Autor Thema: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur  (Gelesen 72440 mal)

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Offline Isdrasil

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Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
« am: 03.03.2008 14:03 Uhr »
Hi

Ich bin gerade dabei, eine kleine persönliche Theorie auszuarbeiten. Dazu möchte ich unter Anderem die Tätersignatur unter dem Einfluss verschiedener örtlicher Begebenheiten betrachten.
Ich habe den Anfang dieser Betrachtung im Ripperfall mal als Dokument beigefügt – wer Anregungen, Kritik oder weitere Ideen äußern möchte, kann dies gerne tun. Lob wird natürlich lieber gesehen.  :icon_mrgreen:

Wie gesagt, ich bin damit gerade am Anfang. Das Dokument ist noch lange nicht ausgereift, geschweige denn exakt meinen Gedanken entsprechend.

Freue mich einfach mal auf eure Gedanken hierzu – seien sie nun so oder so.

Grüße, Isdrasil

Stordfield

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Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
« Antwort #1 am: 03.03.2008 16:15 Uhr »
Hallo !

Ich habe mir Deine Theorie gleich mal ausgedruckt . Sie ist sehr professionell , alle Achtung ! Man merkt , Du hast Deinen Harbort nicht nur mal ebenso durchgeblättert .  :icon_thumb:

Gruß Stordfield

Offline Isdrasil

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Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
« Antwort #2 am: 04.03.2008 10:54 Uhr »
Danke, Stordfield.

Es geht einfach nur darum, einen Bogen zwischen Tabram und Kelly zu spannen, der zu einem bestimmten Tätertypus passt und in sich logisch ist. Dabei sind mir die durchaus vorhandenen Parallelen zwischen den Beiden aufgefallen und die Tatsache, dass es sich bei Beiden um Tatorte innerhalb von Gebäuden handelt. Und wenn man näher darüber nachdenkt, dann haben Tabram und Kelly sogar sehr viel gemeinsam – rechnet man den zeitlichen Abstand mit ein und das, was in der Zwischenzeit passiert ist.

Darüber lässt sich doch mal ruhig reden: Seht ihr da auch eine Verbindung von Tabram über die „kanonischen Vier“ hin zu Kelly, einen Bogen sozusagen? Gemeinsamkeiten? Unterschiede? Bedenkt dabei bitte die Zeit und die Möglichkeiten, die einem eventuell gemeinsamen Täter zur Verfügung gestanden hätten und das Know-How nach den anderen vier Morden.

Ich finde es in dem Zusammenhang interessant, dass Tabram meist mit Nicholls, Chapman oder Eddowes verglichen wird, wo doch die Tatortumstände ganz offensichtlich bei Kelly am „Ähnlichsten“ vorhanden sind.

Und weshalb soll sich der Täter in Räumen unbedingt sicherer fühlen? Wir haben es beim Ripper mit einem "Freilufttäter" zu tun. Eine Räumlichkeit bedeutet für diesen Täter raus aus der Routine, raus aus seinem Plan, raus aus seiner Fantasie. Für einen sexuell motivierten Mörder, der nach seinen Gelüsten mordet, ein sehr bedeutender Umstand und ein belastender Aspekt. Diese Art von Serientätern vollziehen den Mord bereits vor seiner Ausführung in ihrer Fantasie - und je mehr Abweichungen, je mehr Differenzen es gibt, umso mehr gleiten sie von ihrer Souveränität ab.
Ich glaube immer noch, Kellys Verletzungen sind durch Stress zu begründen und weniger durch den Zeitaspekt.

Grüße, Isdrasil


JohnEvans

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Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
« Antwort #3 am: 04.03.2008 12:58 Uhr »
Hallo, Stordfield,

gratuliere zur sehr gut gemachten Tabelle. :icon_thumb:  Hast damit meine Theorie wunderschön untermauert.


Hallo, Isdrasil,

bin wieder hier! :icon_lol:

Es geht einfach nur darum, einen Bogen zwischen Tabram und Kelly zu spannen, der zu einem bestimmten Tätertypus passt ...
Genau das, nämlich erst ein paar Opfer sammeln und dann einen „Bogen“ finden, ist verführerisch subjektiv und falsch. Man läuft Gefahr, Opfer seiner eigenen Manipulationstechnik zu werden!

Umgekehrt macht mehr Sinn. Erst jedes Opfer einzeln anschauen, Gemeinsamkeiten finden und Gegensätze herausheben. Und so ist ja offensichtlich auch die sehr schöne Stordfield- Tabelle entstanden. Und ebenso schön zeigt sie ziemlich deutlich, daß MO und Handschrift des / derTäter/s doch in wesentlichen Punkten sehr verschieden sind.


Ich finde es in dem Zusammenhang interessant, dass Tabram meist mit Nicholls, Chapman oder Eddowes verglichen wird, wo doch die Tatortumstände ganz offensichtlich bei Kelly am „Ähnlichsten“ vorhanden sind.
Absolut! Das springt einem doch direkt ins Auge!
Gerade die Einteilung von Tabram / Kelly in der Gegenüberstellung zu Nichols / Chapman / Eddowes / ev Stride zeigt, wie du ja auch schon bemerkt hast, daß die Tabram und Kelly Taten sich sehr ähnlich sind, aber gleichzeitig stark von den anderen unterscheiden.

Ich sehe da einfach keinen Bogen, der erklären würde, wie ein –und derselbe Täter innerhalb Kürze seinen MO und seine Handschrift gleich zweimal total ändert. Gerade der Mord an Eddowes zeigt einen sehr sicheren, souveränen, die Situation im Griff habenden, sogar verspielten Täter. Warum sollte der plötzlich wieder so „stümperhaft“, nervös, unsicher arbeiten als bei Kelly?

Auch das in allen Fällen verwendete Messer ist kein gravierender Hinweis auf einen einzigen Täter – das Messer war damals eben die Waffe, deren jeder habhaft wurde.

Ich glaube immer noch, Kellys Verletzungen sind durch Stress zu begründen und weniger durch den Zeitaspekt.
Meine Meinung dazu kennst du ja, aber ich verbreite sie gerne noch einmal. :icon_wink:

Für mich zeigt die Stordfield-Tabelle optisch sehr schön, daß es sich auf alle Fälle um zwei, wenn nicht sogar drei oder vier verschiedene Täter handelt.

JE

Offline Isdrasil

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Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
« Antwort #4 am: 04.03.2008 13:11 Uhr »
Hi

Hallo, Isdrasil,
bin wieder hier! :icon_lol:

Mensch, da freu ich mich aber!  :icon_lol: :icon_wink:

Vielleicht solltest Du aber das Gelesene erst ein wenig sacken lassen - welche Stordfieldtabelle meinst Du die ganze Zeit? Die Tabelle stammt von mir.

Ich sehe da einfach keinen Bogen, der erklären würde, wie ein –und derselbe Täter innerhalb Kürze seinen MO und seine Handschrift gleich zweimal total ändert. Gerade der Mord an Eddowes zeigt einen sehr sicheren, souveränen, die Situation im Griff habenden, sogar verspielten Täter. Warum sollte der plötzlich wieder so „stümperhaft“, nervös, unsicher arbeiten als bei Kelly?

Du irrst in einem Punkt - der MO eines Täters kann sich per se von Tat zu Tat unterscheiden. Er ist nicht permanent gleich und kein Teil der Fantasie oder der Signatur des Täters, sondern dient lediglich dazu, das große Ziel der Tat zu erreichen. Ein sich ändernder MO? Kein Widerspruch. Beinahe schon alltäglich.

Die Änderung der Signatur wird allzu oft zu straff gesehen. Tabram dient als Einstiegsopfer, zeigt also noch nicht die Signatur des Täters. Es gibt wenige Serientäter, die von Beginn an eine vollendete Signatur vorweisen. Die vermeintlich ändernde Signatur bei Kelly kann ein Resultat der Täterlaufbahn und der äußeren Umstände sein. Auch hier sehe ich keinen absoluten Widerspruch, sorry  :icon_wink:

Die Nervosität kann ganz einfach aus den Umständen entstanden sein - ich sage es noch einmal: Wir dürfen nicht in unseren Maßstäben denken. Ein Raum ist nicht gleich Sicherheit. Eine Änderung des Ablaufes einer Tat bedeutet für einen derart eingespielten Täter (wie Du ja schon sagtest) enormen Stress. Das hat nichts mit unserer Definition von Sicherheit oder damit zu tun, wie wir uns fühlen würden. Die Sicherheit, die ein Täter bei seiner Tat ausstrahlt, ist subjektiv empfunden und individuell. Und da der Ripper wie von Dir erwähnt bei Eddowes diese Tatsicherheit aufweist, wird ihn jeder andere noch so kleine äußere Tatbestand beeinflusst haben. Ein einmal sicher mordender Killer mordet nicht generell in jeder Situation sicher.

Wer sich mit sexuell motivierten Serienmördern beschäftigt, wird merken, dass die meisten die Tat schon vorher im Geiste begingen. Jede Abweichung, die sich später  in der Realität ergibt, bedeutet Stress für den Täter. Wie derjenige dann damit umgeht, ist natürlich von Fall zu Fall verschieden.

Grüße, Isdrasil
« Letzte Änderung: 04.03.2008 13:46 Uhr von Isdrasil »

Stordfield

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Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
« Antwort #5 am: 04.03.2008 14:50 Uhr »
Hallo !

Das Lob über die Tabelle kann ich ( leider  :icon_wink: ) nicht für mich in Anspruch nehmen . Da hast Du etwas verwechselt , John . Die Ehre gebürt einzig und allein Isdrasil .

Gruß Stordfield

Stordfield

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Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
« Antwort #6 am: 04.03.2008 18:07 Uhr »
Hallo !

Irgendwie komme ich jetzt gerade nicht ganz mit .
Ich habe mir auch noch einmal die Isdrasil - Tabelle genau angeschaut , kann aber bei Tabram und Kelly , außer daß sie im Raum getötet wurden , keine richtigen Gemeinsamkeiten finden . Meint ihr den Streßfaktor ?

Gruß Stordfield

Offline Isdrasil

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Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
« Antwort #7 am: 04.03.2008 19:36 Uhr »
Hi Stordfield

Ich meinte ja, dass dies alles in keinster Weise vollständig ist, man muss also auch gar nicht alles verstehen. Aber schön, das sich eine kleine Diskussion daraus entwickelt  :icon_smile:

Ohne nun erst einmal im Einzelnen groß darauf einzugehen, sind dies die Gemeinsamkeiten und Punkte meiner Überlegungen:

- Tabram und Kelly stellen in diesem Fall den Anfangs- und Endpunkt einer Mordserie dar.
- Tabram steht für das Initialopfer und eine affektive Tat. Obwohl noch nicht der Signatur entsprechend, lassen sich Charakterzüge des Täters ableiten.
- Diese Charakterzüge sind im Groben unkontrollierte und rasende "Tötungswut".
- Entsprechend der Tatortumstände (geschlossene Umgebung) finden sich die gleichen Züge auch bei Kelly (Stichwort: "slashes").
- Kelly besitzt neben diesen Verletzungsmustern auch die Muster der Opfer, die unter freiem Himmel getötet wurden.
- Der Täter benötigte anscheinend die Freiraumsituation, um seiner Fantasie freien Lauf zu lassen => Möglicherweise ist diese ein Teil seiner Fantasie.
- Neben der Stresssituation (fehlende Kontrolle bei dem "Tatvorspiel") lässt auch das Ausbleiben dieser Freiraumsituation Rückschlüsse auf einen wütenden, gestressten und unkontrollierten Täter zu.
- Zieht man Kelly daher als Ripperopfer in Betracht, muss man auch Tabram neu überdenken, da sie gleiche Merkmale zeigt.

Und um im Bereich der Fantasie zu bleiben: Wenn ich mir den Täter bei Tabram vorstelle, wie er 39 mal auf ihren Körper einsticht, dann ein wenig in die Zukunft blicke und mir Kellys Täter und die Tat vorstelle - dann ist das irgendwie derselbe Mann, derselbe Täter, dieselbe Wut. Er ist nur ein wenig gereifter, hat eine gewisse Performance hinter sich und konnte seine Mordfantasien ausbilden und bereits umsetzen.

Ich weiß, dies ist alles extrem hypothetisch und kann bis in das kleinste Detail diskutiert werden. Es ist eben eine Theorie - und keine endgültige Feststellung  :icon_wink:

Und jetzt - zerrupft mich!  :icon_aetsch:

Grüße, Isdrasil
« Letzte Änderung: 04.03.2008 21:53 Uhr von Isdrasil »

Stordfield

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Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
« Antwort #8 am: 04.03.2008 20:20 Uhr »
Hallo Isdrasil !

Nähern wir uns der Sache mal langsam .
Was die " Reifung " des Rippers betrifft , gehe ich mit Dir konform . Ich meine allerdings , daß er seinen höchsten " Reifegrad " beim Mord an Mary erreicht , und nicht , wie es bei Dir anklingt , bei Cathy . Sicher  werden seine Handlungen von Mal zu Mal ausgefeilter , aber den größte " Reifeprozeß " macht er doch in Gedanken durch . Immer und immer ein Stückchen mehr Zerstörung , bis zur beinahe völligen Vernichtung . Ich sehe hier keinen Stopp in seiner " Täterlaufbahn ", kein Zurückfallen in Anfangsmuster , sondern eine fast logische Fortsetzung .
Der Freilufttheorie kann ich nicht ganz folgen , Isdrasil . Wie kommst Du darauf , daß er den freien Himmel benötigt , um seine Phantasien auszuleben . Vielleicht fühlte er sich draußen bloß einfach sicherer , da er dort viel mehr Fluchtmöglichkeiten hatte .
Um meine Ausführungen nicht noch weiter ausschweifen zu lassen : Alles was er je erreichen wollte und konnte , hat er beim Mord an Mary gefunden !

Gruß Stordfield

Offline Isdrasil

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Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
« Antwort #9 am: 05.03.2008 08:16 Uhr »
Hi Stordfield

Ich finde deine Gedanken ebenso interessant und wahrscheinlich. Das ist ja genau das vertrackte an der Sache – im Endeffekt gibt es keine „Beweise“ oder Hinweise, welche die einen Gedanken besser machen als die Anderen.
Man kann die Verletzungen bei Kelly auf zwei Arten deuten: Entweder war dies das „Meisterwerk“ des Rippers oder eben das Gegenteil. Und ich habe mehr das Gefühl, es handelt sich um einen außer Kontrolle geratenen Ripper…weiß doch auch nicht…

Aber ich denke, wir sind uns im Prinzip relativ einig, oder? Mich würde dann interessieren, ob Du dir die Verletzungen bei Kelly auch bei einem Opfer auf offener Strasse vorstellen könnest – möglicherweise etwas später, sagen wir mal zwei, drei Morde nach Eddowes.

Zu dieser Freiluftsache:

Ich überlege, ob das öffentliche Zurschaustellen der Opfer ein Teil der kranken Fantasien des Täters waren. Und damit meine ich nicht, dass er vorsätzlich und gewollt die Opfer auf der Strasse umbringen wollte. Ich gehe mal davon aus, dass der Täter aus dem East End stammt, und so mag sich bei der Entwicklung seiner Fantasien über Jahre hinweg auch der Aspekt der Auffindung der Opfer durch Passanten etc. mit eingebunden haben. Eine Art zusätzlicher Aspekt. Und als der Ripper mit Kelly auf die Wohnung zuging, fiel dieser Aspekt (über den er nie wirklich nachgedacht hatte, weil es für ihn in der Fantasie einfach schon immer so gewesen war) plötzlich weg. Es war womöglich eine überraschende Situation für ihn. Nicht mehr, nicht weniger. Und ich überlege, ob diese überraschende Situation für den Täter eventuell einen negativen Beigeschmack hatte – und nicht, wie allgemein angenommen einen positiven (mehr Zeit etc). Dies möchte ich anhand des Charakters auch durch die Verletzungen bei Tabram belegen.

Dass dies mehr als wackelig ist – das weiß ich selbst schon  :icon_mrgreen:

Grüße, Isdrasil


Stordfield

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Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
« Antwort #10 am: 05.03.2008 09:31 Uhr »
Hallo Isdrasil !

Erstmal vor weg : Ich finde es großartig , wieviele Gedanken Du Dir machst . Man merkt , da ist jemand wirklich voll bei der Sache .
Ob ich mir solche Verletzungen wie bei Mary Kelly auch bei einem Opfer auf der Straße vorstellen könnte ? Unbedingt . Ich glaube , der Tatort war dem Ripper im " Endstadium " völlig schnuppe .
Die Auffindesituation spielt , da denke ich wie Du , sicher eine Rolle . Es sieht tatsächlich nach Schockieren aus . Oder , wie es im FBI - Profil heißt , die Frauen waren für ihn wirklich nur Abfall , den man am Straßenrand achtlos entsorgte .
Schwierig , da hast Du Recht . Man kann jede Theorie mehrmals hin - und herdrehen . s könnte so sein , aber auch ganz anders . ( Das sind drei Euro ins Phrasenschwein .  :icon_lol: )

Gruß Stordfield

Offline Isdrasil

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Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
« Antwort #11 am: 05.03.2008 10:09 Uhr »
Hi

Das Kompliment gebe ich gerne zurück!

Vielleicht ist es ja auch gerade diese Vielfältigkeit der Möglichkeiten, die den Ripperfall so interessant und zeitlos macht (und wieder ein wenig Futter für das „Phrasenschwein“).  :icon_mrgreen:

Grüße, Isdrasil

JohnEvans

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Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
« Antwort #12 am: 05.03.2008 13:01 Uhr »
Hallo, Isdrasil,

entschuldige, in dem Fall gilt das Kompliment Dir. Ich hoffe, du verzeihst einem müden, alten (120 Jahre +++!!!) alten Nachtwächter seinen Fehler. :icon_wink:

Was den MO anbelangt, so geb ich dir Recht. In Sachen Handschrift weniger, schon gar nicht, wenn die Morde in so schneller zeitlicher Abfolge stattfinden. Alle 4 der postulierten kanonischen laufen nach ein- und demselben Muster ab. Und zwar „wie ein geölter Blitz“. Der eigentliche Tötungsvorgan ging sehr schnell von statten. Keine Spur von der ziellosen Wut, die man bei Tabram spürt. Das war Overkill in Reinkultur.

„Wer sich mit sexuell motivierten Serienmördern beschäftigt,“
... und du tust es wieder: Du spannst den Karren vor das Pferd. Du setzt einfach einen sexuell motivierten Täter voraus und passt seine Handlungen deinen Vorstellungen von ihm an.

Falsch.

Da lob ich mir den Spruch „an ihren Taten sollt ihr sie erkennen“. Was für einen Eindruck hinterläßt so ein Overkill? Sieht ganz so aus, als hatte der Tabram Killer entweder keine Ahnung oder gar nicht die Absicht, schnell und sauber und zu töten.

Der Mörder der 4 hingegen schon. Der Mord war das notwendige Übel um das zu tun, was er tun wollte: Verstümmeln. Da ich heute meinen Sprücheklopfer-Tag habe, drücke ich es mal so aus: Hier heiligte der Zweck die Mittel.

Bei Tabram hingegen war der Weg das Ziel.

Stress als Ursache für einen veränderten MO? Sicher. Als Ursache für eine veränderte Signatur? Weniger, wenn acuh möglich.
Aber wenn wir uns ansehen, wie der Täter die anderen Opfer fand und in einer für ihn kontrollierbaren Situtaion tötete, dann frage ich mich, warum begibt er sich mit Kelly in eine Situation, die ihn überforderte? Zusätzlichen Stress verursachte?. Warum bleibt er nicht bei seinem bewährtem Muster? Es gab genügend andere Prostituierte, die seinen „Gelüsten“ ohne zusätzlichem Stress genügt hätten.

Ich schweife ab. Zurück zu Tabram: ein sehr wesentlicher Unterschied besteht für mich vor allem auch darin, daß Tabram, wie du  bereits dargestellt hast, ziemlich sicher im Schlaf ermordet wurde. Sehr feige. Und vermutlich hat Kelly´s Killer auch so gehandelt.

Chapman´s etc. Mörder hingegen wagte sich, schon wesentlicher mutiger, ganz nahe an die Opfer heran, die dabei auch noch wach und bei Bewußtsein waren. Er muß mit ihnen kommuniziert haben, wenigstens das Notwendigste.

Das ist nicht nur mal eine den Umständen angepasste Änderung der Signatur, das ist ein völlig anderer Charakter.

JE

Offline Isdrasil

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Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
« Antwort #13 am: 05.03.2008 13:25 Uhr »
Hi

Gut - es möge dann verziehen sein  :icon_wink:

„Wer sich mit sexuell motivierten Serienmördern beschäftigt,“
... und du tust es wieder: Du spannst den Karren vor das Pferd. Du setzt einfach einen sexuell motivierten Täter voraus und passt seine Handlungen deinen Vorstellungen von ihm an.
Falsch.

Ich weiß nicht, was Du von mir denkst - aber ich habe mich gerade nach Betrachtung der Ripperfälle und eingehender Beschäftigung mit Täterpsychologie für mich den Entschluss gefasst, es handelt sich beim Ripper höchstwahrscheinlich um einen sexuell motivierten Täter. Nicht nur aus dem Grund, da die Opferverletzungen prägnante Ähnlichkeiten mit ähnlich gelagerten Fällen besitzen, sondern auch aus rein psychologisch bedingten Voraussetzungen.
Ich bin niemals hergegangen und habe versucht, meine angeblich vorgefertigte Meinung auf die Taten zu pressen. Du verwechselst da etwas. Ich versuche lediglich, eine Linie herzustellen. Dabei nehme ich im Moment an, Tabram und Kelly gehören dazu. Diese Varianzen müssen nunmal durchdacht werden, da es keinen "Mörder nach Schema F" gibt. Dies wäre zu schön. Dadurch kann schonmal vorkommen, das man den Täter des einen Opfers auf die andere Tat legt, sicher. Doch das ist nicht verwerflich - es ist nur der Individualität des Täters und des Menschen an sich gerecht.
Wenn Du mich wirklich so gut kennst, solltest Du eigentlich wissen, dass ich auch schon ganz andere Annahmen durchdacht habe.
Ich bin niemand, der meint zu wissen - ich bin jemand, der durchdenkt. Das ist ein grundlegender Unterschied.

Da lob ich mir den Spruch „an ihren Taten sollt ihr sie erkennen“. Was für einen Eindruck hinterläßt so ein Overkill? Sieht ganz so aus, als hatte der Tabram Killer entweder keine Ahnung oder gar nicht die Absicht, schnell und sauber und zu töten.

Du hast es erfasst. Der Täter bei Tabram hatte keine rechte Ahnung und war womöglich von der Tat selbst überrascht (Affekttat). Alles kein Grund, sie als Initialopfer auszuschließen. Das Initialopfer nimmt eine Sonderstellung in Sachen Signatur ein und stimmt in den seltensten Fällen mit den folgenden Taten überein.

Du hingegen setzt einen Täter voraus, der von Anfang an wusste, was er tat. Dies ist in meinen Augen der falsche Weg. Du suchst nach einer Permanenz, nach einer konstanten Tatbegehung, nach eindeutigen Verweisen und Verbindungen zwischen den Taten. Nun, die Realität aber mag Dich da nicht gerade bei unterstützen: Gerade aus dem Grund, dass es so etwas wie eine absolute Konstanz der Signatur und Tatmerkmale in der Realität nicht gibt, werden viele Mordserien erst nach Fassen des Täters als solche erkannt (durch Geständnisse zum Beispiel). Zahlreiche Beispiel wie Kürten, Gust, Bundy, Gein, Dahmer, Kroll und wie sie alle heißen zeugen davon. Du machst es Dir in meinen Augen einfach zu leicht.

Wenn ich auch mal einen Spruch kloppen darf: Du sortierst die Morde in Schubladen. Ein Mörder kann aber de facto die Schubladen wechseln.

Aber ich schweife auch ab - wie gesagt: Die Tabramargumente musst Du ein wenig überdenken. Ein Täter kann auch in einer sehr kurzen Zeit reifen, da meist der Prozeß schon in der frühen Kindheit begann. Der erste Mord dient nur der Überwindung der Hemmschwelle - die Ausführung jedoch kann schon lange in seinem Kopf passiert sein. Oft ziehen dilentantisch erscheinende Erstmorde eine weitaus professionellere Mordserie nach sich. Daher ist der Unterschied zwischen Tabram und Nicholls nicht wirklich aussagefähig. Oder was kam deiner Meinung nach vor Nicholls?  :icon_wink:

Grüße, Isdrasil
« Letzte Änderung: 05.03.2008 13:47 Uhr von Isdrasil »

Floh82

  • Gast
Re: Die Theorie der ortsgebundenen Signatur
« Antwort #14 am: 05.03.2008 14:35 Uhr »
Ein Mord oder eine Tat die wir nicht kennen/nicht in Betracht ziehen vielleicht....
das Verharren auf diesen 5 oder 6 Opfern (je nachdem welche man dazu zählt) halte ich für ein großes Problem. Der Ripper hat nunmal nicht seine Visitenkarte neben die Leichen gelegt und auch ein eventueller Nachahmungstäter hat nicht einen Verweis auf sich neben seine Opfer gelegt. Wir kennen sein 1. Opfer nicht, wir vermuten es, wir kennen sein letztes Opfer nicht, wir vermuten es....und letztendlich: Wir kennen sein Motiv nicht, wir vermuten es.

Wir rühren im dunkel-schwarz-trüben.

Trotzdem ein Lob an dich Isdrasil :)