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Die Tatverdächtigen => Die Tatverdächtigen => Kosminski, Aaron => Thema gestartet von: Lestrade am 11.01.2015 19:09 Uhr

Titel: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 11.01.2015 19:09 Uhr
Liebe Freunde,

seit einiger Zeit bin ich in einem engen Kontakt mit Director/Producer Jeff Leahy, der sich verantwortlich zeichnete für Jack the Ripper The Definitive Story. Ihr kennt sicherlich diese einzigartige Dokumentation. Für 2015 ist eine neue und überarbeitete Produktion diesbezüglich geplant (eine weitere mit Jack the Stripper, the Hammersmith nude murders). Meine Freude war groß, dass sich Jeff für einige meiner Ideen interessierte und diese mit für die neue Story verwenden möchte. Normalweise ist das eher ein Fall für gestandene Ripperologen und ich fühlte mich zunächst überfordert. Mit der Zeit fanden wir uns allerdings in einem Prozess wieder, der uns alle sehr anregte und die letzten Tage waren besonders ereignisreich. Es ist geplant mich für die Dokumentation zu interviewen aber da traue ich mich nicht so wirklich.

Ich skizziere einmal kurz:

Jeff und ich waren uns mehr oder weniger einig, dass wir zwei Ereignisse ins Auge fassen müssen. Die Zeit Ende 1888 bis ca. März 1889 und einmal die Zeit zum Ende 1890/ Anfang 1891. Die erste Dekade steht für die Kriminalbeamten Cox und Sagar sowie für Macnaghten. Der zweite Abschnitt für die Seaside Home Identifikation mit Swanson und Anderson. Wichtig dabei, die erste Einweisung im ersten Zeitraum wird für Aaron Kozminski mit einer private Anstalt festgelegt. Im zweiten Zeitraum der Übergang von privat in eine öffentliche Anstalt (Colney Hatch). Jeff kontaktierte dieser Tage Martin Fido, der ja schon einmal recht gründlich die Anstalten durchforstet hatte (Shadow Ghost wird sich daran erinnern, er übersetzte ja für uns und das JTRForums Martin´s Gekritzel). Dieser antwortete, dass er keinerlei private Anstalten durchgesehen hatte und so bestätigte sich meine Vermutung aber auch die anderer, wie Jeff, dass uns das bisher fehlt, eine Durchleuchtung der privaten Anstalten zwischen 1888 und 1891. Es fand bisher NICHT statt. Über Cox erfahren wir etwas über eine Anstalt in Surrey, südlich von London (heute ist das London, glaube ich). Hier sollte die private Anstalt für Aaron Kozminski gewesen sein.

Ich gab folgende Hypothese ab:

Die private Anstalt und das Seaside Home könnten ein und dieselbe Einrichtung sein. So verbinden sich die erste und die zweite Dekade miteinander. Und siehe da, wir fanden viele private Anstalten in Surrey, die ein Seaside House oder Seaside Home an der Küste unterhielten. Martin Fido wies darauf hin, dass er sich an die Meinungen der Ex- Cops Evans und Rumbelow hielt aber auch an Begg, welche ein Polizei Seaside Home bevorzugten, im Gegensatz zu ihm, der eher ein Erholungsheim sah. Ein gutes Beispiel für meine Idee wäre das Holloway Sanatorium in Virgina Water in Surrey. Sie hatten ein Seaside Home in Poole (offenbar mit direkter Bahnverbindung). In der Nähe, in Wandsworth, waren einmal Aaron Kozminskis Mutter Golda gemeldet und sie starb dort auch. Weitere Familienmitglieder lebten ebenfalls dort in Surrey. Dieses Seaside Home in Surrey wurde vor allen im Sommer genutzt. Ich bot die Theorie an, dass Aaron Kozminski am 15 Juli 1890 vom Workhouse in London aus, in ein solches Seaside Home gebracht wurde (mit Absprache seiner Schwester Matilda), es war ja Sommer, welches eigentlich zu einer privaten Anstalt in Surrey gehörte (übrigens gab es vom Holloway Sanatorium aus ab Sommer 1891 einen neue Kontakt dieser Art mit dem Seaside Home in Brighton, Poole fiel weg und das finde ich bemerkenswert). Von dort aus ging es für Aaron Kozminski nach den Sommer zurück nach Surrey. Nach einem kurzen Aufenthalt daheim für Aaron, gab es dann die Einweisung für ihn nach Colney Hatch. Es dauerte deshalb so lange, weil die Identifikation im Seaside Home fehlschlug und die Polizei warten musste, bis die Familie aufgab. Ziel des Deals zwischen der Polizei und Matilda war es, Aaron in eine staatliche Anstalt zu bringen. Wohlmöglich war im Sommer 1890 ein neuer Zeuge aufgetaucht, der diese Maßnahme einer Identifikation einläutete. Man arrangierte etwas heimlich hinter dem Rücken der Familie, mit Ausnahme von Matilda und auch hinter den meisten Polizeikollegen und wählte Aarons private Anstalt in Surrey aus (mit seinem Seaside Home Ableger), um ihn dann von dort aus zeitnah nach Colney Hatch offiziell zu überführen. Diese Aktion schlug fehl, weil der Zeuge zurückzog. Anderson behauptete ja, der Ripper wäre bei seiner Identifikation sicher weggesperrt gewesen und dies kann nur bedeuten, dass es sich um die private Anstalt in Surrey handelte, welches eben ein Seaside Home unterhielt. Er meinte damit nicht Colney Hatch. An dieser Art meiner neuen Überlegungen und Betrachtungsweisen ist man sehr interessiert.

Ich lieferte auch eine Idee, warum Swanson und Anderson dachten, dass Kosminski kurz nach seiner Einweisung nach Colney Hatch verstorben sei, was aber nicht stimmte. Was viele nicht bemerkt haben war, dass Aaron Kozminski einen Doppelgänger hatte. Ein anderer Ripper Verdächtige der mir gut vertraut ist und welcher Gegenstand der Fido Theorie ist, nämlich David Cohen. Ich bat an, darüber nachzudenken, ob David Cohen nicht fälschlicherweise Ende 1888 schon einmal für Aaron Kozminski gehalten wurde. Zur Zeit der Ereignisse im East End kümmerte sich möglicherweise Jacob Cohen um Aaron. Jacob war der Bruder seiner Schwägerin Betsy. Wohlmöglich lief Aaron unter dem Namen Cohen durch die Gegend und als man einen andere geisteskranken jungen Juden aufgriff, hielt man diesen für Aaron Cohen und als man den Fehler bemerkte, änderte man dessen Namen in David Cohen. Beide waren gleichalt, Cohen war Schneider, die Brüder von Aaron ebenfalls, beide sprachen Deutsch, beide waren jüdisch und beide offenbar Polen und litten an der gleichen Geisteskrankheit. Als man Aaron suchte fand man ihn nicht, er war vielleicht schon in Surrey und irrte sich mit Cohen. Für eine kurze Zeit waren im Prinzip zwei ähnliche Männer im East End unterwegs. Das gleiche könnte in Colney Hatch passiert sein. Niemand hätte in Colney Hatch erfahren müssen, dass Aaron Kozminski ein Ripper Verdächtiger ist, falls es einen Deal mit seiner Schwester Matilda und der Polizei gab (mit Anderson). Hätte sich Swanson nach ihm erkundigt, sagen wir im Mai 1891, dann hätte er nicht direkt fragen können, wie es denn Jack the Ripper geht. Er hätte geschickt fragen müssen und das hätte zu falschen Auskünften führen können. Hätte er sich nun nach einem jungen jüdischen Polen erkundigt mit Namen Cohen, der etwas mit Schneidern zu tun hatte, schizophren war, der auch Deutsch sprach, dann hätte er auch etwas über David Cohen erfahren können, der ebenfalls in Colney Hatch war, jedoch im Oktober 1889 verstarb. Diesen Cohen hatte Swanson vermutlich gar nicht mehr auf dem Schirm. Er dachte an Kosminski und die Auskunft kam für David Cohen. Fakt ist, einer dieser “Twins“ starb tatsächlich, nämlich David Cohen, der andere lebte noch lange, Aaron Kozminski. Wer konnte diese falsche Auskunft geben? Nur ein Arzt dachte ich mir und auch hier wurde ich fündig. Ein Dr. Seward war anwesend als David Cohen im Oktober 1889 starb, er war aber auch anwesend bei Aaron Kozminski im April 1891 und auch bei dessen Transfer nach Leavesden 1894. Hätte Swanson nach einem besonders schweren Fall eines Cohens gefragt, er hätte nur die Antwort zu David Cohen bekommen, nicht für Aaron Kozminski (lief ja dort nicht unter Cohen), der vielleicht einmal als Aaron Cohen in Surrey geführt wurde, was mit seinem Schwager Jacob Cohen zusammenhängen könnte, der ja auch bei der Einweisung von Aaron Kozminski nach Colney Hatch eine Rolle spielte. David Cohen starb kurz nach seiner Einweisung in Colney Hatch. Dies entspricht den Äußerungen von Swanson. Aber hier könnte eine Verwechslung vorliegen.

Was fand ich noch?

Ich fand noch einige polnische Schneider (u.a.) aus Klodawa/Kalisch, der Heimat der Kosminskis. Ihre Gemeinschaft war gar nicht so klein. Und ich fand sie dort, wo es mich fast vom Stuhl riss. Es könnte sich dort nämlich mit der Geschichte von Sergeant Stephen White decken, na ja, eigentlich deckt es sich.

Bei all meinen Recherchen drückte sich auch ein anderer Zeuge in einen günstigen Winkel, bei dem die Möglichkeit bestand, ganz spontan zum Zuge zu kommen, was in meinem Szenario der Seaside Home Identifikation fast ein Muss ist.

Ihr verzeiht wenn ich nicht mehr schreiben kann und nicht detaillierter alle Zitate und Quellen belege, ich habe das hier ja schon zigmal getan. Jeff hat all meine Unterlagen und Interpretationen und das sind nicht wenige. Ich bin auch etwas in Eile, deshalb habt Verständnis wenn ich hier die Dinge nur runter rasseln kann. Seit kurzem bin ich in einer mehrjährigen Ausbildung und mir fehlt die Zeit für die Foren, ich bin froh mich bequem mit Jeff austauschen zu können. Wohlmöglich unterrichtet er heute Martin Fido über mein Modell mit David Cohen. Martin und ich sehen eine Verwechslung von Cohen und Kosminski aber eben jeder auf eine andere Weise.

Alle sind jetzt aufgerufen Unterlagen von privaten Anstalten zu finden, wo es auch oft Fotos der Insassen gibt. Einen Teil haben wir schon. Finden wir Aaron, verstärken sich all diese Theorien. Wir suchen unter Abrahams, Cohen, Kozminski und Lubnowski aber auch Levy (bei ihm weiß ich nicht warum) zwischen 22-24 Jahren und einer auffälligen Masturbation. Apropos, bei meinen Recherchen bemerkte ich, dass bei Patienten mit dieser Störung die Hände gefesselt wurden. Swanson schrieb ja, dass sie ihren Verdächtigen mit den Händen auf den Rücken transportieren mussten, dies muss kein Zeichen für Gewalt gewesen sein sondern kann bedeuten, dass er nicht die Finger von seinem Glied lassen konnte. Und von Aaron Kozminski wissen wir, dass er diesbezüglich schwer belastet war.             

Es gäbe noch so vieles zu berichten, z.B. dass es Anzeichen gibt, dass Cox als auch Sagar ab Sommer 1890 nicht mit Kozminski beschäftigt waren (er war wahrscheinlich in Surrey), Sagar dann aber tatsächlich im Dezember 1890 gegenüber der Butchers Row einen Job hatte. Gegenüber dem Bull Inn Yard (dort war er) konnte er rüber sehen zu einem Butcher namens Bullas. In 1913 finde ich dort einen Butcher, der vielleicht aus Klodawa stammen könnte und der auch zu der Zeit ein Geschäft am Eingang zur Duke Street hatte. All die Jahre wanderte er umher und ich kann nicht sagen, wo er überall einmal angestellt war. Aber es ist schwer für mich, seine Spuren zu verfolgen und momentan lege ich diese Sache auch weit nach hinten.

Auf jeden Fall sind viele Interessierte bereit zu helfen, weil diese Idee, private Anstalten in Surrey gekoppelt mit einem Seaside Home zu suchen, sich lohnen könnte zu verfolgen.Holloway konnte ich schon ein wenig einsehen, allerdings fehlen dort bisher ausgerechnet die Jahre 1888-91 für männliche Patienten.

Hoffen wir auf einen Fund.

Beste Grüße, Lestrade.

   


Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: thomas schachner am 12.01.2015 11:29 Uhr
top!! .-))

 :good:
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Andromeda1933 am 12.01.2015 11:50 Uhr
 :good:   :good: :good:
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: academyfightsong am 12.01.2015 11:56 Uhr
Ich bin schwer beeindruckt  :good:
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Shadow Ghost am 12.01.2015 14:07 Uhr
Bravo, Lestrade, Hut ab, Chapeau, Applaus, Applaus, Applaus.

Wäre echt toll, wenn Kosminski endlich in einer privaten Einrichtung gefunden werden könnte. Und die Sache mit den Seaside Homes der Anstalten ist wirklich interessant.

Und mach das mit dem Interview! Notfalls sollen sie Dich halt untertiteln.

Ich fürchte, so langsam können wir uns dann doch nach einem neuen Forum umschauen: Hinterkaifeck, Zodiac, Kaspar Hauser, das Monster von Florenz...
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 12.01.2015 22:04 Uhr
Ich danke euch und gerne würde ich ausführlicher antworten und berichten aber leider schaffe ich dass aktuell nicht so, wie ich es eigentlich möchte und die Sache es verdiente. Murphy´s law… wie könnte es auch anders sein…

Nur noch so viel, Harry Harris hat in meinen Augen wegen eines bestimmten Umstandes in seinem Leben an Gewicht gewonnen, der Seaside Home Zeuge gewesen sein zu können. Über meine Beobachtung weiß bisher nur Jeff, ich hoffe er gibt das alles weiter und der ein oder andere greift die Idee mit auf.   
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 13.01.2015 07:00 Uhr
Dafür sollte Zeit sein!

Es geht doch noch was in Holloway. Sie digitalisieren dort gerade nur. Außerdem bekommen wir wahrscheinlich einen Fachmann auf diesem Gebiet zur Seite gestellt:

"Holloway Sanatorium for the Insane MSS.5157-5163, MSS.8159-8160 24

October 2014–2 February 2015

The records currently being digitised should be available 2 Feb 2015. So not to long…

I've come across an interesting name suggestion at Surrey History Centre who appears to be an expert on Asylums in Surrey, particularly of the period so he might be able to resolve some of our problems

Yours Jeff
"
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 13.01.2015 21:08 Uhr
Der für uns wichtige Zeitraum fehlt nun offenbar doch! Startet erst ab April 1891. Mal sehen, was Jeff und seine Frau trotzdem noch an interessanten Informationen aus dieser Zeit in Erfahrung bringen können.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Shadow Ghost am 14.01.2015 10:15 Uhr
Manchmal könnte man wirklich an eine Verschwörungstheorie glauben, wenn immer wieder die für uns interessierenden Daten fehlen oder nicht digitalisiert werden oder nicht zugänglich sind. Aber das ist natürlich Unsinn. Kommt Zeit, kommt Rat.

Ich gehe mal nicht davon aus, dass die digitalisierten Unterlagen irgendwie online zugänglich gemacht werden...
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 14.01.2015 19:30 Uhr
Hallo Shadow,

Ja, Ausgerechnet. Dachte ich auch…

Ich hatte eine bestimmte Seite über Holloway, wo man, so meine ich, nach Registrierung das und jenes einsehen konnte. Da ich aber auch nicht registriert war und sah, dass der wichtigste Zeitraum fehlte, ging ich dem nicht weiter nach. Ich sah diesen Link zur Seite bei Debra Arif und schrieb Jeff am 10. Januar, dass ich eben jenen Zeitraum dort nicht finden kann. Diese Seite arbeitet mittlerweile jedoch nicht so wie vorher. Ich dachte, es liegt vielleicht daran, weil bestimmte Dinge gerade digitalisiert, erweitert oder ergänzt werden (habe nicht wirklich einen Schimmer, wie man in dem Bereich arbeitet). Dabei hatte ich auch die Hoffnung, dass der fehlende Zeitraum vielleicht doch noch auftauchen könnte. Diese Hoffnung zerschlug sich jedoch. Es bleibt aber noch die Hoffnung auf den empfohlenen Experten. Wie ich sehen konnte, handelt es sich dabei um eine echte Koryphäe für Surrey eben auch im Allgemeinen für diesen Landstrich.

Für Holloway ist auch interessant, dass der Geldgeber bekannt war mit einem Samuel Montagu welcher wiederum mit einem Earl of Crawford befreundet war. Es gibt ja die Crawford Letter, in dem eine Frau um Hilfe bittet, weil sie meint, ein naher Angehöriger wäre der Ripper. Diesen Brief fand man im Nachlass von Anderson. Jeff Leahy hat die Theorie, dass Samuel Montagu bei der Sache eine Rolle spielte und vielleicht an dieser Anstaltsgeschichte beteiligt war. Deshalb ist Holloway auch so interessant. Crawford war an einem Komitee (Select Committee) beteiligt, welche zur Zeit der Rippermorde Erkundigungen im East End bezüglich des “Sweating Systems“ unternahmen. Zu diesem System gehörten zweifelsohne die Brüder von Aaron, die Schneider Isaac und Woolf Abrahams sowie einige ihrer Leute und Kollegen (die ich glaube gefunden zu haben), die Jeff als die “his people“ von Anderson halten würde. Erinnern wir uns was Cox sagte:

“We told them we were factory inspectors looking for tailors and capmakers who employed boys and girls under age, and pointing out the evils accruing from the sweaters' system asked them to co-operate with us in destroying it.”
 
Es ist ja nicht ganz unmöglich, dass Informationen aus diesem Komitee von der Polizei in Erfahrung gebracht wurden, wieder Cox:

“but it was not until the discovery of the body of Mary Kelly had been made that we seemed to get upon the trail. Certain investigations made by several of our cleverest detectives made it apparent to us that a man living in the East End of London was not unlikely to have been connected with the crimes.”

Man (die Polizei) hätte also die Komitee Ermittler mimen können, die eh bereits in der Gegend unterwegs und auch bekannt waren.

Die stattgefundene Bedrohung mit einem Messer in Richtung Matilda wäre für Aaron auch in dem Grund zu suchen, dass er sich von seiner Schwester verraten fühlte. Vielleicht hat er gemerkt, dass all seine Leute ihn schützen aber Sie ihn verraten hatte. Das mag alles nur eine schöne Wunschvorstellung sein aber ich würde es nicht allzu weit wegtun.

Ich schlug Jeff vor, wegen der Sache mit den Schneiderkollegen, mit Harry Harris und der Cohen/Kozminski Konstellation sowie einer neuen Betrachtung meinerseits zum Mackenzie Fall, weitere Leute mit ins Boot zu holen oder das an seine anderen Leute weiterzugeben, falls Interesse besteht. Ich sah mich nur als Inspiration wie jetzt mit der private Anstalt/ Seaside Home Betrachtung aber viel mehr ist bei mir auch nicht mehr zu holen. Wichtig ist doch, dass alles irgendwie in Bewegung bleibt.   
 
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 17.01.2015 20:23 Uhr
Kurzes Update!

Jeff hat mir heute den Katalog für Holloway geschickt. Obwohl bestimmte Unterlagen fehlen, gibt es meiner Meinung nach gute Chancen für den relevanten Zeitraum doch noch einiges zu finden. Also schlicht und einfach Einweisungs- und Entlassungsdaten und ähnliches. Überhaupt kann man alles Mögliche einsehen und da war ich jetzt echt überrascht. So erfuhren wir, dass sie ein weiteres “Seaside Home“ nutzten, wird dort bezeichnet als a branch at Canford Cliffs, Bournemouth, Dorset.

Auf jeden Fall sollten sich Jeff und seine Partnerin eine Menge Zeit nehmen, um das alles einzusehen. Ich habe sie jetzt um ihre Meinung gebeten ob das, was ich fand, überhaupt relevant ist und ob man damit beginnen sollte. Antwort wird wohl bald kommen.

Sollte man allerdings gezwungen sein mehrere Anstalten so durchzuforsten, dann wird das ein ziemlicher langer Kaugummi…
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 22.01.2015 17:37 Uhr
Ich möchte euch kurz auf dem Laufenden halten:

Es ist eine Menge passiert! In Holloway haben wir nun wirklich reelle Chancen fündig zu werden, falls er da war. Jeff ist sehr professionell vorgegangen und genauso erwidert worden. Sogar Bilder sind noch aus dieser Zeit vorhanden, für den Zeitraum der für uns wichtig ist. 

Weitere Hypothesen haben sich tatsächlich verstärkt und ich denke, mir sind noch wichtige Beobachtungen und Funde gelungen. Zum Beispiel bezüglich der Crawford Letter und der Butchers Row. Es gibt da gewisse Verbindungen zur Kalish- Gemeinschaft im East End. Ich denke, wir können mehr denn je annehmen, dass auch Sagar und Cox, wie Macnaghten, Swanson und Anderson, über Kosminski sprachen und das eben Aaron Kozminski dieser Kosminski war. Er muss also tatsächlich im Frühjahr 1889 privat untergebracht worden sein eher er dann, nach weiteren zwischenzeitlichen Ereignissen, Anfang 1891 in Colney Hatch landete. Zusammen haben wir eine Idee herausgearbeitet, in welcher Tätigkeit Aaron während der Ereignisse aktiv war, die sich auch mit der Aussage von Jacob Cohen decken würde, der sagte, er hätte jahrelang nicht gearbeitet. Wir meinen das sogar Schwarz auf Weiß zu sehen. Es gäbe noch so viel zu sagen aber aus verständlichen Gründen kann ich nicht mehr wie das hier äußern. Das Neue passt sich aber zu allem Altbekannten sehr gut ein. Ich denke, wir haben einen neuen, differenzierten Blick auf den Fall werfen können. Sollten wir ihn in Holloway oder in einer anderen privaten Anstalt finden, dann würde dies all unsere weiteren Hypothesen weiter bestätigen und wir werden ziemlich gut beschreiben können, was zwischen 1888 und 1894 passierte.     

Ich versuche sobald als möglich bei Jeff zu sein. Leider habe ich jeden Tag nur noch wenige Minuten für unser gemeinsames Hobby über.

Beste Grüße, Lestrade.

Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Wilhelm am 23.01.2015 16:56 Uhr
Bei aller Wertschätzung: Lässt du dich eigentlich noch auf andere Verdächtige ein?
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Sherlock am 24.01.2015 19:48 Uhr
Ohne Lestrade und seinen fabelhaften Bemühungen zu nahe zu treten, aber diese Frage habe ich mir auch schon gestellt. :flag_of_truce:
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Andromeda1933 am 25.01.2015 13:58 Uhr
Lestrade braucht hier ganz bestimmt keinen Fürsprecher, aber ich will trotzdem kurz eine Lanze für „seinen Fall“ brechen. Wohl jeder von uns hat entweder seinen „Lieblingskandidaten“, wer nun Jack The Ripper gewesen sein kann oder tendiert zumindest deutlich zu der einen oder anderen Möglichkeit. Im Moment tut sich halt einiges, was die Erforschung des Lebens von Aaron Kosminski vorantreiben kann. Das ist doch einfach eine dankbare Sache, mal wieder bei einem der Verdächtigen seriös (!) voran zu kommen. Ganz gleich, was dabei herauskommen mag. Kosminski wird dadurch nicht automatisch zum Täter befördert. Für uns „Andersdenkende“ bleibt noch genug Platz im Forum. Persönlich fände ich es noch wichtiger Hinweise zu finden, womit man den einen oder anderen definitiv als Täter oder als Opfer ausschließen kann, um den Fall zu entwirren.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 16.03.2015 20:22 Uhr
Der Anfang ist gemacht... (mein Name wird noch verbessert)...

https://www.youtube.com/watch?v=GMSQIZQWEq0&feature=youtu.be

Titel: Register 9: Kozminski´s Missing Leavesden Records!
Beitrag von: Lestrade am 01.05.2015 12:14 Uhr
Im Ripperologist 143, April 2015 gibt es einen Beitrag von Robert House, der einigen hier sehr interessieren könnte. Rob versucht Aaron Kozminski´s fehlende Anstaltsakten für Leavesden aufzuspüren.

Wer möchte, fordert die Ausgabe an, kostet ja nichts.

Hier ein kleiner Einblick:

“For as long as I have studied the Ripper case, I have read stories of official files stored carelessly in crawl spaces or attics, and of the curiosity-seekers who were allowed to look through them without supervision. Friends of the London police were supposedly allowed to look through the Metropolitan Police files on the Ripper case, and as a result, the files gradually disappeared over the years. I never doubted the truth of such accounts, and now here was a real example. A large collection of asylum records was sitting in storage somewhere in London, and none of the official archives offices cared to have them. So they just sat there, gathering dust and mostly ignored”.

Bei seiner Suche kam er in Kontakt mit einigen Leuten, die etwas mehr Auskunft geben konnten. Die Akten in Leavesden fielen wohl einmal einem Wasserschaden zum Opfer. Was am Ende nun wirklich mit ihnen geschah oder zumindest mit einem Teil, weiß man nicht, es waren ja nicht alle vom Schaden betroffen, da auch nicht alle im gleichen Bereich gelagert. Was da war, ging erst einmal nicht den vermuteten Weg (es spielten dabei auch andere Anstalten eine Rolle) und gelangte sogar in “private“ Hände.

Zwei Verzeichnisse konnten daher eingesehen werden (anderes bleibt verschlossen) und zwar ein Creed Register und ein Register of Deaths.

Creed Register:

(There was a red star next to the patient number (7367), and a check mark penciled in next to Kozminski’s name...)

Hinter dem Namen von Aaron Kozminski befindet sich also ein Häkchen und vor seiner Patientennummer sogar ein rotes Sternchen. Auf dieser Seite finden sich eben auch Eintragungen (Entlassungen, Tod), die in Rot gemacht wurden und so scheint das Sternchen entstanden zu sein als er starb. Das Häkchen scheint nicht der Stiftfarbe des Schriftzuges Aaron Kozminski zu entsprechen. Aber dies wäre beides meine Interpretation.

Es besteht immer noch die Möglichkeit, dass Aaron Kozminski´s Unterlagen von Leavesden irgendwo in London lagern. Ich wünsche Rob, dass er sie auftreiben kann. Und falls es darin einen Hinweis auf die Whitechapel Morde gäbe…

Lest einfach selbst…

Für unsere Anstaltsforschungen 1888-1891 ist dieser Beitrag natürlich sehr interessant.

Lestrade.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Andromeda1933 am 01.05.2015 16:59 Uhr
Dieses rote Sternchen finde ich etwas merkwürdig, wird doch allgemein (ich meine, international) in Akten usw. bei einem Verstorbenen ein Kreuz benutzt. Taucht dieses rote Sternchen in dieser Akte noch woanders auf? Könnte es vielleicht „gefährlich“ bedeuten?

Zu deinem posting darüber, kann man den Namen eines Unverbesserlichen verbessern?
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 01.05.2015 19:48 Uhr
Im gezeigten Abschnitt sind, einschließlich Aaron Kozminski, sieben Einträge zu finden. Bei keinem anderen gibt es rote Sternchen oder ein Häkchen. Mehr kann ich auch nicht sagen, nur beschreiben. Ich weiß jetzt auch nicht wie dick dieses Verzeichnis ist oder wie viele Einträge es gibt aber sollte dies der einzige Eintrag mit diesen Zeichen sein oder einer der wenigen, wäre das sicherlich zu seinem Thema recht kurios. Es scheint als ob irgendjemanden sich für ihn interessierte aber auch das wäre eine der üblichen Spekulationen (und wer weiß, wie alt diese Markierungen wirklich sind). Warten wir einfach die Meinungen in den Foren ab, falls es welche gibt…   

Der Unverbesserliche wird sicherlich im neuen Promo verbessert werden… obwohl dies paradox erscheint…
Titel: Ein neuer Zeuge?
Beitrag von: Lestrade am 23.05.2015 17:15 Uhr
Liebe Forumsleser,

Ich glaube, es ist ein guter Moment, um hier eine Annahme niederzuschreiben, die mir seit längeren durch den Kopf geht und durch aktuelle Betrachtungen und Nachforschungen an Gewicht gewinnt. Das wäre eine vollkommen neue Theorie über die Abläufe im Seaside Home mit der dort stattgefunden Identifikation.

Ich habe Jeff Leahy heute bereits darüber informiert, der ja schon im Vorfeld detaillierte Informationen von mir hatte. Es ist einfach wichtig, es einmal öffentlich schwarz auf weiß zu demonstrieren. Werde mich kurz halten, hoffe aber verständlich dabei zu bleiben.

Mich störte immer eine mögliche, spätere Identifikation im Seaside Home, die jedoch, bei Betrachtung der Quellen und Tatsachen, sehr wahrscheinlich war. Nun, es gibt viele Szenarien aber sie befriedigten mich nicht wirklich. Zur Identifikation gehören das Opfer, der Verdächtige, der Zeuge, die Polizei. Offenbar war die Polizei im Ripper Fall von ihrem Zeugen im Vorfeld überzeugt. Er schien sicher. Polizei und Zeuge also konform. Was hinderte aber daran, den Verdächtigen einfach abzuholen? Das Opfer? Im Ripper Fall waren alle akzeptierten Opfer tot. Opfer, die überlebt haben, als sichere Opfer des Rippers, sind nicht bekannt. Oder doch? Wenn Aaron Kozminski der Whitechapel Mörder war, dann hatte er ein Opfer, was überlebte, nämlich seine eigene Schwester, also vermutlich Matilda Lubnowski, die er mit einem Messer angegriffen haben soll. Wir wissen, dass es einen Vorfall auf der Brick Lane gab, im November 1888, nach Kelly, der meines Erachtens mit dem Annie Farmer- Überfall vermischt wurde. Hierbei spielte eine “Matilda“ eine Rolle. Sie war damals im gleichen Alter wie Aarons Schwester Matilda. Zur gleichen Zeit (im Dezember 1888) gab es einen Pressebericht in Dublin, wo eine Frau einen nahen Angehörigen als ernsthaften Ripper Verdächtigen einstufte. Möglicherweise gibt es hier einen Zusammenhang mit der Crawford Letter, die man bei Anderson fand. Nun konnte ich dieser Tage einen Zeitungsbericht (von 1894) lesen, in der jemand genau über dieser Art Vorfall sprach. Denn auch hier spielte wieder ein Messerangriff eine Rolle, es sollte die Kehle durchgeschnitten werden aber die Frau entkam. Es handelte sich dabei um zwei Familienmitglieder, einen Mann und eine Frau und das erstaunliche dabei ist, die Frau zog zurück, sie schützte offenbar ihren Angehörigen. Die Polizei jedoch hielt ihn für Jack the Ripper. Ab diesem Zeitpunkt passt auch die dreimonatige Observation von Cox (City Police). Ich muss annehmen, dass  der Schilderer der Zeuge gewesen sein könnte, der jemals wirklich “a good view“ auf Jack the Ripper hatte. Er sagte folgendes aus (kannte den Mann, wahrscheinlich vom Sehen her): "Er war ein fauler, zügelloser junger Mann mit einem schlimmen Gesicht, wirkte stets benebelt und abwesend und redete zeitweise zusammenhangslos. Auch wurde er von Medizinern als vollkommen wahnsinnig zertifiziert". Bis auf das Gesicht, beschreibt man so auch Aaron Kozminski in den Anstalten. Wenn wir jedoch die DNA Geschichte von Edwards glauben, dann litt der Mann unter schwerer Akne bzw. es wäre möglich gewesen. Zum Wohnort wird gesagt, dass es hinter dem Haus einen kleinen Garten gab. Wir erinnern uns, dass der Bruder von Aaron, Isaac, eine  Schneiderwerkstatt in solch einem Garten hatte. Die Namen sind nur mit Initialen abgekürzt. Es finden sich bei diesen Verwandten darin jedoch auch die Buchstaben A und K. Der Zeuge hat die Initialen H und L. Ich dachte zuerst an (Joseph) Hyam Levy aber in diesem Zusammenhang wohl eher nicht denkbar.

Um es kürzer zu machen. Es ist möglich, dass die Seaside Home Identifikation erst Ende 1890/ Anfang 1891 stattfand, weil Matilda Lubnowski ihren Bruder Aaron Kozminski nicht im November 1888 angezeigt hatte. Man kann mutmaßen, dass Sie ihren Bruder verdächtigte der Frauenmörder zu sein und ihn einmal des Nachts verfolgte. Wie beschrieben, fand das alles in der Brick Lane nicht weit vom Tatort Hanbury Street statt. Wir wissen, Serienkiller kehren oft an ihre Tatorte zurück. Vielleicht wurde das ihm und eben auch der Schwester zum Verhängnis. In diesem Moment wäre Jack the Ripper bereits identifiziert gewesen, Chapman Tatort, Messer Angriff mit versuchten Kehlschnitt auf seine Schwester und das letzte gesehen durch einen Zeugen. Aber in der zweiten Jahreshälfte 1890 gab Matilda auf und unterstützte ein “Verfahren“ gegen ihren Bruder und der Zeuge wurde zur Identifikation geholt. Den Rest kennt ihr alle…

Die Möglichkeit sollte in Betracht gezogen werden, dass kein Schwartz, Lawende, Levy oder Harris im Seaside Home waren und es dabei nicht um Nichols, Chapman, Stride, Eddowes oder Kelly ging sondern um einen versuchten Mord an Matilda Lubnowski durch ihren eigenen Bruder Aaron Kozminski 1,5-ca. 2 Jahre zuvor. Eine positive ID, der Constable vom Mitre Square, die Verbindung zur blutigen Wäsche in der Batty Street und, wie im Bericht geschildert, eine Identifikation durch zwei Frauen (ich vermute Prostituierte) in einer Anstalt, in der er einsaß (und dabei könnte es um Leather Apron gegangen sein), “many circs“, hätten zur Identifikation und Verhaftung von Jack the Ripper führen können. Die ID war aber das entscheidende, denn er hätte dann REDHANDED überführt werden können. Der Zeuge zog jedoch zurück. Aber er war dann kein Zeuge bei Nichols, Chapman, Stride, Eddowes oder Kelly, sondern bei einem Opfer, welches überlebte, Matilda Lubnowski, H.L. mit Initialen…

Beste Grüße,

Lestrade.

P.S.: Dieser Verdächtige hatte die Angewohnheit, wenn er heim kam, durch die Fenster zu steigen. Ein Fenster spielt beim Opfer Kelly eine große Rolle.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Shadow Ghost am 23.05.2015 20:34 Uhr
Den Gedanken, dass ein überlebendes Opfer als wichtigster Zeuge auftrat, finde ich sehr interessant. Ob allerdings Aarons Schwester Matilda dafür taugt, halte ich im Moment noch für etwas zweifelhaft. Aber ich bin natürlich in diesem Themenkomplex auch nicht so tief drin wie Du, Lestrade.

Wenn ich Dich richtig verstanden habe, stützt Du Deine Grundannahme zum einen auf der Aussage von Jacob Cohen bei Aarons Einlieferung nach Colney Hatch, zum anderen auf Artikel über den Angriff auf Annie Farmer, die darin auch als "Matilda" bezeichnet wird, was Du auf einer Vermischung von zwei getrennten Ereignissen (einmal ein Angriff auf Annie Farmer, einmal ein Angriff auf eine Matilda) zurückführst. Liege ich soweit noch richtig?

Dann gehen mir folgende Punkte durch den Kopf:

1. Jacob Cohen berichtet nur davon, dass Aaron das Leben seiner Schwester bedroht hätte, nicht aber von einem konkreten Angriff. Wie verträgt sich das mit Deiner Theorie?

2. Ich kenne zwar einige dieser Annie Farmer/Matilda-Artikel, aber vielleicht nicht den entscheidenden; denn mir ist nicht klar, worauf sich Deine Annahme stützt, dass es sich um eine Vermischungen zweier getrennter Ereignisse handeln könnte. Wenn ich die Artikel richtig verstehe, trat Annie Farmer (wie viele Frauen des East Ends) unter etlichen verschiedenen Namen, darunter auch Matilda, auf. Könntest Du hier vielleicht Deinen Ansatz noch etwas genauer erläutern?

3. Könntest Du den von Dir erwähnten Artikel von 1894 posten/verlinken? Das wäre sehr nett.

Wie gesagt, Deine Idee, dass ein überlebendes Opfer gefunden wurde und als Zeuge verwendet wurde, ist prima. Aber warum sollte es sich nicht um Ada Wilson, Annie Millwood, Annie Farmer oder sonst jemanden handeln, von dem man damals vielleicht annahm, es könnte sich um ein Opfer von Jack the Ripper handeln. (Okay, es gibt da noch die Randbedingung, das der Zeuge/die Zeugin jüdisch gewesen sein soll...)

Viele Grüße,
Shadow Ghost
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 23.05.2015 21:26 Uhr
Danke für deine Reaktion!

Annie Millwood war bereits tot. Farmer und Wilson könnten mit in die Anstalt zur Identifikation mitgenommen worden sein, denn nur “zwei von ihnen“ erkannten den Mann dort wieder.

Zeitungen:

Annie Farmer (40 years old); November 21, 1888

"Matilda" (34 years old), November 22, 1888

November 22, 1888

"to the cries of a woman who saw a man draw a knife"

November 22, 1888

"He is reported to have drawn a knife, and made a desperate resistance, but was eventually overpowered and conveyed to Commercial street Police Station.”

"He was pursued by the police and detectives and was captured near Truman, Hanbury and Buxton´s Brewery.”

Die Presseberichte passen da nicht ganz mit dem jeweiligen Datum. Bei Farmer wurde niemand verhaftet oder?

“The police called off the investigation and stopped searching for the man, believing he would turn himself in in order to clear his name. This never happened, and Farmer never recanted her original story.”

Vor 1,5 Jahren schrieb ich Rob House deswegen an. Er hatte einmal eine ähnliche Überlegung gehabt. Jedoch war er nicht sicher ob das alles passt.

Wenn zwei Ereignisse, ähnlicher Art, ganz dicht beieinander stattgefunden haben, kann das zu Verwirrungen geführt haben als die Presseleute nachfragten. Der berichtet über Farmer, der andere über Matilda ein paar Meter weiter.

Ich möchte jetzt aber die Reaktionen von Jeff und Co. abwarten. Mir ist wichtig, dass dies hier erst einmal steht, das Risiko eines “Luft Ei“ nehme ich, wie immer, gerne auf mich.

Außerdem fehlt mir noch der komplette Artikel und vielleicht erledigt sich dann das Thema auch, falls ich Pech habe. Bin mir auch nicht sicher ob der Zeuge dort “spricht“ oder jemand der ihn gut kannte. Warten wir noch etwas ab.

Soviel noch: Der Polizei beichtete die Frau sofort, vor lauter Angst, aber später tat es ihr leid-typisch Frau- lautete dann die Bemerkung. Ich weiß nicht, der Zeuge sah es als einen Angriff mit dem Versuch eines Kehlschnitts. Ich kann mir vorstellen, nachdem Sie sich beruhigt hatte und realisierte was da auf sie zukommen könnte, dass daraus vielleicht nur eine Bedrohung wurde, ich weiß es nicht Shadow.

Aber vollkommen abgesehen von all der Richtigkeit. Da wurde jemand an der Ecke Brick Lane/Hanbury Street gestellt und kam auf eine Polizeiwache. Bei Farmer sieht das nicht danach aus. Außerdem muss es dann Zeugen gegeben haben, sonst wäre es kaum zu einer Festnahme gekommen außer die Frau alarmierte selbst die Polizei und zwar unmittelbar. War sie dazu in der Lage? Cox sagte ja, dass sie nach Kelly auf die Spur des Killers kamen und er drei Monate observierte und in dieser Zeit nichts passierte. Macnaghten sagte über Kosminski, er kam ca. März 1889 in eine Anstalt. Dazwischen lagen Dezember, Januar, Februar, drei Monate eben.

Viele Grüße zurück,

Lestrade.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Shadow Ghost am 23.05.2015 21:51 Uhr
Annie Millwood war bereits tot.

Stimmt! (Notiz an mich: Erst denken, dann posten)

Wenn zwei Ereignisse, ähnlicher Art, ganz dicht beieinander stattgefunden haben, kann das zu Verwirrungen geführt haben als die Presseleute nachfragten. Der berichtet über Farmer, der andere über Matilda ein paar Meter weiter.

Auch das stimmt. Und die Zeitungen haben damals gerne voneinander zitiert, d.h. abgeschrieben, besonders die nicht in London ansässigen. Allerdings waren auch viele (Londoner) Zeitungen mit eigenen Reportern vor Ort. Müsste da nicht wenigstens einer beide Geschichten getrennt haben können? Und warum wurde so ein möglicher Irrtum dann nicht in den folgenden Tagen aufgeklärt, wenn klar wurde, dass zwei Geschichten vermixt wurden?

Naja, jedenfalls mal ein neuer Ansatz; wollen wir abwarten, was sich daraus ergibt.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 23.05.2015 22:13 Uhr
Das gab es schon einmal Shadow, Monate vorher und wurde nicht geklärt damals. Ähnlich wie Du schilderst, mit dem Abschreiben und so. Rob House versuchte es dann in seinem Buch, nämlich, dass der Verdächtige Charles Ludwig mit den Ereignissen in der Batty Street vermischt worden sein könnte, obwohl er nichts damit zu tun hatte.

Ich meine, es wäre ein gute Variante warum man Kosminski erst so spät “identifizieren konnte“. Weil das Opfer aus der eigenen Familie kam. So hätte man ihn “Hauptsächlich“ wegen Matilda in das Seaside Home gebracht. Der Zeuge hätte somit ewig parat gestanden und wenn der Verdächtige ein solch markantes Gesicht gehabt haben soll… und er ihn auch schon länger “kannte“, macht das viel Sinn…

Spannend auch (schrieb ich dieser Tage auch dem Jeff), dass die von uns vermutete Anstalt in Surrey, also die Holloway Einrichtung, im Juni 1891, nachdem Aaron Kozminski in Colney Hatch gelandet war, mit dem Seaside Home in Brighton in Kontakt kam. Die Polizei nutzte das Home ja bereits seit März 1890. Im Oktober 1891 landeten auch die ersten Patienten aus Holloway dort. Bei meiner Betrachtung der Quellen war mir das aufgefallen aber es soll von Jeff und Co. überprüft werden. Ich verstehe das nämlich nicht ganz. Holloway nutzte ein Seaside Home wechselte damit aber nach Brighton. Es gibt ja die Erzählungen einer Frau, dessen Vater eine Anstalt in Surrey geleitet hatte und es dort einen Jack the Ripper Raum gab. Man vermutete: Holloway! Irgendeine Verdächtiger war wirklich da, Sanders glaube ich, nagel mich daran jetzt aber nicht fest. Also es ist ja möglich, dass Holloway mit dem Seaside Home in Brighton schon vor Juni 1891 in Verbindung stand, obwohl man noch das Alte nutzte. Wie da auch immer die Zusammenhänge zu sehen wären. Interessant ist das allemal. 
 
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 24.05.2015 23:22 Uhr
Schau mal hier Shadow:

22. November 1888 Morning Advertiser (London)

“Great excitement was caused in the East-end, and throughout the metropolis generally, yesterday by the attempted murder of a woman in the district of the tragedie… is known as Annie, or Matilda, Farmer. She is stated to be a married woman of good appearance and about 34 years of age.”

“Almost immediately the woman ran downstairs bleeding from a wound in the throat. She asserted that the man attempted to cut her throat, that a struggle had taken place, and that her assailant then fled.”

"Wanted, for attempted murder on the 21st inst., a man aged 36, height 5 feet 6 inches, complexion dark, no whiskers, dark moustache, black jacket, vest, and trousers, round black felt hat. Respectable appearance. Can be identified."

Farmer war 40 Jahre alt.

“She is stated to be a married woman of good appearance and about 34 years of age”?

Du kennst das Foto von Matilda Lubnowski!

A man was arrested in the East-end early this morning (22. November?) under very suspicious circumstances. Between one and two o’clock a woman, who was in the company with a man in a narrow thoroughfare near Brick-lane, was heard to call "Murder!" and "Police!" loudly. At the moment the man was seen making off at a rapid pace. He was pursued through several streets by the police and detectives who have lately been concentrated in considerable numbers in the neighbourhood, and was captured near Truman, Hanbury, and Buxton’s brewery. The man is reported to have drawn a knife, and made a desperate resistance, but he was eventually overpowered, and conveyed to the Commercial-street station.

Gibt es zwischen Farmer und einer Matilda eine Verwechslung in der Presse? Wie zuvor mit Charles Ludwig und dem Batty Street Lodger?

Farmer war Indoor, Matilda outdoor?

Deine Meinung würde mich interessieren:

http://www.casebook.org/press_reports/morning_advertiser/18881122.html

Gruß Lestrade.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Shadow Ghost am 25.05.2015 18:51 Uhr
Da handelt es sich wirklich um zwei Ereignisse. Zum einen den bekannten Überfall auf Annie Farmer, zum anderen die Episode, die letztlich in einer Verhaftung resultierte. Inwiefern die Details dieser beiden Geschichten vermischt wurden, ist zunächst schwer zu sagen. Ich hoffe, ich finde in den nächsten Tagen ein wenig Zeit, um Zeitungsartikel zu suchen, in denen nicht einfach die Meldungen der Presseagenturen wiedergegeben (abgeschrieben) wurden, d.h. Zeitungen, die wirklich mit eigenen Reportern vor Ort waren. Vielleicht klärt sich dann, wer Matilda war.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 26.05.2015 08:38 Uhr
Klasse! Super. "Paddy" aus dem Casebook wirft auch noch einmal einen Blick durch die Zeitungen.

Vielen Dank.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 26.05.2015 20:30 Uhr
He Shadow!

Sieht nach zwei unterschiedlichen Ereignissen aus. Das zweite in der Nacht nach dem Farmer-Vorfall.

Evening News, London, U.K. 22 November 1888

http://www.casebook.org/press_report.../18881122.html

YESTERDAY'S OUTRAGE and THIS MORNINGS ARREST

"The Central News says the following is the true account of the captured effected this morning: After an exciting chase he was captured and taken to Commercial-street Station. The report that he tried to injure his pursuers with a knife is contradicted by the police.

The Central News says: The man who was taken into custody near Brick-lane early this morning was simply arrested for assaulting a prostitute, and will be charged with that offence before the magistrates this morning. The case has no connection whatever with yesterday's outrage. On later inquiries at the Commercial-street Police-station the Central News was informed that the man wanted for the murderous assault on Mrs. Farmer had not yet been apprehended."


???
"The man arrested late last night in connection with the outrage on the woman Farmer, at George-street, Spitalfields, is still in custody at Commercial-street, Police-station, but the police decline to say whether they attach any importance to the arrest. George-street is perfectly quiet this morning, and the excitement seems to have already died out. No arrests have been made beyond the one last night."

East London Advertiser, Saturday, 24 November 1888.

http://www.casebook.org/press_report...ela881124.html

"The intended victim in this case is a woman known indifferently as "Tilly" and "Flossie." "

Diesmal keine Matilda!

In anderen Zeitungsartikeln schwankt das Alter von Farmer zwischen 30, 38 und ca. 40 Jahren.

"... will be charged with that offence before the magistrates this morning"... ob wir bei denen was zur Klärung finden könnten? Ich habe da so eine Idee, entweder ist da nichts oder aber, wir müssen einen alten Bekannten in Betracht ziehen....

Mir fehlt aber leider die Zeit, die Artikel gründlich zu lesen.

Gruß.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 27.05.2015 19:00 Uhr
Hi Shadow,

Ich möchte dich nur auf den Laufenden halten mit meinen Gedanken. Habe mich an Scott Nelson gewandt:

"... will be charged with that offence before the magistrates this morning" (The man who was taken into custody near Brick-lane early this morning)

Er schrieb letztes Jahr im Casebook über Gertrude Smith und ihrem Bordell. Es gab ja die Sache mit Gertrude Smith/ Mary Jones – Ellen Hickey/N. Cohen und Aaron Davis Cohen, einem freiherumlaufenden Irren.

http://forum.casebook.org/showthread.php?t=8271

“KEEPING A BROTHEL IN WHITECHAPEL
Gertrude Smith, a well-dressed middle-aged woman of 254 High-street (sic-Whitechapel Road), Whitechapel, surrendered to answer a charge preferred against her by Mr. Metcalf, vestry clerk of St. Mary, Whitechapel, on behalf of the overseers of the parish, for unlawfully keeping her house as a brothel. Uriah Harvey, who was specially engaged by the vestry of Whitechapel, owing to gross immorality taking place in certain houses, to keep a watch, gave evidence of the number of both sexes which entered and left the defendant’s house. On Saturday night, the 24th November, ten men and as many well-known prostitutes infesting the neighbourhood entered and left defendant’s house; Sunday, the 25th, twelve couples; Monday, the 26th, three couples; Saturday, December 1st, eighteen couples. It was ostensibly a cigar shop, and when the parties entered, the defendant was at the door letting them in. When Inspector Ferris (sic - Metropolitan Police Inspector Arthur Ferrett) entered, he found two well-known prostitutes in bed. In answer to Mr Lushington, Inspector Ferris said there had been no complaints of disturbances or robberies at defendant’s house. Mr Lushington convicted the defendant in taking part in keeping a brothel and fined her £10 and £5 costs, or one month. The money was paid.”


Reynolds Newspaper 9 December 1888

Gertrude Smith und Mary Jones wurde die Betreibung eines Bordells vorgeworfen. Ellen Hickey ("a prostitute who started a fight in the course of the brothel closure") warf man einen Angriff auf jemanden mit dem Namen N. Cohen vor. Aaron Davis Cohen sollte ebenfalls erscheinen. Wir wissen, N. Cohen erschien nicht zur Anhörung und Ellen Hickey kam davon.

Aber ich lese, dass man das Bordell schon am 24., 25.,26. November und am 1. December in der 254 Whitechapel Road im Visier hatte. Okay, diese Adresse liegt “ein paar Meter” entfernt von (near) Brick Lane. Die Observation des Bordells könnte bereits am 21./22. November 1888 im Gange gewesen sein. Über die Great Garden Street gelang man von der 254 Whitechapel Road aus durch die Old Montague Street auf die Brick Lane und es hieß ja:

“He was pursued through several streets by the police and detectives…”, “…a narrow thoroughfare near Brick-lane”

Und denke daran, Inspector Sagar war im Dezember 1890 gegenüber der Butchers Row (also in der Aldgate High Street) ebenfalls an einer Bordell Razzia beteiligt. Und er erzählte uns ja über einen Mann, der dort, Butchers Row, arbeitete und “mit Sicherheit der Mörder war“.

Ich weiß, es klingt verrückt aber da waren zwei Cohen (N. Cohen and Aaron Cohen) und es ist möglich, in der Theorie, dass eine  "Matilda" von einem Mann angegriffen wurde (Aaron?), der ein langes Messer bei sich trug, zu der Zeit, als dieses Bordell von der Polizei überwacht wurde.

“The man who was taken into custody near Brick-lane early this morning”

“He was pursued through several streets by the police and detectives who have lately been concentrated in considerable numbers in the neighbourhood, and was captured near Truman, Hanbury, and Buxton’s brewery”


Scheinbar waren Polizei und Detektive zahlreich und schnell vor Ort...

Nochmals, ich weiß, es ist verrückt aber ich denke bei N.Cohen/ Aaron Cohen sofort an Matilda Kozminski/Aaron Kozminski. Okay, N. Cohen steht da, nicht M. Cohen.

Und dann die Bemerkung aus dem Huddersfield Newspaper:

“but, like a woman, she became sorry after”, N. Cohen erschien nicht vor Gericht…

Ich halte es für möglich, dass die Polizei Kosminski nach diesem Ereignis aus den Augen verloren hatte und David Cohen kurzzeitig für Kosminski (Aaron Cohen) hielten, dann aber schnell in David Cohen (John Doe) änderten (passierte ja in der Tat). Er war der falsche Mann und der richtige Mann könnte nach diesem Ereignis in Sicherheit gebracht worden sein. In eine private Anstalt sicherlich dann. Vielleicht nur für ein paar Tage. Aber die Polizei war sicherlich in der Lage ihn ausfindig zu machen.

December 1888

“The Dublin Express London correspondent on Thursday gave as the latest police theory concerning the Whitechapel murderer, that he has fallen under the strong suspicion of his near relatives, who to avert a terribly family disgrace, may have placed him out of harm's way in safe keeping. As showing that there is a certain amount of credence attached to this story, detectives have recently visited all the registered private lunatic asylums, and made full inquiries as to the inmates recently admitted.

Cox:

"…was forced to spend a portion of his time in an asylum in Surrey".

Die Familie hielt vielleicht dicht, bis eben auf Matilda. Denke an die Crawford Letter.

Bei allem würde eine viel spätere ID mit dem Zeugen des Angriffs auf Matilda wirklich Sinn machen.

Theorien, Hypothesen, aber wir können wohl nichts beweisen…
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Shadow Ghost am 27.05.2015 19:08 Uhr
Evening News, 23 November 1888

No person was in custody last evening in connection with the latest East-end outrage. The detention of a man early yesterday morning on suspicion of being the woman Farmer's assailant was due to the cries of a woman, who said the man had drawn a knife, but it appears that the occurrence was an ordinary drunken quarrel, to which the police attached no importance. Several men have been brought to the police-station in the district on suspicion, but have been released after enquiries. There was an absence of crowds in the streets yesterday, but the district remains in a very excited state.

Das sieht definitiv nach zwei unterschiedlichen Ereignissen aus.

Leider konnte ich (bislang) nirgends etwas über ihren Namen in Erfahrung bringen, nur dass es sich wohl um eine Prostituierte handelte

Evening Telegraph, 22 November 1888

The Central News says:- The man who was taken into custody near Brick Lane early this morning was simply arrested for assaulting a prostitute, and will be charged with that offence. The case has no connection whatever with yesterday's outrage. On later inquiries at the Commercial Street Police Station, the Central News was informed that the man wanted for the murderous assault on Mrs Farmer had not yet been apprehended.

Aber vielleicht findet sich der Name noch irgendwo.

Und diese N.Cohen/A.Cohen/Bordell/Matilda/Aaron Kosminski-Geschichte muss ich mir erst noch ein paar mal durch den Kopf gehen lassen.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 27.05.2015 20:09 Uhr
Bedankt!

Weißt Du, ich frage mich folgendes:

Sollte die blutige Wäsche aus der Batty Street (Oktober 1888) zu dieser Familie gehört haben, dann muss die ganze Sache der Familie sehr zu schaffen gemacht haben. Wenn Matilda einen Verdacht gegen ihren eigenen Bruder Aaron hatte, dann hat ihr das sicherlich sehr beschäftigt, beunruhigt, Angst gemacht. Es muss allerdings nicht allen so ergangen sein. Frauen haben ihr ganz eigenes Gefühl für bestimmte Atmosphären. Dann geschah der Mord an Kelly in all seiner Furchtbarkeit. Vielleicht ging sie ihm einfach eines Nachts hinterher. Möglich, dass Sie ihn dabei sah, als er nach Mitternacht (22. November) Ellen Hickey nahe der 254 Whitechapel Road ansprach. Vielleicht ahnte Sie etwas, ging dazwischen und wurde von Ellen Hickey attackiert und vielleicht blitzte irgendwo ein Messer auf, das Aaron bei sich trug. Chaos wäre da schnell entstanden, es gibt eine Verfolgungsjagd, der Messerträger wird  gestellt und stellt sich als alter Bekannter heraus (Batty Street). Die Sache wird heruntergespielt, Schuld ist jetzt nur Ellen Hickey aber auch davon lässt man ab. Man hat andere Sorgen. Matilda kennt die Wahrheit, sorgt erst einmal dafür, dass Aaron aus der Schusslinie kommt und wendet sich dann an jemand der helfen kann. Es kommt zum Gespräch mit Anderson und Swanson, sie berichtet von ihren Erfahrungen mit Aaron, erzählt was wirklich passiert ist und hat vielleicht die ein oder andere Beobachtung anzugeben.

Ich weiß, es ist eine tolle Geschichte aber wir wissen definitiv, dass er eine Schwester mit einem Messer bedroht hatte und müssen die Wahrscheinlichkeit in Betracht ziehen, dass die Wäsche in der Batty Street ihm gehörte. Das zusammen alleine, hätte Matilda enorm den Eindruck vermitteln können, dass der eigene Bruder Jack the Ripper ist. 
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 31.05.2015 20:43 Uhr
... bei der Sache mit dem Huddersfield Artikel von 1894 ging es offenbar um Cutbush, wie ich eben feststellen musste... ich fand nämlich dieses hier mit weiteren Information...

https://books.google.de/books?id=A_atAwAAQBAJ&pg=PT127&lpg=PT127&dq=H+L+witness+jack+the+ripper&source=bl&ots=JqRp7oVSGW&sig=mq8x6FcpR893ESu_zNyFZiis_Y0&hl=de&sa=X&ei=8VFrVeXxKszWUcDrgbgN&ved=0CDEQ6AEwAzgU#v=onepage&q&f=false

...es bleibt aber, weil unabhängig davon, die Matilda Geschichte...
Titel: Fotos Matilda Lubnowski & Isaac Abrahams!
Beitrag von: Lestrade am 05.07.2015 10:14 Uhr
Hallo Freunde!

Autor Russell Edwards “zeigt“ Bilder von Matilda Lubnowski und Isaac Abrahams, Schwester und Bruder von Aaron Kozminski:

http://www.dailymail.co.uk/news/article-3149686/The-Ripper-s-family-Pictures-Victorian-respectability-brother-sister-Britain-s-notorious-killer.html#v-3772142712001

Das Bild von Matilda kennt man (es gibt noch eines als junges Mädchen und als ältere Dame) aber das Bild von Isaac Abrahams ist mir neu. Handelt es sich tatsächlich um Isaac Abrahams, so erhält man unter Umständen vielleicht eine vage Vorstellung von Aaron Kozminski aber nicht immer sehen sich Brüder ähnlich (z.B. mein Bruder und ich sehen sehr unterschiedlich aus).

Wäre schön, Gewissheit über die Echtheit des Fotos zu erlangen.

Beste Grüße,

Lestrade.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Stordfield am 05.10.2015 16:15 Uhr
Woher stammt eigentlich die immer wieder verwendete Zeichnung von Aaron Kozminski? 
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 05.10.2015 22:06 Uhr
Chris Scott:

"The "Kosminski" image which I have usualy seen on a sepia background is by the same artist who did sketches of the victims but I do not know the artists's name or the original source of these drawings.

The sketches (victims and suspects) all look to be by the same artist and look as though they were commissioned for a book/article/website - though which I dont know
Below is the drawing of Mary Kelly by what I take to be the same artist

And here is the one of Mary Ann Nichols:

I have to agree with an earlier post in that Im sure Ive read somewhere that this "Kosminksi" pic is in fact an artist's impression of Chapman/Klosowski
"

http://forum.casebook.org/showthread.php?t=4453

Mir fiel auf, dass in diversen "Stammbäumen" dieser Familie, dieses Bild auch heute noch verwendet wird.

Ich hänge die Bilder mal mit an, auch wenn man sie auf oder über Casebook findet, ich hoffe, dass dies kein Verbrechen ist.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 13.10.2015 12:17 Uhr
Folgendes ist vielleicht in vielerlei Hinsicht interessant! U.a. sieht man hier die City Police bei der Arbeit auf dem Gebiet der MET und dabei auch zwei aus dem Ripper Fall gut bekannte Beamte der City Police, Cox und Sagar, die mit nachfolgenden Sachverhalt zu tun hatten:

http://www.oldbaileyonline.org/browse.jsp?id=t18901124-38&div=t18901124-38&terms=Sager#highlight

Ich fand das vor einer Weile, stellte später jedoch fest, dass dies bereits 2009 ein Thema war, wenn auch ohne großes Aufsehen:

http://forum.casebook.org/showthread.php?t=2463

GEORGE JOHNSON, JOHN PHILLIPS, Deception > forgery, 24th November 1890.

JOSEPH TRAGHEIM . “I came from the Baltic provinces—I live at 81, Greenfield Street, Commercial Road—I was formerly in business at Rotterdam…”

ROBERT CHILD (City Detective)

“I was watching Tragheim—between October 1st and 17th I saw Tragheim daily, except on Sundays—I saw three or four other persons of the gang who he spoke to; he was then sleeping at 81, Greenfield Street—I did not watch him at all, he made appointments and we kept them—other officers were watching;”

JOHN HARMAN . I am a lithographic printer, of 12, Bacon Street,. Brick Lane

HENRY COX (City Policeman)
. "On 24th September, in consequence of instructions from Child, I watched in Liverpool Street, and saw the prisoners together—I followed Johnson and another man to Bethnal Green, and lost sight of him in Gibraltar Gardens—I saw him again next day in Liverpool Street with someone else, followed them to Bacon Street, Spitalfields, and lost sight of him—on the 29th I saw Johnson again, and followed him to Mr. Harman's, 12, Bacon Street—I did not wait to see him come out—on September 30th I was watching in Bacon Street, and saw Johnson come there about 1.20; he went into No. 12, and came out about 4.20—I followed him to Shoreditch Station and lost sight of him—while he was there on the 30th I saw Mr. Harman come out to get some food, he was out twenty' minutes or half an hour—I have seen Johnson, Phillips, and Tragheim in company on other occasions in September and October."

ROBERT SAGER (City Police Inspector). "On 22nd October I was keeping observation on 115, Hayter Road, Forest Gate, and when Phillips left I said, "Mr. Phillips, I am an officer, and these are officers here from the City; I am going to arrest you for forging and uttering letters of credit on Drexel and Morgan, of London and other places"—he said, "I have got no letters of credit; I know nothing about them"—I took him to the station."

Tragheim lebte 81 Greenfield Street, sechs Türen weiter lebte Isaac Abrahams in 74 Greenfield Street und Matilda Lubnowski, gegenüber Isaac in der 16 Greenfield Street. Beides Geschwister von Aaron Kozminski. In October 1890 “other officers (City Police) were watching” in Greenfield Street.

Cox und Sagar, City CID, waren involviert in diesem Fall und das auf dem Gebiet der MET Polizei. Cox selber verfolgte bis Bethnal Green, Spitalfields, Shoreditch… Bacon Street lag am nördlichen Ende der Brick Lane.

Auffallend ist auch, das die City Police in der Greenfield Street tätig waren, kurz bevor Aaron Kozminski nach Colney Hatch ging. Und das vermutlich kurz nach der ID im Seaside Home. Swanson von der MET Polizei gab ja auch an, dass Kosminski Tag und Nacht von der City Kriminalpolizei observiert wurde.

"other officers (of the City Police) were watching" in October 1890 in Greenfield Street...

Obwohl Swanson die City Polizei angab, gab es verständlicherweise Zweifel, ob Cox oder Sagar tatsächlich Kosminski in ihren Beschreibungen meinten:

Cox u.a.:

Certain investigations made by several of our cleverest detectives made it apparent to us that a man living in the East End of London was not unlikely to have been connected with the crimes.

He was never arrested for the reason that not the slightest scrap of evidence could be found to connect him with the crimes.


Sagar:

and suspicion fell upon a man, who, without doubt, was the murderer. Identification being impossible

(certain premises in "Whitechapel" after nightfall/ Macnaghten- occupied several shops in the east end/ Cox- he was living in the immediate vicinity of the scenes of the murders/ Anderson)

Offenbar gab es zu dieser Zeit mehrere Beamte in der Greenfield Street von der City Police. Selbst Cox und Sagar spielten dabei eine Rolle. Den Aussagen von Cox und Macnaghten zufolge, hatte der Verdächtige Verbindungen zu verschiedenen Orten im East End. Somit könnte die Ciyt Polizei nicht nur in der Greenfield Street sondern auch im Sion Square (Bruder Woolf Abrahams), auf der Butchers Row (Sagar) und am "eigenen Shop" von Kosminski observiert haben. Letzterer könnte sich in oder nahe Brick Lane befunden haben.   

Lestrade.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 21.10.2015 18:04 Uhr
Hallo Lestrade,

da ich mir derzeit Aaron Kosminski genauer anschaue, um ein umfassenderes Bild von ihm zu bekommen, würde mich folgendes interessieren:

1. Welche Adressen seiner Familie sind nun definitiv für die Jahre 1888-1891 bekannt?
(Ich kenne Matilda: Greenfield Street 16, und Isaac: Greenfield Street 74; Abrahams: Providence Street; Aaron: Sion Square / Mulberry Street; und Jacob Cohen: Carter Lane 51). 

2. Welche Hinweise hast du für eine Adresse der Familie in der Brick Lane?

Im Voraus vielen Dank,

Arthur Dent
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 21.10.2015 19:19 Uhr
Hallo Arthur,

Gerne.

Isaac Abrahams:

Juni 1886 – Mai 1891 Greenfield Street 74

Spätestens 1893 war er in der Cable Street 171

Matilda Lubnowski:

Dezember 1885 – Februar/März 1891 Greenfield Street 16

Danach New Street 63

Woolf Abrahams:

Vor Dezember 1886- nach Juli 1887 Greenfield Street 62

Bis Oktober/ November 1888 Providence Street 25

Vor März 1889 – nach Mai 1889 34 Yalford Street (gegenüber der Greenfield Street)

Sommer 1890 Sion Square 3

Möglicherweise zog Woolf Abrahams nach dem Double Event in die Yalford Street und danach in den Sion Square. Vielleicht gab es auch eine Zwischenstation. Er nahm auf jeden Fall seine Tochter von der Schule in der Berner Street nach dem Double Event. Sie wurde dann woanders angemeldet.

Wie Du auch siehst, zogen Isaac und Matilda 1891 aus der Greenfield Street weg, kurz nachdem in Colney Hatch Aaron eingeliefert worden ist. 

Carter Lane war wohl nur eine Geschäftsadresse von Jacob Cohen/Woolf Abrahams/ Thomas Davies und ihrem Unternehmen. Jacob Cohen war Butcher in Manchester.

Brick Lane ist nur eine Vermutung. Nahe Brick Lane gab es am 22 November 1888 einen Vorfall, dem ich Kosminski zuordne. Brick Lane macht viel Sinn, man war schnell an den Tatorten Hanbury Street und Dorset Street. An der Brick Lane waren auch die Tatorte von Smith und Tabram. Das geographische Profil gibt Flower and Dean Street an, diese mündet in die Brick Lane. Detektiv Cox von der City Police sprach in seiner Beschreibung über ein Modell Lodging House, es könnte sich um den Tatort George Yard handeln, George Yard Building, nahe Brick Lane. 

Herzliche Grüße,

Lestrade.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 21.10.2015 19:55 Uhr
Folgendes könnte dich interessieren:

Woolf lebte, und das sicherlich mit Aaron, bereits Anfang der 1880er Jahre neben dem Dutfields Yard, ich glaube es war Nummer 36. In dessen Nähe zurückzuziehen, in die Providence Street 25, könnte einer der Auslöser gewesen sein, dass Aaron Kozminski (falls JtR) letztendlich anfing zu morden. Dieser Yard wurde für Prostitution genutzt und vielleicht, ich sage vielleicht, kam Aaron als (noch) Pubertierender dort damit das erste Mal in Berührung.

Der Mann von Matilda, Morris, arbeitet u.a. als Bootlaster. Dieser Beruf hatte viel mit Sohlen zu tun, wie ich kürzlich feststellte. Interessant ist, dass man Männer, die diesen Beruf in Heimarbeit machten, als Snob bezeichnete. Wir wissen ja, dass Leather Apron jemand war, oder einer von ihnen, der auf “leisen Sohlen“ ging. Und, so meine ich mich zu erinnern, trug einer von ihnen auch den Beinamen “The Mad Snob“…

Ich habe eine neue Theorie zum Berner Street Rätsel. Möglicherweise könnte es so gewesen sein, dass Stride mit dem Ripper bereits im oder im Eingang des Dutfield Yards stand, als BS Man und Schwartz die Straße herunterkamen. Als diese sich näherten, zog sich der Ripper in das Dunkle des Hofes zurück, Stride wollte vielleicht die beiden Spaziergänger noch abwarten. Es passierte was passierte aber genau wie Schwartz und Pipeman, zog sich auch BS Man zurück. Höchstens halte ich für möglich, dass BS Man gedacht haben könnte, hinter Stride im Dunkeln könnte sich noch jemand befinden. Als alle weg waren tötete der Ripper Stride und floh zu seinem nächsten Opfer. Hier wurde es ihm zu unruhig…

Beide Männer, BS Man und Pipeman, könnten gefunden worden sein, dafür gibt es gewisse Anhaltspunkte in der Presse.

Das Paar welches Packer, Marshall und PC Smith sahen, könnte stets Stride/Ripper gewesen sein. Detektiv Cox beschrieb, dass sein Verdächtiger einmal eine beträchtliche Strecke mit einer Prostituierten zurückgelegt hatte. Das könnte auch hier der Fall gewesen sein. Das Newspaper Parcel was PC Smith sah, war vielleicht nur eine Tüte mit Weintrauben, gekauft bei Packer.

So könnte Macnaghten gar nicht so falsch gelegen haben als er sagte:

“ A woman, Elizabeth Stride, was found in Bemers Street, with her throat cut, but no attempt at mutilation. In this case there can be little doubt but that the murderer was disturbed at his demoniacal work by some Jews who at that hour drove up to an anarchist club in the street.”
 
Wenn Aaron Kozminski der Ripper war, dann war der Mord im Dutfields Yard vielleicht eine “geheime Botschaft” von ihm, da er ja einst daneben lebte. In diesem Zusammenhang macht auch das GSG mehr Sinn, dass es von ihm stammt, denn damit bezog er sich vielleicht auf den dortigen jüdischen Klub und den Juden, welchen ihn dort gerade bei Stride störten… Ob nun bewusst oder unbewusst, Täter geben manchmal gewisse Botschaften von sich, die entschlüsselt werden wollen. Vielleicht hat das die Polizei damals geschafft. Der Verdacht aus der eigenen Familie entstand vielleicht in dem Moment, als die Familie hörte: Mord im Dutfields Yard! Bitte nicht Aaron…
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 21.10.2015 20:06 Uhr
“The Juwes (BS Man, Schwartz und Pipeman) are the men That Will not be Blamed for nothing“
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 21.10.2015 22:43 Uhr
Hi Lestrade,

was hältst du von dem Beitrag von Rob House im Casebook, in dem er die Familienverhältnisse der Kosminskis mit Infos aus dem Polnischen Staatsarchiv aufzuklären versucht?

In dem Beitrag schreibt er:
"We know there was an Isaac Kozminski who lived at 76 Goulston Street, but it is not known if this is the same person as Aaron’s brother Icek. The 1891 census lists Isaac (age 43), Elizabeth (wife), Michael (son) and Betsy (daughter) at the Goulston Street address."
http://www.casebook.org/dissertations/rip-housekoz.html

MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 21.10.2015 23:15 Uhr
Der Beitrag ist ja schon älter... mittlerweile ist das geklärt, Aaron´s Bruder Isaac war Isaac Abrahams, der Schneider aus der Greenfield Street... Verbindungen konnten nicht zum Isaac Kozminski aus der Goulston Street hergestellt werden... ich hatte hier mal eine Liste der Kozminskis erstellt, finde ich gerade nicht... war aber nicht ganz so selten der Name, auch nicht im East End... neben Isaac aus der Goulston Street gab es zu jener Zeit noch den Friseur Daniel Kozminski 102 Houndsditch nahe Mitre Square oder Maurice Kozminski in der Berner Street... das wären ja schon einmal 3 "Tatorte"... irgendwann war da auch ein Phillip in der Dorset Street und der Zeuge Jospeh Hyam Levy kannte einen Martin Kozminski und seine Brüder Samuel and Jacob... Joseph Kosminski, Langdale Street... da gab es auch noch Louis (Lewis) Kosminsky, Butcher und seine Frau Betsy Kosminsky, sie hatte einen Sweet Shop in Christian Street und ich meine er ist auch der Butcher, der mal in der Hanbury Street wohnte/arbeitete. Die kamen aber erst nach der JtR Sache nach London. Ihre Enkelin Zena behauptete ja mal, dass ihr Onkel Aaron in Colney Hatch war und eine große Schande für ihre Familie darstellte. Aaron war nicht ihr Onkel aber ihre (Lewis/Betsy) erste Adresse in London war in einer Community wo viele aus Kalisz stammten. Das war eine Region in Polen zu der Klodawa gehörte, der Geburtsort von Aaron. Möglich, dass man in dieser Gemeinschaft über Aaron redete und Sie das falsch interpretierte. Zena und ihre Familie ist übrigens verwandt mit Peter Kosminsky, einen Regisseur.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 22.10.2015 20:19 Uhr
Hallo Lestrade,

danke für die Info, dann kann ich diesen Text abhaken...


And now for something completely different:

Ich habe eine Hypothese zu Kosminski, seiner Einlieferung und dem Coles-Mord aufgestellt und möchte mal wissen, was du von der Idee hältst:


Am Freitag, 13. Februar 1891 kam es zum Mord an Frances Coles bei Swallow Gardens.
Gegen 1:45 Uhr traf eine Bekannte, die Prostituierte Ellen Callagher, in der Commercial Street auf Coles. Sie liefen gemeinsam Richtung Minories und begegneten einen "brutalen Mann mit einer Baskenmütze", an den Callagher sich als einen früheren Kunden erinnerte. Sie will Coles gewarnt haben, dass der Mann ihr vor einiger Zeit ein blaues Auge geschlagen habe, und sie solle sich nicht mit ihm abgeben.

Möglicherweise eine Parallele zum Fall von Stride und der Beobachtung von Cox? Der verdächtige BS-Man schubste Stride von sich weg, als er Zeugen bemerkte. Und Detective Cox sah wie der Verdächtige, den er observierte, bei einem nächtlichen Ausflug eine Frau von sich wegstieß, als er bemerkte, dass er verfolgt wurde.

Coles befolgte den Rat ihrer Freundin allerdings nicht und unterbreitete dem Mann ein Angebot, worauf die beiden ohne Callagher in Richtung Minories gingen.
Kurz nach 2 Uhr passierten Carmen Friday und die Brüder Knapton die Eisenbahn-Unterführung Swallow Gardens, dort sahen sie eine Frau und einen Mann, die an der Ecke der Royal Mint Street standen. Gegen 2:15 Uhr hörte Police Constable Ernest Thompson auf seiner Runde sich entfernende Schritte und entdeckte unter der Eisenbahnbrücke die sterbende Coles mit durchschnittener Kehle.

Coles war auch eine Prostituierte, der die Kehle aufgeschlitzt wurde, allerdings wurde sie offenbar nicht zuvor gewürgt, sondern einfach zu Boden gerissen, das Messer soll ebenfalls ein anderes gewesen sein - der obduzierende Dr. Phillips hielt jedenfalls JTR nicht für den Täter.
Die Justiz klagte später Coles gewalttätigen Freund Thomas Sadler an, der jedoch freigesprochen wurde, weil er ein Alibi hatte.

Interessant ist allerdings, dass unter den Bewohnern des Eastend diesmal das Gerücht umgegangen sein soll, ein gewisser "Jacobs" (!) sei der Mörder gewesen (vgl. Timeline des Casebook).
Bemerkenswert ist, dass der Name "Jacobs", der die Runde machte, doch sehr nach "Jacob" klingt. Der Metzger Jacob Cohen war eben jener Verwandte von Aaron Kosminski, der Aaron in der Woche vor dem Coles-Mord wegen der Messer-Attacke auf seine Schwester ins Mile End Workhouse einlieferte. Könnte hier ein Verdacht an die Öffentlichkeit durchgesickert sein, der sich nach dem Stille-Post-Prinzip verselbständigt hat?

Was wäre nun, wenn Aaron nach seiner vorübergehenden Einlieferung ins Workhouse am 4. Februar in Wahrheit nicht direkt am 7. Februar weiter nach Colney Hatch verlegt worden ist - sondern vorerst wieder zeitweise auf freiem Fuß war?

Wenn er z.B. wieder entlassen worden wäre (wie schon 1890) oder kurzzeitig entkommen konnte - und dann in der Nacht vom 12. auf den 13. Februar Coles tötete?
Die Sache wäre sowohl für die Polizei als auch für das Workhouse extrem peinlich gewesen: Da hatte man den Verdächtigen schon unter Überwachung, und trotzdem schafft er es wieder zu morden. 
Kosminski wird aufgegriffen, nach Colney Hatch eingeliefert, und um den tödlichen Fehler zu vertuschen, wird das Überführungsdatum gefälscht.
Ende der Hypothese.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 22.10.2015 20:47 Uhr
Was wäre nun, wenn Aaron nach seiner vorübergehenden Einlieferung ins Workhouse am 4. Februar in Wahrheit nicht direkt am 7. Februar weiter nach Colney Hatch verlegt worden ist - sondern vorerst wieder zeitweise auf freiem Fuß war?

Wenn er z.B. wieder entlassen worden wäre (wie schon 1890) oder kurzzeitig entkommen konnte - und dann in der Nacht vom 12. auf den 13. Februar Coles tötete?

7. Februar 1889 in Colney Hatch:

On admission patient is extremely deluded and morose. As mentioned in the certificate he believes that all his actions are dominated by an 'instinct' This is probably mental hallucination. Answers questions fairly but is inclined to be reticent and morose. Health Fair. (F.Bryant)
 
10. Februar 1889 in Colney Hatch:

Is rather difficult to deal with on account of the dominant character of his delusions. Refused to be bathed the other day as his 'instinct' forbade him. (F.Bryant)

Sorry, ich war zu früh...

Hi Arthur!

Sieht nicht so aus, als wenn sie ihn noch einmal rausgelassen hätten...
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 22.10.2015 20:54 Uhr
Im Dezember 1889 stand Aaron Kozminski vor einer Anhörung, weil er einen Hund ohne Maulkorb führte. Er sagte aus, dass der Hund zu "Jacobs"gehöre... Die Story mit dem Slaughterhouse Butcher Jacobs, könnte zur Konstellation Aaron Kozminski/Jacob Cohen gehört und als Gerücht die Runde gemacht haben... Ich stimme da mit dir überein...
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 23.10.2015 00:24 Uhr
Hallo Lestrade,

ich muss mich offenbar erst noch etwas mehr mit Kosminski beschäftigen, denn du hast natürlich recht, wenn man die Angaben bei der Einlieferung durchliest, dann wird klar, dass Aaron schon ziemlich am Ende gewesen sein muss:
"Er läuft durch die Straßen und hebt Brotkrümel aus dem Rinnstein auf um diese zu essen. Er trinkt Wasser aus der Tränke und weigert sich Essen aus den Händen von Leuten anzunehmen. Er hob ein Messer auf und bedrohte damit seine Schwester sie umzubringen. Er ist sehr dreckig und weigert sich, sich zu waschen."

In so einem Zustand wäre er extrem aufgefallen und hätte sicher keine Prostituierte mit an ein stilles Örtchen bekommen, mal ganz davon abgesehen, dass er wohl auch kaum noch in der Lage gewesen wäre, erfolgreich eine Mordaktion durchzuziehen.

Schön - vergessen wir die Hypothese. Wäre aber ein schöner Ansatz für eine behördliche Vertuschung gewesen... Aluhut aufsetz... verschwörungstheoretisier... 
:wacko1:

MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 23.10.2015 12:14 Uhr
Wäre aber ein schöner Ansatz für eine behördliche Vertuschung gewesen... Aluhut aufsetz... verschwörungstheoretisier...

Vielleicht gab es davon einen Hauch, denn immerhin ist es möglich, dass ein paar Beamte gewusst haben könnten wer der Ripper wirklich war... und lange Zeit, mehr oder weniger, ihre Münder verschlossen hielten... aus welchen Gründen auch immer...
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 23.10.2015 16:39 Uhr
Arthur, vielleicht interessant für dich!

Ich rate ja immer dazu, Kosminski mit Richard Trenton Chase zu vergleichen (Spar die aber die Tatortbilder, die sind immer Kellymäßig…), um sich so ein besseres Bild von der Psyche Jack the Rippers zu machen.

Zunächst ist das erst einmal eine Krankheit, ein schweres Schicksal mit dem es umzugehen gilt und das hat nichts mit Kriminalität zu tun. Hier einmal ein treffendes Beispiel:

http://www.vice.com/de/read/so-fuehlt-sich-akute-schizophrenie-an-227/?utm_source=vicefb

Entwickelt jemand damit jedoch Gewalt- und Tötungsfantasien dazu, werden die Taten ähnlich sein wie beim Ripper und Chase.

Richard Trenton Chase:

https://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Trenton_Chase

„Das ganze Syndikat scheffelte Geld, indem es meiner Mutter den Auftrag gab, mich zu vergiften. Ich kenne sie alle, und sie landen bestimmt noch vor Gericht – ich muß nur noch alles auf eine Reihe kriegen.“

Während er älter wurde, entwickelte er eine Hypochondrie, die sich darin äußerte, dass er behauptete, sein Herz würde zeitweise aufhören zu schlagen, oder dass jemand seine Lungenarterie gestohlen hätte. Weiterhin fiel er dadurch auf, dass er Orangen an seinen Kopf hielt, in dem Glauben, das Vitamin C würde direkt durch sein Gehirn absorbiert.

Später wurde festgestellt, dass Chase eine Abneigung gegen konventionellen Geschlechtsverkehr hatte und nur durch Gewalt und Nekrophilie erregt werden und zum Orgasmus kommen konnte

1976 wurde Chase in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen, nachdem er sich Kaninchenblut injiziert hatte und daraufhin an einer Blutvergiftung erkrankt war.[3] Dort redete er häufig mit dem Personal über seine Fantasien, Tiere zu töten. Einmal wurde er vom Klinikpersonal mit blutverschmiertem Mund aufgegriffen, nachdem er Vögel getötet und deren Blut getrunken hatte.

Am 21. Januar 1978 tötete er die im dritten Monat schwangere Teresa Wallin in ihrem Haus mit drei Schüssen. Danach verging er sich an der Leiche, verstümmelte sie und badete in ihrem Blut.

Am 27. Januar betrat Chase das Haus der 28-jährigen Evelyn Miroth... Wie bereits bei Teresa Wallin übte er an Miroths Leiche nekrophile Handlungen und Kannibalismus aus.

Chase kehrte nach der Tat in sein Haus zurück, wo er das Blut des getöteten Kleinkindes trank und Teile der inneren Organe verzehrte

„Jeder hat doch eine Seifenschale. Wenn man die Seife hochhebt und die Unterseite trocken ist, dann ist alles gut. Ist aber alles glitschig, dann heißt das, dass man eine Seifenschalenvergiftung hat.“

Auf die Frage, nach welchen Kriterien er seine Opfer gewählt hatte, antwortete er, dass Stimmen ihn dazu aufgefordert hätten, zu töten. Dann sei er durch die Straßen gelaufen und hätte an Türen gerüttelt, bis er eine gefunden hätte, die sich öffnen ließe. Auf Resslers Frage hin, warum er nicht eingebrochen sei, antwortete er, dass eine verschlossene Tür doch bedeute, dass man nicht willkommen sei

(Denk mal an den Millers Court)

Aaron Kozminski:

His belief that he was “ill, and his cure consists in refusing food,” and his belief that he was “under protection of of the Russian Consulate”… He also claimed that “he knows the movements of all mankind” and noted the presence of what he called “instinct” usw. (Rob House)

Karsten.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 25.10.2015 15:51 Uhr
Hallo Lestrade,

moderne Kenntnisse über die Psychopathologie von Serienkillern können durchaus eine Hilfe sein, ein Profil von JTR zu erstellen. Das habe ich ja auch für die Metzger-Hypothese genutzt.

Aber man muss mit vermeintlichen Parallelen natürlich auch aufpassen, denn die Psyche und ihre Entwicklung ist eine komplexe Angelegenheit. Während einige Serienkiller wie Richard Trenton Chase offenbar psychiatrisch gesehen eine Wahnerkrankung (Psychose) aufweisen, haben viele andere "lediglich" eine schwere antisoziale Persönlichkeitsstörung, sind also das, was man unter dem veralteten Begriff als "Psychopathen" bezeichnet. Ted Bundy z.B. war ein Psychopath, er war absolut klar im Kopf und hatte keine Wahnvorstellungen. Er war nur ein absolut empathieloser, rücksichtsloser Egoist, der seine sadistischen Neigungen auslebte - und im Gegensatz zu Psychopathen sind die meisten psychotischen Menschen eine größere Gefahr für sich selbst als für ihre Umwelt.
Angesichts der Verstümmelungen und dem plötzlichen Ende der Serie sowie der Aussagen der Polizei zur Einweisung gehe ich inzwischen zwar auch davon aus, dass JTR eher der psychotischen als der psychopathischen Sorte von Serienkillern zuzurechnen ist, jedoch wissen wir leider immer noch zuwenig über die Motive von JTR, da wir ja nur Verdächtige haben.

Was mir im Profil Kosminskis bisher noch fehlt, sind erstens frühere Anzeichen beginnender Delinquenz und zweitens der finale Stressauslöser, der die Initialzündung für die Morde gab.


Ich hätte da übrigens noch eine Frage:
Gibt es eigentlich Verbindungen von Kosminski und seiner Familie zu Zeugen, so wie im Falle Jacob Levy zu Joseph Hyam Levy?


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 25.10.2015 21:13 Uhr
Hallo Arthur,

Das Stichwort sollte Komorbidität sein. Letzten Monat haben wir im JTRForums über Jack the Ripper´s Psyche diskutiert und dabei habe ich diesen Begriff eingeworfen. Auch ein Psychopath kann an einer Shizophrenie leiden und Jack the Ripper hätte ein Psychopath sein können, der an einer (paranoiden) Schizophrenie litt. Ted Bundy, ohne diese Zweiterkrankung im Hintergrund, ging organisierter vor. Das ist ja auch das wichtige an der Sache, dass wir an der Vorgehensweise eines Täters erkennen können, was ist da noch im Hintergrund liegt. Das ist wichtig bei der Tätersuche. Im Falle Jack the Ripper musst Du nicht nach einem "Ted Bundy" suchen. Du musst nach jemanden suchen, der sich Orangen an den Kopf hält oder dir was von Seifenschalen erzählt, nach einem, der denkt, er wird vom Russischen Konsulat beschützt, jemand der denkt, wenn er nicht isst, dass er dann gesund wird, nach jemanden der denkt, alle Bewegungen der Menschheit zu kennen. Solche Täter erscheinen uns unorganisierter. Bedenke aber, dass sie in ihrer Welt das eigene Vorgehen als gut durchdacht betrachten, so gut durchdacht, wie ihre Wahnvorstellungen über Seifenschalen sind. Vergessen dürfen wir dabei nicht, dass sie durchaus funktionieren können, leistungsfähig sind, gerade auch dann, wenn sie keinen akuten Schub haben. Der Mann von Detective Cox fällt in diese Kategorie. Er hatte seinen "eigenen" Shop aber während der Nacht besuchte er andere Shops und das passt wiederum zu Macnaghtens Aussage, dass Kosminski an mehreren Orten im East End, nach Einbruch der Dunkelheit, in verschiedenen Shops, zu finden war. Wenn solch eine Person kaum noch schläft, Schizophrenie bringt das mit sich, dann bricht er irgendwann zusammen. Im Falle Kosminskis könnte das dann um den März 1889 wieder einmal der Fall gewesen sein.   

Delinquenz/ finale Stressauslöser... ist eine gute Frage... da gab es sicherlich frühere Anzeichen von destruktiven Verhalten bei Kosminski, falls er der Ripper gewesen war... und zum finalen Stressauslöser... ganz schwierig... ich vermute, dass er einige Zeit vor der Mordserie darauf bestand, mehr Zeit für sich alleine zu haben... einen Ort, wo er in Ruhe seinen Fantasien nachgehen konnte... soweit wie ich das beurteilen kann, und das ist nur meine Meinung, hätte ihn seine Familie darin unterstützt... Isaac, als Bruder, war ein erfolgreicher Schneider, sein Schwager Morris ein Bootlaster und der andere Bruder, Woolf, versuchte sich wenigstens einmal als selbstständiger Geschäftsmann und Jacob Cohen war ein erfolgreicher Butcher in Manchester. Genug Raum für einen eigenen Shop, der von der Familie "gesponsert" wurde. Und sicherlich auch von der Familie kontrolliert wurde... Mit dieser Freiheit im Rücken, ist dies vielleicht gar kein Stress, denn er wurde ja nicht mehr (oder bedeutend weniger) "kontrolliert"... aber vielleicht war es eben eine gewisse Maßregelung, die ihn bis dahin in Schach hielt und nun aber die körperlichen Symptome überhand nehmen konnten... Woolf zog zurück in die Berner Street/ Providence Street und er war der Bruder, bei dem Aaron mutmaßlich am meisten lebte... der Dutfields Yard könnte der "Trigger" gewesen sein... Als der Mord dort geschah, gab es den ersten Hinweis, dass ein Familienmitglied einen Angehörigen beschuldigte (deshalb, zu diesem Zeitpunkt, schließe ich die Druitt Familie aus) und das könnte Aaron´s Schwester Matilda gewesen sein. Vielleicht hatte Sie im Laufe der Jahre bemerkt, dass Aaron zerstörerische Phantasien hegte, z.B. auf Zeichnungen in denen verstümmelte Frauenleichen im Dutfields Yard lagen... und nach diesem Mord, zog auch Woolf da wieder weg...

Joseph Hyam Levy unterstützte einen Martin Kozminski bei dessen Einbürgerung in 1877. Martin stammte aus der Region Kalisch in Polen woher auch Aaron´s Familie stammte. Keine Ahnung ob da eine Verbindung bestand, sicherlich dann weniger familiär. Ich halte es aber für möglich, dass es bei einem Vorfall am 22. November 1888, bei der eine Matilda eine Rolle gespielt haben könnte, etwas von ihr bezeugt worden sein könnte. Ich weiß es aber natürlich nicht.

Ich meine, Jack the Ripper, ob nun als Kosminski oder nicht, lief doch all die Zeit im Kreise durch ein relativ kleines Gebiet. Mein Heimatort hatte früher 6000 Einwohner. Wenn ich eine Stunde lang durch die Stadt ging, hätten bestimmt 30-40 Leute, so wie man sich kannte, das im Nachhinein bestätigen können. 10-20% davon waren auch irgendwie Verwandte. Jack the Ripper war sicherlich ein bekanntes und vertrautes Gesicht in der Gegend.

Bis dann.   
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 26.10.2015 15:56 Uhr
Hallo Lestrade,

mir ist durchaus klar, dass Menschen verschiedene psychische Probleme gleichzeitig haben können, z.B. eine Persönlichkeitsstörung und eine sich herausbildende Wahnerkrankung.
Aber zu versuchen aus dem bisschen, was wir wissen, eine Ferndiagnose zu erstellen und Parallelen zu ziehen, ist m.E. angesichts der Komplexität des Geistes und seiner Pathologien ein Unterfangen, dass auf wackeligen Beinen steht - und dessen sollten wir uns immer klar sein.

Wir müssen m.E. vor allem aufpassen, drei Dinge auseinanderzuhalten:
1. Das rudimentäre Profil des noch unidentifizierten JTR, das sich aus den Informationen über seine Taten ergibt.
2. Das rudimentäre Profil des jeweiligen Verdächtigen, das sich aus den Informationen zur Person ergibt.
3. Dass die Profile gefasster Serienmörder, die wir zum Vergleich heranziehen, auch immer individuelle Ausprägungen von Psychopathologie aufweisen.

Der Vergleich beider rudimentären Profile miteinander und mit anderen Serienmördern kann einen Tatverdacht dann plausibler oder unwahrscheinlicher machen.

Betrachten wir die biographischen Daten zu den Verdächtigen Kosminski oder Levy, so können wir im Vergleich mit bekannten Serienmördern z.B. zwar vermuten, dass wg. ihrer psychiatrischen Geschichte (z.b. befehlende Stimmen) wohl auch eine psychotische Komponente vorlag, falls einer der beiden der Ripper war.

Aber zeigen sich auch bei den Infos über JTR Hinweise darauf?
Was wir wohl ausschließen können: Er war wahrscheinlich kein Sexualsadist wie der Psychopath Ted Bundy, der ja seine Opfer quälte und vergewaltigte, bevor er sie tötete (oft sogar sadistisch brutal erschlug). Bundy ging es um die Macht über seine Opfer, ihre Angst und Qual.
JTR tötete im Gegensatz zu Bundy schnell und effizient und nahm die Verstümmelungen post mortem vor - er war also psychiatrisch gesehen, so erschreckend die Ausweidungen waren, kein sadistischer Mörder. Die Ausweidungen lassen eher entweder auf eine nekrophile Störung schließen oder einfach nur auf extremen Hass auf Prostituierte, denen er z.B. die Schuld an einer Geschlechtskrankheit gab - jedoch nicht zwangsläufig auch auf eine Wahnerkrankung. Er könnte auch einfach ein nekrophiler Psychopath oder Rachemörder mit hohem Aggressionspotential gewesen sein.

Das heißt, wir können aus den uns vorliegenden Infos zwar schließen, dass z.B. Kosminski und Levy wahnhaft waren - aber nicht, ob JTR wahnhaft war.
Es wäre nur dann eine korrekte Schlussfolgerung, wenn es bei den Taten von JTR selbst deutliche Hinweise auf wahnhafte Aspekte gäbe (was m.E. bisher nicht der Fall ist) - oder wenn die Polizei und wir tatsächlich den Richtigen verdächtigt und ihn als Täter überführt hätten. 
Bis dahin gibt es aber auf der einen Seite das Profil von JTR und auf der anderen Seite die einzelnen Profile der Verdächtigen.


Zum Punkt mit der möglichen Verbindung zu Zeugen: Das Eastend war für damalige Zeiten schon eine eigene Stadt, was die Zahl seiner Bewohner und auch die Fluktuation angeht. Insofern war es dort nicht wie "aufm Dorf" - und eine Verbindung zu einem Zeugen wäre ein interessantes Indiz.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 26.10.2015 17:03 Uhr
Aber zeigen sich auch bei den Infos über JTR Hinweise darauf?
Was wir wohl ausschließen können: Er war wahrscheinlich kein Sexualsadist wie der Psychopath Ted Bundy, der ja seine Opfer quälte und vergewaltigte, bevor er sie tötete (oft sogar sadistisch brutal erschlug). Bundy ging es um die Macht über seine Opfer, ihre Angst und Qual.
JTR tötete im Gegensatz zu Bundy schnell und effizient und nahm die Verstümmelungen post mortem vor - er war also psychiatrisch gesehen, so erschreckend die Ausweidungen waren, kein sadistischer Mörder. Die Ausweidungen lassen eher entweder auf eine nekrophile Störung schließen oder einfach nur auf extremen Hass auf Prostituierte, denen er z.B. die Schuld an einer Geschlechtskrankheit gab - jedoch nicht zwangsläufig auch auf eine Wahnerkrankung. Er könnte auch einfach ein nekrophiler Psychopath oder Rachemörder mit hohem Aggressionspotential gewesen sein.

Das heißt, wir können aus den uns vorliegenden Infos zwar schließen, dass z.B. Kosminski und Levy wahnhaft waren - aber nicht, ob JTR wahnhaft war.
Es wäre nur dann eine korrekte Schlussfolgerung, wenn es bei den Taten von JTR selbst deutliche Hinweise auf wahnhafte Aspekte gäbe (was m.E. bisher nicht der Fall ist) - oder wenn die Polizei und wir tatsächlich den Richtigen verdächtigt und ihn als Täter überführt hätten. 
Bis dahin gibt es aber auf der einen Seite das Profil von JTR und auf der anderen Seite die einzelnen Profile der Verdächtigen.

Hi Arthur,

Roy Hazelwood:

As I mentioned earlier, John Douglas and I felt that Jack the Ripper was a paranoid schizophrenic...

Falls Du es noch nicht hast:

Jack the Ripper And The Case For Scotland Yards Prime Suspect- Robert House. Da findest Du ganz viel zum psychologischen Profil wie auch in anderer Literatur. 

Wir sollten davon ausgehen, dass Jack the Ripper wahnhaft gewesen war. Welche wahnhaften Aspekte würdest Du denn in Betracht ziehen? Die Taten in ihrer Gesamtheit wirken doch schon recht bizarr, dieser Begriff alleine sollte einen schon achtsam werden lassen. Der Tatort Millers Court sollte ein gutes Beispiel dafür sein. Dazu kommt sicherlich ein erkennbarer Größenwahn, schon allein durch das Risiko der "offenen Straße". Und mit Sicherheit war er ein Sadist. Seine Fantasie war voller Sadismus. Es ist richtig zu sagen, er quälte sein Opfer nicht auf sadistische Weise als sie noch am Leben waren aber er tat dies danach. Auch die Mitnahme von Organen und der Umgang mit ihnen danach kann sadistische Züge getragen haben und werden es sicherlich auch. Er war ein Lustmörder und sexuell motivierter Killer und seine Lust bestand aus Verstümmelungs- und Ausweidungsfantasien und wahrscheinlich aus Kannibalismus. 

Aber ich verstehe dich Arthur, das ist ein immens komplexes Thema aber ich habe da bereits meine Meinung gefunden und akzeptiere natürlich deine. Von meiner Seite kann ich dir nur sagen, dass ich mich intensiv damit beschäftigt habe und letztendlich zu dem gleichen Schluss komme, den viele Experten vertreten, nämlich das Jack the Ripper eine schwere Geisteskrankheit im Hintergrund hatte. Deshalb entschieden sich 1988 Douglas, Hazelwood, Ressler und Co. für "Kosminski". Hazelwood fand die Arbeit und die Informationen von Robert House später dann als bestätigend. Douglas schwenkte kurze Zeit danach (1888) auf David Cohen (Martin Fido´s Fund) um, was natürlich nicht automatisch bedeutete, dass "Kosminski" raus war, denn Aaron Kozminski musste nicht zwangsläufig "Kosminski" gewesen sein, um das dann wieder zu relativieren. Das öffentliche Jack the Ripper Profil dieser Profiler enthielt nicht den Hinweis; "paranoid Schizophren", weil dies auch in der wirklichen Praxis so nicht üblich war. Der mit diesem Profil arbeitende Beamte sollte nicht durch diese Anmerkung irritiert werden, weil es denn Blick auf Verdächtige unscharf machen würde. So habe ich das in Erinnerung. Dazu passen ja auch einige Anmerkungen (“Komplexität“) deines letzten Postings.

Beste Grüße,

Lestrade. 
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 26.10.2015 19:14 Uhr
Hallo Lestrade!


Welche klaren Hinweise für einen Wahn gab es denn konkret bei den Taten von JTR selbst? Ich habe bisher keine gefunden.
Ich kann wahnhafte Symptome bisher nur bei den von uns beiden präferierten Verdächtigen Kosminski oder Levy finden, weil diese in den Anstaltsunterlagen festgehalten wurden - aber bei den Taten von JTR selbst nicht unbedingt.

Nur weil eine Handlung als "wahnsinnig" erscheint, heißt das ja nicht, dass der Täter auch an einer Wahnerkrankung leidet. Das Ausweiden selbst ist nicht unbedingt ein Hinweis auf einen Wahn, auch nicht die Mitnahme von Trophäen.
Ob jemand nun eine Psychose hat, eine schwere antisoziale Persönlichkeitsstörung, eine Paraphilie (pathologisches Sexualverhalten) oder irgendeine Kombination davon - jedes davon könnte m.E. angesichts der wenigen Fakten, die uns vorliegen, Ursache der Taten gewesen sein.
Wahn ist psychiatrisch gesehen eine Denk- und Wahrnehmungsstörung, an der der Betroffene trotz offensichtlicher Unvereinbarkeit mit der nachprüfbaren Realität unbeirrt festhält.

Ein Nekrophiler z.B. hat eine schwerwiegende Störung seiner Sexualpräferenz, so wie ein Zoophiler oder Pädophiler - aber damit noch keine Wahnerkrankung. Den meisten von Paraphilien Betroffenen ist durchaus klar, dass ihre Sexualpräferenz irgendwie nicht "normal" in der Welt ist und sie haben auch sonst keine Wahnvorstellungen - es sei denn, es liegt eine Komorbidität vor.

Auch ob jemand sadistisch veranlagt ist, wird psychiatrisch etwas anders definiert als umgangssprachlich.
Ein Mensch mit antisozialer Persönlichkeitsstörung kann zum Beispiel äußerst brutal seinen Willen durchsetzen - aber er muss dennoch nicht sadistisch sein. Man nennt das "kalte Aggression", wenn die Brutalität lediglich der Durchsetzung eigener Interessen dient, ohne dass der Psychopath dabei an der Brutalität selbst Befriedigung empfindet. Die für uns "Normalos" erschreckende und sadistisch erscheinende Brutalität ist dabei für den Täter nur notwendiges Mittel zum Zweck, sein eigentliches Ziel zu erreichen. Sadismus setzt psychiatrisch gesehen dagegen voraus, dass die brutale Handlung und die Qual des Opfers dabei selbst das Ziel sind und die Befriedigung bringen, also Selbstzweck sind.
Dieser Definition zufolge war JTR psychiatrisch betrachtet nicht sadistisch, da nicht die Befriedigung am Quälen im Vordergrund stand, sondern er überraschend und schnell tötete und erst post mortem sein eigentliches Ziel, das Ausweiden, vornahm. Ob er möglicherweise eine sadistische Freude am Entsetzen beim Auffinden der Opfer hatte, können wir nur mutmaßen. Vielleicht war es ihm auch völlig egal, nachdem er mit ihnen fertig war - er konnte sie ja nicht einfach wegbeamen.

Was ich damit sagen will:
JTR könnte das Ermorden und Ausweiden von Frauen entweder aufgrund einer Wahnerkrankung begangen haben (z.B. weil Stimmen in seinem Kopf es ihm befohlen haben) - er könnte es aber z.B. auch ohne Wahnsymptome als ein nekrophiler Psychopath begangen haben, wobei die Vergewaltigung der Leiche vermutlich aufgrund einer sexuellen Funktionsstörung durch das Messer ersetzt wurde (ich glaube, das nennt man Picarismus). Und Merkmale von Sadismus im psychiatrischen Sinne sehe ich bisher nicht.

Daher meine Frage: Welche klaren Hinweise für einen Wahn gab es denn konkret bei den Taten?


Zwar tendiere ich wie bereits erwähnt durchaus dazu, dass es sich bei JTR wohl eher um einen psychotischen als einen psychopathischen Mörder gehandelt hat, aber letztendlich kann ich eine Alternative nicht mit guten Gründen und guten Gewissens ausschließen.

Ich denke, ich werde mir in jedem Fall mal dieses neuere Profil, von dem du geschrieben hast, ansehen. Bisher kannte ich nur das alte Profil aus William Eckerts "Ripper-Projekt" von 1988.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 26.10.2015 20:25 Uhr
Hey Arthur,

Vielleicht könntest Du vorher noch meine Frage beantworten, es war ja deine Idee mit der Wahnerkrankung und deren Sichtbarkeit bei den Taten:

Welche wahnhaften Aspekte würdest Du denn in Betracht ziehen?

Ich formuliere das einmal anders! Was sehe ich an einem Tatort, wenn Wahn eine Rolle spielt? Was erkennst Du bei den Tatorten von Chase an Wahn? Wo können wir da keinen Vergleich mit JtR suchen? Ich meine also rein die Tatorte ohne die weiteren Ermittlungen. Wie muss man Wahn erkennen? Oder ist es nicht besser, aufgrund der eher unorganisierten Art, einen Täter mit Wahnvorstellungen zu erwarten?

Mit dem Sadismus muss Du dich dann mit den Fachleuten auseinandersetzen. Wie ich bereits schrieb, ich habe darüber eine relativ feste Meinung, was das psychologische Profil des Rippers angeht. Ich halte ihn für einen Menschen mit einem Anteil an Sadismus, Du schließt das vielleicht eher aus. Das ist doch vollkommen in Ordnung.

In relativ kurzer Zeit eine bestimmte Anzahl von Frauen zu töten, dazu zwei in einer Nacht, deutet schon auf einen gewissen Wahn hin. Aber das sehen wir auch bei Ted Bundy, der in einer Nacht zwei Frauen tötete, eine dritte Frau überlebte in jener Nacht. Bundy wurde ja zum Ende hin auch immer unvorsichtiger. Er hatte aber offenbar keine Wahnerkrankung. Im Falle des Rippers fällt ein besonders hohes Risiko auf, kurze Intervalle, Organmitnahme und ein Tatort, wo Fleisch auf Stühlen und an Nägeln hing, wo der Täter ein Gesicht nachbaute...

Robert Ressler:

'It also seemed clear to me that the Ripper had been a "disorganized" killer'...'who was mentally deranged and becoming more so with each victim.'...'The escalation of violence, the dismemberment, and the general disorder of the crime scenes were evidence of this.'...'Sexual satisfaction for Jack the Ripper, derived from seeing the victim's blood spill.'...'there were even more overt signs that the crimes were sexual, since he cut out the uterus's of many of his victims, after opening the body cavity at the genitals with his knife.'...'With his last victim, Jack the Ripper not only removed the uterus, but cut off the victim's ears and nose and placed these on a severed breast in a mockery of a face.'...'If the killer was deranged and becoming progressively more so, it is likely that he might well have gone off the deep end entirely'...'so crazed that he could no longer even commit crimes, and have landed either in  a suicide's grave or in an institution for the insane.'...'Suicide or confinement until death would explain why he was never apprehended

Douglas und Hazelwood waren aber gegen einen möglichen Suizid. Da gehen Meinungen halt auch auseinander. Von Aaron Kozminski wissen wir, dass er sich nicht lange nach den Morden immer weiter aus dieser Welt verabschiedete und nie wieder zurückkehrte.

Lestrade.


Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 27.10.2015 12:20 Uhr
Hallo Lestrade,

ich verstehe deine Frage nicht: Inwiefern soll es meine Idee mit der Wahnerkrankung gewesen sein? Davon ist doch schon bei der zeitgenössischen Polizei die Rede gewesen, dies wird von vielen Ripperologen angenommen und du selbst gehst doch auch davon aus, dass JTR wahnhaft war.

Ich hingegen habe hier mal ketzerisch die Frage in den Raum geworfen, was denn nun an seinen Taten selbst für diese These spricht. Denn wenn man nur die Taten des bisher unbekannten JTR selbst betrachtet, und nicht zugleich auch unsere üblichen Verdächtigen, die eine psychiatrische Biographie haben, dann wird aus einer plausiblen Annahme m.E. nur noch eine Möglichkeit unter anderen.
Ein Beispiel dazu habe ich genannt: Ein nekrophiler Psychopath.

Wenn wir einfach sagen: Die Taten waren so bizarr und er war ein unorganisierter Täter, JTR muss daher wahnhaft gewesen sein, ist das m.E. ein eher schwaches Argument.
Ob ein Täter organisiert oder unorganisiert ist, kann schlicht und einfach von seinem Charakter und seiner Intelligenz abhängen. Und warum ein Täter bizarre Taten begeht, kann auch unterschiedliche Gründe haben.

Ein Beispiel:
In einem afrikanischen Bürgerkrieg (ich glaube, es war während des Völkermordes in Ruanda) haben Kämpfer an manchen Kontrollpunkten symbolische Straßensperren aus über den Weg gespannten menschlichen Därmen ihrer Opfer hingehängt. Das ist nicht nur bizarr, sondern von zutiefst verstörender Grausamkeit. Dennoch war der Grund dafür keine Wahnerkrankung der Mörder, sondern eiskaltes Kalkül, um gezielt Angst und Schrecken zu verbreiten, vermutlich noch vermischt mit sadistischer Freude.

Ein anderes Beispiel:
Darüber, ob Ed Gein bei seinen Taten zurechnungsfähig war oder die Taten aus einem Wahn heraus beging, gab es nach seiner Ergreifung keine Einigkeit. Zuerst kam er in die Psychiatrie, dann wurde er doch für zurechnungsfähig erklärt und ihm wurde der Prozess gemacht, später kam er wieder zurück in die Psychiatrie.
Ed Gein hatte durch seine erzreligiöse, ihn isolierende Mutter eine schwere Persönlichkeitsstörung und eine schwere Störung der sexuellen Entwicklung hin zur Nekrophilie, so dass er schließlich nach dem Tod seiner Mutter Leichen ausgrub und unaussprechliche Dinge mit den Leichenteilen anstellte, und als ihm die nicht mehr reichten, begann er selber zu töten, damit er frische Leichen hatte. Aber ob er wahnhaft handelte oder doch zurechnungsfähig war, wurde trotzdem gestritten, obwohl man ihn hatte.

Zurück zu JTR und deiner Frage:
Den Regeln der Logik zufolge muss doch derjenige, der in JTRs Morden Hinweise auf eine Wahnerkrankung sieht, aus den Taten überzeugende Argumente für eine solche Schlussfolgerung aufführen - und es es nicht die Aufgabe desjenigen, der anführt, dass es auch alternative Erklärungen geben könnte.
   
Wie bereits mehrfach erwähnt: Auch ich persönlich tendiere bei JTR eher zum wahnhaft getriebenen Mörder, es ist bei mir aber mehr ein Bauchgefühl als mit handfesten Argumenten aus den Taten bedingt - und natürlich aus der Kenntnis der Äußerungen der Polizei, dass ihr Hauptverdächtiger schließlich von seinen Angehörigen ins Irrenhaus eingeliefert wurde.
Ich will lediglich alternative Erklärungen nicht ausschließen, da wir nicht wissen, wer JTR tatsächlich war.

Was sind denn die handfesten Argumente der Profiler bzw. deine für eine Wahnerkrankung bei JTR?


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 27.10.2015 14:03 Uhr
Hallo Lestrade!

Für unsere Diskussion dürfte der Fall Jeffrey Dahmer ein passendes Beispiel sein:
"Die wohl gefährlichste Form von Nekrophilie ist die Vorliebe für frische Leichen. Dies ergibt sich daraus, dass es hierbei im wahrsten Sinne des Wortes zu Beschaffungskriminalität kommt, sprich zu Morden an anderen, um an eine frische Leiche zu gelangen. Einer der berüchtigtsten nekrophilen Mörder des 20. Jahrhunderts, Jeffrey Dahmer, beschrieb mehrfach eine massive sexuelle Erregung durch die Wärme der Eingeweide seiner Opfer."
https://de.wikipedia.org/wiki/Paraphilie

MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 27.10.2015 14:36 Uhr
Hi Arthur,

Ich griff nur deine Ausführungen auf. Sorry, falls das nicht deutlich wurde. Vielleicht habe ich einfach etwas falsch verstanden.

Das heißt, wir können aus den uns vorliegenden Infos zwar schließen, dass z.B. Kosminski und Levy wahnhaft waren - aber nicht, ob JTR wahnhaft war.
Es wäre nur dann eine korrekte Schlussfolgerung, wenn es bei den Taten von JTR selbst deutliche Hinweise auf wahnhafte Aspekte gäbe (was m.E. bisher nicht der Fall ist) - oder wenn die Polizei und wir tatsächlich den Richtigen verdächtigt und ihn als Täter überführt hätten. 
Bis dahin gibt es aber auf der einen Seite das Profil von JTR und auf der anderen Seite die einzelnen Profile der Verdächtigen.

Noch einmal konkreter meine Frage:

Im Falle von JTR, wenn er eine Wahnerkrankung hatte, wie wäre sie sichtbar geworden, deiner Meinung nach? Im andere Falle, Richard Chase, der nachweislich Geisteskrank war, welche wahnhaften Aspekte erkennst Du? Für die Profiler ist in vielen Fällen klar, in diesen Beispielen war ein geisteskranker Täter am Werk. Was sehen sie, um zu dieser Einschätzung zu kommen, was du nicht erkennen kannst? "Verhalten spiegelt Persönlichkeit" und aus dem Verhalten von diesen Tätern schlossen die Ermittler ihre Rückschlüsse.

Unterscheidung der Tätermerkmale beim organisierten und desorganisierten Tätertypus (Holmes & Holmes 1996, Hoffmann 2002):

Organisierter Täter
- sozial integriert und kompetent
- häufig berufstätig
- wenn isoliert lebend, dann bewusst & gewollt
- gut strukturierter Alltag
- beziehungserfahren
- lebt häufig in fester Beziehung

Desorganisierter Täter
- Verfügt kaum über soziale Fähigkeiten
- in der Regeln nicht berufstätig
- unbewusst und ungewollt isoliert lebend
- im Alltag unstrukturiert, chaotisch
- beziehungsunerfahren
- lebt allein oder bei den Eltern 

(sicherlich gibt es Mischformen)

Woran erkannten die Profiler nun, ob es sich bei JTR und bei Chase um einen desorganisierten Täter handelte?

Warum ordnen sie JTR und Chase Geisteskrankheiten zu?

Warum sind diese Profile recht zuverlässig?
 
Ein Beispiel:
In einem afrikanischen Bürgerkrieg (ich glaube, es war während des Völkermordes in Ruanda) haben Kämpfer an manchen Kontrollpunkten symbolische Straßensperren aus über den Weg gespannten menschlichen Därmen ihrer Opfer hingehängt. Das ist nicht nur bizarr, sondern von zutiefst verstörender Grausamkeit. Dennoch war der Grund dafür keine Wahnerkrankung der Mörder, sondern eiskaltes Kalkül, um gezielt Angst und Schrecken zu verbreiten, vermutlich noch vermischt mit sadistischer Freude.

Ein anderes Beispiel:
Darüber, ob Ed Gein bei seinen Taten zurechnungsfähig war oder die Taten aus einem Wahn heraus beging, gab es nach seiner Ergreifung keine Einigkeit. Zuerst kam er in die Psychiatrie, dann wurde er doch für zurechnungsfähig erklärt und ihm wurde der Prozess gemacht, später kam er wieder zurück in die Psychiatrie.
Ed Gein hatte durch seine erzreligiöse, ihn isolierende Mutter eine schwere Persönlichkeitsstörung und eine schwere Störung der sexuellen Entwicklung hin zur Nekrophilie, so dass er schließlich nach dem Tod seiner Mutter Leichen ausgrub und unaussprechliche Dinge mit den Leichenteilen anstellte, und als ihm die nicht mehr reichten, begann er selber zu töten, damit er frische Leichen hatte. Aber ob er wahnhaft handelte oder doch zurechnungsfähig war, wurde trotzdem gestritten, obwohl man ihn hatte.

Auch ich persönlich tendiere bei JTR eher zum wahnhaft getriebenen Mörder, es ist bei mir aber mehr ein Bauchgefühl als mit handfesten Argumenten aus den Taten bedingt

Ich weiß nicht, ob die Kämpfer in Ruanda unter Serienkiller laufen, die wir hier besprechen, da bin ich gerade überfragt. Bin mir auch nicht sicher, ob diese Menschen ohne Krieg zu Mördern geworden wären und ich weiß nicht, ob einige von ihnen nicht doch Geisteskrank waren. Wenn diese Menschen aus Rache töten, weil man ihre Lieben derart massakriert hatte, gelten vielleicht andere Gesetze. Da bin ich aber überfragt, müsste ich mich (auch erneut) hineinlesen.

Ed Gein war nicht geisteskrank?

Das ist es ja, dein Bauchgefühl und deine Ausführungen konnte ich nicht wirklich gut einschätzen, muss ich zugeben. Durch mein Nachfragen wollte ich wissen, wo Du gerade stehst, um mich besser hineinversetzen zu können. Vielleicht gehst Du deinem Bauchgefühl noch einmal nach. Also wäre es wirklich sehr höflich von dir, meine Fragen an dich zu beantworten und verzeihe bitte, falls ich da bisher nicht ganz folgen konnte, ich habe es wirklich versucht. Wir sind ja alles nur Menschen.

Ketzerisch Fragen in den Raum zu werfen ist doch vollkommen okay, tue ich ja auch gerade auf andere Weise. Profiler wie Ressler (weilt ja auch nicht mehr unter uns), Douglas, Hazelwood, Richards, Cancrini, Harbort und Canter sowie McCrary oder Müller, um einige zu nennen, sollten für uns Fachleute erster Klasse sein, auf deren Wissen und Erfahrung wir beruhigt bauen können. Das habe ich ja auch getan. Ich konnte selber nichts Neues hinzufügen wie auch, ich habe dazu nicht die Fähigkeiten. Meine, dass Canter neulich auf einer Konferenz von einem Psychopathen ausging aber das tun die anderen ja auch plus die Wahrscheinlichkeit, dass JTR eine Geisteskrankheit gehabt haben könnte.

Viele in ihrer Leidenschaft für JTR gehen gar von einem organisierten Verbrecher aus, halten ihn für einen genialen Verbrecher. Das kann ich nicht nachvollziehen, da ein Mensch von solcher Persönlichkeit kein so hohes Risiko eingegangen wäre, nicht solche einen kleinen Bereich gewählt hätte, er seine Opfer versteckt hätte und sich vielleicht auch andere Opfer gesucht hätte.

Der desorganisierter Täter spiegelt sein Inneres nach außen bei seinen Taten. So ein Mensch kann nicht organisiert vorgehen.

Hazelwood sagte (Prime Suspect, Rob House):

We thought that he fits the description of a disorganized-type serial killer because of the locations where he committed four of the five crimes. They were outdoors- they were on the streets or in a courtyard- a very high-risk crime. In other words, whoever this person was, was oblivious to take the risk. All the bodies were quickly discovered. So there´s not a lot of planning that went into these crimes.

I don´t see how anyone who knows anything at all about violent crime can say that was an organized crime. 

The disorganized offender also generally uses a "blitz style attack" and kills suddenly, often from behind, as the Ripper probably did. The study noted that a disorganized offender often "depersonalizes the victim. Specific area of the body may be targeted for extreme brutality. Overkill or excessive assault to the face is often an attempt to dehumanize the victim." In addition, with a disorganized killer, "Any sexually sadistic acts, often in the form of mutilation, are usually performed after death.


Laura Richards (Prime Suspect/ Rob House):

... the Ripper is "certainly no Einstein. We know that he´s a risk taker, he´s impulsive, irresponsible, but this is someone who hasn´t been detected, and you can say 80 percent of that´s probably due to chance and luck, and 20 percent may be down to his tactical planning around what he´s done. 

Ich denke, es ist eher der unorganisierte Tätertyp erkennbar und für Experten sicherlich klar zu erkennen.

Wo ist jedoch der Wahn einzuordnen?

FBI- Profil dazu -unorganisiert- (Pime Suspect/ Rob House):

"low intelligence or low birth-status in the family", who often has an instable work history and is unmarried, either living alone or with parental figures. He is "preoccupied with obsessional and/or primitive thoughts" and "may have developed a well-defined delusional system." He is fearful of people, is often sexually incompetent, and may have sexual aversions.

Ich denke, es gibt einen ganz klaren Zusammenhang zwischen unorganisiert und wahnhaft, dass ist offenbar ein Erfahrungswert.

Wir wissen ja, dass Aaron Kozminski das jüngste von sieben Kindern war. Bei seiner Einweisung in Colney Hatch soll er Jahre nicht gearbeitet haben. Zwischen einer Einweisung ca. März 1889 bis zum Februar 1891 sind das ja schon fast 2 Jahre. Er war nicht verheiratet und lebte wohl meist bei seinem Bruder Woolf und er litt unter Wahnvorstellungen.

Herzliche Grüße,

Lestrade.

P.S.: Jeffrey Dahmer behauptete, dass durch das Essen von Körperteilen, die Opfer in ihm wieder zum Leben erweckt werden würden. Meines Erachtens ist das schon eine recht wahnsinnige Vorstellung und wir wissen alle, dass dies nicht der Fall sein kann. Es mag Grenzfälle geben, erkennen die Experten aber wohl nicht im Falle von JTR, was nicht heißt, dass es vielleicht so ein Grenzfall war. Ich bleibe bei der allgemeinen Einschätzung der Leute, die es wissen sollten. 

Was ich auf jeden Fall glaube ist, dass Jack the Ripper seine schlimme Erkrankung recht gut verbergen konnte.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 27.10.2015 14:39 Uhr
Sorry Arthur, Doppel- Posting...
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 27.10.2015 18:38 Uhr
Hallo Lestrade!

Sorry, dass wir uns derzeit im Kreis zu drehen scheinen.
Es war eine echte und keine rhetorische Frage von mir, woran die Profiler es denn festmachen, wenn sie bei JTR eine Wahnerkrankung vermuten - denn ich weiß es ehrlich nicht.

Ich habe nur hobbymäßig ein bisschen was über Psychologie, Psychiatrie und die Psychopathologie von Schwerverbrechern gelesen, und dabei zu meiner Verblüffung feststellen müssen, wie relativ selten diese tatsächlich als geisteskrank und unzurechnungsfähig diagnostiziert werden. Bei den meisten schwer delinquenten Wiederholungstätern sollen demnach lediglich schwere Persönlichkeitsstörungen Richtung Psychopathie bzw. malignem Narzissmus festgestellt worden sein.
Demnach sollen die meisten keine wahnhafte Weltwahrnehmung haben, sondern "lediglich" schwere Defizite im Bereich Empathie und Impulskontrolle, was zur rücksichtslosen Durchsetzung ihrer pervertierten egozentrischen Bedürfnisse führt (z.B. der Auslebung ihrer Paraphilie).
Ich beziehe mich hierbei insbesondere auf die Untersuchungen von Dr. Robert D. Hare.


Vielleicht suchen wir erstmal die Punkte, in denen wir übereinstimmen, und kommen dann zum Knackpunkt:

Dass JTR ein desorganisierter Täter war, darüber sind wir uns schon einmal einig: Er streifte offenbar umher, bis er ein passendes Opfer und eine passende Gelegenheit fand, und beging seine Taten an unsicheren Plätzen mit hohem Entdeckungsrisiko.
Ein organisierter Täter hingegen würde z.B. versuchen, das Entdeckungsrisiko zu minimieren, seine Opfer und Tatorte möglichst gezielter aussuchen, um seine perversen Bedürfnisse möglichst optimal befriedigen zu können usw.

Dass nur bei einem desorganisierten Täter eine Wahnerkrankung plausibel ist, darin dürften wir auch übereinstimmen, denn die Krankheit würde ein organisiertes Leben und gut geplante Taten beeinträchtigen bis unmöglich machen. 

Weiterhin dürften wir mit den Profilern übereinstimmen, dass er wohl einer niedrigen sozialen Schicht angehörte und wahrscheinlich soziale und sexuelle Defizite hatte.

Aber im FBI-Profil, das du zitiert hast, heißt es auch einschränkend, dass er "vielleicht" ein wahnhaftes System entwickelt haben kann: "may have developed a well-defined delusional system." Kann - nicht muss.

Du schreibst ja selbst:
"Meine, dass Canter neulich auf einer Konferenz von einem Psychopathen ausging aber das tun die anderen ja auch plus die Wahrscheinlichkeit, dass JTR eine Geisteskrankheit gehabt haben könnte."

Wobei wir wieder bei meinem Beispiel vom nekrophilen Psychopathen wären, der vielleicht u.a. auch eine Geisteskrankheit haben kann - aber eben nicht muss.
Vielleicht kommen wir ja so zusammen, indem wir uns darauf einigen.
 :flag_of_truce:


Es gibt m.E. zwei Aspekte, die in Richtung Wahn weisen: Erstens das plötzliche Ende der Mordserie, das möglicherweise mit dem Fortschreiten seiner Erkrankung erklärt werden kann, und zweitens die Äußerungen der Polizisten, wonach ihr Hauptverdächtiger ins Irrenhaus eingeliefert worden sei.
Aus den Taten selbst lese ich noch keinen Wahn - deshalb meine ehrliche Frage, woran die Profiler dies konkret festmachen. Ich meine, hätte er z.B. am Tatort irgendwelche wirren Botschaften hinterlassen, dann wäre das was anderes.


MfG, Arthur Dent



P.S. Was deine Anmerkung zu Dahmer betrifft, sollte man nicht vergessen, dass der Versuch als verrückt diagnostiziert zu werden auch eine Strategie sein kann, dem Gefängnis zugunsten einer Psychiatrie zu entgehen. Falls das bei Dahmer so gewesen sein sollte, hat es jedenfalls nicht funktioniert: Er wurde als zurechnungsfähig befunden und zu lebenslanger Haft verurteilt.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 27.10.2015 19:41 Uhr
Jawohl Arthur, soweit lagen wir ja auch gar nicht auseinander, somit haben wir uns nun geeinigt, denke ich.

Meine Einschätzung ist die, dass ein desorganisierter Täter auch innerlich desorganisiert ist. Das passiert ja nicht, weil er Lust darauf hat, sondern weil er ernsthafte psychische Probleme hat, eine ernsthafte Störung, eine Geisteskrankheit. An den Tatorten schafft er ein Abbild davon, von sich und seinem Innenleben (gilt auch für den organisierten Typ, jedoch sieht das anders aus). Und ich denke, wir sehen diesen Typ an den Tatorten der Ripper Fälle.

Es gibt m.E. zwei Aspekte, die in Richtung Wahn weisen: Erstens das plötzliche Ende der Mordserie, das möglicherweise mit dem Fortschreiten seiner Erkrankung erklärt werden kann, und zweitens die Äußerungen der Polizisten, wonach ihr Hauptverdächtiger ins Irrenhaus eingeliefert worden sei.
Aus den Taten selbst lese ich noch keinen Wahn - deshalb meine ehrliche Frage, woran die Profiler dies konkret festmachen. Ich meine, hätte er z.B. am Tatort irgendwelche wirren Botschaften hinterlassen, dann wäre das was anderes.

Das ist doch schon einiges und ich sehe es genauso. Dazu diese Steigerung, die sehr schnell zugefügten Verstümmelungen bei Eddowes (extreme Brutalität) und die Zerstörung einer kompletten Frau im Falle Kelly. Botschaften gab es vielleicht, das GSG oder der From Hell Brief mit der Niere im Päckchen.

P.S. Was deine Anmerkung zu Dahmer betrifft, sollte man nicht vergessen, dass der Versuch als verrückt diagnostiziert zu werden auch eine Strategie sein kann, dem Gefängnis zugunsten einer Psychiatrie zu entgehen. Falls das bei Dahmer so gewesen sein sollte, hat es jedenfalls nicht funktioniert: Er wurde als zurechnungsfähig befunden und zu lebenslanger Haft verurteilt.

Bei Berkowitz und Sutcliffe war das offenbar der Fall. Manchmal sind die Profiler mit der finalen Einschätzung vor Gericht nicht einverstanden. Douglas/ Chase wäre ein Fall. Die Meinung von Douglas zu Chase war jene, dass dieser zu geisteskrank war, um wirklich verantwortlich gemacht werden zu können. Ich denke das auch über Jack the Ripper. Ich glaube, er lebte in einer Parallelwelt und obwohl er schon wusste, dass er Unrecht tut, war er nicht in der Lage sich dagegen zu wehren.

Mit Canter weiß ich nicht genau aber die Grundannahme ist wohl bei allen sehr ähnlich. Für diese Äußerung von ihm, kann ich nicht die Hand ins Feuer legen. Er ist, soweit ich mich entsinne, da auch eher vorsichtiger. Es mag sicherlich Alternativen geben, solche, wie auch du vorschlägst. Aber mit hoher Wahrscheinlichkeit war Jack the Ripper ein desorganisierter Täter MIT einer schizophrenen Störung (paranoide/ hebephrene oder Mischformen) und den Ripper als Gesamtprozess betrachtend, sind viele Experten sich darüber auch einig (btw.: Täter auf Drogen sind vielleicht auch bizarr). Und klar, wie Du schreibst, diese Art von Täter ist nicht zu häufig. Aber wenn sie auftauchen, muss man eben eine Wahnerkrankung mit einkalkulieren und erfahrungsgemäß dies auch sehr hoch.

Grüße. 
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 29.10.2015 12:43 Uhr
Hallo Lestrade,

dann bin ich ja froh, dass wir das durchdiskutiert haben - und es mir noch ein paar Profiler-Namen eingebracht hat, die vielleicht ein paar interessante Bücher/Texte geschrieben haben.
 8)

Ich habe da mal noch eine Frage:
Bei der Beschäftigung mit Kosminski bin ich irgendwann über die Info gestolpert, dass bestimmte seiner Familienangehörigen nach Aarons Einweisung ganz aus London weggezogen seien, ich glaube sogar zu Jacob Cohen nach Manchester... Ich finde es derzeit aber nicht mehr.
Stimmt das - und wenn: wer war es und wann?


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 29.10.2015 13:51 Uhr
Hallo Lestrade,

dann bin ich ja froh, dass wir das durchdiskutiert haben - und es mir noch ein paar Profiler-Namen eingebracht hat, die vielleicht ein paar interessante Bücher/Texte geschrieben haben.
 8)

Hallo Arthur,

Das war sehr spannend und hat Spaß gemacht, ich danke Dir dafür...

Ich habe da mal noch eine Frage:
Bei der Beschäftigung mit Kosminski bin ich irgendwann über die Info gestolpert, dass bestimmte seiner Familienangehörigen nach Aarons Einweisung ganz aus London weggezogen seien, ich glaube sogar zu Jacob Cohen nach Manchester... Ich finde es derzeit aber nicht mehr.
Stimmt das - und wenn: wer war es und wann?

Jacob Cohen ist richtig: Südafrika- England (Manchester)- Südafrika

http://jacktheripper.de/forum/index.php?topic=1450.0

Aber auch Woolf Abrahams zog weg. Man findet diesen Zweig dann ebenfalls in Manchester und einer der Gründe für diesen Ort war sicherlich Jacob Cohen.

Census 1901:

Woolf Abrahams, 207 Bury New Road, North Manchester

Sie zogen aber wieder nach London zurück. Jacob ging 1905 zurück nach Südafrika und so denke ich, dass dann auch Woolf zurück nach London zog. Ich müsste genauer nachschauen aber ich bin krank und liege flach, mir fehlt gerade die Energie. Woolf lebte im Norden von Manchester und Jacob, falls nur diese Adresse (York Street) nutzend, einige Kilometer weiter südlich.

Btw.: Da waren noch zwei Schwestern von Aaron, Helen Singer und Bertha Held. Dazu gab es auch vor nicht allzu langer Zeit einen Ripperologist Artikel bzw. sie fanden darin Erwähnung. Sie lebten irgendwann in den USA. Helen war verheiratet und es gab in der Greenfield Street Nummer 5 einen Jacob Singer (1891, glaube ich). In 16 und 74 lebten ja schon Matilda und Isaac. Als Aaron Kozminski im Dezember 1889 vor einer Anhörung stand, erwähnte er einen Hund, der zu Jacobs gehörte. So könnte dieser Hund zu Jacob Cohen oder zu Jacob Singer gehört haben, rein hypothetisch. Vielleicht zogen die Singers auch nach Aaron´s Einweisung weg, in das Ausland. Ich müsste auch den Artikel noch einmal finden, ob der Name von Helen´s Ehemann Erwähnung findet. Aber wie gesagt, wenn es mir wieder besser geht.   

Mehr fällt mir gerade nicht ein.

Beste Grüße,

Lestrade.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 29.10.2015 18:35 Uhr
Hallo Lestrade, vielen Dank für die Info!

Ich habe mal - so wie vorher zu Levy - alles zusammengefasst, was zur Kosminski-These passt. Vielleicht siehst du es dir mal an, wenn du wieder fit bist. Du bist ja der Kosminski-Experte hier und weißt bestimmt noch das ein oder andere und kannst vielleicht noch enthaltende Fehler entdecken.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 29.10.2015 18:46 Uhr
Jack the Ripper - Tatverdächtiger Aaron Kosminski


Im Fall der Ripper-Morde wurde ein Kosminski sowohl vom Polizeichef als auch vom leitenden Ermittler als Hauptverdächtiger genannt - jedoch verzichteten beide auf die Angabe seines Vornamens, so dass zunächst unklar war, welchen "Kosminski" sie meinten.
Chief Constable Sir Melville Macnaghten stellte Kosminski als einen der drei Hauptverdächtigen in seinem am 23. Februar 1894 verfassten offiziellen polizieiinternen Memorandum vor (das allerdings erst 1959 öffentlich bekannt wurde). Und Chief Inspektor Swanson notierte in seinem persönlichen Exemplar von Assistant Commissioner Robert Andersons Memoiren zu dem Verdächtigen, den die Polizei überwachte und der schließlich in eine Nervenheilanstalt eingeliefert wurde: "Dieser Verdächtige war Kosminski."
Durch die Recherche des Ripperologen Martin Fido wurde 1987 in den Unterlagen des "Colney Hatch Lunatic Asylum" schließlich ein Aaron Kosminski gefunden.

Bevor die o.g. Quellen mit dem Namen Kosminski gefunden wurden, waren lediglich allgemeine Informationen über einen polnischen Juden als Verdächtigen öffentlich bekannt. So schrieb Major Arthur G.F. Griffiths in seiner Reihe "Mysteries of Police and Crime" 1898 ohne Namensnennung von "a Polish Jew, a known lunatic who was at large in the district of Whitechapel at the time of the murders and who (...) was confined to an asylum" (Mysteries of Police and Crime, by Arthur G.F. Griffiths, 1898, vol. 1, London: Cassell).
Darüber hinaus schrieb der Londoner Journalist George Sims über den "Polish Jew suspect" und gab weitere Details zu dem Verdächtigen bekannt, darunter die Information, dass er zeitweise in einem polnischen Hospital gearbeitet habe (Lloyd’s Weekly News, 22. September 1907).
Erst mit der Veröffentlichung von Macnaghtens Memo und dem Fund der Swanson-Marginalien konnte eine Verbindung des "Polish Jew suspect" mit dem Namen Kosminski vorgenommen werden, und Ripperologen begannen Aaron Kosminskis Leben zu rekonstruieren.


1865: Aaron Kosminskis Geburt
Aaron Kosminski wurde in Osteuropa, entweder in Russland oder dem vom Zarenreich annektierten Polen, geboren - höchstwahrscheinlich als Aron Mordke Kozminski am 11. September 1865 in Kłodawa, Kongresspolen.

Mit seiner Herkunft erfüllt Kosminski einen wesentlichen Aspekt in den frühesten öffentlichen Beschreibungen des Verdächtigen im Ripper-Fall von Griffith und Sims, die beide in unmittelbaren Kontakt zur Führungsebene der Polizei standen.


1881/1882: Emigration nach London
Vermutlich um den antisemitischen Pogromen in Osteuropa zu entgehen, emigrierte Aarons Familie mit dem jungen Mann über Deutschland nach London ins Eastend.

Wann genau er seine Heimat verließ, ist unklar. Der Ripperologe Robert House: "It is not clear exactly when Aaron and his extended family left the Pale. It was certainly after 1880, and before 1882. I would argue that the pogroms in March 1881 caused the Kosminskis to decide to emigrate west. This was the case for hundreds of thousands of Jews who decided to emigrate west after the pogroms." http://www.casebook.org/dissertations/robhouse-kosminski.html


Nähe zu den Opfern

Soweit bekannt, wohnte Aaron bei seinen Verwandten, die in der Zeit der Morde bis zu Aarons Einweisung in die psychiatrische Anstalt "Colney Hatch Lunatic Asylum" am 7. Februar 1891 im Eastend von London lebten, nicht weit von den Tatorten entfernt:
Bruder Isaac Abrahams: Juni 1886 – Mai 1891 Greenfield Street 74.
Schwester Matilda und Schwager Morris Lubnowski: Dezember 1885 – Februar/März 1891 Greenfield Street 16.
Bruder Woolf Abrahams: Mitte 1887 bis Oktober / November 1888 Providence Street 25, vor März 1889 bis nach Mai 1889 Yalford Street 34 (gegenüber der Greenfield Street), im Sommer 1890 dann Sion Square 3 / Mulberry Street - diese Heimatadresse wird auch für Aaron bei seiner vorübergehenden Einlieferung ins "Mile End Old Town Workhouse" am 12. Juli 1890 angegeben. 

Damit wohnte die Familie zur Zeit der Morde innerhalb der Comfort Zone des Rippers. Sowohl für die zeitgenössischen als auch die modernen Ermittler war JTR mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein Einheimischer mit guter Ortskenntnis, was es ihm ermöglichte, sich schnell und unauffällig zu bewegen und die Polizeistreifen zu meiden, um bei seinen Taten und auf der Flucht nicht erwischt zu werden und relativ schnell von der Straße zu verschwinden.

Robert House schreibt in seinem geographischen Profil:
"First, it is interesting to note that 3 of the murder sites are almost precisely equidistant from Sion Square: Buck's Row, Hanbury Street, and Dorset Street. Eddowes murder occurred about 1/4 mile further out. Also note that the Berner Street site and George Yard are also almost equidistant from the center of the circle. The Tabram site, however is closest. This is also significant as the FBI reports in Warren et al 1995 that the first attack in a serial homicide was likely to occur closest to the offender's home." http://www.casebook.org/dissertations/robhouse-kosminski.html

Interessant sind auch die Umzugsaktivitäten der Familie:
Woolf Abrahams zog irgendwann im Zeitraum des Double Event von der Providence Street (wenige Meter vom Stride-Tatort entfernt) in die Yalford Street, wahrscheinlich sogar kurz danach. Er nahm jedenfalls nach dem Double Event seine Tochter von der Schule in der Berner Street und meldete sie an einer anderen an. Schließlich zog er erneut um in den Sion Square 3 (vielleicht gab es dazwischen auch noch vorübergehend eine andere Unterkunft).
Die Geschwister Isaac und Matilda zogen 1891 aus der Greenfield Street weg, kurz nachdem Aaron am 7. Februar 1891 in die psychiatrische Anstalt "Colney Hatch Lunatic Asylum" eingeliefert worden war.
Diese zeitliche Folge der Ereignisse lässt einen Zusammenhang mit Aaron plausibel erscheinen.


Fachliche Kenntnisse im Umgang mit Klingen
In den Akten der Nervenheilanstalt wird als Beruf von Kosminski Haarschneider angegeben, seine Brüder Woolf und Isaac waren Schneider, sein Schwager Morris Lubnowski Stiefelmacher. Darüber hinaus soll der Verdächtige als Jugendlicher laut dem Journalisten George Sims in Polen vorübergehend in einem Hospital gearbeitet haben - als was ist allerdings unklar.

Damit hätte Aaron Erfahrung in dem Umgang mit Klingen (Scheren, Messern) gehabt und könnte möglicherweise auch etwas von medizinischen Eingriffen mitbekommen haben. Darüber hinaus hatte er mit Jacob Cohen einen Metzger als Verwandten, und seine Familie hatte vermutlich auch Bekannte im Eastend, die Metzger waren.


Ausgeprägte psychische Probleme
Bereits 1885 wurde Kosminski dem Ripperologen Donald Rumbelow zufolge das erste Mal als psychisch krank diagnostiziert (so steht es auch in dem Aufnahmeformular der psychiatrischen Anstalt "Colney Hatch Lunatic Asylum" von 1891). Dies soll sich in Halluzinationen und paranoiden Wahnvorstellungen geäußert haben, und hatte zur Folge, dass Aaron schließlich bis zu seiner Einweisung in die Psychiatrie keiner geregelten Arbeit mehr nachging.

Ein Auslöser könnte gewesen sein, dass er als Jugendlicher Zeuge der Pogrome geworden war. Robert House: "So assuming Aaron was still in the Pale in March 1881, he would have witnessed these violent attacks in person. This would have had a severly damaging effect on Aaron, both psychologically and emotionally. It is likely that he witnessed violent acts, destruction of property, and possibly even murder and rape."

Aber auf Aaron Kosminski trafen laut Ripperologe Robert House noch mehrere zusätzliche Faktoren zu, die von Fallanalysten überdurchschnittlich häufig in der Jugend von Serienmördern zu finden sind und eine entsprechende psychopathologische Entwicklung befördern.
Typisch für das Profil eines Sexualmörders sind nach dem Buch "Sexual Homicide, Patterns and Motives" der Profiler Robert K. Resseler, Ann W. Burgess, and John E. Douglas folgende Erfahrungen während der Kindheit und Jugend:
- Fehlen eines stabilen Zuhauses und sozialen Umfelds, häufiges Umziehen
- Fehlender Vater / wechselnde Bezugspersonen
- Anhaltende Erfahrungen von Feindseligkeit / Ablehnung
- Erfahrungen sexueller Gewalt
- Zwanghaftes Masturbieren
- Unstetige Arbeitsverhältnisse
Der allgegenwärtige Antisemitismus und die Pogrome (dabei möglicherweise auch Fälle sexualisierter Gewalt), das Auswandern und ständige Umziehen der Familie, seine Geschwister als Ersatzeltern, die den schwierigen Jungen untereinander hin und her schoben, möglicherweise obsessive Selbstbefriedigung (laut Macnaghten) und seine Unfähigkeit, geregelter Arbeit nachzugehen - damit treffen wesentliche Gefährdungsaspekte bei Aaron zu und er erfüllt die meisten Risikofaktoren im Profil eines künftigen Serienmörders.
Ein einziges Hauptmerkmal fehlt: Über eine frühe Delinquenz Aarons ist bisher nichts bekannt.
 

Die Mordserie

Dienstag, 7. August 1888: Martha Tabram im George Yard
Tabram wurde im Treppenhaus des George Yard Buildings 37 vermutlich das erste Opfer von JTR.
Tabram war auf einer Kneipentour mit ihrer Bekannten Mary Ann Connely ("Pearly Poll") und zwei Soldaten. Gegen 0 Uhr trennten sich die Pärchen um Sex zu haben, Connely ging mit dem Corporal zur Angel Alley, und Tabram verschwand mit dem Private in den George Yard.
Gegen 1.40 Uhr stieg das Ehepaar Elizabeth und Joseph Mahoney das Treppenhaus zu ihrem Zimmer hinauf und sah nichts. Auch als Elizabeth Mahoney es kurz darauf wieder durchquerte, um in einem Shop in der Thrawl Street etwas zu Essen zu kaufen, lag Tabram noch nicht da.
Tabram wurde mit einem Stich ins Herz getötet und mit insgesamt 39 Messerstichen in Brust und vor allem Unterleib traktiert. Sie lag auf dem Rücken, ihre Kleider waren hochgeschoben und ihre Beine gespreizt, ebenso wie bei den kanonischen Ripper-Opfern.
Gefunden wurde die Leiche auf dem Absatz des ersten Stocks gegen 4.45 Uhr durch Bewohner John Saunders Reeves, nachdem bereits Bewohner Alfred George Crow gegen 3.30 Uhr Tabram für einen schlafenden Obdachlosen gehalten hatte. Damit muss die Tatzeit zwischen 1.45 Uhr und 3.30 Uhr liegen. Reeves suchte eine Polizeistreife und fand Constable Thomas Barrett auf seiner Runde.

Der Soldat dürfte wohl der Letzte gewesen sein, der Tabram lebend gesehen hat, konnte aber weder von "Pearly Poll" noch von Constable Barrett bei Gegenüberstellungen identifiziert werden, obwohl letzterer auf seiner Streife durch die Wentworth Street gegen 2 Uhr einen Private der Grenadier Guard am Nordende des George Yard stehen sah und ihn ansprach. Der Private sagte dem Polizisten, er warte auf einen Kameraden, der mit einem Mädchen unterwegs sei, darauf ging Barrett weiter seine Streife, bis er drei Stunden später von Reeves zum Tatort gerufen wurde.
Der unbekannte Soldat könnte also den Mord verübt haben, dennoch war er aber wahrscheinlich nicht der Täter: Rund zwei Stunden für Sex mit einer älteren, unattraktiven Prostituierten an einem öffentlich zugänglichen Ort erscheint doch ein ziemlich langer Zeitraum. Wenn sie so lange im Treppenhaus von Nr. 37 gewesen wären, wäre wohl auch das Ehepaar Mahoney oder ein anderer Bewohner auf beide gestoßen.
Zudem hätte ein blutbefleckter Mörder wohl kaum in unmittelbarer Nähe des Tatorts auf seinen Kameraden gewartet und so entspannt auf Polizist Barrett reagiert. Barrett jedenfalls kam nichts an ihm und seinem Verhalten verdächtig vor.
Wahrscheinlicher ist, dass sich Tabram nach 1.45 Uhr noch mit einen anderen Mann - eben dem Ripper - in den George Yard zurückgezogen hat.

Erkenntnissen der modernen Kriminologie zufolge stammt das erste Opfer eines Serientäters oft aus seinem näheren räumlichen Umfeld.
Tabrams letzte bekannte Adresse war Satchell's Lodging House in der George Street, und die Kneipentour endete vor den George Yard Buildings. Die Adressen von Aaron Kosminski, Sion Square 3 / Mulberry Street (falls er 1888 schon dort wohnte), und seiner Familie in der Greenfield Street liegen nur rund 200 bzw. 300 Meter oder etwa 2-4 Minuten Fußweg von beiden Orten entfernt.


Freitag, 31. August 1888: Marie Ann Nichols in der Buck's Row
Nichols übernachtete zuletzt im White House Nachtasyl in der Flower and Dean Street 56.
Gegen 2.30 Uhr wurde Nichols zuletzt lebend gesehen von ihrer Bekannten Emily Holland an der Ecke Osborn Street / Whitechapel High Street, fast einen Kilometer vom Tatort entfernt, bevor sie betrunken auf der Whitechapel Road weiter Richtung Osten wankte.
Bis ca. 3.20 Uhr kamen nacheinander die Polizisten Neil, Thain und Kirby auf ihren Runden durch die Buck's Row, ohne etwas Verdächtiges zu sehen.
Gegen 3.45 Uhr fanden dann Charles Andrew Cross und Robert Paul auf ihrem Weg zur Arbeit die Leiche von Nichols vor einem verschlossenen Tor (vermutlich hatte der Täter vergeblich versucht, mit ihr in den Hof zu gelangen). Die Tatzeit muss also zwischen 3.20 Uhr und 3.45 Uhr betragen.

Cross war als erster und allein am Tatort, bis Paul kurz darauf dazustieß. Somit könnte Cross der Täter gewesen sein, zumal die Informationen zu seinen Zeitangaben nicht stimmen können: Er gehe gewöhnlich gegen 3.30 Uhr von zuhause los, sagte er aus, habe diesmal aber sogar zehn Minuten früher das Haus verlassen. Von seiner Adresse in der Doveton Street bis zum Tatort brauchte man aber gerade mal 10 Minuten - es fehlt eine ganze Viertelstunde. Zudem liegen alle Tatorte JTRs auf den Wegen zwischen der Wohnung von Cross, seiner Arbeit als Fleisch-Auslieferer in der Broad Street und dem Wohnort seiner Mutter in der Berner Street.
Allerdings hätte Cross, als er die Schritte von Paul hörte, einfach nach Westen verschwinden können, ohne erkannt zu werden, statt auf ihn zu warten: Es sind rund 100 Meter vom östlichen Ende der Buck's Row bis zum Tatort und es war noch dunkel. Bis zu den Querstraßen im Westen als Fluchtwege sind es nur wenige Meter. Stattdessen wartete er auf Paul, wies ihn erst auf den am Straßenrand liegenden Körper hin und ging mit Paul einen Polizisten suchen.
Außerdem lebte er noch mehr als 30 Jahre nach dem Ende der Morde als unbescholtener und gesunder Bürger weiter. Daher war Cross wohl eher nicht der Ripper.   

Die Ecke Osborn Street / Whitechapel High Street ist nur rund 100 Meter von Kosminskis Adresse Sion Square 3 / Mulberry Street bzw. 200 Meter von der Adresse seiner Familie in der Greenfield Street entfernt. Darüber hinaus ging Nichols nach Osten, kam also direkt an den Einmündungen auf die Hauptstraße vorbei, die Kosminski genutzt hätte.
Der Tatort Buck's Row ist nur etwa 400 bis 500 Meter oder 5-7 Minuten Fußweg von beiden Adressen entfernt.

Interessant ist, dass sich laut den Polizeiakten und in der Presse (5. und 6. September) schon nach diesem Mord ein Gerücht bildete und umging, ein gewisser "Leather Apron" sei der Täter gewesen. Nach dem Chapman-Mord (s.u.) geriet dann der aus Polen stammende jüdische Schuhmacher John Pizer vorübergehend unter Verdacht, der diesen Spitznamen getragen haben soll.
Die Parallelen zu Kosminski sind eindeutig: auch er war ein polnisch-stämmiger Jude, und sein Schwager Morris Lubnowski war Bootmaker. Der keiner regelmäßigen Arbeit nachgehende Aaron könnte zeitweise für seinen Schwager tätig gewesen sein.


Samstag, 8. September 1888: Annie Chapman in der Hanbury Street
Chapman verbrachte ihre letzten Nächte in der Crossingham's-Unterkunft in der Dorset Street 35.
Gegen 1.50 Uhr verließ sie das Asyl Richtung Norden in die Brushfield Street.
Gegen 5.30 Uhr am frühen Morgen wurde Chapman zum letzten Mal lebend gesehen, und zwar von der Zeugin Elizabeth Long. Unmittelbar vor dem Tatort in der Hanbury Street 29 nur etwa 300 Meter vom Asyl entfernt soll sie laut Longs Aussage mit einem Freier gesprochen haben: "Willst du?" - "Ja."
Long beschreibt den Verdächtigen wie folgt: Knapp 40 Jahre alt, etwas größer als Chapman, dunkler Mantel und tief ins Gesicht gezogener dunkler Hut, fremdländisches Aussehen.
Etwa zur selben Zeit geht Albert Cadosch aus dem Nachbarhaus Nr. 27 in seinen Hinterhof zur Toilette, als er danach ins Haus zurück will, hört er vom Hof nebenan zunächst ein leises "No" und wenige Minuten später bei seinem Aufbruch zur Arbeit etwas gegen den Zaun stoßen.
Gegen 6 Uhr wurde Chapmans Leiche im Hinterhof vom Bewohner John Davies entdeckt.
Die Tatzeit liegt also zwischen 5.30 Uhr und 6 Uhr, und die Zeugin Long hat damit wohl den Ripper bei Chapman gesehen.

Laut Zeugenaussagen der Anwohner soll einige Zeit vor dem Mord auch schon ein Unbekannter im Hinterhof genächtigt haben. Dies könnte einfach ein Obdachloser gewesen sein, der nichts mit der Tat zu tun hatte - oder es war der nachts umherstreifende Ripper, der so einen guten Ort für seine nächste Tat gefunden hatte (im Fall Nichols war er wegen des verschlossenen Tores in der Buck's Row gezwungen, seinen Mord auf offener Straße zu begehen: hohes Risiko von Passanten und Streifenpolizisten, wenig Zeit für die Verstümmelungen).

Da die Tatzeit bereits nahe der beginnenden Morgendämmerung und dem wieder einsetzenden "Berufsverkehr" in den Straßen liegt, hatte JTR nicht viel Zeit, aus der Öffentlichkeit zu verschwinden, bevor es richtig hell wurde.
War Kosminski der Ripper: Der Tatort ist rund 700-800 Meter oder etwa 8-10 Minuten Fußweg von den Wohnadressen seiner Familie entfernt.
Was nicht zu passen scheint, ist das von Zeugin Long geschätzte Alter des Verdächtigen: Kosminski war erst 23 Jahre. Aber vielleicht sah er durch die drei Jahre Krankheit älter aus. Zu den Verdächtigen, die von den Zeugen zuletzt bei den Ripper-Opfern gesehen wurden, gab es jedenfalls stark differierende Altersangaben von etwa 30 bis rund 40 Jahre.


Sonntag, 30. September 1888: Nacht des Double Event
Mord an Elizabeth Stride in der Berner Street 40/42, etwa 45 Minuten später an Catherine Eddowes auf dem Mitre Square.

Stride übernachtete bis zu ihrem Tod im Armenasyl in der Flower and Dean Street.
Zwischen 0.35 und 0.45 Uhr sahen mehrere Zeugen (Polizist William Smith, Anwohner James Brown, Zeuge Israel Schwartz) Stride mit einem Mann in der Nähe des Berner Street Clubs. Beschrieben wird er übereinstimmend als knapp 1,70 groß, etwa 30 Jahre alt, heller Teint, Schnauzbart, dunkler Mantel und Schirmmütze. Polizist Smith bemerkte zudem ein Päckchen in seiner Hand.
Der aus Norden von der Commercial Road vorbeikommende Israel Schwartz will sogar eine Auseinandersetzung wahrgenommen haben, weswegen er schnell weitergegangen sei, sagte er später der Polizei. Der Mann habe die Frau am Tor zum Dutfields Yard zu Boden geworfen, die Frau habe kurz aufgeschrien. Als er zurückgeblickt habe, sei gerade ein anderer Mann mit einer Pfeife aus dem nahen Pub gekommen und es habe eine kurze verbale Auseinandersetzung mit dem Verdächtigen gegeben, bis der Verdächtige "Lipski" gerufen habe. Da sei der andere auf Schwartz zugegangen und Schwartz sei aus Angst weggelaufen.
Gegen 1 Uhr dann wurde Strides Leiche vom Verwalter des Clubs, Louis Diemschütz, im Torweg des Dutfield Yard neben dem Club gefunden. Im Gegensatz zu den anderen Opfern wurde ihr nur die Kehle durchgeschnitten, aber offenbar wegen der Störung durch die Zeugen keine Verstümmelungen des Unterleibs mehr vorgenommen.

Als plausibelste Interpretation dieser Szene scheinen Schwartz und der Mann mit der Pfeife mitten in den Angriff des Rippers hineingeplatzt zu sein. Weil Schwartz schon auf der Flucht war, als der Pfeifenraucher auf die Straße kam, tat der Mörder offenbar so, als sei er ein unschuldiger Helfer und konnte den anderen Mann mit dem Ausruf "Lipski" davon überzeugen, dass der nach Süden flüchtende Schwartz der Angreifer gewesen sei, so dass "Pipeman" die Verfolgung von Schwartz aufnahm (leider konnte "Pipeman" nie identifiziert werden).
Lipski war ein Jude aus der Parallelstraße Batty Street, der 1887 wegen Mordes verurteilt worden war - und sein Name war in antisemitischen Kreisen zum Schimpfwort gegen Juden im allgemeinen und zum Synonym für Mörder im speziellen geworden.
Indem der Mörder den einen Zeugen so auf den anderen hetzte, konnte er vom Tatort (vermutlich über die Passage zur Batty Street - s.u.) schließlich nach Norden in die Commercial Road fliehen.
Er wollte angesichts der Beinahe-Entlarvung mit ziemlicher Sicherheit zuerst zu seinem Versteck zurück - und dies führte ihn Richtung Norden.

War Aaron Kosminski der Ripper, so könnte sein Ziel Sion Square 3 / Mulberry Street, oder die Adresse seiner Familie in der Greenfield Street gewesen sein, nur rund 200 oder 300 Meter bzw. 3-4 Minuten Fußweg nach Norden.
Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass sein Bruder Woolf Abrahams Anfang der 1880er neben dem Dutfields Yard gewohnt hatte, so dass Aaron den Hinterhof gut gekannt haben könnte, auch als Platz für Schäferstündchen mit Prostituierten. Ebenso dürfte Aaron die Geschichte des Lipski-Mordes gekannt haben.

Da JTR sein eigentliches Ziel - die Verstümmelung - bei Stride nicht mehr umsetzen konnte, suchte er jedenfalls, als er sich wieder sicher fühlte, schließlich ein weiteres Opfer.


Eddowes
und ihr Mann John Kelly lebten überwiegend im Armenhaus "Cooney's" in der Flower und Dean Street 55.
Gegen 1 Uhr wurde Eddowes aus der Ausnüchterungszelle der Polizeistation Bishopsgate Street entlassen und ging Richtung Süden, höchstwahrscheinlich die Houndsditch entlang zurück zur Aldgate High Street, wo sie den frühen Abend verbracht hatte.
Gegen 1.30 Uhr checkte Constable Edward Watkins auf Streife den Mitre Square, ohne etwas Verdächtiges festzustellen.
Etwa um diese Zeit verließen Joseph Lawende, Harry Harris und Joseph Hyam Levy den Imperial Club, Duke Street, schräg gegenüber der Church Passage zum Mitre Square, und sahen einen Mann und eine Frau am Eingang der Passage in einem leisen Gespräch.
Der Zeuge Lawende beschrieb den Mann wie folgt: Etwa 30 Jahre alt, knapp 1,70 Meter groß, blasser Teint, heller Schnauzbart, durchschnittlicher Körperbau, graue Jacke, graue Stoffkappe und rötliches Halstuch, sah wie ein Seemann aus (wobei aber Seemänner selten "blassen Teint" haben).
Gegen 1.38 Uhr ging Constable James Harvey durch die Church Passage und schaute in den dunklen Mitre Square, sah jedoch nichts und kehrte auf seine Runde zurück.
Gegen 1.45 Uhr kam Constable Edward Watkins von der anderen Seite (Mitre Street) wieder durch den Hauptzugang in den Mitre Square und entdeckte beim Herumleuchten mit seiner Lampe die tote Eddowes in einer dunklen Ecke liegen.
Laut Inspector Robert Sagar von der City Police soll ein Polizist kurz zuvor gesehen haben, wie ein Mann aus der Mitre Street in östliche Richtung verschwand. Aufgrund der Sichtung dieses Mannes liefen anschließend Polizisten durch Gravel Lane und Stoney Lane, um Hinweise auf den Fluchtweg des Mörders zu finden - dieser Weg führt in die Middlesex Street und weiter in die Goulston Street.
Einer davon war Detective Constable Daniel Halse, der mit zwei Kollegen gegen 1.55 Uhr an der Ecke Houndsditch bei St. Botolph's Church stand und aufgrund der Alarmierung in den Mitre Square kam. Nachdem Halse Instruktionen zur Befragung der Anwohner gegeben hatte, eilte er zuerst in die Middlesex Street und, weil er dort niemanden sah, weiter in die Wentworth Street, wo er zwei Passanten überprüfte. Gegen 2.20 Uhr checkte er die Goulston Street, um nach vergeblicher Suche zum Mitre Square zurückzukehren.
Gegen 2.55 Uhr schließlich fand Constable Alfred Long auf seiner Runde ein Stück der blutigen Schürze von Eddowes im Hauseingang der Wentworth Dwellings 108-119, Goulston Street. Darüber an der Wand stand mit Kreide der Satz: "Die Juden sind die Menschen, die nicht grundlos beschuldigt werden." Long zufolge soll die Schürze auf seiner vorherigen Runde gegen 2.25 Uhr noch nicht dort gelegen haben. Ob das antisemitische Graffiti zuvor schon da gewesen war, wusste er nicht.

Die Strecke zwischen Berner Street und Mitre Square beträgt auf direktem Weg rund 1000 Meter oder etwa 12-15 Minuten Fußweg.
War Kosminski der Ripper, hätte er damit vor dem Eddowes-Mord sogar einen Zwischenstopp zuhause einlegen können.
Die Strecke vom Mitre Square zur Goulston Street beträgt nur rund 500 Meter oder 6-7 Minuten.
Entweder haben die Polizisten Halse und Long die Schürze gegen 2.25 Uhr übersehen, oder JTR hat sich zeitweise in einer Zuflucht versteckt, bevor er sie ablegte. Ein Umweg von rund einer dreiviertel Stunde durch die Straßen voller alarmierter Polizisten ist eher unwahrscheinlich - daher dürfte die Rückzugsmöglichkeit des Rippers in unmittelbarer Nähe gewesen sein.
Falls Kosminski der Ripper war: Der Fluchtweg führt in Richtung von Aarons Heimatadressen. Die Strecke bis zur Adresse Sion Square 3 / Mulberry Street beträgt etwa 1000 Meter, die Adresse seiner Familie in der Greenfield Street etwa 1100 Meter.
Aber vielleicht hatte Kosminski auch eine andere, nähere Rückzugsmöglichkeit...


Der Batty Street-Zwischenfall

Nach dem Stride-Mord entdeckte in der Batty Street 22 die Vermieterin und Wäscherin Fr. Kuer in einem Wäschestapel, der ihr von einem Kunden abgegeben worden war, ein blutiges Hemd.  Das Haus war vom Tatort in der Berner Street unmittelbar über eine schmale Passage schräg gegenüber der Einfahrt zum Dutfields Yard durch die Hinterhöfe zu erreichen.
"The police then called on Mrs. Kuer and took possession of the shirt and set up surveillance on the house for when the man returned. The matter was considered of considerable importance by Inspector Reid, Inspector Abberline and other senior officers.
The man returned on Saturday, 13 October, and was promptly taken into custody where he was held for about 36 hours until the morning of the 15th. The blood was explained by a friend who got it on the shirt while cutting his corn. It obviously took quite a while to satisfy the police, but eventually they believed the incident had an innocent explanation."
http://forum.casebook.org/showthread.php?p=339051

Der Vorfall bleibt mysteriös: Die Polizei hielt ihn für verdächtig genug, um den Kunden immerhin 36 Stunden lang festzuhalten und zu verhören. Leider ist nicht bekannt, wer dieser Kunde war.
Es besteht die Möglichkeit, dass es ein Familienangehöriger Aarons war, der die Wäsche abgab, da die Familienangehörigen nur rund 100 Meter (Providence Street) bzw. 200 Meter (Greenfield Street) von Mrs. Kuer weg wohnten.


Polizei-Razzia im Oktober:

Die Polizei führte in den folgenden Wochen (3.-18. Oktober) in der Umgebung des Mitre Square und der Berner Street Haus-zu-Haus-Befragungen durch. Der stellvertretende Polizeipräsident Robert Anderson schrieb, dass man alle Männer des Viertels überprüft habe, die den Zeugenaussagen entsprachen und sich blutbefleckter Kleidung entledigen konnten.

Interessanterweise folgte nach dem Double Event die längste Pause zwischen den Ripper-Morden von fast sechs Wochen. Ursache dafür könnte der Ermittlungsdruck durch die Behörden gewesen sein, was für die Annahme spricht, dass die Polizei durch ihre Ermittlungen dem Ripper näher kam, so dass er vorerst pausieren musste, bis die polizeilichen Aktivitäten in seinem Umfeld wieder zurückgingen. Möglich ist auch, dass die Angehörigen von JTR zum ersten Mal Verdacht schöpften und nun begannen, ihn nicht mehr allein zu lassen.

Da Aarons Brüder Woolf und Isaac Schneider waren, gab es in der Familie wahrscheinlich immer genug Kleidungsstücke zum Wechseln. Und wenn Aaron sich in schlechten Phasen seiner zunehmenden psychischen Erkrankung sowieso öfter mal gehen ließ, dürfte er wohl auch regelmäßig frische Kleidung gebraucht und bekommen haben, so dass Aaron als Ripper anfangs nur wenig Probleme mit dem Ersetzen blutverschmierter Sachen gehabt haben dürfte, ohne dass es besonders auffiel - zumindest bis zum Batty Street-Zwischenfall mit dem Fund des blutigen Shirts  bei Mrs. Kuer.


Freitag, 9. November 1888: Mord an Mary Jane Kelly im Miller's Court
In ihrer letzten Nacht verließ Mary Jane Kelly mehrmals ihr Zimmer im Miller's Court, Dorset Street 26, und kehrte mit verschiedenen Freiern wieder dorthin zurück, nachdem sie den frühen Abend mit ihrem Exfreund Joseph Barnett verbracht hatte.
Gegen 23.45 Uhr sah ihre Nachbarin Mary Ann Cox, wie Kelly mit einem Kunden auf ihr Zimmer ging. Zwischen 0.30 Uhr und 1 Uhr hörten Cox und Nachbarin Catherine Picket sie singen.
Ihre Nachbarin Elisabeth Prater kehrte gegen ein Uhr zurück, wartete erst 20 Minuten vor dem Eingang zum Court auf ihren Freund und ging, als er nicht kam, noch für zehn Minuten in McCarthys Laden nebenan. Gegen 1.30 Uhr stieg sie die Treppen zu ihrem Zimmer direkt über Kellys hinauf, ohne dort Licht zu sehen oder etwas zu hören, und ging zu Bett.
Der Zeuge George Hutchinson, ein Bewohner des Victoria Home in der Commercial Street, ging am 12. November zur Polizei und sagte aus, dass er seine Bekannte Mary Jane Kelly am 9. November gegen 2 Uhr in der Commercial Street getroffen habe.
Kurz darauf sei sie mit einem Kunden an ihm vorbei zurück auf ihr Zimmer gegangen. Weil der Mann sein Gesicht vor ihm habe verbergen wollen, sei er beiden gefolgt und habe rund eine dreiviertel Stunde den Hof beobachtet, jedoch ohne etwas Verdächtiges wahrzunehmen. Gegen 3 Uhr sei er schließlich gegangen.
Hutchinson beschrieb den Mann als etwa Mitte 30, knapp 1,70 Meter groß, blasser Teint, dunkle Augen und Haare, dünner gezwirbelter Schnurrbart, jüdisches Erscheinungsbild, mürrisches Aussehen, dunkler Mantel, dunkler Hut, kleines Päckchen in seiner Hand.
Sarah Lewis, die gegen 2.30 Uhr zu ihrer Bekannten Mrs. Keyler im Miller's Court ging, um dort zu übernachten, sah gegenüber dem Hofeingang einen Mann stehen - dabei handelte es sich vermutlich um Hutchinson.
Zwischen 3.15 Uhr und 3.45 Uhr hörten sowohl Lewis wie auch Elizabeth Prater einen leisen, unterdrückten Schrei vom Hof her: "Mord!"
Gegen 6.15 Uhr hörte Nachbarin Marie Ann Cox Schritte im Hof und sah dort einen Mann Mitte 30 mit dunkler Kleidung (schränkt jedoch ein, es könnte auch ein Polizist gewesen sein).
Gegen 7.30 Uhr klopfte Nachbarin Catherine Picket an Kellys Tür, um sich einen Schal zu leihen, aber nichts regte sich.
Gegen 10.45 Uhr wurde Kellys Leiche von Hausverwalter Thomas Bowyer entdeckt, der die Miete eintreiben sollte.

Theoretisch könnte Hutchinson der Täter gewesen sein, der nach dem Verschwinden des Kunden gegen 3 Uhr selbst zu Kelly ging - nur: warum hätte er dann bei der Polizei auftauchen und sich mit dem Geständnis seines "Stalkings" verdächtig machen sollen? Inspektor Abberline hielt ihn für glaubwürdig.
Plausibel wäre aber, dass der von Hutchinson beschriebene Kunde nach 3 Uhr ging - und dass erst der nächste Besucher Kellys der Ripper war. Dann wäre Hutchinsons Beschreibung unbrauchbar.
Bemerkenswert ist jedoch, dass Hutchinson aussagte, er glaube denselben Mann später noch einmal gesehen zu haben, und zwar am 11. November in der Petticoat Lane / Middlesex Street - wo es viele Schneider und den Straßenmarkt für Bekleidung gab. Aarons Brüder waren Schneider, so dass es durchaus möglich ist, dass es Kosminski war, den er dort gesehen hat.
Auch die auffällig höherwertige Bekleidung des Kelly-Kunden, die Hutchinson beschrieb, ließe sich mit dem Schneiderhandwerk von Kosminskis Familie erklären.

Merkwürdig war nach den Coroner-Untersuchungen zum Double-Event auch die Anhörung im Fall Kelly: Sie wurde im Distrikt Shoreditch vom dort zuständigen Richter vorgenommen und nicht in Whitechapel, mit der seltsamen Begründung, zuständig sei der Ort der Aufbahrung, nicht der Tatort. Sie wurde bereits am 12. November eröffnet, mit sich nicht zuständig fühlenden Geschworenen, in hohem Tempo durchgepeitscht und schon am selben Tag wieder abgeschlossen. Richter Roderick Macdonald sagte: "Wenn die Geschworenen allein zu der Todesursache zu einem Ergebnis kommen, so ist das alles, was sie zu tun haben."
Zeugen oder Beweismittel zur Strafverfolgung sollten nicht weiter öffentlich thematisiert werden - wahrscheinlich aus ermittlungstaktischen Gründen, weil man einen Tatverdächtigen nicht warnen wollte, während er unter Beobachtung stand, um ihn auf frischer Tat stellen zu können.
In H. L. Adam's Serie "The People on Scotland Yard and its Secrets" von 1912 zitiert der Autor Assistant Commissioner Anderson: "Sir Robert Anderson has assured the writer that the assassin was well known to the police, but unfortunately, in the absence of sufficient legal evidence to justify an arrest, they were unable to take him. It was a case of moral versus legal proof. The only chance the police had, apparently, was to take the miscreant red-handed…"


"Butcher's Row Suspect"

Nach dem Kelly-Mord begann die City Police laut den Aussagen verschiedener Polizisten damit, mehrere Monate lang einen Tatverdächtigen in dem "Butcher's Row" genannten Abschnitt der Aldgate High Street zu observieren.

In Zeitungsinterviews sagte Robert Sagar von der City Police Jahre später, dass man nach dem Kelly-Mord einen Verdächtigen unter Beobachtung gestellt habe, der in der Butcher's Row arbeite und von dem man annehme, dass er der Ripper sei, und dass dieser Mann letztendlich von seinen Leuten in ein Irrenhaus eingeliefert worden sei.
Auch Detective Inspector Henry Cox von der City Police erzählte Jahre später in einem Zeitungsartikel (Thomson’s Weekly News, 1. December 1906) von Observationen, jedoch ohne einen Zeitraum zu nennen oder Ortsangaben zu machen.
Cox: "The man we suspected was about five feet six inches in height, with short, black, curly hair, and he had a habit of taking late walks abroad. He occupied several shops in the East End, but from time to time he became insane, and was forced to spend a portion of his time in an asylum in Surrey. (...) While the Whitechapel murders were being perpetrated his place of business was in a certain street, and after the last murder I was on duty in this street for nearly three months."

Dass der Verdächtige an verschiedenen Adressen zu finden war (es ist nicht ganz klar, ob Cox mit "occupy" nun "bewohnte" meinte oder ob er in den Shops "beschäftigt" war), passt zur Geschichte Kosminskis: Seine Familie hatte mehrere Adressen und Shops, und sie zogen in der Zeit der Ermittlungen auch um.

Mögliche Verbindung Aaron Kosminskis zur Butcher's Row: Sein Verwandter Jacob Cohen war ein erfolgreicher Metzger und Geschäftsmann aus Manchester, der für rund zwei Jahre in einer geschäftlichen Angelegenheit in London wohnte: Er gründete 1890 die Firma "Davies, Cohen & Company" in der Carter Lane 51, St. Pauls (City of London), wo er gemeinsam mit Thomas Coughtrey Davies und Aarons Bruder Woolf Abrahams Mäntel herstellte und verkaufte. Interessanterweise wurde die Firma im Juli 1891, wenige Monate nach Aarons dauerhafter Einweisung in Colney Hatch, wieder aufgelöst.

Interessant daran ist, was Detective Inspector Henry Cox über die Verschleierungstaktik der polizeilichen Überwachungsarbeit schrieb, die der jüdischen Gemeinde nicht verborgen blieb: "We told them we were factory inspectors looking for tailors and capmakers who employed boys and girls under age, and pointing out the evils accruing from the sweaters' system asked them to co-operate with us in destroying it."
Dies würde gut zu Aaron als Ripper-Verdächtigen passen, dessen Brüder Schneider waren und dessen Verwandter Cohen wahrscheinlich Verbindungen in die Butcher's Row hatte. Vermutlich hatte Jacob Cohen Mitverantwortung für Aaron übernommen und/oder ihm vielleicht eine einfache Tätigkeit in der Butcher's Row besorgt, so dass er dadurch unter Aufsicht stand.
Für diese Interpretation spricht auch der Zwischenfall mit dem Hund im Dezember 1889 und die Tatsache, dass es Cohen war, der Aaron schließlich 1891 ins Mile End Workhouse brachte, von wo es weiter in die Irrenanstalt ging (s.u.).

Über Kosminski ist leider nur bekannt, dass er in Colney Hatch eingeliefert wurde, es gibt bisher keine Hinweise auf eine vorübergehende Unterbringung in Surrey. Jedoch wäre es plausibel, dass sich zunächst seine Angehörigen um ihn kümmerten, bis sich sein Zustand so weit verschlechterte, dass er für sie nicht mehr zu bewältigen war (möglicherweise entzog er sich ihrer Aufsicht und tötete Alice McKenzie), worauf sie ihn unter falschem Namen in ein privates Sanatorium steckten, bevor er von der Polizei entdeckt und identifiziert wurde.
Auch eine Verwechslung der Kliniken oder mit einem anderen Ripper-Verdächtigen wäre möglich.


Mittwoch, 17. Juli 1889: Mord an Alice McKenzie in der Castle Alley
Police Constable Walter Andrews entdeckte gegen 0:50 Uhr in der Castle Alley den leblosen Körper von Alice McKenzie, etwa eine halbe Stunde, nachdem er das letzte Mal auf seiner Runde dort gewesen war. Zeugen der Tat gab es keine. Ihre linke Halsschlagader war durchtrennt, ihr Rock war hochgeschoben und der Unterleib mit einem Messer traktiert worden, allerdings waren die Verletzungen eher oberflächlich.

Die Polizisten und die untersuchenden Ärzte waren uneinig darüber, ob es sich um ein weiteres Ripper-Opfer handelte. Einiges passte ins Schema: McKenzie übernachtete in einem Armenhaus, war rund 40 Jahre alt, Prostituierte und Trinkerin - und wurde im Zentrum von JTRs Aktivitäten getötet. Allerdings wurde ein anderes Messer benutzt, und vermutlich war dieser Täter anders als JTR Linkshänder. Zudem wurde sie nicht gewürgt, es gab keinen vollständigen Kehlenschnitt, die Wunden waren nicht so tief und der Unterleib war nicht ausgeweidet.
Der Täter hätte wahrscheinlich durchaus genug Zeit für weiterreichende Verstümmelungen gehabt, denn er war wohl diesmal nicht gestört worden. Indiz dafür: Obwohl es kurz geregnet hatte, war der Gehweg unter McKenzies Körper trocken, was bedeutet, dass sie wohl schon vor dem Schauer getötet wurde und somit einige Zeit unentdeckt dagelegen hatte. Möglicherweise war es ein Nachahmungstäter, der dem Ripper diesen Mord in die Schuhe schieben wollte.
Falls es doch JTR war, deutet alles darauf hin, dass er nicht mehr auf der Höhe seiner physischen und/oder psychischen Kräfte war.
Auch der große zeitliche Abstand zu den übrigen Taten fällt auf: JTR hatte eine sehr kurze Abkühlphase, so dass längere Pausen wohl nur durch widrige Umstände wie Krankheit,  Einweisung oder Überwachung durch Familie und/oder Polizei zu erklären sind.


Dezember 1889: Der Hunde-Zwischenfall
Im Dezember 1889 stand Aaron Kosminski vor einer behördlichen Anhörung. Er sollte ein Bußgeld bezahlen, weil er einen Hund ohne Maulkorb mit sich geführt hatte. Er sagte aus, dass er manchmal unter dem Namen seines Bruders "Abrahams" unterwegs sei, und dass der Hund einem "Jacobs" gehöre: "I goes by the name of Abrahams sometimes, because Kosminski is hard to spell… I cannot pay, the dog belongs to Jacobs, it is not mine…"

Mit Jacobs meinte er vermutlich seinen Verwandten Jacob Cohen. Wenn Aaron öfter die Namen seiner Verwandten als Alias benutzte, könnte dies die Ermittlungen der Polizei behindert und zu manchen der bekannten Unstimmigkeiten geführt haben, weil dadurch einige Verbindungen nicht gleich aufgedeckt werden konnten.


12. Juli 1890: Vorübergehende Einweisung ins Krankenhaus
Aaron Kosminski wurde von seinem Schwager Woolf Abrahams aus der Providence Street zur Behandlung in das "Mile End Old Town Workhouse" Krankenhaus eingewiesen. Aus dem Aufnahmeregister geht hervor, dass er schon seit mindestens zwei Jahren als geisteskrank galt.
Als seine Wohnadresse wurde Sion Square 3 / Mulberry Street bei seinem Bruder Woolf, und sein Beruf als Haarschneider angegeben.
Schon drei Tage später wurde er wieder entlassen und in die Obhut seines Schwagers Morris Lubnowski, wohnhaft Greenfield Street 16, übergeben.

Interessant ist, dass eine zweijährige psychiatrische Vorgeschichte angegeben wird: Dies deutet darauf hin, dass Kosminski bereits 1888/1889 in einer Anstalt gewesen sein könnte.
Die Polizei soll jedenfalls laut einem Pressebericht alle privaten Sanatorien auf der Suche nach dem Ripper überprüft haben:
"The Dublin Express London correspondent on Thursday gave as the latest police theory concerning the Whitechapel murderer, that he has fallen under the strong suspicion of his near relatives, who to avert a terribly family disgrace, may have placed him out of harm's way in safe keeping. As showing that there is a certain amount of credence attached to this story, detectives have recently visited all the registered private lunatic asylums, and made full inquiries as to the inmates recently admitted."
War Kosminski der Ripper, würde dies den Zeitraum bis zu seiner offiziellen Einweisung nach Colney Hatch 1891 erklären.


4. Februar 1891: Endgültige Einweisung in die Psychiatrie

Nach der Bedrohung seiner Schwester mit einem Messer wurde Kosminski erneut in das "Mile End Old Town Workhouse" Krankenhaus eingewiesen, und von dort aus am 7. Februar weiter in die psychiatrische Anstalt "Colney Hatch Lunatic Asylum" verlegt.
Sein Verwandter, der Metzger Jacob Cohen, gab folgende Beschreibung über Kosminski ab: "Er läuft durch die Straßen und hebt Brotkrümel aus dem Rinnstein auf um diese zu essen. Er trinkt Wasser aus der Tränke und weigert sich Essen aus den Händen von Leuten anzunehmen. Er hob ein Messer auf und bedrohte damit seine Schwester sie umzubringen. Er ist sehr dreckig und weigert sich, zu waschen. Er versuchte in all den Jahren kein einziges Mal Arbeit zu finden."
Das Einweisungsformular weist ihn als bereits "seit sechs Jahren irrsinnig" aus. Weiterführende Notizen in seiner Akte: "Er behauptet, dass er von einer inneren Stimme gelenkt werde und die Aufenthaltsorte aller Menschen kenne."
Er hatte also akustische Halluzinationen und hörte befehlende Stimmen, die ihn zu seinen Taten zwangen - dies wird laut der forensischen Psychiatrie immer wieder von wahnkranken Mördern erzählt.
Während seines Aufenthalts in den psychiatrischen Einrichtungen wurde Aaron Kosminski zwar als harmlos angesehen. Laut Ripperologe Donald Rumbelow wurde er aber zweimal gewalttätig: Er soll einen Pfleger mit einem Stuhl beworfen und einmal gar eine Krankenschwester mit einem Messer bedroht haben.

Dass Aaron Frauen mit einem Messer bedrohte und behauptete, von einer inneren Stimme gelenkt zu werden, ist ein gutes Indiz für eine mögliche Täterschaft.
Der Journalist George Sims schrieb über den Ripper-Fall:
"He was a Polish Jew of curious habits and strange disposition, who was the sole occupant of certain premises in Whitechapel after night-fall. This man was in the district during the whole period of the Whitechapel Murders, and soon after they ceased certain facts came to light which showed it was quite possible that he might have been the Ripper. He had at one time been employed in a hospital in Poland. He was known to be a lunatic at the time of the murders, and some-time afterwards he betrayed such undoubted signs of homicidal mania that he was sent to a lunatic asylum."
Dies passt auf Kosminski. Sims schrieb auch:
"A curious story has got out here that if true explains the long rest which Jack the Ripper has been taking from his diabolical work in the Whitechapel district, London. A lady from this city visiting a distinguished official in London, states in a letter written to friends here that the Ripper has been under arrest in the London metropolis for some time. He is a medical student and was arrested on the strength of information given by his own sister.
The authorities, the letter states, have kept the matter a strict secret in order to work up the case against the prisoner, and they are said to have a very complete chain of evidence."
Auch diese Aussage würde gut auf Kosminski passen, der ja offenbar vor allem wegen des Angriffs auf seine Schwester eingeliefert wurde.


Freitag, 13. Februar 1891: Mord an Frances Coles in Swallow Gardens
Gegen 1:45 Uhr traf eine Bekannte, die Prostituierte Ellen Callagher, in der Commercial Street auf Coles. Sie liefen gemeinsam Richtung Minories und begegneten einen "brutalen Mann mit einer Baskenmütze", an den Callagher sich als einen früheren Kunden erinnerte. Sie will Coles gewarnt haben, dass der Mann ihr vor einiger Zeit ein blaues Auge geschlagen habe, und sie solle sich nicht mit ihm abgeben. Coles befolgte den Rat ihrer Freundin allerdings nicht und unterbreitete dem Mann ein Angebot, worauf die beiden ohne Callagher in Richtung Minories gingen.
Carmen Friday und die Brüder Knapton gingen kurz nach 2 Uhr morgens durch die Eisenbahn-Unterführung Swallow Gardens. Sie sahen eine Frau und einen Mann, die an der Ecke der Royal Mint Street standen. Gegen 2:15 Uhr entdeckte Police Constable Ernest Thompson auf seiner Runde unter der Eisenbahnbrücke die Prostituierte Frances Coles mit durchschnittener Kehle.
Verdächtigungen wie im Automn of Terror mit den Gerüchten um "Lether Apron" verbreiteten sich unter den Bewohnern des Eastends, diesmal sollte laut Mundpropaganda ein gewisser "Jacobs" (!) der Mörder gewesen sein (vgl. Timeline des Casebook). Die Justiz klagte später Coles gewalttätigen Freund Thomas Sadler an, der jedoch freigesprochen wurde, weil er ein Alibi hatte.

Coles war auch eine Prostituierte, der die Kehle aufgeschlitzt wurde, allerdings wurde sie nicht zuvor gewürgt, sondern einfach zu Boden gerissen, das Messer soll ebenfalls ein anderes gewesen sein - der obduzierende Dr. Phillips hielt jedenfalls JTR nicht für den Täter.
Interessant ist allerdings, dass in gewissen Teilen der Bevölkerung der Name "Jacobs" die Runde machte, was doch sehr nach "Jacob" klingt. Der Metzger Jacob Cohen war eben jener Verwandte von Aaron Kosminski, der Aaron in der Woche vor dem Mord in die Anstalt einlieferte. Auch hatte Kosminski beim Hunde-Zwischenfall gesagt, dass das Tier einem "Jacobs" gehöre (s.o.). Könnte hier ein Verdacht an die Öffentlichkeit durchgesickert sein, der sich nach dem Stille-Post-Prinzip verselbständigt hat?


1892: Ermittlungs-Ende

Die Akte Jack the Ripper wird von der Polizei offiziell geschlossen.

Dies passt zeitlich gut zu Kosminskis Einlieferung: War Aaron der Ripper-Hauptverdächtige, so konnte der Fall ad acta gelegt werden, nachdem klar war, dass er die Psychiatrie nie mehr verlassen würde.


23. Februar 1894: Das Macnaghten-Memorandum
Chief Constable Sir Melville Macnaghten verfasst sein polizeiinternes Memorandum, indem Kosmiski als einer der drei Hauptverdächtigen genannt wird:
"Kosminiski war ein polnischer Jude und Einwohner in Whitechapel. Dieser Mann verfiel dem Wahnsinn, da er sich über viele Jahre hinweg dem Laster der Selbstbefriedigung hingegeben hatte. Er hatte einen großen Hass auf Frauen, besonders auf Prostituierte und hatte starke mörderische Neigungen. Er wurde etwa im März 1889 in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen. Es gab viele Sachverhalte in Verbindung mit diesem Mann, die ihn zu einem überzeugenden Verdächtigen machten."

Dass ein Teenager durch Selbstbefriedigung irrsinnig würde, ist zwar überholter Aberglaube - jedoch weiß die forensische Psychiatrie, dass es manchmal umgekehrt ist: So gilt zwanghafte Masturbation als ein Symptom von mangelnder Impulskontrolle und sexueller Obsession bei einer psychischen Erkrankung.


19. April 1894: Überführung nach Laevesden
Kosminski wurde aus der psychiatrischen Anstalt "Colney Hatch" nach Laevesden, einem Heim für "ältere Schwachsinnige", gebracht und wurde dort als "chronisch harmlos geisteskrank und als Idiot oder geistesschwach" in der Kartei geführt. In Aufzeichnungen wird über ihn berichtet: "Hat den Bezug zur Realität komplett verloren. Kann sich nicht mehr an sein Alter erinnern und wie lange er schon in dem Heim wohnt. Hat Halluzinationen, sieht Erscheinungen und hört Stimmen. Zeitweilig verhält er sich sehr stur. Er ist unordentlich, aber sauber. Er arbeitet nicht". In diesem Heim verbrachte er die nächsten 25 Jahre bis zu seinem Lebensende.

Interessant ist die zeitliche Nähe zu Macnaghtens Memorandum: Könnte die Verlegung von Kosminski von Colney Hatch nach Leavasden vielleicht eine Folge der Erwähnung in dem Memorandum im Februar gewesen sein, vielleicht aus Sorge um ein mögliches Durchsickern des Inhalts an die Öffentlichkeit?


24. März 1919: Kosminskis Tod
Ab Anfang 1919 verschlechterte sich Aaron Kosminskis Gesundheitszustand drastisch, bis er dann am 24. März in Laevesden starb.


Fazit

Die Theorie, dass JTR ein psychisch kranker jüdischer Haarschneider war, der im Irrenhaus endete, erklärt den ansonsten merkwürdigen Schluss im Ripper-Fall: Nach dem Ende der Mordserie laufen die Ermittlungen angeblich ergebnislos aus, die Akte wird geschlossen - aber Jahre später erklären hochrangige Polizisten in ihren Memoiren oder Zeitungsartikeln, der Ripper wäre eigentlich identifiziert worden.

Nach dem Mord an Mary Ann Nichols verdichteten sich im Eastend schnell Gerüchte, dass die Morde von einem Juden mit dem Spitznamen "Leather Apron" verübt worden sein sollten, was so auch in den Zeitungen verbreitet wurde und schon zu ersten antisemitischen Aufwallungen und Kundgebungen führte.
Superintendent Thomas Arnold ordnete daher nach dem Double Event mit Erlaubnis von Polizeichef Charles Warren an, das Goulston Street Graffiti auf der Stelle zu entfernen, explizit aus dem Grund, um mögliche Pogrome gegen Juden zu verhindern. In seinem Bericht vom 9. November 1888 schreibt Arnold: "Ich bitte darum berichten zu dürfen, dass am Morgen des 30. September, dem Letzten, meine Aufmerksamkeit auf eine Aufschrift an der Wand des Eingangs zu Behausungen in der Goulston Street 108, Whitechapel gerichtet wurde, welche aus folgenden Worten bestand: 'Die Juwes sind [nicht] die Menschen, die nicht grundlos beschuldigt werden'.
Ich wusste, dass aufgrund der Verdächtigung eines Juden namens John Pizer, genannt ‚Leather Apron‘, der beschuldigt wurde, den kürzlich in der Hanbury Street verübten Mord begangen zu haben, ein starkes Gefühl gegen die Juden im Allgemeinen aufkam. Da das Gebäude, auf dem sich die Aufschrift befand, mitten in der Lokalität liegt, die hauptsächlich von dieser Religions-gemeinschaft bewohnt wird, war ich besorgt darüber, dass wenn die Aufschrift verbleibt, diese für einen Aufstand verantwortlich sein könnte. Daher habe ich erwogen, dass es wünschenswert sei, sie aufgrund der Tatsache zu entfernen, dass sie sich an einer Stelle befand, die gut von den Menschen einsehbar war, die dort hinein- und hinausgehen."

Falls man den Ripper tatsächlich durch einen Zeugen als einen verrückt gewordenen jüdischen Haarschneider identifizierte, hätte die Bekanntgabe demnach zu schrecklichen Übergriffen bis hin zum Pogrom gegen die jüdische Gemeinde in Whitechapel im Allgemeinen und seine Familie im Besonderen führen können. Denn an die Eröffnung eines Prozesses wäre schon wegen des Gesundheitszustands des Tatverdächtigen nicht zu denken gewesen. Und selbst wenn: Ob die dünnen Beweismittel für eine Verurteilung ausreichend gewesen wären, darf bezweifelt werden - ein Freispruch aus Mangel an Beweisen wäre aber verheerend gewesen.
Wegen der sowieso schon explosiven sozialen Lage, einem weitverbreiteten Antisemitismus und der aufgestauten Wut durch den Ripper-Terror wäre wohl zu erwarten gewesen, dass viele Menschen dann ihre Aggressionen an Sündenböcken ausgelassen hätten.
Die Behörden könnten daher zu dem Schluss gekommen sein, es sei angesichts der explosiven Situation im Eastend sicherer, den todkranken Irren stillschweigend in einer Anstalt verrotten zu lassen und lieber weiter zähneknirschend vor der Öffentlichkeit wie Versager in diesem Fall dazustehen, als eine Katastrophe im Viertel zu riskieren.


Hier noch der Link zum geographischen Profil Kosminkis von Robert House:
http://www.casebook.org/images/robhouse_fig4.gif
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 29.10.2015 19:24 Uhr
Hi Arthur,

Sieht auf jeden Fall sehr gut aus. Nach dem ersten Lesen sehe hier und da Raum für Anmerkungen (nicht viel, nichts Aufregendes - wie könnte s auch anders sein?-). Bin ich wieder fitter, bekommst Du eine umfassende Antwort (die sollte dennoch kurzfristig erfolgen).

Vorab vielen Dank für deinen Fleiß. Tolle Arbeit.

Schönen Abend,

Lestrade.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 31.10.2015 14:36 Uhr
Nur ganz kurz... zwischendurch...

Aktuell geht es auch wieder einmal um Hyam Hyams. Gehört mit Kosminski, Cohen und Levy zu meinen "Favoriten". Vielleicht befassen wir uns demnächst auch noch einmal mit ihm?

http://forum.casebook.org/showthread.php?t=104&page=8

http://www.jtrforums.com/showthread.php?t=24578

(JTRForums Bilder nur mit Anmeldung möglich)

Lestrade.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 01.11.2015 21:12 Uhr
Hi Arthur,

Zu deiner Zusammenfassung:

Nur Swanson und Macnaghten erwähnten den Namen "Kosminski". Anderson erwähnte keinerlei Namen.

Beim Hundevorfall bestand Aaron Kozminski auf seinen wiklichen Geburtsnamen (Kosminski) und nicht auf Abrahams, den "neuen" Zunamen seiner Brüder. Falls er von der Polizei als Ripper Verdächtiger vernommen wurde, vielleicht mehrmals, dann hätte er statt Abrahams oder Cohen eben Kosminski angegeben haben können. Für seine Familie war er sicherlich Aaron Abrahams oder Aaron Cohen usw., vielleicht auch für die Polizei. Aber seine Macke, auf Kosminski zu bestehen, würde das schlichte Kosminski von Swanson und Macnaghten erklären. So etwas hätte bei den Beamten einen bleibenden Einruck hinterlassen haben können, da selten und in ihren Kreisen war das schlicht und einfach dann der "Kosminski". Vielleicht war das auch unter der Bevölkerung und unter "Freunden" seine Anrede. Auf den Grabsteinen seiner Brüder und seiner Schwester stehen die Namen Abrahams und Cohen, alle waren geborene Kozminski (bzw. verheiratete Lubnowski). Bei Aaron steht Aaron Kozminsky drauf.

Das geographische Profil von Rob House ist schon älter und entstand unter dem Eindruck, dass der Sion Square die Adresse war. Später erfuhr Robert von der Yalford Street und erst nach seinem Buch "Prime Suspect" von der Providence Street.

Lestrade.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 01.11.2015 21:29 Uhr
Die Mordserie

Dienstag, 7. August 1888: Martha Tabram im George Yard
Tabram wurde im Treppenhaus des George Yard Buildings 37 vermutlich das erste Opfer von JTR.
Tabram war auf einer Kneipentour mit ihrer Bekannten Mary Ann Connely ("Pearly Poll") und zwei Soldaten. Gegen 0 Uhr trennten sich die Pärchen um Sex zu haben, Connely ging mit dem Corporal zur Angel Alley, und Tabram verschwand mit dem Private in den George Yard.
Gegen 1.40 Uhr stieg das Ehepaar Elizabeth und Joseph Mahoney das Treppenhaus zu ihrem Zimmer hinauf und sah nichts. Auch als Elizabeth Mahoney es kurz darauf wieder durchquerte, um in einem Shop in der Thrawl Street etwas zu Essen zu kaufen, lag Tabram noch nicht da.
Tabram wurde mit einem Stich ins Herz getötet und mit insgesamt 39 Messerstichen in Brust und vor allem Unterleib traktiert. Sie lag auf dem Rücken, ihre Kleider waren hochgeschoben und ihre Beine gespreizt, ebenso wie bei den kanonischen Ripper-Opfern.
Gefunden wurde die Leiche auf dem Absatz des ersten Stocks gegen 4.45 Uhr durch Bewohner John Saunders Reeves, nachdem bereits Bewohner Alfred George Crow gegen 3.30 Uhr Tabram für einen schlafenden Obdachlosen gehalten hatte. Damit muss die Tatzeit zwischen 1.45 Uhr und 3.30 Uhr liegen. Reeves suchte eine Polizeistreife und fand Constable Thomas Barrett auf seiner Runde.

Der Soldat dürfte wohl der Letzte gewesen sein, der Tabram lebend gesehen hat, konnte aber weder von "Pearly Poll" noch von Constable Barrett bei Gegenüberstellungen identifiziert werden, obwohl letzterer auf seiner Streife durch die Wentworth Street gegen 2 Uhr einen Private der Grenadier Guard am Nordende des George Yard stehen sah und ihn ansprach. Der Private sagte dem Polizisten, er warte auf einen Kameraden, der mit einem Mädchen unterwegs sei, darauf ging Barrett weiter seine Streife, bis er drei Stunden später von Reeves zum Tatort gerufen wurde.
Der unbekannte Soldat könnte also den Mord verübt haben, dennoch war er aber wahrscheinlich nicht der Täter: Rund zwei Stunden für Sex mit einer älteren, unattraktiven Prostituierten an einem öffentlich zugänglichen Ort erscheint doch ein ziemlich langer Zeitraum. Wenn sie so lange im Treppenhaus von Nr. 37 gewesen wären, wäre wohl auch das Ehepaar Mahoney oder ein anderer Bewohner auf beide gestoßen.
Zudem hätte ein blutbefleckter Mörder wohl kaum in unmittelbarer Nähe des Tatorts auf seinen Kameraden gewartet und so entspannt auf Polizist Barrett reagiert. Barrett jedenfalls kam nichts an ihm und seinem Verhalten verdächtig vor.
Wahrscheinlicher ist, dass sich Tabram nach 1.45 Uhr noch mit einen anderen Mann - eben dem Ripper - in den George Yard zurückgezogen hat.

Erkenntnissen der modernen Kriminologie zufolge stammt das erste Opfer eines Serientäters oft aus seinem näheren räumlichen Umfeld.
Tabrams letzte bekannte Adresse war Satchell's Lodging House in der George Street, und die Kneipentour endete vor den George Yard Buildings. Die Adressen von Aaron Kosminski, Sion Square 3 / Mulberry Street (falls er 1888 schon dort wohnte), und seiner Familie in der Greenfield Street liegen nur rund 200 bzw. 300 Meter oder etwa 2-4 Minuten Fußweg von beiden Orten entfernt.

Hier möchte ich etwas anmerken, was meines Erachtens wenig Beachtung findet. In der Nacht des Double Events machte der Ripper zwei mögliche Stopps. Einmal (nach Stride) in der Church Lane (gegenüber dem Eingang Osborn Street) und das zweite Mal (nach Eddowes) in der Goulston Street. In beiden Fällen wollte der Ripper möglicherweise zu seiner Unterkunft, im Falle Church Lane, nach Stride, überlegte er es sich jedoch und zog weiter. Gehst Du die Goulston Street weiter und wärst nach der Church Lane in die Osborn Street eingebogen, hättest Du eine "Mitte" erreicht und diese Mitte ist der Tatort im Falle Emma Smith, nicht weit vom Tatort Tabram im George Yard. Dies ist die Kreuzung Wentworth Street/Old Montague Street/Osborn Street/Brick Lane. Detektiv Cox sprach in seinem Falle von einem "eigenen Shop" des Verdächtigen und er erwähnt ein Model Lodging House und ich denke, er meinte das George Yard Building. Er sagte das mit einem Selbstverständnis wie es Swanson mit dem Seaside Home tat. Zur Zeit der Morde gab es einen Leather Apron den man auch "The Mad Snob" nannte. Aaron´s Schwager Morris Lubnowski (Cohen) war Bootlaster und die bezeichnete man auch als Snob. Das tat man auch mit Cobbler (Flickschuster) und wir wissen, dass es in Macnaghten Donner/Loftus Version für den polnischen Verdächtigen die Erwähnung gibt, dass er Leather Apron und ein Cobbler oder Tanner war. Es ist schlicht und einfach möglich, dass Morris einen Shop führte, in dem er aber nur tagsüber arbeitete und Aaron die Nacht und die Wochenende bzw. Feiertage für sich alleine war. Dies würde auch die Mordtage erklären. Ich vermute einen Shop in oder in der Umgebung der Brick Lane. Ein amtlich geographisches Profil gibt heute die Flower and Dean Street als Wohnort des Rippers an. Sie mündet in die Brick Lane.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 01.11.2015 21:42 Uhr
Gegen 6.15 Uhr hörte Nachbarin Marie Ann Cox Schritte im Hof und sah dort einen Mann Mitte 30 mit dunkler Kleidung (schränkt jedoch ein, es könnte auch ein Polizist gewesen sein)

Den Mann sah Cox weit vor dieser Zeit mit Kelly zusammen, es war Blotchy Man. Die Vermutung 6.15 Uhr und der Polizist sind aber korrekt.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 01.11.2015 22:02 Uhr

"Butcher's Row Suspect"

Nach dem Kelly-Mord begann die City Police laut den Aussagen verschiedener Polizisten damit, mehrere Monate lang einen Tatverdächtigen in dem "Butcher's Row" genannten Abschnitt der Aldgate High Street zu observieren.

Nur Cox sprach von Monaten, er selber war mit ca. 3 Monaten damit beschäftigt. Mit Sicherheit war es nicht die Butchers Row. Es ist jedoch gut möglich, dass Cox den "Shop des Rippers" (tag und nacht) überwachte und Sagar nur in der Nacht in der Butchers Row gewesen war. Immerhin verfolgte Cox seinen Mann bis zu mindestens einem weiteren Shop (Leman Street) in der Nacht. Oder aber, Sagar war nach Cox´s Ausstieg in der Butchers Row an diesem Mann dran, wie lange wäre aber unbekannt und wir können dann nur von kurz ausgehen, da Kosminski ca März 1889 (Macnaghten) in eine Anstalt kam. Kosminski hatte, nach Einbruch der Nacht (Sims), mehrere (Arbeits) Orte. Dazu gehörten sicherlich der Shop den Cox erwähnte (die Hauptadresse tag und nacht), ein Shop in der Leman Street und ein Butchers Shop in der Aldagte High Street. Der Haupshop war Wohn- und Arbeitsort zugleich. Im Dezember 1890 war Sagar an einer Überwachung und einer Razzia im Bull Inn Yard gegenüber der Butchers Row beschäftigt. Hier könnte auch ein Zusammenhang mit Kosminski bestehen. Möglicherweise besteht ein Zusammenhang zwischen (City Police) Sagar´s Äußerungen mit den Wunsch von Freunden des Verdächtigen und Swanson´s Bemerkung, dass dieser von Leuten der City Kripo überwacht wurde. Ich schätze, dass die City Police auch der Bringer von Kosminski zur Seaside Home ID gewesen war. Auf Casebook/JTRFoums diese Woche schrieb ich darüber ausführlicher. Kurz vor Aaron´s Einweisung gab es in der Greenfield Street (Isaac & Matilda) offenbar City Police Beamte in Zivil und einen Fall, in den Cox und Sagar mitarbeiteten. Der Fall hatte allerdings keinen Zusammenhang mit dieser Familie aber es scheinen unabhängig davon Beamte in dieser Straße Dienst geschoben zu haben.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 01.11.2015 22:18 Uhr
[/b]4. Februar 1891: Endgültige Einweisung in die Psychiatrie[/b]
Nach der Bedrohung seiner Schwester mit einem Messer wurde Kosminski erneut in das "Mile End Old Town Workhouse" Krankenhaus eingewiesen, und von dort aus am 7. Februar weiter in die psychiatrische Anstalt "Colney Hatch Lunatic Asylum" verlegt.

Wir wissen nicht, wann diese Bedrohung sich ereignete. Es gab den "Brick Lane Zwischenfall" am 22. November 1888 und man könnte meinen, dass dies eine Situation zweier miteinander Verwandte gewesen war. Es gab auch keine Verhandlung, genauso wie es kein Urteil gab im Falle Aaron Davis Cohen/ N. Cohen/ Ellen Hickey kurze Zeit später. Der Mann vom 22.11. wurde an einer Brauerei in der Brick Lane verzweifelt mit einem Messer fuchtelnd gefasst und abgeführt. Dazu passen auch die Angaben einer Frau im Dezember 1888, die einen nahen Angehörigen als Jack the Ripper vermutete (ähnliches gab es schon im Oktober 1888). Diese Mann wurde wohl in einer Anstalt vermutet. Den Zeitraum den Cox angab, regt zur Vermutung an, dass er diesen Mann überwacht haben könnte, nachdem dieser wieder aus der Anstalt kam. Vielleicht war der Mann und die Frau in der Brick Lane Kosminski und seine Schwester und sie brachten ihn nach diesem Zwischenfall aus der Stadt raus und die Polizei musste ihn suchen gehen.

Nach Kelly (9. November 1888) und vielleicht eben auch nach dem 22. November 1888 wurde es sehr ruhig um diese Mordserie, sie riss eigentlich ab. Dazu passen all diese Ereignisse.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 01.11.2015 22:35 Uhr
Fazit

Die Theorie, dass JTR ein psychisch kranker jüdischer Haarschneider war, der im Irrenhaus endete, erklärt den ansonsten merkwürdigen Schluss im Ripper-Fall: Nach dem Ende der Mordserie laufen die Ermittlungen angeblich ergebnislos aus, die Akte wird geschlossen - aber Jahre später erklären hochrangige Polizisten in ihren Memoiren oder Zeitungsartikeln, der Ripper wäre eigentlich identifiziert worden.

Nach dem Mord an Mary Ann Nichols verdichteten sich im Eastend schnell Gerüchte, dass die Morde von einem Juden mit dem Spitznamen "Leather Apron" verübt worden sein sollten, was so auch in den Zeitungen verbreitet wurde und schon zu ersten antisemitischen Aufwallungen und Kundgebungen führte.
Superintendent Thomas Arnold ordnete daher nach dem Double Event mit Erlaubnis von Polizeichef Charles Warren an, das Goulston Street Graffiti auf der Stelle zu entfernen, explizit aus dem Grund, um mögliche Pogrome gegen Juden zu verhindern. In seinem Bericht vom 9. November 1888 schreibt Arnold: "Ich bitte darum berichten zu dürfen, dass am Morgen des 30. September, dem Letzten, meine Aufmerksamkeit auf eine Aufschrift an der Wand des Eingangs zu Behausungen in der Goulston Street 108, Whitechapel gerichtet wurde, welche aus folgenden Worten bestand: 'Die Juwes sind [nicht] die Menschen, die nicht grundlos beschuldigt werden'.
Ich wusste, dass aufgrund der Verdächtigung eines Juden namens John Pizer, genannt ‚Leather Apron‘, der beschuldigt wurde, den kürzlich in der Hanbury Street verübten Mord begangen zu haben, ein starkes Gefühl gegen die Juden im Allgemeinen aufkam. Da das Gebäude, auf dem sich die Aufschrift befand, mitten in der Lokalität liegt, die hauptsächlich von dieser Religions-gemeinschaft bewohnt wird, war ich besorgt darüber, dass wenn die Aufschrift verbleibt, diese für einen Aufstand verantwortlich sein könnte. Daher habe ich erwogen, dass es wünschenswert sei, sie aufgrund der Tatsache zu entfernen, dass sie sich an einer Stelle befand, die gut von den Menschen einsehbar war, die dort hinein- und hinausgehen."

Falls man den Ripper tatsächlich durch einen Zeugen als einen verrückt gewordenen jüdischen Haarschneider identifizierte, hätte die Bekanntgabe demnach zu schrecklichen Übergriffen bis hin zum Pogrom gegen die jüdische Gemeinde in Whitechapel im Allgemeinen und seine Familie im Besonderen führen können. Denn an die Eröffnung eines Prozesses wäre schon wegen des Gesundheitszustands des Tatverdächtigen nicht zu denken gewesen. Und selbst wenn: Ob die dünnen Beweismittel für eine Verurteilung ausreichend gewesen wären, darf bezweifelt werden - ein Freispruch aus Mangel an Beweisen wäre aber verheerend gewesen.
Wegen der sowieso schon explosiven sozialen Lage, einem weitverbreiteten Antisemitismus und der aufgestauten Wut durch den Ripper-Terror wäre wohl zu erwarten gewesen, dass viele Menschen dann ihre Aggressionen an Sündenböcken ausgelassen hätten.
Die Behörden könnten daher zu dem Schluss gekommen sein, es sei angesichts der explosiven Situation im Eastend sicherer, den todkranken Irren stillschweigend in einer Anstalt verrotten zu lassen und lieber weiter zähneknirschend vor der Öffentlichkeit wie Versager in diesem Fall dazustehen, als eine Katastrophe im Viertel zu riskieren.

Laut Swanson ist anzunehmen, dass, falls der Seaside Home Zeuge keinen Rückzieher gemacht hätte, Kosminski gehangen worden wäre. Unabhängig von seinem Zustand oder drohenden Aufständen. Mann kann das natürlich auch anders interpretieren aber wenn der Zeuge ausgesagt hätte, war damit zu rechnen, dass die Öffentlichkeit erfahren hätte, dass der Frauenmörder aus dem East End ein Jude war und hingerichtet wird. Der Grund war doch der, dass sie ihm nichts nachweisen konnten. Dein Zitat sollte das wahre Übel deutlich zum Ausdruck bringen:

"Sir Robert Anderson has assured the writer that the assassin was well known to the police, but unfortunately, in the absence of sufficient legal evidence to justify an arrest, they were unable to take him. It was a case of moral versus legal proof. The only chance the police had, apparently, was to take the miscreant red-handed…"

"The only chance the police had, apparently, was to take the miscreant red-handed…"

Und das taten sie zwischen Ende 1888 und Anfang 1890 (in den Zeiten, in denen er auf freien Fuß war) jedoch ohne Erfolg. Ich denke, dass Kosminski von ca. März 1889 bis zu seiner Einweisung im Februar 1891 gar nicht mehr in der Lage war, eine weitere Tat auszuführen.

Ressler:

'With his last victim, Jack the Ripper not only removed the uterus, but cut off the victim's ears and nose and placed these on a severed breast in a mockery of a face.'...'If the killer was deranged and becoming progressively more so, it is likely that he might well have gone off the deep end entirely'...'so crazed that he could no longer even commit crimes, and have landed either in  a suicide's grave or in an institution for the insane.'...'Suicide or confinement until death would explain why he was never apprehended."

Bei dem Mann, der Kelly so zurichtete, gingen bereits die Lichter aus, um das einmal derbe auszudrücken. Da konnte die Polizei lange auf das "Auf frischer Tat ertappen" warten. Und das haben sie auch...

Das war es erst einmal Arthur,

Beste Grüße,

Lestrade.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 01.11.2015 23:24 Uhr
Vielleicht noch wichtig für dich bezüglich der Adressen der Kozminskis:

Isaac Abrahams führte offenbar zwei Pensionen in Ramsgate ("Häuser am Meer"  ;)). Hier der Link:

http://forum.casebook.org/showthread.php?t=1756

Diese Adressen in Ramsgate lagen ca. 120km von der Greenfield Adresse in London entfernt.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 02.11.2015 16:41 Uhr
Hallo Lestrade,

danke für deine Anmerkungen, ich habe sie mir alle durchgelesen und noch einige interessante neue Aspekte und Infos darin gefunden. War ja zu erwarten - du arbeitest schließlich schon wesentlich länger dran als ich.
 ;)
Bei einzelnen Punkten lag es wohl auch nur an unklaren Formulierungen meinerseits - nur beim letzten Punkt mit meiner These zum Schweigen der Behörden bin ich anderer Meinung (s.u.).


"Nur Swanson und Macnaghten erwähnten den Namen "Kosminski". Anderson erwähnte keinerlei Namen."

Yes, hab ich geschrieben, aber wohl etwas unklar formuliert:
"Und Chief Inspektor Swanson notierte in seinem persönlichen Exemplar von Assistant Commissioner Robert Andersons Memoiren zu dem Verdächtigen, den die Polizei überwachte und der schließlich in eine Nervenheilanstalt eingeliefert wurde: "Dieser Verdächtige war Kosminski."


"Aber seine Macke, auf Kosminski zu bestehen, würde das schlichte Kosminski von Swanson und Macnaghten erklären. So etwas hätte bei den Beamten einen bleibenden Einruck hinterlassen haben können, da selten und in ihren Kreisen war das schlicht und einfach dann der "Kosminski"."

Eine gute Erklärung, hätte ich jetzt nicht dran gedacht.


"Das geographische Profil von Rob House ist schon älter und entstand unter dem Eindruck, dass der Sion Square die Adresse war. Später erfuhr Robert von der Yalford Street und erst nach seinem Buch "Prime Suspect" von der Providence Street."

Stimmt, wir wissen nicht, ab wann Aaron im Sion Square war, aber das Profil passt ja auch ungefähr auf die Greenfield Street, wie ich geschrieben hatte, und die Yalford ist ja auch nicht weit weg... Hätte ich vielleicht präziser darstellen sollen.
Das mit den Kreisen ist ja sowieso nur eine vereinfachte, idealisierte Vorgehensweise. Moderne Geoprofiling-Software bringt da differenziertere Ergebnisse, aber jene einfache Methode bleibt m.E. eine brauchbare Annäherung, wenn man von der These ausgeht, dass JTR im Eastend wohnte bzw. arbeitete.
Ich war nur zu faul, selbst die Karte zu malen, daher hatte ich einfach die von House verlinkt - kann ich aber nachholen, und zwar auch mit Providence Street.


"Detektiv Cox sprach in seinem Falle von einem "eigenen Shop" des Verdächtigen und er erwähnt ein Model Lodging House und ich denke, er meinte das George Yard Building. (...) Ich vermute einen Shop in oder in der Umgebung der Brick Lane. Ein amtlich geographisches Profil gibt heute die Flower and Dean Street als Wohnort des Rippers an."

Ah, daher deine These von dem Shop in der Umgebung Brick Lane... Ist dieses amtliche das Profil  mit den farbigen Flächen, das hier irgendwo im Forum verlinkt war? Ich finde es nur gerade leider nicht wieder.


"Den Mann sah Cox weit vor dieser Zeit mit Kelly zusammen, es war Blotchy Man. Die Vermutung 6.15 Uhr und der Polizist sind aber korrekt."

Kann es sein, dass da gerade zwei Dinge durcheinander geraten? Ich schrieb zuerst:
"Gegen 23.45 Uhr sah ihre Nachbarin Mary Ann Cox, wie Kelly mit einem Kunden auf ihr Zimmer ging." - das war Blotchy Man.
Aber am frühen Morgen gegen 6.15 bemerkte Cox laut Schachners Buch dann noch einen Mann im Hof, zu dem sie auf Rückfrage einschränkte, es könnte auch einfach ein Polizist gewesen sein.


"Nur Cox sprach von Monaten, er selber war mit ca. 3 Monaten damit beschäftigt. Mit Sicherheit war es nicht die Butchers Row. Es ist jedoch gut möglich, dass Cox den "Shop des Rippers" (tag und nacht) überwachte und Sagar nur in der Nacht in der Butchers Row gewesen war. (...) Dazu gehörten sicherlich der Shop den Cox erwähnte (die Hauptadresse tag und nacht), ein Shop in der Leman Street und ein Butchers Shop in der Aldagte High Street. Der Haupshop war Wohn- und Arbeitsort zugleich."

Merci, dann muss ich mich in die Observationen wohl intensiver einarbeiten.


"Wir wissen nicht, wann diese Bedrohung sich ereignete."

Stimmt, leider gibt es zu der Messer-Geschichte in den Einweisungspapieren kein Datum - ich hätte es als "einen plausiblen Grund" dafür formulieren sollen, dass die Familie ihn schließlich nicht mehr selbst betreute, sondern ihn in Anstalten abschob.


"Laut Swanson ist anzunehmen, dass, falls der Seaside Home Zeuge keinen Rückzieher gemacht hätte, Kosminski gehangen worden wäre. Unabhängig von seinem Zustand oder drohenden Aufständen."

Also ich weiß nicht, ich sehe das etwas differenzierter:
 
1. Swanson mag ja persönlich der Ansicht gewesen sein, der Zeuge als Nachweis seiner Anwesenheit nahe Tatort und Tatzeit würde zur Verurteilung genügen, aber Anderson sagte dagegen explizit, man hätte JTR  schon "red-handed", also auf frischer Tat bzw. mit Blut an Messer und Klamotten erwischen müssen.
Es stimmt zwar, dass ein Zeuge erst die Möglichkeit gegeben hätte, einen Strafprozess überhaupt zu eröffnen - aber ob dessen Aussage zur Verurteilung gereicht hätte, ist immer nochmal eine ganz andere Frage, das entscheidet nicht Swanson, sondern das Gericht. Auch bei heutigen Strafprozessen sind die Beteiligten ja oft nicht einer Meinung, ob die Beweislast ausreicht.

2. Und das alles gilt auch nur unter der Voraussetzung, dass es nach britischen Recht überhaupt zulässig war, einen diagnostizierten Verrückten, der bereits wegen völliger Unzurechnungsfähigkeit im Irrenhaus sitzt, wegen Mordes zu verurteilen. Ich meine mich jedenfalls zu erinnern, dass ich irgendwo im Casebook gelesen habe, dies sei eben schon damals nach britischem Recht nicht so einfach möglich gewesen, ich finde es nur gerade nicht.
Da gab es aber z.B. 1884 einen Fall von Schiffbruch mit Kannibalismus, der vor einem britischen Gericht verhandelt wurde, bei dem auch schon die Frage der Zurechnungsfähigkeit aufgeworfen wurde. Die Schiffbrüchigen wurden als zurechnungsfähig befunden, aber dass diese Frage am Anfang im Raum stand, zeigt ja, dass es schon damals entsprechende Regelungen im britischen Recht gab:
"Dudley und Stephens plädierten auf „nicht schuldig”. In der Anklage wurden zunächst die gesetzlichen Hintergründe erläutert sowie erklärt, dass kein Notstand vorgelegen habe. Besonders lehnte Charles auch eine Verteidigung mit dem Einwand einer Schuldunfähigkeit aufgrund Schwachsinns o. ä. ab." https://de.wikipedia.org/wiki/R_v_Dudley_and_Stephens

Daher bin ich der Ansicht, dass meine These nicht so weit hergeholt ist: Die Behörden waren nachweislich besorgt, dass es zu gewalttätigen Ausschreitungen im Eastend kommen könnte (man denke an Superintendent Arnolds Befürchtung), zumal man ja auch schon unangenehme Erfahrungen mit dem „Bloody Sunday“ am Trafalgar Square 1887 gemacht hatte.
Und erst zu sagen "Wir haben ihn, das ist er" - aber ihn nicht verurteilen und bestrafen zu können, wäre in den Augen der Öffentlichkeit verheerend gewesen.


"Vielleicht noch wichtig für dich bezüglich der Adressen der Kozminskis: Isaac Abrahams führte offenbar zwei Pensionen in Ramsgate ("Häuser am Meer")"

Das Seaside Home als eine Pension von Abrahams - das wäre eine interessante neue Deutung. Allerdings würde dies die Frage aufwerfen, wieso die Polizei den Verdächtigen zur Identifizierung erst mit großen Schwierigkeiten dorthin bringen musste. Swanson: "...after the suspect had been identified at the Seaside Home where he had been sent by us with great difficulty..."

 
Uff, das war anstrengend, hat aber Spass gemacht.  :good:

MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 02.11.2015 17:58 Uhr
Ah, daher deine These von dem Shop in der Umgebung Brick Lane... Ist dieses amtliche das Profil  mit den farbigen Flächen, das hier irgendwo im Forum verlinkt war? Ich finde es nur gerade leider nicht wieder.

Moment Arthur, bin noch beschäftigt aber damit kann ich schon dienen:

http://www.dailymail.co.uk/sciencetech/article-2650534/Jack-Rippers-address-revealed-Geographic-profiling-pinpoints-street-serial-killer-lived.html

Da gab es, hoffe mich richtig zu entsinnen, mehrere, auch die mit den bunten Flächen... vielleicht ist sie hier mit dabei, schau mal bitte:

http://forum.casebook.org/showthread.php?t=5544&page=10

Colin Roberts, Post 92, diese Karte entspricht meiner Vorstellung vollends.

Bis später,

Lestrade.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 02.11.2015 18:28 Uhr
Also ich weiß nicht, ich sehe das etwas differenzierter:
 
1. Swanson mag ja persönlich der Ansicht gewesen sein, der Zeuge als Nachweis seiner Anwesenheit nahe Tatort und Tatzeit würde zur Verurteilung genügen, aber Anderson sagte dagegen explizit, man hätte JTR  schon "red-handed", also auf frischer Tat bzw. mit Blut an Messer und Klamotten erwischen müssen.
Es stimmt zwar, dass ein Zeuge erst die Möglichkeit gegeben hätte, einen Strafprozess überhaupt zu eröffnen - aber ob dessen Aussage zur Verurteilung gereicht hätte, ist immer nochmal eine ganz andere Frage, das entscheidet nicht Swanson, sondern das Gericht. Auch bei heutigen Strafprozessen sind die Beteiligten ja oft nicht einer Meinung, ob die Beweislast ausreicht.

2. Und das alles gilt auch nur unter der Voraussetzung, dass es nach britischen Recht überhaupt zulässig war, einen diagnostizierten Verrückten, der bereits wegen völliger Unzurechnungsfähigkeit im Irrenhaus sitzt, wegen Mordes zu verurteilen. Ich meine mich jedenfalls zu erinnern, dass ich irgendwo im Casebook gelesen habe, dies sei eben schon damals nach britischem Recht nicht so einfach möglich gewesen, ich finde es nur gerade nicht.
Da gab es aber z.B. 1884 einen Fall von Schiffbruch mit Kannibalismus, der vor einem britischen Gericht verhandelt wurde, bei dem auch schon die Frage der Zurechnungsfähigkeit aufgeworfen wurde. Die Schiffbrüchigen wurden als zurechnungsfähig befunden, aber dass diese Frage am Anfang im Raum stand, zeigt ja, dass es schon damals entsprechende Regelungen im britischen Recht gab:
"Dudley und Stephens plädierten auf „nicht schuldig”. In der Anklage wurden zunächst die gesetzlichen Hintergründe erläutert sowie erklärt, dass kein Notstand vorgelegen habe. Besonders lehnte Charles auch eine Verteidigung mit dem Einwand einer Schuldunfähigkeit aufgrund Schwachsinns o. ä. ab." https://de.wikipedia.org/wiki/R_v_Dudley_and_Stephens

Daher bin ich der Ansicht, dass meine These nicht so weit hergeholt ist: Die Behörden waren nachweislich besorgt, dass es zu gewalttätigen Ausschreitungen im Eastend kommen könnte (man denke an Superintendent Arnolds Befürchtung), zumal man ja auch schon unangenehme Erfahrungen mit dem „Bloody Sunday“ am Trafalgar Square 1887 gemacht hatte.
Und erst zu sagen "Wir haben ihn, das ist er" - aber ihn nicht verurteilen und bestrafen zu können, wäre in den Augen der Öffentlichkeit verheerend gewesen.

Ich bin da im Prinzip "bei dir", wie man heute so schön sagt. Lasse mir nur diese Option offen, weil ich nicht weiß, was Swanson und Anderson wirklich am dealen waren und ob Swanson wirklich voll im Bilde war, mit dem, was ihm sein Meister so erzählte.

Man sprach in den letzten Jahre ja auch oft über das Verhalten von jüdischen Zeugen gegenüber jüdischen Verdächtigen, was man alles so gesehen haben muss etc. Im Falle Israel Lipski in 1887 spielte das dann wohl doch nicht so die Rolle. Aber ich möchte das auch garnicht weiter vertiefen. Ich gehe da eher mit dir konform...
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 02.11.2015 21:03 Uhr
Das Seaside Home als eine Pension von Abrahams - das wäre eine interessante neue Deutung. Allerdings würde dies die Frage aufwerfen, wieso die Polizei den Verdächtigen zur Identifizierung erst mit großen Schwierigkeiten dorthin bringen musste. Swanson: "...after the suspect had been identified at the Seaside Home where he had been sent by us with great difficulty..."

Ich glaube auch nicht, dass dies etwas mit der ID zu tun hatte aber er sollte öfters mal außerhalb Londons untergebracht gewesen sein. "Zur Not" vielleicht auch einmal im Ramsgate. Ich glaube, dass Rob House einst in Erfahrung brachte, dass Angehörige von "Geisteskranken" Personen, diese auch schon einmal "privat" unterbrachten. Er dachte zum Beispiel an die Werkstatt von Isaac Abrahams, meine ich.

Kann es sein, dass da gerade zwei Dinge durcheinander geraten? Ich schrieb zuerst:
"Gegen 23.45 Uhr sah ihre Nachbarin Mary Ann Cox, wie Kelly mit einem Kunden auf ihr Zimmer ging." - das war Blotchy Man.
Aber am frühen Morgen gegen 6.15 bemerkte Cox laut Schachners Buch dann noch einen Mann im Hof, zu dem sie auf Rückfrage einschränkte, es könnte auch einfach ein Polizist gewesen sein.


Gegen 6.15 Uhr hörte Nachbarin Marie Ann Cox Schritte im Hof und sah dort einen Mann Mitte 30 mit dunkler Kleidung (schränkt jedoch ein, es könnte auch ein Polizist gewesen sein).

Die gerichtliche Untersuchung des Falles Kelly:

Mary Ann Cox stated: I live at No. 5 Room, Miller's-court. It is the last house on the left-hand side of the court. I am a widow, and get my living on the streets. I have known the deceased for eight or nine months as the occupant of No. 13 Room. She was called Mary Jane. I last saw her alive on Thursday night, at a quarter to twelve, very much intoxicated.
[Coroner] Where was this ? - In Dorset-street. She went up the court, a few steps in front of me.
[Coroner] Was anybody with her ? - A short, stout man, shabbily dressed. He had on a longish coat, very shabby, and carried a pot of ale in his hand.
[Coroner] What was the colour of the coat ? - A dark coat.
[Coroner] What hat had he ? - A round hard billycock.
[Coroner] Long or short hair ? - I did not notice. He had a blotchy face, and full carrotty moustache.
[Coroner] The chin was shaven ? - Yes. A lamp faced the door.
[Coroner] Did you see them go into her room ? - Yes; I said "Good night, Mary," and she turned round and banged the door.
[Coroner] Had he anything in his hands but the can ? - No.
[Coroner] Did she say anything ? - She said "Good night, I am going to have a song." As I went in she sang "A violet I plucked from my mother's grave when a boy." I remained a quarter of an hour in my room and went out. Deceased was still singing at one o'clock when I returned. I remained in the room for a minute to warm my hands as it was raining, and went out again. She was singing still, and I returned to my room at three o'clock. The light was then out and there was no noise.
[Coroner] Did you go to sleep ? - No; I was upset. I did not undress at all. I did not sleep at all. I must have heard what went on in the court. I heard no noise or cry of "Murder," but men went out to work in the market.
[Coroner] How many men live in the court who work in Spitalfields Market ? - One. At a quarter- past six I heard a man go down the court. That was too late for the market.
[Coroner] From what house did he go ? - I don't know.
[Coroner] Did you hear the door bang after him ? - No.
[Coroner] Then he must have walked up the court and back again? - Yes.
[Coroner] It might have been a policeman ? - It might have been. Und jetzt schwenkt er wieder um zu Blotchy Man
[Coroner] What would you take the stout man's age to be ? - Six-and-thirty.
[Coroner] Did you notice the colour of his trousers ? - All his clothes were dark.
[Coroner] Did his boots sound as if the heels were heavy ? - There was no sound as he went up the court.
[Coroner] Then you think that his boots were down at heels ? - He made no noise.
[Coroner] What clothes had Mary Jane on ? - She had no hat; a red pelerine and a shabby skirt.
[Coroner] You say she was drunk ? - I did not notice she was drunk until she said good night. The man closed the door. By the Jury: There was a light in the window, but I saw nothing, as the blinds were down. I should know the man again, if I saw him.
By the Coroner: I feel certain if there had been the cry of "Murder" in the place I should have heard it; there was not the least noise. I have often seen the woman the worse for drink.


Ich habe gerade bei Thomas nachgelesen und es steht da so, wie Du es sagst. Ich denke aber, dass Cox nur etwas hörte und nichts sah. Der Mann Mitte 30 und dunkler Kleidung war Blotchy Man und nicht der Mann von 6.15 Uhr, den hatte Sie garnicht gesehen.

Aber eine Anmerkung:

Da waren an diesem Morgen drei Kutscher in der Dorset Street, die ihre Pferde fertigmachten. Vielleicht ging einer von ihnen in den Court. Am Ende des Courts, wo Cox lebte, waren Klos und hinter dem Raum von Kelly ebenfalls ein Klo und ein Brunnen. Das könnte der Mann gewesen sein, den Cox hörte und vielleicht der Seaside Home Zeuge. Stell Dir vor, Kosminski verlässt den Raum von Kelly und plötzlich steht der Kutscher vor ihm? Kosminski ist so erschrocken, weil er weiß, dass er nun identifiziert werden kann. Beide starren sich an, der Kutscher denkt, sein gegenüber sieht einen Geist, den Teufel höchstpersönlich. Der Kutscher ahnt aber nicht, dass er gerade den Teufel gesehen hat, vollkommen unbewusst und überhaupt nicht gewahr, dass er gerade das wichtigste Beweisstück im Ripper Fall geworden ist. So stell ich mir den Seaside Home Zeugen vor. Kelly fand man erst über vier Stunden später und er erkennt keinen Zusammenhang oder aber, ihm ist es peinlich, weil er, auf deutsch gesagt, im Millers Court scheißen war. Irgendwann in der zweiten Hälfte 1890 wird er dennoch ausfindig gemacht und zur ID gebracht. Als er den Raum betritt und Kosminski vom Stuhl fällt, wissen Anderson, Swanson und Co., dies ist unser Mann, Jack the Ripper.

Anderson konnte nun endlich sagen:

"... and the result proved that our diagnosis was right on every point"
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 03.11.2015 13:04 Uhr
Hallo Lestrade!

Ich brauchte etwas Zeit, um mich von der Halloween-Feier in meiner Heimatstadt voller Serienmörder von Ghostface bis John Wayne Gacy im Clownskostüm zu erholen.


"Ich habe gerade bei Thomas nachgelesen und es steht da so, wie Du es sagst. Ich denke aber, dass Cox nur etwas hörte und nichts sah. Der Mann Mitte 30 und dunkler Kleidung war Blotchy Man und nicht der Mann von 6.15 Uhr, den hatte Sie garnicht gesehen."

Danke für das komplette Verhör-Protokoll von Cox. Dann habe ich das aufgrund der Formulierungen in Schachners Buch wohl falsch im Kopf gehabt.


"Man sprach in den letzten Jahre ja auch oft über das Verhalten von jüdischen Zeugen gegenüber jüdischen Verdächtigen, was man alles so gesehen haben muss etc. Im Falle Israel Lipski in 1887 spielte das dann wohl doch nicht so die Rolle. Aber ich möchte das auch garnicht weiter vertiefen. Ich gehe da eher mit dir konform..."

Ja, die Behauptung, dass "diese Leute keinen der Ihren an die Polizei verraten", klingt für mich auch eher wie ein Vorurteil und geht schon Richtung Antisemitismus.
Im Eastend hatten die Leute ja allgemein den Ruf, nicht gerade gern mit der Polizei zusammenzuarbeiten. Und dass eine Familie - welcher Nation und welchen Glaubens auch immer - vielleicht einen kranken Angehörigen beschützen will und/oder Angst vor einem Skandal und den Folgen für die ganze Familie hat (soziale Isolation und wirtschaftliches Aus), ist nun wirklich nichts ungewöhnliches - zumal hier ja auch die konkrete Gefahr im Raum stand, dass sich ein Mob zusammenrottet und das Leben aller in Gefahr gerät.


"Da waren an diesem Morgen drei Kutscher in der Dorset Street, die ihre Pferde fertigmachten. Vielleicht ging einer von ihnen in den Court. Am Ende des Courts, wo Cox lebte, waren Klos und hinter dem Raum von Kelly ebenfalls ein Klo und ein Brunnen. Das könnte der Mann gewesen sein, den Cox hörte und vielleicht der Seaside Home Zeuge."

Ah, das ist also deine These vom erst spät gefundenen Zeugen in der Dorset Street. Jemand der JTR morgens aus Kellys Zimmer kommen sah - das wäre wirklich ein guter Zeuge gewesen.
 

Ich habe übrigens die Seite mit dem geographischen Profil noch mal gefunden, das ich gemeint hatte - es war nicht das mit dem Tropfen-Profil, sondern eines, das laut dem Autor Wesley English mit einer Geoprofiling-Software (für die kanonischen Fünf) erstellt wurde:
http://forum.casebook.org/showthread.php?t=4150
bzw.
http://www.wesleyenglish.com/geoprofile/infamous-cases/jack-the-ripper/

Was hältst du davon?


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 03.11.2015 13:40 Uhr
Hello Arthur!

Hallo Lestrade!

Ich brauchte etwas Zeit, um mich von der Halloween-Feier in meiner Heimatstadt voller Serienmörder von Ghostface bis John Wayne Gacy im Clownskostüm zu erholen.

 :lol:

Ja, die Behauptung, dass "diese Leute keinen der Ihren an die Polizei verraten", klingt für mich auch eher wie ein Vorurteil und geht schon Richtung Antisemitismus.
Im Eastend hatten die Leute ja allgemein den Ruf, nicht gerade gern mit der Polizei zusammenzuarbeiten. Und dass eine Familie - welcher Nation und welchen Glaubens auch immer - vielleicht einen kranken Angehörigen beschützen will und/oder Angst vor einem Skandal und den Folgen für die ganze Familie hat (soziale Isolation und wirtschaftliches Aus), ist nun wirklich nichts ungewöhnliches - zumal hier ja auch die konkrete Gefahr im Raum stand, dass sich ein Mob zusammenrottet und das Leben aller in Gefahr gerät.

Absolut!

Ah, das ist also deine These vom erst spät gefundenen Zeugen in der Dorset Street. Jemand der JTR morgens aus Kellys Zimmer kommen sah - das wäre wirklich ein guter Zeuge gewesen.

Da habe ich wirklich nur eine These… es soll nur als Beispiel gelten, so oder etwas ähnliches halt… der Cox- Mann bietet sich an, genauso wie (der jüdische) Astrachan Man, der, wenn nicht der Ripper, eben auch der jüdische Zeuge im Seaside Home gewesen sein könnte. Stell dir vor, er verlässt Kelly, auf dem Weg nach Hause fällt ihm ein, Mensch, ich habe was liegengelassen und kehrt noch einmal um und zurück. Auf irgendeine Weise sieht er dann Kelly mit Kosminski und das war´s. Hutchinson wollte diese Mann ja auch einmal wiedergesehen haben, in der Middlesex Street/Petticoat Lane glaube ich. So ein Zeuge, vielleicht verheiratet und voller Angst der Morde verdächtigt zu sein, braucht vielleicht sehr lange, bis das Gewissen ihn in den Wahnsinn treibt. Also irgendwann ab zu einer Polizeistation… Ob nun Kutscher oder Astra, es könnte auch Solomon, Samuels oder Moss gewesen sein… Das ist meine These, Schwartz oder Lawende machen in meiner Theorie, nenn es wie Du willst, keinen Sinn mehr.

Ich habe übrigens die Seite mit dem geographischen Profil noch mal gefunden, das ich gemeint hatte - es war nicht das mit dem Tropfen-Profil, sondern eines, das laut dem Autor Wesley English mit einer Geoprofiling-Software (für die kanonischen Fünf) erstellt wurde:
http://forum.casebook.org/showthread.php?t=4150
bzw.
http://www.wesleyenglish.com/geoprofile/infamous-cases/jack-the-ripper/

Was hältst du davon?


Ja, sehr gut. Kreuzung Brick Lane/Osborn Street-Wentworth Street/Old Montague Street (Smith) liegt relativ mittig im roten Bereich.

Sollte Kosminski wirklich heftig auf den Zeugen reagiert haben und diesen Eindruck habe ich durch die Darstellungen, dann war das wirklich übel für ihn. Falls er auch der Mann war, den der PC vom Mitre Square rein äußerlich wiedererkannt haben will, dann gute Nacht. Da war ja ein Konstabler, der einen Tag nach dem Double Event, einen Mann mit violetten Wollschal auf eine Wache brachte, den er nicht weit vom Mitre Square aufgesammelt hatte. Der Junge war etwas durcheinander und konnte oder wollte keine Angaben machen. Und dabei erinnere ich mich an Lawende´s Beschreibung, dass der Mann, den er sah, ein rötliches Tuch um den Hals trug… gehörte die Wäsche aus der Batty Street auch zu dieser Familie, dann, nun… ich weiß nicht, kann ich Anderson und Swanson irgendwie verstehen… wird so ein Verdächtiger mit zwei Tatorten in Verbindung gebracht, Mitre Square und Millers Court und hat vielleicht an einem dritten einst gelebt (neben dem Dutfields Yard) bzw. der Bruder lebt nur 50-100m von diesem Tatort entfernt, dann frage ich mich, was man da auch anderes denken soll… vielleicht waren Macnaghten´s  “mörderische Tendenzen“ und “Hass auf Frauen“ auch eine Info aus der privaten Anstalt in Surrey… letztendlich bleibt alles Spekulation…  Letztendes kann man stets sagen, dass Macnaghten´s “strong suspect“ identifiziert werden konnte (Anderson/ Swanson) und deshalb für alle Zeiten DER Verdächtige schlechthin bleiben wird, "Kosminski war der Verdächtige“…

Beste Grüße,

Lestrade.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 05.11.2015 20:39 Uhr
Könnte interessieren, Thomas Müller:

http://channel.nationalgeographic.com/videos/mutilation-fantasy/

Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 05.11.2015 22:24 Uhr
Hi Lestrade,

ich gucke mir den Clip demnächst mal an - den Thomas Müller kenne ich, von dem hab ich mal ein Buch gelesen.  :good:

Übrigens habe ich gerade noch eine Ergänzung zu Jacob Levy geschrieben.  8)


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 08.11.2015 19:19 Uhr
Vor ein paar Minuten nahm meine Freundin ein paar Fotos von mir auf. Ich trage einen violetten Wollschal.

Lawende sprach über einen red neckerchief/ reddish handkerchief (30. September/ 1 Oktober 1888)

The Daily Telegraph, Tuesday, 2. Oktober, 1888:

"a man was, later in the day, brought to the Leman-street Police-station by a constable who found him prowling about not far from Mitre-street. His face was haggard, and he seemed unable to give any account of himself. Upon him were found 1s 4½d in money and a razor, and round his throat was a woollen scarf of a violet colour, upon which were several long hairs, supposed to be those of a woman." (1 October 1888)

In der Dunkelheit veänderte sich die violette Farbe in etwas wie rötlich.

Was meint ihr?

Mein Haarfarbe, die Farbe der Kappe und der Jacke ? Bart? Schnurrbart? Kinnbart? Ein "Ausländer"?

Mein Alter kennen hier ja einige. Passt das zu mir hier als Person auf dem Bild?
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 09.11.2015 18:02 Uhr
Oh Gott, ich diskutiere mit der Reinkarnation des Rippers... Hiiilfe!  :shok:
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: esm am 24.08.2016 14:16 Uhr
Hallo,

ähm, ich glaube ihc bin etwas spät dran. Ich habe das eben einmal überflogen und finde die den ersten Teil dieses Threads, in dem
es um mögliche alternative Seaside Homes / Anstalten geht, wirklich sehr interessant. Habe gesehen, dass es auch im jtrForums
dazu etwas gibt, habe aber aktuell keine Zeit mir das in Ruhe durchzulesen.  :nea:
Folgende Fragen:
1. Sind irgendwelche Kosminski Akten in Anstalten aufgespührt worden (also abgesehen von den altbekannnten)?
2. zum genannten creed register, das wenn ich das richtig verstehe Rob House gefunden hat: sprechen wir hier von Leavesden?
3. ganz allgemein: was ist hier der Sachstand??

Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 24.08.2016 20:02 Uhr
Hallo esm,

Es bezieht sich auf Leavesden! Die Einträge sind zu finden im Metropolitan Asylum District Leavesden Asylum Creed Register (Rotes Buch) und im M.A.B. Leavesden Asylum Register of Deaths (Schwarzes Buch).

Du kannst das nachlesen im Ripperologist No. 143. Sende Adam Wood eine Nachricht via contact@ripperologist.biz mit Angabe der Ausgabenummer und ob pdf oder kindle. Kostet ja nix…

Die Seaside Home- und Anstalten Konstellationen sind natürlich wahnsinnig interessant. Man kann spekulieren aber wissen tun wir nichts Genaues.

 Es hängt davon ab, ob man bestimmte Kenntnisse, wie die z.B. die Aussagen von Anderson, Swanson, Macnaghten, Sims, Griffith, Cox und Sagar usw., für sich interpretieren möchte und auch, ob man hinter “Kosminski“ eben Aaron Kozminski sehen möchte. Das gleiche gilt natürlich für diverse Presseberichte usw. Im Falle von Cox, sieht z.B. einer der besten Ripperologen, Paul Begg, keinen Zusammenhang zu Kosminski. Man muss sich da eben selber seinen eigenen Roten Faden basteln, Hypothesen aufstellen um Theorien zu verfolgen oder auch erst einmal aufzubauen. Ich persönlich sehe da mehr im Zusammenhang aber ob das richtig ist, weiß ich natürlich auch nicht. Macnaghten sprach über eine Einweisung von Kosminski um den März 1889, was sich eben decken könnte mit der Observierungszeit von Cox. Sein Hinweis auf eine Anstalt in Surrey wiederum, könnte sich decken mit der Angabe seines Kollegen Sagar bezüglich einer privaten Anstalt. Sims gab einst an, dass sich dieser Verdächtige auch hin- und wieder in Freiheit befand, sodass Andersons Angabe über eine Identifizierung während eines Anstaltsaufenthaltes dann irgendwann ab März 1889 Sinn macht. Ich persönlich tendiere eher an eine Zeit kurz vor der Einweisung von Aaron Kozminski nach Colney Hatch im Februar 1891, da seine Familie ihn quasi zu der Zeit dann aufgegeben hätte, vielleicht auch wegen Kenntnis der ID im Seaside Home. Der Zeuge hätte ja auch jederzeit eine Kehrtwende machen können…

Wohlmöglich befand sich Aaron Kozminski zwischen März 1889 und Februar 1891 die meiste Zeit in einer privaten Anstalt in Surrey. Aber wie das meiste, ist das pure Spekulation. Dagegen sprechen aber auch Angaben von Swanson, der sagte, dass nach der ID kein anderer Mord dieser Art in London mehr stattfand. Aber wann endete für ihn diese Serie? Privat führte er eine Liste von Emma Smith bis Frances Coles aber letztere wurde ermordet, ganz kurz nachdem  Aaron Kozminski nach Colney Hatch kam.  Ich würde nicht unbedingt erwarten, dass wir ihn privat betreut unter dem Namen Aaron Kozminski oder Aaron Abrahams finden würden. Sagar sprach bei seinem Verdächtigen von “his friends“ und man könnte meinen, die eigene Familie war vielleicht zu jener Zeit nicht gerade erste Wahl für Aaron Kozminski. Ich denke, falls er dieser Serienkiller war, dass er sich zur Zeit der Mordserie von seiner Familie distanziert hatte oder distanzieren konnte. Vielelleicht legte er dann auch erste einmal seinen Namen ab…

Wer auch immer der Zeuge im Seaside Home war, ich denke er war ein Zeuge der MET Polizei und vom Bauch her sehe ich diese ID ab Juli 1890 bis Januar 1891. Bis dahin könnte Kosminski durch die City Police überwacht worden sein, vielleicht lag das dann an den Zeugen Lawende und/oder vielleicht an den PC vom Mitre Square. Als der Zeuge aufgetrieben wurde, brachte ihn die City Police von einer Anstalt in das ominöse Seaside Home und auch wieder zurück. So meine Vorstellung bzw. Hypothese.

Es wäre natürlich ein Traum zu wissen, wer der Zeuge war und was er gesehen hatte. Genauso wäre es ein Traum zu wissen, welche “many circs“ Macnaghten meinte.

Diese Umstände müssen so gewesen sein, dass Anderson und Swanson in Kosminski einen überzeugenden Verdächtigen (Macnaghten) sahen und falls der gleiche Mann wie bei Cox und/oder Sagar, auch diese dachten, sie hätten den Ripper ausfindig gemacht.

Beste Grüße,

Lestrade,
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: esm am 24.08.2016 21:19 Uhr
Hi,

danke für die Antwort. Mir ging es eigentlich garnicht um mögliche Zusammenhänge etc, sondern nur darum, ob sich die Quellenlage geändert hat. Das scheint nicht der Fall zu sein.
Die Idee, alternative Anstalten ins Auge zu fassen, finde ich faszinierend und bin gleichzeitig erstaunt, dass das noch niemand gemacht hat. Wenn ich das aber richtig verstehe, habt ihr Zeit in die Recherche investiert für eine Doku (gabs die schon?). Welche mögliche Anstalten habt ihr ausfindig gemacht (du nanntest ja beispielhaft Holloway)? Von welchen Anstalten existieren noch Akten? Gibt es Anstalten, die man nach eurer Recherche ausschließen kann?
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 24.08.2016 22:12 Uhr
Gerne!

Nein, du liegst richtig, keine neue Quellenlage. Gibt nichts neues, jedenfalls wäre es noch nicht bekannt. Das Thema alternativer Anstalten ist in der Tat sehr faszinierend. Wir arbeiten an allem nach wie vor, man braucht viel Geduld.

Ich persönlich kann mir gut vorstellen, dass Forscher wie Rob House, Debra Arif, Patrcia Marshall und natürlich Chris Phillips usw. eben an solche Alternativen arbeiten, vermutlich auch schon länger. Das geben sie vielleicht nicht so genau preis... wer weiß...

Martin Fido hat damals ja auch nur die öffentlichen Anstalten durchsucht bzw. durchsuchen lassen. Die privaten blieben außen vor.

Es existieren natürlich noch Akten, manchmal aber nicht vollständig und manchmal eben gar nicht. Es gab ja eine Reihe von Anstalten, mit dem Ausschließen ist schwierig, da man nie genau weiß, wie sie wirklich im ganzen funktioniert haben (Außenstellen usw.).

Ich kann dich nur vertrösten und selber weiter hoffen.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 21.09.2016 13:12 Uhr
Hallo Lestrade!


Zu unseren Überlegungen über mögliche Observationsorte von Kozminski durch Cox habe ich hier noch mal die Daten über die Greenfield Street aufgelistet, die wir zusammengetragen haben - damit alles im richtigen Thread läuft.

Hier der Link zur London Firemap der Greenfield Street:
http://www.bl.uk/onlinegallery/onlineex/firemaps/england/london/xi/zoomify151081.html


Und hier die noch unvollständige Liste der Bewohner - die 1888/89er Zahlen ergänzt durch Post Office London Directory (POLD) 1882 + 1895 sowie Post Office Trade Directory (POTD) 1891:


Greenfield Street 1888 - Westseite, Nord nach Süd: 1-36


...Einmündung Fieldgate Street...
1
2 Harris, Tailor (Charles Court) ??? laut Firemap: Laundry
3
4 Levy, Tailor
5 Singer & Levy,  Fur & Skin Merchants   (POTD 1891)
6 Fox Lazarus, butcher (POTD 1891)
7
8
9 Joseph, Tailor
10 White Hart Pub, Harry Fisher
...Durchgang White Hart Court zur Yalford Street...
11 Miller, Tailor
12
13 Rosser George, chandler's shop   (POTD 1891)
14 Karasek Israel, machinist     (POLD 1895)
15 Cohen, Tailor
16 Morris Lubnowski  (Schwager von Aaron Kozminski)
17
18
19 Morris, Tailor
20 Esner, Tailor
21 Kazanoski, Tailor
22 Solomons, Tailor
22 Hyams, Tailor
23
24
25 Rosenbaum, Tailor
25 Lazarus, Tailor
26 Fox, Tailor
27 Fifer, Tailor
28 Marcus Silberstein, Chandler's Shop
...Einmündung Coke Street...
29
30 Hubriez, Tailor
31
32
33
34
35
36 Hennessy, Tailor
Public House (Ecke Commercial Road 71)
...Einmündung Commercial Road...



Greenfield Street - Ostseite, Nord nach Süd: 90-49

...Einmündung Fieldgate Street...
90 William Weinrich, Greengorcer
89 Dicks, Tailor
88
87 Posner, Tailor + Staaks, Tailor
86 Goldberg, Tailor
85
84 Goldberg, Tailor
83 Solomons, Tailor
82
81 1/2 Phillips, Tailor
80-81 Synagoge
79
78 Girklke, Tailor
77b Schiff M, Tailor
77
76 Schmidt, Tailor
75 Sleeves, Tailor
74 Abrahams (Bruder von Aaron Kozminski)
73 Perlmutler, Tailor
72 Lyons, Tailor
71 Rosen, Tailor
70 Goldstein, Tailor
...Playground Board School...
67
66
65
64
63 Gold, Tailor
62
61 Morris Blaufox, Diamond Cutters
60
59
58 Cohen, Tailor
57
56
55
54 Parr, Tailor
53
52
51 Engleman Davis, Hairdresser & perfumer   (POTD 1891)
50 Lohski, Tailor
49
...Einmündung Commercial Road...



Post Office London Directory 1882:


Greenfield Street, Whitechapel
(E.), 19 Fieldgate st.
to Commercial road east.
MAP 0 9.

2 Birks Chas looking glassmanufctr
7 Schrapel Ferdinand, tailor
10 White Hart, Alfred Osborn
... here is White Hartcourt ...
11 Grossman Jacob, coal dealer
Mindon Daniel, tailor
28 Jaffa Abraham, chandler's shop
... here is Charles street ...
29 Strohschnitter Andr. chandler's shop
32 Morris Elisha, boot manufacturer
... here is Commercial road east...
49 Quebe William, furniture broker
51 Schmidt Samuel, hairdresser
52 Blackmore John Thos. engineer
53 Spurden Henry, chimney sweeper
73 Pinsent George Henry, tailor
81 Phillips Lewis, tailor   
84 Goldberg Morris, tailor  (noch 1895)


Post Office London Directory 1895:

Greenfield st. Whitechapel
(E.), 19 Fieldgate street to
Commercial road east.
MAP Q 9.

2 Birks Charles & Sous, cabinetmakers   (schon 1882)
5 Singer Jacob, fur merchant
6 Tacobs Aaron, butcher
10 Pub White Hart, George Brine
13 Rosser George, chandler's shop
14 Karasek Israel, machinist
28 Silberstein Marcus, chandler's shop
29 Vilchinski Jacob, butcher
32 Goldberg Jacob, tailor
...here is Coke street ...
51 Bender Morris, hairdresser
52 Klein Lewis, outfitter
54 Spurling Harris, chandler's shop
60 Siegel Jacob, bootmaker
62 Caro Barnett, furrier
80 JEWISH SYNAGOGUE
84 Goldberg Morris, tailor   (auch 1882 + 1891)
88 Beyer Abraham,chandler's shop
90 Weinrich William, greengrocer



MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 21.09.2016 13:17 Uhr
Hallo Lestrade!

Also haben wir es wieder mit einer Straße zu tun, wo einfach durchgezählt wurde - ich hätte auch erst in den Firemaps suchen sollen, die sind einfach am Besten.


Zitat
Matilda und Morris Lubnowski wohnten genau gegenüber von Isaac Abrahams in der Nummer 16. Eine der Adressen hätte der Observationspunkt sein können. Erinnere dich an bestimmte Presseberichte bzw. an die Crawford Letter bzw. Halifax Letter worin ein Angehöriger/ Angehörige bzw. Schwester darauf hinwies, dass ihr naher Verwandter der Ripper sein könnte. In der Theorie von Rob House (er ist der Kozminski Fachmann schlecht hin), heißt es, dass die Polizei von Matilda aus, das Haus von Isaac Abrahams observiert hatte.

Das wäre natürlich eine elegante Erklärung, wenn die Polizei durch die Schwester nach der Messerattacke informiert worden wäre und dann von Räumen der Familie selber aus hätte observieren können.
Hat aber ebenfalls ein paar Haken, diese Theorie:
Wenn die Polizei bei Aarons eigener Familie saß, müssen die sich ja regelmäßig über den Weg gelaufen sein, das hätte bei dem Verdächtigen doch alle Alarmglocken schrillen lassen. Außerdem hätte Cox es wohl erwähnt, wenn sie bei der Familie selber untergekommen wären und die Familie ihnen quasi geholfen hätte - ist ja nicht der Normalfall einer Observation.
Darüber hinaus frage ich mich, ob die in den kleinen Häusern überhaupt Platz für weitere Personen hatten - da wurde ja von der ganzen Familie gelebt und zugleich mit den Mitarbeitern gearbeitet.
Und wie das wohl bei den anderen Schneidern angekommen wäre, wenn die Familie angebliche "Factory Inspectors" zu ihrer Überwachung beherbergt hätten...


Zitat
Ich persönlich wurde in den letzten Jahren etwas skeptischer, halte das aber immer noch für eine sehr gute Idee. Vor einiger Zeit fragte ich Rob House einmal, ob er immer noch an dieser Theorie festhalte, was er bejahte. Immerhin zogen Matilda und Isaac nach der Einweisung von Aaron dort weg.
Persönlich sehe ich den Shop in meiner Theorie nördlich der High Street, also von Middlesex Street an weiter in die östliche Richtung.

Erscheint mir persönlich auch plausibler, dass es da einen anderen Shop gab. Wie ich bereits angemerkt hatte:
Wenn man tatsächlich Schneider observiert und dabei bemerkt wird, erzählt man nicht als Ausrede, man würde Schneider beobachten, sonst könnte das den Observierten warnen. Sinnvoller erscheint es mir hingegen, die eigentliche Zielgruppe in vermeintlicher Sicherheit zu wiegen, indem man auf die Gruppe daneben als angebliches Ziel verweist.
Zudem deutet Cox Hinweis, dass sie regelmäßig als Kunden im Shop auftraten, weniger auf Schneider hin, als auf ein Geschäft für alltägliche Einkäufe. Cox schrieb: "We had the use of a house opposite the shop of the man we suspected, and, disguised, of course, we frequently stopped across in the role of customers." Etwas essen mussten die Polizisten zum Beispiel sowieso, daher erscheint eine Metzgerei plausibel, oder irgendwein anderer Shop für alltägliche Einkäufe, aber ob sie Spesen für regelmäßige Schneiderarbeiten bekommen hätten...


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 21.09.2016 13:22 Uhr
Danke Arthur für deine Mühe!

Vielleicht finde ich noch etwas zum Einfügen, ich habe soviel Kram, ich sehe kaum noch durch...

Am besten aber, ich schreibe Rob House an. Dann spare ich mir größere Mühe.

6 Tacobs Aaron, butcher

Könnte das Aaron Jacobs heißen? Aaron Kozminski hatte im Dezember 1889 eine Anhörung wegen eines Hundes. Er sagte, der Hund gehöre zu Jacobs. Der war ja Butcher wie sein Cousin Jacob Cohen. Gestellt wurde er auf dem Gebiet der City Police in Cheapside. Ich erinnere an den Butchers Row Verdächtigen. One of "His friends" (Sagar), hätte ja dieser Aaron (J)Tacobs sein können. Da würde ich gerne nachforschen...
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 21.09.2016 13:25 Uhr
Hallo Lestrade!

Also haben wir es wieder mit einer Straße zu tun, wo einfach durchgezählt wurde - ich hätte auch erst in den Firemaps suchen sollen, die sind einfach am Besten.


Zitat
Matilda und Morris Lubnowski wohnten genau gegenüber von Isaac Abrahams in der Nummer 16. Eine der Adressen hätte der Observationspunkt sein können. Erinnere dich an bestimmte Presseberichte bzw. an die Crawford Letter bzw. Halifax Letter worin ein Angehöriger/ Angehörige bzw. Schwester darauf hinwies, dass ihr naher Verwandter der Ripper sein könnte. In der Theorie von Rob House (er ist der Kozminski Fachmann schlecht hin), heißt es, dass die Polizei von Matilda aus, das Haus von Isaac Abrahams observiert hatte.

Das wäre natürlich eine elegante Erklärung, wenn die Polizei durch die Schwester nach der Messerattacke informiert worden wäre und dann von Räumen der Familie selber aus hätte observieren können.
Hat aber ebenfalls ein paar Haken, diese Theorie:
Wenn die Polizei bei Aarons eigener Familie saß, müssen die sich ja regelmäßig über den Weg gelaufen sein, das hätte bei dem Verdächtigen doch alle Alarmglocken schrillen lassen. Außerdem hätte Cox es wohl erwähnt, wenn sie bei der Familie selber untergekommen wären und die Familie ihnen quasi geholfen hätte - ist ja nicht der Normalfall einer Observation.
Darüber hinaus frage ich mich, ob die in den kleinen Häusern überhaupt Platz für weitere Personen hatten - da wurde ja von der ganzen Familie gelebt und zugleich mit den Mitarbeitern gearbeitet.
Und wie das wohl bei den anderen Schneidern angekommen wäre, wenn die Familie angebliche "Factory Inspectors" zu ihrer Überwachung beherbergt hätten...


Zitat
Ich persönlich wurde in den letzten Jahren etwas skeptischer, halte das aber immer noch für eine sehr gute Idee. Vor einiger Zeit fragte ich Rob House einmal, ob er immer noch an dieser Theorie festhalte, was er bejahte. Immerhin zogen Matilda und Isaac nach der Einweisung von Aaron dort weg.
Persönlich sehe ich den Shop in meiner Theorie nördlich der High Street, also von Middlesex Street an weiter in die östliche Richtung.

Erscheint mir persönlich auch plausibler, dass es da einen anderen Shop gab. Wie ich bereits angemerkt hatte:
Wenn man tatsächlich Schneider observiert und dabei bemerkt wird, erzählt man nicht als Ausrede, man würde Schneider beobachten, sonst könnte das den Observierten warnen. Sinnvoller erscheint es mir hingegen, die eigentliche Zielgruppe in vermeintlicher Sicherheit zu wiegen, indem man auf die Gruppe daneben als angebliches Ziel verweist.
Zudem deutet Cox Hinweis, dass sie regelmäßig als Kunden im Shop auftraten, weniger auf Schneider hin, als auf ein Geschäft für alltägliche Einkäufe. Cox schrieb: "We had the use of a house opposite the shop of the man we suspected, and, disguised, of course, we frequently stopped across in the role of customers." Etwas essen mussten die Polizisten zum Beispiel sowieso, daher erscheint eine Metzgerei plausibel, oder irgendwein anderer Shop für alltägliche Einkäufe, aber ob sie Spesen für regelmäßige Schneiderarbeiten bekommen hätten...


MfG, Arthur Dent

Du hast mich überredet! Ich kopiere die Antwort hier mit rein:

Mahlzeit!

Du hast einen wichtigen Hinweis gegeben, die Attacke auf die eigene Schwester. Am morgen des 22 November 1888, nicht mal einen Tag nach Annie Farmer, gab es einen Messerangriff auf eine Frau nahe Brick Lane. Der Verdächtige wurde dann nördlich in dieser Straße nahe Hanbury Street von der Polizei gestellt. Cox sprach davon, dass man nach Kelly auf seine Spur kam. Und auch hier wieder, denke an bestimmte Presseberichte als auch an die Crawford und Halifax Letter. Den Crawford Brief hatte Anderson in seinen Unterlagen aufbewahrt. Hier hat vermutlich eher eine Frau Hilfe gesucht. Vielleicht schon vor der Messerattacke, wenn wir jetzt mal bei Aaron Kozminski bleiben. Hat Aaron Kozminski seine Schwester Matilda Lubnowski mit dem Messer bedroht, wir wissen zwar nicht wann aber nehmen wir mal dieses Datum vom November 1888, dann gibt es gute Erklärungen, warum Cox und die seinen, den Lubnowski Shop genutzt haben könnten.

Ein guter Grund ist Angst. Den vermeintlichen Jack the Ripper in seiner eigenen jüdischen Familie zu haben, muss damals als Vorstellung der Horror gewesen sein. Du musst aktiv werden, bevor alles noch schlimmer wird. Aaron Kozminski hätte sicherlich nicht mehr in das Haus der Lubnowskis gedurft. In solchen Momenten ist auch Platz in der kleinsten Hütte. Hier ging es um viel mehr als um irgendwelchen Befindlichkeiten. Hier ging es um Leben oder Tod, um Überleben und eine gesicherte Zukunft.

Was Du vielleicht nicht weißt, zu der Zeit der Morde wurde viel im "Sweating System" u.a. der Schneider ermittelt. Das erste Treffen gab es politisch gesehen im März 1888, der Endbericht muss so nach einem Jahr veröffentlicht worden sein (ich schreibe jetzt nur aus der Erinnerung). Einer der Mitglieder des Kommittees war der Earl of Crawford, James Ludovic Lindsay. Du erkennst jetzt sicherlich den Zusammenhang zur Crawford Letter bei Anderson. Dieses Kommittee hatte seine Ermittler und als diese gaben sich offensichtlich Cox und Co aus, obwohl sie Polizisten waren. Als Cox und Kollegen auftauchten, waren die Schneider auf gewisse Art und Weise schon an deren Arbeit gewöhnt, wenn auch nicht glücklich damit. Das West End ließ immer mehr im East End produzieren und die Greenfield Street Location war eine der Produktionsstandorte dort. Ich glaube, es war dann auch im März 1889, dass die Schneider mit einer Demo mobil machten. Es ging von der Berner Street bis zur Duke Street.

Desweiteren gab es von Frau Kuer in der Batty Street, bezüglich blutiger Wäsche nach dem Double Event, einen weiteren wichtigen Hinweis. Die Wäsche gehörte angeblich einem Schneider aus der Umgebung, der für ein West End Haus produzierte. Das könnte Isaac Abrahams gewesen sein. Falls Aaron Kozminski der Verdächtige war, hätte die Familie schon voller Sorge gewesen sein können, gerade auch dann, wenn gegen ihn wegen der blutigen Wäsche ermittelt wurde. Bezüglich eines der Presseberichte, wonach ein Angehöriger einer Familie bezüglich eines Mitgliedes der selben in Sorge war, könnte noch vor der Klärung zur Herkunft der blutigen Kleidung veröffentlicht worden sein. Wenn die besorgte Person dann selber noch angegriffen worden wäre, dann wäre das für diese Familie eine riesige Katastrophe gewesen. Ich stelle mir das wirklich grausam vor. Ein Kompromiss hätte gelautet haben können, dass die Polizei ihn nicht mehr aus den Augen lässt. Dabei hätte die Familie geholfen haben können. Auch in der Hoffnung, dass sich der Ripper als jemand anderes am Ende rausstellen würde. Der Verdächtige, wenn den der psychisch schwerkranke Aaron Kozminski, hätte doch garnicht mitbekommen, wenn Cox aus dem Shop seiner Schwester gegangen wäre. Cox wartete ja... wir kennen seine Schilderungen diesbezüglich... was da bei seiner Schwester abging, hätte er überhaupt nicht gewusst, gerada auch dann, wenn ihm der Zutritt verwährt worden ist. Die Straße war lang, die Polizei achtete sicherlich darauf, dass man verschiedene Punkte in der Greenfield Street nutzte, um die Ermittlungen durchzuführen. Jeder Schneider wurde zu der Zeit vom Kommittee unter die Lupe genommen. Vielleicht quartierte man sich auch per "rechtlichen Beschluss" im Lubnowski Shop ein. Offiziell hätten diese dafür garnichts gekonnt. Außerdem, so Cox, freundeten sich die Beamten nach und nach mit ihnen an. Es wurde gesellig. Warum Cox und die City Police Kosminski übernahmen, könnte auch daran liegen, dass er vielleicht von City Beamten gestellt wurde, auch wenn die Brick Lane nicht zu ihrem Bereich gehörte. Aber sie durften ja auch die Bewohner des Goulston Street Wohnhauses nach dem Mord an Eddowes befragen. Außer dieser Mord, fanden alle Morde außerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches statt, ihre Kräfte hatten sicherlich die MET Beamten und deren Polizisten unterstützt.

Lestrade.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 21.09.2016 13:47 Uhr
Zitat
6 Tacobs Aaron, butcher

Könnte das Aaron Jacobs heißen? Aaron Kozminski hatte im Dezember 1889 eine Anhörung wegen eines Hundes. Er sagte, der Hund gehöre zu Jacobs. Der war ja Butcher wie sein Cousin Jacob Cohen. Gestellt wurde er auf dem Gebiet der City Police in Cheapside. Ich erinnere an den Butchers Row Verdächtigen. One of "His friends" (Sagar), hätte ja dieser Aaron (J)Tacobs sein können. Da würde ich gerne nachforschen...

Stimmt: im Post Office London Directory 1895 steht da "6 Jacobs, Aaron, butcher"!
Siehe Page 249:
http://cdm16445.contentdm.oclc.org/cdm/compoundobject/collection/p16445coll4/id/8845/rec/79

Solche Fehler treten öfter beim automatischen Einscannen mit einer OCR von einem schlechten gedruckten Original auf - kannst du in den eingescannten Post Office Directories unter obigen Link immer wieder sehen.


Da hätten wir hier eine weitere spannende Facette - nicht nur, was die Hundegeschichte angeht.

Ich denke an die Geschichte nach dem Mord an Frances Coles (13. Februar 1891), als sich Verdächtigungen wie im Automn of Terror mit den Gerüchten um "Lether Apron" verbreiteten unter den Bewohnern des Eastends, doch diesmal sollte laut Mundpropaganda ein gewisser jüdischer Metzger namens "Jacobs" (!) der Mörder gewesen sein.

Benjamin Leeson in "Lost London: The Memoirs of an East End Detective" (1934):
"... a story circulated that the Ripper was a butcher, who wore blue overalls and a leather apron, and an English Jew named Jacobs, a perfectly harmless man, somehow attracted suspicion to himself. Possibly because, working in a slaughter house, he always wore a leather apron. People would point Jacobs out in the street as a suspected man, and more than once he had to run for it. I myself was often obliged to take him to the police station for protection. The thing so preyed on the poor fellow's mind that it finally caused him to lose his reason."   

Das würde passen wie die Faust aufs Auge: Die Leute bemerkten Observationen bei ihnen in der Straße, Gerüchte gingen um, wer da beobachtet wird... Ein Aaron steht unter Observation und ein Jacob - und da beim Ripper viele an einen Metzger denken...

Ich finde, unsere anfängliche Rumspinnerei mit der Verwechslung von zwei Anstaltsinsassen erhält immer plausiblere Züge:

Zwei unter Beobachtung stehende jüdische Verdächtige landen schließlich im Irrenhaus.
Der eine heißt Aaron Kosminski, hat Familienangehörige namens Abrahams und Metzger-Verwandschaft namens Jacob und einen Metzger-Nachbarn namens Aaron Jacobs.
Der andere ist Metzger, heißt Jacob, hat eine Frau geborene Abrahams und einen Metzger-Nachbarn namens Aaron Krotoski.
Zu den Namens-Verwirrungen kommen dann noch die Adress-Verwirrungen durch die Umstrukturierung der Straße und die Umzüge der Familien hinzu...

Und schließlich kommt dann in den Erinnerungen von Macnaghten und Swanson dabei heraus, der Verdächtige Kosminski wäre schon bald in der Anstalt verstorben, obwohl er noch lebte und es Jacob Levy war, der bereits 1891 starb...
Unglücklicherweise erwähnte Macnaghten später in seinem Memorandum am 23. Februar 1894 den Verdächtigen Kosminski namentlich - vermutlich im Irrglauben, der Betroffene sei bereits wie Druitt gestorben und es daher nicht mehr schlimm.
Aber weil Kosminski doch noch lebte, wurde er danach sicherheitshalber am 19. April 1894 von Colney Hatch nach Laevesden überführt...


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 21.09.2016 16:33 Uhr
Hallo Lestrade!

Zitat
Hat Aaron Kozminski seine Schwester Matilda Lubnowski mit dem Messer bedroht, wir wissen zwar nicht wann aber nehmen wir mal dieses Datum vom November 1888, dann gibt es gute Erklärungen, warum Cox und die seinen, den Lubnowski Shop genutzt haben könnten.

Ein guter Grund ist Angst. Den vermeintlichen Jack the Ripper in seiner eigenen jüdischen Familie zu haben, muss damals als Vorstellung der Horror gewesen sein. Du musst aktiv werden, bevor alles noch schlimmer wird. Aaron Kozminski hätte sicherlich nicht mehr in das Haus der Lubnowskis gedurft. In solchen Momenten ist auch Platz in der kleinsten Hütte. Hier ging es um viel mehr als um irgendwelchen Befindlichkeiten. Hier ging es um Leben oder Tod, um Überleben und eine gesicherte Zukunft.

Das erscheint mir durchaus schlüssig - ich zögere nur deshalb, dem uneingeschränkt zuzustimmen, weil mir in so einem Falle als erstes einfiele, den gefährlichen Verrückten so schnell wie möglich in eine Anstalt einzuweisen. Wieso sollten Verwandte und Polizei ihn noch so lange in der Straße unter Beobachtung halten? Das kostet Zeit, Geld, Nerven. Wenn der Angriff bzw. die Bedrohung schon stattgefunden hätte, dann hätte man ja bereits einen guten Grund für die Einweisung gehabt. Wieso das Risiko eingehen, dass er entwicht und noch mal etwas "anstellt"? Das wäre für die Familie und die Polizei gleichermaßen katastrophal gewesen.


Zitat
Was Du vielleicht nicht weißt, zu der Zeit der Morde wurde viel im "Sweating System" u.a. der Schneider ermittelt. Das erste Treffen gab es politisch gesehen im März 1888, der Endbericht muss so nach einem Jahr veröffentlicht worden sein (ich schreibe jetzt nur aus der Erinnerung). Einer der Mitglieder des Kommittees war der Earl of Crawford, James Ludovic Lindsay. Du erkennst jetzt sicherlich den Zusammenhang zur Crawford Letter bei Anderson. Dieses Kommittee hatte seine Ermittler und als diese gaben sich offensichtlich Cox und Co aus, obwohl sie Polizisten waren. Als Cox und Kollegen auftauchten, waren die Schneider auf gewisse Art und Weise schon an deren Arbeit gewöhnt, wenn auch nicht glücklich damit. Das West End ließ immer mehr im East End produzieren und die Greenfield Street Location war eine der Produktionsstandorte dort. Ich glaube, es war dann auch im März 1889, dass die Schneider mit einer Demo mobil machten.

Diese Hintergründe kannte ich in der Tat noch nicht. Das macht die Cover-Story natürlich naheliegend und absolut glaubwürdig. Und wenn sowieso jeder längst wusste, dass die Schneider überprüft wurden, mussten sie nicht einmal auf heimlich machen, sondern konnten ganz offen mit dieser Cover-Story hausieren gehen, ohne dass es beim Observierten Verdacht erregte.


Zitat
Außerdem, so Cox, freundeten sich die Beamten nach und nach mit ihnen an. Es wurde gesellig.

Stimmt. Wir hatten ja bereits die These aufgestellt, dass sie auf bestechlich machten, mit ihnen rauchten und tranken, um ihr Vertrauen zu gewinnen und von der eigentlichen Aufgabe abzulenken.

Wie gesagt, das einzige, was mir noch etwas "Zahnweh" bereitet ist der Umstand, dass man sich entschloss zu warten und zu beobachten, statt einen bereits nachgewiesenen Übergriff zu nutzen, ihn in eine Anstalt zu sperren. Das kann ja nur den Grund gehabt haben, dass man ihn "red handed" erwischen wollte. Das wäre dann zwar vielleicht noch im Sinne der Polizei gewesen, da sie den Fall sauber hätte abschließen können - jedoch nicht im Sinne der Familie. Und wenn das schiefgegangen wäre, hätte das üble Folgen gehabt.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 21.09.2016 20:08 Uhr
Hi Arthur,

Zu der Butcher Geschichte nach Coles:

Kurz vor dem Mord landete Aaron Kozminski in Colney Hatch. Möglicherweise fiel den Leuten nach dem Mord an Coles dann auf, dass dieser Mann nicht mehr zu sehen ist. Vielleicht gab es Gerüchte über ihn... das würde natürlich den Link zu Sagar´s Butchers Row Suspect herstellen...

Macnaghten sprach ja nicht vom Ableben Kosminskis. Er sagte im Memorandum, dass er glaube, er sei immer noch in jener Anstalt, in der er um den März 1889 eingeliefert wurde. Sims seinerseits sprach davon, dass der "Polish Jew" noch lange nach Ende der Mordserie am Leben war und sogar zeitweise auf freiem Fuß. Es macht aber im Bezug zu Swanson Sinn, dass es da mehrere Verdächtige gab, die wichtig waren und einer davon starb... eben aber nicht Kosminski, dem er das dann zuordnete... Bereits 1895 sagte Swanson, dass er glaube, dass der mögliche Ripper bereits verstorben sei... Spannend ist, dass 1901 Swanson als auch Anderson die entsprechenden Einbürgerungspapiere für seinen Bruder Isaac Abrahams unterschrieben... auch da müsste an Swanson vorbeigegangen sein, dass Aaron Kozminski noch immer am Leben ist...

Ich kann mir gut vorstellen, dass nach einigen Monaten Observation, eine Veränderung erforderlich war. Wie lange wollten Cox und Co. diese Nummer in ein- und derselben Straße durchziehen? Wie lange wollten sie den Lubnowskis auf den Nerv gehen? Bei dem Verdacht waren vielleicht Familie und Polizei der einheligen Meinung, ihn woanders zu beschäftigen. Eine Umsiedlung aus "privaten und polizeitaktischen Gründen" wäre doch in so einem Falle nicht ganz unlogisch. Nachdem Cox aus der Greenfield Street abzog, dauerte es möglicherweise nicht lange und Kosminski landete in der Butchers Row unter den Augen von Sagar. Er muss ja dort nicht lange gearbeitet haben und wurde dann mit Hilfe "von Freunden" in eine Anstalt eingewiesen. Für so etwas muss man vielleicht auch Beziehungen gehabt haben, wie mit einem Jacob Cohen oder dem "mutmaßlichen" Aaron Jacobs.

Die Polizei konnte ja nicht ohne Beweise oder Gründen Kosminski einweisen, gerade auch dann, wenn er einer familiären Betreuung unterlag. Anderson sagte ja auch, dass seine Sippe ihn nicht ausliefern wollte. Ich persönlich halte es für möglich, dass sie ihn doch noch auslieferten, nämlich nach der ID im Seaside Home, wenn vielleicht auch nicht gleich. Da war ein Zeuge und auch wenn der zurückzog, er hätte es sich ja wieder überlegen können. Ein Kompromiss, um zu gewährleisten, dass er nie wieder einen Tag in Freiheit verbringen darf. Eine mögliche Privatunterbringung durch die Familie in einer Anstalt (Surrey?), bedeutete ja immer nur eine temporäre Wegsperrsituation.

Falls es Matilda war, welche er versuchte zu attackieren, war das vielleicht ein Mordversuch? Den eigenen Bruder in einem Verfahren anklagen, just zu dieser Zeit? Wir finden nichts weiter über jene Attacke am Morgen des 22 November 1888. Eine Möglichkeit wäre, dass Opfer und Täter verwandt waren und es deshalb zu keiner Anklage kam. Spekulation...

Dazu kommt das eigene Rechtsempfinden der jüdischen Bevölkerung. Ein Mörder, so meine ich mich zu erinnern, muss von zwei Zeugen identifiziert werden. Gegen Kosminski gab es nie wirklich rechtliche Beweise aber sicherlich eine Menge Indizien. Der Mann, der ihn an den Galgen bringen konnte, verweigert sich im Seaside Home. Wir wissen ja auch nicht, wie Kosminski war. Ein Häufchen Elend vielleicht, harmlos wirkend, Familienmitglieder lieben sich in den meisten Fällen einander. Was hätten wir getan, wenn unser Bruder einem derartigen Verdacht ausgesetzt gewesen wäre, wenn wir wüssten, dass er psychisch schwer und unheilbar krank ist? Wir würden zumindest Zeit gewinnen wollen, die Hoffnung stirbt zuletzt. Was denken Nachbarn, wenn der Bruder plötzlich nicht mehr da ist und zeitgleich die Mordserie endet? Welche Rolle spielte Rabbi Israel Lubnowski, der Schwager von Matilda? Wir betrachten so etwas natürlich stets aus der Sicht des nicht Betroffenen. Aber wie handeln Betroffene in Wirklichkeit? Ich denke, dass Familie und Polizei "zusammenarbeiteten", auch zum Schutze vor weiteren Morden. Sie ließen ihn nicht aus den Augen, wenn er auf freiem Fuß war und erfuhren es sofort, wenn er entlassen wurde.

Es wurde ja sehr ruhig nach dem Kelly Mord. Irgendetwas wie in der beschriebene Art, könnte danach stattgefunden haben. Das würde auch erklären, warum man erst so spät genaueres von Anderson, Swanson, Cox und Sagar erfuhr.

Soweit meine Gedanken dazu (im letzten Post hatte ich vergessen, dass, als man die blutige Wäsche fand, sich Woolf Abrahams aus der Providence Street/ Berner Street verabschiedete)

Lestrade.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 21.09.2016 20:30 Uhr
P.S.: Half die Familie der Polizei, hätte es die Absprache gegeben haben können, dass, falls er erwischt wird, er zunächst an einen sicheren Ort gebracht wird, so, wie vielleicht auch im Falle der Seaside Home ID. Vielleicht wäre die Familie, nach einer erfolgreichen ID, umgesiedelt worden, andere Stadt möglicherweise. Woolf zog ja auch nach Manchester (und später wieder zurück, Jacob Cohen war aus Manchester). Nötig geworden ist das dann aber nicht. Es ging ja nach Aaron Kozminski´s Einweisung nur in die nahe Gegend für die Geschwister. Eine stark abgeschwächte Variante im Gegensatz zum Worste Case Scenario.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 22.09.2016 13:52 Uhr
Hallo zusammen, hallo Lestrade!


Ich hatte vor beträchtlicher Zeit mal mit einer Zusammenfassung über Kozminski angefangen - die könnte als Basis für eine aktualisierte Kozminski-These aus einem Guss dienen.


Ich stelle sie mal hier ein - mit der Bitte um Ergänzung noch fehlender Facetten bzw. Korrektur von Irrtümern.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 22.09.2016 14:09 Uhr
Jack the Ripper - Tatverdächtiger Aaron Kosminski


Im Fall der Ripper-Morde wurde ein Kosminski sowohl von Polizeichef Macnaghten als auch vom leitenden Ermittler Swanson als Hauptverdächtiger genannt - jedoch verzichteten beide auf die Angabe seines Vornamens, so dass zunächst unklar war, welchen "Kosminski" sie meinten.
Chief Constable Sir Melville Macnaghten stellte Kosminski als einen der drei Hauptverdächtigen in seinem am 23. Februar 1894 verfassten offiziellen polizieiinternen Memorandum vor (das allerdings erst 1959 öffentlich bekannt wurde). Und Chief Inspektor Swanson notierte in seinem persönlichen Exemplar von Assistant Commissioner Robert Andersons Memoiren zu dem Verdächtigen, den die Polizei überwachte und der schließlich in eine Nervenheilanstalt eingeliefert wurde: "Dieser Verdächtige war Kosminski."
Durch die Recherche des Ripperologen Martin Fido wurde 1987 in den Unterlagen des "Colney Hatch Lunatic Asylum" schließlich ein Aaron Kosminski gefunden.

Bevor die o.g. Quellen mit dem Namen Kosminski gefunden wurden, waren lediglich allgemeine Informationen über einen polnischen Juden als Verdächtigen öffentlich bekannt. So schrieb Major Arthur G.F. Griffiths in seiner Reihe "Mysteries of Police and Crime" 1898 ohne Namensnennung von "a Polish Jew, a known lunatic who was at large in the district of Whitechapel at the time of the murders and who (...) was confined to an asylum" (Mysteries of Police and Crime, by Arthur G.F. Griffiths, 1898, vol. 1, London: Cassell).
Darüber hinaus schrieb der Londoner Journalist George Sims über den "Polish Jew suspect" und gab weitere Details zu dem Verdächtigen bekannt, darunter die Information, dass er zeitweise in einem polnischen Hospital gearbeitet habe (Lloyd’s Weekly News, 22. September 1907).
Erst mit der Veröffentlichung von Macnaghtens Memo und dem Fund der Swanson-Marginalien konnte eine Verbindung des "Polish Jew suspect" mit dem Namen Kosminski vorgenommen werden, und Ripperologen begannen Aaron Kosminskis Leben zu rekonstruieren.


1865: Aaron Kosminskis Geburt
Aaron Kosminski wurde in Osteuropa, entweder in Russland oder dem vom Zarenreich annektierten Polen, geboren - höchstwahrscheinlich als Aron Mordke Kozminski am 11. September 1865 in Kłodawa, Kongresspolen.

Mit seiner Herkunft erfüllt Kosminski einen wesentlichen Aspekt in den frühesten öffentlichen Beschreibungen des Verdächtigen im Ripper-Fall von Griffith und Sims, die beide in unmittelbaren Kontakt zur Führungsebene der Polizei standen, und von einem polnischen Juden sprachen.


1881/1882: Emigration nach London
Vermutlich um den antisemitischen Pogromen in Osteuropa zu entgehen, emigrierte Aarons Familie mit dem jungen Mann über Deutschland nach London ins Eastend.

Wann genau er seine Heimat verließ, ist unklar. Der Ripperologe Robert House: "It is not clear exactly when Aaron and his extended family left the Pale. It was certainly after 1880, and before 1882. I would argue that the pogroms in March 1881 caused the Kosminskis to decide to emigrate west. This was the case for hundreds of thousands of Jews who decided to emigrate west after the pogroms." http://www.casebook.org/dissertations/robhouse-kosminski.html


Nähe zu den Opfern

Soweit bekannt, wohnte Aaron bei seinen Verwandten, die in der Zeit der Morde bis zu Aarons Einweisung in die psychiatrische Anstalt "Colney Hatch Lunatic Asylum" am 7. Februar 1891 im Eastend von London lebten, nicht weit von den Tatorten entfernt:
Bruder Isaac Abrahams: Juni 1886 – Mai 1891 Greenfield Street 74.
Schwester Matilda und Schwager Morris Lubnowski: Dezember 1885 – Februar/März 1891 Greenfield Street 16.
Bruder Woolf Abrahams: Mitte 1887 bis Oktober / November 1888 Providence Street 25, vor März 1889 bis nach Mai 1889 Yalford Street 34 (gegenüber der Greenfield Street), im Sommer 1890 dann Sion Square 3 / Mulberry Street - diese Heimatadresse wird auch für Aaron bei seiner vorübergehenden Einlieferung ins "Mile End Old Town Workhouse" am 12. Juli 1890 angegeben. 

Damit wohnte die Familie zur Zeit der Morde innerhalb der Comfort Zone des Rippers. Sowohl für die zeitgenössischen als auch die modernen Ermittler war JTR mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein Einheimischer mit guter Ortskenntnis, was es ihm ermöglichte, sich schnell und unauffällig zu bewegen und die Polizeistreifen zu meiden, um bei seinen Taten und auf der Flucht nicht erwischt zu werden und relativ schnell von der Straße zu verschwinden.

Robert House schreibt in seinem geographischen Profil:
"First, it is interesting to note that 3 of the murder sites are almost precisely equidistant from Sion Square: Buck's Row, Hanbury Street, and Dorset Street. Eddowes murder occurred about 1/4 mile further out. Also note that the Berner Street site and George Yard are also almost equidistant from the center of the circle. The Tabram site, however is closest. This is also significant as the FBI reports in Warren et al 1995 that the first attack in a serial homicide was likely to occur closest to the offender's home." http://www.casebook.org/dissertations/robhouse-kosminski.html

Interessant sind auch die Umzugsaktivitäten der Familie:
Woolf Abrahams zog irgendwann im Zeitraum des Double Event von der Providence Street (wenige Meter vom Stride-Tatort entfernt) in die Yalford Street, wahrscheinlich sogar kurz danach. Er nahm jedenfalls nach dem Double Event seine Tochter von der Schule in der Berner Street und meldete sie an einer anderen an. Schließlich zog er erneut um in den Sion Square 3 (vielleicht gab es dazwischen auch noch vorübergehend eine andere Unterkunft).
Die Geschwister Isaac und Matilda zogen 1891 aus der Greenfield Street weg, kurz nachdem Aaron am 7. Februar 1891 in die psychiatrische Anstalt "Colney Hatch Lunatic Asylum" eingeliefert worden war.
Diese zeitliche Folge der Ereignisse lässt einen Zusammenhang mit Aaron plausibel erscheinen.


Fachliche Kenntnisse im Umgang mit Klingen
In den Akten der Nervenheilanstalt wird als Beruf von Kosminski Haarschneider angegeben, seine Brüder Woolf und Isaac waren Schneider, sein Schwager Morris Lubnowski Stiefelmacher und sein Verwandter Jacob Cohen sogar Metzger. Darüber hinaus soll der "Polish Jew Suspect" als Jugendlicher laut dem Journalisten George Sims in Polen vorübergehend in einem Hospital gearbeitet haben - als was ist allerdings unklar.

Damit hätte Aaron Erfahrung in dem Umgang mit Klingen (Scheren, Messern) gehabt und könnte möglicherweise auch etwas von medizinischen Eingriffen mitbekommen haben. Darüber hinaus hatte er mit Jacob Cohen einen Metzger als Verwandten, und seine Familie hatte vermutlich auch Bekannte im Eastend, die Metzger waren.


Ausgeprägte psychische Probleme
Bereits 1885 wurde Kosminski dem Ripperologen Donald Rumbelow zufolge das erste Mal als psychisch krank diagnostiziert (so steht es auch in dem Aufnahmeformular der psychiatrischen Anstalt "Colney Hatch Lunatic Asylum" von 1891). Dies soll sich in Halluzinationen und paranoiden Wahnvorstellungen geäußert haben, und hatte zur Folge, dass Aaron schließlich bis zu seiner Einweisung in die Psychiatrie keiner geregelten Arbeit mehr nachging.

Ein Auslöser könnte gewesen sein, dass er als Jugendlicher Zeuge der Pogrome geworden war. Robert House: "So assuming Aaron was still in the Pale in March 1881, he would have witnessed these violent attacks in person. This would have had a severly damaging effect on Aaron, both psychologically and emotionally. It is likely that he witnessed violent acts, destruction of property, and possibly even murder and rape."

Aber auf Aaron Kosminski trafen laut Ripperologe Robert House noch mehrere zusätzliche Faktoren zu, die von Fallanalysten überdurchschnittlich häufig in der Jugend von Serienmördern zu finden sind und eine entsprechende psychopathologische Entwicklung befördern.
Typisch für das Profil eines Sexualmörders sind nach dem Buch "Sexual Homicide, Patterns and Motives" der Profiler Robert K. Resseler, Ann W. Burgess, and John E. Douglas folgende Erfahrungen während der Kindheit und Jugend:
- Fehlen eines stabilen Zuhauses und sozialen Umfelds, häufiges Umziehen
- Fehlender Vater / wechselnde Bezugspersonen
- Anhaltende Erfahrungen von Feindseligkeit / Ablehnung
- Erfahrungen sexueller Gewalt
- Zwanghaftes Masturbieren
- Unstetige Arbeitsverhältnisse
Der allgegenwärtige Antisemitismus und die Pogrome (dabei möglicherweise auch Fälle sexualisierter Gewalt), das Auswandern und ständige Umziehen der Familie, seine Geschwister als Ersatzeltern, die den schwierigen Jungen untereinander hin und her schoben, möglicherweise obsessive Selbstbefriedigung (laut Macnaghten) und seine Unfähigkeit, geregelter Arbeit nachzugehen - damit treffen wesentliche Gefährdungsaspekte bei Aaron zu und er erfüllt die meisten Risikofaktoren im Profil eines künftigen Serienmörders.
Ein einziges Hauptmerkmal fehlt: Über eine frühe Delinquenz Aarons ist bisher nichts bekannt.
 

Die Mordserie

Dienstag, 7. August 1888: Martha Tabram im George Yard
Tabram wurde im Treppenhaus des George Yard Buildings 37 vermutlich das erste Opfer von JTR.
Tabram war auf einer Kneipentour mit ihrer Bekannten Mary Ann Connely ("Pearly Poll") und zwei Soldaten. Gegen 0 Uhr trennten sich die Pärchen um Sex zu haben, Connely ging mit dem Corporal zur Angel Alley, und Tabram verschwand mit dem Private in den George Yard.
Gegen 1.40 Uhr stieg das Ehepaar Elizabeth und Joseph Mahoney das Treppenhaus zu ihrem Zimmer hinauf und sah nichts. Auch als Elizabeth Mahoney es kurz darauf wieder durchquerte, um in einem Shop in der Thrawl Street etwas zu Essen zu kaufen, lag Tabram noch nicht da.
Tabram wurde mit einem Stich ins Herz getötet und mit insgesamt 39 Messerstichen in Brust und vor allem Unterleib traktiert. Sie lag auf dem Rücken, ihre Kleider waren hochgeschoben und ihre Beine gespreizt, ebenso wie bei den kanonischen Ripper-Opfern.
Gefunden wurde die Leiche auf dem Absatz des ersten Stocks gegen 4.45 Uhr durch Bewohner John Saunders Reeves, nachdem bereits Bewohner Alfred George Crow gegen 3.30 Uhr Tabram für einen schlafenden Obdachlosen gehalten hatte. Damit muss die Tatzeit zwischen 1.45 Uhr und 3.30 Uhr liegen. Reeves suchte eine Polizeistreife und fand Constable Thomas Barrett auf seiner Runde.

Der Soldat dürfte wohl der Letzte gewesen sein, der Tabram lebend gesehen hat, konnte aber weder von "Pearly Poll" noch von Constable Barrett bei Gegenüberstellungen identifiziert werden, obwohl letzterer auf seiner Streife durch die Wentworth Street gegen 2 Uhr einen Private der Grenadier Guard am Nordende des George Yard stehen sah und ihn ansprach. Der Private sagte dem Polizisten, er warte auf einen Kameraden, der mit einem Mädchen unterwegs sei, darauf ging Barrett weiter seine Streife, bis er drei Stunden später von Reeves zum Tatort gerufen wurde.
Der unbekannte Soldat könnte also den Mord verübt haben, dennoch war er aber wahrscheinlich nicht der Täter: Rund zwei Stunden für Sex mit einer älteren, unattraktiven Prostituierten an einem öffentlich zugänglichen Ort erscheint doch ein ziemlich langer Zeitraum. Wenn sie so lange im Treppenhaus von Nr. 37 gewesen wären, wäre wohl auch das Ehepaar Mahoney oder ein anderer Bewohner auf beide gestoßen.
Zudem hätte ein blutbefleckter Mörder wohl kaum in unmittelbarer Nähe des Tatorts auf seinen Kameraden gewartet und so entspannt auf Polizist Barrett reagiert. Barrett jedenfalls kam nichts an ihm und seinem Verhalten verdächtig vor.
Wahrscheinlicher ist, dass sich Tabram nach 1.45 Uhr noch mit einen anderen Mann - eben dem Ripper - in den George Yard zurückgezogen hat.

Erkenntnissen der modernen Kriminologie zufolge stammt das erste Opfer eines Serientäters oft aus seinem näheren räumlichen Umfeld.
Tabrams letzte bekannte Adresse war Satchell's Lodging House in der George Street, und die Kneipentour endete vor den George Yard Buildings.
Die Adressen von Aaron Kosminski, Sion Square 3 / Mulberry Street (falls er 1888 schon dort wohnte), und seiner Familie in der Greenfield Street 16 und 74 liegen nur rund 200 bzw. 300 Meter oder etwa 2-4 Minuten Fußweg von beiden Orten entfernt.


Freitag, 31. August 1888: Marie Ann Nichols in der Buck's Row

Nichols übernachtete zuletzt im White House Nachtasyl in der Flower and Dean Street 56.
Gegen 2.30 Uhr wurde Nichols zuletzt lebend gesehen von ihrer Bekannten Emily Holland an der Ecke Osborn Street / Whitechapel High Street, fast einen Kilometer vom Tatort entfernt, bevor sie betrunken auf der Whitechapel Road weiter Richtung Osten wankte.
Bis ca. 3.20 Uhr kamen nacheinander die Polizisten Neil, Thain und Kirby auf ihren Runden durch die Buck's Row, ohne etwas Verdächtiges zu sehen.
Gegen 3.45 Uhr fanden dann Charles Andrew Cross und Robert Paul auf ihrem Weg zur Arbeit die Leiche von Nichols vor einem verschlossenen Tor (vermutlich hatte der Täter vergeblich versucht, mit ihr in den Hof zu gelangen). Die Tatzeit muss also zwischen 3.20 Uhr und 3.45 Uhr betragen.

Cross war als erster und allein am Tatort, bis Paul kurz darauf dazustieß. Somit könnte Cross der Täter gewesen sein, zumal die Informationen zu seinen Zeitangaben nicht stimmen können: Er gehe gewöhnlich gegen 3.30 Uhr von zuhause los, sagte er aus, habe diesmal aber sogar zehn Minuten früher das Haus verlassen. Von seiner Adresse in der Doveton Street bis zum Tatort brauchte man aber gerade mal 10 Minuten - es fehlt eine ganze Viertelstunde. Zudem liegen alle Tatorte JTRs auf den Wegen zwischen der Wohnung von Cross, seiner Arbeit als Fleisch-Auslieferer in der Broad Street und dem Wohnort seiner Mutter in der Berner Street.
Allerdings hätte Cross, als er die Schritte von Paul hörte, einfach nach Westen verschwinden können, ohne erkannt zu werden, statt auf ihn zu warten: Es sind rund 100 Meter vom östlichen Ende der Buck's Row bis zum Tatort und es war noch dunkel. Bis zu den Querstraßen im Westen als Fluchtwege sind es nur wenige Meter. Stattdessen wartete er auf Paul, wies ihn erst auf den am Straßenrand liegenden Körper hin und ging mit Paul einen Polizisten suchen.
Außerdem lebte er noch mehr als 30 Jahre nach dem Ende der Morde als unbescholtener und gesunder Bürger weiter. Daher war Cross wohl eher nicht der Ripper.   

Die Ecke Osborn Street / Whitechapel High Street ist nur rund 100 Meter von Kosminskis Adresse Sion Square 3 / Mulberry Street bzw. 200 Meter von der Adresse seiner Familie in der Greenfield Street entfernt. Darüber hinaus ging Nichols nach Osten, kam also direkt an den Einmündungen auf die Hauptstraße vorbei, die Kosminski genutzt hätte.
Der Tatort Buck's Row ist nur etwa 400 bis 500 Meter oder 5-7 Minuten Fußweg von beiden Adressen entfernt.

Interessant ist, dass sich laut den Polizeiakten und in der Presse (5. bis 10. September) schon nach diesem Mord ein Gerücht bildete und umging, ein gewisser "Leather Apron" solle der Täter gewesen sein. Nach dem Chapman-Mord (s.u.) geriet dann der aus Polen stammende jüdische Schuhmacher John Pizer vorübergehend unter Verdacht, der diesen Spitznamen getragen haben soll.
Parallelen zu Kosminski sind vorhanden: auch er war ein polnisch-stämmiger Jude, und sein Schwager Morris Lubnowski war Bootmaker. Der keiner regelmäßigen Arbeit nachgehende Aaron könnte zeitweise für seinen Schwager tätig gewesen sein.


Samstag, 8. September 1888: Annie Chapman in der Hanbury Street

Chapman verbrachte ihre letzten Nächte in der Crossingham's-Unterkunft in der Dorset Street 35.
Gegen 1.50 Uhr verließ sie das Asyl Richtung Norden in die Brushfield Street.
Gegen 5.30 Uhr am frühen Morgen wurde Chapman zum letzten Mal lebend gesehen, und zwar von der Zeugin Elizabeth Long. Unmittelbar vor dem Tatort in der Hanbury Street 29 nur etwa 300 Meter vom Asyl entfernt soll sie laut Longs Aussage mit einem Freier gesprochen haben: "Willst du?" - "Ja."
Long beschreibt den Verdächtigen wie folgt: Knapp 40 Jahre alt, etwas größer als Chapman, dunkler Mantel und tief ins Gesicht gezogener dunkler Hut, fremdländisches Aussehen.
Etwa zur selben Zeit geht Albert Cadosch aus dem Nachbarhaus Nr. 27 in seinen Hinterhof zur Toilette, als er danach ins Haus zurück will, hört er vom Hof nebenan zunächst ein leises "No" und wenige Minuten später bei seinem Aufbruch zur Arbeit etwas gegen den Zaun stoßen.
Gegen 6 Uhr wurde Chapmans Leiche im Hinterhof vom Bewohner John Davies entdeckt.
Die Tatzeit liegt also zwischen 5.30 Uhr und 6 Uhr, und die Zeugin Long hat damit wohl den Ripper bei Chapman gesehen.

Laut Zeugenaussagen der Anwohner soll einige Zeit vor dem Mord auch schon ein Unbekannter im Hinterhof genächtigt haben. Dies könnte einfach ein Obdachloser gewesen sein, der nichts mit der Tat zu tun hatte - oder es war der nachts umherstreifende Ripper, der so einen guten Ort für seine nächste Tat gefunden hatte. Kosminski soll in seinem geistigen Verfall durch die Straßen gestrichen sein und könnte auch in Hinterhöfen genächtigt haben.

Da die Tatzeit bereits nahe der beginnenden Morgendämmerung und dem wieder einsetzenden "Berufsverkehr" in den Straßen liegt, hatte JTR nicht viel Zeit, aus der Öffentlichkeit zu verschwinden, bevor es richtig hell wurde.
War Kosminski der Ripper: Der Tatort ist rund 700-800 Meter oder etwa 8-10 Minuten Fußweg von den Wohnadressen seiner Familie entfernt.
Was nicht zu passen scheint, ist das von Zeugin Long geschätzte Alter des Verdächtigen: Kosminski war erst 23 Jahre. Aber vielleicht sah er durch die drei Jahre Krankheit älter aus. Zu den Verdächtigen, die von den Zeugen zuletzt bei den Ripper-Opfern gesehen wurden, gab es jedenfalls stark differierende Altersangaben von etwa 30 bis rund 40 Jahre.


Sonntag, 30. September 1888: Nacht des Double Event
Mord an Elizabeth Stride in der Berner Street 40/42, etwa 45 Minuten später an Catherine Eddowes auf dem Mitre Square.

Stride übernachtete bis zu ihrem Tod im Armenasyl in der Flower and Dean Street.
Zwischen 0.35 und 0.45 Uhr sahen mehrere Zeugen (Polizist William Smith, Anwohner James Brown, Zeuge Israel Schwartz) Stride mit einem Mann in der Nähe des Berner Street Clubs. Beschrieben wird er übereinstimmend als knapp 1,70 groß, etwa 30 Jahre alt, heller Teint, Schnauzbart, dunkler Mantel und Schirmmütze. Polizist Smith bemerkte zudem ein Päckchen in seiner Hand.
Der aus Norden von der Commercial Road vorbeikommende Israel Schwartz will sogar eine Auseinandersetzung wahrgenommen haben, weswegen er schnell weitergegangen sei, sagte er später der Polizei. Der Mann habe die Frau am Tor zum Dutfields Yard zu Boden geworfen, die Frau habe kurz aufgeschrien. Als er zurückgeblickt habe, sei gerade ein anderer Mann mit einer Pfeife aus dem nahen Pub gekommen und es habe eine kurze verbale Auseinandersetzung mit dem Verdächtigen gegeben, bis der Verdächtige "Lipski" gerufen habe. Da sei der andere auf Schwartz zugegangen und Schwartz sei aus Angst weggelaufen.
Gegen 1 Uhr dann wurde Strides Leiche vom Verwalter des Clubs, Louis Diemschütz, im Torweg des Dutfield Yard neben dem Club gefunden. Im Gegensatz zu den anderen Opfern wurde ihr nur die Kehle durchgeschnitten, aber offenbar wegen der Störung durch die Zeugen keine Verstümmelungen des Unterleibs mehr vorgenommen.

Als plausibelste Interpretation dieser Szene scheinen Schwartz und der Mann mit der Pfeife mitten in den Angriff des Rippers hineingeplatzt zu sein. Weil Schwartz schon auf der Flucht war, als der Pfeifenraucher auf die Straße kam, tat der Mörder offenbar so, als sei er ein unschuldiger Helfer und konnte den anderen Mann mit dem Ausruf "Lipski" davon überzeugen, dass der nach Süden flüchtende Schwartz der Angreifer gewesen sei, so dass "Pipeman" die Verfolgung von Schwartz aufnahm (leider konnte "Pipeman" nie identifiziert werden).
Lipski war ein Jude aus der Parallelstraße Batty Street, der 1887 wegen Mordes verurteilt worden war - und sein Name war in antisemitischen Kreisen zum Schimpfwort gegen Juden im allgemeinen und zum Synonym für Mörder im speziellen geworden.
Indem der Mörder den einen Zeugen so auf den anderen hetzte, konnte er vom Tatort (vermutlich über die Passage zur Batty Street - s.u.) schließlich nach Norden in die Commercial Road fliehen.
Er wollte angesichts der Beinahe-Entlarvung mit ziemlicher Sicherheit zuerst zu seinem Versteck zurück - und dies führte ihn Richtung Norden.

War Aaron Kosminski der Ripper, so könnte sein Ziel Sion Square 3 / Mulberry Street, oder die Adresse seiner Familie in der Greenfield Street gewesen sein, nur rund 200 oder 300 Meter bzw. 3-4 Minuten Fußweg nach Norden.
Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass sein Bruder Woolf Abrahams Anfang der 1880er neben dem Dutfields Yard gewohnt hatte, so dass Aaron den Hinterhof gut gekannt haben könnte, auch als Platz für Schäferstündchen mit Prostituierten. Ebenso dürfte Aaron die Geschichte des Lipski-Mordes gekannt haben.

Da JTR sein eigentliches Ziel - die Verstümmelung - bei Stride nicht mehr umsetzen konnte, suchte er jedenfalls, als er sich wieder sicher fühlte, schließlich ein weiteres Opfer.


Eddowes
und ihr Mann John Kelly lebten überwiegend im Armenhaus "Cooney's" in der Flower und Dean Street 55.
Gegen 1 Uhr wurde Eddowes aus der Ausnüchterungszelle der Polizeistation Bishopsgate Street entlassen und ging Richtung Süden, höchstwahrscheinlich die Houndsditch entlang zurück zur Aldgate High Street, wo sie den frühen Abend verbracht hatte.
Gegen 1.30 Uhr checkte Constable Edward Watkins auf Streife den Mitre Square, ohne etwas Verdächtiges festzustellen.
Etwa um diese Zeit verließen Joseph Lawende, Harry Harris und Joseph Hyam Levy den Imperial Club, Duke Street, schräg gegenüber der Church Passage zum Mitre Square, und sahen einen Mann und eine Frau am Eingang der Passage in einem leisen Gespräch.
Der Zeuge Lawende beschrieb den Mann wie folgt: Etwa 30 Jahre alt, knapp 1,70 Meter groß, blasser Teint, heller Schnauzbart, durchschnittlicher Körperbau, graue Jacke, graue Stoffkappe und rötliches Halstuch, sah wie ein Seemann aus (wobei aber Seemänner selten "blassen Teint" haben).
Gegen 1.35 Uhr ging Constable James Harvey durch die Church Passage und schaute in den dunklen Mitre Square, sah jedoch nichts und kehrte auf seine Runde zurück.
Gegen 1.45 Uhr kam Constable Edward Watkins von der anderen Seite (Mitre Street) wieder durch den Hauptzugang in den Mitre Square und entdeckte beim Herumleuchten mit seiner Lampe die tote Eddowes in einer dunklen Ecke liegen.
Laut Inspector Robert Sagar von der City Police soll ein Polizist kurz zuvor gesehen haben, wie ein Mann aus der Mitre Street in östliche Richtung verschwand. Aufgrund der Sichtung dieses Mannes liefen anschließend Polizisten durch Gravel Lane und Stoney Lane, um Hinweise auf den Fluchtweg des Mörders zu finden - dieser Weg führt in die Middlesex Street und weiter in die Goulston Street.
Einer davon war Detective Constable Daniel Halse, der mit zwei Kollegen gegen 1.55 Uhr an der Ecke Houndsditch bei St. Botolph's Church stand und aufgrund der Alarmierung in den Mitre Square kam. Nachdem Halse Instruktionen zur Befragung der Anwohner gegeben hatte, eilte er zuerst in die Middlesex Street und, weil er dort niemanden sah, weiter in die Wentworth Street, wo er zwei Passanten überprüfte. Gegen 2.20 Uhr checkte er die Goulston Street, um nach vergeblicher Suche zum Mitre Square zurückzukehren.
Gegen 2.55 Uhr schließlich fand Constable Alfred Long auf seiner Runde ein Stück der blutigen Schürze von Eddowes im Hauseingang der Wentworth Dwellings 108-119, Goulston Street. Darüber an der Wand stand mit Kreide der Satz: "Die Juden sind die Menschen, die nicht grundlos beschuldigt werden." Long zufolge soll die Schürze auf seiner vorherigen Runde gegen 2.25 Uhr noch nicht dort gelegen haben. Ob das antisemitische Graffiti zuvor schon da gewesen war, wusste er nicht.

Die Strecke zwischen Berner Street und Mitre Square beträgt auf direktem Weg rund 1000 Meter oder etwa 12-15 Minuten Fußweg.
War Kosminski der Ripper, hätte er damit vor dem Eddowes-Mord sogar einen Zwischenstopp zuhause einlegen können.
Die Strecke vom Mitre Square zur Goulston Street beträgt nur rund 500 Meter oder 6-7 Minuten.
Entweder haben die Polizisten Halse und Long die Schürze gegen 2.25 Uhr übersehen, oder JTR hat sich zeitweise in einer Zuflucht versteckt, bevor er sie ablegte. Ein Umweg von rund einer dreiviertel Stunde durch die Straßen voller alarmierter Polizisten ist eher unwahrscheinlich - daher dürfte die Rückzugsmöglichkeit des Rippers in unmittelbarer Nähe gewesen sein.
Falls Kosminski der Ripper war: Der Fluchtweg führt in Richtung von Aarons Heimatadressen. Die Strecke bis zur Adresse Sion Square 3 / Mulberry Street beträgt etwa 1000 Meter, die Adresse seiner Familie in der Greenfield Street etwa 1100 Meter.
Aber vielleicht hatte Kosminski auch eine andere, nähere Rückzugsmöglichkeit...


Der Batty Street-Zwischenfall
Nach dem Stride-Mord entdeckte in der Batty Street 22 die Vermieterin und Wäscherin Mrs. Kuer in einem Wäschestapel, der ihr von einem Kunden abgegeben worden war, ein blutiges Hemd.  Das Haus war vom Tatort in der Berner Street unmittelbar über eine schmale Passage schräg gegenüber der Einfahrt zum Dutfields Yard durch die Hinterhöfe zu erreichen.
"The police then called on Mrs. Kuer and took possession of the shirt and set up surveillance on the house for when the man returned. The matter was considered of considerable importance by Inspector Reid, Inspector Abberline and other senior officers.
The man returned on Saturday, 13 October, and was promptly taken into custody where he was held for about 36 hours until the morning of the 15th. The blood was explained by a friend who got it on the shirt while cutting his corn. It obviously took quite a while to satisfy the police, but eventually they believed the incident had an innocent explanation."
http://forum.casebook.org/showthread.php?p=339051

Der Vorfall bleibt mysteriös: Die Polizei hielt ihn für verdächtig genug, um den Kunden immerhin 36 Stunden lang festzuhalten und zu verhören. Leider ist nicht bekannt, wer dieser Kunde war.
Es besteht die Möglichkeit, dass es ein Familienangehöriger Aarons war, der die Wäsche abgab, da die Familienangehörigen nur rund 100 Meter (Providence Street) bzw. 200 Meter (Greenfield Street) von Mrs. Kuer weg wohnten.


Polizei-Razzia im Oktober:
Die Polizei führte in den folgenden Wochen (3.-18. Oktober) in der Umgebung des Mitre Square und der Berner Street Haus-zu-Haus-Befragungen durch. Der stellvertretende Polizeipräsident Robert Anderson schrieb, dass man alle Männer des Viertels überprüft habe, die den Zeugenaussagen entsprachen und sich blutbefleckter Kleidung entledigen konnten.

Interessanterweise folgte nach dem Double Event die längste Pause zwischen den Ripper-Morden von fast sechs Wochen. Ursache dafür könnte der Ermittlungsdruck durch die Behörden gewesen sein, was für die Annahme spricht, dass die Polizei durch ihre Ermittlungen dem Ripper näher kam, so dass er vorerst pausieren musste, bis die polizeilichen Aktivitäten in seinem Umfeld wieder zurückgingen. Möglich ist auch, dass die Angehörigen von JTR zum ersten Mal Verdacht schöpften und nun begannen, ihn intensiver zu beaufsichtigen.

Da Aarons Brüder Woolf und Isaac Schneider waren, gab es in der Familie wahrscheinlich immer genug Kleidungsstücke zum Wechseln. Und wenn Aaron sich in schlechten Phasen seiner zunehmenden psychischen Erkrankung sowieso öfter mal gehen ließ, dürfte er wohl auch regelmäßig frische Kleidung gebraucht und bekommen haben, so dass Aaron als Ripper anfangs nur wenig Probleme mit dem Ersetzen blutverschmierter Sachen gehabt haben dürfte, ohne dass es besonders auffiel - zumindest bis zum Batty Street-Zwischenfall mit dem Fund des blutigen Shirts  bei Mrs. Kuer.


Freitag, 9. November 1888: Mord an Mary Jane Kelly im Miller's Court
Kelly verließ in ihrer letzten Nacht mehrmals ihr Zimmer im Miller's Court, Dorset Street 26, und kehrte mit verschiedenen Freiern wieder dorthin zurück, nachdem sie den frühen Abend mit ihrem Exfreund Joseph Barnett verbracht hatte.
Gegen 23.45 Uhr sah ihre Nachbarin Mary Ann Cox, wie Kelly mit einem Kunden auf ihr Zimmer ging. Zwischen 0.30 Uhr und 1 Uhr hörten Cox und Nachbarin Catherine Picket sie singen.
Ihre Nachbarin Elisabeth Prater kehrte gegen ein Uhr zurück, wartete erst 20 Minuten vor dem Eingang zum Court auf ihren Freund und ging, als er nicht kam, noch für zehn Minuten in McCarthys Laden nebenan. Gegen 1.30 Uhr stieg sie die Treppen zu ihrem Zimmer direkt über Kellys hinauf, ohne dort Licht zu sehen oder etwas zu hören, und ging zu Bett.
Der Zeuge George Hutchinson, ein Bewohner des Victoria Home in der Commercial Street, ging am 12. November zur Polizei und sagte aus, dass er seine Bekannte Mary Jane Kelly am 9. November gegen 2 Uhr in der Commercial Street getroffen habe.
Kurz darauf sei sie mit einem Kunden an ihm vorbei zurück auf ihr Zimmer gegangen. Weil der Mann sein Gesicht vor ihm habe verbergen wollen, sei er beiden gefolgt und habe rund eine dreiviertel Stunde den Hof beobachtet, jedoch ohne etwas Verdächtiges wahrzunehmen. Gegen 3 Uhr sei er schließlich gegangen.
Hutchinson beschrieb den Mann als etwa Mitte 30, knapp 1,70 Meter groß, blasser Teint, dunkle Augen und Haare, dünner gezwirbelter Schnurrbart, jüdisches Erscheinungsbild, mürrisches Aussehen, dunkler Mantel, dunkler Hut, kleines Päckchen in seiner Hand.
Sarah Lewis, die gegen 2.30 Uhr zu ihrer Bekannten Mrs. Keyler im Miller's Court ging, um dort zu übernachten, sah gegenüber dem Hofeingang einen Mann stehen - dabei handelte es sich vermutlich um Hutchinson.
Zwischen 3.15 Uhr und 3.45 Uhr hörten sowohl Lewis wie auch Elizabeth Prater einen leisen, unterdrückten Schrei vom Hof her: "Mord!"
Gegen 6.15 Uhr hörte Nachbarin Marie Ann Cox Schritte im Hof und sah dort einen Mann Mitte 30 mit dunkler Kleidung (schränkt jedoch ein, es könnte auch ein Polizist gewesen sein).
Gegen 7.30 Uhr klopfte Nachbarin Catherine Picket an Kellys Tür, um sich einen Schal zu leihen, aber nichts regte sich.
Gegen 10.45 Uhr wurde Kellys Leiche von Hausverwalter Thomas Bowyer entdeckt, der die Miete eintreiben sollte.

Theoretisch könnte Hutchinson der Täter gewesen sein, der nach dem Verschwinden des Kunden gegen 3 Uhr selbst zu Kelly ging - nur: warum hätte er dann bei der Polizei auftauchen und sich mit dem Geständnis seines "Stalkings" verdächtig machen sollen? Inspektor Abberline hielt ihn für glaubwürdig.
Plausibel wäre aber, dass der von Hutchinson beschriebene Kunde nach 3 Uhr ging - und dass erst der nächste Besucher Kellys der Ripper war. Dann wäre Hutchinsons Beschreibung unbrauchbar.
Bemerkenswert ist jedoch, dass Hutchinson aussagte, er glaube denselben Mann später noch einmal gesehen zu haben, und zwar am 11. November in der Petticoat Lane / Middlesex Street - wo es viele Schneider und den Straßenmarkt für Bekleidung gab. Aarons Brüder waren Schneider, so dass es durchaus möglich ist, dass es Kosminski war, den er dort gesehen hat.
Auch die auffällig höherwertige Bekleidung des Kelly-Kunden, die Hutchinson beschrieb, ließe sich mit dem Schneiderhandwerk von Kosminskis Familie erklären.

Merkwürdig war nach den Coroner-Untersuchungen zum Double-Event auch die Anhörung im Fall Kelly: Sie wurde im Distrikt Shoreditch vom dort zuständigen Richter vorgenommen und nicht in Whitechapel, mit der seltsamen Begründung, zuständig sei der Ort der Aufbahrung, nicht der Tatort. Sie wurde bereits am 12. November eröffnet, mit sich nicht zuständig fühlenden Geschworenen, in hohem Tempo durchgepeitscht und schon am selben Tag wieder abgeschlossen. Richter Roderick Macdonald sagte: "Wenn die Geschworenen allein zu der Todesursache zu einem Ergebnis kommen, so ist das alles, was sie zu tun haben."
Zeugen oder Beweismittel zur Strafverfolgung sollten nicht weiter öffentlich thematisiert werden - wahrscheinlich aus ermittlungstaktischen Gründen, weil man einen Tatverdächtigen nicht warnen wollte, während er unter Beobachtung stand, um ihn auf frischer Tat stellen zu können.
In H. L. Adam's Serie "The People on Scotland Yard and its Secrets" von 1912 zitiert der Autor Assistant Commissioner Anderson: "Sir Robert Anderson has assured the writer that the assassin was well known to the police, but unfortunately, in the absence of sufficient legal evidence to justify an arrest, they were unable to take him. It was a case of moral versus legal proof. The only chance the police had, apparently, was to take the miscreant red-handed…"


"Butcher's Row Suspect"
Nach dem Kelly-Mord begann die City Police laut den Aussagen verschiedener Polizisten damit, mehrere Monate lang einen Tatverdächtigen in dem "Butcher's Row" genannten Abschnitt der Aldgate High Street zu observieren.

In Zeitungsinterviews sagte Robert Sagar von der City Police Jahre später, dass man nach dem Kelly-Mord einen Verdächtigen unter Beobachtung gestellt habe, der in der Butcher's Row arbeite und von dem man annehme, dass er der Ripper sei, und dass dieser Mann letztendlich von seinen Leuten in ein Irrenhaus eingeliefert worden sei.
Auch Detective Inspector Henry Cox von der City Police erzählte Jahre später in einem Zeitungsartikel (Thomson’s Weekly News, 1. December 1906) von Observationen, jedoch ohne einen Zeitraum zu nennen oder Ortsangaben zu machen.
Cox: "The man we suspected was about five feet six inches in height, with short, black, curly hair, and he had a habit of taking late walks abroad. He occupied several shops in the East End, but from time to time he became insane, and was forced to spend a portion of his time in an asylum in Surrey. (...) While the Whitechapel murders were being perpetrated his place of business was in a certain street, and after the last murder I was on duty in this street for nearly three months."

Dass der Verdächtige an verschiedenen Adressen zu finden war (es ist nicht ganz klar, ob Cox mit "occupy" nun "bewohnte" meinte oder ob er in den Shops "beschäftigt" war), passt zur Geschichte Kosminskis: Seine Familie hatte mehrere Adressen und Shops, und sie zogen in der Zeit der Ermittlungen auch um.

Mögliche Verbindung Aaron Kosminskis zur Butcher's Row: Sein Verwandter Jacob Cohen war ein erfolgreicher Metzger und Geschäftsmann aus Manchester, der für rund zwei Jahre in einer geschäftlichen Angelegenheit in London wohnte: Er gründete 1890 die Firma "Davies, Cohen & Company" in der Carter Lane 51, St. Pauls (City of London), wo er gemeinsam mit Thomas Coughtrey Davies und Aarons Bruder Woolf Abrahams Mäntel herstellte und verkaufte. Interessanterweise wurde die Firma im Juli 1891, wenige Monate nach Aarons dauerhafter Einweisung in Colney Hatch, wieder aufgelöst.

Interessant daran ist, was Detective Inspector Henry Cox über die Verschleierungstaktik der polizeilichen Überwachungsarbeit schrieb, die der jüdischen Gemeinde nicht verborgen blieb: "We told them we were factory inspectors looking for tailors and capmakers who employed boys and girls under age, and pointing out the evils accruing from the sweaters' system asked them to co-operate with us in destroying it."
Dies könnte zu Aaron als Ripper-Verdächtigen passen, dessen Brüder Schneider in der von zahlreichen Schneidern bewohnten Greenfield Street waren, und dessen Verwandter Cohen wahrscheinlich Verbindungen in die Butcher's Row hatte. Vielleicht hatte Jacob Cohen Mitverantwortung für Aaron übernommen und/oder ihm vielleicht eine einfache Tätigkeit in der Butcher's Row besorgt, so dass er dadurch unter Aufsicht stand.
Für diese Interpretation spricht auch der Zwischenfall mit dem Hund im Dezember 1889 und die Tatsache, dass es Cohen war, der Aaron schließlich 1891 ins Mile End Workhouse brachte, von wo es weiter in die Irrenanstalt ging (s.u.).

Über Kosminski ist leider nur bekannt, dass er in Colney Hatch eingeliefert wurde, es gibt bisher keine Hinweise auf eine vorübergehende Unterbringung in Surrey. Jedoch wäre es plausibel, dass sich zunächst seine Angehörigen um ihn kümmerten, bis sich sein Zustand so weit verschlechterte, dass er für sie nicht mehr zu bewältigen war (möglicherweise entzog er sich ihrer Aufsicht und tötete Alice McKenzie), worauf sie ihn unter falschem Namen in ein privates Sanatorium steckten, bevor er von der Polizei entdeckt und identifiziert wurde.
Auch eine Verwechslung der Kliniken oder mit einem anderen Ripper-Verdächtigen wäre möglich.


Mittwoch, 17. Juli 1889: Mord an Alice McKenzie in der Castle Alley

Police Constable Walter Andrews entdeckte gegen 0:50 Uhr in der Castle Alley den leblosen Körper von Alice McKenzie, etwa eine halbe Stunde, nachdem er das letzte Mal auf seiner Runde dort gewesen war. Zeugen der Tat gab es keine. Ihre linke Halsschlagader war durchtrennt, ihr Rock war hochgeschoben und der Unterleib mit einem Messer traktiert worden, allerdings waren die Verletzungen eher oberflächlich.

Die Polizisten und die untersuchenden Ärzte waren uneinig darüber, ob es sich um ein weiteres Ripper-Opfer handelte. Einiges passte ins Schema: McKenzie übernachtete in einem Armenhaus, war rund 40 Jahre alt, Prostituierte und Trinkerin - und wurde im Zentrum von JTRs Aktivitäten getötet. Allerdings wurde ein anderes Messer benutzt, und vermutlich war dieser Täter anders als JTR Linkshänder. Zudem wurde sie nicht gewürgt, es gab keinen vollständigen Kehlenschnitt, die Wunden waren nicht so tief und der Unterleib war nicht ausgeweidet.
Der Täter hätte wahrscheinlich durchaus genug Zeit für weiterreichende Verstümmelungen gehabt, denn er war wohl diesmal nicht gestört worden. Indiz dafür: Obwohl es kurz geregnet hatte, war der Gehweg unter McKenzies Körper trocken, was bedeutet, dass sie wohl schon vor dem Schauer getötet wurde und somit einige Zeit unentdeckt dagelegen hatte. Möglicherweise war es ein Nachahmungstäter, der dem Ripper diesen Mord in die Schuhe schieben wollte.
Falls es doch JTR war, deutet alles darauf hin, dass er nicht mehr auf der Höhe seiner physischen und/oder psychischen Kräfte war.
Auch der große zeitliche Abstand zu den übrigen Taten fällt auf: JTR hatte eine sehr kurze Abkühlphase, so dass längere Pausen wohl nur durch widrige Umstände wie Krankheit,  Einweisung oder Überwachung durch Familie und/oder Polizei zu erklären sind.
Die Adressen von Aaron Kosminski, Sion Square 3 / Mulberry Street (falls er 1888 schon dort wohnte), und seiner Familie in der Greenfield Street liegen nur rund 400 bzw. 500 Meter oder etwa 5-6 Minuten Fußweg von der Castle Alley entfernt.


Dezember 1889: Der Hunde-Zwischenfall
Im Dezember 1889 stand Aaron Kosminski vor einer behördlichen Anhörung. Er sollte ein Bußgeld bezahlen, weil er einen Hund ohne Maulkorb mit sich geführt hatte. Er sagte aus, dass er manchmal unter dem Namen seines Bruders "Abrahams" unterwegs sei, und dass der Hund einem "Jacobs" gehöre: "I goes by the name of Abrahams sometimes, because Kosminski is hard to spell… I cannot pay, the dog belongs to Jacobs, it is not mine…"

Mit Jacobs meinte er vermutlich seinen Verwandten Jacob Cohen oder vielleicht einen Nachbarn, den Butcher Aaron Jacobs. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass nach dem Mord an Frances Coles im Februar 1891 im East End ein Gerücht die Runde machte, der Mörder sei ein jüdischer Butcher namens "Jacobs".
Benjamin Leeson schrieb in "Lost London: The Memoirs of an East End Detective" (1934):
"... a story circulated that the Ripper was a butcher, who wore blue overalls and a leather apron, and an English Jew named Jacobs, a perfectly harmless man, somehow attracted suspicion to himself. Possibly because, working in a slaughter house, he always wore a leather apron. People would point Jacobs out in the street as a suspected man, and more than once he had to run for it. I myself was often obliged to take him to the police station for protection. The thing so preyed on the poor fellow's mind that it finally caused him to lose his reason."
Wenn Aaron öfter die Namen seiner Verwandten als Alias benutzte, könnte dies die Ermittlungen der Polizei behindert und zu manchen der bekannten Unstimmigkeiten geführt haben, weil dadurch einige Verbindungen nicht gleich aufgedeckt werden konnten.


12. Juli 1890: Vorübergehende Einweisung ins Krankenhaus
Aaron Kosminski wurde von seinem Schwager Woolf Abrahams aus der Providence Street zur Behandlung in das "Mile End Old Town Workhouse" Krankenhaus eingewiesen. Aus dem Aufnahmeregister geht hervor, dass er schon seit mindestens zwei Jahren als geisteskrank galt.
Als seine Wohnadresse wurde Sion Square 3 / Mulberry Street bei seinem Bruder Woolf, und sein Beruf als Haarschneider angegeben.
Schon drei Tage später wurde er wieder entlassen und in die Obhut seines Schwagers Morris Lubnowski, wohnhaft Greenfield Street 16, übergeben.

Interessant ist, dass eine zweijährige psychiatrische Vorgeschichte angegeben wird: Dies deutet darauf hin, dass Kosminski bereits 1888/1889 in einer Anstalt gewesen sein könnte.
Die Polizei soll jedenfalls laut einem Pressebericht alle privaten Sanatorien auf der Suche nach dem Ripper überprüft haben:
"The Dublin Express London correspondent on Thursday gave as the latest police theory concerning the Whitechapel murderer, that he has fallen under the strong suspicion of his near relatives, who to avert a terribly family disgrace, may have placed him out of harm's way in safe keeping. As showing that there is a certain amount of credence attached to this story, detectives have recently visited all the registered private lunatic asylums, and made full inquiries as to the inmates recently admitted."
War Kosminski der Ripper, würde dies den Zeitraum bis zu seiner offiziellen Einweisung nach Colney Hatch 1891 erklären.


4. Februar 1891: Endgültige Einweisung in die Psychiatrie

Nach der Bedrohung seiner Schwester mit einem Messer wurde Kosminski erneut in das "Mile End Old Town Workhouse" Krankenhaus eingewiesen, und von dort aus am 7. Februar weiter in die psychiatrische Anstalt "Colney Hatch Lunatic Asylum" verlegt.
Sein Verwandter, der Metzger Jacob Cohen, gab folgende Beschreibung über Kosminski ab: "Er läuft durch die Straßen und hebt Brotkrümel aus dem Rinnstein auf um diese zu essen. Er trinkt Wasser aus der Tränke und weigert sich Essen aus den Händen von Leuten anzunehmen. Er hob ein Messer auf und bedrohte damit seine Schwester sie umzubringen. Er ist sehr dreckig und weigert sich, zu waschen. Er versuchte in all den Jahren kein einziges Mal Arbeit zu finden."
Das Einweisungsformular weist ihn als bereits "seit sechs Jahren irrsinnig" aus. Weiterführende Notizen in seiner Akte: "Er behauptet, dass er von einer inneren Stimme gelenkt werde und die Aufenthaltsorte aller Menschen kenne."
In den medizinischen Unterlagen steht auch: "he is guided and his movements altogether controlled by an instinct that informs his mind" und "he refuses food because he is told to do so". Er hatte also akustische Halluzinationen und hörte befehlende Stimmen, die ihn zu seinen Taten zwangen - dies wird laut der forensischen Psychiatrie immer wieder von wahnkranken Mördern erzählt.
Während seines Aufenthalts in den psychiatrischen Einrichtungen wurde Aaron Kosminski zwar als harmlos angesehen. Laut Ripperologe Donald Rumbelow wurde er aber zweimal gewalttätig: Er soll einen Pfleger mit einem Stuhl beworfen und einmal gar eine Krankenschwester mit einem Messer bedroht haben.

Dass Aaron Frauen mit einem Messer bedrohte und behauptete, von einer inneren Stimme gelenkt zu werden, ist ein gutes Indiz für eine mögliche Täterschaft.
Der Journalist George Sims schrieb über den Ripper-Fall:
"He was a Polish Jew of curious habits and strange disposition, who was the sole occupant of certain premises in Whitechapel after night-fall. This man was in the district during the whole period of the Whitechapel Murders, and soon after they ceased certain facts came to light which showed it was quite possible that he might have been the Ripper. He had at one time been employed in a hospital in Poland. He was known to be a lunatic at the time of the murders, and some-time afterwards he betrayed such undoubted signs of homicidal mania that he was sent to a lunatic asylum."
Dies passt auf Kosminski. Sims schrieb auch:
"A curious story has got out here that if true explains the long rest which Jack the Ripper has been taking from his diabolical work in the Whitechapel district, London. A lady from this city visiting a distinguished official in London, states in a letter written to friends here that the Ripper has been under arrest in the London metropolis for some time. He is a medical student and was arrested on the strength of information given by his own sister.
The authorities, the letter states, have kept the matter a strict secret in order to work up the case against the prisoner, and they are said to have a very complete chain of evidence."
Auch diese Aussage würde gut auf Kosminski passen, der ja offenbar vor allem wegen des Angriffs auf seine Schwester eingeliefert wurde.


Freitag, 13. Februar 1891: Mord an Frances Coles in Swallow Gardens
Gegen 1:45 Uhr traf eine Bekannte, die Prostituierte Ellen Callagher, in der Commercial Street auf Coles. Sie liefen gemeinsam Richtung Minories und begegneten einen "brutalen Mann mit einer Baskenmütze", an den Callagher sich als einen früheren Kunden erinnerte. Sie will Coles gewarnt haben, dass der Mann ihr vor einiger Zeit ein blaues Auge geschlagen habe, und sie solle sich nicht mit ihm abgeben. Coles befolgte den Rat ihrer Freundin allerdings nicht und unterbreitete dem Mann ein Angebot, worauf die beiden ohne Callagher in Richtung Minories gingen.
Carmen Friday und die Brüder Knapton gingen kurz nach 2 Uhr morgens durch die Eisenbahn-Unterführung Swallow Gardens. Sie sahen eine Frau und einen Mann, die an der Ecke der Royal Mint Street standen. Gegen 2:15 Uhr entdeckte Police Constable Ernest Thompson auf seiner Runde unter der Eisenbahnbrücke die Prostituierte Frances Coles mit durchschnittener Kehle.
Verdächtigungen wie im Automn of Terror mit den Gerüchten um "Lether Apron" verbreiteten sich unter den Bewohnern des Eastends, diesmal sollte laut Mundpropaganda ein gewisser "Jacobs" (!) der Mörder gewesen sein (s.o.). Die Justiz klagte später Coles gewalttätigen Freund Thomas Sadler an, der jedoch freigesprochen wurde, weil er ein Alibi hatte.

Coles war auch eine Prostituierte, der die Kehle aufgeschlitzt wurde, allerdings wurde sie nicht zuvor gewürgt, sondern einfach zu Boden gerissen, das Messer soll ebenfalls ein anderes gewesen sein - der obduzierende Dr. Phillips hielt jedenfalls JTR nicht für den Täter.
Interessant ist allerdings, dass in gewissen Teilen der Bevölkerung der Name "Jacobs" die Runde machte, was doch sehr nach "Jacob" klingt. Der Metzger Jacob Cohen war eben jener Verwandte von Aaron Kosminski, der Aaron in der Woche vor dem Mord in die Anstalt einlieferte.
Auch hatte Kosminski beim Hunde-Zwischenfall gesagt, dass das Tier einem "Jacobs" gehöre (s.o.). Könnte hier ein Verdacht an die Öffentlichkeit durchgesickert sein, der sich nach dem Stille-Post-Prinzip verselbständigt hat?


1892: Ermittlungs-Ende
Die Akte Jack the Ripper wird von der Polizei offiziell geschlossen.

Dies passt zeitlich gut zu Kosminskis Einlieferung: War Aaron der Ripper-Hauptverdächtige, so konnte der Fall ad acta gelegt werden, nachdem klar war, dass er die Psychiatrie nie mehr verlassen würde.


23. Februar 1894: Das Macnaghten-Memorandum
Chief Constable Sir Melville Macnaghten verfasst sein polizeiinternes Memorandum, indem Kosmiski als einer der drei Hauptverdächtigen genannt wird:
"Kosminiski war ein polnischer Jude und Einwohner in Whitechapel. Dieser Mann verfiel dem Wahnsinn, da er sich über viele Jahre hinweg dem Laster der Selbstbefriedigung hingegeben hatte. Er hatte einen großen Hass auf Frauen, besonders auf Prostituierte und hatte starke mörderische Neigungen. Er wurde etwa im März 1889 in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen. Es gab viele Sachverhalte in Verbindung mit diesem Mann, die ihn zu einem überzeugenden Verdächtigen machten."

Dass ein Teenager durch Selbstbefriedigung irrsinnig würde, ist zwar überholter Aberglaube - jedoch weiß die forensische Psychiatrie, dass es manchmal umgekehrt ist: So gilt zwanghafte Masturbation als ein Symptom von mangelnder Impulskontrolle und sexueller Obsession bei einer psychischen Erkrankung.
Über eine (vorübergehende) Einweisung Aaron Kosminskis im März 1889 ist jedoch leider nichts bekannt, er kam erst im Februar 1891 nach Colney Hatch.
Allerdings betonte Macnaghten, dass es "viele Sachverhalte" gäbe, die den Verdacht gegen Kosminski begründeten.


19. April 1894: Überführung nach Laevesden 

Kosminski wurde aus der psychiatrischen Anstalt "Colney Hatch" nach Laevesden, einem Heim für "ältere Schwachsinnige", gebracht und wurde dort als "chronisch harmlos geisteskrank und als Idiot oder geistesschwach" in der Kartei geführt. In Aufzeichnungen wird über ihn berichtet: "Hat den Bezug zur Realität komplett verloren. Kann sich nicht mehr an sein Alter erinnern und wie lange er schon in dem Heim wohnt. Hat Halluzinationen, sieht Erscheinungen und hört Stimmen. Zeitweilig verhält er sich sehr stur. Er ist unordentlich, aber sauber. Er arbeitet nicht". In diesem Heim verbrachte er die nächsten 25 Jahre bis zu seinem Lebensende.

Interessant ist die zeitliche Nähe zu Macnaghtens Memorandum: Könnte die Verlegung von Kosminski von Colney Hatch nach Leavasden vielleicht eine Folge der Erwähnung in dem Memorandum im Februar gewesen sein, vielleicht aus Sorge um ein mögliches Durchsickern des Inhalts an die Öffentlichkeit?


24. März 1919: Kosminskis Tod
Ab Anfang 1919 verschlechterte sich Aaron Kosminskis Gesundheitszustand drastisch, bis er dann am 24. März in Laevesden starb.


Fazit

Die Theorie, dass JTR ein psychisch kranker jüdischer Haarschneider war, der im Irrenhaus endete, erklärt den ansonsten merkwürdigen Schluss im Ripper-Fall: Nach dem Ende der Mordserie laufen die Ermittlungen angeblich ergebnislos aus, die Akte wird geschlossen - aber Jahre später erklären hochrangige Polizisten in ihren Memoiren oder Zeitungsartikeln, der Ripper wäre eigentlich identifiziert worden.

Nach dem Mord an Mary Ann Nichols verdichteten sich im Eastend schnell Gerüchte, dass die Morde von einem Juden mit dem Spitznamen "Leather Apron" verübt worden sein sollten, was so auch in den Zeitungen verbreitet wurde und schon zu ersten antisemitischen Aufwallungen und Kundgebungen führte.
Superintendent Thomas Arnold ordnete daher nach dem Double Event mit Erlaubnis von Polizeichef Charles Warren an, das Goulston Street Graffiti auf der Stelle zu entfernen, explizit aus dem Grund, um mögliche Pogrome gegen Juden zu verhindern. In seinem Bericht vom 9. November 1888 schreibt Arnold: "Ich bitte darum berichten zu dürfen, dass am Morgen des 30. September, dem Letzten, meine Aufmerksamkeit auf eine Aufschrift an der Wand des Eingangs zu Behausungen in der Goulston Street 108, Whitechapel gerichtet wurde, welche aus folgenden Worten bestand: 'Die Juwes sind [nicht] die Menschen, die nicht grundlos beschuldigt werden'.
Ich wusste, dass aufgrund der Verdächtigung eines Juden namens John Pizer, genannt ‚Leather Apron‘, der beschuldigt wurde, den kürzlich in der Hanbury Street verübten Mord begangen zu haben, ein starkes Gefühl gegen die Juden im Allgemeinen aufkam. Da das Gebäude, auf dem sich die Aufschrift befand, mitten in der Lokalität liegt, die hauptsächlich von dieser Religions-gemeinschaft bewohnt wird, war ich besorgt darüber, dass wenn die Aufschrift verbleibt, diese für einen Aufstand verantwortlich sein könnte. Daher habe ich erwogen, dass es wünschenswert sei, sie aufgrund der Tatsache zu entfernen, dass sie sich an einer Stelle befand, die gut von den Menschen einsehbar war, die dort hinein- und hinausgehen."

Falls man den Ripper tatsächlich durch einen Zeugen als einen verrückt gewordenen jüdischen Haarschneider identifizierte, hätte die Bekanntgabe demnach zu schrecklichen Übergriffen bis hin zum Pogrom gegen die jüdische Gemeinde in Whitechapel im Allgemeinen und seine Familie im Besonderen führen können. Denn an die Eröffnung eines Prozesses wäre schon wegen des Gesundheitszustands des Tatverdächtigen nicht zu denken gewesen. Und selbst wenn: Ob die dünnen Beweismittel für eine Verurteilung ausreichend gewesen wären, darf bezweifelt werden - ein Freispruch aus Mangel an Beweisen wäre aber verheerend gewesen.
Wegen der sowieso schon explosiven sozialen Lage, einem weitverbreiteten Antisemitismus und der aufgestauten Wut durch den Ripper-Terror wäre wohl zu erwarten gewesen, dass viele Menschen dann ihre Aggressionen an Sündenböcken ausgelassen hätten.
Die Behörden könnten daher zu dem Schluss gekommen sein, es sei angesichts der explosiven Situation im Eastend sicherer, den todkranken Irren stillschweigend in einer Anstalt verrotten zu lassen und lieber weiter zähneknirschend vor der Öffentlichkeit wie Versager in diesem Fall dazustehen, als eine Katastrophe im Viertel zu riskieren.



Hier noch der Link zum geographischen Profil Kosminkis von Robert House:
http://www.casebook.org/images/robhouse_fig4.gif
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 22.09.2016 17:28 Uhr
Hallo zusammen, hallo Lestrade!


Ich hatte vor beträchtlicher Zeit mal mit einer Zusammenfassung über Kozminski angefangen - die könnte als Basis für eine aktualisierte Kozminski-These aus einem Guss dienen.


Ich stelle sie mal hier ein - mit der Bitte um Ergänzung noch fehlender Facetten bzw. Korrektur von Irrtümern.


MfG, Arthur Dent

Du hast eine Ausdauer wie ein Athlet, Arthur!

Erneut Danke für deine Arbeit. Wie Du weißt, bin ich zeitlich sehr knapp momentan.

Daher nur ganz kurz:

Das Datum seiner Geburt ist absolut richtig. Laut Geburtsurkunde geboren am 11. September 1865 in Klodawa, damals gerade Russland.

Der verlinkte Artikel von Rob House ist älter, da ist noch Betsy als Schwester drin, obwohl sie seine Cousine war.

Eltern: Abram Josef Kozminski und Golda Lubnowski (ihr Bruder Josek war der Vater von Morris Lubnowski)
 
Kinder:
 
Pessa 1845-1848
Helen Singer geb.1848
Isaac Abrahams 1851-1920 heiratete Bertha Cohen ca. 1850-1914
Matilda Lubnowski 1854-1939 heiratete Morris Lubnowski 1857-1918
Bertha Held geb. 1857
Woolf Abrahams 1860-1944 heiratete Betsy Kosminski ca. 1856-1912 (Bruder war Jacob Cohen)
Aaron Kozminski 1865-1919
 
Der Vater starb 1874 (geb. 1820/22) und die Mutter 1912 (geb. 1820/21)
 
Mutter Golda erschien aber keinesfalls vor dem Census 1891. Sie muss später nach London gekommen sein.
Ihr Vater war ein Butcher.

1871 zog Isaac mit Bertha nach England
Ende der 70er zogen Matilda und Morris nach Deutschland. Um 1880 wurde ihr erstes Kind dort geboren.

Laut Unterlagen, lebte Aaron bei Woolf und Betsy. Sie verließen Polen um 1881 via Deutschland, sammelten wohl nur Matilda und Co. ein und gingen nach England. Eine der ersten Adresse wurde auch die 38 Berner Street in 1882, genau neben dem jüdischen Klub und dem Dutfields Yard. Ca. 1882 zog es auch Jacob Cohen, Butcher, nach England. Er kam aus Südafrika.

Woolf´s Adressen in London:

Juni 1881-Dezember 1886 58, 74, 64 and 62. (Auch eine 12 wurde angegeben, Pressebericht Einbruch bei Woolf 1886).

Dazwischen dann 1882, Berner Street.

Irgendwann nach Juli 1887 ging es erneut Richtung Berner Street, in die 25 Providence Street. Mitte Oktober 1888, nach dem Double Event, nahm die Familie ihre Tochter Rebecca von der Berner Street Schule.

Vor März 1889 ist dann Woolf in der 34 Yalford Street zu finden. Da sollte er aber nicht lange geblieben sein.

1890 dann Sion Square.

1901 findet man Woolf in Manchester.

Es ist klar, dass Woolf einmal direkt am Tatort Dutfields Yard gelebt hat und einmal nur wenige Meter davon entfernt.

Isaac lebte vor der 74 Greenfield Street, also vor Juni 1886, an verschiedenen Adressen in der Fieldgate Street, 3A und 13.

1891 dann in der 63 New Street, Mile End. Danach 171 Cable Street, glaube ab 1893, danach Whitechapel Road. Ich bin mir nicht sicher, glaube aber, dass Woolf nach seiner Rückkehr aus Manchester auch in der Cable Street lebte. Müsste ich noch genauer nachsehen.

Matilda Lubnowski nach der Ankunft in London, 10 und 5 Plumbers Row. Yalford Street lag zwischen Greenfield Street und Plumbers Row. Vor der 16 Greenfield Street ab Dezember 1885 lebten sie in 32 Yalford Street (Woolf später 34 Yalford Street). Israel Lubnowski, ihr Schwager, lebte 1891 in 6 Yalford Street. Offensichtlich wohnte dieser 1887 in 23 Batty Gardens, hinter dem Dutfields Yard/ Club im Prinzip. Das fand man anhand einer Krankenakte für eine Tochter von ihm.

1901 finden wir die Lubnowskis dann in 64 Wellesley Street, Mile End.

Zu Aaron Kozminski: Macnaghten´s "war der einzige Anwesende in bestimmten Einrichtungen nach Einbruch der Nacht" als auch Cox´s "Insasse verschiedener Shops im East End" (falls er denn Kosminski meinte), lassen genug Raum für Spekulationen, wo er denn überall agiert haben könnte.

Cox sprach aber gleichzeitig von einer bestimmte Straße, in der der Verdächtige während der Morde beschäftigt war. Nachts schien dieser aber auch häufiger unterwegs gewesen zu sein. Alles spricht für einen Hauptshop. Hatte er Nebenshops zu bearbeiten, wir wissen nicht wo, ändert das vielleicht auch etwas das geographische Profil.

Zu Jacob Cohen:

Er wurde am 6. April 1850 in Grzegorzew als Jacob Kozminski geboren. Eltern Kasriel Szlama und Ryfka Kozminski. Er hatte eine Schwester, Betsy. Sie heiratete Woolf Abrahams. Jacob ging nach Südafrika und kam 1882 nach England, Manchester, Wohnsitz 35 Edward Street. Sein Wohnsitz 1883 war die 22 York Street, die spätere Cheetham Hill Road. Er unterhielt dort, gemeinsam mit dem deutschstämmigen Herman Plotzker, eine Metzgerei. Ab 1884 führte Jacob Cohen diese Metzgerei wohl ganz alleine und wohl auch recht erfolgreich.

Eine Anzeige aus dieser Zeit (Jewish Chronicle vom 6. Februar 1885) lautete folgendermaßen:

WANTED, a respectable first-class
WORSHT & SAUSAGE MAKER.
Liberal wages will be paid. For more par-
Ticulars apply to 22, York Street, Chatham,
Manchester. Applications till 20th
February.

 
Aaron´s Vater war, wie erwähnt, Abram Josef Kozminski. Dessen viel älterer Bruder war der Opa von Jacob Cohen.

1891 war Jacob Cohen immer noch Metzger in der 22 York Street in Manchester.

Aber er war eben auch mit der Firma Davies, Cohen, and Company in London aktiv.

1894 wurde er eingebürgert, 1898 gab er sein Metzgergeschäft auf.

Er widmete sich noch anderen Tätigkeiten. Spekulierte mit Aktien und agierte als Textilkaufmann.

1905 zog es die Familie nach Südafrika zurück. Um diese Zeit gab es eben auch die Berichte über Cox und Sagar. Sagar sagte, sein Verdächtiger machte nach Australien und starb dort. Jacob Cohen, der nach aus Südafrika kam und dort auch wieder hinging, war bei Aaron Kozminski´s Einweisung 1891 dabei. Vielleicht verwechselte Sagar Australien mit Südafrika... Spekulation...

Wir können sagen, dass der Opa von Aaron Kozminski, der Vater seiner Mutter Golda, Wolek mit Namen, Butcher in Polen war. Aaron´s Vater Abram Josef Kozminski hatte einen Neffen, dessen Sohn auch Butcher wurde, Jacob Cohen eben. Nicht nur, dass es in der Familie das Schneiderhandwerk gab, nein, man war auch, wenn auch nicht im gleichen Stile, mit dem Butcher Geschäft verbunden. Beide City Beamte, Sagar als auch Cox, lassen es sehr wahrscheinlich erscheinen, dass sie es mit einem Butcher und auch mit jemanden zu tun hatten, der Schneidern zugeordnet werden kann. Zu Jacob Cohen vermute ich, dass er zwischen Manchester und London pendelte um Geschäfte mit Woolf Abrahams zu machen, welcher ja dann auch nach Manchester zog. Und das auch um die Zeit der Ripper Morde (siehe Firma Cohen/ Woolf/ Davies).

Beste Grüße, Lestrade.

 
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 25.02.2017 18:01 Uhr
Hallo zusammen!


Eine Überlegung über mögliche Zusammenhänge zwischen Kosminski und dem Butcher "Jacobs":

Im Dezember 1889 stand Aaron Kosminski vor einer behördlichen Anhörung. Er sollte ein Bußgeld bezahlen, weil er einen Hund ohne Maulkorb mit sich geführt hatte. Er sagte aus, dass er manchmal unter dem Namen seines Bruders "Abrahams" unterwegs sei, und dass der Hund einem "Jacobs" gehöre: "I goes by the name of Abrahams sometimes, because Kosminski is hard to spell… I cannot pay, the dog belongs to Jacobs, it is not mine…"
Mit Jacobs meinte er vermutlich seinen Verwandten Jacob Cohen oder vielleicht einen Nachbarn, den Butcher Aaron Jacobs, Greenfield Street 6. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass nach dem Mord an Frances Coles im Februar 1891 im East End ein Gerücht die Runde machte, der Mörder sei ein jüdischer Butcher namens "Jacobs".
Benjamin Leeson schrieb in "Lost London: The Memoirs of an East End Detective" (1934):
"... a story circulated that the Ripper was a butcher, who wore blue overalls and a leather apron, and an English Jew named Jacobs, a perfectly harmless man, somehow attracted suspicion to himself. Possibly because, working in a slaughter house, he always wore a leather apron. People would point Jacobs out in the street as a suspected man, and more than once he had to run for it. I myself was often obliged to take him to the police station for protection. The thing so preyed on the poor fellow's mind that it finally caused him to lose his reason."
Wenn Aaron öfter andere Namen als Alias benutzte, könnte dies die Ermittlungen der Polizei behindert und zu manchen der bekannten Unstimmigkeiten geführt haben.

Könnte es vielleicht sein, dass der arme Kerl, den Leeson meinte, ebenjener Nachbar Jacobs aus der Greenfield Street war?
Und dass die Überwachung eines Verdächtigen - zum Beispiel die Überwachung von Kosminski - von einigen Leuten, die die Observation bemerkten, irrtümlicherweise für eine Überwachung des Butchers Jacobs hielten?

Ich weiß, den Erzählungen von Leeson ist mit Vorsicht zu begegnen, da er sich bei einigem nachweislich geeirrt hatte - aber diese Puzzlestücke könnten doch wohl passen, oder?

Und weiß man etwas darüber, ob der Jacobs aus der Greenfield Street auch tatsächlich in der Klapse landete?

Oder könnte es so sein, dass Leeson unseren Butcher Jacob Levy meinte - den er für unschuldig hielt?


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 25.02.2017 18:54 Uhr
Hallo Arthur!

Aaron Kozminski´s Bruder, Woolf Abrahams, führte eine kleine Firma mit Jacob Cohen und einem Davies in der Carter Lane. Im Sommer 1891 wurde sie aufgelöst. Bei der Anhörung erfahren wir, wo Aaron mit dem Hund lief, in Cheapside. Die lag nur ein paar Minuten zu Fuss von der Carter Lane entfernt. Rob House meint, dass es eigentlich heißen sollte, der Hund, "It is Jacob´s" und das er ein Wachhund für die Räumlichkeiten in der Carter Lane war und eben Jacob Cohen gehört haben könnte. Immerhin wurde dieser Jacob Cohen ja als einer der Informanten genannt, als Aaron Kozminski nach Colney Hatch eingeliefert wurde. Wir wissen auch, dass dieser Jacob Cohen ein Butcher war und wohl auch ein recht erfolgreicher. Sagar erzählt uns wiederum, dass die Freunde seines Verdächtigen in der Butchers Row es für ratsam hielten, diesen Mann in eine private Anstalt zu bringen. Es wäre also denkbar, dass dieser Jacob Cohen als Butcher eben Freunde oder Geschäftspartner in der Butchers Row hatte und Aaron dort versuchte unterzubringen, gerade dann, wenn dieser nicht für das eigene Unternehmen nützlich war. Jacob Cohen gab ja auch an, dass Aaron Kozminski seit Jahren nicht mehr arbeitete. Das heißt aber nicht, dass sie, als Angehörige oder Freunde, versuchten ihn in Arbeit zu kriegen. Einer der Versuche hätte ein Job in der Butchers Row gewesen sein können. Seit Jahren hättet auch bedeutet haben können: ca. 2 Jahre nicht gearbeitet. Leeson hätte eben auch erfahren haben können, dass es eben ein Mann war, der von Jacob zum arbeiten geschickt worden war, ohne dessen wirklichen Namen zu kennen. Also, dass er hörte, dass Jacob´s Mann jener Butcher war. Bei einer Persönlichkeit wie Aaron Kozminski, müssen wir ja auch annehmen, dass er eben mit seinem blauen Arbeitskittel und seiner Lederschürze durch die Gegen lief, ohne aber nur einen Finger bei seinem Schlachter zu rühren, ein Grund, warum diese und weitere Angestellte dann auch dachten, es wäre besser ihn einzuweisen. Die Schilderungen, dass Aaron Kozminski durch die Straßen ging, Wasser aus dem Hähnen dort trank und Brotkrümmel auflas, könnten sich auch ereignet haben, als er eben als vermeintlicher Schlachter, mit seinen Utensilien, verwirrt durch die Straßen irrte.

Das wäre meine Erklärung im Falle von Kosminski.

Lestrade.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 26.02.2017 12:11 Uhr
Hallo Lestrade!

Das mit dem Genitiv-S hatte ich mit auch schon gedacht, daher ja die Alternative Jacob Cohen. Kosminski war ja kein Muttersprachler, da wird sein Englisch auch aufgrund seiner psychischen Erkrankung wohl etwas holprig gewesen sein.

Der Kernpunkt meiner Überlegungen geht aber dahin, wie es zu gewissen Unstimmigkeiten in den Aussagen über den Hauptverdächtigen hätte kommen können.

Wir hatten ja mal diese Überlegung, dass diese Häufung von gleichen bzw. ähnlichen Namen, die sich die Einwanderer gaben, und ihre ganzen familiären und sozialen Verflechtungen, bei der Polizei zu Verwechslungen geführt haben könnten. Und seit wir wissen, dass diese Leute nicht nur öfter umzogen, sondern auch noch genau in dieser Zeit in einigen Straßen die Adressen reformiert wurden, um bestimmte historisch gewachsene Unstimmigkeiten zu korrigieren - da denke ich, waren gewisse Irrtümer und Verwechslungen zu erwarten.

Wenn wir davon ausgehen, dass auf der Polizei-Liste der Verdächtigen, die ja auch alle Metzger überprüfte, sowohl Kosminski stand - sei es nun wegen Bezug zum Metzger-Milieu durch Schwager Jacob Cohen oder aus welchen Gründen auch immer - und dazu auf der Liste natürlich die Metzger Jacob Cohen, Aaron Jacobs, Jacob Levy und sein Nachbar Aaron Krotoski - und dann auch noch mehrere davon zeitweise beobachtet wurden, dann kann man sich das Durcheinander in den Erinnerungen der Polizisten gut vorstellen, die sie Jahre später selbst zu Papier brachten oder den Schreibern erzählten.

So könnte z.B. auch Leeson Kosminski mit einem Jacob(s) verwechselt haben - oder Aaron Jacobs mit Jacob Levy o.ä. Von zweien aus diesem Kuddelmuddel wissen wir ja, dass sie tatsächlich in eine Anstalt kamen. Oh, und natürlich Aaron Davis Cohen nicht zu vergessen...
Und wenn Leeson in dem Punkt nicht irrte, dass jener Verdächtige schließlich seinen Verstand verlor, könnte das einer dieser gewesen sein.
Leeson nannte ihn zwar "einen völlig harmlosen Mann" - aber Levy und Kosminski galten ja auch lange zwar als problematisch, aber nicht gefährlich für andere (bis wir dann in den Anstaltsakten Dinge zu lesen bekamen, die nicht mehr so harmlos klingen).


MfG, Arthur Dent




 


Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 26.02.2017 15:55 Uhr
Grüß dich, Arthur!

Bei der Neubetrachtung der Quellen und das tun wir ja, gilt es auch, eventuelle oder mögliche Verwechslungen aufzudecken. Es sollte klar sein, dass fast alle dieser Quellen nie ganz akkurat sind. Bei einer Aussage, wie die von Lady Anderson mit dem Hinweis auf einer Anstalt in Kent, Stone, halte ich es durchaus für möglich, dass dies auf jemand anderen hindeutet, als auf den Verdächtigen, den eigentlich ihr Mann meinte. Hier sehe ich eine Möglichkeit, dass Jacob Levy unter den Verdächtigen gelistet worden sein könnte. Eine andere Verwechslung, könnte es zwischen David Cohen und Aaron Kozminski gegeben haben.

Die Angaben, die wir von den Andersons, Swanson, Macnaghten, Sims und Griffiths haben, halte ich persönlich für nur wenig “fehlerbelastet“, es ist möglich, dass Männer wie David Cohen (Swanson) und Jacob Levy (Lady A.), hierbei mit Aaron Kozminski vermischt wurden. Die Angaben von Cox und Sagar zählen natürlich dazu, dazu gleich mehr.

Ich glaube weniger, dass Männer wie Aaron Jacobs oder Aaron Krotoski dabei eine Rolle spielten. Ich habe mir mal einige Butcher notiert, die damals ebenfalls durch diese Gegend liefen, Baleham, Taylor und Paul wurden als Geisteskranke deklariert. Der Butcher Isenschmid fiel der Polizei auch einmal auf und wurde verdächtigt. Was ich sagen will ist, dass die Polizei sicherlich ganz klar ein Auge auf geisteskranke Schlachter geworfen hatte und diese auch allgemein über einen längeren Zeitraum auf ihren Zetteln hatten, so wohlmöglich auch Jacob Levy. Falls zwei von ihnen hoch oben auf den Zetteln standen, kann es natürlich auch zu Verwechslungen gekommen sein, vielleicht auch nur minimal. Diese Verwechslungen passieren dann eher Beamten, die erst nach der Mordserie Zugang zum Fall fanden oder unterrangingen Beamten. Auch auf höherer Ebene wird das passiert sein können und ist es auch, wie ich meine aber eine größere Gefahr bestand da für die erste erwähnte Gruppe.

Leesons Schlachter, der Jacobs genannt wurde, wird jemand gewesen sein, der eine Rolle spielte. Sollte ich mich entscheiden, wer dabei gemeint war, zwischen Jacob Levy und Aaron Kozminski, welcher ja nie direkt als Butcher bezeichnet wurde, würde ich wegen den Umständen auf letzteren setzen. Warum, erkläre ich gleich. Wenn Leesons Mann ein geisteskranker Schlachter war, dann kann Leeson, trotz eigener Aktivität in dem Falle, nie seinen wirklichen Namen erfahren haben müssen. Erstens sind solche Menschen oft nicht mehr in der Lage zu kommunizieren bzw. auf Fragen zu antworten, zweitens haben sie oft jemanden, der sich kümmert und drittens, dass er als Verdächtiger einer ganz anderen Behandlung unterlag, der auch Leeson nie ganz gewahr wurde. Das könnte heißen, er kannte einen Mann, den man im Auge behalten hatte und der zu einem Jacob gehörte, welcher vielleicht sogar eine gewisse Kooperation zeigte. Weiterhin kommt dazu, dass Aaron Kozminski auch den Namen Aaron Abrahams nutzte und vielleicht tat er auch das mit dem Namen Aaron Cohen, aufgrund seiner Familienmitgliedes Jacob Cohen oder auch, weil seine Schwester Matilda Lubnowski ebenfalls den Zusatz “Cohen“ für sich in Anspruch nahm. Ich halte es für gut möglich, dass es da wirklich Konfusionen mit Aaron Kozminski Namen gab, wie hieß er denn nun wirklich? Kozminski, Abrahams oder Cohen. Vielleicht wurde er dabei für einige einfach “Jacobs“ und für andere eben nur “Kosminski“. Das alles und auch das was ich gleich noch schreibe, wirkt für viele vielleicht etwas zerbrechlich, was ich auch nachvollziehen kann aber ich würde es als Möglichkeiten schon irgendwie oder ähnlich in Betracht ziehen.

Warum eher Aaron Kozminski und nicht Jacob Levy im Falle von Leeson?

Wir wissen, dass es vor Aaron Kozminski´s Einweisung nach Colney Hatch eine Observation in der Greenfield Street gab, “seiner“ Adresse. Involviert in dem Falle, Cox und Sagar. In dieser Angelegenheit nutzte die Polizei einen Informanten aus dieser Straße, Joseph Tragheim, ein Jude. Er soll Coxs Informant im Ripper Fall gewesen sein. Tragheim´s Adresse als auch die Adresse von Cox´s Informant sind identisch und sie lag unmittelbar an den Adressen dort von Matilda und dem anderen Bruder Isaac. Zu jener Zeit, im Dezember 1890, hatte Sagar auch eine Observationsjob in der Butchers Row. Cox, den wir eigentlich, zumindest zunächst, kurz nach Kelly als Observator sehen, könnte hier erneut, vielleicht in einer anderen Position, eine Rolle spielen. Er sagte ja, dass sein Verdächtiger bestimmte Zeiten in einer Anstalt in Surrey verbrachte. Via Sims wissen wir, dass Kosminski immer wieder mal auf freiem Fuß war. Ein weiterer Punkt, warum es sich bei dem Mann von Cox und Kosminski gehandelt haben könnte. Swanson von der MET bestätigt uns ja auch, dass Kosminski von der City Police überwacht wurde. Dazu gehörten eben auch Cox und Sagar. Aber als das alles standfand, war Jacob Levy bereits in der Anstalt und die Gerüchte über Jacobs machten nach Coles und somit nach Aaron´s Einweisung die Runde. Ich denke, dass es wenigstens zwei Locations gab, die die Polizei im Falle von Aaron Kozminski observierte, Greenfield Street und Butchers Row.

Es ist möglich, dass Aaron Kozminski aufhörte zu arbeiten, in der Zeit, als ihn Cox das erste Mal observierte. Danach verbrachte er immer wieder viel Zeit in einer Anstalt. Zwischendurch, wenn er auf freiem Fuß war, versuchte die Familie ihn wieder in die Arbeitswelt zu integrieren, was jedoch misslang. Wie es zum Friseur bei Aaron kam, weiß ich nicht. Vielleicht war das tatsächlich sein Beruf während der Mordserie, denn Cox sprach von einem wohl recht kleinen Shop und das könnte ein Friseurladen gewesen sein. Vielleicht in den Räumlichkeiten seines Bruders oder seiner Schwester in der Greenfield Street. Oder aber, man versuchte ihm diesen Beruf während seiner Zeiten in Surrey anzueignen. Wir wissen allerdings auch, dass er keinen Finger mehr in Colney Hatch oder Leavesden rührte. In Surrey könnte das aber anders gewesen sein.

Weiterhin müssen wir beachten, dass die Eltern von Aarons Mutter Golda Schlachter waren und diesen Beruf auch seinen Cousin Jacob Cohen eigen war. Und eben dieser Cohen war ein Informant bei der Einweisung von Aaron Kozminski im Februar 1891. Dazu kommt, dass Sagar eben im Dezember 1890 in der Butchers Row Dienst schob und uns für diese Zeit eben Leeson eine Butcher namens Jacobs beschert. Sagar gibt an, dass sein Mann hoffungslos verloren war und Lesson hielt ihn wohl ebenfalls für jemanden, der den Verstand verloren hatte und deswegen wohl auch nicht mehr gefährlich war. Vielleicht tat er ihm einfach nur leid, was ich sogar verstehen kann, denn ein Mensch, mit einer derartig schweren Geisteserkrankung ist doch nur noch ein Häufchen Elend. Wer mehr über ihn wusste, der sah es vielleicht etwas anders, was aber nicht bedeutet, dass ihr Mitgefühl abhanden gekommen war.

Es mag für viele nahezu unglaublich sein, dass dieses arme Würstchen von einem Mann names Aaron Kozminski in 1891, dieser furchtbare Serienkiller war, den man heute noch als Jack the Ripper bezeichnet. Aber es ist sehr wahrscheinlich, dass dies der Fall war.

Profiler John Douglas war bestürzt, als man einen ähnlichen Serienkiller, Richard Trenton Chase, zum Tode verurteilen wollte und es auch tat (Chase nahm sich dann allerdings das Leben). Ich denke, diese Personen, seien sie als Menschen oder als Killer noch so selten, mit ihren meisten Anteilen in einer Parallelwelt leben und sie nicht in der Lage sind, sich gegen diese grausame Erkrankung und das meine ich komplex, wehren zu können. Ich vermute, Jack the Ripper konnte nichts dagegen tun, gegen das was er tat. In dieser Welt gab es kein Nein. Er muss nahezu vollständig unzurechnungsfähig gewesen sein. Beschreibt Leeson mit “Jacobs“ Aaron Kozminski und lernte ihn wirklich kennen, dann kann ich verstehen, warum er ihn harmlos hielt oder es ihm wünschte, harmlos zu sein.

Lestrade.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: CRoW am 14.09.2017 13:07 Uhr
War es nicht so das er erst 2 Jahre Später in die Anstalt eingewiesen wurde.?
Was hat er denn die 2 Jahre gemacht? Ein Serienmörder würde doch nicht 2 Jahre nix mehr tun oder??

mfg
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 14.09.2017 15:11 Uhr
Hallo Crow!

Das ist ein Thema, was schon seit vielen Jahren diskutiert wird. Es lässt sich sehr kompakt beschreiben und wie bei so vielen in diesem Fall, bleibt sehr viel Raum für Spekulationen und Möglichkeiten. Ich will jetzt gar nicht ganz speziell alles wiederholen oder zitieren usw. Für dich sollte es lohnenswert sein, die Aaron Kozminski Fäden hier im Forum nachzulesen, das gleiche gilt für die Fäden bezüglich Jacob Levy, Cox oder Sagar usw.

Wie ich es betrachte, wie es könnte gewesen sein, in meinen Theorien und Hypothesen, gebe ich hier gerne noch einmal in kleiner Form wieder.

Niemals wurde der Name Aaron Kozminski erwähnt. Man sprach von einem Kosminski als überzeugenden Verdächtigen, als Jack the Ripper. Das sind Angaben, wie wir sie via Anderson, Swanson und Macnaghten erfahren haben. Andere Beamte, wie Cox oder Sagar, nennen keinen Namen. Für mich besteht klar die Möglichkeit, dass auch diese Beamten über Kosminski sprachen. Warum, kannst du in den empfohlenen Fäden nachlesen. Bemerkenswert dabei ist, dass ein Teil der Aaron Kozminski Familie einst am Dutfields Yard in der Berner Street lebte, sehr wahrscheinlich Aaron selber. Sein Bruder mit Familie verließ nach dem Double Event auch eine angrenzende Straße, in der er seinerzeit lebte. Angaben, die zu Kosminski gemacht wurden, passen zu Aaron Kozminski, so seine Einweisung nach Colney Hatch. Und obwohl Swanson angibt, dass sein Kosminski nach kurzer Zeit in Colney Hatch starb, was eben jener Aaron Kozminski nicht tat, sollte man dennoch stark in Betracht ziehen, dass Aaron Kozminski eben jener Kosminski war. Der Grund für Swansons Bemerkung, kann vielfältiger Natur sein. Darüber haben wir auch oft gesprochen. Es könnte im Nachhinein zu Verwechslungen mit David (Aaron Davis) gekommen sein, der tatsächlich in Colney Hatch starb. Das wäre eine Möglichkeit. Eine weitere könnte eine simple Annahme der Ärzte gewesen sein, die in ihrer Prognose den möglichen Tod, nach Monaten, in Betracht zogen. So, wie es eben auch bei jenem David Cohen gewesen sein könnte. Im Falle von Aaron Kozminski traf das dann eben nicht ein. Es ist noch nicht allzu lange her, da habe ich tatsächlich darüber gelesen. Ärzte bescheinigten durchaus solchen mental gestörten Personen eine nicht mehr hohe Lebenserwartung. Sicherlich ist das Swanson Statement eine wichtige Angabe, sollte aber nicht zwangsläufig Aaron Kozminski vom Radar nehmen. Auf der anderen Seite gibt es selbstverständlich die Möglichkeit, dass jemand anderer dieser Kosminski gewesen sein könnte. Scott Nelson als auch Martin Fido bevorzugen den bereits erwähnten David Cohen. Über Scott ist bekannt, dass er mit einer Familie in Kontakt war, die hinter dem Dutfields Yard lebte und die einst Kosminskis waren. Jedoch wissen wir, falls richtig wiedergegeben, dass Kosminski immer wieder Zeiten unter seinesgleichen verbrachte, obwohl er auch Insasse einer Anstalt war… nach den Morden… dies schließt David Cohen aus. Auch die Information, dass Kosminski ca. März 1889 in eine Anstalt kam, passt nicht zu ihm. Aber eben diese Dinge, dass beschriebene In- and out in einer Anstalt, der Zeitpunkt des Märzes 1889, könnten deine Frage beantworten, warum keine weitere Morde mehr stattfanden. War Aaron Kozminski jener Kosminski, dann war er im Dezember 1889 wieder auf freiem Fuß (er musste vor einer Anhörung erscheinen), nachdem er im März noch eingeliefert worden war. Cox beschreibt eine monatelange Observation eines Verdächtigen, nach dem Mord an Kelly. Dies könnte gut mit dem März 1889 Datum korrespondieren.

Wenn man diesem Aaron Kozminski nicht habhaft werden konnte, dann könnten zumindest Observationen und Aufenthalte in Anstalten, seine Mordserie beendet haben und zwar über zwei Jahre lang. Solange, bis er in eine öffentliche Anstalt kam, Colney Hatch. Die Anstalt bzw. Anstalten vorher, könnten privater Natur gewesen sein. Ich würde noch nicht einmal ausschließen, dass Aaron Kozminski bereits während der Mordserie, nach dem Double Event, als einer von vielen in das Visier der Polizei geraten war. Was ich damit sagen will ist, dass Aaron Kozminski einen längeren Prozess als Tatverdächtiger unterlegen war. Erst als jemand, oben auf der Liste mit ein paar anderen, dann aufgrund bestimmter Umstände und Indizien als Hauptverdächtiger, bis hinzu jemanden, der zweifelsfrei von einem Zeugen identifiziert wurde (auch wenn letzteres Fehlschlug). Nicht, dass die Umstände oder Indizien nicht überzeugend gewesen waren, hier handelte die Polizei eben, wie die Polizei eben handelt, man versucht eine eindeutige Überführung, bis man das Ergebnis mitteilt. Das war durch die, für die Polizei, tragische ID im Seaside Home nicht möglich gewesen. Ich bin überzeugt, dass diese ID erst 1,5 Jahre nach der Serie später möglich war. Hätte es damals bereits den DNA Beweis gegeben, wäre ein Zeuge nicht nötig gewesen. Die “many circs“, die Macnaghten beschreibt, waren sicherlich eine Reihe von Indizien und Umstände, die den Verdächtigen Kosminski belasteten. Dazu könnten vielleicht der PC vom Mitre Square gehört haben oder auch andere Zeugen. Der PC konnte ihn nur vage beschreiben, keine eindeutige Identifizierung, das  zählte auch damals nicht vor Gericht. Andere Zeugen, die ihn vielleicht in den Straßen der Tatorte sahen, um die Tatzeitenpunkte herum, können ihn einfach dort nur gesehen haben, nichts weiter, auch das hat nicht den hohen Stellenwert. Vielleicht gehörte dazu auch blutige Wäsche, die ihm zugeordnet werden konnte. Aber was war das Wert, wenn er eine eigene Verletzung vorzeigen konnte? Mit den Zeugen ist das eh so eine Sache. Lawende und Schwartz waren gute Zeugen, Hutchinson auch, wenn er denn den Ripper tatsächlich sah. Mrs. Long sollte man auch nicht vergessen, auch wenn sie, wie der PC vom Mitre Square, nicht das Gesicht des Mannes sah. Dazu noch der Zeuge in der Church Lane zwischen dem Mord an Stride und Eddowes. Lawende, vielleicht der beste Zeuge, sagte selber, er wäre nicht sicher, ob er diesen Mann wiedererkennen würde. Viele bevorzugen Lawende und Schwartz als Zeugen im Seaside Home. Das ist erst einmal verständlich, auch für mich. Doch sehe ich den späteren Termin der ID im Seaside Home, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass einer von beiden erst so spät einen bereits Hauptverdächtigen zu Gesicht bekam. Aber nichts ist unmöglich…

Ich persönlich denke, dass die Begegnung mit dem Seaside Home Zeugen und Kosminski eine sehr nahe gewesen war. An einem Tatort, schauten sie sich gegenseitig klar ins Gesicht… und erkannten sich dann beide später eindeutig wieder. Dieser Zeuge muss Kosminski nicht mit einem Opfer gesehen oder gar einen Mord beobachtet haben. In der Swanson Familie gibt es die Geschichte, dass der Ermittler Swanson sagte, dass ihnen nur ein Zeuge hätte helfen können, der über die Bewegungen des Verdächtigen genaue Auskunft geben konnte. Das war ganz sicherlich der Seaside Home Zeuge und ich bevorzuge dabei den Millers Court. Auf welche Art und Weise und auch warum es solange dauerte den Zeugen aufzutreiben, da kann ich ebenfalls nur spekulieren. Macnaghten sagte, dass niemand den Ripper sah, außer vielleicht der PC vom Mitre Square. Vielleicht ist das ein Hinweis, dass all diese Personen, Mrs. Long, Schwartz, Lawende als auch die Person aus der Church Lane, nicht in der Lage waren, den Finger auf Kosminski zu zeigen und das der einzige, der PC vom Mitre Square, da schon anders war aber eben auch nicht 100%ig sicher. Vielleicht gehörte der Seaside Home Zeuge auch zu den Zeugen, die Macnaghten in seinem Kreis sah, jedoch unbewusst der tatsächlichen Ereignisse im Seaside Home.

Nun sollte man nicht vergessen, dass Scott Nelsons Kosminski Familie, der Kosminski aus Eileen Luscombes Familie, die von Zena Shine auch für einen anderen Kosminski stehen könnten. Aber bis auf Aaron Kozminski ist kein weiterer Kosminski in Colney Hatch zu finden. Selbst wenn man davon ausgeht, nicht unter diesem Namen eingeliefert worden zu sein. Da passt einfach nichts. David Cohen wäre ein guter Kandidat. Doch wie erwähnte, darf man auch bei ihm heftig zweifeln.

Aaron Kozminski könnte aufgehört haben zu morden, weil er lange unter Observationen stand, weil er, aufgrund seines Zustandes oder der Angst seiner Familie, zeitweise außerhalb von London in eine Anstalt untergebracht worden war, solange, bis er nach Colney Hatch kam. 

Ich würde nicht davon ausgehen, dass Aaron Kozminski über zwei Jahre nach dem letzten Mord der K5, viel Zeit in Whitechapel und Umgebung verbracht hat. Sei er nun der Ripper gewesen oder nicht.

Beste Grüße,

Lestrade.
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: CRoW am 19.09.2017 12:50 Uhr
Hi und erstmal vielen dank für die Zusammenfassung, ok das ergibt sinn. Das er es nicht riskieren konnte wenn er nun Obsaviert wurde.

Könnte man nicht die Briefe mit Aaron Handschrift vergleichen würde wenn sowas möglich ist??

mfg
Titel: Re: Aaron Kozminski- Neubetrachtung der Quellen!
Beitrag von: Lestrade am 19.09.2017 15:00 Uhr
Gerne Crow!

Wie gesagt, man/ ich kann da nur spekulieren. Sicherlich wird das nicht die Wahrheit sein aber es könnte in die richtige Richtung gehen. Anderson sprach ja auch von  “seinen (Kosminskis) Leuten“ die ihn schützten. Das könnte bedeuten, dass sie stets ein Auge auf ihn hatten oder dafür sorgten, dass er nicht ständig frei herumlief. Allerdings ging Aaron Kozminski im Dezember 1889 wohl alleine(?) mit einem Hund spazieren, dieser ohne Maulkorb, was ihm eine Anhörung und Strafe einbrachte. Geladen wurde er als Aaron Abrahams, er sagte aber aus, dass er eigentlich ein Kozminski ist. Nun können wir wieder spekulieren, ob er auch während diesen Vorfalls unter Observation stand oder nicht. Möglich wäre es ja, dass er vor einer ersten Einweisung, März 1889, observiert wurde und dann in der Zeit vor seiner Einweisung nach Colney Hatch im Februar 1891 und dazwischen eben nicht. Da gibt es ja für den Sommer 1890 auch eine Einweisung ins Arbeitshaus für ein paar Tage. Das wäre in meinen Augen aber auch ein guter Termin für die Seaside Home ID. Doch das habe ich hier im Forum hier und da schon beschrieben. Ich sehe seinen Fall eher als längeren Prozess und auf diesem Wege kann eine Menge passieren. Cox sagte übrigens, dass sein Verdächtiger schon den Eindruck auf ihn machte, zu wissen, dass er beobachtet wird. Bereits nach dem Double Event im Oktober 1888, sprechen Presseberichte über die Observation eines Verdächtigen, der dann nicht mehr aus dem Haus ging bzw. über jemanden, den man, als Patienten, in einem East End Krankenhaus überwachte. Cox erwähnte ja ebenfalls, dass sein Mann seine nächtlichen Aktivitäten auch alsbald einstellte.

Den Bemerkungen von Anderson und Swanson zufolge, waren ihnen der oder die Briefeschreiber bekannt. Geh mal über die Suchfunktion hier und gebe “Bulling“ ein. Ich persönlich denke, die Polizei hat alles versucht, um bei Kosminski fündig zu werden und dazu werden sie wohl auch seine Handschrift unter die Lupe genommen haben, sofern er denn dem Schrieben mächtig war, was ja gut möglich wäre. Anderson war wohl der Meinung, dass die Schrift an der Wand in der Goulston Street eine wichtige Spur hätten sein können. Sie wurde jedoch entfernt. Vielleicht spricht er hier von der Möglichkeit eines Vergleichs mit der Handschrift. Es gibt ein,- zwei Briefe, die ich interessant finde, u.a. den From Hell Brief mit der Niere. Diesen hätte man wohl mit der Handschrift von Kosminski verglichen. Wenn, dann hat das wohl nicht oder nicht ganz gepasst. Nun gut, wer weiß…

Man fand mal vor einiger Zeit einen Bericht aus einer Zeitung, einen Report nach dem Double Event. Jemand soll nach der Stride Attacke den Täter verfolgt haben. Er sollte nicht zum Club in der Berner Street am Dutfields Yard gehört haben. Möglich, dass man auf Pipeman anspielte, der den BS Man verfolgt haben könnte, während Schwartz eher das Weite suchte. Mehr ist darüber nicht bekannt und vielleicht stellte man hier einfach nur etwas falsch dar aber es ist auch eine gute Option für den Seaside Home Zeugen. Wie bereits erwähnt, sprach Swanson in der Familie von einem Mann, einem Zeugen, der etwas über die Bewegungen von Kosminski wusste. Nun haben wir an den Tatorten immer Zeugen, die wir benennen können, Mrs. Long in der Hanbury Street, Schwartz in der Berner Street, Lawende, Levy und Harris am Mitre Square als auch Hutchinson am Millers Court. Von Pipeman in der Berner Street kennen wir nicht die Identität. Genauso kennen wir auch die von Hutchinsons Astrachan Man nicht. Wenn diese beiden Männer nichts mit den Morden zu tun hatten, wären sie aber vielleicht gute Zeugen gewesen. Hutchinson wollte zumindest seinen Mann einige Tage später erneut gesehen haben. Ich schrieb zwar neulich eher über ein Szenario am Millers Court bezüglich des Seaside Home Zeugen, dennoch bleibe ich für andere Optionen, verständlicherweise, offen. Die Frage ist natürlich, warum ein Pipeman, in meinem Szenario, so spät der Polizei bekannt wurde. Angenommen, dieser Pipeman war am Ende vielleicht doch nicht ganz so einfach zu vertreiben gewesen, was tat er nach der Attacke an Stride? Kehrte er nach dem Vorfall in diesen Bereich zurück und konnte den Angreifer erneut sichten? Blieb er ihm auf den Fersen bis zum Mitre Square? Ohne vielleicht einen Mord direkt beobachtet zu haben, hätte er einen guten Blick auf den Angreifer zuvor gehabt und ihn dann, Minuten später, zum Mitre Square laufen gesehen haben können. So etwas würde zu Andersons “good view“ als auch zu Swansons  “Movements“ passen. War dieser Pipeman jener Zeuge, dann war er sicherlich von unschätzbarem Wert. Sah er Stride und BS Man, ihrem Angreifer (dem er ins Gesicht sah), einige Minuten bevor sie ermordet wurde und konnte dann, nach seiner Rückkehr den Mann irgendwie Richtung Mitre Square verfolgen, dann hätte es für Kosminski schlecht ausgesehen, wenn dieser Zeuge standhaft geblieben wäre. Wenn ich nach dem Grund suche, warum dieser Pipeman dann so spät zum Zeugen wurde, dann fällt mir ein, ob er nicht unter großen Schuldgefühlen gelitten haben könnte. Ging er zunächst aus der Situation am Eingang des Dutfields Yards hinaus, so wie Schwartz, kehrte dann aber eben zurück (anders als Schwartz), dann konnte er nicht unbedingt gewusst haben, dass jener Angreifer auch ein Mörder und Stride bereits tot ist. Wer weiß, vielleicht wollte er auch Hilfe holen und fand keinen Konstabler nach der Situation in der Berner Street und machte sich dann, vielleicht auch nur durch ein zufälliges erneutes Sehen des Angreifers auf dessen Spur, vielleicht nur um zu sehen, ob er herausfinden kann, wo dieser wohnt. Vielleicht war aber dann für ihn nahe Mitre Square Schluss. So etwas kann schwer auf der Seele eines Menschen liegen, der von sich glaubt, zwei Frauen hätte retten zu können. Kommt es dann doch zu einer Gegenüberstellung und der Zeuge erkennt einen Glaubensbruder in dem Verdächtigen wieder, dann können erneut Zweifel aufkommen, denn er hat den Mann zwar im Zwist mit Stride gesehen und ihn dann auch bis zum Mitre Square verfolgt aber eben keinen Mord beobachtet. Eine weitere Frage wäre natürlich, woher diese Zeitung diese Information hatte. Ich denke, dass es möglich ist, dass Schwartz verschiedene Angaben machte, auch aufgrund von “Übersetzungsfehlern“. Wie dem auch sei. Ich dachte ich schreibe meine Gedanken dazu einfach mal hier mit nieder.

Beste Grüße, Lestrade.