterschiedliche Angaben/ Beschreibungen... da gebe ich dir auch absolut recht und sehe das genauso... trotzdem könnten seine Beobachtungen für die Polizeiarbeit wichtig gewesen sein...

Cox war nach allem ziemlich ausser Atem in jener Nacht. Der Mann hielt ihn auf Trapp. Er war keine 30 Jahre alt und als Polizist wahrscheinlich nicht gerade unfit. Es ging runter bis St. George in the East und wieder zurück. Sie sollten länger unterwegs gewesen sein. Solche einen Täter ging es vor allem doch auch um den richtigen Ort um zuzuschlagen, sprich dem richtigen Hinterhof, den richtigen Platz. Nicht gleich immer werden sich diese Möglichkeiten sofort geboten haben, vielleicht versuchte er auch manchmal später bei der gleichen Prostituierten erneut sein Glück.

Es gab noch einen "Zeugin", sicherlich war es nach Chapman, die folgendes sagte (im Bezug zu Chapman und Leather Apron):

She thereupon said she knew two women, and could bring them, who saw him pacing up and down Baker's-row with the murdered woman about two hours before the murder took place.

Such mal unter dem Stichwort: Cohen's Sugar refinery, mir fehlt gerade die Zeit. Da bekommst du dann noch genauere Angaben. Vielleicht "gefiel" ihm Stride so gut, dass sich das Risiko für ihn lohnte, mehr Zeit in diesem Falle zu verbringen (am Ende aber wohl doch nicht).

Mit den Seemännern gebe ich dir ebenfalls absolut recht. Ich habe viele Bilder, wo fast nur Leute mit derartigen Kappen und Schals herumliefen. Da bin ich bei Beschreibungen grundsätzlich skeptisch geworden und verteidige das auch immer in den anderen Foren.

Ich weiß persönlich nicht, was dort damals passiert sein könnte. Ich nehme nur wahr und versuche es einzuordnen, lasse mir aber eben auch vieles offen. So auch mit Packer, ich weiß nicht, ob er nur ein Spinner war oder nun doch wichtig. Ich habe da keine beider Ansichten fest verankert. 
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