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Die Tatverdächtigen => Die Tatverdächtigen => Weitere Verdächtige => Thema gestartet von: MrsPeel am 15.05.2008 12:01 Uhr

Titel: Jacob Levy
Beitrag von: MrsPeel am 15.05.2008 12:01 Uhr
Hiiiiyurrrrp,
da ich gerade etwas Zeit habe, kam ich mal wieder dazu in dem Casebook zu stöbern und da lachte mich ein Name an, den ich hier noch nicht vorgefunden habe, nämlich Jacob Levy.
Da ich aber nicht genau weiß, ob Levy (falls überhaupt Interesse besteht) schon einmal Gegenstand einer Diskussion war, stelle ich ihn mal vor und auch den Grund weshalb auch er einen Platz unter den Verdächtigen erhalten sollte.
Ich werde aber auch alles aufzählen, was meiner Meinung nach, gegen ihn sprechen könnte.
(Achtung: Ich versuche mal aus dem Casebook zu übersetzen und zusammenzufassen:)
Voila...
Jacob Levy wurde 1856 als Sohn von Joseph und Caroline Levy geboren.
Beide (die Eltern) sind Besitzer einer Metzgerei in der Middlesex Street 111. Im Census von 1881 wird ein Jacob Levy aufgeführt, der mit seiner Frau und 2 Kindern in Fielgate Street 11, Whitechapel wohnhaft ist. Sein Beruf wird als Metzger (Butcher by Trade) angegeben.
Am 15. August 1890 wurde Jacob Levy als Geisteskranker, in die Nervenheilanstalt Stone in Kent, eingewiesen.  Als Beruf wurde weiterhin Metzger angegeben und als Diagnose "Manie", an der er schon "seit längerem litt" .  Desweiteren soll schon seit älterer Bruder geisteskrank gewesen sein.
Jacob Levy wurde als 5,3 gross, mit guter körperlicher Gesundheit und als 9 stone 3 pounds schwer, eingetragen.
Seine weitere Vorgeschichte sagt aus, dass er schon 1886 für 12 Monate wegen einer Geisteskrankheit in dem Essex County Asylum in Behandlung gewesen sei.
Desweiteren heißt es, dass seine Frau, während er Stone war (also 1890!) geäussert habe: Er habe beinahe ihr Geschäft ruiniert. Er habe auch befürchte jemanden etwas anzutun. Er höre Geräusche und Stimmen, die ihm befehlen und ihn dazu zwingen Taten zu begehen, die er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann. Desweiteren soll er, früher ein sehr guter/geschickter Geschäftsmann gewesen sein, dass er jedoch Nachts nicht schläft und des weiteren für Stunden ziellos umher wandere.
Am Abend des 29 Juli 1891 verstarb Jacob Levy in der Nervenheilanstalt an General Paralysis of the Insane brought on by the serious sexually transmitted disease syphilis, was auf die Möglichkeit hindeutet, dass er Kontakt zu Prostituierten hatte.
Desweiteren gibt es einen Eintrag beim Central Criminal Court für einen Jacob Levy, der am 10. März 1886 zu einer 12 monatigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Er habe seinen Meister, einem Hyman Sampson Fleisch gestohlen. Dieser Sampson besaß ein Geschäft in der Goulstone Street 58.
Der Artikel führt weiter das Ereignis am 30. September aus, als Joseph Lawende, Harry Harris und Joseph Hyam Levy gegen 1 Uhr 35 den Imperial Club verliessen und in der Duke Street eine Frau (Catherine Eddows?) und einen Mann stehen sahen.
So und jetzt hoffe ich, dass ich den Artikel richtig übersetzt habe!
Der Verfasser geht davon aus dass Joseph Hyam Levy seinen Nachbarn, Jacob Levy recht gut gekannt haben könnte. Denn der wohnte 1888 in Hutchinson Street 1, welche nur 60 Yards entfernt sei von der Middlesex Street 36, wo Jacob Levy laut Kelly's London Business Directory, eingetragen als Metzger, ein Geschäft besaß. Der Verfasser glaubt auch darin das Motiv dafür zu finden, dass Joseph seinen nachbarn/Freund nicht verpfiffen hat. Beide Juden, beide Fleischer und er (Joseph) wollte nicht die Schuld für eine Verhaftung/Progrom tragen.
Der Verfasser gibt weiterhin einen Artikel aus der The Evening News vom 9.10.1888 an und zitiert:
"Mr Levy is absolutely obstinate and refuses to give the slightest information and he leaves one to infer that he knows something but that he is afraid to be called on the inquest. At the inquest Levy admitted observing a man and a woman at the entrance to Church Passage though he did not take any particular notice of them although he described the man as having been three inches taller than the woman (Eddowes and Jacob Levy stood 5'0" and 5'3" tall respectively) and when pressed under cross examination he denied thinking her appearance as `terrible' and went on to add that he was not exactly afraid for himself".
Autor (Original):  Mark King

So, und jetzt der ganze Link:
http://www.casebook.org/suspects/jacoblevy.html (http://www.casebook.org/suspects/jacoblevy.html) 

Und ich muss jetzt leider kochen. Danach recherchiere ich noch einwenig weiter, lass das Ganze mal sacken und gebe noch meinen Senf dazu.
Jetzt erstmal
Gruss
Mrs Peel
 


     
     
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Stordfield am 15.05.2008 12:38 Uhr
Hallo !

Immer wieder interessant , ein paar neue Verdächtige präsentiert zu bekommen .
Wer hat denn diesen Mr. Levy als erster " entdeckt " ?

Gruß Stordfield
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Isdrasil am 15.05.2008 12:44 Uhr
Hi

Diesen Levy fand ich immer sehr interessant. Dankeschön, Mrs. Peel!  :icon_bussi:

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Mort am 15.05.2008 15:20 Uhr
Ah, mal wieder ein Schlachter. Intersessantes Profil. :icon_thumb:
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: MrsPeel am 15.05.2008 18:34 Uhr
@Isdrasil
 :icon_redface:
@Stordfield:
Das ist eine interessante Frage, wann tauchte Levy das erste mal auf.
Nun, ich kann mich da nur auf das Casebook beziehen und dort wird ein gewisser Robert Sagar, zur Zeit der Ripper Morde Sergeant, als Quelle genannt. Und jetzt beginnen, wie ich das so überblicke auch die Schwierigkeiten.
Die Reynolds News (15 September 1946)  ziziert aus seinen unveröffentlichten Erinnerungen wie folgt:
"We had good reason to suspect a man who worked in Butcher's Row, Aldgate. We watched him carefully. There was no doubt that this man was insane, and after a time his friends thought it advisable to have him removed to a private asylum. After he was removed there were no more Ripper atrocities."

Kommt euch das Bekannt vor?

Es erinnert stark an die Erinnerungen von Robert Swanson und der meinte damit augenscheinlich Kosminski.
Aber... und jetzt sind alle Kosminski Kenner aufgefordert, mir zu wiedersprechen: Kosminski verschwand erst 1891 in einer Nervenheilanstalt, während Levy schon 1890 eingewiesen wurde und auch ein Jahr später starb.
Im Casebook wird deswegen spekuliert, und dem schließe ich mich an, dass Swanson etwas durcheinander gebracht haben könnte. Auch gibt es noch eine kleine, aber pikante Note; Sagar war bei der City Police - Swanson bei der Met und wie wir alle wissen, waren die sich ja nicht ganz grün.
Sagar, der übrigens in jungen Jahren Medizin studiert hat, dass stand irgendwo im Casebook, hat auf einen Metzger/Fleischer getippt.
Und jetzt nehmen wir mal die Aussagen und stellen sie mal nebeneinander:
Kosminski war Barbier aber kein Fleischer.
Kosminski scheint seine Geisteskrankheit sehr offen mit sich herum getragen haben. Als er eingewiesen wurde war stark verwahrlost und tat auch sonst sehr merkwürdige Dinge. Er war ein Einzelgänger, wurde von seiner Familie des öfteren in Obhut genommen, kurz - dass ist meine Meinung - er scheint mir nicht in der Lage zu sein, Kontakte aufzubauen, dann einen sehr blutigen Mord zu begehen und später einfach unterzutauchen.
Zudem schreibt Swanson, dass Kosminski, nach dem er unter Verdacht geriet, Tag und Nacht von der City Police observiert wurde.
Das schreibt auch Sagar, doch der meinte einen Fleischer und auch sonst sind die Swanson/Macnaghten/Anderson Schlussfolgerungen mit einiger Vorsicht zu geniessen.
Macnaghten schreibt, dass Kosminski schon kurz seiner Einlieferung verstarb.
Doch dies geschah mit Levy und zwar fast genau ein Jahr später.
Macnaghten schreibt, dass Kosminkis einer verdächtigen Person ähnelt, die ein Polizist der City Police am Mitre Square gesehen haben will. Doch, wie unser Moderator in seinem Buch zurecht fragt, welcher Polizist sollte das gewesen sein?
Oder verwechselt Macnaghten hier einfach einiges und der Polizist ist  Robert Sagar in dessen Erinnerungen ein Kosminski aber niemals vorkam.
Desweiteren wird von Anderson und Swanson  behauptet das der Ripper von Israel Schwartz und Joseph Lawende identifiziert wurde.
Israel Schwartz ist ein altes Problem und das Trio Joseph Lawende, Harry Harris, Joseph Hyam Levy war äusserst zurückhaltend mit seinen Aussagen.
Deswegen, könnte es also sein, dass Kosminski in Wirklichkeit Jacob Levy ist?
Hier einiges was für eine Täterschaft Levy's spricht:
1. Er ist in Whitechapel geboren, lebte dort und kannte sich dementsprechend gut aus.
2. Er besaß ein Geschäft und ein soziales Umfeld (Frau und Kinder) was mich zu der Annahme verleitet, dass sein Wahnsinn eher im verborgenen gedeihen konnte.
3. Aus oben genannten Gründen könnte es wahrscheinlich sein, dass er in der Lage war schnell Vetrauen mit seinen späteren Opfern herzustellen. Auch ist es nicht bekannt, dass er verwahrlost gewirkt haben könnte.
3. Er war Fleischer und Blut an ihm oder seiner Kleidung war nichts ungewöhnliches.
4. Er besaß ein festes Zuhause wo er sich zurückziehen konnte.

Und was spricht gegen ihn:
Wenn Robert Sagars Erinnerungen sich auf Jacob Levy beziehen, so wäre es interessant zu erfahren, wann die rund um die Uhr Observation begann. Und warum, wenn er nach dem Mord an der Eddows zu den Verdächtigen gehörte, es ihm trotzdem gelang Mary Kelly zu ermorden und dann noch ein Jahr weiter bei seiner Familie zu leben.
(Was die alte Frage, mordete der Ripper doch weiter, wieder aufwirft.)
Anzumerken wäre noch, und dass behauptet das Casebook, dass nach Levys Tod die Akten zum Fall Ripper geschlossen worden wären.
So, dass war es jetzt erstmal.
Viel Spass beim auseinanderpflücken, denn dass bringt uns nur weiter.
 :icon_wink:
Gruss
Mrs Peel       
   


   
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: JohnEvans am 15.05.2008 18:59 Uhr
Hi,

könnte es sein, daß du Kosminksi mit Klosowski (Chapman) verwechselst?

JE
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Alexander-JJ am 15.05.2008 19:22 Uhr
Ich glaube das bezieht sich die Memoiren von Anderson, auf denen Swanson einen Hinweis hinterlassen hatte das JTR Kosminski hieß. Die Memoiren bezogen sich an dieser Stelle auf Macnaghtens Memorandum. Also insgesamt schon ein eindeutiger Hinweis auf Kosminski, da die drei Polizisten ihn ja unabhängig voneinander und auch zeitlich mit deutlichem Abstand als Ripper nannten. Aber ob damit "unser Verdächtiger" Aaron Kosminski gemeint war?

Nur "Levy" halte ich dann doch für unwahrscheinlich. Wenn die drei hochrangigen Polizisten unabhängig voneinander nicht mal in der Lage sind, zwei Namen auseinanderzuhalten ... oh weia.

Außerdem hatte Levy Familie und ein geregeltes Auskommen. Da fünf Morde zu begehen und Körperteile zu verstecken ohne mal eine dumme Frage vom Eheweib gestellt zu bekommen, ist das doch etwas schwer.


 :)
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: MrsPeel am 15.05.2008 19:53 Uhr
@John Evans:
Nop... ich mein schon Kosminski, da er in den Büchern die ich besitzte von den dreien als Verdächtiger genannt wird.
@Alexander
Naja, sie könnten voneinander abgeschrieben haben, Erinnerungen können sich trüben und was die Ehefrau betrifft... also neulich in Österreich, da...
:icon_eek:
Aber es gibt auch andere Fälle. War da nicht mal so ein Kerl im Ruhrgebiet, der auch was-weiß-ich-wieviele umgebracht hat und seine Frau hat nix bemerkt. Oder der Yorkshire Ripper, der war auch verheiratet. Und ansonsten ist ein geregeltes Einkommen doch prima und da er ein Geschäft besaß, würde das auch die Tatzeiten erklären.
Und was die Körperteile betrifft, also ich will da nicht zu sehr ins Detail gehen, aber die hatten eine Metzgerei oder wenigstens einen Metzgerei-Betrieb und ein Stück mehr oder weniger, dass fällt doch vielleicht gar nicht so.... auf.
 :smiley11: 
Natürlich sehe ich auch ein, dass alles ziemlich dünn ist, aber meiner Meinung nach auch nicht dünner als alle anderen üblichen Verdächtigen. Interessant ist natürlich, dass der Artikel von Mark King über diesen Mr Levy schon 1999 im Ripperlogist erschienen ist und niemand schien darauf anzuspringen.
Stattdessen Gull, D'Onston, Sickert und Konsorten.
 :icon_confused:
Das macht mich auch nachdenklich.
Deswegen mein Aufruf!
Wer weiß mehr?
Wer kann zur Entlastung des Verdächtigen beitragen?
Und wer kapiert die verzwickten Familienverhältnisse der Levys, Kosminskis, Koslowskis und anderer!
 :icon_thumb:
Gruss
Mrs Peel
...das ist alles wieder sehr verwirrend... hätte ich ihn doch bloß nie gefunden... *seufz
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Alexander-JJ am 16.05.2008 12:33 Uhr
Das Problem ist doch, das es nichts gibt, was Levy belastet. Wie soll man ihn denn da entlasten? Es gibt nur eine Theorie. Aber Theorien kann man um tausende Bewohner des East-Ends stricken.

 ;)
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Stordfield am 16.05.2008 14:06 Uhr
Hallo Alex !

Da stimme ich Dir voll zu !
Es gibt zwar immer wieder neue Namen , aber leider werden die Indizien auch immer weniger .
Der Hauptgrund , warum Mr. Levy verdächtigt wird , ist ja wohl seine Geisteskrankheit . Ein für die damalige Zeit nicht seltenes Leiden .

Gruß Stordfield
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: nicjack01301 am 16.05.2008 15:03 Uhr
Besonders wenn man sich die damaligen Kriterien für psychische Krankheiten ansieht....LG Nicky  :icon_aetsch:
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: MrsPeel am 16.05.2008 19:22 Uhr
Naja, wenn es danach geht, dann ist das ganze Topic überflüssig.
Dann ist keiner der Tatverdächtigen auch Tatverdächtig oder was macht einen Druitt, Barnett, Hutchinson, Maybrick, Ostrog, Kosminski usw. usw. zu diksussionwürdigen Personen?
Weil sie sich umgebracht haben?
Was gesehen haben?
Mit Gift gemordet?
Verrückt waren?
usw.
usw.
Interessant finde ich halt auch die Frage, wie Ernst sind die Erinnerungen von drei höheren Polizeibeamten noch zu nehmen.
Gruss
Mrs Peel.       
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: JohnEvans am 17.05.2008 12:59 Uhr
Hallo, Mrs Peel,

”...  und was die Ehefrau betrifft... also neulich in Österreich, da... Aber es gibt auch andere Fälle.
Stimme dir zu. Gerade solche Beispiele zeigen deutlich, daß der einsame, kontaktlose Serienkiller eine reine Schablone ist, die auf etliche tatsächliche Fälle nicht so recht paßen will.

"Interessant finde ich halt auch die Frage, wie Ernst sind die Erinnerungen von drei höheren Polizeibeamten noch zu nehmen".
Ich fürchte, der Rang einer Person macht diese nicht automatisch zu einem Menschen mit einem besseren Gedächtnis als alle anderen.. Erinnerungen, besondes solche, die nicht durch eigenes Erleben entstanden sind, trüben sich im Laufe der Zeit, und ihnen sollte immer mißtraut werden.

@Alexander, Nicky, Stordfield,

ich schließe mich Mrs Peel an: für die Verdächtigung Mr Levy´s gilt dasselbe wie für alle anderen – was für den einen recht ist, sollte auch für ihn billig sein.

Alles in allem ist Mr Levy nicht nur ein guter, sondern sogar ein wesentlich besserer Verdächtiger als Druitt & Co. Gerade ein Schlachter / Metzger kann blutbefleckt und mit Messern behangen durch die Straßen ziehen und kann diese Tatsachen jederzeit jedem Polziibeamten sowie seiner eigenen Ehefrau plausibel erklären.

JE
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Alexander-JJ am 17.05.2008 13:23 Uhr
... ich schließe mich Mrs Peel an: für die Verdächtigung Mr Levy´s gilt dasselbe wie für alle anderen – was für den einen recht ist, sollte auch für ihn billig sein.

Sehe ich auch so.

Aber dennoch gibts bei Levy nun mal keine Anhaltspunkte. Gut, er war verrückt und lebte im East-End. Aber sonst? Fehlanzeige. Auch gibt es keinen Hinweis darauf, das sich seine Geisteskrankheit zerstörerisch und/oder selbstzerstörerisch ausdrückte. Oder anders gesagt: Er war nicht gewalttätig.

Klar kann man ihn zu den Verdächtigen zählen. Aber so ganz ohne Hinweise würde er wohl in die Kategorie "Elefantenmensch", "Sickert" und "Gull" einzuordnen sein.

Sollten aber noch einige belastende Hinweise auftauchen, etwa das bekannt war das er als Metzger "sehr gerne" Gedärme/Genitalien verarbeitete oder sich mal eine Kuhleber mit nach Hause nahm um sie dann unters Ehebett zu legen oder das er seine Frau/andere Frauen mit Messern bedrohte usw. , dann kann man ihn sicher auch in den Kreis der ernsthaft Verdächtigen einbeziehen.



Aber auch allgemein verstehe ich nicht wie ein Metzger der Polizei in einer Mordnacht irgendetwas "plausibel" erklären kann. Die Beamten würden ihn trotz seines Berufes verhaften. Es würden Verhöre folgen, Widersprüche, Lügen, die Ermittler würden aufmerksam werden, feststellen das unser Levy an allen Tatorten war und kein Alibi hat... usw... und der geisteskranke Levy wäre niemand, der einem Verhör durch erfahrene Beamte widerstehen kann.

Das drei Polizisten räumlich und zeitlich unabhängig voneinander den Namen Levy mit dem Namen Kosminski verwechselt haben sollen, ist schon ein bisschen absurd. Vielmehr könnte es sein, das der "echte" Kosminski noch nicht gefunden wurde und unser "Aaron Kosminski" zu Unrecht verdächtigt wird. Aber eine Namensverwechslung? Das glaube ich nicht.



 :)
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Floh82 am 17.05.2008 14:51 Uhr
Ich möchte das Thema "blutbefleckt" ja nicht noch einmal aufgreifen (ich erinnere mich da an tagelange, sehr zermürbende Diskussionen *g*), aber ein Wort will ich schon dazu sagen:

Wir wissen nicht ob der Täter sichtbar blutbefleckt war. Der Mythos des Mannes mit dem schwarzen Umhang, mag die Fantasterei eines Hollywood-Regisseurs sein, aber sie kann auch Realität sein. Es muss ja kein schwarzer Umhang gewesen sein...aber irgendetwas was der Täter sich "überzog", wenn er den Tatort verließ.
Zugegeben, dafür muss gegeben sein dass er die Zeit hatte sich noch etwas überzuziehen und wahrscheinlich planend vorgegangen sein.

Levy ist für mich mitnichten ein besserer Verdächtiger als beispielsweise Druitt. Er ist auch kein viel schlechterer, aber wie Alexander schon sagte: Es gibt nicht mehr Hinweise auf ihn als auf andere.
Case not closed ;)
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Isdrasil am 17.05.2008 20:10 Uhr
Hi

Alles in allem ist Mr Levy nicht nur ein guter, sondern sogar ein wesentlich besserer Verdächtiger als Druitt & Co. Gerade ein Schlachter / Metzger kann blutbefleckt und mit Messern behangen durch die Straßen ziehen und kann diese Tatsachen jederzeit jedem Polziibeamten sowie seiner eigenen Ehefrau plausibel erklären.

Da stimme ich voll und ganz zu. Levy ist ein guter Kandidat und erfüllt in meinen Augen zumindest einige Kriterien, um ihn in eine engere Auswahl zu ziehen. Manch populärer Verdächtiger passt auch nicht gerade besser.
Ich denke, ein Verdächtiger muss erst einmal prinzipiell mit Namen genannt werden, um nach weiteren Anhaltspunkten oder Indizien zu forschen - ohne den Verdächtigen in die Rolle des Rippers pressen zu wollen natürlich. Das ist die richtige Herangehensweise. Dies ist die Essenz der Ripperologie.
Ich glaube, bei Levy ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Ab in den Recall!  :icon_wink:

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Stordfield am 17.05.2008 21:26 Uhr
Hallo !

Ich fühle mich gerade etwas mißverstanden ( oohhh  :icon_smile: ) .
Levy ist schon interessant und wie ihr bereits sagtet , nicht unverdächtiger als jeder andere genannte Name . Den Indizienmangel hatte ich mehr allgemein angemerkt ; es sollte keine Kritik sein .
Danke , Mrs. Peel !

Gruß Stordfield
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Isdrasil am 18.05.2008 14:19 Uhr
Hi Stordfield

Also, ich habe dich da schon richtig verstanden, hast ja auch recht.  :icon_wink:

Der Indizienmangel zieht sich leider ja durch die ganze Bank. Ich denke, es ist eben auch eine persönliche Sache, was jeder vom Ripper hält. Wenn einer den Ritualmörder bevorzugt, bietet Levy natürlich weniger Anhaltspunkte als für den Metzgertheorie-Anhänger. Jeder Verdächtige ist meistens auch eng an ein Tatmotiv oder einen Tätertypus gekoppelt. Levy ist eben doch nur einer von vielen Wahnsinnigen, der sowohl Fragen als auch Antworten geben kann...mir gefällt er zumindest, trotz Mangel an "echten" Indizien.
Aber ich habe eh ein Problem: Je länger ich mich mit dem Fall beschäftige, umso verwirrter bin ich. Schön war doch die Zeit, als ich Cornwell las und dachte, der Fall sei gelöst...hätte ich es bloss dabei belassen... :icon_mrgreen:

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: zom Palmer am 18.05.2008 15:34 Uhr
hi

also die se levy sache zeigt doch nur eins, dass met und central jeweils ihr eigenes süppchen gekocht haben. Met hat sich nur um ihre verdächtigen (kosminski (oder wie der typ nun wirklich hieß), druitt und co) gekümmert. während central wahrscheinlich eine reihe andere verdächtiger verfolgt hatte (weiß man eigentlich wer bei cental auf der liste der verdächtigen stand?). wer der ripper jemals war und ob er einer der verdächtigen war wird doch nie bewiesen werden, weil diese idioten :icon_twisted: (sorry) es nicht auf die reihe bekommen haben mal über ihren schatten zu springen und gemeinsam zu arbeiten.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Isdrasil am 18.05.2008 18:20 Uhr
Hi

...weil diese idioten :icon_twisted: (sorry) es nicht auf die reihe bekommen haben mal über ihren schatten zu springen und gemeinsam zu arbeiten.

Kann man eigentlich nur unterstreichen. Zwar betraf lediglich der Eddowes Mord auch die City Police, dennoch ist es fast schon erschütternd, wie wenig Unterstützung die Metropolitan schon davor erhielt. Sie musste mit schlechter Ausrüstung, demotivierten Polizisten, einem starren Weisungssystem und der Häme der Presse und der Armen leben. Die City Police hingegen war wesentlich besser ausgestattet und verfügte aufgrund ihres doch kriminalitätsärmeren Zuständigkeitsbereich über einige freie Ressourcen, die unzureichend zur Metropolitan flossen.
Die Beiden hätten wesentlich besser zusammenarbeiten können - und dies fängt zum Beispiel auch bei den Leichenhäusern an. Im East End heruntergekommene Schuppen, etwas weiter westlich durchaus besser ausgestattete Häuser.

Aber das ist es halt - die Opfer waren eben doch Arme. Prostituierte. In den Augen vieler selbst Kriminelle. Da lohnt es sich erst richtig einzuschreiten, wenn die Ripperwelle größer und größer wird...

Ich denke, im Großen und Ganzen hatte die City Police nicht allzu viele Verdächtige - da sie einfach froh darum war, dass sie der Ripperfall nicht allzu sehr betraf und der kleine Bruder Met der Sündenbock war. Mir fallen spontan eigentlich keine konkreten Namen ein.

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: JohnEvans am 18.05.2008 20:43 Uhr
Hallo,

Er war nicht gewalttätig.
Genauso wenig wie etliche der anderen Verdächtigen auch. Druitt? Gewalttätig? Gull? Gewalttätig? Dennoch galten sie MacNaughton als verdächtig genug.

Sorry, dieses Argument alleine gegen Levy einzusetzen ist ein schwacher Schachzug. :SM141:

Klar kann man ihn zu den Verdächtigen zählen. Aber so ganz ohne Hinweise würde er wohl in die Kategorie "Elefantenmensch", "Sickert" und "Gull" einzuordnen sein.
Diese drei Verdächtigen teile ich soagr in zwei verschiedene Kategorien ein:
A) physisch unfähig:  "Elefantenmensch" und "Gull"
B) Alibi, da nicht im Lande bzw vor Ort: "Sickert"

Levy gehört somit in KEINE dieser Kategorien.

Aber auch allgemein verstehe ich nicht wie ein Metzger der Polizei in einer Mordnacht irgendetwas "plausibel" erklären kann.
Na, dann bin ich mal nicht so und erkläre e dir :icon_wink:
Metzger hatten berufsbedingt Messer bei sich und gingen blutbefleckt nach Hause, und falls sie nicht täglich ihre Arbeitskleidung wechselten oder reinigten, gingen sie auch so wieder zur Arbeit.
Und da die Polizei damals nicht zwischen Tier- und Menschenblut unterscheiden konnte, war alleine schon die Beschäftigung als Metzger Alibi genug.

Und erinnern wir uns daran, wie es Paul und Cross (fanden Nicholls) erging. Keiner von beiden wurde auch nur auf Blutflecken hin untersucht!!!! Beide wurden nicht zum Verhör gebracht, obwohl Cross von Paul DIREKT neben der Leiche stehend vor gefunden wurde!!!! Beide durften einfach weiter ziehen!!!

Und du willst mir allen Ernstes einreden, die Polizei hätte damals JEDEN Metzger, der sich absichtlich oder zufällig  in der Nähe der Tatorte aufhielt, stundenlang verhört??? Träum weiter ...

JE









Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Alexander-JJ am 18.05.2008 23:20 Uhr
... Träum weiter ...

Das mache ich. In meinem Traum muss ein Verdächtiger erst einmal BELASTET werden, bevor überhaupt Jemand anfängt ihn zu entlasten. Ferner träume ich gerade, das gegen Levy nichts weiter vorliegt als "Metzger" und "geisteskrank". Das sind natürlich, jedenfalls in meinem Traum, keine Argumente dafür, das Levy der Ripper war.

In meinem Traum werden Metzger, die Frauenherzen oder Nieren oder andere Organe bei sich tragen, tatsächlich stundenlang verhört.

Aber in der Realität ist das sicher alles ganz anders ...  :icon_aetsch:
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Floh82 am 18.05.2008 23:49 Uhr
Ich muss Alexander teilweise zustimmen:

Wenn nach schrecklich, bestialischen Morden Personen nicht verdächtigt werden, weil sie beruflich eh mit Blut in Berührung kommen und Messer bei sich tragen, würde ich die Polizei als grob fahrlässig und ziemlich bescheuert bezeichnen.
Nur weil jemand ein Metzger ist, hat er kein "Alibi"...er hat eine mögliche Erklärung für Blut an seiner Kleidung oder Messern in seiner Tasche ja! Aber das schließt doch nicht aus dass er der Mörder ist und ergo wäre die Polizei gut beraten (gewesen) auch einen solchen zu verhören.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: MrsPeel am 19.05.2008 21:06 Uhr
Hija, da bin ich wieder.
Leider konnte ich mich in die interessante Diskussion nicht früher einschalten, da ich gerade eine enge Angehörige pflege und ... nun ja, das Wochenden war nicht so toll.
 :icon_sad:
Nun denn, im Grunde wurden alle Argumente die für oder gegen Levy sprechen schon gesagt. Und offenbar ist es halt so, dass Levy ein potentieller Kandidat wäre, aber mehr eben nicht.
(Den armen John Merrick halte ich als Verdächtigen, ehrlich gesagt, als reine überspannte Fantasterei. Und Gull...? Ach Leute, wenn die ollen Royals jemanden umlegen möchten, dann machen die das bestimmt einwenig diskreter... und so.)
Tja, Druitt.
Levy steht für mich in etwa auf einer Stufe.
Ich habe im meinem Bücherschrank auch Tom Cullen: Jack the Ripper liegen und zum Schluss konstruiert er eben Druitt als Alleintäter.
Und genau da liegt eben der Hund bergraben, im Grunde und weil so verwirrend, ist es eben so einfach beinahe jeden Bewohner Londons die Morde anzuhängen (siehe Ripper-Patti!). Trotzdem finde ich es schade, dass Levy rest so spät entdeckt worden ist. Man findet so wenig über ihn und seiner Familie. Im Census von 1891 taucht er jedensfalls nicht mehr auf, sondern nur noch seine Frau und zwar als (Metzgerin!) und Haushaltsvorstand. Und was ich noch nachsehen konnte ist, dass diese Familie offenbar immer wieder umgezogen ist. Und sei es nur einpaar Strassen weiter.
Und dann der Name - mein Gott!
Im Casebook wird spekuliert das Jacob Levy mit Joseph Levy verwandt sein könnte...!
(Wegen dessen nicht Aussage im Fall Eddows.)
Also das gleiche in Grün mit Kosminski, der einen Cousin in der Berner Street gehabt haben soll. Dabei könnte ich wetten, Kosminski ist ähnlich wie Levy nun auch kein so seltener Name.
Bleibt noch das Graffito in der Goulstone Street.
Ich weiß nicht, ob ich es schon erwähnt habe, aber Jacob Levy landete im Knast weil der seinem Meister Fleisch gestohlen haben soll.
Jener Meister hatte sein Geschäft in besagter Strasse.
Wäre die Frage zu klären, besaß dieser Mann noch das Geschäft zur Zeit der Ripper Morde und könnte (Das ist wieder reine Spekulation!) das Geschmiere vieleicht ein Racheakt Jacob Levys gewesen sein? Ein bösartiger Versuch eben den Verdacht auf seinen alten Meister zu lenken.
Und da wäre noch etwas.
Wurde hier schon mal über die Tattage diskutiert?
Und jetzt bitte ich mich nicht misszuverstehen, denn ich kam leider nicht dazu, mich eingehend damit zu beschäftigen, aber weiß jemand von euch darüber Bescheid, wie die jüdischen Metzger im East End ihre Läden geöffnet haben.
Warum diese Frage?
Ich hatte die (Schnapps) Idee, dass vielleicht am Sonntag geöffnet sein könnte (es sei denn, es wäre ein offiz. Feiertag!). Dafür wäre am Freitag und Samstag geschlossen.
Kurz, gehen wir von einem Mörder aus, der eine Tätigkeit ausübt, so sind die Wochenden von Freitag Abend bis Sonntag/Montag früh eine logische Erklärung.
Was aber, wenn der Ripper einer anderen Religion angehörte und deswegen einen anderen Wochenrythmus unterworfen war?
So, jetzt muss ich Schluss machen und nach meiner Oma sehen.
 :icon_sad:
Gruss
Mrs Peel
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Isdrasil am 19.05.2008 21:22 Uhr
Hi MrsPeel!

Fragen über Fragen...fangen wir doch mal mit den munteren Nachforschen an  :icon_wink:

Ich habe erstmal die Aufzeichnungen des Criminal Central Courts vom 5. April 1886. Passt zwar nicht so ganz zu der Frage nach den Wochentagen oder ob das Geschäft des Meisters noch während der Morde existierte - aber ich füg das trotzdem mal hier rein, um das Bild zumindest dieser Tat ein wenig zu vervollständigen:

MORRIS PHILLIPS (30), MOSS WOOLF (16), and JACOB LEVY (30) , Stealing 14 lb. of meat of Hyman Sampson, the master of Phillips and Woolf.
MR. CLURE Prosecuted; MR. MOYSER appeared for Phillips, MR. BLACK for Woolf and MR. GEOGHEGAN for Levy.

SAMUEL BACON (City Policeman 941). I received information from my inspector, and on 10th March, at 6.15 a.m., I was watching the prosecutor's shop—Phillips came up to the door and knocked, got answer, and went away—about two minutes afterwards Levy came out at his shop door, which is next door, a post divides them—he knocked at Mr. Sampson's door and went back in at his own door, came out again in a minute or two unscrewed the bolt of his shutter bar, and then looked round and knocked at Mr. Sampson's door again; there being no answer he went down the street 10 or 12 yards to the corner of Stony Lane—Phillips joined him; they conversed and went back to Mr. Sampson's door—Phillips knocked, and Levy went in at his own door—the door was opened; Phillips went in and turned up the gas—Levy came out of his shop and went into Mr. Sampson's shop, where he had a conversation with Phillips—he came back in about a minute and went into his own shop, where I saw Woolf, who brought a piece of meat from the back of the shop to the door, and hung it on a hook just inside the door, and then came out on the footway, looked round, took the meat off the hook, and took it quickly in at Lewis's door, and gave it to Lewis; he then returned to Sampson's shop—I ran into Levy's shop, caught hold of him with the meat in his hand, and asked what he was going to do with it—he said "We are only having a lark, I am going to weigh it"—I said I did not believe it, I should take him to Mr. Sampson, which I did, and then took him to the station, where he repeated that it was only a lark—I found 32l. 10s. 9d. in his pocket—the meat was 14 lb. of beef—I had been watching since 5.15; it was perfectly light outside at 6.15, but not inside Levy's shop, there being no gas.

Cross-examined by MR. BLACK. I was in some buildings opposite, lying among some bricks and rubbish, but not within hearing distance—I could not see who opened the door, as the shutters were not down, but Phillips turned the gas up afterwards—we were both in plain clothes—Woolf sleeps on the premises.
Cross-examined by MR. GEOGHEGAN. I cannot say whether these men are rival butchers; they are both Jews—when he said that he did it for a lark Mr. sampson said "You will be locked up for it"—he valued the meat at 6d. per lb.—this is Petticoat Lane, and there are other butchers in the street—it was about the time a man would go to market.

JAMES JONES (City Policeman 935). I was with Bacon; I have heard his evidence and corroborate it—I went into Sampson's shop, and saw Phillips und Woolf; I told them I was a police officer, and should take them in custody for stealing a piece of beef—Phillips said "I know nothing about it I came from the back of the shop—Woolf said "I know nothing about it"—I took them to the station.

Cross-examined, by MR. BLACK. Woolf did not say "I know nothing about it," I correct myself, he made no reply.

Cross-examined by MR. GEOGHEGAN. I did not go into Levy's shop, nor did I see in, as the shutters were up—there may have been a quantity of meat in the background.

HYMAN SAMPSON . I am a butcher of 35, Middlesex Street—Phillips and Woolf were my servants; Phillips about three months, and Woolf about two or two and a half years—I had spoken to the police, and on 10th March about 5 o'clock I went to market—I was sent for, and came back and found the three prisoners in custody—the policeman asked Levy what he intended to do with it, he said that the boy brought it in for a lark, and then said "Mr. Sampson, you are not going to do anything with me"—the meat was worth 7s.

Cross-examined by MR. MOYSER. Phillips slept at the shop on Wednesdays and Thursdays, this was Wednesday morning—he would sleep away from the shop on Tuesday nights.

Cross-examined by MR. BLACK. I discharged Woolf once and took him back again—I had a place in Goldstone street for nineteen years—I know Binwell, a butcher, I took Woolf from his employment—I never asked for a character, he was only a little boy—I have never found fault with him before.

Cross-examined by MR. GEOGHEGAN. Levy was there before I came—he has not taken customers from me—I have no animosity against him—I have met him out of business hours—this was not the best meat at 6d. a pound, I have some at 11d.—Levy has never chaffed me and said that his meat was better than mine, he buys from the same killer as I do—I sell more expensive meat than he does, but there has been no joking about it, nor did we ever bet about it—the Jewish authorities will not give a man a licence unless he has an excellent character—I have accused my wife of robbing me—I did not find out that she had a separate banking account—I did not accuse her before Phillips came into my service—I may have said at the police court that I accused her 12 months ago—I have not said that if Levy would leave his shop I would not carry on the prosecution against him—I would not let him off for 10,000l.

Re-examined. At 6.15. a.m. my five employees were on the premises.
Levy received a good character.

PHILLIPS— NOT GUILTY .
WOOLF— GUILTY Recommended to mercy by the Jury.— .— Four Months' Hard Labour.
LEVY— GUILTY of receiving.— Twelve Months' Hard Labour.



Eine erste kleine Spur bezüglich deiner Frage nach den Arbeitstagen wäre wohl der 10. März 1886 gewesen, an diesem Tag ging Sampson gemäß dessen Aussage um 5 Uhr auf den Markt. Leider war dieser Tag jedoch ein Mittwoch - der erste Anhaltspunkt wäre also hinüber.  :icon_rolleyes:
Vielleicht weiß ja jemand ein wenig mehr?

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: JohnEvans am 20.05.2008 16:56 Uhr
Hallo,

der jüdische Feiertag ist der Sabbat, und das ist der Samstag.
 
31 August 1888 - Freitag
8 September - Samstag
30 September - Sonntag
9 November - Freitag

Eine andere Frage: gab es anno 1888 überhaupt 2 Tage Wochenende? Und wenn, für welche Berufsgruppen?

JE
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Isdrasil am 20.05.2008 20:52 Uhr
Hi John

Das ist eine sehr gute Frage und lässt sich gar nicht so leicht beantworten. Einen kleinen Hinweis auf Samstagarbeit habe ich zumindest schon einmal in einem Artikel von RICHARD HARDING DAVIS "THE WEST AND EAST ENDS OF LONDON" aus dem Harpers New Monthly Magazine, Januar 1894 gefunden:

"...Saturday night is naturally the best time in which to visit the East End, for the reason that the men and the women have been paid off, and are out buying the next week’s rations and visiting from public-house to public-house, and are noisy and merry, or sullen and bent on fighting, as the case may be..."

Ich kann mir auch gut vorstellen, dass man gerade im East End 6 Tage die Woche arbeitete, um wenigstens einigermaßen über die Runden zu kommen. Zwei freie Tage dürften eher der wohlhabenderen Schicht bekannt gewesen sein - oder auch den Selbstständigen? Keine Ahnung....hm...suchen wir doch einfach mal weiter... :icon_wink:

Grüße, Isdrasil
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: JohnEvans am 23.05.2008 12:15 Uhr
Hi, Isdrasil,

"it´s Saturday night and I just got paid .... I´m gonna rip it up and ball tonight!"  :icon_wink:  sorry, konnte dem Wortspiel einfach nicht widerstehen ...

Und jetzt Ernst: der von dir angeführte Artikel läßt vermuten, daß selbst im jüdisch dicht besiedelten East End das Sabbatgebot den Regeln der Wirtschaft unterlag. Es zeigt auch recht deutlich, daß an / in diesen Samstag Abenden / Nächten das East End ganz offenbar als begehbares Live-Theater für Nicht-EastEnder diente.

Was wiederrum der These des dort-nicht-ansäßigen Rippers neuen Aufschwung gibt.

@Floh, @Alex,

Überlegungen, wie heute in so einem Fall vorgegangen wäre ohne Überprüfung auf damalige Verhältnisse umzulegen, scheint mir nicht der richtige Weg, um kleinere (oder auch größere) Rätsel zu lösen.
Denn wie die Geschcihte zeigt, wurden zwar "Verdächtige", die Metzger oder Arzt waren, aufgrund der Tatsache, daß sie Blut und eventuell Messer an bzw bei sich hatten, verhört, aber NIE angeklagt oder gar überführt. Das hatte gar nichts mit "schlampiger", aber viel mit zeitgemäßer Polizeiarbeit und Gerichtsbarkeit zu tun.

JE

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Floh82 am 23.05.2008 14:19 Uhr
Ich kann deinen Umkehrschluß weder nachvollziehen nocht gutheißen.
Nur weil keiner angeklagt wurde, heißt das meiner Meinung nicht dass die Polizei bei diesen Verdächtigen nicht genau hingeschaut hat. Wurden Metzger verhört, hat die Polizei also durchaus auch diese Berufsgruppe als Täter in Betracht gezogen. Ob die Verhöre gründlich genug geführt wurden oder ob "Alibis" zu leichtgläubig angenommen wurden steht wiederum auf einem anderen Blatt.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Alexander-JJ am 23.05.2008 17:50 Uhr
Es ist klar das damals andere Sitten herrschten und dies auch Einfluss auf die Polizeiarbeit hatte. Ein angesehener Arzt konnte sich sicher so einiges erlauben. Aber ich glaube kaum das er mit Blut, Messer und Organen in der Tasche davongekommen wäre. Auch damals nicht. Ein einfacher Metzger oder Schlachter hätte vielleicht das Blut erklären können, aber wohl kaum die Sache mit den Organen. Sich aus so etwas rauszureden ist sehr schwer.

Außerdem gehen wir hier von der Überlegung aus, das sich JTR mit Blut+Messer+Organen widerstandslos zur nächsten Polizeizentrale führen ließ. Das ist meiner Meinung nach zu weit hergeholt. JTR war sicher kein "Feigling", aber ich glaube nicht das er Nerven aus Stahl gehabt hat.



 ;)
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: JohnEvans am 23.05.2008 19:21 Uhr
Klar, hätte man ihn, egal wen, mit den Organen in der Tasche erwischt, dann hätte er tatsächlich Erklärungsnot gehabt. Abr wirklich nur dann. Messer und Blut ALLEINE reichten nicht aus.

Die Reaktipon auf Levy als Verdächtiger war ja, 1) es gäbe keinen Beweis, 2) so ein Metzger wäre aufgefallen und 3) hätte ein Geisteskranker die Verhöre nicht durch gestanden.

Nochmal, in Kurzform, meine Meinung dazu:
1) Beweise gibt es auch für andere nicht - weshalb dieses Argument nicht nur gegen Levy spricht
2) siehe Diskussion bisher: selbst mit Meser und Blut wäre ihm nichts passiert, einzig und alleine in Kombination mit Organen hätte er Probleme bekommen und
3) wir wissen nicht, ob Levy bereits zum Zeitpunkt der Morde geisteskrank war - eine Überlegung übrigens, die auch für Kosminski gilt. Außerdem bedeutet Geisteskrankheit nicht auch, daß Levy ein Verhör nicht durch gestanden hätte, vielleicht wäre sogar das Gegenteil der Fall gewesen. Geistige Umnachtung kann bezüglichi Erinnerungslücken sehr hilfreich sein.

JE

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Alexander-JJ am 24.05.2008 13:27 Uhr
Ich glaube immer noch nicht das JTR mit Polizisten freiwillig zu einer Polizeiwache gegangen wäre. Das ist mir zu weit hergeholt.

Einem Verhör standhalten, das von erfahrenen Beamten durchgeführt wird, ist praktisch unmöglich. Man kann sich weigern zu antworten oder behaupten das das ganze Leben aus Erinnerungslücken besteht, aber das hilft dem Verdächtigen eigentlich nicht weiter.

Ich denke wir können die Idee, das JTR von der Polizei verhört wurde, zu den Akten legen. Das ist meiner Meinung nach niemals geschehen.

Gegen Levy spricht allerdings nicht viel. Das hat er mit manchen anderen Verdächtigen gemeinsam. Aber sollen wir deshalb den sowieso schon viel zu großen Kreis der Verdächtigen mit einer weiteren Person bereichern, gegen die eigentlich nichts spricht? Es gibt keinen Anhaltspunkt DAFÜR, das Levy der Ripper war. Es gibt aus meiner Sicht keinen Grund ihn als Verdächtigen zu behandeln. Und ja, ich bin auch dafür das man einige der anderen Verdächtigen aus der Liste streicht statt immer neue hinzuzuerfinden.


 :)



Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: academyfightsong am 24.05.2008 16:02 Uhr
Zitat
Einem Verhör standhalten, das von erfahrenen Beamten durchgeführt wird, ist praktisch unmöglich.

Bollocks, natürlich ist das möglich.

Zitat
Ich denke wir können die Idee, das JTR von der Polizei verhört wurde, zu den Akten legen.

Was ist daran so abwegig? Peter Sutcliffe z.B. wurde zweimal von der Polizei verhört und wieder laufen gelassen. Oder Fritz Haarmann, der sogar mit der Polizei zusammenarbeitete, bevor er überführt wurde. Und das sind nicht die einzigen Beispiele. Ted Bundy, John Wayne Gacy, Andrei Tschikatilo, Jeffrey Dahmer... um nur einige zu nennen, wurden allesamt bereits vor ihrer eigentlichen Verhaftung, min. einmal verhört und wieder laufen gelassen. Was spricht also dagegen, dass dies im Fall JtR nicht auch geschehen sein könnte?
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Alexander-JJ am 24.05.2008 17:26 Uhr
Fritz Haarmann hatte das Blut seiner Opfer an seinen Händen und die Tatwaffe in seiner Tasche, als er mit der Polizei zusammenarbeitete?

  :icon_aetsch:


Ok, ich weiß ja wie du es meinst. Aber: Wir reden hier über Jacob Levy und die "Vermutung", das er als Metzger bei einem Verhör das Blut und das Messer erklären könnte und dann laufengelassen würde. Und die Annahme, das er freiwillig mit der Polizei mitging obwohl er Blut an den Händen und die Tatwaffe in der Tasche hatte...

Und das halte ich eben für absurd.



Bei einer einfachen Überprüfung, also ohne Blut, Messer, Organe usw wäre es ja absolut egal ob er Metzger ist oder nicht.


 :)
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: zom Palmer am 24.05.2008 18:15 Uhr
Ich denke wir können die Idee, das JTR von der Polizei verhört wurde, zu den Akten legen. Das ist meiner Meinung nach niemals geschehen.

jack muss nicht unbedingt als verdächtiger verhört worden sein. es kann sich dabei auch um eine zeugenbefragung gehandelt haben. da er imo aber durch das raster der polizei gefallen ist (vgl. fbi-profil (hab ich mir nochmal durchgelesen  :icon_smile: )) könnte er auch einfach wieder laufen gelassen worden sein ohne das die polizei ihn als verdächtigen auf die liste gesetzt hat. wie ich schon sagte wir werden es nie erfahren wen city und met alles verdächtigten da sie sich ja nicht über ihre informationen ausgetauscht haben. deshalb imo sollte mann sowas nicht von vornherein ausschließen.

gruss zom
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Alexander-JJ am 25.05.2008 08:51 Uhr
... deshalb imo sollte mann sowas nicht von vornherein ausschließen.

Ganz allgemein wohl nicht.

Aber hier gehts immer noch im Jacob Levy und um seinen Beruf, nämlich Metzger. Weiterhin gingen wir hier davon aus, das er kurz nach der Tat von der Polizei gestellt wurde, Blut an den Händen hatte und die Tatwaffe im Gepäck. Wir gingen davon aus das er freiwillig zur Polizeiwache mitging, dort verhört wurde und sich aufgrund seines Berufes, nämlich Metzger, herausreden konnte und dann freigelassen wurde.

Das halte ich immer noch für absurd.


  :icon_aetsch:
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: academyfightsong am 25.05.2008 13:57 Uhr
Ja, ja... ist mir schon klar, dass es hier eigentlich um Jacob Levy geht. Du hast aber eindeutig geschrieben: "Ich denke wir können die Idee, das JTR von der Polizei verhört wurde, zu den Akten legen." Und nur darauf bezog sich meine Antwort.  :icon_aetsch:
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Michael Dawn am 03.09.2009 11:50 Uhr
Mich würde doch eins sehr interessieren. Ich meine wenn wir schon beim Thema Jacob Hyam Levy sind.
Also weiss eigentlich jemand wie er ausgesehen hat, dieser Levy?
Gibt es eine genau Beschreibung von ihm?
Wenn ja wäre mir sehr geholfen. Und wenn einer was weiss bitte hier posten  :icon_thumb:

Danke schon mal im Voraus

Michael Dawn

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Larkin am 03.09.2009 18:33 Uhr
Hallo Michael!
Hab jetzt überall nachgeschaut, aber ich finde keine genauere Beschreibung über Levy, als die, dass er ca. 58 Kilo wog und ungefähr 1,60m groß war. Er würde also, vom Aussehen her, ungefähr auf die Zeugenaussagen passen.

Liebe Grüße,
Larkin ;)
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Michael Dawn am 03.09.2009 18:41 Uhr
Vielen Dank Larkin  :icon_wink:

Ich finde es gibt über mancherlei Verdächtige viel zu wenig Infos und Daten. Da ich mich gerne mal in die Richtung Levy
bewegen möchte finde ich es eigentlich schade das es keine genaue Beschreibung von ihm gab. Aber macht nichts
es gibt noch so viel spannendes über dieses Thema zu bereden das ich mich schon vor überpeinlicher Freude selbst überschlagen könnte  :icon_mrgreen:

So nun werde ich mir einen Kaffee machen und über meine komischen Sätze, Witze auf meine eigenen Kosten machen  :icon_mrgreen:

Ich wünsche euch n schönen Abend

Michael Dawn

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: JohnEvans am 18.09.2009 13:19 Uhr
Verdächtige, die aus der Gegend stammten oder gar "im Milieu" arbeiteten, machen für mich den meisten Sinn. Und das gilt durchaus für Levy oder Le Grande oder Silver (Joseph??) - die haben als Verdächtige sogar mehr zu bieten als mein favorisierter Cross! :icon_mrgreen:

JE
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Amnael am 25.12.2009 18:02 Uhr
Spielt mal Sherlock Holmes jagt Jack the Ripper!
Dort wird einiges über Levy erzählt, klar, es ist ein Computerspiel, doch dabei habe ich zum ersten Mal von diesem Mann gehört und was im Casebook geschrieben stand, deckt sich in etwa mit den Infos welche im Game vorkamen.
Mehr schreib ich nicht, ich will ja niemandem den Spass vermiesen.  :icon_wink:
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Raison-d-eatre am 09.01.2011 14:39 Uhr
... und eben genau das habe ich gerade durch ;D. Das klingt zwar relativ oberflächlich, aber erst durch das Spiel komme ich überhaupt auf Levy.  Das Spiel ist ja alles in allem (siehe Mitwirkende) recht gut recherchiert und relativ logisch. Ich hab mir gerade den Bericht über Levy auf Casebook nochmal angeschaut, da ich recherchieren wollte, ob die Infos die im Spiel auch vorkommen überhaupt stimmen können.
Jetzt stellt sich natürlich als erstes Mal die Frage: Was spricht denn überhaupt gegen Jacob Levy?
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Craddock am 10.01.2011 02:24 Uhr
... und eben genau das habe ich gerade durch ;D. Das klingt zwar relativ oberflächlich, aber erst durch das Spiel komme ich überhaupt auf Levy.  Das Spiel ist ja alles in allem (siehe Mitwirkende) recht gut recherchiert und relativ logisch. Ich hab mir gerade den Bericht über Levy auf Casebook nochmal angeschaut, da ich recherchieren wollte, ob die Infos die im Spiel auch vorkommen überhaupt stimmen können.
Jetzt stellt sich natürlich als erstes Mal die Frage: Was spricht denn überhaupt gegen Jacob Levy?

Ich mag das Spiel und halt es auch für gut recherchiert. Aber um auf die letzte Frage zu sprechen zu kommen: Was spricht denn eigentlich genau für ihn? Das würde ich zuerst zu klären versuchen, bevor ich mich damit befasse mögliche Dinge zu finden, die ihn entlasten. Bisher gibts aber nicht viel Belastendes, außer dass er wohl etwas neben der Spur lief. Metzger und Anstalt reichen für mich noch nicht wirklich aus, mich näher mit ihm zu beschäftigen.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: BG Holmes am 05.02.2011 16:24 Uhr
Hi!
..ist es denn eigentlich wahr, was man über Jocob Hyam Levy so weiß und schreibt?
Oder denkt ihr, die Geschichten über ihn sind alle ersponnen oder nachträglich fingiert?
Ich spiele hier vor allem auf seine evtl. persönliche Verbindung zur Goulston Street an und auf die Aussage seines evtl. Schwagers als einer der Hauptzeugen nach dem Mord an CE..

Schönes Wochenende
BG Holmes
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: JD am 04.05.2011 11:37 Uhr
Ich habe mal gehört, der Erkenntnis sei es egal, wie man zu ihr gelangt. So gesehen muss man sich nicht schämen, wenn man eventuell durch ein Computerspiel zu neuen Ideen im Fall JtR gelangt - zumal "Sherlock Holmes jagt Jack the Ripper" sehr fundiert ist und offenbar von Leuten gemacht wurde, die wirklich Ahnung von der Materie haben. Da mir selbst für Adventures die Geduld fehlt, habe ich mir gestern auf YouTube eine Video-Aufzeichnung des Games reingezogen. Es gibt eine ganze Menge Brimborium, das nichts mit JtR zu tun hat, vor allem in der ersten Hälfte des Spiels. Hinzu kommen jene Logicals, Rätsel und Suchaktionen, die mich bei Adventures immer so abnerven. Interessant für uns ist vor allem die Beweisführung gegen Jacob Levy am Ende des Games. Diese möchte ich im Folgenden mal unkommentiert wiedergeben:

1. JtR ist Rechtshänder

2. JtR ist ein kräftiger Mann

3. JtR hat direkt oder indirekt mit Syphilis zu tun

4. JtR hat blondes Haar und einen Oberlippenbart

5. JtR wohnt in der Gegend um die Aldgate Station

6. JtR ist oder war Metzger

7. JtR trägt Arbeiterkleidung

8. JtR ist 5'3' groß

9. JtR hat mir der jüdischen Gemeinde eine Rechnung offen

10. JtR ist arm

All diese Punkte treffen (angeblich) auf Jacob Levy zu (Siehe Anhang 1).

Ergo: Jacob Levy = Jack the Ripper

Hier nun einige Erläuterungen und (da ich es mir natürlich nicht vekneifen kann) Kommentare zu den einzelnen Punkten:

1. Die Rechts-/Linkshänder-Diskussion hatten wir ja schon mal ausgiebig irgendwo hier im Forum. Sei es wie es sei - Rechtshändigkeit ist ein recht mageres Ausschlußkriterium.

2. Dies wird damit begründet, dass für die Kehlenschnitte ein gewisser Kraftaufwand nötig gewesen sei. Kann man so akzeptieren, trifft aber auch auf sehr viele Bewohner des Eastends zu.

3. Die Begründung hierfür ist interessant. Zum Einen leitet sich daher der Hass auf die Prostituierten ab, bei denen er sich mit der Krankheit infiziert hat. Zum Anderen erklärt es angeblich die Verstümmelungen, insbesondere bei Catherine Eddowes. Kinder, die mit Syphilis geboren werden, zeigen ein bestimmtes Erscheinungsbild: Unter anderem fehlende Augenlider und eingefallene Wangen. Es wird gemutmaßt, dass mindestens eines von Levys Kindern unter angeborener Syphilis litt und er den Prostituierten somit das antun wollte, was sie seinem/n Kind(ern) angetan hätten.

4. Diese Annahme bezieht sich auf die Aussage Lawendes. Dieser war jedoch der einzige Zeuge, der JtR als blond beschrieb. Woher die Autoren des Games wissen wollen, dass Jacob Levy blond war, entzieht sich meiner Vorstellung.

5. Darauf kommt man mit folgender Schlussfolgerung: Vom Dutfield's Yard bis zum Mitre Square braucht man 20 Minuten. Zwischen der Ermodung von Stride und Eddowes lagen aber 40 Minuten. Was tat JtR in den übrigbleibenden 20 Minuten? Antwort: Er ging nach Hause und zog sich um. Dies erkläre zum einen die abweichenden Beschreibungen der Kleidung JtRs an beiden Tatorten und wäre logisch, da er die nach dem Stride-Mord blutverschmierten Klamotten schnellstmöglich vom Leib haben wollte. Hieraus läßt sich ableiten,  dass JtR innerhalb des gelben Ovals auf der Karte im Anhang 2 wohnen muss. Geht man weiterhin davon aus, dass sich  JtR nach dem Schreiben des GSG möglichst schnell (ev. 10 Minuten - ich erinnere mich nicht mehr so genau) nach Hause begeben musste, um nicht während der anschließenden Suche erwischt zu werden, ergibt sich jener rote Kreis in der Karte. Der Wohnort JTRs muss sich also in der Schnittfläche des gelben Ovals und des roten Kreises befinden - was bei Jacob Levy der Fall wäre... Ich erinnere mich, dass sogar diskutiert wurde, ob die Strecke Dutfield's Yard-Mitre Square überhaupt in der vorgegebenen Zeit zu schaffen sei. Daher halte ich 20 Minuten für eine recht gewagte Annahme.

6. Verflixt, ich kann mich jetzt nicht mehr genau dran erinnern, wie Holmes zu dieser Annahme kommt, gehe aber davon aus, dass es die "üblichen" Günde waren: Übung mit dem Messer, anatomisches Wissen, Blutflecken an der Kleidung könnte man erklären... Die Theorie, JtR sei Metzger gewesen, wurde schon öfters diskutiert, unter anderem im Butchers' Row-Thread. Der geneigte Leser mag sein eigenes Urteil fällen.

7. Das mag so gewesen sein. Die verschiedenen Zeugenaussagen sprechen ja durchaus dafür und die Vorstellung von JtR als Cape-und-Zylinder-tragenden Gentleman ist denkbar unsinnig, da man in solch einem Outfit in Whitechapel wohl extrem aufgefallen wäre. Wie aber schon bei den Topics 1 und 2: Als Ausschlußkriterium gibt das nicht viel her.

8. Auch hier bezieht man sich, wie bereits in Topic 4, ausschließlich auf die Aussagen von Lawende und Hyams und lässt alle anderen Zeugenaussagen, die einen größeren Mann beschreiben, außer acht.

9. Hier wird die Sache wieder interessant. Wir erfahren nämlich die Gründe für das GSG und die Organentnahme! Aber der Reihe nach. Jacob Levy wurde von seinem damaligen (jüdischen) Meister des Fleischdiebstahls beschuldigt und verurteilt. Danach sei er innerhalb der jüdischen Community ein Paria gewesen und gemobbt worden. Hieraus resultiere dann sein Hass auf die anderen Juden Whitechapels. Deshalb schrieb Levy das Grafitti in der Goulston Street, wo sein ehemaliger Meister wohnte. Was die Organentnahme angeht... Nun, Jacob war Metzger... Muss ich noch mehr sagen? Und NEIN, Ihr wollt ganz bestimmt nicht wissen, was er mit den Gebärmüttern machte! ...Oder doch? Nun gut, dann lasst es euch bei 5:46 von Holmes himself erklären: http://www.youtube.com/watch?v=y-rhtSqgRt0

10. Das dürfte im Eastend der Regelfall gewesen sein. Und weil er eben so arm war, konnte er sich nur die kostengünstigsten Prostituierten leisten. Dem steht aber dann MJK im Weg, die ja wohl schon eine etwas gehobenere Preisklasse darstellte (jung, hübsch, eigene Wohnung). Auf diesen Widerspruch wird im Game nicht eingegangen. Man könnte ihn damit wegerklären, dass MJK von einem anderen Täter ermordet wurde. Das halte ich aber für sehr unwahrscheinlich.

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Im Casebook-Forum läuft ein Thread namens "Jacob the Ripper" zu Mr. Levy:
http://forum.casebook.org/showthread.php?t=4238

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Personal Note:

Was mir zwar schon vorher theoretisch klar war, mir aber durch das Game noch einmal vor Augen geführt wurde, ist wie entsetzlich dunkel es offenbar z.T. an den Tatorten war. Speziell bei Polly Nicholls und Catherine Eddowes grenzt es schon an ein Wunder, dass JtR sie überhaupt getroffen hat, wenn man die Darstellung im Game zugrunde legt.

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Anhang 1: Beweisführung gegen Jacob Levy am Ende des Games

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: JD am 04.05.2011 11:40 Uhr
Sicherheitshalber (Dateigröße) habe ich die Anhänge mal zweigeteilt. Hier kommen:

Anhang 2: Karte

Anhang 3: Jacob Levy ingame
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: BG Holmes am 29.07.2011 18:55 Uhr
Hey ihr Suchenden

ich war eine lange Zeit nicht aktiv hier und seitdem ist viel passiert bei euch (oder auch nicht).. Ich habe das SH vs. JtR auch gezockt und ich frage mich, ob es jetzt noch jemanden da draußen gibt, dessen Hauptverdächtiger nicht Jacob Hyam Levy ist.

Die meisten von euch werden ja wohl ALLES darüber auf casebook gelesen haben. wenn nicht, dann holt das bitte nach.
Ich denke wir sollten uns nun, nachdem das so vielen als äußerst plausibel erscheint, mit dem WARUM beschäftigen.

Es wurden hier bereits Vergleiche mit ähnlichen Serienmorden getroffen. Der einzige, wirkliche ähnliche Typ Serientäter, den ich JtR zuordnen kann ist der des Peter Norris Dupas. Ein australischer Serienmörder.
Gibt es da draußen einen von euch, der die Geburtsurkunde von Jacob ("Jack") Hyam Levy the butcher ("the Ripper") auffindig machen könnte? oder denkt ihr, er ist eine nachträglich erfundene Figur, die da so gut passt, um von Höherem abzulenken??

PS: habe mir "From Hell" als Comic besorgt. total verstörende Lektüre.. ich verkaufe den Mist für 15€. Super Zustand. Bitte melden, wenn Interesse.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Sindragon am 27.07.2012 18:09 Uhr
Hallo ihr lieben und danke für die Freischaltung :)

Da der Thread mit Jacob Levy ja schon besteht post ich es einfach mal hier dazu :)

Die Infos hab ich hier aus dem Forum, Casebook, Infoseiten über Syphilis, Google und eigenen Vermutungen (z.b. der Zeitraum in dem er sich mit Syphilis angesteckt haben könnte) ^^
Ich hab das ganze mal zusammen gefast und Ausgearbeitet, und wollte mal eure meinung dazu hören.
Durch diese zusammen Fassung und das Ausarbeiten hat sich ergeben das ich Jacob Levy für meinen Hauptverdächtigen Nr.1 halte, wer weis vielleicht sieht das der ein oder andere von euch danach ja auch so :)


Jacob Levy

Geboren 1856, dementsprechendes Alter im Jahre 1888 ist 32. (Was ungefähr auf manche Zeugenaussagen passt)

Eltern Besasen eine Metzgerei in der Middlesex street 111.

Census von 1881 Levy und seine Frau mit 2 Kindern werden mit wohnhaft in der Fieldgate Street 11, Whitechapel aufgeführt. Als Beruf wird Metzger angegeben. (Die Fieldgate Street befindet sich in der nähe der Whitechapel Road, ich werde versuchen eine Karte auf denen die gebiete eingezeichnet sind noch anzuhängen)

1883-1886: Jacob Levy steckt sich bei einer Prostituierten mit Syphilis an, eine damals sehr verbreitete Krankheit. 1881 wird er bereits Verheiratet mit 2 Kindern angegeben. Die Kinder wurden demnach nicht durch die Mutter im Uterus angesteckt. Jacob Levy's Frau hatte Syphilis (es seiden sie hatten zwischen 1883/86-1890 keinen Geschlechtsverkehr und oder Küsten sich nicht, was ich für absolut unwahrscheinlich halte). Syphilis kann sich auch über Küssen übertragen, daraus lässt sich schließe das die Kinder auch Syphilis hatten, wer gibt seinen Kindern nicht ab und an mal einen Kuss vor allem im Kleinkind oder Kindesalter. Wen nicht von Jacob dann von seiner Frau.

10.März 1886: Er wurde zu 12 Monaten haft verurteilt, weil er seinem Meister Sampson(dem die Metzgerei gehörte) zusammen mit Phillips (Freispruch)  und Woolf (4 Monate), Fleisch stahl.

Fassen wir zusammen: Bis zu diesem Zeitpunkt geschah folgendes, Er steckte sich mit Syphilis an, Er infizierte seine Frau, diese wiederum (oder er selbst) infizierte seine Kinder. Syphilis führte damals oftmals zum Tot (Vor allem in solch armen Verhältnissen) also ist er für den Tot seiner ganzen Familie verantwortlich. Er stahl seinem Meister Fleisch und saß im Gefängnis. Das er schon zuvor, durch diese Ereignisse oder durch Syphilis Geisteskrank wurde ist denke ich egal. War er es schon vor diesen Ereignissen wurde es durch die Ereignisse (und Syphilis) nur weiter verstärkt.

5.4. - 19.4. 1886: Er begeht in diesem Zeitraum einen Selbstmord versuch (Er wollte sich erhängen). Ein Wärter merkt wie er öfters dinge vor sich hin murmelt.

21.5.1886: Er wurde im Gefängnis als Geisteskrank erklärt und in das Lunatic Asylum überliefert. Wo er am 3.2.1887 als Geheilt entlassen wird.

3.2.1887: Levy ist Frei.

18.Mai 1888: Levy's Mutter wird beerdigt, sie starb wohl ein paar tage zuvor. Alles kommt wieder hoch, seine Mutter hat er auch noch verloren, seine Familie wird an Syphilis sterben, die er sich bei einer Prostituierten einfing. Kurz darauf beginnen die Morde.

       
7. August 1888: Er tötet Martha Tabram als erstes Opfer, erste Mord und Verstümmelungs Erfahrungen.

31. August 1888: Er tötet Marie Ann Nichols, verstümmelungs versuche steigern sich.

8. September 1888: Er tötet Annnie Chapman, verstümmmelungen steigern sich erneut, das erste mal fehlen Organe ( Geschlechts Organe).

30. September 1888: Er tötet Elizabeth Stride konnte aber nicht mit dem verstümmeln beginnen da er wahrscheinlich von Louis Diemschutz, der mit einem karren und einem Pony die Strase entlang ging, gestört wurde. Wes halb er in der selben nacht eine weitere Frau ermordet.

30. September 1888: Er tötet Catherine Eddowes, in der selben Nacht wo er kurz zu vor Elizabeth Stride ermordete. Bei Catherine Edowes hatte er wieder genügen zeit sie zu Verstümmeln. Gedärme waren heraus genommen Gesicht zerstümmelt, Nase annähernd abgeschnitten, teile der Gebärmutter und die Mutterbänder wurden mit genommen, eine Niere wurde Entfernd und mit genommen. Ein stück der schürze fehlt. Man fand das stück der Schürze in der Goulston Street zusammen mit einer Kreide Nachricht, "Die Juden sind die Menschen, die nicht grundlos beschuldigt werden." Mr. Sampson, der von Levy und den anderen bestohlen wurde worauf hin Levy 12 Monate in den Knast/Lunatic Asylum muste, hatte in der Goulston Street seinen Laden. Vielleicht ein Racheakt an seinem Alten Meister, und er versucht es ihm in die Schuhe zu schieben. Vor dem Mord, um ca. 1:35 Uhr verliesen Joseph Lawende, Harry Harris und Joseph Hyam Levy den Imperial Clup in der Duke Street. An der Ecke zu einer Gase die zum Mitre Square führ, wo Catherine Eddowes ermordet wurde, sehen die 3 Männer eine Frau die sich mit einem Mann unterhielt. Bei en Zeugenaussagen er drei Männer verhielten sie sich sehr zurückhaltend. Joseph Hyam Levy sagte sogar gar nicht aus, wahrscheinlich kannte er Jacob Levy (Den er wohnte 1888 in der Hutchington Street 1, welche nur 60 Yards entfernd sei von der Middlesexstreet 36, wo Jacob Levy laut London Buisnes Directory, eingetragen als Metzger, einen Laden besaß.) oder war sogar mit ihm Verwandt. Bei der Gerichtlichen Untersuchung hingegen sagte er das der Mann ca. 3 Inch Größer war als die Frau. Catherine Eddowes war ca. 5 Fuß groß, der Mann dann also 5 Fuß 3 Inch groß, die Größe von Jacob Levy. (Er wurde in der akte der Nervenheilanstalt Stone in Kent mit dieser größe angegeben)
 

9. November 1888: Er tötet  Mary Jane Kelly. Mary Jane Kelly besaß ein eigenes Zimmer was ihm nur zu gute kam er konnte sie Problemlos töten und verstümmeln, des weiteren hatte er auch genug zeit (etwa 4 Stunden). Um 2 Uhr wurde sie zuletzt gesehen und um 6 Uhr Morgens hörte Mrs. Cox, eine anwohnerin, wie jemand ein Zimmer verlies . Sie ist sich aber nicht sicher ob es Kelly's Zimmer war da sie keine tür zuschlagen hörte. Um 10:45 Uhr wurde die Leiche gefunden. Was einen nur noch größeren Zeitraum ergiebt in dem die tat verübt worden konnte. Mary Jane Kelly wurde auf Brutalste art und weise verstümmelt, da er jezt genug zeit und passende Räumlichkeiten hatte. Sein verstümmelungs drang erreichte den höhe punkt und hier konnte er diesen frei ausleben. Das Herz von Kelly wurde nie Gefunden.
 

9. November 1888 – 15. August 1890: Jacob Levy hatte Syphilis woran er leztendlich auch Starb. In dem Zeitraum nach dem Mord an Mary Jane Kelly könnte sich die krankheit im 3. Staium befunden haben. Das 3. Stadium trit ca. 2-5 Jahre nach der Infektion ein. Gehen wir diesen Zeitraum zurück , hat er sich vermutlich zwischen 1883 und 1886 angesteckt. Im 3. Stadium befällt die Krankheit Herz und Nervensystem. Es treten geschwüre am ganzen Körper auf, in er Haut, Organen, Knochen, Blutgefäsen und Nervensystem. Es kann zu kardiologischen Problemen kommen, Herzinfarkt. Und es können Lebensberohliche Aneurysmen entstehen. Unter diesen umständen wäre er nicht in der lage gewesen weiter zu Morden, sein körperlicher zustand wäre dazu nicht in der lage. Durch hautauschläge wäre er zu dem auch viel zu auffälig.
 

15. August 1890: Jacob Levy wird als Geisteskrank in die Nervenheilanstalt Stone in Kent eingewiesen. Als beruf wurde weiterhin Metzger angegeben. Die Diagnose lautete "Manie" an der er schon seit längerem lit. Seine größe wurde mit 5 Fuss 3 Inch angegeben. Es heist sein Frau hätte, als er in Stone war geäusert: Er habe beinahe ihr Geschäft ruiniert, Er habe auch befürchtet jemandem etwas an zu tun, Er höre geräusche und stimmen, die ihm befehlen und ihn zwingen taten zu begehen, die er nicht mit seinem gewissen vereinbaren kann.
 

29. Juli 1891: Jacob Levy verstirbt am Abend an Syphilis.
 
1892: Die Akte wird Offiziel Geschlossen.



So was haltet ihr davon ? :)


Hier eine Karte, die Midlesex street, Fieldgate street, Duke street und Goulston street sind mit roten kreisen markiert.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 24.06.2013 12:43 Uhr
Im Casebook gibt es gerade Anstaltsaufzeichnungen von Jacob Levy zu sehen:

 http://forum.casebook.org/showthread.php?p=264846#post264846

Zwischen:

Rambling and incoherent talking. Restlessness & insomnia

Attempted suicide by strangling. Shouting, restless & talking at night. Violence. Incessantly talking of imaginary people.


und:

Jacob Levy is now of sound mind and fit for discharge.

liegen Monate.

Man sieht hier das Verhalten von Schizophrenen sehr gut und vor allem auch Phasen der Besserung.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Stordfield am 24.06.2013 16:35 Uhr
Danke Sindragon !

Deine Zusammenfassung ist wirklich Klasse. Ich kann sie sehr gut gebrauchen. JtR sehe ich nicht in dieser Richtung, finde Deine Ausführungen trotzdem äußert interessant. Danke!

Gruß Stordfield
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Stordfield am 24.06.2013 17:19 Uhr
oh, fast vergessen Sindragon:

Mir gefällt es, wenn jemand gleich seine Quellen mitliefert. :good:
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 08.10.2015 22:06 Uhr
Hallo alle zusammen!

Ich war schon vor ein paar Jahren einmal hier, weil mich Thomas Schachners Buch sehr fasziniert hat. Kürzlich habe ich es wieder gelesen und hier im Forum nachgeschaut, ob es interessante neue Aspekte oder Hypothesen zum Ripper-Fall gibt.

Dabei bin ich auf Jacob Levy gestoßen - und fand ihn einen interessanten Verdächtigen, dem m.E. zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird: Er war ein Metzger, der im Zentrum der Morde lebte, bald danach ins Irrenhaus kam und an den Folgen von Syphilis starb.
Insbesondere die Infos aus der Krankenakte fand ich spannend: er schlafe nun nachts nicht mehr, sondern wandere oft für Stunden ziellos umher. Auch befürchte er, jemandem etwas anzutun. Er höre Geräusche und Stimmen, die ihm befehlen und ihn zwingen Taten zu begehen, die er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne.

Aufgrund von Lestrades großen Engagement, Infos zur Kozminski-Hypothese zusammenzutragen, habe ich dann selbst damit begonnen, mithilfe des Buches, dieses Forums und dem Casebook mal alles zusammenzutragen, was ich zu Jacob Levy als möglichem Tatverdächtigen finden konnte, und dies zusammen mit eigenen Überlegungen zu einer Levy-Hypothese zusammengefügt.

Je mehr ich zusammengetragen habe, desto mehr habe ich mich gewundert, warum Levy in der Täterdiskussion bisher eher stiefmütterlich behandelt wurde. Denn m.E. passt Levy viel besser ins Profil als so manch anderer, über den spekuliert wurde (z.B. Sickert, Druitt oder Maybrick).

Daher möchte ich meine Levy-Hypothese im Folgenden mal als Ganzes präsentieren und zur Diskussion stellen.

MfG, Arthur Dent



P.S. Ich bitte im Voraus um Nachsicht bei allen Mitforisten, aus deren Beiträgen ich mich schamlos bedient habe, um das Material zusammenzutragen.  ;)
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 08.10.2015 22:30 Uhr
Jack the Ripper – Tatverdächtiger Jacob Levy


Jacob Levy wurde 1856 als Sohn des Metzgers Joseph Levy im Londoner Eastend geboren, lebte und arbeitete im Viertel und wurde 1890 aufgrund der Folgen einer fortschreitenden Syphilis-Erkrankung in eine Nervenheilanstalt eingewiesen.

Beruf Metzger:
Sowohl im Census als auch im London Business Directory wird als Beruf von Jacob Levy Metzger angegeben.

Für moderne Profiler ist das Töten von Tieren am Anfang der mörderischen Karriere typisch für die Biographie von Serienkillern, ein Metzgerjunge wächst damit auf und kann seine pathologische Veranlagung durch seine Berufswahl zugleich entwickeln, ausleben und kaschieren. 
Angesichts der Art der Verletzungen bei den Opfern gehen Gerichtsmediziner und Polizei damals wie heute davon aus, dass JTR zumindest grundlegende anatomische Kenntnisse besaß und auch bei schlechtem Lichtverhältnissen sicher mit einem Messer umgehen konnte. Kenntnisse über Anatomie und das Zerlegen von Körpern hatten damals vor allem beruflich damit beschäftigte Gruppen wie Chirurgen oder Schlachter - demnach könnte JTR also Metzger gewesen sein. Dies war z.B. die Meinung von Dr. Frederick Gordon Brown, der Catherine Eddowes untersuchte, und auch von Dr. George Bagster Phillips, der Annie Chapman obduzierte.
Die Tatwaffe soll Gerichtsmedizinern zufolge eine lange, schmale, gerade Klinge gehabt haben, wie sie typisch zum professionellen Zerlegen von Körpern ist, z.B. sog. Amputationsmesser von Chirurgen oder ähnliche Metzgerklingen.
Der Kehlenschnitt deutet ebenfalls auf einen Metzger hin, der es gewohnt ist, so das Schlachtvieh zu töten. Das Töten geschah schnell und effizient, die Verstümmelungen wurden post mortem zugefügt und von Opfer zu Opfer umfangreicher - womit das Töten vor allem Mittel zum Zweck, das eigentliche Ziel hingegen offenbar das Eröffnen und Ausweiden des Unterleibs der Opfer war. Organentfernungen unter Zeitdruck und bei sehr schlechten Lichtverhältnissen, ohne sich total mit Blut zu versauen, spricht für Erfahrungen im Schlachterhandwerk.
Ein Indiz dafür ist auch, dass der Ripper seine Opfer i.d.R. bis zur Bewusstlosigkeit bzw. zum Kreislaufkollaps würgte, bevor er das Messer ansetzte. Offenbar wusste er aus Erfahrung, dass ansonsten das Blut aus den Arterien kräftig spritzen würde, es so aber relativ langsam aus den Wunden rann. Dies verhinderte, dass er selber allzusehr vollgeblutet wurde und erleichterte die Entnahme der Organe, die ansonsten in ein Meer von Blut getaucht gewesen wären.


Motiv Syphilis:
Irgendwann im Zeitraum von 1884 bis 1886 muss sich Jacob Levy mit Syphilis angesteckt haben, die dann 1891 als Todesursache diagnostiziert wurde - vermutlich hat er sie sich wie viele Männer bei einer Prostituierten eingefangen.
Der Zeitraum ergibt sich zurückgerechnet aus dem statistischen Verlauf der Erkrankung: Da er im August 1890 in die Nervenheilanstalt City of London Asylum at Stone in Kent eingeliefert wurde, wo er ein Jahr später an den Folgen der Syphilis starb, dürfte die Krankheit spätestens im ersten Halbjahr 1890 in ihr letztes Stadium eingetreten sein, wobei Levy aber schon die beiden Jahre zuvor unter den Auswirkungen der Krankheit gelitten haben dürfte.
 
Die Infektion mit Syphilis durch eine Prostituierte wird von modernen Profilern als plausibles Motiv für die Morde von JTR angesehen: Es erklärt die Wahl der Opfer und die Verstümmelungen im Unterleib.
Darüber hinaus führte unbehandelte Syphilis zu einer chronischen Hirnentzündung; sensitive oder psychische Veränderungen wurden von den Ärzten damals oft beschrieben, so u.a. auch Gewaltausbrüche, eine übermäßige Steigerung der Libido und verschiedene Arten von Wahrnehmungsveränderungen.
Gut möglich, dass der Ripper sich zuerst gar nicht bewusst dafür entschieden hatte, auf Prostituiertenmord zu gehen, sondern dass die erste Tat eine Affekthandlung war, als er zufällig erneut auf eine Prostituierte traf, die ihn an die Überträgerin erinnerte, und seine ganze Wut über die Infektion wieder hochkam. Weil ihm diese erste Tat Befriedigung verschaffte, zog er danach dann regelmäßig los. Somit könnte Martha Tabram sein erstes Opfer gewesen sein, auf die "nur" eingestochen wurde, noch ohne sie auszuweiden (s.u.). 


Auswahl der Opfer:
Es gab weit über 1000 Gelegenheitsprostituierte in Whitechapel, die ohne Schutz durch einen Zuhälter nachts auf den Straßen nach Kunden suchten - und sie waren eine häufige Ansteckungsquelle für Syphilis.

JTR hatte damit nicht nur eine große Auswahl an potentiellen Opfern, Prostituierte vom Straßenstrich sind auch leichte Opfer, weil sie für das Sexgeschäft freiwillig mit fremden Männern an Orte gehen, wo sie mit ihnen allein sind, und dem Mörder damit auch noch unbeabsichtigt helfen, einen geeigneten Tatort zu finden. Eine zeitaufwendige und vor allem riskante Ausspähung und Verfolgung potentieller Opfer ist nicht notwendig, da sie in der Öffentlichkeit auf Freier warten und oft sogar selber auf potentielle Kunden zugehen.


Nähe zu Opfern:
Die Adresse von Jacob Levys Eltern lautete Middlesex Street 111, er selbst war im Jahr der Morde laut London Business Directory von 1888 in der Middlesex Street 36 gemeldet.
Alle kanonischen fünf Opfer von JTR waren verarmte Gelegenheitsprostituierte, die alle in Armenunterkünften in einem kleinen Umkreis nur etwa 300-400 Meter nordöstlich von Levys Adresse übernachteten und in einem fußläufigen Oval um seinen Lebensmittelpunkt herum getötet wurden. Martha Tabrams letzte Adresse war Satchell's Lodging House in der George Street etwa 300 Meter östlich von der der Middlesex Street (s.u.).

Levy ist in der von modernen Profilern ermittelten Comfort Zone von JTRs Aktivitäten aufgewachsen und wohnte auch als Erwachsener noch dort. Er kannte sich also seit Kindertagen bestens in Whitechapel aus, fiel dort nicht auf und wusste sich angemessen zu verhalten.
Sowohl für die zeitgenössischen als auch die modernen Ermittler war JTR mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein Einheimischer mit guter Ortskenntnis, was es ihm ermöglichte, sich schnell und unauffällig zu bewegen und die Polizeistreifen zu meiden, um bei seinen Taten und auf der Flucht nicht erwischt zu werden und relativ schnell von der Straße zu verschwinden.
Als Metzger hatte Levy eine nahegelegene Rückzugsmöglichkeit, die ein Versteck für blutverschmierte Kleidung und Messer bot. Blut an seiner Kleidung und Messer waren wegen seines Berufes alltäglich und erklärbar, nicht schon per se verdächtig. Organe der Opfer konnten unter Metzgerware getarnt werden.
Außerdem bot der traditionelle Petticoat Lane Street Market in der Middlesex Street eine große Auswahl an günstiger Second-Hand-Kleidung zum Wechseln - und dort will der Zeuge George Hutchinson den Verdächtigen vom Kelly-Mord erneut gesehen haben (s.u.).


Verbindung zu Zeugen:
Im Census der Jahre 1851, 1861 und 1871 ist für eben diese Middlesex Street 36 der Metzger Hyam Levy eingetragen, der dort mit seiner Frau Frances und seiner Familie wohnte, 1881 ist dann seine Witwe Frances als Haushaltsvorstand und Metzger eingetragen. Die beiden sind laut Casebook die Eltern jenes Joseph Hyam Levy, der später als Zeuge zum Mord an Catherine Eddowes vernommen wurde. Joseph Hyam Levy arbeitete 1888 selbst als Metzger nur rund 50 Meter von Jacob Levy entfernt in der Hutchinson Street 1, einer Gasse, die in die Middlesex Street mündet.

Mehrere Levys, die sich nicht nur in unmittelbarer Nachbarschaft befanden und der gleichen Branche angehörten, sondern nacheinander auch dieselbe Metzgerei betrieben: Es ist so gut wie sicher, dass sie sich zumindest gekannt haben. Folgt man den Familiendaten des Census, so ein Beitrag im Ripperologist, könnten Jacob und Joseph sogar verwandt gewesen sein. Machte der Zeuge Joseph bei der Vernehmung zum Mordfall Eddowes deshalb so merkwürdige Andeutungen und den Eindruck, er wisse mehr als er zugeben wollte (s.u.)?


Kriminelle Vorgeschichte:
Am 10. März 1886 wird Jacob Levy laut Eintrag beim Central Criminal Court zu 12 Monaten Gefängnis verurteilt, weil er zusammen mit zwei anderen Männern dem Metzgermeister Hyman Sampson Fleisch gestohlen hatte. Als Sampsons Adresse wird im Polizeibericht Middlesex Street 35 genannt, seine Metzgerei lag zwei Jahrzehnte lang in der Parallelstraße Goulston Street 58.

Eine kriminelle Vorgeschichte ist modernen Profilern zufolge typisch für Serienmörder.
Der Ort des Diebstahls liegt zudem in JTRs Comfort Zone, zwischen den Tatorten des Double Event und in der Parallelstraße zu Levys Adresse.
Zudem wurde ein Stück von Eddowes blutverschmiertem Rock in der Tatnacht am Hauseingang des Gebäudes Wentworth Buildings 108-119, Goulston Street, gefunden, unter dem berüchtigten antisemitischen Graffiti (von dem allerdings unklar ist, ob es von JTR stammte).
Falls Jacob Levy der Ripper war, so könnte die Platzierung ein Versuch gewesen sein, die Polizei in die falsche Richtung weiter nach Osten zu lenken - weg von ihm in der Middlesex Street.
Auch Rache an seiner Gemeinde, die sich wegen des Diebstahls von ihm abgewandt hatte, könnte möglich sein, denn laut Superintendent Thomas Arnold wohnten viele Juden dort.


Anzeichen psychischer Instabilität:
Bereits kurz nach seiner Verurteilung begeht Levy im April 1886 einen Selbstmordversuch im Holloway Prison, der jedoch scheitert.
Am 21. Mai 1886 wird er aufgrund des Suizidversuchs und seltsamer Murmeleien für geisteskrank erklärt und in das Essex County Asylum überführt. In den Akten dort wurde festgehalten, er habe gejammert, Irresein sei in seiner Familie erblich, schon sein Bruder habe Selbstmord begangen.
Am 3. Februar 1887 wird Levy dann wieder aus der Anstalt als "geheilt" entlassen.

Offenbar war die Verurteilung so traumatisierend, dass sie zu einem Nervenzusammenbruch führte - vermutlich weil nun sein Ruf in der Gemeinde schwer beschädigt war und die Gefängnisstrafe negative Auswirkungen auf sein Geschäft und seine sozialen Beziehungen hatte.
Diese Entwicklung ist ein deutliches Indiz der beginnenden psychischen Zerrüttung mit der Bereitschaft zu Grenzüberschreitung, kriminellem Verhalten und Gewalt (wenn auch zunächst gegen sich selbst gerichtet).


Möglicher finaler Stressauslöser:
Am 18. Mai 1888 wird Jacob Levys Mutter beerdigt.

Nachdem seine Verurteilung und Einweisung bereits zur Distanzierung seiner Gemeinde geführt haben dürfte, und auch seine Ehe davon und von der Syphilis belastet gewesen sein wird, stirbt nun auch noch eine der wichtigsten Bezugspersonen im Leben eines Menschen.
Für moderne Profiler ist dies ein klassischer Stressauslöser zum Start in eine mörderische Karriere. Ziel der Aggression wird diejenige Gruppe, der der Täter die Verantwortung für sein Schicksal gibt: die Prostituierten von Whitechapel, bei denen er sich mit Syphilis angesteckt hat.


Die Mordserie

Dienstag, 7. August 1888: Martha Tabram im George Yard
Tabram wurde im Treppenhaus des George Yard Buildings 37 vermutlich das erste Opfer von JTR.
Tabram war auf einer Kneipentour mit ihrer Bekannten Mary Ann Connely ("Pearly Poll") und zwei Soldaten. Gegen 0 Uhr trennten sich die Pärchen um Sex zu haben, Connely ging mit dem Corporal zur Angel Alley, und Tabram verschwand mit dem Private in den George Yard.
Gegen 1.40 Uhr stieg das Ehepaar Elizabeth und Joseph Mahoney das Treppenhaus zu ihrem Zimmer hinauf und sah nichts. Auch als Elizabeth Mahoney es kurz darauf wieder durchquerte, um in einem Shop in der Thrawl Street etwas zu Essen zu kaufen, lag Tabram noch nicht da.
Tabram wurde mit einem Stich ins Herz getötet und mit insgesamt 39 Messerstichen in Brust und vor allem Unterleib traktiert. Sie lag auf dem Rücken, ihre Kleider waren hochgeschoben und ihre Beine gespreizt, ebenso wie bei den kanonischen Ripper-Opfern.
Gefunden wurde die Leiche auf dem Absatz des ersten Stocks gegen 4.45 Uhr durch Bewohner John Saunders Reeves, nachdem bereits Bewohner Alfred George Crow gegen 3.30 Uhr Tabram für einen schlafenden Obdachlosen gehalten hatte. Damit muss die Tatzeit zwischen 1.45 Uhr und 3.30 Uhr liegen. Reeves suchte eine Polizeistreife und fand Constable Thomas Barrett auf seiner Runde.

Der Soldat dürfte wohl der Letzte gewesen sein, der Tabram lebend gesehen hat, konnte aber weder von "Pearly Poll" noch von Constable Barrett bei Gegenüberstellungen identifiziert werden, obwohl letzterer auf seiner Streife durch die Wentworth Street gegen 2 Uhr einen Private der Grenadier Guard am Nordende des George Yard stehen sah und ihn ansprach. Der Private sagte dem Polizisten, er warte auf einen Kameraden, der mit einem Mädchen unterwegs sei, darauf ging Barrett weiter seine Streife, bis er drei Stunden später von Reeves zum Tatort gerufen wurde.
Der unbekannte Soldat könnte also den Mord verübt haben, dennoch war er aber wahrscheinlich nicht der Täter: Rund zwei Stunden für Sex mit einer älteren, unattraktiven Prostituierten an einem öffentlich zugänglichen Ort erscheint doch ein ziemlich langer Zeitraum. Wenn sie so lange im Treppenhaus von Nr. 37 gewesen wären, wäre wohl auch das Ehepaar Mahoney oder ein anderer Bewohner auf beide gestoßen.
Zudem hätte ein blutbefleckter Mörder wohl kaum in unmittelbarer Nähe des Tatorts auf seinen Kameraden gewartet und so entspannt auf Polizist Barrett reagiert. Barrett jedenfalls kam nichts an ihm und seinem Verhalten verdächtig vor.
Wahrscheinlicher ist, dass sich Tabram nach 1.45 Uhr noch mit einen anderen Mann - eben dem Ripper - in den George Yard zurückgezogen hat.

Erkenntnissen der modernen Kriminologie zufolge stammt das erste Opfer eines Serientäters oft aus seinem näheren räumlichen Umfeld.
Tabrams letzte bekannte Adresse war Satchell's Lodging House in der George Street, und die Kneipentour endete vor den George Yard Buildings. Levys Heim in der Middlesex Street 36 liegt  nur rund 300 Meter oder etwa 3-4 Minuten Fußweg von beiden Orten entfernt.
Der Profiler William Eckert: "Nachdem der erste Mord geschehen war, in dessen Nähe der Mörder wahrscheinlich lebte, zog er weiter." In diesem Fall in die Buck's Row.


Freitag, 31. August 1888: Marie Ann Nichols in der Buck's Row
Nichols übernachtete zuletzt im White House Nachtasyl in der Flower and Dean Street 56.
Gegen 2.30 Uhr wurde Nichols zuletzt lebend gesehen von ihrer Bekannten Emily Holland an der Ecke Osborn Street / Whitechapel High Street, fast einen Kilometer vom Tatort entfernt, bevor sie betrunken auf der Whitechapel Road weiter Richtung Osten wankte.
Bis ca. 3.20 Uhr kamen nacheinander die Polizisten Neil, Thain und Kirby auf ihren Runden durch die Buck's Row, ohne etwas Verdächtiges zu sehen.
Gegen 3.45 Uhr fanden dann Charles Andrew Cross und Robert Paul auf ihrem Weg zur Arbeit die Leiche von Nichols vor einem verschlossenen Tor (vermutlich hatte der Täter vergeblich versucht, mit ihr in den Hof zu gelangen). Die Tatzeit muss also zwischen 3.20 Uhr und 3.45 Uhr betragen.

Cross war als erster und allein am Tatort, bis Paul kurz darauf dazustieß. Somit könnte Cross der Täter gewesen sein, zumal seine Zeitangaben nicht stimmen können: Er gehe gewöhnlich gegen 3.30 Uhr von zuhause los, sagte er aus, habe diesmal aber sogar früher gegen 3.20 Uhr das Haus verlassen. Von seiner Adresse in der Doveton Street bis zum Tatort brauchte man aber gerade mal 10 Minuten - es fehlt eine ganze Viertelstunde. Zudem liegen alle Tatorte JTRs auf den Wegen zwischen der Wohnung von Cross, seiner Arbeit als Fleisch-Auslieferer in der Broad Street und dem Wohnort seiner Mutter.
Allerdings hätte Cross, als er die Schritte von Paul hörte, einfach nach Westen verschwinden können, ohne erkannt zu werden, statt auf ihn zu warten: Es sind rund 100 Meter vom östlichen Ende der Buck's Row bis zum Tatort und es war noch dunkel. Bis zu den Querstraßen im Westen als Fluchtwege sind es weniger als 50 Meter. Stattdessen wartete er und ging mit Paul einen Polizisten suchen. Außerdem lebte er noch mehr als 30 Jahre nach dem Ende der Morde als unbescholtener und gesunder Bürger weiter. Daher war Cross wohl eher nicht der Ripper.   

Was Jacob Levy betrifft: Der Tatort ist zwar rund 1300 bis 1400 Meter und damit etwa 16-18 Minuten Fußweg von Levys Adresse in der Middlesex Street 36 entfernt.
Aber Nichols übernachtete im White House Nachtasyl in der Flower and Dean Street 56, und trieb sich bis 2.30 Uhr in der Umgebung der Hauptverkehrsader Whitechapel High Street herum, beides nur rund 300 Meter von Levys Adresse entfernt.
Es ist kriminologisch plausibel, dass JTR auf seiner Jagd auch das anonyme Gewimmel der Hauptverkehrsadern Whitechapel Street und Commercial Street nutzte und beobachtete, ob ein potentielles Opfer in ruhigere Nebenstraßen abbog, um ihr dahin zu folgen. Zudem erscheint es vernünftig, diesmal nicht allzu nah beim eigenen Heim zuzuschlagen.

Vielleicht war JTR auch gar nicht auf seine eigenen vier Wände als sichere Zuflucht eingeschränkt, sondern konnte an verschiedenen Orten unauffällig von der Straße verschwinden. Interessant an der Metzger-Theorie ist nämlich, dass sich in der Nähe von mindestens drei Tatorten Schlachthäuser befanden: Zwei Harrison, Barber & Co Slaughterhouses, eines in der Winthrop Street, Parallelstraße zum Tatort Buck´s Row, und im Barber´s Yard nahe Tatort Hanbury Street, sowie ein Schlachthaus in der Harrow Alley, Eingang von der Butcher's Row, Nahe Tatort Mitre Square. Da in diesen auch über Nacht gearbeitet wurde, hätte ein Metzger dort als Einkäufer für sein Geschäft auftreten oder als Schlachter arbeiten können. Das Tragen seiner Arbeitsgeräte und blutverschmierter Arbeitskleidung wäre dort nicht per se verdächtig.


Samstag, 8. September 1888: Annie Chapman in der Hanbury Street
Chapman verbrachte ihre letzten Nächte in der Crossingham's-Unterkunft in der Dorset Street 35.
Gegen 1.50 Uhr verließ sie das Asyl Richtung Norden in die Brushfield Street.
Gegen 5.30 Uhr am frühen Morgen wurde Chapman zum letzten Mal lebend gesehen, und zwar von der Zeugin Elizabeth Long. Unmittelbar vor dem Tatort in der Hanbury Street 29 nur etwa 300 Meter vom Asyl entfernt soll sie laut Longs Aussage mit einem Freier gesprochen haben:
"Willst du?" - "Ja."
Long beschreibt den Verdächtigen wie folgt: Knapp 40 Jahre alt, etwas größer als Chapman, dunkler Mantel und tief ins Gesicht gezogener dunkler Hut, fremdländisches Aussehen.
Etwa zur selben Zeit geht Albert Cadosch aus dem Nachbarhaus Nr. 27 in seinen Hinterhof zur Toilette, als er danach ins Haus zurück will, hört er vom Hof nebenan zunächst ein leises "No" und wenige Minuten später bei seinem Aufbruch zur Arbeit etwas gegen den Zaun stoßen.
Gegen 6 Uhr wurde Chapmans Leiche im Hinterhof vom Bewohner John Davies entdeckt.
Die Tatzeit liegt also zwischen 5.30 Uhr und 6 Uhr, und die Zeugin Long hat damit wohl den Ripper bei Chapman gesehen.

Da die Tatzeit bereits nahe der beginnenden Morgendämmerung und dem wieder einsetzenden "Berufsverkehr" in den Straßen liegt, hatte JTR nicht viel Zeit, aus der Öffentlichkeit zu verschwinden, bevor es richtig hell wurde.
Der Tatort ist rund 700 Meter oder etwa 8-9 Minuten Fußweg von Levys Adresse in der Middlesex Street 36 entfernt.

Interessant ist auch ein bekannt gewordener Zwischenfall im Prince Albert Pub an der Ecke Brushfield Street / Steward Street, etwa 200 Meter westlich vom Tatort:
Am frühen Morgen tauchte laut Aussagen der Inhaberin Mrs. Fiddymont ein Mann auf, dessen Erscheinung Mrs. Fiddymont und ihrer Freundin Mary Chappell Angst machte: Er trug einen dunklen Mantel, hatte seinen Hut tief ins Gesicht gezogen, sein Hemd war gerissen und er hatte offenbar Blutflecken auf seinem rechten Handrücken. Als er bemerkte, dass er kritisch beäugt wurde, drehte er sich weg, trank sein Bier in einem Zug aus und verließ den Pub sofort wieder. Mary Chappell folgte dem Mann in die Brushfield Street, stellte fest, dass er Richtung Westen ging und wies den Passanten Joseph Taylor auf den Mann hin.
Die drei wurden später von der Polizei zu zwei Gegenüberstellungen geladen, aber unter den vorgeführten Verdächtigen erkannten sie den Mann nicht wieder.
Bemerkenswert daran ist, dass nahe der Brushfield Street die Sandy Bow geradewegs zur Middlesex Street hinunter führt.


24. September 1888: Der erste Bekennerbrief
Durch die Grausamkeit der Morde und die Sensationsberichterstattung der Zeitungen nahm die öffentliche Aufmerksamkeit sprunghaft zu und Hysterie breitete sich in Teilen der Bevölkerung aus.  In der Folge davon erreichten Dutzende angebliche Bekennerschreiben die Polizei und die Presse.
Das erste davon war an Polizeichef Sir Charles Warren selbst adressiert, seine Existenz wurde damals geheim gehalten. Es lautete:
"Dear Sir,
ich würde gerne aufgeben, ich befinde mich in einem Albtraum. Ich bin der Mann, der alle diese Morde in den letzten sechs Monaten begangen hat. Mein Name ist (mit der Zeichnung eines Sargs unkenntlich gemacht). Ich bin ein Schlachter und arbeite bei (mit zwei Balken unkenntlich gemacht). I have found the woman I would that is Chapman and I done what I called slautered her (?). Aber wenn jemand kommt, werde ich aufgeben. Aber ich werde nicht von selbst zur (Polizei-)Station gehen. Hochachtungsvoll (mit der Zeichnung eines Sargs unkenntlich gemacht)."
Rückseite:
"Haltet das Viertel sauber, oder ich werde ihm einen Besuch abstatten. (Zeichnung eines Messers) Dies ist das Messer, mit dem ich die Morde begangen habe. Es hat einen schmalen Griff mit einer langen Klinge, beide Seiten scharf."

Die meisten Bekennerbriefe wurden von der Polizei schon damals als geschmacklose Scherze von Trittbrettfahrern abgetan, nur wenige wurden ernst genommen. Selbst die berühmt gewordenen Briefe, in denen der Mörder sich angeblich den Namen "Jack the Ripper" gab (der "Dear Boss"-Brief und die "Saucy Jacky"-Postkarte) werden inzwischen für Fakes gehalten und sollen aus der Feder ebenjenes Sensationsreporters Thomas Bulling von der Central News Agency stammen, welche die Briefe der Polizei übergab.
Jener erste Brief aber erscheint bemerkenswert: Erstens bezeichnet sich der Autor selbst als Schlachter. Zweitens ist er nicht verhöhnend, sondern scheint der Hilferuf eines kranken Menschen zu sein, der in einer tiefen inneren Zerrissenheit gefangen ist - so wie der Zustand Jacob Levys bei der Einlieferung ins Irrenhaus von seiner Frau beschrieben wurde.
Der Satz mit Chapman ist aufgrund seiner Formulierungen und der fehlenden Satzzeichen verwirrend, aber "and I done what I called" könnte bedeuten: "und ich habe getan, was mir befohlen wurde" - was ein Hinweis auf die befehlenden Stimmen sein könnte, die ein Wahnkranker oft hört, und von denen Levys Frau sprach (s.u.).


Sonntag, 30. September 1888: Nacht des Double Event
Mord an Elizabeth Stride in der Berner Street 40/42, etwa 45 Minuten später an Catherine Eddowes auf dem Mitre Square.

Stride übernachtete bis zu ihrem Tod im Armenasyl in der Flower and Dean Street.
Zwischen 0.35 und 0.45 Uhr sahen mehrere Zeugen (Polizist William Smith, Anwohner James Brown, Zeuge Israel Schwartz) Stride mit einem Mann in der Nähe des Berner Street Clubs. Beschrieben wird er übereinstimmend als knapp 1,70 groß, etwa 30 Jahre alt, heller Teint, Schnauzbart, dunkler Mantel und Schirmmütze. Polizist Smith bemerkte zudem ein Päckchen in seiner Hand.
Der aus Norden von der Commercial Road vorbeikommende Israel Schwartz will sogar eine Auseinandersetzung wahrgenommen haben, weswegen er schnell weitergegangen sei, sagte er später der Polizei. Der Mann habe die Frau am Tor zum Dutfields Yard zu Boden geworfen, die Frau habe kurz aufgeschrien. Als er zurückgeblickt habe, sei gerade ein anderer Mann mit einer Pfeife aus dem nahen Pub gekommen und es habe eine kurze verbale Auseinandersetzung mit dem Verdächtigen gegeben, bis der Verdächtige "Lipski" gerufen habe. Da sei der andere auf Schwartz zugegangen und Schwartz sei aus Angst weggelaufen.
Gegen 1 Uhr dann wurde Strides Leiche vom Verwalter des Clubs, Louis Diemschütz, im Torweg des Dutfield Yard neben dem Club gefunden. Im Gegensatz zu den anderen Opfern wurde ihr nur die Kehle durchgeschnitten, aber offenbar wegen der Störung durch die Zeugen keine Verstümmelungen des Unterleibs mehr vorgenommen.

Als plausibelste Interpretation dieser Szene scheinen Schwartz und der Mann mit der Pfeife mitten in den Angriff des Rippers hineingeplatzt zu sein. Weil Schwartz schon auf der Flucht war, als der Pfeifenraucher auf die Straße kam, tat der Mörder offenbar so, als sei er ein unschuldiger Helfer und konnte den anderen Mann mit dem Ausruf "Lipski" davon überzeugen, dass der nach Süden flüchtende Schwartz der Angreifer gewesen sei, so dass "Pipeman" die Verfolgung von Schwartz aufnahm (leider konnte "Pipeman" nie identifiziert werden).
Lipski war ein Jude aus dem Viertel, der 1887 wegen Mordes verurteilt worden war - und sein Name war in antisemitischen Kreisen zum Schimpfwort gegen Juden im allgemeinen und zum Synonym für Mörder im speziellen geworden.
Indem der Mörder den einen Zeugen so auf den anderen hetzte, konnte er vom Tatort (vermutlich über die Batty Street, wo später blutige Wäsche gefunden wurde) schließlich nach Norden in die Commercial Road fliehen. Er wollte angesichts der Beinahe-Entlarvung mit ziemlicher Sicherheit zu seinem Versteck zurück - und in der Richtung, die er einschlug, liegt die Middlesex Street.
Da JTR aber sein eigentliches Ziel - die Verstümmelung - bei Stride nicht mehr umsetzen konnte, suchte er, als er sich wieder sicher fühlte, schließlich ein weiteres Opfer.


Eddowes und ihr Mann John Kelly lebten überwiegend im Armenhaus "Cooney's" in der Flower und Dean Street 55.
Gegen 1 Uhr wurde Eddowes aus der Ausnüchterungszelle der Polizeistation Bishopsgate Street entlassen und ging Richtung Süden, höchstwahrscheinlich die Houndsditch entlang zurück zur Aldgate High Street, wo sie den frühen Abend verbracht hatte.
Gegen 1.30 Uhr checkte Constable Edward Watkins auf Streife den Mitre Square, ohne etwas  Verdächtiges festzustellen.
Etwa um diese Zeit verließen Joseph Lawende, Harry Harris und Joseph Hyam Levy den Imperial Club, Duke Street, schräg gegenüber der Church Passage zum Mitre Square, und sahen einen Mann und eine Frau am Eingang der Passage in einem leisen Gespräch.
Der Zeuge Lawende beschrieb den Mann wie folgt: Etwa 30 Jahre alt, knapp 1,70 Meter groß, blasser Teint, heller Schnauzbart, durchschnittlicher Körperbau, graue Jacke, graue Stoffkappe und rötliches Halstuch, sah wie ein Seemann aus (wobei aber Seemänner selten "blassen Teint" haben).
Gegen 1.38 Uhr ging Constable James Harvey durch die Church Passage und schaute in den dunklen Mitre Square, sah jedoch nichts und kehrte auf seine Runde zurück.
Gegen 1.45 Uhr kam Constable Edward Watkins von der anderen Seite (Mitre Street) wieder durch den Hauptzugang in den Mitre Square und entdeckte beim Herumleuchten mit seiner Lampe die tote Eddowes in einer dunklen Ecke liegen.
Laut Inspector Robert Sagar von der City Police soll ein Polizist (vermutlich Watkins) kurz zuvor gesehen haben, wie ein Mann aus der Mitre Street in östliche Richtung verschwand. Aufgrund der Sichtung dieses Mannes liefen anschließend Polizisten durch Gravel Lane und Stoney Lane, um Hinweise auf den Fluchtweg des Mörders zu finden - dieser Weg führt in die Middlesex Street und weiter in die Goulston Street.
Einer davon war Detective Constable Daniel Halse, der mit zwei Kollegen gegen 1.55 Uhr an der Ecke Houndsditch bei St. Botolph's Church stand und aufgrund der Alarmierung in den Mitre Square kam. Nachdem Halse Instruktionen zur Befragung der Anwohner gegeben hatte, eilte er zuerst in die Middlesex Street und, weil er dort niemanden sah, weiter in die Wentworth Street, wo er zwei Passanten überprüfte. Gegen 2.20 Uhr checkte er die Goulston Street, um nach vergeblicher Suche zum Mitre Square zurückzukehren.
Gegen 2.55 Uhr schließlich fand Constable Alfred Long auf seiner Runde ein Stück der blutigen Schürze von Eddowes im Hauseingang der Wentworth Dwellings 108-119, Goulston Street. Darüber an der Wand stand mit Kreide der Satz: "Die Juden sind die Menschen, die nicht grundlos beschuldigt werden." Long zufolge soll die Schürze auf seiner vorherigen Runde gegen 2.25 Uhr noch nicht dort gelegen haben. Ob das antisemitische Graffiti zuvor schon da gewesen war, wusste er nicht.

War Levy der Ripper, wäre er nach der unterbrochenen Tat an Stride in Richtung der Middlesex Street geflüchtet, um schnell von der Straße verschwinden zu können, dann aber mit oder ohne einen Zwischenstopp zuhause weiter Richtung Westen gezogen, wo er in der Houndsditch oder Duke Street den Weg von Eddowes kreuzte.
Er hätte auch nach dem Mord an Eddowes zuhause einen Zwischenstopp einlegen können, um Blut, Messer, Gebärmutter und Niere loszuwerden und sich umzuziehen, bevor er die Schürze platzieren ging, um eine falsche Spur zu legen.
Die Berner Street ist rund 700 Meter oder etwa 8-9 Minuten Fußweg von Levys Adresse in der Middlesex Street 36 entfernt.
Die Strecke zwischen Berner Street und Mitre Square beträgt rund 1000 Meter oder etwa 12-15 Minuten Fußweg.
Die Strecke zwischen Mitre Square und Middlesex Street 36 beträgt rund 300 Meter oder etwa 3-4 Minuten Fußweg.

Die Strecke vom Mitre Square zur Goulston Street beträgt nur rund 500 Meter oder 6-7 Minuten. Entweder haben die Polizisten Halse und Long die Schürze gegen 2.25 Uhr übersehen, oder JTR hat sich zeitweise in einer Zuflucht versteckt, bevor er sie ablegte. Ein Umweg von rund einer dreiviertel Stunde durch die Straßen voller alarmierter Polizisten ist eher unwahrscheinlich - daher dürfte die Rückzugsmöglichkeit des Rippers in unmittelbarer Nähe gewesen sein. Die Ablage der Schürze würde dann für ein Ablenkungsmanöver von JTR sprechen, das die Ermittler auf eine falsche Fährte locken sollte weiter nach Osten, weg von der Umgebung des Mitre Square und seiner Zuflucht.
Wenn Levy der Ripper war, hätte er damit aufgrund der Erkenntnis, zu nah an seinem Zuhause zugeschlagen zu haben, bewusst die Spur vom Grenzgebiet der City Police, wo er wohnte, weiter nach Osten in das Territorium der Metro Police gelenkt.
Oder vielleicht konnte er auf seiner Flucht auch einfach nicht auf direktem Weg sein Heim in der Middlesex Street 36 erreichen, weil gerade jemand in der Straße unterwegs war, so dass er einen Bogen schlagen musste, um seine Zuflucht unbeobachtet hinten herum zu erreichen.
Die Strecke zwischen den Parallelstraßen Goulston Street und Middlesex Street beträgt außen herum nur rund 200 Meter oder etwa 2-3 Minuten Fußweg - wenn es eine Möglichkeit gab, über die Hinterhöfe zwischen den beiden Gebäudereihen zur anderen Seite zu kommen, sogar ohne gesehen zu werden.

Bemerkenswert ist, dass es am Tatort im Mitre Square sehr dunkel war: Die Streifenpolizisten mussten ihre Lampen verwenden, um in den Ecken überhaupt etwas erkennen zu können. JTR hatte nur etwa 10 Minuten für die Verstümmelungen, die noch umfangreicher als bei den vorherigen Opfern waren. Insbesondere die Entfernung von Gebärmutter und Niere in der Dunkelheit zeugen davon, dass der Ripper offenbar Übung darin hatte, einen Körper schnell mit einem Messer zu zerlegen. Auch dies deutet auf einen Metzger hin, eine Ansicht, die u.a. Dr Frederick Gordon Brown vertrat, der Eddowes Leiche untersuchte.

Merkwürdigerweise taucht in den Berichten über die Coroner-Untersuchung zu Strides Tod der wichtige Zeuge Israel Schwartz gar nicht auf.
Und bei der Coroner-Untersuchung zu Eddowes Tod wurde dem Zeugen Joseph Lawende verboten, den Verdächtigen vor dem Publikum genauer zu beschreiben - offenbar aus ermittlungstaktischen Gründen.
Dies deutet darauf hin, dass die Polizei glaubte, eine heiße Spur zu haben.
Zumal Lawendes Begleiter Joseph Hyam Levy bei der polizeilichen Vernehmung den Eindruck gemacht hatte, mehr zu wissen, als er zugeben wollte. So soll er beim Anblick von Eddowes und dem Mann zu seinen beiden Begleitern gesagt haben, wenn er solche Charaktere sehe, wolle er nicht alleine nach Hause gehen, und man solle den Hof beobachten (!). Als er beim Verhör gefragt wurde, ob er denn Angst gehabt habe, antwortete er kryptisch: nicht wirklich um sich.
Frage: "What was there terrible in their appearance?" - Antwort: "I did not say that." - Frage: "Your fear was rather about yourself?"- Antwort: "Not exactly." (!)


Polizei-Razzia bei Metzgern im Oktober:
Die Polizei führte in den folgenden Wochen (3.-18. Oktober) in der Umgebung des Mitre Square
Haus-zu-Haus-Befragungen durch. Der stellvertretende Polizeipräsident Robert Anderson schrieb, dass man alle Männer des Viertels überprüft habe, die den Zeugenaussagen entsprachen und sich blutbefleckter Kleidung entledigen konnten.
Die Polizei durchsuchte auch 76 Metzgereien und Schlachtereien im Viertel und überprüfte alle Personen, die in den letzten sechs Monaten dort beschäftigt waren, verschiedene Verdächtige wurden unter Beobachtung gestellt.

Interessanterweise folgte nach dem Double Event die längste Pause zwischen den Ripper-Morden von fast sechs Wochen. Ursache dafür könnte der Ermittlungsdruck durch die Behörden gewesen sein, was für die Annahme spricht, dass die Polizei mit der Untersuchung des Metzger-Milieus rund um Aldgate High Street dem Ripper näher kam, so dass er vorerst pausieren musste, bis die polizeilichen Aktivitäten in seinem Umfeld wieder zurückgingen.
 

Freitag, 9. November 1888: Mord an Mary Jane Kelly im Miller's Court
In ihrer letzten Nacht verließ Mary Jane Kelly mehrmals ihr Zimmer im Miller's Court, Dorset Street 26, und kehrte mit verschiedenen Freiern wieder dorthin zurück, nachdem sie den frühen Abend mit ihrem Exfreund Joseph Barnett verbracht hatte.
Gegen 23.45 Uhr sah ihre Nachbarin Mary Ann Cox, wie Kelly mit einem Kunden auf ihr Zimmer ging. Zwischen 0.30 Uhr und 1 Uhr hörten Cox und Nachbarin Catherine Picket sie singen.
Ihre Nachbarin Elisabeth Prater kehrte gegen ein Uhr zurück, wartete erst 20 Minuten vor dem Eingang zum Court auf ihren Freund und ging, als er nicht kam, noch für zehn Minuten in McCarthys Laden nebenan. Gegen 1.30 Uhr stieg sie die Treppen zu ihrem Zimmer direkt über Kellys hinauf, ohne dort Licht zu sehen oder etwas zu hören, und ging zu Bett.
Der Zeuge George Hutchinson, ein Bewohner des Victoria Home in der Commercial Street, ging am 12. November zur Polizei und sagte aus, dass er seine Bekannte Mary Jane Kelly am 9. November gegen 2 Uhr in der Commercial Street getroffen habe.
Kurz darauf sei sie mit einem Kunden an ihm vorbei zurück auf ihr Zimmer gegangen. Weil der Mann sein Gesicht vor ihm habe verbergen wollen, sei er beiden gefolgt und habe rund eine dreiviertel Stunde den Hof beobachtet, jedoch ohne etwas Verdächtiges wahrzunehmen. Gegen 3 Uhr sei er schließlich gegangen.
Hutchinson beschrieb den Mann als etwa Mitte 30, knapp 1,70 Meter groß, blasser Teint, dunkle Augen und Haare, dünner gezwirbelter Schnurrbart, jüdisches Erscheinungsbild, mürrisches Aussehen, dunkler Mantel, dunkler Hut, kleines Päckchen in seiner Hand.
Sarah Lewis, die gegen 2.30 Uhr zu ihrer Bekannten Mrs. Keyler im Miller's Court ging, um dort zu übernachten, sah gegenüber dem Hofeingang einen Mann stehen - dabei handelte es sich vermutlich um Hutchinson.
Zwischen 3.15 Uhr und 3.45 Uhr hörten sowohl Lewis wie auch Elizabeth Prater einen leisen, unterdrückten Schrei vom Hof her: "Mord!"
Gegen 6.15 Uhr hörte Nachbarin Marie Ann Cox Schritte im Hof und sah dort einen Mann Mitte 30 mit dunkler Kleidung (schränkt jedoch ein, es könnte auch ein Polizist gewesen sein).
Gegen 7.30 Uhr klopfte Nachbarin Catherine Picket an Kellys Tür, um sich einen Schal zu leihen, aber nichts regte sich.
Gegen 10.45 Uhr wurde Kellys Leiche von Hausverwalter Thomas Bowyer entdeckt, der die Miete eintreiben sollte.

Theoretisch könnte Hutchinson der Täter gewesen sein, der nach dem Verschwinden des Kunden gegen 3 Uhr selbst zu Kelly ging - nur: warum hätte er dann bei der Polizei auftauchen und sich mit dem Geständnis seines "Stalkings" verdächtig machen sollen? Inspektor Abberline hielt ihn für glaubwürdig.
Plausibel wäre aber, dass der von Hutchinson beschriebene Kunde nach 3 Uhr ging - und dass erst der nächste Besucher Kellys der Ripper war. Dann wäre Hutchinsons Beschreibung unbrauchbar.
Bemerkenswert ist jedoch, dass Hutchinson aussagte, er glaube denselben Mann später noch einmal gesehen zu haben, und zwar am 11. November in der Petticoat Lane / Middlesex Street - wo Levy wohnte und es den Straßenmarkt mit günstiger Second-Hand-Kleidung gab.
Wenn JTR die Person war, die von Cox gegen 6.15 Uhr im Hof bemerkt wurde, muss er beim Verlassen des Tatorts unter Zeitdruck gestanden haben, weil es langsam hell wurde.
Falls Levy der Ripper war: Der Tatort in der Dorset Street 26 ist rund 600 Meter oder nur etwa 7-8 Minuten Fußweg von der Middlesex Street 36 entfernt.

Merkwürdig war nach den Coroner-Untersuchungen zum Double-Event auch die Anhörung im Fall Kelly: Sie wurde im Distrikt Shoreditch vom dort zuständigen Richter vorgenommen und nicht in Whitechapel, mit der seltsamen Begründung, zuständig sei der Ort der Aufbahrung, nicht der Tatort. Sie wurde bereits am 12. November eröffnet, mit sich nicht zuständig fühlenden Geschworenen, in hohem Tempo durchgepeitscht und schon am selben Tag wieder abgeschlossen. Richter Roderick Macdonald sagte: "Wenn die Geschworenen allein zu der Todesursache zu einem Ergebnis kommen, so ist das alles, was sie zu tun haben."
Zeugen oder Beweismittel zur Strafverfolgung sollten nicht weiter öffentlich thematisiert werden - wahrscheinlich aus ermittlungstaktischen Gründen, weil man einen Tatverdächtigen nicht warnen wollte, während er unter Beobachtung stand, um ihn auf frischer Tat stellen zu können.
In H. L. Adam's Serie "The People on Scotland Yard and its Secrets" von 1912 zitiert der Autor  Assistant Commissioner Anderson: "Sir Robert Anderson has assured the writer that the assassin was well known to the police, but unfortunately, in the absence of sufficient legal evidence to justify an arrest, they were unable to take him. It was a case of moral versus legal proof. The only chance the police had, apparently, was to take the miscreant red-handed…"


"Butcher's Row Suspect"
Nach dem Kelly-Mord begann die City Police laut den Aussagen verschiedener Polizisten damit, mehrere Monate lang einen Tatverdächtigen in der Butcher's Row zu observieren.

Butcher's Row war kein offizieller Straßenname, so wurde wegen der vielen Metzger und der dahinter liegenden Schlachterei jener Abschnitt der High Aldgate Street genannt, der an der Einmündung der Middlesex Road liegt, wo Jakob Levy wohnte (sie stellt die Grenze zwischen City of London und Whitechapel sowie zwischen den beiden Polizei-Distrikten dar).

In Zeitungsinterviews sagte Robert Sagar von der City Police Jahre später, dass man nach dem Kelly-Mord einen Metzger unter Beobachtung gestellt habe, der in der Butcher's Row arbeite und von dem man annehme, dass er der Ripper sei, und dass dieser Mann letztendlich von seinen Leuten in ein Irrenhaus eingeliefert worden sei.
Auch Detective Inspector Henry Cox von der City Police wurde Jahre später in einem Zeitungsartikel zu den Observationen zitiert, ohne jedoch Namen zu nennen.
Henry Cox: "The man we suspected was about five feet six inches in height, with short, black, curly hair, and he had a habit of taking late walks abroad. He occupied several shops in the East End, but from time to time he became insane, and was forced to spend a portion of his time in an asylum in Surrey. (...) While the Whitechapel murders were being perpetrated his place of business was in a certain street, and after the last murder I was on duty in this street for nearly three months."

Die Maßnahmen der City Police deuten darauf hin, dass die Indizien und Zeugenaussagen sie in dem Verdacht bekräftigten, es bei JTR mit einem einheimischen Metzger in der Umgebung von Aldgate High Street und Middlesex Street zu tun zu haben
Vielleicht war es sogar Jacob Levy, der beobachtet wurde - aber leider ist eine genaue Adresse und der genaue Zeitraum der Observationen nicht bekannt.
Sowohl Jacob Levy als auch Joseph Hyam Levy sollen aber Geschäftsverbindungen in der Butcher's Row gehabt haben, vermutlich kauften sie auch in der dortigen Schlachterei ein. Levy könnte sogar wegen seines ruinierten eigenen Geschäfts dort oder in einer anderen Metzgerei in der Butcher's Row zeitweise gearbeitet haben.


Mittwoch, 17. Juli 1889: Mord an Alice McKenzie in der Castle Alley
Police Constable Walter Andrews entdeckte gegen 0:50 Uhr in der Castle Alley den leblosen Körper von Alice McKenzie, etwa eine halbe Stunde, nachdem er das letzte Mal auf seiner Runde dort gewesen war. Zeugen der Tat gab es keine. Ihre linke Halsschlagader war durchtrennt, ihr Rock war hochgeschoben und der Unterleib mit einem Messer traktiert worden, allerdings waren die Verletzungen eher oberflächlich.

Die Polizisten und die untersuchenden Ärzte waren uneinig darüber, ob es sich um ein weiteres Ripper-Opfer handelte. Einiges passte ins Schema: McKenzie übernachtete in einem Armenhaus, war rund 40 Jahre alt, Prostituierte und Trinkerin - und wurde im Zentrum von JTRs Aktivitäten getötet. Allerdings wurde ein anderes Messer benutzt, und vermutlich war dieser Täter anders als JTR Linkshänder. Zudem wurde sie nicht gewürgt, es gab keinen vollständigen Kehlenschnitt, die Wunden waren nicht so tief und der Unterleib war nicht ausgeweidet.
Der Täter hätte wahrscheinlich durchaus genug Zeit für weiterreichende Verstümmelungen gehabt, denn er war wohl diesmal nicht gestört worden. Indiz dafür: Obwohl es kurz geregnet hatte, war der Gehweg unter McKenzies Körper trocken, was bedeutet, dass sie wohl schon vor dem Schauer getötet wurde und somit einige Zeit unentdeckt dagelegen hatte. Möglicherweise war es ein Nachahmungstäter, der dem Ripper diesen Mord in die Schuhe schieben wollte.
Falls es doch JTR war, deutet alles darauf hin, dass er nicht mehr auf der Höhe seiner physischen und/oder psychischen Kräfte war - Folgen der fortschreitenden Syphilis?
Auch der große zeitliche Abstand zu den übrigen Taten fällt auf: JTR hatte eine sehr kurze Abkühlphase, so dass längere Pausen wohl nur durch widrige Umstände wie Krankheit, Einweisung oder Ermittlungsdruck der Polizei zu erklären sind.
Falls Levy der Täter war: Der Tatort ist nur 100-200 Meter oder 1-2 Minuten Gehweg von Butcher's Row und Middlesex Street entfernt.


Das Ende

15. August 1890: Einlieferung ins Irrenhaus
Jacob Levy wird als geisteskrank in die Nervenheilanstalt City of London Asylum at Stone in Kent eingeliefert.
In der Krankenakte wird als Einweisungsgrund "Manie" eingetragen, an der er schon seit längerem leide. Er soll bei seiner Einlieferung noch in guter körperlicher Verfassung gewesen sein, seine Größe wird mit knapp 1,70 Meter und sein Gewicht mit 60 Kilo angegeben.
Seine Frau soll den Anstaltsakten zufolge nach der Einweisung gesagt haben, Levy habe beinahe ihr Geschäft ruiniert, früher sei er ein sehr guter Geschäftsmann gewesen. Aber er schlafe nun nachts nicht mehr, sondern wandere oft für Stunden ziellos umher. Auch befürchte er, jemandem etwas anzutun. Er höre Geräusche und Stimmen, die ihm befehlen und ihn zwingen Taten zu begehen, die er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne.
Merwürdigerweise soll sie gesagt haben, dass schon Jacobs Bruder Abraham Selbstmord begangen habe, indem er sich selbst die Kehle durchgeschnitten (!) habe - dabei hat er sich laut Casebook erhängt: Im Mai 1875 nahm sich Jacobs Bruder demnach das Leben, weil er angeblich bei Pferderennen enorme Summen verloren hatte. Einem Zeitungsbericht nach fand Jacob selbst den erhängten Leichnam seines zwei Jahre älteren Bruders.

Dass Levy sein Geschäft vernachlässigte, nachts umherstreifte und zugab, von inneren Stimmen zu schrecklichen Taten getrieben zu werden, ist ein gutes Indiz für eine mögliche Täterschaft.
Dass er auch 1890 noch in guter körperlicher Verfassung war, legt nahe, dass er trotz seiner Erkrankung physisch zu den Morden fähig gewesen wäre.
Das Einlieferungsdatum in die öffentliche Anstalt passt jedenfalls zum Zeitpunkt der angeblichen Identifikation von JTR in einem "Seaside Home" (s.u.), welche von Ripperologen auf Sommer 1890 angesetzt wird, da das Convalescent Police Seaside Home in Hove (bei Brighton) in diesem Jahr eröffnet wurde und in seinen Akten zwei Besucher ohne Namensnennung auftauchen.

Da Levy schon "seit längerem" an seiner Krankheit gelitten hatte, könnte er zuvor bereits in familiärer Betreuung und/oder einer privaten Einrichtung gewesen sein - so wie dies später von hochrangigen Polizisten über den Ripper-Verdächtigen erzählt wurde.
Die Polizei soll laut einem Pressebericht jedenfalls alle privaten Sanatorien überprüft haben:
"The Dublin Express London correspondent on Thursday gave as the latest police theory concerning the Whitechapel murderer, that he has fallen under the strong suspicion of his near relatives, who to avert a terribly family disgrace, may have placed him out of harm's way in safe keeping. As showing that there is a certain amount of credence attached to this story, detectives have recently visited all the registered private lunatic asylums, and made full inquiries as to the inmates recently admitted."
War Jacob Levy der Ripper, würde dies den Zeitraum von eineinhalb Jahren zwischen dem Kelly- Mord und seiner offiziellen Einweisung im August 1890 erklären.
Über Levy ist leider nur bekannt, dass er in Stone eingeliefert wurde, es gibt bisher keine Hinweise auf eine vorübergehende Unterbringung woanders. Jedoch wäre es plausibel, dass sich zunächst seine Angehörigen um ihn kümmerten, bis sich sein Zustand so weit verschlechterte, dass er für sie nicht mehr zu bewältigen war (möglicherweise entzog er sich ihrer Aufsicht und tötete Alice McKenzie), worauf sie ihn unter falschem Namen in ein privates Sanatorium steckten, bevor er von der Polizei entdeckt und identifiziert wurde.

 
Freitag, 13. Februar 1891: Mord an Frances Coles in Swallow Gardens
Carmen Friday und die Brüder Knapton gingen kurz nach 2 Uhr morgens durch die Eisenbahn-Unterführung Swallow Gardens. Sie sahen eine Frau und einen Mann, die an der Ecke der Royal Mint Street standen. Gegen 2:15 Uhr entdeckte Police Constable Ernest Thompson auf seiner Runde unter der Eisenbahnbrücke die Prostituierte Frances Coles mit durchschnittener Kehle.
Verdächtigungen wie im Automn of Terror mit den Gerüchten um "Lether Apron" verbreiteten sich unter den Bewohnern des Eastends, diesmal sollte laut Mundpropaganda ein gewisser "Jacobs" (!) der Mörder gewesen sein (vgl. Timeline des Casebook). Die Justiz klagte später Coles gewalttätigen Freund Thomas Sadler an, der jedoch freigesprochen wurde.

Coles war zwar auch eine Prostituierte, der die Kehle aufgeschlitzt wurde, allerdings wurde sie nicht zuvor gewürgt, sondern einfach zu Boden gerissen, das Messer soll ebenfalls ein anderes gewesen sein - der obduzierende Dr. Phillips hielt jedenfalls JTR nicht für den Täter.
Interessant ist allerdings, dass in gewissen Teilen der Bevölkerung der Name "Jacobs" die Runde machte, was doch sehr nach "Jacob" klingt. Könnten möglicherweise in bestimmten Kreisen Gerüchte über Verdachtsmomente gegen Levy als Ripper durchgesickert sein?


29. Juli 1891: Jacob Levys Tod
Levy stirbt an den Folgen der Syphilis in der Nervenheilanstalt Stone in Kent.
In den Akten steht als Todesursache: "General paralysis of the insane brought on by the serious sexually transmitted disease syphilis".

In ihren Aufzeichnungen nannten die hochrangigen Polizeibeamten Macnaghten und Anderson beide als einen der Hauptverdächtigen im Ripper-Fall einen Juden, der in nächster Nähe zu den Opfern lebte und nach den Morden in eine Irrenanstalt eingewiesen wurde.
Chief Inspektor Swanson schrieb persönliche Anmerkungen in sein Exemplar von Andersons Memoiren, die den grundsätzlichen Sachverhalt bestätigten. Allerdings fügte er noch hinzu, dass der Verdächtige im "Seaside Home" von einem Zeugen erkannt worden sei und es ihm auch bewusst gewesen sei, dass die Polizei ihn identifiziert habe.
Danach habe man ihn vorübergehend zu seinen Verwandten zurückgebracht, wo die Polizei ihn Tag und Nacht beobachtet habe, bevor er dann endgültig in eine Irrenanstalt gebracht worden sei, wo er schon bald verstorben sei. Dies würde erklären, warum die Morde aufhörten.

Damit würde der von Ripperologen in den Anstaltsakten gefundene gewalttätige Irre David Cohen als Verdächtiger ausfallen, denn nach bisherigen Erkenntnissen hatte er keine Verwandten.
Eine weitere Diskrepanz: Die Zeugen beschrieben alle einen Mann mittleren Alters - David Cohen war damals aber erst 23 Jahre alt. Zudem wurde er bereits am 7. Dezember 1888 per Gerichtsbeschluss erst ins Whitechapel-Arbeiterkrankenhaus eingewiesen, und dann wegen seiner Unkontrollierbarkeit am 21. Dezember direkt weiter ins Irrenhaus Colney Hatch, wo er am 20. Oktober 1889 verstorben sein soll - die erste offiziell "Seaside Home" genannte Einrichtung wurde aber erst 1890 eröffnet.
Allerdings vermuten einige Ripperologen, dass "David Cohen" auch ein Alias wie "John Doe" gewesen sein könnte, da es noch andere Namens-Unklarheiten in dem Fall gibt.

Macnaghten und Swanson bezeichneten ihren Verdächtigen als "Kosminski", jedoch enthalten die Erinnerungen der Polizisten nachgewiesenermaßen einige Ungenauigkeiten, so dass sie sich mit dem Namen geirrt haben könnten, denn der in medizinischen Akten gefundene Aaron Kosminski war damals erst 23 Jahre alt und starb erst 1919 in der Anstalt, nicht schon bald nach der Einweisung.
Zudem schrieb Robert Sagar von der City-Police von einem Metzger, der observiert worden war, und Kosminski soll Haarschneider gewesen sein.
Vermutlich wurden einfach die Namen von ein paar verdächtigen Anstaltsinsassen durcheinander geworfen. Der nie an den Ermittlungen beteiligte Mcnaghten schrieb sein internes Memorandum 1894 und veröffentlichte seine Memoiren "Days of My Years" erst 1914 - Jahre nach den Ripper-Morden. Robert Anderson veröffentlichte seine Memoiren "The Lighter Side of My Official Life" erst 1910.

Eine andere plausible Erklärung der Namens-Irritationen könnte im Verhalten der Verwandten des mutmaßlichen Mörders liegen: Wenn er von den Angehörigen zuerst in eine private Anstalt gesteckt wurde, als sie seinem Irrsinn und seiner Gefährlichkeit nicht mehr Herr wurden, wäre es gut nachvollziehbar, dass sie ihn unter einer falschen Identität irgendwo eingewiesen hatten, um ihn und die Familie zu schützen.
Das wäre dann so lange gut gegangen, bis es zur Überprüfung aller neuen Anstalts-Einlieferungen durch die Polizei und der erwähnten Gegenüberstellung mit Identifizierung im "Seaside Home" gekommen war. Die spätere endgültige Einweisung in ein staatliches Institut wäre dann zwar unter dem richtigen Namen erfolgt, aber der falsche könnte immer noch in Polizeikreisen und -Berichten präsent gewesen sein und so zu den Irrtümern geführt haben.

Robert Anderson jedenfalls schrieb in seinen Memoiren: "Die einzige Person, die jemals einen guten Blick auf den Mörder werfen konnte, identifizierte ihn, aber als er erfuhr, dass der Tatverdächtige ein Glaubensbruder war, weigerte er sich, gegen ihn auszusagen."
Swanson bestätigte in seinen privaten Anmerkungen diesen Aspekt.
Bei diesem Zeugen könnte es sich somit um Joseph Hyam Levy, Joseph Lawende (Fall Eddowes) oder Israel Schwartz (Fall Stride) gehandelt haben.

Da Macnaghten schrieb, dass der Verdächtige der Beschreibung jener Person entsprach, die am Mitre Square gesehen wurde, dürfte der Zeuge tatsächlich entweder Joseph Hyam Levy oder Lawende gewesen sein. Joseph Hyam Levy machte bei der Befragung kaum Angaben zum Verdächtigen und gab sich verschlossen, vermittelte aber den Eindruck, als wisse er mehr als er sagen wollte, während Lavende zunächst eine detaillierte Beschreibung abgab. Lawende war ein Handelsreisender aus Dalston, kein Bewohner Whitechapels, und dürfte JTR nicht gekannt haben, so dass er vermutlich bedenkenlos eine erste Aussage machte, zumal er den Mann anfangs für einen Seemann gehalten hatte.
Eine Erklärung für den Rückzieher des Zeugen könnte somit sein, dass Joseph Lawende schließlich von seinem Begleiter Joseph Hyam Jevy bearbeitet worden war, nicht gegen den Glaubensbruder auszusagen, um ein Pogrom gegen die jüdische Gemeinde zu verhindern.
Dass die Polizei tatsächlich die konkrete Möglichkeit sah, über die Zeugen Lawende und Joseph Hyam Levy den Ripper zu überführen, belegt auch die Vorgehsweise bei der öffentlichen Coroner-Untersuchung zu Eddowes Tod, bei der Lawende verboten wurde, den Verdächtigen vor dem Publikum genauer zu beschreiben (s.o.).


1892: Ermittlungs-Ende
Die Akte Jack the Ripper wird von der Polizei offiziell geschlossen.

Dies würde zeitlich besser zu Jacob Levy passen als zu dem in den Memoiren erwähnten Kosminski, da Aaron Kosminski erst lange nach seiner Einweisung und seiner Verlegung nach Leavesden im Jahr 1919 starb. Auch der mögliche Verdächtige Hyam Hyams starb erst am 22. März 1913 in der Colney Hatch Nervenheilanstalt.


Fazit

Die Theorie, dass JTR ein jüdischer Metzger war, der im Irrenhaus endete, erklärt den ansonsten merkwürdigen Schluss im Ripper-Fall: Nach dem Ende der Mordserie laufen die Ermittlungen angeblich ergebnislos aus, die Akte wird geschlossen - aber Jahre später erklären hochrangige Polizisten in ihren Memoiren oder Zeitungsartikeln, der Ripper wäre eigentlich identifiziert worden.

Nach dem Mord an Mary Ann Nichols verdichteten sich im Eastend schnell Gerüchte, dass die Morde von einem Juden mit dem Spitznamen "Leather Apron" verübt worden sein sollten, was so auch in den Zeitungen verbreitet wurde und schon zu ersten antisemitischen Aufwallungen und Kundgebungen führte.
Superintendent Thomas Arnold ordnete daher nach dem Double Event mit Erlaubnis von Polizeichef Charles Warren an, das Goulston Street Graffiti auf der Stelle zu entfernen, explizit aus dem Grund, um mögliche Pogrome gegen Juden zu verhindern. In seinem Bericht vom 9. November 1888 schreibt Arnold: "Ich bitte darum berichten zu dürfen, dass am Morgen des 30. September, dem Letzten, meine Aufmerksamkeit auf eine Aufschrift an der Wand des Eingangs zu Behausungen in der Goulston Street 108, Whitechapel gerichtet wurde, welche aus folgenden Worten bestand: 'Die Juwes sind [nicht] die Menschen, die nicht grundlos beschuldigt werden'.
Ich wusste, dass aufgrund der Verdächtigung eines Juden namens John Pizer, genannt ‚Leather Apron‘, der beschuldigt wurde, den kürzlich in der Hanbury Street verübten Mord begangen zu haben, ein starkes Gefühl gegen die Juden im Allgemeinen aufkam. Da das Gebäude, auf dem sich die Aufschrift befand, mitten in der Lokalität liegt, die hauptsächlich von dieser Religions-gemeinschaft bewohnt wird, war ich besorgt darüber, dass wenn die Aufschrift verbleibt, diese für einen Aufstand verantwortlich sein könnte. Daher habe ich erwogen, dass es wünschenswert sei, sie aufgrund der Tatsache zu entfernen, dass sie sich an einer Stelle befand, die gut von den Menschen einsehbar war, die dort hinein- und hinausgehen."

Falls man den Ripper tatsächlich durch einen Zeugen als jüdischen Metzger identifizierte, hätte die Bekanntgabe demnach zu schrecklichen Übergriffen bis hin zum Pogrom gegen die jüdische Gemeinde in Whitechapel führen können. Denn an die Eröffnung eines Prozesses wäre schon wegen des Gesundheitszustands des Tatverdächtigen nicht zu denken gewesen. Und selbst wenn: Ob die dünnen Beweismittel für eine Verurteilung ausreichend gewesen wären, darf bezweifelt werden - ein Freispruch aus Mangel an Beweisen wäre aber verheerend gewesen.
Wegen der sowieso schon explosiven sozialen Lage, einem weitverbreiteten Antisemitismus und der aufgestauten Wut durch den Ripper-Terror wäre wohl zu erwarten gewesen, dass viele Menschen dann ihre Aggressionen an Sündenböcken ausgelassen hätten.
Die Behörden könnten daher zu dem Schluss gekommen sein, es sei angesichts der explosiven Situation im Eastend sicherer, den todkranken Irren stillschweigend in einer Anstalt verrotten zu lassen und lieber weiter zähneknirschend vor der Öffentlichkeit wie Versager in diesem Fall dazustehen, als eine Katastrophe im Viertel zu riskieren.


Anbei noch eine Karte, die ich mir ausgeliehen und als geographisches Profil entsprechend bearbeitet habe.

Yours truly, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Andromeda1933 am 09.10.2015 11:37 Uhr
Herzlich Willkommen im Forum  :flag_of_truce: und herzlichen Dank für den wirklich sehr lesenswerten Beitrag!
Ich gehöre auch zu denen, die Jakob Levy nicht zur Garde der Verdächtigen zählt, aber bisher fehlten mir auch Informationen, darüber ernsthaft nach zu denken. Unser Forum liegt seit einiger Zeit im Tiefschlaf und nachdem Commissioner Schachner ein Alibi vorlegen konnte, fehlt es uns, bis auf Kosminski, auch an Kandidaten, „Jack the Ripper“ gewesen zu sein.
Ich freue mich auf weitere Beiträge von Dir!
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 09.10.2015 17:49 Uhr
Hello again,

Ja, Jacob Levy ist ein faszinierender "Verdächtiger" und passt meines Erachtens hervorragend in das Bild. Ich habe mich viel mit ihm beschäftigt, einiges davon liegt auch hier im Forum weit verteilt herum.

Meine mich auch zu erinnern, dass sein Bruder Isaac Levy im Nachbargebäude des Model Dwellings in der Goulston Street (Schürzenteil/Graffito) zur Zeit der Morde lebte, also nur einen Eingang weiter.

Ähnlich spannend ist auch noch Hyam Hyams, "The terror of the City of London Police".

Wer weiß, vielleicht war er jemand, den die Polizei tatsächlich unter die Lupe nahm und wir darüber aber nichts wissen.

Beste Grüße,

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 09.10.2015 18:40 Uhr
Hallo Lestrade,

ich finde, du hast da eine tolle Recherchearbeit zu Kozminski geleistet - Respekt!
Das Bild, das sich da ergibt, lässt ihn als guten Verdächtigen erscheinen - viel besser als diese "usual suspects" wie z.B. Druitt, Ostrog, Gull oder Sickert...
Deine Beiträge zu lesen hat in mir erst die Lust geweckt, mal alles, was ich finden konnte, zur Levy-Hypothese zusammenzutragen.

Falls du noch eine Quelle hinsichtlich der Adresse von Jacobs Bruder Isaac kennst, wäre das sehr interessant für mich, ich hatte das nämlich bisher noch nicht auf dem Schirm.
Wobei ich allerdings sagen muss, dass Isaacs Wohnung direkt neben dem Ablageort der Schürze wohl eher ein Indiz GEGEN Jacob wäre: Denn damit hätte er ja die Polizei in die Nähe seines Bruders und damit indirekt auch von sich selbst geführt - es sei denn, er konnte ihn nicht ausstehen und hatte schon länger nichts mehr mit ihm zu tun...  :scratch_one-s_head: 

Gibt es übrigens inzwischen neue Erkenntnisse auf der Suche nach dem Seaside Home bzw. der Insassen privater Sanatorien? Soweit ich gelesen habe, hast du doch zusammen mit britischen Ripperologen nach Hinweisen gesucht.
Wenn ihr dabei vielleicht noch was zu Levy finden würdet, könnte das die klaffende Lücke in seiner Vita bis zu seiner Einweisung 1890 füllen... 

An alle:
Ich bin für konstruktive Kritik an meiner Levy-Hypothese offen: Gibt es irgendwelche Fehler oder Schwachstellen darin? Wem etwas auffällt, der möge es kundtun. Oder hat jemand eine Info, die ich noch nicht drin habe, so wie die von Lestrade?

MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 09.10.2015 20:23 Uhr
Arthur,

Der Census von 1891 zeigt Isaac Levy im Model Dwellings und die Geburt seiner Tochter wird 1888 mit der dortigen Adresse angegeben, schau mal hier in diesem Faden:

http://www.jtrforums.com/showthread.php?t=10323&page=7

Ein Teil der Arbeit bezüglich Anstalten konnte Jeff Leahy mit seiner Partnerin schon abgrasen, weiteres steht noch aus. Seine Partnerin hat erhebliche gesundheitliche Probleme bekommen und so kam es in diesem Sektor zu einem Stopp. Alles andere läuft sehr zufriedenstellend. Wir sind ständig (täglich) in Kontakt und für mich stellt sich eine neue Sichtweise dar, die zwar auf dem hier im Forum stehenden beruht aber noch viel, viel komplexer ist als man erahnen kann. Neubetrachtung der Quellen hieß es und das habe ich für ihn getan und tue es auch immer noch. Daraus ist mittlerweile ein “Buch“ geworden. Finden wir ihn, dann wäre es sicherlich ein Durchbruch und würde die weiteren Arbeiten bestätigen.

Aber hier gilt Jacob Levy. Fehler, Schwachstellen? Würde ich so nicht sagen. Es existieren zu wenige Unterlagen und wie ich vorhin schon sagte, vielleicht kam er in das Visier der Polizei und es gab Aufzeichnungen, die es zu finden gilt, falls überhaupt möglich.

Aber für mich geht er eindeutig in die richtige Richtung, was den Typ des Rippers betrifft.

Ich hoffe, dass sich noch andere in dein Thema mit einklinken werden und dieses Forum wieder belebt wird. Aktuell wird mir die Zeit für hier fehlen aber ich schaue weiterhin jeden Tag rein. Ich hatte hier mal die Familien der Jacob Levy, Joseph Hyam Levy und Hyam Hyams gepostet, Du wirst es über die Suchfunktionen finden. Irgendwann kam es dann eine Korrektur, ich müsste jetzt aber selber erst nachschauen. “Kosminski“ kostet mir seit einiger Zeit einige Stunden am Tag und an bestimmten Stellen muss ich kürzer treten. Ich finde es absolut Top, dass Du hier wieder Leben reinbringst…

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 09.10.2015 20:24 Uhr
Doppel- Posting!
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 11.10.2015 16:12 Uhr
Hallo Lestrade,

danke für die Quelle zu Isaac Levy - wenn ich auch noch nicht weiß, wie ich diese Information für die Levy-Hypothese bewerten soll.
Eddowes Schürze in der Nähe von seinem Bruder abzulegen wäre für Jacob wohl eher ein unkluger Schritt gewesen, da Jacob davon ausgehen musste, dass die Polizei die Anwohner befragen würde und dabei vielleicht auch etwas über ihn hätte herauskommen können - unabhängig davon, wie das Verhältnis zum Bruder nun aussah.
Aber können wir abschätzen, zu welchen Entscheidungen eine das Denken verändernde Syphilis führt?
 
Wir wissen ja auch nicht, aus welchem Grund JTR das Schürzenstück dort zurückließ.

Bestand der ursprüngliche Zweck lediglich darin, sich damit auf der Flucht das Blut von Messer und Händen zu wischen, konnte er es danach überall auf seinem Fluchtweg loswerden.
Wenn der Fetzen von den PCs Halse und Long gegen 2.20 Uhr übersehen wurde, hat JTR ihn vielleicht ein paar Minuten vorher auf der Flucht weggeworfen, weil er mit Abwischen fertig war oder jemand ihm auf der Straße entgegen kam und er damit nicht auffallen wollte. Dann wäre die Ablagestelle einfach Zufall oder der akuten Entdeckungsgefahr geschuldet gewesen.

Aber wenn JTR darin die Organe transportierte, konnte er den Fetzen erst ablegen, nachdem er sie in sein Versteck gebracht hatte.
Dies würde auf ein bewusste Platzierung und in jedem Fall auf eine Zuflucht in der Nähe hindeuten - egal ob der Fetzen vor 2.20 Uhr oder erst danach dort abgelegt wurde: Für beide Fälle sind kurze Wege zur Goulston Street Voraussetzung, denn in den Straßen rannten bald alarmierte Polizisten, und um 2.55 Uhr wurde das Stück dann von PC Long gefunden.

Beide Interpretationen haben ihre Schwächen:
- Dass gleich zwei Polizisten die Schürze gegen 2.20 Uhr übersehen haben, erscheint eher unwahrscheinlich, zumal PC Halse ja bewusst nach Spuren suchte.
- Aber dass der Ripper nochmal sein Versteck mit einem Beweismittel verlassen sollte, nachdem er bereits in Sicherheit war, ist auch so eine Sache, die mir nur mit Veränderungen der Psyche (z.B. durch die Syphilis) zu erklären wäre.
 
Naja, der relativ späte Fund der Schürze ist und bleibt eine Merkwürdigkeit.


Im Zusammenhang mit dem Double Event sind mir übrigens noch zwei Fragen eingefallen:

1) Da gab es die Geschichte von dem Mann, der laut einem Bericht des Star nach dem Stride-Mord einen Verdächtigen in der Church Lane gesehen hat, der in einem Hauseingang saß und sich offenbar die Hände säuberte.
Thomas Schachner schreibt in seinem Buch, die Straße sei eine Parallelstraße zur Berner Street und auf dem Weg zum Mitre Square.
Die Church Lane, die ich auf der Karte finde, ist jedoch keine Parallelstraße, sondern liegt im Dreieck der zusammenlaufenden Whitechapel Road und der Commercial Road (wenn auch tatsächlich auf dem Weg zum Mitre Square).
Die Parallelstraße zur Berner Street ist aber die Backchurch Lane.
Wurde der Mann nun in der Church Lane oder der Backchurch Lane gesehen?

2) Hat sich zur Batty Street Geschichte etwas Neues ergeben? Die Informationen zu der blutigen Wäsche sind doch recht widersprüchlich und es wird mir daraus nicht klar, ob die Wäsche nun von einem Kunden der Mrs. Kuer schon blutig abgegeben wurde, oder ob die Wäsche nicht vielleicht erst später von dem durch die Gasse flüchtenden Mörder als nützliche Gelegenheit wahrgenommen worden sein könnte.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 11.10.2015 17:06 Uhr
Hallo Arthur,

Ich bin überzeugt, dass wir die Fähigkeiten Jack the Rippers nicht überbewerten sollten. Er hatte sicherlich enormes Glück und wenn wir uns Jacob Levy anschauen, dann sehen wir ja auch, dass er erhebliche mentale Probleme hatte. Sie wissen nicht ganz was sie tun und dann ein solches Schürzenteil zu verlieren, neben dem Hauseingang seines Bruders, sollte nicht allzu überraschend sein.

Wir wissen ja, dass die City Police dem Ripper nach dem Mitre Square Mord dicht auf den Fersen war. Via Gravel Lane, Stone Lane und als nächstes kam schon die Goulston Street in Sichtweite und ich denke, dass er sich im dortigen Hauseingang versteckt hatte. Er könnte dabei die Chance genutzt haben, sich zu reinigen und hatte sicherlich nicht damit gerechnet, dass dieser Stofffetzen jemanden interessieren könnte.

Ich bin der Meinung, dass diese Church Lane jene ist, die gegenüber dem Eingang der Osborn Street lag, wie Du erwähnst, an der Whitechapel Road. Es gab einige "Church" Straßen, auch die Cree Church Lane am Mitre Square. Die Church Lane gegenüber Osborn Street passt gut zur Fluchtaktivität des Rippers zwischen Berner Street und Mitre Square.

Die Batty Street Geschichte stellt sich eigentlich so dar, dass ein Schneider aus der Umgebung regelmäßig Wäsche bei Frau Kuer abgab und sie dann auch stets abholte. Das geschah auch Anfang Oktober 1888. Persönlich denke ich, dass dieser Schneider Isaac Abrahams war, der älteste Bruder Aaron Kozminskis aus der Greenfield Street. Ich habe die Hypothese, dass deren Schwester Matilda, die gegenüber Isaac auch in der Greenfield Street wohnte, Aaron´s Sachen einsammelte und diese dann via Isaac bei Frau Kuer landete. Meine Annahme ist, dass Aaron einen Shop an der Brick Lane hatte, wo er tagsüber arbeitete und andere Shops oder Adressen, in denen er nachts aktiv war. Brick Lane wäre dann nahe den Tatorten Hanbury Street and Dorset Street, die Greenfield Street nicht weit von der Bucks Row und ebenfalls nicht weit von der Butchers Row der Mitre Square. Der andere Bruder von Aaron, Woolf, lebte unmittelbar am Tatort Dutfield Yard in der Berner Street und hatte neben diesem Yard in 1881/82 selber gewohnt. Dazu passen auch die Aussagen von Cox, Anderson und Macnaghten.

Mir fiel bei Recherchen auf, dass nach dem Double Event, am 1. Oktober (später am Tag), ein Mann von einem Konstabler nicht weit vom Mitre Square aufgefunden wurde und zur Leman Street Polizeiwache verfrachtet worden ist. Er trug einen violetten Schal (vermutlich mit langen Frauenhaaren darauf) um den Hals und als man den Zeugen Lawende am 30. September 1888/ 1. Oktober 1888 fand, sagte dieser ja aus, dass er einen Mann mit einem roten/ rötlichen Halstuch gesehen haben wollte. Violett sieht bei Dunkelheit vielleicht rötlich aus...

Diese Konstabler ist vielleicht der PC near Mitre Square, den Macnaghten meinte. Ich habe die Vermutung, dass es sich um den gleichen PC handelt, der Eddowes in der Aldagte High Street, gegenüber der Butchers Row, betrunken aufgefunden hatte und Sie mit einem Kollegen Richtung Ausnüchterungszelle brachte. Die Nacht überlebte Eddowes ja nicht... Ich glaube Sims sagte über diesen PC, dass er später über die Leiche stolperte und man konnte immer meinen, er meinte PC Watkins aber vielleicht hatte er das falsch verstanden und meinte den PC, der über die betrunkene Eddowes vor ihrem Tod "gestolpert" war. Jener PC könnte auch der "Watchboy" gewesen sein, der eine Frau mit einem Mann in Richtung Mitre Square gesehen hatte, wobei der Mann kurze Zeit später alleine zurückkam. Sims meinte ja auch, dass der Konstabler "den Polen kurze Zeit später wiedersah"... Der PC der Eddowes fand war PC Robinson von der City Police... ich habe das ganz penibel herausgearbeitet und reiße das hier nur kurz an. Dennoch glaube ich, dass Lawende den Mann nicht identifizieren konnte, dass konnte Schwartz sicherlich auch nicht, denn wenn der Mann, den der Konstabler fand, Kosminski war, dann hatte Schwartz nicht Stride´s Mörder gesehen... auch glaube ich nicht, dass Hutchinson in Kosminski den Mann erkannte, den er mit Kelly gesehen hatte... ich bin mittlerweile wirklich überzeugt, dass der Zeuge im Seaside Home erst im Jahre 1890 gefunden wurde und er aus der Dorset Street stammte...

Beste Grüße, Lestrade.


 
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 11.10.2015 20:44 Uhr
Hallo Lestrade,

ich halte JTR auch nicht für ein kriminelles Genie, sondern für einen Mann, der einfach die nötige "Bauernschläue" eines Menschen hatte, der in einem schwierigen Umfeld aufgewachsen ist und lernen musste, sich dort durchzuschlagen - und dem dazu bei seinen Verbrechen noch eine gute Portion Glück zuhilfe kam.


Meine Interpretation der Batty Street Geschichte (wobei ich im Vergleich zu dir allerdings nur wenig darüber weiß) sah bisher so aus:

JTR wird beim Angriff auf Stride gestört. Er kann zwar Schwartz und Pipeman vorerst loswerden, indem er sie aufeinander hetzt, aber er weiß, er muss jetzt verschwinden. Er schneidet Stride schnell die Kehle durch (ohne Zeitverschwendung durch vorheriges Würgen), damit sie ihn nicht identifizieren kann, und flüchtet durch die enge Passage schräg gegenüber, die durch die Hinterhöfe an Mrs. Kuers Haus vorbei zur Batty Street führt. Dort im Hinterhof sieht er (z.B. bei einem Waschtrog oder an einem offenen Fenster) den Wäschestapel liegen, den ein Kunde abgegeben hat. Er benutzt eines der Kleidungsstücke oder wechselt es gar - denn diesmal hat es ja heftiger gespritzt - bevor er in die Batty Street hinaus tritt. 

Die zentrale Frage ist, ob Mrs. Kuer die Wäsche bereits blutig bekam, oder ob sie erst bei ihr versaut worden ist - und darauf habe ich in den widersprüchlichen Infos im Casebook bisher keine klare Antwort gefunden. Nach allem, was ich bisher gelesen habe, hat sie scheinbar erst einige Zeit nach der Übergabe der Wäsche gemerkt, dass Blut an einem Kleidungsstück war.


Deiner Interpretation nach könnte also Kosminski das Pech gehabt haben, dass seine Angehörigen seine Klamotten am nächsten Tag zur Reinigung mitgenommen haben.
Das wäre zwar möglich, aber m.E. wäre es doch ein sehr großer Zufall, dass die Wäscherin der Familie ausgerechnet direkt gegenüber des letzten Tatorts wohnt.
Was für deine These einer Verbindung sprechen könnte, ist jedoch der von Schwartz ausgesagte "Lipski"-Ruf: Lipski wohnte 1887 doch in der Batty Street. Irgendwoher musste JTR wissen, dass der Lipski-Mord nach einem Jahr in der Gegend noch präsent war und als Ablenkung funktionierte.


Vielleicht interpretieren wir beide auch einfach in die blutige Wäsche zuviel hinein, es ging in der damaligen Zeit recht blutig zu:
Systematischen Unfallschutz gab es noch nicht und Verletzungen bei der Arbeit oder zu anderen Gelegenheiten kamen häufig vor, auch private Schlachtungen von kleinen Nutztieren wie Hühner oder Hasen.
Vielleicht stimmt die harmlose Auflösung im Casebook ja:
"The police then called on Mrs. Kuer and took possession of the shirt and set up surveillance on the house for when the man returned. The matter was considered of considerable importance by Inspector Reid, Inspector Abberline and other senior officers.
The man returned on Saturday, 13 October, and was promptly taken into custody where he was held for about 36 hours until the morning of the 15th. The blood was explained by a friend had who got it on the shirt while cutting his corn. It obviously took quite a while to satisfy the police, but eventually they believed the incident had an innocent explanation."
http://forum.casebook.org/showthread.php?p=339051


Aber deine Kosminski-Recherchen find ich sehr interessant: Wenn die Familie tatsächlich so viele verschiedene Shops im Viertel hatte, konnte Aaron wohl recht flexibel von der Straße verschwinden. Dies würde genau zu der Äußerung von Henry Cox (CID) passen: "He occupied several shops in the East End".
Und diese "Watchboy"-Geschichte kannte ich bisher auch nicht, die muss ich mir mal näher ansehen.
Da habe wohl noch einiges zu lesen.  :good:

MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 11.10.2015 21:36 Uhr
Erinnere dich was Anderson sagte:

"During my absence abroad the Police had made a house-to-house search (es gab zwei, nach Stride/Eddowes und dann vom 3-18 Oktober) for him, investigating the case of every man in the district whose circumstances were such that he could go and come and get rid of his blood-stains in secret".

Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Batty Street Geschichte wahr gewesen ist. Rob House hatte dazu erstklassige Arbeit geleistet und ich habe das damals hier dargestellt:

http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1488.0.html

Beachte aber, dass die Adresse von Woolf Abrahams in der 25 Providence Street damals noch nicht bekannt war. Es sollte mit der Batty Street nicht weniger Zufall gewesen sein als mit der Adresse von Woolf Abrahams in 1881 in der Berner Street neben dem Dutfields Yard als auch mit seiner Adresse in der Providence Street in 1888. Verließ er diese kleine Straße Richtung links, dann sah er den Tatort Stride in der Berner Street und ging er rechts heraus, konnte er in die Batty Street einbiegen. Vielleicht war er auch der Schneider, welcher die Kleidung brachte und dann war Frau Kuer direkt vor seiner Haustür. Greenfield Street lag aber auch nicht weit weg. Hier findest Du zahlreiche Bilder:

http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1648.30.html

Bei Stride könnte es dennoch sein, dass er mit großer Kraft auf den Oberkörper eingewirkt hatte. Es gibt eine Geschichte in der Familie Shine, wo damals ein gewisser Nathan Shine den Ripper gestört haben könnte. Er gab im Prinzip die gleiche Beschreibung wie Schwartz ab mit dem Unterschied, dass der Mann mit einem langen Messer über Stride stand und nach einem Face-To-Face mit Shine den Tatort verließ. In dem Moment haute dann auch Shine ab... Man muss vorsichtig sein, er könnte die Geschichte von Schwartz auch nur weitergesponnen haben oder er war z.B. eben jener "Pipeman". Vielleicht gab er auch nur die Beschreibung von Schwartz aus der Presse weiter und hatte tatsächlich den Ripper gestört. Was mir dabei auffällt ist aber folgende Sache: Den Mann den er sah, bei ihm konnte er Haare unter der Kappe an beiden Seiten vorstehen sehen. Das ist interessant, da Cox von der City Police einen Mann mehrer Monate observierte, welcher lockige Haare hatte...

Ich weiß nicht, was da passiert war aber es ist auch möglich, dass Schwartz als auch BS Man den Ort verließen und Shine einen Moment später in den Dutfields Yard ging und den wahren Täter sah, welcher Stride tötete. Dann war dieser Mann bereits im Dutfields Yard als BS Man Stride vor dem Eingang bedrohte. Oder es war Diemschütz, der am Ende störte... Schwartz sein Mann hatte ein rundes Gesicht und der Mann, den der PC nicht weit vom Mitre Square am 1 Oktober fand hatte ein ausgemergeltes Gesicht... Wie gesagt, es ist möglich, dass Shine sah was er sah aber die Beschreibung ähnelt der von Schwartz, wobei mir dabei auffällt, dass Shine es so hätte von Schwartz nicht wissen können, da der Bericht in der Presse nicht identisch war mit den Polizeiaufzeichnungen. Oder er kannte Schwartz... im Report in der Presse spielte dann bei Schwartz doch plötzlich ein Messer eine Rolle... wer weiß... Und wie gesagt, Woolf lebte einst neben dem Dutfields Yard und somit sicherlich auch Aaron, sie kamen ja zeitgleich aus Polen, Aaron lebte ja mehr bei diesem Bruder als bei den anderen... Der Ripper war ein Gelegenheitskiller und falls er Aaron Kozminski hieß, dann kannte er mit Sicherheit diesen Yard und hätte sich darin aufhalten können als Stride den Hof betrat als sie den BS Man losgeworden war...   



Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 11.10.2015 23:04 Uhr
Hallo Lestrade,

wahrscheinlich stecke ich gedanklich noch zu sehr im Butcher's Row Suspect und damit in der Ecke Aldgate. Du hast natürlich recht, dass Wohnungen von Kosminskis Familienmitgliedern in Greenfield Street und Providence Street es plausibel machen, dass sie ihre Wäsche bei Mrs. Kuer in der Batty Street abgegeben haben.

Das Problem der blutigen Kleidung habe ich bisher eben vor allem unter dem Metzger-Aspekt betrachtet:
Wenn JTR Metzger war, konnte er die Mordkleidung einfach mit der übrigen Arbeitskleidung mitwaschen (lassen). Oder er könnte sie, wenn der Zustand zu schlimm war, im Ofen/Kamin verbrannt und dann auf dem Second-Hand-Markt in der Petticoat Lane günstigen Nachschub gekauft haben.

Die Geschichte von Shine werde ich mir noch näher ansehen, bisher kannte ich den noch nicht.

Aber dank deiner Ausführungen habe ich bereits wegen Eddowes, Aldgate High Street und Watchboy nochmal im Casebook nachgesehen - und in Scott Nelsons Artikel zum Butcher's Row Suspect tatsächlich noch etwas zu meiner Levy-Hypothese gefunden, das mir beim ersten Mal durchgerutscht ist:
Die These schwächelte ja bisher daran, dass von Levy nur sein Aufenthalt in Stone bekannt ist, während von Swanson (allerdings in Bezug auf den Verdächtigen namens Kosminski) Colney Hatch als des Rippers Irrenanstalt ins Spiel gebracht wurde.
Doch laut Researcher Steward Hicks soll Lady Anderson, die Ehefrau von Assistant Commissioner Robert Anderson, sich erinnert haben, JTR sei in einer Anstalt bei Stone gewesen...

MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 12.10.2015 00:23 Uhr
Doch laut Researcher Steward Hicks soll Lady Anderson, die Ehefrau von Assistant Commissioner Robert Anderson, sich erinnert haben, JTR sei in einer Anstalt bei Stone gewesen...

Das ist auch eines dieser Rätsel...

Forscher Steward Hicks hatte seinen Verdächtigen: Dr. John Hewitt

http://www.casebook.org/ripper_media/book_reviews/non-fiction/cjmorley/82.html

Stan Russo über diesen Verdächtigen:

http://www.casebook.org/dissertations/rn-drhewitt.html

Hier schrieb Paul Begg: "It was actually Steward Hicks who said that Lady Anderson once said the Ripper was in an asylum near Stone but he couldn't recall his source."

und Tracy Ianson:

"If memory serves me right Hicks could not state (remember) where he got the information from with regards to Lady Anderson visiting Stone and as far as I am aware it has never been corroborated, so while it is a nice theory so far that is all it seems to be."

http://www.jtrforums.com/showthread.php?t=15522&page=2

Jacob Levy starb im City of London Asylum Stone/ Dartford in Kent.

Scott Nelson schrieb:

"It is curious that the A-Z cites researcher Steward Hicks as stating that Lady Anderson, the wife of Robert, once remembered that the Ripper was interred in an asylum near Stone."

"Interred" also begraben, wurde Jacob dort also auch beerdigt? Ich weiß es gar nicht...

Leavesden, wo Kosminski starb, liegt ja in Hertfordshire und hat keine Verbindung zu Kent. Außerdem wurde Aaron in London begraben, ich meine nicht weit vom (noch) heutigen West Ham United Stadion, auf dem East Ham Friedhof. Colney Hatch grenzt dann auch noch an Hertfordshire...
 
Marc King schrieb über Jacob Levy im Ripporologist 26 und 27 in 1999/2000 lese ich gerade im A-Z, ich meine da war noch einmal was, ich habe die ja und werde mal hineinschauen. Falls Du sie nicht hast, die gibt es ja für Umme...

Es scheint, dass Hicks nicht mehr wusste, wo diese Quelle bezüglich Lady Anderson und Stone zu finden war. Mir geht es ähnlich. Ich las mal einen Bericht über einen jüdischen Kutscher, der Innereien Abfälle im East End sammelte und als verrückt galt und dafür sehr bekannt war. Sie nannten ihn wohl auch "Der verrückte Jude". Seine Route zog sich wohl von Aldgate bis zur Hanbury Street. Denkste ich finde das wieder? Keine Chance bis jetzt.

Gute Nacht...
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 12.10.2015 00:46 Uhr
Danke für die Info, Lestrade!
Schade, solange es keine vernünftige Quelle zu der angeblichen Äußerung gibt, ist sie wertlos...

Gute Nacht

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 12.10.2015 13:32 Uhr
Nun Arthur,

vielleicht wäre es sinnvoll, Steward Hicks noch einmal ausfindig zu machen. Vielleicht ist er in der Lage heute mehr darüber zu sagen. Auch Ripperologen sind über längere Zeiträume inaktiv oder ändern ihre Meinungen...

Das wäre doch wirklich wichtig, falls Lady Agnes das so behauptet hätte. Für Anderson war Kosminski der Täter aber dieser wurde nicht in Stone beigesetzt, eher dann wohl Levy, zumindest war er in der dortigen Anstalt und verstarb auch dort (Kosminski starb ja eh erst in 1919). Man weiß natürlich nicht, wann das Lady Agnes erfahren hatte und wieviele Verdächtige Anderson in petto gehabt hat. Wie gesagt, mich würde es nicht wundern, wenn Jacob Levy tatsächlich ein Verdächtiger im Fall gewesen war...

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 13.10.2015 17:22 Uhr
Hallo zusammen, Hi Lestrade!

Ich habe mir jetzt einiges zur Batty Street Geschichte durchgelesen und muss feststellen, dass ich sie bisher recht stiefmütterlich behandelt hatte. Nun ja, ich bin ja auch nur ein interessierter Anfänger im Ripper-Fall.

Aber sag mal, Lestrade, hat Anderson tatsächlich irgendwo einmal explizit Kosminski als Verdächtigen genannt? Soweit ich weiß, hat er doch in seinen Memoiren auf Namensnennung bewusst verzichtet, und es war erst Swanson, der in seinen Anmerkungen dazu schrieb, der Verdächtige sei Kosminski gewesen. Damit wäre er lediglich Swansons Interpretation der Textstelle bzw. Swansons Ansicht dazu - und muss nicht unbedingt Andersons Meinung entsprochen haben.
 :scratch_one-s_head:
 

Was die "Ripper in Stone" Story angeht, so konnte ich dazu bisher leider in der Tat nicht viel mehr eruieren, und bei Hicks kann man bedauerlicherweise nicht mehr nachfragen:

Leider wird schon 2008 bei einer Diskussion im Casebook angemerkt, dass Hicks verstorben sei und die entsprechende Quelle für die Lady Anderson Geschichte nicht mehr aufzufinden sei:
"The claim was made by Steward Hicks, now deceased, and the source seems to be untraceable [A-Z, 1996 edn, p. 162]."
wie "chris" am 09-26-2008, 05:59 PM schrieb.

Im Thread erwähnt "dougie" am 09-26-2008, 04:19 PM allerdings, es gebe in der Gegend eine mündliche Überlieferung, dass der Ripper in Stone eingesperrt gewesen sei:
"I lived in Dartford Kent for several years,and Stone house mental hospital ,just outside dartford , has its own oral history regarding the 'fact' that jack the ripper had been confined there at some time..."

http://forum.casebook.org/archive/index.php/t-1455.html

Bisher offenbar also nicht mehr als eine Legende - wer weiß, bei wie vielen Irrenanstalten ähnliche Gruselgeschichten die Runde mach(t)en.
So ist das mit Schauermärchen: Die einen enthalten einen wahren Kern, die anderen sind frei erfunden und halten sich trotzdem über Generationen. Die Schwierigkeit besteht nur darin rauszufinden, welcher Kategorie jene nun angehört...
  :unknown:

MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 13.10.2015 18:47 Uhr
Hey Arthur,

Ja, da gab es auch noch eine Anstalt, welche:

…had a door on which was scrawled graffito 'Jack the Ripper's Room.' The room was supposed to be slightly below ground level and illuminated mainly by daylight through a grille in the ceiling.

Eine Lady aus Ascot hatte das erzählt, da ihr Vater wohl in jener Nervenklinik Regie führte. Man geht davon aus, dass es sich um das Holloway Asylum in Virgina Water, Surrey handelte.

Da gab es, wie bei Levy und Stone, tatsächlich einst einen Verdächtigen, nämlich John Sanders. Keine Ahnung ob er damit gemeint war oder jemand anderes. Jeff Leahy und ich setzten unser Augenmerk zunächst genau auf diese Anstalt, dem Holloway Sanatorium in Virgina Water in Surrey. Es war ja auch Detective Cox von der City Police, der angab, dass sein Verdächtiger bestimmte Zeiten in einer Anstalt in Surrey verbrachte. Außerdem hatte diese Anstalt in Surrey ein Seaside Home in Brighton, das man eben zeitweise (oder auch ganz) im Jahr für die Patienten nutzte:

"In June 1891 the Committee of the Sanatorium (Holloway) purchased Hove Villa, with 2 acres of grounds, in Brighton..."

Eröffnung dann im October 1891 aber eben 1891 und nicht 1890. Davor hatten sie ein Seaside Home in Poole. In Brighton gab es neben dem Polizei Seaside Home auch noch ein Jüdisches Seaside Home. Alle lagen dort dicht beieinander. Nun ist es natürlich möglich, dass die Seaside Home ID in Poole stattfand aber vielleicht auch schon in Brighton, bevor die Anstalt das Haus kaufte, ich weiß es nicht. Ich vermutete eigentlich, dass diese Sommerresidenzen nur so von Mai- September/Oktober genutzt wurden. Beim nachlesen entdecke ich jetzt jedoch: “The first patients arrived in October 1891.“

Das muss aber nicht bedeuten, dass dort zu diesen Zeiten High Life herrschte. Gut möglich, dass der Patientenbesatz in den Sommermonaten höher war. Es ist jedenfalls klar, dass solche Anstalten Seaside Homes führten und somit muss zwangsläufig nicht das Polizei Seaside Home in Brighton gemeint sein. Nutzte Holloway schon in der zweiten Hälfte von 1890 ein Seaside Home in Brighton, so hätte man allerdings einen Insassen dort per Fuß zum Polizei Seaside Home bringen können. Vielleicht hatte Holloway schon 1890 einen Draht zu ihrem späteren Seaside Home in Brighton oder aber waren in Kontakt mit dem schon vorhandenen Polizei Seaside Home dort. Oder aber, ein Verdächtiger wurde von der Holloway Anstalt in Surrey nicht nach Poole, sondern “versehentlich“ nach Brighton gebracht. Man kann viel spekulieren. Keine Ahnung…

In Holloway fehlen jedoch Unterlagen, für männliche Insassen im relevanten Zeitraum. Ich müsste nachschauen, wie weit wir kamen… ist jetzt schon eine Weile her…

Also diese Schauergeschichten könnten ein Stückchen Wahrheit enthalten…

Zu Anderson und Swanson: Gerade bin ich mir nicht sicher aber es wäre möglich, dass Abberline Swanson das Buch von Anderson schenkte. Swanson machte sich zu bestimmten Dingen im Buch Anmerkungen. Mein Eindruck ist, dass er Anderson in einigen Dingen “verbesserte“. Zu dem Briefeschreiber merkte er an, dass dieser der Führung von Scotland Yard bekannt war, er machte weitere Angaben zum Jüdischen Zeugen und nähere Angaben über die Identifikation und er benannte den Verdächtigen von Anderson mit Kosminski. Ich denke, wir sollten davon ausgehen, dass auch Anderson Kosminski meinte.

Zu Hicks: Ich dachte schon beim schreiben, hoffentlich lebt er noch und dann das… da erfahren wir nun leider nichts mehr. Danke für deine Aufklärung, ich habe nur das Complete A-Z in einer Ausgabe von 2010.

Beste Grüße an Dich, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 14.10.2015 19:18 Uhr
Hallo Lestrade!

Dass Surrey selbst ein Seaside Home hatte, ist ja eine äußerst interessante Info! Könnte das zu einem grundlegenden Durchbruch führen?
Wenn dies das nämliche wäre, dann würde die Seaside Home Geschichte endlich etwas schlüssiger, denn einen Verdächtigen extra für eine Gegenüberstellung in so eine Einrichtung zu verfrachten, erschien ja immer etwas unnötig umständlich und erklärungsbedürftig.
Aber wenn der Verdächtige schon in der Institution selbst war, und nur an einen anderen Ort derselben Einrichtung gebracht wurde, z.B. um die Gegenüberstellung dort in Ruhe und Abgeschiedenheit durchzuführen ohne Aufmerksamkeit zu erregen, wäre das viel plausibler.

Die Frage wäre also jetzt: Kann man irgendwo in den erhalten gebliebenen Unterlagen von Surrey zu einem solchen Vorgang etwas finden? Vielleicht sogar mit einem uns bekannten Namen?
Ist da jemand der englischen Ripperologen aktuell dran?


Was den Punkt zu dem Namen "Kosminski" des Verdächtigen in den Memoiren und dem Memorandum angeht:

Dass Macnaghten nicht besonders viel Ahnung vom Ripper-Fall hatte, darüber dürften wir uns wohl beide einig sein. Macnaghten war erstens nie selbst in den Fall eingebunden, und scheint zweitens ja auch nicht gerade eine große kriminalistische Leuchte gewesen sein.
Höchstwahrscheinlich hat sich der auf der Verwaltungsebene befindliche Macnaghten die Informationen für sein Memorandum daher entweder von Anderson oder Swanson zusammenstellen lassen, und der Name Kosminski dürfte wohl durch einen der beiden dort hinein geraten sein - ich bin mir nur noch nicht klar von wem, und aus welchem Grund.
Wenn die Infos an Macnaghten von dem leitenden Ermittler Swanson stammten, hat der ebenfalls auf der administrativen Ebene stehende Anderson vielleicht selbst nur eine durch Macnaghten offiziell abgesegnete Position seines Chefs und damit der Behörde in seine Memoiren übernommen, ohne dass er persönlich dieser Meinung gewesen sein müsste - dafür aber seine persönliche Meinung mit seiner Frau geteilt (Ende der Spekulation zum Lady Anderson-Gerücht).

Wieviel Macnaghten nun tatsächlich von seinen Ermittlern eins zu eins übernommen hat oder wieviel an eigenen Schlussfolgerungen und Interpretationen zu den genannten Verdächtigen im Memorandum steckt, kann ich nur schwer einzuschätzen.
Das Unerfreuliche für uns heute ist ja, dass in Macnaghtens drei bekannten Versionen des Memorandums noch nicht einmal die Daten zu seinem "Topverdächtigen" Druitt übereingestimmt haben - was für mich ein Indiz dafür ist, dass Macnaghten etwas schlampig in seinem Job war, und/oder dass seine Untergebenen ihn nicht ernst nahmen bzw. nicht leiden konnten und ihn deshalb nicht anständig mit Fakten fütterten, womöglich um ihn mithilfe seiner eigenen Inkompetenz zu demontieren.

Die Infos darüber, dass ein gewisser Verdächtiger überwacht wurde, der offenbar "insane in the brain" war und in einer Anstalt landete, stammen allerdings unabhängig voneinander von mehreren Polizisten, die an den Ermittlungen unmittelbar beteiligt waren - daher halte ich diese Infos für valider als die Namensnennung, die möglicherweise nur auf eine einzige Quelle zurückgeht.
Erschwerend kommt ja noch hinzu, dass in der jüdischen Gemeinde ein Namenswechsel aus verschiedenen Gründen gang und gäbe war.

Worauf ich hinaus will: Wenn es diese Unklarheiten nicht gäbe, könnten wir die Täterdiskussion praktisch darauf konzentrieren, weitere Quellen und Indizien in Bezug auf einen "Kosminski" als Ripper zu suchen, weil sowohl der Polizeichef als auch der leitende Ermittler ihn genannt haben.
Aber durch die Ungereimtheiten bleibt die Namensnennung eben leider nur ein Indiz unter anderen, und man müsste auch überprüfen, auf welche andere Personen die bekannten Beweise und Indizien rund um die Taten ebenfalls zutreffen könnten.
Für mich ist und bleibt Aaron Kosminski angesichts dessen, was inzwischen über ihn ausgegraben wurde, zwar einer der besten Verdächtigen - ein viel besserer z.B. als Druitt. Aber ich fände es nachlässig, nicht auch weiter den Faden der anderen "guten" Verdächtigen zu verfolgen.
Zu dem "schon seit längerem" unter den Folgen der Syphilis leidenden Jacob Levy z.B. gibt es auch noch diese Lücke bis zur Einweisung in Stone.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 14.10.2015 22:03 Uhr
Arthur,

Habe dir eben eine Menge geschrieben, ausgeschnitten, nicht eingefügt, was anderes kopiert, Datei geschlossen… alles weg… das hat Spaß gemacht…

Daher nun eine Kurzversion:

Macnaghten war ein guter Beamter (nach intensiven Studium Erkenntnis erlangt)
Als er seinen Posten übernahm, Kosminski war in einer oder seiner Anstalt
Er informierte sich oder wurde von anderen über Kosminski informiert
Keine Ahnung ob er zu den Heads gehörte, die Swanson im Buch von Anderson erwähnte, als es um den Briefeschreiber ging, “known tot he heads of Scotland Yard“
Macnaghten sagte, dass nie jemand den Ripper sah, d.h. Lawende, Schwartz und Hutchinson etc. konnten niemanden identifizieren, Lawende sagte ja selber, er war zu weit weg und hatte nur einen kurzen Blick auf den Mann, Astrachan Mann (Hutchinson) könnte auch der vorletzte Freier gewesen sein, der Angreifer von Schwartz nicht der Ripper. Lawende stand aber dem Ripper gegenüber…
Neulich gelesen, dass die Polizei noch ordentlich Dampf machte im Ripper Fall im Oktober 1890
Möglicherweise einen neuen Zeugen gefunden, vielleicht auch schon vor Oktober 1890, dieser war der Seaside Home Zeuge
Denke daran, es gab nach dem Double Event eine riesige Ermittlung bezüglich Befragungen aber nicht nach Kelly
Vielleicht später einen Zeugen vom Kaliber eines Mannes wie Lawende gefunden, dann wohl aus dem Kelly Fall. ID im Seaside Home dann auf jeden Fall geheim
Wenn, war das ein Riesending und vielleicht wieder nur den Heads of SY bekannt
Vielleicht hörte Macnaghten dazu, vielleicht nicht oder sie erzählten ihm nur: Nö, wieder nicht geklappt, hat ihn auch nicht erkannt. Wer weiß
Kripobeamten Swanson (MET), Cox and Sagar (beide City Police) überzeugt, dass Kosminski der Ripper war, auch der Vorgesetzte Anderson (MET), Macnaghten: many circumstances

Wenn wir heute alles sehen könnten, was die Polizei über Kosminski in Erfahrung brachte, dann würde wohl fast alle sagen: Puh, sieht nicht gut aus für ihn.
Problem war, dass kein bekannter Zeuge Kosminski identifizieren konnte, erst recht spät ein unbekannter Zeuge aber der zog zurück, warum auch immer, muss nicht nur die jüdische Konstellation der Grund gewesen sein. Beispiel: Zeuge sah Kosminski um 6 Uhr am 9. November im Miller´s Court aber ihre Leiche wird erst über 4 Stunden später gefunden. Komische Situation für diesen Zeugen, diesem Mann dem Galgen zu überlassen. Die Polizei hatte natürlich noch andere Beweise, den PC vom Mitre Square : Ich glaube er war es, ich sah nicht sein Gesicht aber vom Typ her + blutige Wäsche + Verdacht durch die eigene Schwester + gesehen noch an anderen Tatorten aber ohne mit späteren Opfern…

Überzeugt, dass Kosminski echt schwer belastet war, der Whitechapel Mörder Jack the Ripper gewesen zu sein. Einige Beamten könnten ganz fest daran geglaubt haben (Swanson, Cox, Sagar, Anderson, Macnaghten könnte ins Boxhorn gejagt worden sein, Kollegen sind ja manchmal eine echte Scheiße und so wurde es bei ihm, aus Trotz, Druitt)

Jacob Levy aber ähnlicher Typ wie Kosminski
Auch möglich, dass Jacob Levy ein Verdächtiger war, also er untersucht wurde, wenn dem so, dann wäre das ein Stück Jack the Ripper Geschichte, die ich absolut spannend finden würde.

Ripperologe Jeff Leahy und seine Frau Catrin kümmern sich um die Anstaltsdinge, ob andere, weiß ich nicht. Wird uns wohl auch niemand erzählen
Wir erfinden nichts Neues, betrachten nur alles neu. Kommt bei einigen Ripperologen auch an, wir sind zufrieden.

Sorry Arthur, dass es nur Steno gibt aber nach meinem Fauxpas fehlte mir die Zeit für ein nochmaliges Formulieren. Bitte um Vergebung.

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 17.10.2015 17:12 Uhr
Hallo Lestrade,

da bin ich ja froh, dass ich nicht der einzige bin, dem solche Missgeschicke passieren. Nachdem mir früher in anderen Foren/Kommentarbereichen auch schon mal Posts verlorengingen, weil es beim Speichern abschmierte, schreibe ich meine Texte inzwischen offline vor und mache dann copy&paste. (Ich habe übrigens so meine Probleme damit, hier einzelne Zitate aus einem früheren Post einzufügen, es wird immer der komplette O-Text des Vorposters eingefügt... Was mache ich falsch?)


Zum Fall Macnaghten-Memorandum:
 
Ob Macnaghten ansonsten ein guter Beamter war, kann ich nicht beurteilen. Meine Schlussfolgerung ergibt sich aus seinem Memorandum, und das strotzt wie du weißt vor Fehlern und Ungenauigkeiten.
Wenn jemand zwei Jahrzehnte später als Privatmann seine Memoiren schreibt und sich dabei nicht mehr korrekt an alles erinnern kann, ist das verständlich und nachvollziehbar.
Wenn aber der Leiter einer Behörde ein offizielles Dokument für den Dienstgebrauch erstellt - es ging ja darum, angesichts der Cutbush-Verdächtigungen in der "Sun" die Polizei intern auf eine Linie zu bringen - dann sollte es eigentlich nicht so fehlerbehaftet sein, schließlich standen ihm für das Abfassen die notwendigen Dokumente und fallkundigen Mitarbeiter zur Verfügung.


Hier ein paar Beispiele dafür (die du ja sicher auch kennst):

"Bezugnehmend auf den Doppelmord welcher am 30. September begangen wurde, gibt es keinen Zweifel, dass der Mann von einigen Juden gestört wurde, die auf dem Weg in einen Club waren (in der Nähe wo der Körper von Elizabeth Stride gefunden wurde)"
Dies ist nicht korrekt: es waren nicht "einige auf dem Weg in einen Club", es gab Diemschütz auf dem Weg in den Hof, ansonsten gab es Schwartz, der aber nur vorbeiging.

"Niemand sah jemals den Whitechapel Mörder"
Auch nicht ganz korrekt: Einige Zeugen sahen einen Mann mit den Opfern unmittelbar vor den Morden, er konnte nur nicht offiziell identifiziert werden.

"ein Doktor, der aus einer angesehenen Familie stammt. Er verschwand zur Zeit des Mordes im Miller's Court"
Stimmt ebenfalls nicht: Druitt war Lehrer, und er verschwand nicht zur Zeit des Mordes, sondern erst Anfang Dezember.

"Der Körper von Martha Tabram (...) war mehrmals durchbohrt worden, vermutlich mit einem Bayonet."
Ebenfalls nicht korrekt: Nur die Herzwunde sah so aus, als sei sie mit etwas anderem, stabilerem als einem normalen Messer verursacht worden.

"Diese Frau war am frühen Abend zusammen mit einer befreundeten Prostituierten in Begleitung von 2 Soldaten gewesen: diese Männer wurden verhaftet, aber die zweite Prostituierte versagte, oder weigerte sich, diese zu identifizieren und die Soldaten wurden letztendlich freigelassen."
Ebenfalls nicht korrekt: es gab Gegenüberstellungen in den Kasernen, aber kein Soldat wurde verhaftet und wieder freigelassen.


Also entweder war Macnaghten schlampig bei diesem Memorandum, oder sein Zuarbeiter hat ihm fehlerhafte Info untergeschoben - aus welchen Gründen auch immer. Jedenfalls betrachte ich die Infos darin deshalb mit Vorsicht.

Was nicht heißt, dass der Name "Kosminski" falsch sein muss, sondern nur, dass man eine gewisse Skepsis gegenüber dem Namen bewahren sollte - zumal nach bisherigen Erkenntnissen kein Kosminski im Frühjahr 1889 in eine Anstalt eingeliefert wurde, und wir von Aaron Kosminski erst von seiner Einweisung 1891 nach Colney Hatch wissen.

Was ich mich allerdings schon seit längeren frage: Könnte die Verlegung von Kosminski von Colney Hatch nach Leavasden im April 1894 vielleicht eine Folge der Erwähnung im Memorandum gewesen sein?


Aber was mich vor allem interessieren würde: Du hast nun mehrmals angedeutet, dass du eine These zu dem ominösen Zeugen bei der Indentifizierung im Seaside Home hättest.
Willst du die Katze noch nicht aus dem Sack lassen, weil du da noch etwas Größeres dazu ausarbeitest?

MfG, Arthur Dent



P.S. Ich hänge nicht am Tatverdacht gegen Jacob Levy - ich finde ihn nur einen besseren Verdächtigen als die meisten der "Klassiker".
Ich wollte an Levys Beispiel ein Profil erstellen, um mal hier wieder eine Diskussion zu entfachen und vielleicht den ein oder anderen zu ermuntern, auch mal ein Gesamtbild anderer guter Verdächtiger zusammenzustellen, so dass wir eine Übersicht über die Verdächtigen-Profile bekommen (gewissermaßen eine erweiterte Version von Thomas Schachners Übersicht).
Leider sind wir beiden hier immer noch etwas einsam unterwegs...
 :cray:
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 17.10.2015 19:21 Uhr
Hallo Arthur,

Hallo Lestrade,

da bin ich ja froh, dass ich nicht der einzige bin, dem solche Missgeschicke passieren. Nachdem mir früher in anderen Foren/Kommentarbereichen auch schon mal Posts verlorengingen, weil es beim Speichern abschmierte, schreibe ich meine Texte inzwischen offline vor und mache dann copy&paste. (Ich habe übrigens so meine Probleme damit, hier einzelne Zitate aus einem früheren Post einzufügen, es wird immer der komplette O-Text des Vorposters eingefügt... Was mache ich falsch?)

Vor den Zitaten im Zitat- Status setzte ich immer das quote author=Arthur Dent 2 link=topic=1038.msg25872#msg25872 date=1445094728 und das /quote vor oder nach den Sätzen, natürlich mit den Klammern. Vielleicht weiß es aber noch jemand anderes besser. Ich habe auch offline vorgeschrieben aber nur kopiert, nichts eingefügt. Ich war abgelenkt und kopierte danach etwas anderes und schloß die Schreibdatei ohne Speichern.


Zum Fall Macnaghten-Memorandum:
 
Ob Macnaghten ansonsten ein guter Beamter war, kann ich nicht beurteilen. Meine Schlussfolgerung ergibt sich aus seinem Memorandum, und das strotzt wie du weißt vor Fehlern und Ungenauigkeiten.
Wenn jemand zwei Jahrzehnte später als Privatmann seine Memoiren schreibt und sich dabei nicht mehr korrekt an alles erinnern kann, ist das verständlich und nachvollziehbar.
Wenn aber der Leiter einer Behörde ein offizielles Dokument für den Dienstgebrauch erstellt - es ging ja darum, angesichts der Cutbush-Verdächtigungen in der "Sun" die Polizei intern auf eine Linie zu bringen - dann sollte es eigentlich nicht so fehlerbehaftet sein, schließlich standen ihm für das Abfassen die notwendigen Dokumente und fallkundigen Mitarbeiter zur Verfügung.

"ein Doktor, der aus einer angesehenen Familie stammt. Er verschwand zur Zeit des Mordes im Miller's Court"
Stimmt ebenfalls nicht: Druitt war Lehrer, und er verschwand nicht zur Zeit des Mordes, sondern erst Anfang Dezember.

Also entweder war Macnaghten schlampig bei diesem Memorandum, oder sein Zuarbeiter hat ihm fehlerhafte Info untergeschoben - aus welchen Gründen auch immer. Jedenfalls betrachte ich die Infos darin deshalb mit Vorsicht

Ich denke, wir können nicht sagen, was in den Unterlagen stand, welche Macnaghten zu sehen bekam. Er sprach ja auch von privaten Informationen und auch hier wissen wir nicht, wie diese zustande kamen. Ich bin kein Druitt Fachmann aber mir ist, als ob er aus einer Doktoren- Familie stammte. Die Informationen aus der Familie könnten beinhaltet haben, dass er als Doktor tätig war, sei als nur als Assi oder Kräuterdoktor. Hier sollte man vorsichtig sein, dass einfach als falsch zu bewerten. Kenntnisse als “Arzt“ waren für das Täterprofil ja auch wichtig. Und denke daran, Tumblety war auch kein richtiger Arzt. Ich weiß auch nicht, was unter den Kollegen bei der Polizei so erzählt wurde. Vielleicht dachte Nacnaghten, in der mündlichen Überlieferung, das ein Doctor T. (Tumblety) ein Doctor D. (Druitt) war. Als Macnaghten antrat, war der Fall gerade etwas abgekühlt änderte sich aber einen Monat später, als Mackenzie ermordet wurde. Macnaghten galt als eifrig, interessiert, man konnte auf ihn zählen. Es kommt immer darauf an, wie das Verständnis all dieser Dinge für ihn aussah. Ganz sicherlich trug er für dieses Memorandum die verschiedensten Informationen zusammen, die Fehler müssen nicht unbedingt bei ihm (allein) zu suchen gewesen sein. Ich meine, da gab es auch einen gemeinsamen Punkt in der Vergangenheit zwischen seiner Familie und der Familie von Druitt. Ich glaube, es könnte sich an dieser Stelle lohnen, sich der Arbeit von Jonathan Hainsworth zu widmen. Man muss sich aber auch einmal fragen, wie viel Bock er hatte, dieses Memorandum zu schreiben. Natürlich muss er in seiner Position professionell arbeiten aber ist das immer gewährleistet und scheitert es nicht manchmal dann genau bei etwas, offensichtlich, ganz wichtigem? Nacnaghten hat eine Menge im Leben erlebt und wer weiß, was gerade in diesem Moment wichtiger für ihn war… wir vergessen oft den menschlichen Faktor, Arthur…

Aber ich kann dir auch nur meine Gedanken dazu sagen… vielleicht sind diese aber auch falscher als falsch…

Hier ein paar Beispiele dafür (die du ja sicher auch kennst):

"Bezugnehmend auf den Doppelmord welcher am 30. September begangen wurde, gibt es keinen Zweifel, dass der Mann von einigen Juden gestört wurde, die auf dem Weg in einen Club waren (in der Nähe wo der Körper von Elizabeth Stride gefunden wurde)"
Dies ist nicht korrekt: es waren nicht "einige auf dem Weg in einen Club", es gab Diemschütz auf dem Weg in den Hof, ansonsten gab es Schwartz, der aber nur vorbeiging.

Möglicherweise verwechselte er hier die Tatorte und sprach über Lawende, Levy und Harris, die aus einem Club in der Duke Street kamen. Wir müssen aber auch in Betracht ziehen, dass Diemschütz, Schwartz und Pipeman diese drei Juden waren, welche in den Club in der Berner Street wollten. Bei Diemschütz ist es definitiv, Piepman könnte die Absicht gehabt haben und das könnte auch für Schwartz gelten. Ich glaube, der Übersetzter von ihm, bei der Polizei am nächsten Tag, war jemand aus dem Club in der Berner Street. So könnten alle drei Männer den Ripper kurz hintereinander gestört haben. Diesen Fehler von Macnaghten würde ich gerne offen lassen.

"Niemand sah jemals den Whitechapel Mörder"
Auch nicht ganz korrekt: Einige Zeugen sahen einen Mann mit den Opfern unmittelbar vor den Morden, er konnte nur nicht offiziell identifiziert werden.

"es sei denn der PC vom Mitre Square" (Macnaghten)...

Ich denke auch, dass er das meinte, keine Identifikation, egal welcher Verdächtiger, durch z.B. Long, Schwartz, Lawende und Hutchinson etc. und der City PC wird gesagt haben: Ich sah nicht sein Gesicht aber seine ganze äußere Erscheinung erkenne ich wieder… er sagt ja selber, da waren drei Juden die ihn störten... das sollte man ihm vielleicht auch nicht entgültig als Fehler anschreiben...

"Der Körper von Martha Tabram (...) war mehrmals durchbohrt worden, vermutlich mit einem Bayonet."
Ebenfalls nicht korrekt: Nur die Herzwunde sah so aus, als sei sie mit etwas anderem, stabilerem als einem normalen Messer verursacht worden.

"Diese Frau war am frühen Abend zusammen mit einer befreundeten Prostituierten in Begleitung von 2 Soldaten gewesen: diese Männer wurden verhaftet, aber die zweite Prostituierte versagte, oder weigerte sich, diese zu identifizieren und die Soldaten wurden letztendlich freigelassen."
Ebenfalls nicht korrekt: es gab Gegenüberstellungen in den Kasernen, aber kein Soldat wurde verhaftet und wieder freigelassen.

In all, there were thirty-nine stab wounds including:

5 wounds (left lung)
2 wounds (right lung)
1 wound (heart)
5 wounds (liver)
2 wounds (spleen)
6 wounds (stomach)

According to Killeen, the focus of the wounds were the breasts, belly, and groin area. In his opinion, all but one of the wounds were inflicted by a right-handed attacker, and all but one seemed to have been the result of an "ordinary pen-knife." There was, however, one wound on the sternum which appeared to have been inflicted by a dagger or bayonet


Ich lese 39 Stichwunden, die "Bajonett- Wunde" war im Brustbein, also die Herzwunde und alle anderen wurden verursacht durch ein eher gewöhnliches Messer. Da liegt er wirklich falsch. Aber wir sollten nicht vergessen, dass er sagte, dass der Körper wiederholt durchbohrt wurde, vermutlich von einem Bajonett. So falsch ist das ja nicht, der Körper wurde 39 mal mit einem Messer attackiert und ein Bajonett spielte möglicherweise auch eine Rolle. Es ist nicht korrekt aber auch nicht etwas total falsches. Ich weiß nicht, welche Quellen du kennst aber er sagte halt: Vermutlich. Für ihn war Tabram ja auch kein Ripper Opfer, er sagte, es gab fünf Opfer und nur fünf (die K5). Das soll aber nicht als Entschuldigung gelten. Verhaftete Soldaten? Sicherlich nicht aber bevor ich da was schreibe, mache ich mich noch einmal schlau.

Vielleicht gibt es für all diese “Fehler“ auch einfache Erklärungen, die wir einfach nicht kennen.

Was nicht heißt, dass der Name "Kosminski" falsch sein muss, sondern nur, dass man eine gewisse Skepsis gegenüber dem Namen bewahren sollte - zumal nach bisherigen Erkenntnissen kein Kosminski im Frühjahr 1889 in eine Anstalt eingeliefert wurde, und wir von Aaron Kosminski erst von seiner Einweisung 1891 nach Colney Hatch wissen.

Das erhoffen wir uns zu finden, eine Einweisung von Aaron Kozminski in eine privaten Anstalt in Surrey ca. März 1889. Es gab Verbindungen dieser Familie vor und nach 1888 nach Wandsworth/ Surrey.   

Was ich mich allerdings schon seit längeren frage: Könnte die Verlegung von Kosminski von Colney Hatch nach Leavasden im April 1894 vielleicht eine Folge der Erwähnung im Memorandum gewesen sein?

Gute Überlegung! Sollte man im Hinterkopf behalten, denke ich.

Aber was mich vor allem interessieren würde: Du hast nun mehrmals angedeutet, dass du eine These zu dem ominösen Zeugen bei der Indentifizierung im Seaside Home hättest.
Willst du die Katze noch nicht aus dem Sack lassen, weil du da noch etwas Größeres dazu ausarbeitest?

Nichts besonderes Arthur. Ich glaube heute nicht mehr, dass Schwartz oder Lawende der Zeuge im Seaside Home war. In meiner Theorie, Hypothese oder Story, wie man das auch immer nennen möchte, macht das keinen Sinn. Ich muss glauben, dass dieser Zeuge sehr spät gefunden wurde und ihm all die Zeit gar nicht bewusst war, was er eigentlich beobachtet hatte. Er wusste nicht, dass er die einzige Lösung in diesem Fall wäre. Vielleicht stammt er aber auch aus einem fehlgeschlagenen Tötungsversuch als der Ripper seine Schwester attackierte und dabei gesehen wurde. Ich weiß das nicht, dass dürfte selbstverständlich klar sein aber es könnte in diese Richtungen gehen.

P.S. Ich hänge nicht am Tatverdacht gegen Jacob Levy - ich finde ihn nur einen besseren Verdächtigen als die meisten der "Klassiker".
Ich wollte an Levys Beispiel ein Profil erstellen, um mal hier wieder eine Diskussion zu entfachen und vielleicht den ein oder anderen zu ermuntern, auch mal ein Gesamtbild anderer guter Verdächtiger zusammenzustellen, so dass wir eine Übersicht über die Verdächtigen-Profile bekommen (gewissermaßen eine erweiterte Version von Thomas Schachners Übersicht).
Leider sind wir beiden hier immer noch etwas einsam unterwegs...
 :cray:

Das tut mir leid für dich, Arthur. Einseitig Antworten zu erhalten, ist ja auch recht öde. Manchmal machen aber auch Leute wie ich, solch ein Forum "platt", natürlich nicht bewusst. Allerdings sind andere Foren, Casebook/JTRForums, so etwas von buntgemischt, Themenmäßig, das würde selbst ich nicht "verhindern" können. 

Beste Grüße.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 17.10.2015 20:01 Uhr
Achso, wo wir gerade bei Macnaghten, Memorandum, Druitt und Kosminski sind, gibt es auch was Neues von Ostrog! Ich las das heute auf Facebook im H Division Crime Club UK:

Previously unpublished photo of Michael Ostrog in the Crime Museum now in Keith Skinners new book so at last you can all see it!! (Lindsay Siviter)

Dann folgte das Foto.

Dazu sagte Rob Clack: There's another one in the new Crime Museum book.

Was alles noch so gefunden werden kann...
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 18.10.2015 13:24 Uhr
Zu Jonathan Hainsworth:

Er und seine Theorien werden kontrovers diskutiert, das trifft ja z. B. auch auf Christer Holmgren und Edward Stow (Charles Cross) zu. Ich persönlich finde es aber absolut spannend, mich auf Menschen einzulassen, die eigentlich am anderen Ende meiner Ansichten stehen, vermeintlich, denn da ist auch was für mich zu holen, an Ideen und Informationen. Wer etwas via Jonathan Hainsworth über Macnaghten erfahren will, dem sei, wie bereits erwähnt, seine Arbeit zu empfehlen:

http://www.amazon.de/Jack-Ripper-Case-Solved-1891/dp/0786496762/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1445167321&sr=8-1&keywords=Jack+the+Ripper+case+solved+1891

http://www.jjhainsworth.com/about/

http://www.jtrforums.com/showthread.php?t=22368



 
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 19.10.2015 15:38 Uhr
Habe noch einmal ein wenig nachgelesen:

Macnaghten, Days of my years 1914 (da war er 61 Jahre alt, er starb mit 68):

"On 7th August the body of Martha Tabram was discovered lying on the stairs of a house in George Yard. Her death was due to a number of wounds in the chest and abdomen, and it was alleged that a bayonet had been the weapon used upon her"

(Memorandum 1894: The body of Martha Tabram, a prostitute, was found on a common staircase in George Yard buildings on 7th August 1888; the body had been repeatedly pierced, probably with a bayonet.)

“In this case there can be little doubt but that the murderer was disturbed at his demoniacal work by some Jews who at that hour drove up to an anarchist club in the street.”

Die kamen natürlich nicht alle drei mit der Kutsche (falls Lawende, Levy und Harris gemeint waren) aber er war schon über 60 und die Morde ca. 25 Jahre her. Der einzige der mit einer Kutsche kam war Diemschütz.

Er glaubte an Druitt. Diese Annahme hat sicherlich vieles bei ihm beeinflusst.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 19.10.2015 17:17 Uhr
Hallo Lestrade!

Dass Macnaghten eher Druitt bevorzugte, lag vermutlich daran, dass er gewisse private Informationen über ihn erhalten hatte, wie er geschrieben hat.
Vielleicht sollten die drei aber auch nur als Beispiele zur Abgrenzung gegen Cutbush fungieren, so nach dem Motto: JTR gehört unseren Ermittlungen zufolge in eine ganz andere Kategorie von Leuten; wir konnten einen gewissen Personenkreis eingrenzen, und Cutbush gehört nicht dazu, wir gehen davon aus, dass JTR entweder tot oder in der Anstalt ist, denn er hätte nicht so lange Pause gemacht...


Aber zurück zu Kozminski: Ich denke, das wäre ein wichtiges Indiz:
Eine Einweisung von Aaron Kozminski in eine private Anstalt in Surrey Anfang 1889 würde die Lücke bis Colney Hatch füllen und außerdem eine weitere Übereinstimmung zu den Aussagen von Macnaghten und Cox bedeuten.
Das würde seine Spitzenposition unter den Verdächtigen weiter ausbauen. Wenn seine Verwandten ihn unter einem falschen Namen dort untergebracht hätten, wäre das allerdings schwer herauszufinden.

Als letzte Ungereimtheit, die gegen Kozminski sprechen würde, müsste dann noch geklärt werden, wieso alle Zeugen kurz vor den Morden nur Männer mittleren Alters bei den Opfern gesehen haben, und keine jüngeren. Es sei denn, Kozminski sah durch seine Erkrankung schon mit 23 rund zehn Jahre älter aus. Oder Macnaghten hatte recht, und der Ripper wurde tatsächlich wirklich nie mit den Opfern gesehen, sondern nur irgendwelche Männer vor ihm - was ich allerdings angesichts der engen Zeitrahmen bei Chapman und Stride für unwahrscheinlich halte.

Was noch ein gutes Indiz für den Verdacht gegen Kozminski ist:
Dass sein Bruder Isaac Abrahams ein Schneider war, wäre ein Lösungsansatz für das Kleiderproblem des Mörders. Damit gab es in der Familie immer genug Kleidungsstücke zum Wechseln, und wenn Kozminski sich in schlechten Phasen seiner zunehmenden psychischen Erkrankung sowieso öfter mal gehen ließ, dürfte er wohl auch regelmäßig frische Kleidung gebraucht haben. Was meinst du?

MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 19.10.2015 17:59 Uhr
Hey Arthur...

Ich kann deinem Post nicht viel hinzufügen. Ob es damals ein großer Unterschied war 23 oder 30 zu sein? Meine ehrliche Antwort ist: Ich weiß es nicht.

Mrs. Long and Lawende müssen den Ripper mit ihren späteren Opfern (Chapman, Eddowes) gesehen haben. Bei Hutchinson bin ich mir überhaupt nicht sicher, bei Schwartz habe ich leise Zweifel...
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 19.10.2015 21:58 Uhr
Das Buch von Jonathan H. ist wohl jetzt erhältlich sehe ich gerade:

http://www.jtrforums.com/showthread.php?t=24530

Ganz schön teuer, ich warte noch etwas und dann schlage ich zu, vielleicht wird das ebook preiswerter, mal sehen.

"Police chief Sir Melville Macnaghten claimed to know the truth from “private information,” but his source has remained unknown for more than a century. Here, the identity of Sir Melville’s informer is revealed, explaining why the Ripper was disguised as an insane surgeon for public consumption. A number of photos are included, some never before seen."

Das klingt doch schon einmal spannend...
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 21.10.2015 17:48 Uhr
Hallo Lestrade,

wenn da tatsächlich neue Quellen offenbart werden - insbesondere jene private von Macnaghten - könnte das wirklich interessant sein und vielleicht endlich aufdecken, wie Macnaghten zu seinen Ansichten gekommen ist.

Vielleicht passt das ja zu dem Zeitungsartikel von Sims:
"A lady from this city visiting a distinguished official in London, states in a letter written to friends here that the Ripper has been under arrest in the London metropolis for some time. He is a medical student and was arrested on the strength of information given by his own sister.
The authorities, the letter states, have kept the matter a strict secret in order to work up the case against the prisoner, and they are said to have a very complete chain of evidence."


Aber erst einmal die Rezensionen abwarten. In Werbung wird immer gern viel versprochen, das war doch bei vielen Ripper-Büchern so: "Fall gelöst!" usw.
Und am Ende findet man zwar vielleicht ein paar interessante neue Aspekte darin, aber der versprochene große Wurf war es entgegen der Werbung trotzdem nicht.

Mir ist auch nicht klar, inwiefern der Ripper als irrer Chirurg oder Wundarzt vor der Öffentlichkeit kaschiert worden sein soll? Die Polizei hat doch nie auf einseitigen Thesen bestanden, sondern in alle Richtungen ermittelt und verdächtigt.
Nun, wir werden es bald erfahren.

MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 21.10.2015 19:57 Uhr
Genau... mal sehen, wie man eigene Ideen mit einbringen kann...

Das Zitat könnte zu Druitt als auch zur Schwester von Aaron Kozminski, Matilda, passen...
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 31.10.2015 18:07 Uhr
Hallo Lestrade,

Hyam Hayms können wir uns demnächst gerne mal vornehmen - von dem weiß ich aber leider nur sehr wenig, so dass ich erst etwas Zeit zum Einlesen bräuchte.


Zuvor aber noch eine Frage zum Suspect Jacob Levy - du hast doch mal diese ganzen komplexen Verwandtschaftsverhältnisse durchgearbeitet:

Ich hatte zunächst gar nicht so auf dem Schirm, dass Jacob auch noch mit den Levys aus der Mitre Street verwandt sein könnte, weil "Levy" ein Allerweltsname ist und viele osteuropäische Einwanderer ihn angenommen haben.
Dann bin ich aber über deine Bemerkungen zum Levy-Clan aus der Mitre Street gestoßen, und darin führst du aus, dass Joseph Hyam Levy und vermutlich auch Jacob Levy mit ihnen verwandt waren.
http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1470.15.html  #22

Wenn dies zutreffen sollte, wäre das ein interessantes zusätzliches Puzzle-Teil der Levy-Hypothese:
Dann würde Jacob, wenn er der Ripper war, nämlich noch näher an die Tatorte heranrücken.
Da wäre dann nicht nur sein Bruder Isaac Levy in der Goulston Street, Model Dwellings 130.
Sondern auch die Mitre Street Bewohner (z.B. Samuel Levy als Orangenverkäufer in der Mitre Street 20) beim Eddowes-Tatort, und zudem noch John Levy's Cigar Shop in der Whitechapel Road 254 in der Nähe der Tatorte Buck's Row und Berner Street. Tatorte nahe bei Verwandten, Schürze nahe beim Bruder, Messer nahe am Cigar Shop, und passend dazu die Aussage von Cox: "He occupied several shops in the East End"...
Das würde vielversprechend klingen.

Daher meine Frage: Gelten diese Levys inzwischen nachgewiesen als verwandt bzw. gibt es zumindest plausible Hinweise darauf - oder sind das nur Mutmaßungen?


Happy Halloween, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 31.10.2015 18:48 Uhr
Hey Arthur,

In Sachen Hyam Hyams muss ich mich auch erst wieder korrekt einfühlen. Auch zu den Levy Sachen. Die letzten Jahre stand Kosminski/Cohen im Focus und werden es auch noch die nächste Zeit. Dennoch sind Levy und Hyams Personen die mich faszinieren und denen ich mich gerne (wieder) widme bzw. widmen möchte. Neubetrachtungen, dafür kann ich mich begeistern, halte das für sehr sinnvoll und auch nötig. Man denkt sehr oft, dass man etwas weiß aber was weiß man denn wirklich schon? Und plötzlich erscheinen einem dann die Dinge in einem gänzlich neuen Licht. Gehe davon aus, dass alles, was ich zu den genannten Personen geschrieben habe, immer nach besten (aktuellen) Wissen und Gewissen erfolgte. Leider gehöre ich zu den Kandidaten, die Fadenübergreifend schreiben und so wird man viele Dinge über diese Personen genau dort finden, wo sie nicht hingehören und meistens dann auch sehr umfangreich. Also Du findest eher detaillierte Angaben über Levy in einem Charles Cross Faden als in seinem Bereich als Verdächtiger. Deshalb finde ich deine Zusammenfassungen sehr gut, weil sie dahin kommen, wo sie hingehören. Ich bin da wirklich schlampig aber auch so ein bisschen der Peter Ludolf der Ripper Szene, der in seinem Schrotthaufen dennoch die Dinge (wieder) findet. Mit ein wenig Geduld und Spucke kriegen wir das hin. Bin noch nicht ganz gesund und heute was großer Gartentag und momentan mache ich nur das nötigste, hab daher etwas Geduld mit mir. Außerdem bist Du ja eher scheinbar unabhängig von anderen und suchst eher den Austausch/ Dialog, so mein Eindruck. Finde ich persönlich absolut prima.

Halloween finde ich ganz gut, mache aber nicht mit. Mein Kostüm würde aber ungefähr so aussehen:

https://www.youtube.com/watch?v=a4FZtiHqD9E

Happy Halloween Dir,

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 01.11.2015 23:33 Uhr
Hyam Hayms können wir uns demnächst gerne mal vornehmen - von dem weiß ich aber leider nur sehr wenig, so dass ich erst etwas Zeit zum Einlesen bräuchte.

Gestern im Casebook Forum, Scott Nelson:

Hi Tracy,

Debs discovered that the Hyam Hyams who grew up on Mitre street was different from the one who went to the asylum. Also that the asylum-bound Hyams was not the "terror of the city police", but rather terrified of the police (apologies , trying to quote from memory).

This doesn't mean that the Colney Hatch Hyams couldn't have been the Ripper.


Das ging dann auch an mir vorbei. Also falls wir uns damit befassen sollten, werden wir das beachten müssen.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 05.11.2015 22:20 Uhr
Hallo allesamt!


Ich habe noch einige neue Aspekte zu meiner Zusammenfassung über Jacob Levy als Tatverdächtigen hinzuzufügen.


"Butcher's Row Suspect" - Erweiterte Fassung:

Nach dem Kelly-Mord begann die City Police damit, mehrere Monate lang einen Tatverdächtigen in der Butcher's Row zu observieren.
Butcher's Row war kein offizieller Straßenname, so wurde wegen der vielen Metzger und der dahinter liegenden Schlachterei jener Abschnitt der High Aldgate Street genannt, der an der Einmündung der Middlesex Street liegt, wo der Metzger Jakob Levy wohnte.
Sie stellt die Grenze zwischen City of London und Whitechapel sowie zwischen den beiden Polizei-Distrikten dar.

In einem Zeitungsinterview (City Press, 7. January 1905) sagte Robert Sagar von der City Police, dass man nach dem Kelly-Mord einen Verdächtigen unter Beobachtung gestellt habe, der in der Butcher's Row arbeite und von dem man annehme, dass er der Ripper sei, und dass dieser Mann letztendlich (wie Levy) von seinen Leuten in ein Irrenhaus eingeliefert worden sei.

Auch Detective Inspector Henry Cox wurde ein Jahr später in einem Zeitungsartikel (Thomson’s Weekly News, 1. December 1906) zu den Observationen der City Police zitiert, ohne jedoch den genauen Ort zu nennen.
Cox: "The man we suspected was about five feet six inches in height, with short, black, curly hair, and he had a habit of taking late walks abroad. He occupied several shops in the East End, but from time to time he became insane, and was forced to spend a portion of his time in an asylum in Surrey. (...) While the Whitechapel murders were being perpetrated his place of business was in a certain street, and after the last murder I was on duty in this street for nearly three months."

Es ist nicht ganz klar, ob Sagar und Cox dieselbe Person an demselben Ort observierten, oder ob es sich um zwei völlig unterschiedliche Überwachungen handelte.
Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass beide in der Nähe der Butcher's Row eingesetzt waren:
Denn Cox erzählte, wie er dem Verdächtigen nachts gefolgt sei. Nachdem dieser sein Haus verlassen habe, habe er gewartet, bis er um die Ecke gebogen sei, und sei ihm dann in die Leman Street gefolgt, welche nur etwa 100 Meter östlich von der Einmündung der Middlesex Street entfernt nach Süden verläuft.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, was Cox zur Überwachung des Tatverdächtigen sagte. Zur Verschleierung der Observation, die der jüdischen Gemeinde nicht verborgen blieb, behaupteten die Polizisten, sie seien Fabrik-Inspektoren, die Schneidereien auf Beschäftigung von Minderjährigen überwachten: "We told them we were factory inspectors looking for tailors and capmakers who employed boys and girls under age."
Und es gab viele Schneider in der Middlesex Street, die bis heute für den Petticoat Lane Street Market bekannt ist.
Hinzu kommt, dass der Zeuge George Hutchinson ausgesagt hatte, er habe vermutlich den verdächtigen Kunden von Kelly zwei Tage nach dem Mord in der Petticoat Lane wiedergesehen.
Dies lässt es plausibel erscheinen, dass das Observationsteam von Cox in der Middlesex Street tätig war, in unmittelbarer Nähe zu den zahlreichen  dort angesiedelten Schneidern, der die Straße ihren früheren Namen Petticoat Lane verdankte.

So ist es gut möglich, dass sowohl Sagar als auch Cox in der Umgebung von Aldgate High Street und Middlesex Street eingesetzt waren.
Vielleicht war es tatsächlich Jacob Levy, der beobachtet wurde - doch leider sind weder die genaue Adresse noch der Zeitraum der Observationen bekannt.


Interessant ist jedoch noch ein weiterer Aspekt:

Cox schrieb: "He occupied several shops in the East End" - und wenn Jacob Levy der Ripper war, könnte dies bedeuten, dass er neben seiner Heimatadresse Middlesex Street 36 auch bei den Metzgern der Butcher's Row ein und aus ging. Denn sowohl Jacob Levy als auch der Zeuge und mutmaßliche Verwandte Joseph Hyam Levy sollen Geschäftsverbindungen in der Butcher's Row gehabt haben (z.B. zu George Bolam, der selbst in der Middlesex Street wohnte). Vermutlich kauften sie auch in der dortigen Schlachterei ein.
Levy könnte sogar wegen seines ruinierten eigenen Geschäfts zeitweise dort oder in einem anderen Shop gearbeitet haben.

Darüber hinaus gab es im Eastend noch die Shops des Levy-Clans aus der Mitre Street, mit denen Jacob und Joseph laut Casebook verwandt gewesen sein sollen:
Darunter der Orangenhändler Samuel Levy in der Mitre Street 20 (Tatort Mitre Square) und der Zigarrenhändler John Levy in der Whitechapel Road 254 - nahe den Tatorten Buck's Row und Berner Street sowie unmittelbar neben dem Messer-Fund von Thomas Coram nach dem Double Event vor Whitechapel Road 253.

In den 1880er Jahren hatte John Levy in der Whitechapel Road 254 einen Cigar Shop. Er war laut Census der Bruder von Fanny Levy von den Levys aus der Mitre Street 29, und sie waren wahrscheinlich Cousins des Zeugen Joseph Hyam Levy, dessen Vater vor Jacob die Metzgerei in der Middlesex Street 36 hatte - somit war vermutlich auch Jacob Levy mit diesen Levys verwandt.

John und Fannys Eltern, Ann und Barnett Levy, lebten in den 1850ern in Mitre Street 29 ("Orange Market" am Mitre Square), sie waren Zigarren- und Orangenhändler und hatten vier Kinder - John, Samuel, Lewis und Fanny. Um 1888 wohnte nur noch Fanny dort.
Samuel lebte erst in den Häusern Mitre Street 17 und 23 und zog danach neben Joseph Hyam Levys Vater, Hyam Levy, in die Middlesex Street 39 (!). 1888 kehrte Samuel dann als Orangenverkäufer wieder in die Mitre Street zurück, diesmal in die Nummer 20.

Nicht vergessen werden sollte schließlich noch Jacobs Bruder Isaac Levy, der zur Zeit der Morde im Model Dwellings 130 in der Goulston Street lebte - nur einen Gebäudekomplex entfernt von dem Hauseingang, in dem das blutige Teil von Eddowes Schürze gefunden wurde.
 

Fazit:
Waren die Levys von Mitre Street tatsächlich mit Jacob Levy verwandt, so rückt der verrückt gewordene Metzger durch die Adressen seiner Verwandten in die unmittelbare Nähe zu mehreren Tatorten und den Funden von Schürze und Messer. Unabhängig davon befand er sich zudem im Bereich der von den Polizisten beschriebenen Observationen.


MfG, Arthur Dent



@Lestrade: Auf das Problem mit den beiden Hyams bin ich auch gestoßen, als ich angefangen habe, über ihn nachzulesen.  :shok:
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 06.11.2015 09:59 Uhr
Guten Morgen Arthur,

Ich gehe davon aus, dass die Polizei, zwischen dem 3 und 18 Oktober, keinen Stein auf dem anderen in dieser Gegend gelassen hatten. Es ist ja auch bekannt, dass alle Butcher und Slaughterer und ihre Angestellten genauer unter die Lupe genommen wurden. Wir können fast mit rechnen, dass auch Jacob Levy Rede und Antwort stehen musste.

Im Falle von Cox, fällt es mir schwer an einen Vollzeit Butcher zu denken. Die Straße in der er überwachte, sollte es sehr, sehr viele Schneider und Hutmacher etc. gegeben haben und das wäre in der Butchers Row nicht der Fall gewesen. Cox sprach von einem Shop "the shop of the man, the door of his little shop, his own house", was vieles bedeuten kann aber offenbar war dieser Verdächtige (wenigstens) des Nachts alleine. Jacob Levy war lange verheiratet und sie hatten Kinder. Ich weiß nicht ob das passt. Jemand, der tagsüber seinen (nicht Butcher) Shop unterhält und nachts u.a. mal in der Butchers Row ist, mal in einen Shop in der Leman Street und sonst wo, macht im Falle von Cox vielleicht mehr Sinn. Dann würde auch Sagar gut passen, der eben, neben Cox und Kollegen, den Standort Butchers Row bewachte. DC Smith and DC Miller machten ihre Überwachungen eben in der Leman Street oder in noch einer weiteren Straße. Abgesehen davon macht Sagar dann, so finde ich, mehr Sinn im Falle Jacob Levy als es Cox tut. Beide könnten unterschiedliche Meinungen bezüglich des Täters vertreten haben. Aber falls die Sagar Razzia und Observation im Dezember 1890 gegenüber der Butchers Row Sagar´s möglichen Ripper betroffen hatte, haben wir ein Problem, denn Jacob Levy saß bereits seit August 1890 in der Anstalt.

Desweiteren ist er nicht ganz der Mann, den das psychologische Profil "verlangt". Er war kein unverheirateter (oder kurzzeitig verheirateter) Mann ohne Kinder sondern das Gegenteil davon. Seine Frau hoffte, so lässt sich vermuten, noch lange auf seine Wiederkehr nach Hause, dass spricht für Jacob als Menschen ohne einen schlechten Kern. Die Polizei erwartet einen lokalen Einzelgänger mit Antisozialen Verhalten. Aber war Jacob Levy das, abgesehen von seiner Lokalität? Natürlich lief er nachts allein durch die Straßen aber das tun viele Schizophrene, die habe auch ich in meinem Bekanntenkreis.

Am Ende wäre er aber ein guter Kandidat für Sagar, falls dessen Überwachung im Bull Inn Yard im Dezember 1890 einen anderen Fall betraf (was ja gut möglich wäre).

Beste Grüße,

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 06.11.2015 10:29 Uhr
Sorry, vergessen:

Cox:

"To understand the reason we must first of all understand the motive of the Whitechapel crimes. The motive was, there can not be the slightest doubt, revenge. Not merely revenge on the few poor unfortunate victims of the knife, but revenge on womankind. It was not a lust for blood, as many people have imagined.

The murderer was a misogynist, who at some time or another had been wronged by a woman. And the fact that his victims were of the lowest class proves, I think, that he was not, as has been stated, an educated man who had suddenly gone mad. He belonged to their own class."


Nichts ist unmöglich aber ich frage mich, ob ein Frauenhasser (misogynist) mit so einer Geisteskrankheit lange in Ehe mit Kindern leben konnte. Jacob Levy war vielleicht nicht reich aber auch keiner, der zu dieser "tiefen" Klasse der Prostituierten gehört hatte. Seine Verhältnisse waren geregelt und ich denke, der Ripper hat keinerlei Ordnung in seinem Leben. Da habe ich meine Zweifel aber er muss ja nicht der Verdächtige von Cox gewesen sein...
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 06.11.2015 18:09 Uhr
Hallo Lestrade,

derzeit fällt es mir schwer, die meisten deiner Kritikpunkte nachzuvollziehen.  :scratch_one-s_head:
Vielleicht habe ich - weil die Überlegungen für mich völlig schlüssig sind - etwas beim Aufschreiben geschludert.
Daher versuche ich es diesmal etwas ausführlicher zu erklären:


"Ich gehe davon aus, dass die Polizei, zwischen dem 3 und 18 Oktober, keinen Stein auf dem anderen in dieser Gegend gelassen hatten. Es ist ja auch bekannt, dass alle Butcher und Slaughterer und ihre Angestellten genauer unter die Lupe genommen wurden. Wir können fast mit rechnen, dass auch Jacob Levy Rede und Antwort stehen musste."

Ja eben, so könnte Jacob ins Visier der Polizei geraten sein, den Ermittlern könnte etwas an ihm und seinen Lebensumständen verdächtig vorgekommen sein.
 

"Im Falle von Cox, fällt es mir schwer an einen Vollzeit Butcher zu denken."

Jacobs Frau sagte bei der Einweisung, er habe fast ihr Geschäft ruiniert. Insofern ist es sehr wahrscheinlich, dass Jacob sich bereits Ende 1888 tief in einer wirtschaftlichen Abwärtsspirale befand (vermutlich wurde er wegen des Diebstahls von vielen Kunden boykottiert, vielleicht kam noch hinzu, dass er immer seltsamer wurde), so dass er schließlich für die Familie noch woanders was hinzuverdienen gehen musste, indem er z.B. in den Geschäften seiner verbliebenen Freunde oder Verwandten gegen Bezahlung aushalf, während seine Frau in dieser Zeit versuchte, den eigenen Laden halbwegs am Laufen zu halten. Dies würde dann zur Aussage von Cox passen: "he occupied several shops in the East End".
Vielleicht hätte ich diese These etwas deutlicher hervorheben sollen.


"Die Straße in der er überwachte, sollte es sehr, sehr viele Schneider und Hutmacher etc. gegeben haben und das wäre in der Butchers Row nicht der Fall gewesen."

Stimmt, aber ich sprach ja in diesem Zusammenhang auch nicht von der Butcher's Row, sondern explizit von einer möglichen Überwachung der Middlesex Street / Petticoat Lane durch Cox, wo es eben tatsächlich viele Schneider gab. 
Sagar überwachte demnach die Butcher's Row, wo Levy bei Metzgerkollegen war, und Cox meiner These nach - getarnt als Fabrik-Inspektor gegen Kinderarbeit - die Middlesex Street, wo Jacob wohnte und sein eigener Shop war. Das passt zu Cox Ausführungen hinsichtlich der Schneider und der nächtlichen Verfolgung in die Leman Street.


"Cox sprach von einem Shop "the shop of the man, the door of his little shop, his own house", was vieles bedeuten kann aber offenbar war dieser Verdächtige (wenigstens) des Nachts alleine. Jacob Levy war lange verheiratet und sie hatten Kinder. Ich weiß nicht ob das passt. "

Wir wissen ja nicht, ob Levy und seine Frau auch wirklich noch die ganze Zeit zusammen wohnten, nur weil sie formal laut Census an derselben Adresse gemeldet waren.
Immerhin dürfen wir voraussetzen, dass zwischen beiden der Haussegen ganz gewaltig schief hing: Er hatte sich bei einer Prostituierten mit Syphilis angesteckt, war wegen Diebstahls verurteilt worden, was ihm in der Gemeinde viele Feinde gemacht haben dürfte, wurde immer seltsamer, trieb sich nachts herum und ruinierte langsam aber sicher ihr Geschäft.
Es kann also gut sein, dass seine Frau mit den Kindern aus Protest zeitweise die gemeinsame Wohnung verlassen hatte, so dass er nachts alleine war (nach dem Motto: "Ich hab die Schnauze voll - ich ziehe zu meiner Mutter!"). Oder dass sie ihn aus dem Schlafzimmer rauswarf und er im Shop nächtigen musste...


"Aber falls die Sagar Razzia und Observation im Dezember 1890 gegenüber der Butchers Row Sagar´s möglichen Ripper betroffen hatte, haben wir ein Problem, denn Jacob Levy saß bereits seit August 1890 in der Anstalt."

Falls es so gewesen wäre, dann ja - aber das wissen wir ja nicht genau.


"Desweiteren ist er nicht ganz der Mann, den das psychologische Profil "verlangt". Er war kein unverheirateter (oder kurzzeitig verheirateter) Mann ohne Kinder sondern das Gegenteil davon. Seine Frau hoffte, so lässt sich vermuten, noch lange auf seine Wiederkehr nach Hause, dass spricht für Jacob als Menschen ohne einen schlechten Kern. Die Polizei erwartet einen lokalen Einzelgänger mit Antisozialen Verhalten.
(...)
Nichts ist unmöglich aber ich frage mich, ob ein Frauenhasser (misogynist) mit so einer Geisteskrankheit lange in Ehe mit Kindern leben konnte."


Nun ja, das mit Profilen ist so eine Sache, die sind - wenn gut gemacht - Hinweise in eine bestimmte Richtung, kein physikalisches Gesetz. Im Falle Levys würde es dann eben nicht um Frauenhass im Allgemeinen, sondern ganz speziell um einen Prostituiertenhass gehen - weil er sich bei denen angesteckt hatte und ihnen dann die Schuld an allen folgenden Katastrophen gab.
Und Jacobs Geisteszustand veränderte sich ja offensichtlich erst durch die Syphilis-Infektion mit ihren neurologischen Folgen hin zum asozialen - insofern ist es kein Widerspruch, dass er vorher ein guter Ehemann, Familienvater und Geschäftsmann gewesen sein kann. Dies würde auch erklären, warum seine Frau noch lange zu ihm hielt und versuchte, ihre Familie und das Geschäft zu retten.
Hier muss man aufpassen, nicht die verschiedenen psychischen Störungen und ihr Eintrittsalter durcheinander zu werfen:
Eine Geisteskrankheit (z.B. infolge der Syphilis-Infektion) kann sich in jedem Alter entwickeln und - wenn sie erst später im Leben auftritt - das Wesen eines bereits erwachsenen Menschen total verändern. Eine Geisteskrankheit von Kindheit an ist hingegen eher wie eine Persönlichkeitsstörung: beides prägt die Entwicklung der Person von Jugend an bis zum Erwachsenenalter, so dass diese Menschen dann tatsächlich von Anfang an daran gehindert sind, ein gesunde Entwicklung durchzumachen und ein normales Erwachsenenleben zu beginnen.
Erstere verlieren ihre geistige Gesundheit, zweitere hatten nie eine. Jacob gehörte aber offensichtlich zur ersten Kategorie des spät einsetzenden Irrsinns.


"Jacob Levy war vielleicht nicht reich aber auch keiner, der zu dieser 'tiefen' Klasse der Prostituierten gehört hatte. Seine Verhältnisse waren geregelt und ich denke, der Ripper hat keinerlei Ordnung in seinem Leben."
(...)
"I think, that he was not, as has been stated, an educated man who had suddenly gone mad. He belonged to their own class."


Ich sehe da keinen echten Widerspruch: Ein einfacher, heruntergekommener Metzger aus dem Eastend ist kein "gebildeter Mann", sondern ein "Working Poor" aus dem Armenviertel - zwar noch nicht ganz so am Ende wie die obdachlosen Prostituierten, aber er gehörte jedenfalls für die höheren Klassen damals eindeutig dort hin und dort dazu.
Diese Aussage von Cox richtet sich doch ganz offensichtlich gegen das Gerücht, dass JTR vielleicht ein Arzt o.ä. gewesen sein könnte, und will lediglich hervorheben, dass für ihn als Ermittler der Täter ein typischer Bewohner des Eastend war - einer "von denen" eben, aber keiner aus dem bildungsbürgerlichen Milieu.
Und "geregelt" waren Jacobs Verhältnisse 1888 mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr, sein Leben versank mit der Krankheit, dem Diebstahl, dem wirtschaftlichen Niedergang und den daraus folgenden Eheproblemen vielmehr im Chaos. 


Uff, das ist jetzt wieder länger geworden als geplant. Ich hoffe, damit sind meine Ausführungen etwas klarer geworden und vermeintliche Widersprüche aufgelöst.
 :flag_of_truce:


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 06.11.2015 21:11 Uhr
Hi Arthur,

derzeit fällt es mir schwer, die meisten deiner Kritikpunkte nachzuvollziehen.  :scratch_one-s_head:

Das war überhaupt nicht als Kritik gedacht. Das waren überwiegend Gedanken, Überlegungen die helfen sollen. Wie Du weißt, habe ich ein Faible für Jacob Levy, ich versuche nur so gut und so tief es geht alles zu hinterfragen, auch mich selbst dabei. Das gleiche tat und tue ich in den Fällen von Kosminski, Cohen und Hyams.

 "Im Falle von Cox, fällt es mir schwer an einen Vollzeit Butcher zu denken."

Ich möchte dir das auch näher erklären.

Cox:

While the Whitechapel murders were being perpetrated his place of business was in a certain street

We had the use of a house opposite the shop of the man we suspected, and, disguised, of course, we frequently stopped across in the role of customers.

I saw him come forth from the door of his little shop

back to the street he had left where he disappeared into his own house.


Sagar:

We had good reason to suspect a certain man who worked in "Butcher's-row", Aldgate

The theory of the city police is that "Jack the Ripper" was a butcher who worked in "Butchers' Row," Aldgate


Sagar überwachte einen Butcher, wir wissen nicht genau wann. Die Beschattung welche Cox durchführte, können wir von nach Kelly bis ca. drei Monate danach festlegen. Sagen wir November/Dezember 1888 bis ca. Februar/März 1889. Macnaghten sagte, dass "Kosminski" ca. März in eine Anstalt ging. Cox sprach nicht davon (very soon he removed from his usual haunts and gave up his nightly prowls). Entweder observierte er einen anderen Mann (allerdings passt es dennoch zeitlich gut zu Macnaghten) oder aber er hatte seinen Dienstauftrag erfüllt und andere Beamten waren anwesend, als dieser Verdächtige kurze Zeit später dennoch eingewiesen wurde (Sagar?). So sicher Sagar über einen Butcher sprach, so lässt Cox den Job seines Mannes offen. Er spricht jedoch über tailors and capmakers und über drinking their coffee, smoking their excellent cigarettes, and partaking of Kosher rum. Nicht, dass es unmöglich war, zwischen diesen Berufen und Händlern einen Butcher Shop zu überwachen aber ich sehe keinen Hinweis darauf. 

Im Falle von Cox könnte aber dennoch die 36 Middlesex Street passen, Butcher hin oder her. Aber es klingt für mich so, dass dieser Shop des Mannes, sein kleiner Laden, sein eigenes Haus, der Hauptarbeitsort jenes Mannes war, eben vielleicht auch Jacob Levy aber dann passt eben zeitgleich nicht der Butcher who worked in Butchers Row, was wieder nach einem Hauptarbeitsort klingt (obwohl man hier nicht von einem eigenen Shop ausgehen kann, vielleicht ein Angestellter?). Jeder Hauptarbeitsort für sich + several shops after night-fall würde da mehr Sinn machen (trotz der kurzen Entfernung zwischen Middlesex Street und Butchers Row). Das gleiche Problem sehe ich auch bei Kosminski, nur das ich Sagar da eher um den Dezember 1890 (als er tatsächlich dort Dienst schob) sehe, was bei Kosminski auch noch möglich war, bei Levy aber nicht. Im Falle von Kosminski, könnte aus einem seiner Nebenjobs in 1888/89 noch Ende 1890 ein Vollzeitjob geworden sein, in Butchers Row, für eine kurze Zeit.

Nun ja, das mit Profilen ist so eine Sache, die sind - wenn gut gemacht - Hinweise in eine bestimmte Richtung, kein physikalisches Gesetz. Im Falle Levys würde es dann eben nicht um Frauenhass im Allgemeinen, sondern ganz speziell um einen Prostituiertenhass gehen - weil er sich bei denen angesteckt hatte und ihnen dann die Schuld an allen folgenden Katastrophen gab.
Und Jacobs Geisteszustand veränderte sich ja offensichtlich erst durch die Syphilis-Infektion mit ihren neurologischen Folgen hin zum asozialen - insofern ist es kein Widerspruch, dass er vorher ein guter Ehemann, Familienvater und Geschäftsmann gewesen sein kann. Dies würde auch erklären, warum seine Frau noch lange zu ihm hielt und versuchte, ihre Familie und das Geschäft zu retten.
Hier muss man aufpassen, nicht die verschiedenen psychischen Störungen und ihr Eintrittsalter durcheinander zu werfen:
Eine Geisteskrankheit (z.B. infolge der Syphilis-Infektion) kann sich in jedem Alter entwickeln und - wenn sie erst später im Leben auftritt - das Wesen eines bereits erwachsenen Menschen total verändern. Eine Geisteskrankheit von Kindheit an ist hingegen eher wie eine Persönlichkeitsstörung: beides prägt die Entwicklung der Person von Jugend an bis zum Erwachsenenalter, so dass diese Menschen dann tatsächlich von Anfang an daran gehindert sind, ein gesunde Entwicklung durchzumachen und ein normales Erwachsenenleben zu beginnen.
Erstere verlieren ihre geistige Gesundheit, zweitere hatten nie eine. Jacob gehörte aber offensichtlich zur ersten Kategorie des spät einsetzenden Irrsinns.

Sicher? Kennst Du die Angaben?

http://forum.casebook.org/showthread.php?t=7561

Er könnte, abgesehen von der Syphilis, erhebliche mentale Probleme gehabt haben. Leute mit Schizophrenie können sehr leistungsfähig sein. Die meisten verbergen lange Zeit ihre Probleme und Gefühle damit, bei einem wird es früher deutlicher, bei einem anderen etwas später, die Episoden können unterschiedlich lang und intensiv sein. Die Syphilis verursachte vielleicht nur, dass das vorhandene erst richtig zum Vorschein kam. Ich kenne einige Schizophrene. Die meisten sind in Rente, einige davon aber erst später im Leben, einer darf nie auf freien Fuß, andere arbeiten, alles hängt zusammen mit der ganz eigenen und einzigartigen Persönlichkeitsstruktur, dem Erlebten, der Herkunft und der Intelligenz usw. Jacob Levy kann schon mit 16, 21, 25 Jahren krank gewesen sein, ob in seinem Falle nur die Syphilis schuld war...?
 
"Jacob Levy war vielleicht nicht reich aber auch keiner, der zu dieser 'tiefen' Klasse der Prostituierten gehört hatte. Seine Verhältnisse waren geregelt und ich denke, der Ripper hat keinerlei Ordnung in seinem Leben."
(...)
"I think, that he was not, as has been stated, an educated man who had suddenly gone mad. He belonged to their own class."


Ich sehe da keinen echten Widerspruch: Ein einfacher, heruntergekommener Metzger aus dem Eastend ist kein "gebildeter Mann", sondern ein "Working Poor" aus dem Armenviertel - zwar noch nicht ganz so am Ende wie die obdachlosen Prostituierten, aber er gehörte jedenfalls für die höheren Klassen damals eindeutig dort hin und dort dazu.
Diese Aussage von Cox richtet sich doch ganz offensichtlich gegen das Gerücht, dass JTR vielleicht ein Arzt o.ä. gewesen sein könnte, und will lediglich hervorheben, dass für ihn als Ermittler der Täter ein typischer Bewohner des Eastend war - einer "von denen" eben, aber keiner aus dem bildungsbürgerlichen Milieu.
Und "geregelt" waren Jacobs Verhältnisse 1888 mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr, sein Leben versank mit der Krankheit, dem Diebstahl, dem wirtschaftlichen Niedergang und den daraus folgenden Eheproblemen vielmehr im Chaos.
 

Nun, ich sehe da schon einen Unterschied. Jacob Levy hatte auf der einen Seite schon lange, so mein Eindruck, ein stabiles Leben geführt, trotz seiner (schon früheren) Erkrankung und der (später hinzukommenden) Syphilis, Er hatte einen dauerhaften Job, eine lange Ehe (egal wie dieses aussah) mit Kindern und ob dies das Vorleben eines Mannes wie Jack the Ripper war, ich weiß nicht, ich bezweifle das etwas und möchte hier überhaupt nichts ausschließen. Er scheint kein Mann gewesen zu sein, den man hin- und herschob aber das genau erwarte ich vom Ripper, genau wie wechselnde Arbeitsplätze, wenn überhaupt arbeitend, niedrigere oder einfache Arbeiten usw. ...

Jacob Levy beklaute in 1886 seinen Meister Hyam Sampson und das klingt nach Angestellten aber gleichzeitig hatten sie auch ihre Shop, den er beinahe ruinierte. So passt das schon zu jemanden, der an verschiedenen Orten gearbeitet haben soll.

Levy war 1,60, der Mann von Cox ca. 1,68 groß.

Beste Grüße, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 07.11.2015 20:20 Uhr
Hallo Lestrade,

mir sind die Komplikationen, die du in den verschiedenen Aussagen der Polizisten sehen willst, immer noch nicht ganz klar.

Zunächst mal verstehe ich nicht, was "Macnaghten sagte, dass Kosminski ca. März in eine Anstalt ging" mit der von mir beschriebenen Überwachung zu tun haben soll. Ich schrieb ja nicht von Kosminski, sondern von Levy - es sei denn, Macnaghten hätte Levy mit Kosminski verwechselt. Aber auch von Jacob ist nicht bekannt, dass er im März 1889 eingeliefert wurde. Demnach wäre am Memorandum soviel substantiell falsch, dass wir es ganz als Indizien- und Argumentationsbasis vergessen könnten.


"So sicher Sagar über einen Butcher sprach, so lässt Cox den Job seines Mannes offen. Er spricht jedoch über tailors and capmakers und über drinking their coffee, smoking their excellent cigarettes, and partaking of Kosher rum. Nicht, dass es unmöglich war, zwischen diesen Berufen und Händlern einen Butcher Shop zu überwachen aber ich sehe keinen Hinweis darauf."

Ich finde es plausibel: In der Middlesex Street gab es jede Menge Schneider, also bot sich die Cover Story mit den Factory Inspectors geradezu an. Sie sollte genau davon ablenken, dass man in Wirklichkeit einen Metzger überwachte.
Falls es rauskommen sollte, dass Beamte in seiner Straße herumschnüffelten, würde der observierte Metzger dann denken: Puh, geht ja gar nicht um mich, sondern um die Schneider.
Übrigens sollen Polizisten doch auch als Kunden in den Shop gekommen sein, das passt besser auf eine Metzgerei - ich kann mir nicht vorstellen, dass die Polizei regelmäßig Kleidung gekauft haben sollte, das wäre recht teuer auf der Spesenrechnung geworden.


"Im Falle von Cox könnte aber dennoch die 36 Middlesex Street passen, Butcher hin oder her. Aber es klingt für mich so, dass dieser Shop des Mannes, sein kleiner Laden, sein eigenes Haus, der Hauptarbeitsort jenes Mannes war, eben vielleicht auch Jacob Levy aber dann passt eben zeitgleich nicht der Butcher who worked in Butchers Row, was wieder nach einem Hauptarbeitsort klingt (obwohl man hier nicht von einem eigenen Shop ausgehen kann, vielleicht ein Angestellter?). Jeder Hauptarbeitsort für sich + several shops after night-fall würde da mehr Sinn machen."

Weißt du, was meine Erfahrung in der Arbeit mit Texten ist? Die Schreiber/Redner machen sich i.d.R. weniger Gedanken um jede einzelne Formulierung als diejenigen, die versuchen, irgendwelche Botschaften daraus herauszulesen (geht mir auch immer wieder selbst so, obwohl ich es weiß).
Und angesichts der Tatsache, dass wir weder den Verdächtigen kennen noch seine genaue Beschäftigungsstruktur, fischen wir da nur im Trüben, wenn wir jedes Wort auf die Goldwaage legen.
Wir wissen, ein Verdächter "occupied several shops in the East End" und er hatte auch "his little shop" - somit ist es plausibel anzunehmen, dass er neben seinem eigenen kleinen Laden während der Observation noch andere Arbeitsstellen und/oder Schlafplätze hatte (vermutlich weil es bei ihm nicht mehr so gut lief). Welche nun welche waren, was Haupt- und was Nebenbeschäftigung, und ob gleichzeitig oder nacheinander, wissen wir leider nicht - somit können wir dazu keine tragfähigen detaillierteren Aussagen machen. Nur soviel: Offenbar hat er neben seinem eigenen kleinen Laden zumindest zeitweise auch noch woanders gearbeitet bzw. sich aufgehalten.
Und das ist meine These zum abgewirtschafteten Levy und den zwei Observationen.


"Das gleiche Problem sehe ich auch bei Kosminski, nur das ich Sagar da eher um den Dezember 1890 (als er tatsächlich dort Dienst schob) sehe, was bei Kosminski auch noch möglich war, bei Levy aber nicht."

Ich finde einfach diese Zeitangabe nicht, mit der du Sagars Observation auf Dezember 1890 verortest. Könntest du mir bitte die Quelle zugänglich machen? Denn wenn seine komplette Aussage zur Observation sich auf diesen Zeitraum bezieht, kann ich meine These von seiner Levy-Beobachtung sowieso abhaken, da war der ja schon in der Anstalt.


"Sicher? Kennst Du die Angaben?"

Selbstverständlich, den Zusammenbruch nach der Verurteilung 1886 habe ich ja als erstes bekanntes Symptom für seine beginnende psychische Zerrüttung in meiner umfangreichen Zeitleiste aufgeführt.


"Jacob Levy kann schon mit 16, 21, 25 Jahren krank gewesen sein, ob in seinem Falle nur die Syphilis schuld war...?"

Dafür gibt es aber bisher keine Hinweise, sondern im Gegenteil nur Indizien, die dagegen sprechen: Nämlich dass er erfolgreich eine Familie gegründet hat und anfangs ein ordentlicher Geschäftsmann war.
Du scheinst mir angesichts deiner Fokussierung auf Kosminski etwas zu stark an der These von einer sich schon in jungen Jahren entwickelten Schizophrenie zu hängen...
Bei Jacob gibt es m.W. bisher nichts dazu, dafür ist aber eine medizinische Ursache für seine psychiatrischen Probleme im Erwachsenenalter ab 30 bekannt: seine Syphilis. Dies ist, ohne weitere Vermutungen heranziehen zu müssen, eine völlig hinreichende Erklärung.
Ganz davon abgesehen ist es für den Fall völlig irrelevant, wann genau es bei ihm anfing: Es genügt, dass die psychische Erkrankung zur Zeit der Morde bereits ausgebrochen war - und darauf deutet der Zusammenbruch im Gefängnis 1886 hin.


"Nun, ich sehe da schon einen Unterschied. Jacob Levy hatte auf der einen Seite schon lange, so mein Eindruck, ein stabiles Leben geführt, trotz seiner (schon früheren) Erkrankung und der (später hinzukommenden) Syphilis. Er hatte einen dauerhaften Job, eine lange Ehe (egal wie dieses aussah) mit Kindern und ob dies das Vorleben eines Mannes wie Jack the Ripper war, ich weiß nicht, ich bezweifle das etwas und möchte hier überhaupt nichts ausschließen. Er scheint kein Mann gewesen zu sein, den man hin- und herschob aber das genau erwarte ich vom Ripper, genau wie wechselnde Arbeitsplätze, wenn überhaupt arbeitend, niedrigere oder einfache Arbeiten usw. ..."

Ja, er hatte scheinbar ein gutes Leben, bis er zwei schwere Fehler machte, die eine Abwärtsspirale verursachten: Die Syphilisinfektion durch Fremdficken und der Diebstahl.
(Wieso übrigens "später hinzukommend"? Angesichts des Krankheitsverlaufs der damaligen Syphilis kann eine Infektion in der ersten Hälfte bis Mitte der 1880er Jahre angenommen werden - also schon vor dem Zusammenbruch im Gefängnis, den ich als erstes Symptom ansehe.)

Ich sehe das so: Zuerst hatte er für Eastend-Niveau eine erfüllte, gesicherte Zukunft vor Augen, dann baut er Scheiße und alles in seinem Leben beginnt zu zerbrechen. Er wird wegen des Diebstahls geschnitten, sein Laden geht den Bach runter, seine Ehe gerät deswegen und wegen der Syphilis in die Krise, aber er hat eine Familie zu versorgen, also muss er zusätzlich noch Nebenjobs annehmen. Die fortschreitende Syphilis-Infektion greift aufs Hirn über und verändert sein Denken und Fühlen - aus der Verzeiflung wird Hass, den er auf die Prostituierten projiziert, weil er sich bei einer angesteckt hat und dies als Ursache für seine "Rolltreppe abwärts" ansieht. Und nach dem Tod seiner Mutter, als er auf seinen nächtlichen Streifzügen aus Schlaflosigkeit wieder von einer Prostituierten angemacht wird, rastet sein erkranktes Hirn aus und er macht mit ihnen das, was er als Metzger gelernt hat...


"Levy war 1,60, der Mann von Cox ca. 1,68 groß."

Naja, geschätzte Größenangaben sind so eine Sache, Cox wird wohl kaum ein Maßband angelegt haben, und es macht einen Unterschied, ob man Schuhe mit dicken Sohlen und eine Mütze anhat oder nackt und barfuß in der Anstalt gemessen wird, Körperhaltung und Krankheit können auch eine Rolle spielen. Die verschiedenen Zeugen schätzten die Größen der Verdächtigen von 5 Zoll 3 Inches bis 5 Zoll 6 Inches, wenn ich mich recht erinnere. Letztendlich können wir also nur sagen, dass JTR weder ein Hühne noch ein Zwerg war, sondern dass er wohl der damaligen Durchschnittsgröße entsprach.


Boah, jetzt habe ich schon wieder einen Roman geschrieben. Ich glaube, ich muss mal was gegen meinen Schreibdurchfall unternehmen.  ;)


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 07.11.2015 21:58 Uhr
Hallo Arthur!

Zunächst mal verstehe ich nicht, was "Macnaghten sagte, dass Kosminski ca. März in eine Anstalt ging" mit der von mir beschriebenen Überwachung zu tun haben soll. Ich schrieb ja nicht von Kosminski, sondern von Levy - es sei denn, Macnaghten hätte Levy mit Kosminski verwechselt. Aber auch von Jacob ist nicht bekannt, dass er im März 1889 eingeliefert wurde. Demnach wäre am Memorandum soviel substantiell falsch, dass wir es ganz als Indizien- und Argumentationsbasis vergessen könnten.

Der Mann von Cox ging, zumindest nicht nach den drei Monaten von Cox, in keine Anstalt. Macnaghten´s Kosminski tat dies jedoch. Der Mann von Cox könnte jemand anderes gewesen sein, Jacob Levy zum Beispiel.

"So sicher Sagar über einen Butcher sprach, so lässt Cox den Job seines Mannes offen. Er spricht jedoch über tailors and capmakers und über drinking their coffee, smoking their excellent cigarettes, and partaking of Kosher rum. Nicht, dass es unmöglich war, zwischen diesen Berufen und Händlern einen Butcher Shop zu überwachen aber ich sehe keinen Hinweis darauf."

Ich finde es plausibel: In der Middlesex Street gab es jede Menge Schneider, also bot sich die Cover Story mit den Factory Inspectors geradezu an. Sie sollte genau davon ablenken, dass man in Wirklichkeit einen Metzger überwachte.
Falls es rauskommen sollte, dass Beamte in seiner Straße herumschnüffelten, würde der observierte Metzger dann denken: Puh, geht ja gar nicht um mich, sondern um die Schneider.
Übrigens sollen Polizisten doch auch als Kunden in den Shop gekommen sein, das passt besser auf eine Metzgerei - ich kann mir nicht vorstellen, dass die Polizei regelmäßig Kleidung gekauft haben sollte, das wäre recht teuer auf der Spesenrechnung geworden.

Da würde auch ein Flickschuster passen, Macnaghten sprach von einem "Cobbler" und der Schwager von Kosminski war Boot laster. Es gab einige andere Officers neben Cox, jeder von ihnen hätte regelmäßig solch einen Shop besuchen können. 1, 2 oder 3 mal die Woche... Und Jacob Levy könnte auch passen, klar.

"Das gleiche Problem sehe ich auch bei Kosminski, nur das ich Sagar da eher um den Dezember 1890 (als er tatsächlich dort Dienst schob) sehe, was bei Kosminski auch noch möglich war, bei Levy aber nicht."

Ich finde einfach diese Zeitangabe nicht, mit der du Sagars Observation auf Dezember 1890 verortest. Könntest du mir bitte die Quelle zugänglich machen? Denn wenn seine komplette Aussage zur Observation sich auf diesen Zeitraum bezieht, kann ich meine These von seiner Levy-Beobachtung sowieso abhaken, da war der ja schon in der Anstalt.

Schaue bitte in den Ripperologist 103 (+130), Scott Nelson, Bull Inn Yard Raid in Dezember 1890.

Im Internet findest du nur eher so etwas:

Ripper Wiki/ Sagar

"It has been suggested that this may be the same suspect mentioned in the memoirs of Sagar's colleague Henry Cox. No contemporary reference to the observation of this suspect is known, though evidence in an unrelated case suggests that Sagar may have been carrying out surveillance in Aldgate in April 1889[7]. It has also been suggested that there may be a connection with a raid on a gaming house known as the Alliance Club in Bull Inn Yard, Aldgate, in December 1890. The raid followed observation of the premises, which lay off Aldgate High Street directly opposite to Butchers' Row[8]".

Ich kann auch versuchen sie dir zu schicken. Dann gib mir bitte eine Info.
 
"Sicher? Kennst Du die Angaben?"

Selbstverständlich, den Zusammenbruch nach der Verurteilung 1886 habe ich ja als erstes bekanntes Symptom für seine beginnende psychische Zerrüttung in meiner umfangreichen Zeitleiste aufgeführt.

Okay!  "Whether any near relative has been afflicted with insanity Yes. Elder brother cut his throat"

Ich sehe das so: Zuerst hatte er für Eastend-Niveau eine erfüllte, gesicherte Zukunft vor Augen, dann baut er Scheiße und alles in seinem Leben beginnt zu zerbrechen. Er wird wegen des Diebstahls geschnitten, sein Laden geht den Bach runter, seine Ehe gerät deswegen und wegen der Syphilis in die Krise, aber er hat eine Familie zu versorgen, also muss er zusätzlich noch Nebenjobs annehmen. Die fortschreitende Syphilis-Infektion greift aufs Hirn über und verändert sein Denken und Fühlen - aus der Verzeiflung wird Hass, den er auf die Prostituierten projiziert, weil er sich bei einer angesteckt hat und dies als Ursache für seine "Rolltreppe abwärts" ansieht. Und nach dem Tod seiner Mutter, als er auf seinen nächtlichen Streifzügen aus Schlaflosigkeit wieder von einer Prostituierten angemacht wird, rastet sein erkranktes Hirn aus und er macht mit ihnen das, was er als Metzger gelernt hat...

Ist das nicht ein wenig zu einfach formuliert? Muss man nicht von der Jugend an Verstümmelungsfantasien entwickelt haben? Warum nahm er die Prostituierten nicht mit in seinen Shop? So als Butcher mit eigenem kleinen Geschäft? Seine Frau wandte sich von ihm ab, wie Du spekuliert hast und war vielleicht gar nicht da.

Auch Jacob Levy hätte diese Fantasien entwickelt haben und die Syphilis hätte der Auslöser zum Morden gewesen sein können. Viele erkrankten daran aber wie viele Mörder erwuchsen daraus? Man muss sicherlich Vorbedingungen mitbringen oder nicht? Jemand der schon vorher Groll gegen Frauen und Prostituierte hegte und dann Syphlis bekommt, mit dem kann die Wut durchgehen, klar. Beim Ripper sollte man schon jemanden mit diesem Frauenbild vermuten bevor die Syphilis einsetzt und das sehe ich bei Jacob Levy mit Ehefrau und Kindern weniger.

Du siehst einen gesunden Jacob Levy, der mit der Syphilis zum Frauenschlächter wurde? Akzeptiert!

Gestern schriebst Du:

"Wir wissen ja nicht, ob Levy und seine Frau auch wirklich noch die ganze Zeit zusammen wohnten, nur weil sie formal laut Census an derselben Adresse gemeldet waren.
Immerhin dürfen wir voraussetzen, dass zwischen beiden der Haussegen ganz gewaltig schief hing: Er hatte sich bei einer Prostituierten mit Syphilis angesteckt, war wegen Diebstahls verurteilt worden, was ihm in der Gemeinde viele Feinde gemacht haben dürfte, wurde immer seltsamer, trieb sich nachts herum und ruinierte langsam aber sicher ihr Geschäft.
Es kann also gut sein, dass seine Frau mit den Kindern aus Protest zeitweise die gemeinsame Wohnung verlassen hatte, so dass er nachts alleine war (nach dem Motto: "Ich hab die Schnauze voll - ich ziehe zu meiner Mutter!"). Oder dass sie ihn aus dem Schlafzimmer rauswarf und er im Shop nächtigen musste..."


Du wirst lachen, gestern fand ich durch Zufall noch im Post Office Verzeichnis von 1891 Hyman Sampson in der 67 Middlesex Street. Das war die Person, die er 1886 beklaute. In 1891 wurden sie Nachbarn, die Levys, besser gesagt nur seine Frau, wohnend in 69 Middlesex Street. Anzunehmen, dass er zum Arsch in dieser Welt wurde können wir nicht. Es ist auch gut möglich, dass sich Verwandte, Bekannte und Freunde um ihn und seine Familie kümmerten. Wir können vieles behaupten aber wissen tun wir es nicht. 

Noch einmal zu Sagar und Cox. Vielleicht erinnerst Du dich, neulich postete ich das hier:

GEORGE JOHNSON, JOHN PHILLIPS, Deception > forgery, 24th November 1890.

JOSEPH TRAGHEIM . “I came from the Baltic provinces—I live at 81, Greenfield Street, Commercial Road—I was formerly in business at Rotterdam…”

ROBERT CHILD (City Detective)

“I was watching Tragheim—between October 1st and 17th I saw Tragheim daily, except on Sundays—I saw three or four other persons of the gang who he spoke to; he was then sleeping at 81, Greenfield Street—I did not watch him at all, he made appointments and we kept them—other officers were watching;”

JOHN HARMAN . I am a lithographic printer, of 12, Bacon Street,. Brick Lane

HENRY COX (City Policeman)
. "On 24th September, in consequence of instructions from Child, I watched in Liverpool Street, and saw the prisoners together—I followed Johnson and another man to Bethnal Green, and lost sight of him in Gibraltar Gardens—I saw him again next day in Liverpool Street with someone else, followed them to Bacon Street, Spitalfields, and lost sight of him—on the 29th I saw Johnson again, and followed him to Mr. Harman's, 12, Bacon Street—I did not wait to see him come out—on September 30th I was watching in Bacon Street, and saw Johnson come there about 1.20; he went into No. 12, and came out about 4.20—I followed him to Shoreditch Station and lost sight of him—while he was there on the 30th I saw Mr. Harman come out to get some food, he was out twenty' minutes or half an hour—I have seen Johnson, Phillips, and Tragheim in company on other occasions in September and October."

ROBERT SAGER (City Police Inspector). "On 22nd October I was keeping observation on 115, Hayter Road, Forest Gate, and when Phillips left I said, "Mr. Phillips, I am an officer, and these are officers here from the City; I am going to arrest you for forging and uttering letters of credit on Drexel and Morgan, of London and other places"—he said, "I have got no letters of credit; I know nothing about them"—I took him to the station."

Tragheim lebte 81 Greenfield Street, sechs Türen weiter lebte Isaac Abrahams in 74 Greenfield Street und Matilda Lubnowski, gegenüber Isaac in der 16 Greenfield Street. Beides Geschwister von Aaron Kozminski. In October 1890 “other officers (City Police) were watching” in Greenfield Street.

Cox und Sagar, City CID, waren involviert in diesem Fall und das auf dem Gebiet der MET Polizei. Cox selber verfolgte bis Bethnal Green, Spitalfields, Shoreditch… Bacon Street lag am nördlichen Ende der Brick Lane.

Auffallend ist auch, das die City Police in der Greenfield Street tätig waren, kurz bevor Aaron Kozminski nach Colney Hatch ging. Und das vermutlich kurz nach der ID im Seaside Home. Swanson von der MET Polizei gab ja auch an, dass Kosminski Tag und Nacht von der City Kriminalpolizei observiert wurde.

"other officers (of the City Police) were watching" in October 1890 in Greenfield Street...

Die City Polizei war, kurz vor der Einweisung Aarons, in der Greenfield Street aktiv. Dort lebten seine Schwester Matilda und sein Bruder Isaac. Gleichzeitig ist es möglich, dass Sagar u.a. auch in der Butchers Row aktiv war. Der andere Bruder Woolf lebte im Sion Square, den man schnell in Richtung Butchers Row verlassen konnte. In Sagar´s Fall im Dezember 1890 ging es um eine Razzia im Bull Inn Yard aber der lag genau gegenüber der Butchers Row. Sagar hatte aber, gemeinsam mit Cox, jedoch eben auch eine Verbindung zu dieser Greenfield Street Geschichte, alles Ende des Jahres 1890. Wir wissen, dass es einen Verdächtigen gab, der lange (Cox) und sorgfältig (Sagar) überwacht wurde. Und Swanson sagte, dass die City Polizei diesen Job der Überwachung übernahm. Nun zog sich das alles hin, es war das East End und es gab viele "Verbrechen" aller Art. Es ist gut möglich, dass die Polizei bei der Überwachung von Kosminski in der Greenfield Street, im Sion Square oder in der Butchers Row und anderen Locations noch anderen Übeltätern auf die Spur kam.

Vielleicht ist das alles auch nur reiner Zufall. Ich weiß es nicht.

Dir noch einen schöne Abend,

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 07.11.2015 23:02 Uhr
Das Buch von Jonathan H. ist wohl jetzt erhältlich sehe ich gerade:

http://www.jtrforums.com/showthread.php?t=24530

Ganz schön teuer, ich warte noch etwas und dann schlage ich zu, vielleicht wird das ebook preiswerter, mal sehen.

"Police chief Sir Melville Macnaghten claimed to know the truth from “private information,” but his source has remained unknown for more than a century. Here, the identity of Sir Melville’s informer is revealed, explaining why the Ripper was disguised as an insane surgeon for public consumption. A number of photos are included, some never before seen."

Das klingt doch schon einmal spannend...

Gibt es jetzt auch als günstigere Kindle Edition... ich habe zugeschlagen...
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 08.11.2015 15:04 Uhr
Hallo Lestrade!

"Der Mann von Cox ging, zumindest nicht nach den drei Monaten von Cox, in keine Anstalt. Macnaghten´s Kosminski tat dies jedoch. Der Mann von Cox könnte jemand anderes gewesen sein, Jacob Levy zum Beispiel."

Ach so meinst du das, klar. Aber angesichts der nachgewiesenen Ungenauigkeiten in Macnaghtens Memorandum vermeide ich ihn eigentlich lieber, sofern es eine andere Quelle gibt. Vielleicht hatte Macnaghten da was mit Hyams oder David Cohen verwechselt, denn von unseren vier nachgewiesenen jüdischen Psychiatriepatienten wissen wir bisher nur von den beiden, dass sie schon so früh in einer Anstalt waren - allerdings bereits seit Dezember 1888. Solange es keine anderen Hinweise auf bisher unbekannte Verdächtige mit Psychiatriehintergrund gibt, auf die das Einweisungsdatum März 1889 in etwa passt, oder in privaten Einrichtungen etwas zu Kosminski oder Levy gefunden wird, betrachte ich Macnaghtens Aussage eher kritisch.


"Da würde auch ein Flickschuster passen, Macnaghten sprach von einem "Cobbler" und der Schwager von Kosminski war Boot laster. Es gab einige andere Officers neben Cox, jeder von ihnen hätte regelmäßig solch einen Shop besuchen können. 1, 2 oder 3 mal die Woche..."

Stimmt, das würde dann auch gut auf eine Observierung Kosminskis passen - und die Polizei wird jede Menge Schuhe mit abgelaufenen Sohlen gehabt haben, die sowieso erneuert werden mussten.


"Schaue bitte in den Ripperologist 103 (+130), Scott Nelson, Bull Inn Yard Raid in Dezember 1890."
(...)
Im Internet findest du nur eher so etwas:
'It has been suggested that this may be the same suspect mentioned in the memoirs of Sagar's colleague Henry Cox. No contemporary reference to the observation of this suspect is known, though evidence in an unrelated case suggests that Sagar may have been carrying out surveillance in Aldgate in April 1889[7]. It has also been suggested that there may be a connection with a raid on a gaming house known as the Alliance Club in Bull Inn Yard, Aldgate, in December 1890. The raid followed observation of the premises, which lay off Aldgate High Street directly opposite to Butchers' Row[8]'."


Ah, vielen Dank. Das heißt also, dass es auch 1890 dort Observationen gab - allerdings "direkt gegenüber der Butcher's Row". Damit wäre das wohl nicht "der Butcher's Row Suspect" gewesen.
Ich fürchte, dass es wegen der hohen Kriminalitätsrate im Eastend viele Observationen gab, das macht es nicht gerade einfach, diejenigen mit möglichen Ripper-Bezug zu identifizieren.

Könnte es sein, dass die City Police viele Observationen im Territorium der Metro Police vornahm? Und zwar nicht nur dann, wenn die Tatorte und damit die Zuständigkeiten auf ihrem Gebiet lagen, die Verdächtigen aber im Eastend lebten - sondern auch weil man hoffte, dass revierfremde Polizisten nicht so schnell erkannt und enttarnt werden? Oder gab es eine speziell ausgebildete Abteilung dafür, die bei der City Police angesiedelt war?


"Whether any near relative has been afflicted with insanity Yes. Elder brother cut his throat"

Jacobs Bruder hat sich doch umgebracht, weil er spielsüchtig war und sein ganzes Geld verzockt hatte. Und ist nicht auch im jüdischen Glauben Suizid sündhaft? Angehörige suchen oft nach Ausreden/Entschuldigungen dafür. Er muss also nicht unbedingt die Folge einer Geisteskrankheit gewesen sein - und selbst wenn: Erstens muss es keine Psychose gewesen sein, die höchste Suizidrate haben Depressionen. Zweitens erhöht eine familiäre Disposition nur die Wahrscheinlichkeit, dass man auch daran erkrankt.
Aber ok, es ist ein Indiz dafür, dass es in seiner Familie psychische Erkrankungen gegeben haben und Jacob eine Disposition dazu gehabt haben kann.


"Ist das nicht ein wenig zu einfach formuliert? Muss man nicht von der Jugend an Verstümmelungsfantasien entwickelt haben? (...) Auch Jacob Levy hätte diese Fantasien entwickelt haben und die Syphilis hätte der Auslöser zum Morden gewesen sein können. Viele erkrankten daran aber wie viele Mörder erwuchsen daraus? Man muss sicherlich Vorbedingungen mitbringen oder nicht? Jemand der schon vorher Groll gegen Frauen und Prostituierte hegte und dann Syphlis bekommt, mit dem kann die Wut durchgehen, klar. Beim Ripper sollte man schon jemanden mit diesem Frauenbild vermuten bevor die Syphilis einsetzt und das sehe ich bei Jacob Levy mit Ehefrau und Kindern weniger."

Naja, ich hatte es ein bisschen flott und salopp zusammengefasst, sonst wäre der Text noch länger geworden.
Klar hast du recht, dass er auch schon früher Phantasien entwickelt haben könnte, die er aber als Metzger vorerst noch legal und sozialverträglich ausleben konnte, so dass es niemandem auffiel. Ein Tierverstümmler, der seine Perversion als Beruf ausübt - hatte ich als Möglichkeit in meiner Levy-Zusammenfassung erwähnt.
Anders herum wäre allerdings genauso gut möglich: Er bekam durch die Hirnerkrankung Aggressionen und Gewaltphantasien, die sich an seinen beruflichen Erfahrungen als Metzger orientierten (z.B. war der Gleisarbeiter Phineas Gage vor seiner Hirnverletzung durch einen Unfall ein verantwortungsbewusster, ausgeglichener Mann - danach wurde er asozial und aggressiv).
Letztendlich ist das eine rein akademische Frage nach Henne und Ei, die wir heute nicht mehr beantworten können - und für den Fall auch nicht müssen.

Das Wesentliche ist m.E. doch: Jacob vereint einen ganzen Komplex von Risikofaktoren für eine mörderische Entwicklung. Und egal in welcher Reihenfolge, die Facetten passen gut zusammen: Syphilis, wirtschaftliche und soziale Probleme, Verbrechen, Tod der Mutter, offener Ausbruch von Wahnsinn mit befehlenden Stimmen, die ihn zu Dingen drängen, die er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann... Und die Auswahl der Opfer und die Vorgehensweise passen zur Geschlechtskrankheit und zur Berufspraxis.


"Du wirst lachen, gestern fand ich durch Zufall noch im Post Office Verzeichnis von 1891 Hyman Sampson in der 67 Middlesex Street. Das war die Person, die er 1886 beklaute. In 1891 wurden sie Nachbarn, die Levys, besser gesagt nur seine Frau, wohnend in 69 Middlesex Street."

Ja, soweit ich weiß, war das schon 1886 beim Prozess gegen Levy die Wohnadresse von Sampson, nur seine Metzgerei war lange in der Goulston Street. Sowas kann in Ballungsgebieten eben vorkommen: Bei der Wohnraumknappheit des übervölkerten Eastends konnte man sich seine Nachbarn nicht immer aussuchen. Und wenn Jacobs Frau nach seiner Einweisung aus finanziellen Gründen umziehen musste, konnte sie bestimmt nicht wählerisch sein. Dürfte aber schon ab 1886 ziemlich unerfreulich gewesen sein, wenn Sampson und Jacob sich regelmäßig über den Weg liefen.


"Wir können vieles behaupten aber wissen tun wir es nicht."

Ja, daran krankt der ganze Fall: Wir können anhand der begrenzten Infos nur mehr oder weniger plausible Thesen aufstellen.


"Die City Polizei war, kurz vor der Einweisung Aarons, in der Greenfield Street aktiv. (...)
Vielleicht ist das alles auch nur reiner Zufall. Ich weiß es nicht."


Ja, wenn Cox und Sagar regelmäßig fürs Beschatten eingesetzt wurden, könnten sie vermutlich einer entsprechenden Abteilung für Observationen angehört haben - und dann werden sie viele verschiedene Fälle abgearbeitet haben, was es nicht gerade einfacher macht, Verbindungen einer speziellen Überwachung zum Ripper-Fall herzustellen.

Aber je mehr Facetten passen, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht nur Zufall war. Letztendlich haben wir mit unseren beschränkten Infos nur die Möglichkeit, offensichtlich nicht zusammenpassende Elemente auszuschließen - und bei den Infos, die zusammenpassen könnten, können wir nur versuchen, die Wahrscheinlichkeit ihres Zusammenhangs einzuschätzen.
Butcher's Row und Factory Inspectors passen zu Levy wegen seines Berufs und seiner Adresse. Zu Kosminski passt die Schneider-Geschichte wegen seiner Brüder und diese andere Observation in der Greenfield Street wegen der Adresse.
Und beides muss sich noch nicht einmal ausschließen, wenn die Polizei mehrere Ripper-Verdächtige überwachte - wichtig ist für unsere Thesen zu den Verdächtigen vor allem, dass es in ihrem unmittelbaren Umfeld tatsächlich Observationen gab. Das ist ein weiteres Indiz im Puzzle.


MfG, Arthur Dent



P.S. Dann bin ich mal gespannt, was du über das Buch berichten kannst.  :good:
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 08.11.2015 16:42 Uhr
Hallo Arthur,

Habe gerade für dich etwas herausgesucht und dabei fielen mir zwei Dinge auf.

Doch zunächst:

Ah, vielen Dank. Das heißt also, dass es auch 1890 dort Observationen gab - allerdings "direkt gegenüber der Butcher's Row". Damit wäre das wohl nicht "der Butcher's Row Suspect" gewesen.
Ich fürchte, dass es wegen der hohen Kriminalitätsrate im Eastend viele Observationen gab, das macht es nicht gerade einfach, diejenigen mit möglichen Ripper-Bezug zu identifizieren.

Schon gelesen? Die Observation, von der Sagar bezüglich des Rippers sprach, führten sie, logischerweise, von der gegenüberliegenden Straßenseite aus. Das alles war, natürlich, die Aldgate High Street und der Verdächtige befand sich in der Butchers Row, einen Abschnitt mit einige Butchern auf dieser Straße. Es ist sehr wahrscheinlich, dass bei der bestätigten Observation von Sagar, in diesem Yard, gleich am Eingang zum diesem Innenhof ihr Observationspunkt lag. Damit hätten sie einen sehr guten Blick gehabt auf folgende Geschäfte gegenüber in der Butchers Row:

Bullas 58, De Leeuw 59, Rayment 60 und Bosman 62.

Angenommen, die City Police beobachtete hier den möglichen Ripper, dann hätten sie mitbekommen haben können, auf ihrer Seite der Aldgate High Street am Eingang des Innenhofes, nur auf der anderen Seite des Durchgangs, dass dort ein Puff betrieben wird. Es war ihr Gebiet, es war eine Straftat und alles andere läge dann nahe. In diesem Falle des Bordells, hätte dann Kommissar Zufall geholfen. Ich halte das alles für absolut möglich.

Nun zu dem, was mir auffiel. Zum ersten:

"Du wirst lachen, gestern fand ich durch Zufall noch im Post Office Verzeichnis von 1891 Hyman Sampson in der 67 Middlesex Street. Das war die Person, die er 1886 beklaute. In 1891 wurden sie Nachbarn, die Levys, besser gesagt nur seine Frau, wohnend in 69 Middlesex Street."

Ja, soweit ich weiß, war das schon 1886 beim Prozess gegen Levy die Wohnadresse von Sampson, nur seine Metzgerei war lange in der Goulston Street. Sowas kann in Ballungsgebieten eben vorkommen: Bei der Wohnraumknappheit des übervölkerten Eastends konnte man sich seine Nachbarn nicht immer aussuchen. Und wenn Jacobs Frau nach seiner Einweisung aus finanziellen Gründen umziehen musste, konnte sie bestimmt nicht wählerisch sein. Dürfte aber schon ab 1886 ziemlich unerfreulich gewesen sein, wenn Sampson und Jacob sich regelmäßig über den Weg liefen.

Hyman Sampson´s Adresse in 1886 war 35 Middlesex Street, die von Jacob Levy in 1886 36 Middlesex Street. Sie waren auch da schon Nachbarn und zogen um 1891 herum wohl zeitgleich zu ihren neuen Adressen, wo sie Nachbarn blieben (67 Sampson/ 69 Levy).

"about two minutes afterwards Levy came out at his shop door, which is next door"

Der Fall ist hier nachzulesen:

http://www.oldbaileyonline.org/browse.jsp?id=t18860405-name-62&div=t18860405-419#highlight

"Jacob Levy having been arrested on 10 March 1886 for the theft of a weight of meat from his master Hyman Sampson, who formerly had a butcher's business at 58 Goulston Street"

Irgendeine Idee?

Trotz der ganzen Sache, könnte es möglich sein, dass beide Familien befreundet blieben als erkannt wurde, dass Jacob sehr krank ist. Er wanderte ja auch nicht in den Knast sondern in eine Anstalt. Laut seiner Frau, brachte er doch schon vieles durcheinander...

Zu der Polizeiarbeit versuche ich mich gerade besser kundig zu machen. Vor mir liegt Sir Howard Vincent´s Police Code von Neil Bell und Adam Wood, von beiden signiert, (bin ein Fan  8) ), vielleicht hilft das weiter. Ich müsste es nur anfangen zu lesen...

Nun zum zweiten:

Ich wunderte mich etwas, dass Du Cox ausgerechnet in der Middlesex Street siehst. Das war ja keine typische Schneider Straße. Es gab dort den regelmäßigen Petticoat Lane Markt, Kleiderhändler. Aber Cox und Co. beobachteten ja keinen "Trödelmarkt" sondern eine Straße wo es sehr wahrscheinlich ist, dass es dort einige Schneider und Capmaker gab. Aber das war in jener Straße nicht der Fall. Ich vermutete, Du könnest den Kleidermarkt mit einer Schneiderstraße gleichsetzen. Mir war diese Straße dafür nicht bekannt, also für Schneider. Deshalb habe ich mal nachgeschaut. Ich sehe in 1891 dort ganze zwei Schneider, 16 Shops voneinander getrennt existierend. Es gab sogar einen Butcher mehr, neben Levy und Sampson.

Eine typische Schneiderstraße wäre die Greenfield Street! 1888:

Levy 4 Greenfield Street
Joseph 9 Greenfield Street
Miller 11 Greenfield Street
Cohen 15 Greenfield Street
Morris 19 Greenfield Street
Esner 20 Greenfield Street
Kazanoski 21 Greenfield Street
Solomons 22 Greenfield Street
Hyams 22 Greenfield Street
Rosenbaum 25 Greenfield Street
Fox 26 Greenfield Street
Fifer 27 Greenfield Street
Hubriez 30 Greenfield Street
Hennessy 36 Greenfield Street
Parr 54 Greenfield Street
Cohen 58 Greenfield Street
Gold 63 Greenfield Street
Goldstein 70 Greenfield Street
Rosen 71 Greenfield Street
Lyons 72 Greenfield Street
Perlmutler 73 Greenfield Street
Abrahams 74 Greenfield Street (der Bruder von AK)
Sleeves 75 Greenfield Street
Schmidt 76 Greenfield Street
Girklke 78 Greenfield Street
Phillips 81 and half Greenfield Street
Solomons 83 Greenfield Street
Goldberg 84 Greenfield Street
Posner 87 Greenfield Street
Staaks 87 Greenfield Street
Dicks 89 Greenfield Street
Goldberg 86 Greenfield Street
Lazarus 25 Greenfield Street
Lohski 50 Greenfield Street
Schiff M 77b Greenfield Street
Rosenthal 5 Coker Street Greenfield Street
Harris 2 Charles Court Greenfield Street

Vielleicht hilft das alles irgendwie weiter.

Beste Grüße,

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 09.11.2015 18:11 Uhr
Hallo Lestrade!


"Angenommen, die City Police beobachtete hier den möglichen Ripper, dann hätten sie mitbekommen haben können, auf ihrer Seite der Aldgate High Street am Eingang des Innenhofes, nur auf der anderen Seite des Durchgangs, dass dort ein Puff betrieben wird. Es war ihr Gebiet, es war eine Straftat und alles andere läge dann nahe. In diesem Falle des Bordells, hätte dann Kommissar Zufall geholfen. Ich halte das alles für absolut möglich."

Dass könnte natürlich sein, dass die Polizei bei ihren Überwachungen gewissermaßen etwas "Beifang" mitnahm - sofern dies ihre Observationen nicht gefährdete.
Aber wenn ich mich recht erinnere, erwähnten nicht nur Cox, sondern auch Sagar und Swanson, dass die Mordserie unmittelbar mit Beginn der Observationen abriss, siehe z.B.: "Cox also recalled that the crimes ceased immediately after the suspect was put under observation, and he makes it clear that there were no Ripper-like murders after the murder of Mary Jane Kelly." http://www.casebook.org/dissertations/rip-butchersrow.html
Dezember 1890 passt da zeitlich überhaupt nicht, das wäre eine über zweijährige Observation in der Butcher's Row gewesen vom Kelly-Mord im November 1888 an. Ich halte es für zweifelhaft, dass die Polizei über zwei Jahre lang 24/7 zur Überwachung eines einzigen Verdächtigen Personal hätte bereitstellen können und dürfen - das wäre extrem teuer gewesen und das Personal hätte anderweitig gefehlt.


"Hyman Sampson´s Adresse in 1886 war 35 Middlesex Street, die von Jacob Levy in 1886 36 Middlesex Street. Sie waren auch da schon Nachbarn und zogen um 1891 herum wohl zeitgleich zu ihren neuen Adressen, wo sie Nachbarn blieben (67 Sampson/ 69 Levy).
(...)
Irgendeine Idee?"


Nein, im Moment habe ich keine, die über Zufall oder haltlose Spekulationen hinausginge...

Nur eine Bemerkung noch zur Diebstahl-Geschichte: Jacob wanderte nach Sampsons Anzeige durchaus in den Knast - er wurde lediglich deshalb in die Klapse verlegt, weil er schon am Anfang seiner Haft einen Selbstmordversuch begangen hatte.

Ich habe allerdings noch einen interessanten Umzug von der Butcher's Row in die Middlesex Street wiedergefunden:
"Further east along Aldgate High Street, there was at no. 21 the dairyman, George Bolam. Bolam then shows in 1890 up in the Middlesex Street directories as a “cowkeeper” at no. 27, on the corner and next door to no. 1 Hutchinson Street, the house/shop of the Eddowes inquest witness Joseph Hyam Levy."
http://www.casebook.org/dissertations/rip-butchersrow.html


"Ich wunderte mich etwas, dass Du Cox ausgerechnet in der Middlesex Street siehst. Das war ja keine typische Schneider Straße."

Dass du im Census in der Middlesex Street nur zwei Schneider gefunden hast, könnte das vielleicht daran liegen, dass der Census das Einwohner-Melderegister ist, in dem zwar die Wohnadressen und Berufe der Bürger aufgeführt wurden, aber nicht wo sie arbeiteten? Die Adressen von Wohn- und Arbeitsort sind nur bei kleinen Selbständigen mit Shop im eigenen Haus identisch.
In der Petticoat Lane gab es aber offenbar Manufakturen - denn als ich mich vor einiger Zeit wegen Jacob über die Geschichte der Straße informiert habe, fand ich nämlich, dass die Petticoat Lane "zu einem Zentrum der Kleidungsherstellung" wurde, das in den 1880ern von den jüdischen Immigranten übernommen wurde:

"From the mid-18th century, Petticoat Lane became a centre for manufacturing clothes. The market served the well-to-do in the City, selling new garments. About 1830, Peticote Lane's name changed to Middlesex Street (...) But the old name continues to be associated with the area.
From 1882, a wave of Jewish immigrants fleeing persecution in eastern Europe settled in the area. (...) Jewish immigrants entered the local garment industry and maintained the traditions of the market."
https://en.wikipedia.org/wiki/Petticoat_Lane_Market

Cox schreibt, dass sie sich als "Factory Inspectors" gegen Kinderarbeit ausgaben, und das deutet für mich auf Manufakturen mit einer größeren Zahl von Angestellten hin, und nicht auf Familienbetriebe in den eigenen vier Wänden, in denen i.d.R. vor allem Familienmitglieder in Heimarbeit werkelten.
Insofern sehe ich die Petticoat Lane durchaus als möglichen Ort der Observation.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 09.11.2015 19:47 Uhr
Hey Arthur,

"Angenommen, die City Police beobachtete hier den möglichen Ripper, dann hätten sie mitbekommen haben können, auf ihrer Seite der Aldgate High Street am Eingang des Innenhofes, nur auf der anderen Seite des Durchgangs, dass dort ein Puff betrieben wird. Es war ihr Gebiet, es war eine Straftat und alles andere läge dann nahe. In diesem Falle des Bordells, hätte dann Kommissar Zufall geholfen. Ich halte das alles für absolut möglich."

Dass könnte natürlich sein, dass die Polizei bei ihren Überwachungen gewissermaßen etwas "Beifang" mitnahm - sofern dies ihre Observationen nicht gefährdete.
Aber wenn ich mich recht erinnere, erwähnten nicht nur Cox, sondern auch Sagar und Swanson, dass die Mordserie unmittelbar mit Beginn der Observationen abriss, siehe z.B.: "Cox also recalled that the crimes ceased immediately after the suspect was put under observation, and he makes it clear that there were no Ripper-like murders after the murder of Mary Jane Kelly." http://www.casebook.org/dissertations/rip-butchersrow.html
Dezember 1890 passt da zeitlich überhaupt nicht, das wäre eine über zweijährige Observation in der Butcher's Row gewesen vom Kelly-Mord im November 1888 an. Ich halte es für zweifelhaft, dass die Polizei über zwei Jahre lang 24/7 zur Überwachung eines einzigen Verdächtigen Personal hätte bereitstellen können und dürfen - das wäre extrem teuer gewesen und das Personal hätte anderweitig gefehlt.

Sims über den "Polish Jew" (Kosminski) und den "Russian doctor" (Ostrog):

"They were both alive long after the horrors had ceased, and though both were in an asylum, there had been a considerable time after the cessation of the Ripper crimes during which they were at liberty and passing about among their fellow men."

Cox:

"but from time to time he became insane, and was forced to spend a portion of his time in an asylum in Surrey"

Anderson (Blackwoods):

"I will only add that when the individual whom we suspected was caged in an asylum, the only person who had ever had a good view of the murderer at once identified him; but when he learned that the suspect was a fellow-Jew he declined to swear to him."

Swanson:

Nach der ID im Seaside Home:

"On suspect's return to his brother's house in Whitechapel he was watched by police (City CID) by day & night"

Ich sehe keinen Grund, hier von einer mehrjährigen Rund um die Uhr Überwachung zu sprechen. Er wird einen erhebliche Zeit in einer Anstalt verbracht haben. Private Anstalten nutzten zu dieser Zeit gerne einen dreimonatigen Rhythmus und das könnte sich mehrmals wiederholt haben.

"Hyman Sampson´s Adresse in 1886 war 35 Middlesex Street, die von Jacob Levy in 1886 36 Middlesex Street. Sie waren auch da schon Nachbarn und zogen um 1891 herum wohl zeitgleich zu ihren neuen Adressen, wo sie Nachbarn blieben (67 Sampson/ 69 Levy).
(...)
Irgendeine Idee?"


Nein, im Moment habe ich keine, die über Zufall oder haltlose Spekulationen hinausginge...

Nun, ich vermute, es scheint nur ein Hinweis darauf zu sein, dass Sampson mal in der Goulston Street aktiv war, Levy dort einen Bruder hatte und es das GSG dort gab.

Nur eine Bemerkung noch zur Diebstahl-Geschichte: Jacob wanderte nach Sampsons Anzeige durchaus in den Knast - er wurde lediglich deshalb in die Klapse verlegt, weil er schon am Anfang seiner Haft einen Selbstmordversuch begangen hatte.

Ich verstehe es so, dass er von seiner Verurteilung an, 5 April 1886, erst bis zu seiner Überführung am 19.4. 86 nach Chelmsford im Holloway Prison war. Am 26.5. 1886 ging es dann weiter in die Essex Anstalt. Vom Haftantritt 19.4 bis zur Verlegung am 26.5. war es eine Woche und bereits am 21.5. wurde ihm seine Haftunfähigkeit assistiert.

"Ich wunderte mich etwas, dass Du Cox ausgerechnet in der Middlesex Street siehst. Das war ja keine typische Schneider Straße."

Dass du im Census in der Middlesex Street nur zwei Schneider gefunden hast, könnte das vielleicht daran liegen, dass der Census das Einwohner-Melderegister ist, in dem zwar die Wohnadressen und Berufe der Bürger aufgeführt wurden, aber nicht wo sie arbeiteten? Die Adressen von Wohn- und Arbeitsort sind nur bei kleinen Selbständigen mit Shop im eigenen Haus identisch.
In der Petticoat Lane gab es aber offenbar Manufakturen - denn als ich mich vor einiger Zeit wegen Jacob über die Geschichte der Straße informiert habe, fand ich nämlich, dass die Petticoat Lane "zu einem Zentrum der Kleidungsherstellung" wurde, das in den 1880ern von den jüdischen Immigranten übernommen wurde:

"From the mid-18th century, Petticoat Lane became a centre for manufacturing clothes. The market served the well-to-do in the City, selling new garments. About 1830, Peticote Lane's name changed to Middlesex Street (...) But the old name continues to be associated with the area.
From 1882, a wave of Jewish immigrants fleeing persecution in eastern Europe settled in the area. (...) Jewish immigrants entered the local garment industry and maintained the traditions of the market."
https://en.wikipedia.org/wiki/Petticoat_Lane_Market

Cox schreibt, dass sie sich als "Factory Inspectors" gegen Kinderarbeit ausgaben, und das deutet für mich auf Manufakturen mit einer größeren Zahl von Angestellten hin, und nicht auf Familienbetriebe in den eigenen vier Wänden, in denen i.d.R. vor allem Familienmitglieder in Heimarbeit werkelten.
Insofern sehe ich die Petticoat Lane durchaus als möglichen Ort der Observation.

Welchen Census Arthur? Ich spreche vom Post Office Directory. Unternehmen, Händler, Läden etc. In einer Straße wie der Greenfield Street wurden Kleider produziert, sie hatten ihre Werkstätten dort, Isaac Abrahams zum Beispiel hatte seine hinter dem Haus. Natürlich wurde auch in kleineren Räumlichkeiten produziert. Und wie bei einem Butcher boten auch die Schneider ihre "produzierte" Ware an, manche produzierten nur für andere, andere verkauften selber oder es war eine Kombination aus beiden. Natürlich ließen sich die jüdischen Immigranten im East End nieder und arbeiteten, produzierten und verkauften ihre Produkte als Schneider. Und natürlich wurde die Petticoat Lane ein Synonym für im East End produzierte Bekleidung. Die nahegelegen Petticoat Lane war auch ein Grunde, das GSG schnell zu entfernen, weil die ankommenden jüdischen Händler bereits zu hören waren... In 1891 gab es dort zwei Schneider, Levi und Valentine... ich habe hier alle Unternehmer vor mir, alle Berufsbereiche... welche weiteren produzierenden Schneider kannst Du benennen? Welche Manufakturen? Sie bauten dort ihre Stände auf, dass ist natürlich klar. Es gab dort auch keinen einzigen Capmaker, davon sprach Cox ja auch. Falls Du was anderes finden oder belegen kannst, wäre ich dir dankbar. Alles hilft weiter. Wie genau diese beiden Schneider dort arbeiteten, ob überhaupt und welche Mengen sie produzierten, welchen Service sie anboten, weiß ich nicht, auch nicht, wieviele Angestellte sie hatten. Isaac Abrahams hatte 14 Angestellte. Viele Schneider hatten die Angewohnheit, zu einem Treffpunkt zu gehen, ich glaube, dass war nahe der Petticoat Lane, um Tagelöhner anzuheuern. Da waren sicherlich auch Minderjährige dabei und um dagegen anzugehen dafür gaben sich Cox und Co. aus. Ich hatte mal eine Liste mit Schneiderstraßen im East End, finde sie aber nicht. Aber im Directory kann ich die auch zusammenrechnen.

Beste Grüße, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 09.11.2015 23:24 Uhr
Ich habe allerdings noch einen interessanten Umzug von der Butcher's Row in die Middlesex Street wiedergefunden:
"Further east along Aldgate High Street, there was at no. 21 the dairyman, George Bolam. Bolam then shows in 1890 up in the Middlesex Street directories as a “cowkeeper” at no. 27, on the corner and next door to no. 1 Hutchinson Street, the house/shop of the Eddowes inquest witness Joseph Hyam Levy."
http://www.casebook.org/dissertations/rip-butchersrow.html

Bolam war auch noch in 1891 in der 27 Middlesex Street. Aber 21 Aldgate High Street war nicht Butchers Row und auch nicht auf der Seite der Butchers Row. Der Abschnitt zwischen den Nummer 43-62 wurde als Butchers Row bezeichnet. Nummer 21 lag auf der Seite der Observation von Sagar im Dezember 1890 (Bull Inn Yard Nummer 25). Nummer 21 bot schon keinen direkten Blick mehr auf die Butchers Row.

Ich glaube, dass gerade Pat Marshall (eine bekannte Ripperologen) mit Jeff in Kontakt kommt. Ihr Uropa George war der Bruder von Detective Henry Cox. Sie denkt, dass er Aaron Kozminski beschattete.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 10.11.2015 15:26 Uhr
Hallo Arthur,

Habe mir nun noch einmal Zeit genommen, dieses Problem genauer anzuschauen.

Ich bin noch einmal das Post Office Directory durchgegangen auf der Suche nach produzierenden Schneidern. Nach dem Suchbegriff "Middlesex Street" versuchte ich es nun noch einmal mit den Begriffen "Middlesex", "Middlesex st" und Middlesex st." Was ich fand waren u.a. mehr Butcher:

Joseph Joseph 39
Jacob Levy 69
Hyman Sampson 67
Hyams Syckerman 66
David Nussbaum 91
Abraham White 84

Keine weiteren Schneider. Ich durchschaute nur die Abteilung "Tailors" aber konnte nichts weiteres entdecken als die beiden bisher genannten:

Benjamin Levi 33
Isaac Valentine 49

Kurios fand ich zunächst, dass die Liste der Greenfield Street Schneider von 1888 so im Post Office Directory nicht zu finden waren. Die Liste stammt aus Charles Booth´s Notebook über Schneider:

http://booth.lse.ac.uk/cgi-bin/do.pl?sub=search_catalogue_index&args=tailors

Sich dort anzumelden könnte Sinn machen aber Chris Scott hatte bereits alles vorgearbeitet:

http://forum.casebook.org/showthread.php?t=470

Darin sehen wir nun auch die Straßen, die ich gestern nicht fand (ich habe einfach eine viel zu Große Menge an Daten und Informationen), welche für produzierende Schneider kennzeichnend waren. Ich finde nichts für die Middlesex Street. Vielleicht kannst Du darüber schauen. Ich könnte dir auch das Post Office Directory von 1891 schicken (pdf Datei) und Du kontrollierst noch einmal nach. Vier Augen sehen mehr als zwei.

Ich fand bisher auch folgende Clothiers in der Middlesex Street, die ich noch nicht erwähnte:

Judah Joseph 76
Alfred & Samson Lion 34
Isaac & Asher Cohen 13
Isaac Hyman 97
Hollington Bros. ?

Alle Daten die ich bisher habe, machen die Middlsex Street ziemlich voll, ohne irgend eine Art von bestimmten Schneidern.

Ich erkenne das folgendernaßen und wäre auf deine Einschätzung gespannt:

Es gab wirklich kleine-mittlere Betriebe/Produzenten (factories), die ausschließlich Kleidung produzierten (sicherlich vieles für das Westend). Das setzte sich in bestimmten Straßen so nieder. Ein Beispiel wäre die Greenfield Street. Die meisten davon verkauften nicht selber, sie waren reine Hersteller und erscheinen deshalb nicht im Post Office Register. Dann gab es Schneider wie Levi oder Valentine in der Middlesex Street, die kleine Shops unterhielten, etwas nähten, reparierten usw. für den normalen Kunden, für keinen größeren Händler. Die "Clothiers", die Kleidergeschäfte, sollten einen reinen Klamottenverkauf betrieben haben. Hier sollten wir als Verkäufer nicht Jack the Ripper erwarten und auch keine Inspektoren für das Problem der Kinderarbeit. Mit den zwei Normalo Schneidern, Levi und Valentine, hätte der Vorwand von Cox gegenüber den anderen Händlern in der Straße diesbezüglich ebenfalls keinen Sinn gemacht,"wir sind hier, um zwei Schneider zu überwachen und das monatelang". Es muss einer dieser produzierenden Straßen (New Road,Settles Street, Nottingham Place, Greenfield Street, Plumbers Row etc.) gewesen sein, in der Cox und Kollegen Dienst schoben. Sollten wir auch nur einen Betrieb in der Middlesex Street finden, ist es im Vergleich mit diesen anderen Straßen nichts. Von der Idee sollten wir uns besser verabschieden.

Meine Annahme mit einem Shop des Rippers in der Brick Lane sollte nun als falsch betrachtet werden. In dieser Straße gab es Schneider aber nicht in der Art der anderen Straßen. Absolut nicht. Allerdings ist es auch nicht falsch, da ich sagte "in oder Nahe" der Brick Lane. Brick Lane selber fällt raus aber die dafür in Frage kommenden Straßen in der Nähe nicht. Darauf lege ich nun mein Augenmerk.

Sicherlich konnte ich dir einige Informationen geben aber ich bin dir gerade auch sehr dankbar für unsere Diskussion hier, denn allein durch das erneute Vergegenwärtigen der in Frage kommenden Straßen, kann ich meine Suche präziser angehen. Du siehst, wie wichtig es ist, sich unterstützend auszutauschen.

Somit muss nicht zwangsläufig dieser "kleine Shop" des mutmaßlichen Rippers ein produzierender Schneider gewesen sein. Dahinter kann sich vieles verbergen, ein Friseur Salon, ein Schumacher, eine Fleischerei etc. Doch auch wenn Cox sagte, dass sie als Kunden den Shop betraten, war es sicherlich auch möglich, bei einem produzierenden Schneider, dies oder jenes zu erwerben. Deine Anmerkung dazu fand ich dennoch interessant, weil es wohl einfacher war, ein regelmäßiger Kunde in einer Fleischerei zu sein als denn bei einem Schneider.

Ich kann mir jedoch gut vorstellen, dass diese Schneider aus jenen Straßen die Petticoat an den Markttagen mit ihren Ständen füllten.

Beste Grüße,

Lestrade.

 

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 10.11.2015 16:46 Uhr
Hallo Lestrade!


"Ich sehe keinen Grund, hier von einer mehrjährigen Rund um die Uhr Überwachung zu sprechen. Er wird einen erhebliche Zeit in einer Anstalt verbracht haben. Private Anstalten nutzten zu dieser Zeit gerne einen dreimonatigen Rhythmus und das könnte sich mehrmals wiederholt haben."

Ja, diese erwähnten Aufenthalte in einer Anstalt würden die tatsächliche Überwachungszeit verkürzen - meinen Überlegungen lag jedoch die Voraussetzung zugrunde, dass diese Einweisungen erst nach der Butcher's Row-Geschichte stattfanden. Vielleicht hätte ich das ausführen sollen, um Missverständnisse zu vermeiden:

Angesichts der verschiedenen Aussagen von Sagar und Cox ist für mich die Beobachtung der Butcher's Row höchstwahrscheinlich die erste Station gewesen.
Sie liegt für mich am Anfang der Observationen, irgendwann nicht allzulange nach dem Kelly-Mord, denn Sagar schreibt, dass der Verdächtige dort gearbeitet habe - er also noch einer Art regulärem Job nachgehen konnte. Das klingt noch nach relativ gesund und arbeitsfähig.
Geht man davon aus, dass sich sein Gesundheitszustand mit der Zeit verschlechterte, wäre also eine Arbeit in der Butcher's Row kurz vor seiner entgültigen Einweisung unwahrscheinlicher als kurz nach der Mordserie.

Und Cox betont "he occupied several shops": Hier gab es schon mehrere Shops, in denen er sich aufhielt, es hatten also schon Ortswechsel stattgefunden, und er schreibt auch nicht mehr von Arbeit, sondern benutzt das diffusere "occupied", was sowohl bedeuten kann, dass er von seinen Leuten irgendwie beschäftigt wurde, wie auch einfach, dass er dort lediglich hauste. Diese Observation unter dem Deckmantel als "Factory Inspectors" klingt für mich demnach eher danach, als hätte sie nach der Butcher's Row, nach der Verschlechterung seines Gesundheitszustands und somit vermutlich auch nach der ersten vorübergehenden Einweisung stattgefunden, als es inzwischen schon mehr darum ging, den Kranken zu beaufsichtigen, statt ihm eine produktive Arbeit zu geben. Es klingt für mich so, als wäre er in dieser Phase bereits zwischen seinen Leuten hin- und hergeschoben worden, um sich beim Aufpassen auf ihn abzuwechseln.

Kurz: Wenn Sagar und Cox denselben Verdächtigen meinten, sehe ich die zeitliche Abfolge etwa so:
Unser Verdächtiger gerät nach dem Kelly-Mord in den Focus der Polizei - zu dieser Zeit ist er noch soweit fit, dass er noch in der Butcher's Row einer Arbeit nachgehen kann. Dann verschlechtert sich sein Zustand, er wird das erste Mal vorübergehend eingewiesen. Nachdem er wieder raus ist, wechseln sich seine Leute damit ab, ihn in ihren verschiedenen Shops zu beaufsichtigen, u.U. mit weiteren vorübergehenden Einweisungen dazwischen. Im Zusammenhang mit einer jener vorübergehenden Einweisungen kommt es zur Seaside-Home-Identifizierung, aber wegen des Rückziehers des Zeugen kehrt er vorerst zurück in die Aufsicht seiner Angehörigen, bis er schließlich so krank ist, dass er endgültig und dauerhaft in die Anstalt kommt.


"Welchen Census Arthur? Ich spreche vom Post Office Directory. Unternehmen, Händler, Läden etc. (...) In 1891 gab es dort zwei Schneider, Levi und Valentine... ich habe hier alle Unternehmer vor mir, alle Berufsbereiche..."


Ups, da war ich wohl etwas unaufmerksam beim Lesen. Also, wenn das wirklich alle Unternehmen der Straße umfasst, würde das demnach bedeuten, dass über die Jahre praktisch alle Schneiderbetriebe an andere Standorte abwanderten, und zur Zeit der Ripper-Morde eigentlich nur noch die Verkäufer dort waren.


"Ich erkenne das folgendernaßen und wäre auf deine Einschätzung gespannt:
(...)
Die "Clothiers", die Kleidergeschäfte, sollten einen reinen Klamottenverkauf betrieben haben. Hier sollten wir als Verkäufer nicht Jack the Ripper erwarten und auch keine Inspektoren für das Problem der Kinderarbeit. Mit den zwei Normalo Schneidern, Levi und Valentine, hätte der Vorwand von Cox gegenüber den anderen Händlern in der Straße diesbezüglich ebenfalls keinen Sinn gemacht,"wir sind hier, um zwei Schneider zu überwachen und das monatelang". Es muss einer dieser produzierenden Straßen (New Road,Settles Street, Nottingham Place, Greenfield Street, Plumbers Row etc.) gewesen sein, in der Cox und Kollegen Dienst schoben. Sollten wir auch nur einen Betrieb in der Middlesex Street finden, ist es im Vergleich mit diesen anderen Straßen nichts. Von der Idee sollten wir uns besser verabschieden."


Ja, angesichts der Daten bleibt wohl nur diese Schlussfolgerung - demnach war es wohl in der Tat nicht die Middlesex Street. Nach den historischen Darstellungen, die ich gelesen hatte, hätte ich nicht gedacht, dass praktisch die komplette Produktion von dort abgewandert ist... Schade für meine These, aber deine Einschätzung ist dann wohl korrekt.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 10.11.2015 18:34 Uhr
Also, wenn das wirklich alle Unternehmen der Straße umfasst, würde das demnach bedeuten, dass über die Jahre praktisch alle Schneiderbetriebe an andere Standorte abwanderten, und zur Zeit der Ripper-Morde eigentlich nur noch die Verkäufer dort waren.

Ja, angesichts der Daten bleibt wohl nur diese Schlussfolgerung - demnach war es wohl in der Tat nicht die Middlesex Street. Nach den historischen Darstellungen, die ich gelesen hatte, hätte ich nicht gedacht, dass praktisch die komplette Produktion von dort abgewandert ist... Schade für meine These, aber deine Einschätzung ist dann wohl korrekt.

Ich war mir mit allem auch nicht mehr hundertprozentig sicher, Arthur! Ich habe das alles mal vor einiger Zeit recherchiert bzw. vorhandenes Material genutzt, um mir ein Bild davon zu machen. Die Zeit vergeht, man verdrängt und vergisst. Middlesex Street verbinde ich, genau wie Du, mit der Petticoat Lane und der Nähe zur Butchers Row und als Grenze zwischen City Police und MET Police. Das ist schon eine interessante Gegend. So meinte ich zwar, dass sie nicht zu diesen Straßen gehörte aber schwören konnte ich auch nicht darauf. Also macht man sich noch einmal die Arbeit... Im Falle von Cox schließe ich nicht aus, dass es sich auch um eine Straße mit normalen Schneidergeschäften gehandelt haben könnte. Diesbezüglich muss ich die Brick Lane noch einmal gründlich recherchieren. Aber ganz klar machen diese produzierenden Straßen mehr Sinn.

Unter dem Strich, ist diese ganze Ripperologie ein Bereich, wo man ständig hinzulernen muss. Vielleicht auch geprägt durch Einzelgängertum oder kleine Klüngel aber so funktioniert nun einmal diese Welt. Es haben sich bestimmt einige im Laufe der Jahre darüber schlapp gelacht, wenn ich mir einen abgequält habe (oder noch abquäle), um an Quellen und Hilfsmittel zu kommen, von denen sie selbst Kenntnis hatten und haben. Ich weiß es nicht genau, vermute es aber. Jedoch wusste ich mir schon immer selber gut zu helfen und komme somit an meine Ziele. Ich möchte mich jedoch nicht genauso verhalten und möchte so viel wie möglich von meinem Wissen weitergeben und nicht zuschauen, wie sich jemand vergeblich große Mühe gibt, gepaart mit viel Fleiß. Durch dieses Verhalten habe ich aber eben auch die Möglichkeit, mich selber besser zu hinterfragen.

Ich glaube, es war ca. September 1906:

The Truth about the Whitechapel Mysteries told by Harry Cox
Ex-Detective Inspector, London City Police. Specially written for "Thomson's Weekly News"

It is only upon certain conditions that I have agreed to deal with the great Whitechapel crimes of fifteen years ago. Much has been written regarding the identity of the man who planned and successfully carried out the outrage...

It is my intention the relate several of my experiences while keeping this fellow under observation.

We had many people under observation while the murders were being perpetrated, but it was not until the discovery of the body of Mary Kelly had been made that we seemed to get upon the trail. Certain investigations made by several of our cleverest detectives made it apparent to us that a man living in the East End of London was not unlikely to have been connected with the crimes.

To understand the reason we must first of all understand the motive of the Whitechapel crimes. The motive was, there can not be the slightest doubt, revenge. Not merely revenge on the few poor unfortunate victims of the knife, but revenge on womankind. It was not a lust for blood, as many people have imagined.

The murderer was a misogynist, who at some time or another had been wronged by a woman. And the fact that his victims were of the lowest class proves, I think, that he was not, as has been stated, an educated man who had suddenly gone mad. He belonged to their own class.

Had he been wronged by a woman occupying a higher stage in society the murders would in all probability have taken place in the West End, the victims have been members of the fashionable demi-monde.

The man we suspected was about five feet six inches in height, with short, black, curly hair, and he had a habit of taking late walks abroad. He occupied several shops in the East End, but from time to time he became insane, and was forced to spend a portion of his time in an asylum in Surrey.

While the Whitechapel murders were being perpetrated his place of business was in a certain street, and after the last murder I was on duty in this street for nearly three months.

There were several other officers with me, and I think there can be no harm in stating that the opinion of most of them was that the man they were watching had something to do with the crimes. You can imagine that never    once did we allow him to quit our sight. The least slip and another brutal crime might have been perpetrated under our very noses. It was not easy to forget that already one of them had taken place at the very moment when one of our smartest colleagues was passing the top of the dimly lit street.

The Jews in the street soon became aware of our presence. It was impossible to hide ourselves. They became suddenly alarmed, panic stricken, and I can tell you that at nights we ran a considerable risk. We carried our lives in our hands so to speak, and at last we had to partly take the alarmed inhabitants into our confidence, and so throw them off the scent. We told them we were factory inspectors looking for tailors and capmakers who employed boys and girls under age, and pointing out the evils accruing from the sweaters' system asked them to co-operate with us in destroying it.

They readily promised to do so, although we knew well that they had no intention of helping us. Every man was as bad as another. Day after day we used to sit and chat with them, drinking their coffee, smoking their excellent cigarettes, and partaking of Kosher rum. Before many weeks had passed we were quite friendly with them, and knew that we could carry out our observations unmolested. I am sure they never once suspected that we were police detectives on the trail of the mysterious murderer; otherwise they would not have discussed the crimes with us as openly as they did.

We had the use of a house opposite the shop of the man we suspected, and, disguised, of course, we frequently stopped across in the role of customers.

Every newspaper loudly demanded that we should arouse from our slumber, and the public had lashed themselves into a state of fury and fear. The terror soon spread to the provinces too. Whenever a small crime was committed it was asserted that the Ripper had shifted his ground, and warning letters were received by many a terror stricken woman. The latter were of course the work of cruel practical jokers. The fact, by the way, that the murderer never shifted his ground rather inclines to the belief that he was a mad, poverty stricken inhabitant of some slum in the East End.

I shall never forget one occasion when I had to shadow our man during one of his late walks. As I watched him from the house opposite one night, it suddenly struck me that there was a wilder look than usual on his evil countenance, and I felt that something was about to happen. When darkness set in I saw him come forth from the door of his little shop and glance furtively around to see if he were being watched. I allowed him to get right out of the street before I left the house, and then I set off after him. I followed him to Lehman Street, and there I saw him enter a shop which I knew was the abode of a number of criminals well known to the police.

He did not stay long. For about a quarter of an hour I hung about keeping my eye on the door, and at last I was rewarded by seeing him emerging alone.

He made his way down to St George's in the East End, and there to my astonishment I saw him stop and speak to a drunken woman.

I crouched in a doorway and held my breath. Was he going to throw himself right into my waiting arms? He passed on after a moment or two, and on I slunk after him.

As I passed the woman she laughed and shouted something after me, which, however, I did not catch.

My man was evidently of opinion that he might be followed every minute. Now and again he turned his head and glanced over his shoulder, and consequently I had the greatest difficulty in keeping behind him.

I had to work my way along, now with my back to the wall, now pausing and making little runs for a sheltering doorway. Not far from where the model lodging house stands he met another woman, and for a considerable distance he walked along with her.

Just as I was beginning to prepare myself for a terrible ordeal, however, he pushed her away from him and set off at a rapid pace.

In the end he brought me, tired, weary, and nerve-strung, back to the street he had left where he disappeared into his own house.

Next morning I beheld him busy as usual. It is indeed very strange that as soon as this madman was put under observation, the mysterious crimes ceased, and that very soon he removed from his usual haunts and gave up his nightly prowls. He was never arrested for the reason that not the slightest scrap of evidence could be found to connect him with the crimes.


Januar/Februar 1905:

Hier siehst Du den Vergleich zwischen den einzelnen Berichten über Sagar

http://cgp100.pwp.blueyonder.co.uk/SagarReports.htm

Beide, Cox und Sagar, sprachen recht zeitnah (1905/1906) über ihren möglichen Jack the Ripper.

Cox:

but it was not until the discovery of the body of Mary Kelly had been made that we seemed to get upon the trail

Sagar:

He was, however, placed in a lunatic asylum, and the series of atrocities came to an end.

"We had good reason to suspect a certain man who worked in 'Butcher's-row,' Aldgate," he said, "and we watched him carefully. There was no doubt that this man was insane, and after a time his friends thought it advisable to have him removed to a private asylum. After he was removed there were no more Ripper atrocities."

I feel sure we knew the man, but we could prove nothing. Eventually we got him incarcerated in a lunatic asylum, and the series of murders came to an end."

The theory of the city police is that "Jack the Ripper" was a butcher who worked in "Butchers' Row," Aldgate, and was partly insane. It is believed that he made his way to Australia and there died. "The police are satisfied as to the identity of the man," remarked the inspector, "but what became of him we don't know."
 
Sagar spricht Eddowes in den Artikeln als Kelly an, so hieß ja ihr Partner. Cox gab an, dass sie ihm auf die Spur kamen, nach dem Mord an Kelly. Sagar: we watched him carefully und and after a time aber es ist für mich nicht eindeutig, dass er kurz nach Kelly meinte.

Die zeitnahen Interviews, die Überzeugung beider, den richtigen Mann gekannt zu haben, lässt mich zum Schluß kommen, dass sie über ein und dieselbe Person sprachen. Das kommt mir bekannt vor. So äußerten sich auch Anderson und Swanson. Und die sprachen über "Kosminski", den auch Macnaghten für einen überzeugenden Verdächtigen hielt. Mein Gefühl sagt mir, dass auch Cox und Sagar über "Kosminski" sprachen. Es wäre zumindest kein UN Sinn und durchaus möglich.

Cox muss beobachtet haben, noch bevor dieser Verdächtige in eine Anstalt ging. Das dieser Mann dort, in einer Anstalt, hin- und wieder Zeit verbrachte und zwar später, nach der Beschattung durch ihn, dass wusste er aber. Diese Info hätte er von jemanden wie Sagar bekommen haben können, denn der sprach auch davon, weil er das so miterlebt hatte. Das bedeutet für mich eher, dass Sagar später mit dem Verdächtigen beschäftigt war als eben sein Kollege Cox. Und ich bin überzeugt, dass die City Police nicht nur der Überwacher von "Kosminski" gewesen war, sondern auch der Bringer zum Seaside Home und dann eben auch die letzte Polizeieinheit, welche "Kosminski" überwachte (Swanson´s night & day), bevor es nach Colney Hatch ging. Und hier passt einfach Sagar´s Überwachung in der Butchers Row im Dezember 1890, kurz bevor es für Aaron Kozminski nach Colney Hatch ging. Zur ungefähr gleichen Zeit scheint es so, dass City Police auch in der Greenfield Street Beobachtungsposten hatten. Ich kann nichts anderes denken, als dass es sich bei "Kosminski" um Aaron Kozminski handelte. Das einzige was mich daran stört sind Sagar´s:

atrocities came to an end
no more Ripper atrocities
the series of murders came to an end


Cox:

as soon as this madman was put under observation, the mysterious crimes ceased

Das klingt, wie du sagst, nach Kelly. Zu Sagar´s Bemerkung mit der privaten Anstalt, passt dann auch Macnaghten´s "about March 1889" Einweisung. Als Cox ging, vielleicht Februar 1889, könnte Sagar gekommen sein und er war dann mit dabei, als es für "Kosminski" in eine Anstalt ging. Nur hier das Problem, Cox spricht über eine Straße mit Schneidern, Sagar über eine mit Schlachtern und Fleischern. Vielleicht lag der Grund darin, dass der Verdächtige, laut Cox, recht schnell seine nächtlichen Streifzüge beendigte und das Haus möglicherweise nicht mehr verließ. Er wurde krank und kränker und die Familie hielt es vielleicht für angemessen, ihn einem neuen Ort arbeiten zu lassen. Es mag makaber klingen, aber sollte es in der Familie Überzeugungen gegeben haben, dass er der Ripper sei, hätte ein Schlachterjob sicherlich irgendwie "Sinn" gemacht. Nach dem Motto: Lass ihn lieber Tiere töten anstelle von Prostituierten. Der Mensch in Not, und diese Familie wären Menschen in großer Not gewesen, treibt seltsame Blüten. Vielleicht war die Butchers Row ein Teil seiner früheren Nachtarbeit, welche er nun zum Vollzeitjob vorgesetzt bekam. Vielleicht nur ein paar Wochen bis ca. März 1889.

Was hätte Sagar auch sonst mit dem "Ende der Gräueltaten" meinen können?

Sie hatten ihn unter Überwachung, kam er aus der Anstalt, waren sie sicherlich sofort wieder da. Somit könnte Sagar nicht den Mord an Mackenzie noch die Torso Funde gemeint haben. Aber viele Jahre später, ist man vielleicht nicht mehr so genau und er bezieht sich auf die Überwachung von Cox als die Morde stoppten und sieht seine eigen Arbeit früher als Dezember 1890. 15 Jahre waren schon vergangen... Pure Spekulation natürlich...

Aber wie auch bei Swanson sehen wir bei Sagar die Möglichkeit, dass der Verdächtige alsbald starb. Bei Swanson in Colney Hatch, bei Sagar in Australien. Macnaghten wusste nicht, 1894, ob "Kosminski" noch Insasse einer Anstalt war. Sagar selbst sagte, dass sie nicht genau wussten, was wirklich aus dem Mann wurde. Meine Vermutung ist, jemand informierte sie falsch, mit oder ohne Absicht nachdem er nicht mehr aus Colney Hatch raus kam bzw. nach Leavesden gebracht wurde. Anderson stand in Kontakt mit der Anstaltsleitung in Colney Hatch, nachdem Aaron Kozminski dort eingewiesen wurde. Entweder streute er mit Absicht ein Gerücht oder aber, Colney Hatch verwechselte Aaron Kozminski mit seinem "Doppelgänger" David Cohen, der ja tatsächlich dort starb. Beide wurden von einem Dr. Seward behandelt. Australien? Nun, immerhin zog es den Informant in Sachen Aaron Kozminski, bezüglich Colney Hatch, Jacob Cohen zurück nach Südafrika... das passierte aber ausgerechnet auch 1905...

In 1901, Swanson und Anderson zeichneten sich verantwortlich für die Einbürgerung von Isaac Abrahams, einen von Aaron Kozminski´s Brüdern. Swanson glaubte bereits 1894, dass der Mann, welcher Jack the Ripper war, bereits tot ist. Ich frage mich, ob sie während der Einbürgerung 1901 überhaupt miteinander sprachen oder ob den Job andere erledigten und Swanson und Anderson nur Amen sagten. Oder aber, sie hielten diesen Isaac Abrahams in der Cable Street für jemand anderen als des Ripper´s Bruder. Das war ja auch schon wieder alles über ein Jahrzehnt her.

Memorial
Isaac Abrahams of 171 Cable Street St Georges in the East in the County of London
... a subject of the Emperor of Russia having been born at Klodorer Koliski in the Empire of Russia on the Third day of May 1852 and being the son of Joseph & Golder Abrahams who were both subjects of the Emperor of Russia ...
resides at 171 Cable St St Georges in the East in the County of London and is of the age of 48 years and is a Tailor.
... a Married man and has one child under age residing with him viz.
Rachel - 17 years of age
... settled place of business is at 171 Cable Street St Georges in the East in the county of London
That your Memorialist has for five years within the period of the eight years last past resided within the United Kingdom, vizt. [standard form]
From October 20th 1893 to present time at 171 Cable Street St Georges in the East in the county of London
7 years 2 months
[Signed] I. Abrahams [very shaky]

Sureties
Walter Belcher 40 Tillman Street St Georges East London Estate Agent ([has known him] 8 years)
George Leeder Licensed Victualler of 56 Cannon Street Road London East (10 years)
Henry Whiting Laundryman of 108 St George Street St Georges East London (9 years)
and John Gibbs Builder of 229-231 Cable Street St Georges East London (7 years)
[All signed] 265 Gresham House Old Broad Street in the City of London 16 January 1901
Before Ernest [Smith] A commissioner for oaths.

CID Report
Isaac Abrahams Tailor
The declaration of residence have [sic] been enquired into and the sureties are respectable persons householders and British born subjects.
I have seen the applicant who is a respectable man he states he has resided in this country for the past 30 years, intends to remain permanently and wishes to enjoy the rights and priveleges [sic] of a British subject.
The sureties speak well of applicant as a respectable man and I see no reason to doubt their statements.
Ernest Baxter [?]P S
D. S. Swanson Superintendent
Cover sheet dated 19th February 1901 and signed R. Anderson.

7 June 1901. Isaac Abrahams
Agent Mr J. Cantor 211, Old Ford Road, E.
Certif Regd & returned 19 June '01

[HO 144/617/B35582]

Bei alledem, halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass Schwartz oder Lawende der Zeuge im Seaside Home war. Sie sahen sicherlich "Kosminski" aber konnten ihn wahrscheinlich nicht wiedererkennen. Ich denke, hier hat irgendwann später einfach Kommissar Zufall geholfen...

Jeder muss sich eben selbst daraus eine Meinung bilden und versuchen, Antworten auf die Fragen zu finden.

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 12.11.2015 20:56 Uhr
Hallo Lestrade!

Vielen Dank erstmal für den kompletten Artikel von Cox. Ich müsste mir mal angewöhnen, alle Originaltexte strukturiert bei mir abzulegen, das würde unnötige Sucherei ersparen.


"Die zeitnahen Interviews, die Überzeugung beider, den richtigen Mann gekannt zu haben, lässt mich zum Schluß kommen, dass sie über ein und dieselbe Person sprachen. Das kommt mir bekannt vor. So äußerten sich auch Anderson und Swanson. Und die sprachen über "Kosminski", den auch Macnaghten für einen überzeugenden Verdächtigen hielt. Mein Gefühl sagt mir, dass auch Cox und Sagar über "Kosminski" sprachen. Es wäre zumindest kein UN Sinn und durchaus möglich."

Da gebe ich dir recht - sie stimmen im Wesentlichen überein (kleine Abweichungen und Irrtümer gibt es immer, wir sind ja Menschen und keine Roboter) und bieten zusammen genommen eine schlüssige Begründung für das Ende der Ripper-Morde. Mal abgesehen davon, dass sie uns die einzigen Anhaltspunkte darüber geben, was nach der Mordserie passierte.


"Cox muss beobachtet haben, noch bevor dieser Verdächtige in eine Anstalt ging."

Aus welchem Grund muss das vorher gewesen sein? Cox berichtete, dass er von Zeit zu Zeit "insane" wurde und in eine Anstalt musste. Die Reihenfolge der Observationen und damit der Aufenthaltsorte unseres Verdächtigen bleiben daher m.E. unsicher - ich würde weiter eher dazu tendieren, dass es erst Butcher's Row mit Sagar und dann die übrigen "several shops" mit Cox waren.
Wenn wir einmal ganz konkret davon ausgehen, dass der Verdächtige Aaron Kosminski war, wäre es dann nicht plausibler, dass er mit fortschreitender Krankheit direkt in den Shops seiner nächsten Angehörigen im Schneider-Milieu war, unter deren unmittelbarer Aufsicht - und dass man ihn nur am Anfang, als es ihm noch relativ gut ging, in der Butcher's Row arbeiten ließ?
Wenn wir annehmen, dass Macnaghten sich nicht in der Zeit geirrt hat, dann würden die drei Monate Butcher's Row Observation mit Sagar bis zur ersten Einweisung in eine (private) Anstalt im März 1889 passen. Und danach wäre er dann - mit zwischenzeitlichen Einweisungen - von seinen Angehörigen in ihren "several shops" beaufsichtigt worden, wo Cox ihn observierte.
Das einzige, was dann nicht passen würde, ist die Razzia 1890 mit Cox - aber dass diese eine Verbindung zur Ripper-Observation haben könnte, ist ja sowieso nur eine Vermutung.


"Aber wie auch bei Swanson sehen wir bei Sagar die Möglichkeit, dass der Verdächtige alsbald starb. Bei Swanson in Colney Hatch, bei Sagar in Australien. Macnaghten wusste nicht, 1894, ob "Kosminski" noch Insasse einer Anstalt war. Sagar selbst sagte, dass sie nicht genau wussten, was wirklich aus dem Mann wurde. Meine Vermutung ist, jemand informierte sie falsch, mit oder ohne Absicht nachdem er nicht mehr aus Colney Hatch raus kam bzw. nach Leavesden gebracht wurde. Anderson stand in Kontakt mit der Anstaltsleitung in Colney Hatch, nachdem Aaron Kozminski dort eingewiesen wurde. Entweder streute er mit Absicht ein Gerücht oder aber, Colney Hatch verwechselte Aaron Kozminski mit seinem "Doppelgänger" David Cohen, der ja tatsächlich dort starb. Beide wurden von einem Dr. Seward behandelt. Australien? "

Es wäre eine plausible Annahme, dass die Verantwortlichen in der Polizei den Kreis der Eingeweihten absichtlich klein hielten, damit nichts durchsickerte. Man bestätigte nur das, was ohnenhin nicht zu leugnen war, versuchte aber ansonsten so vage zu bleiben, dass möglichst keine weiterführenden Schlüsse gezogen werden konnten. Vielleicht streute man auch bewusst die eine oder andere Fehlinformation, um bestimmte Wahrheiten dazwischen untergehen zu lassen.

Wenn unser Aaron derjenige welcher war, liegt die Vermutung nahe, dass seine Verlegung nach Macnaghtens Memorandum eine weitere Schutzmaßnahme gewesen sein könnte - denn mit dem neuen Fall und dem Verdächtigen Cutbush begannen die damals an den Ermittlungen beteiligten Untergebenen wahrscheinlich wieder über ihre Zielperson zu reden und zu spekulieren, und man deutete daher an, der Ripper-Verdächtige sei tot, damit das wieder aufhörte.
Und der Irrtum mit Australien entstammt wohl den Gerüchten über den 1892 in Melbourne gehängten Frauenmörder und Ripper-Verdächtigen Deeming. "Down under" und "six feet under" gewissermaßen... Jedenfalls aus und vorbei.

Dass bei jeder weiteren irgendwie ähnlich erscheinenden Tat wieder die Ripper-Gerüchte aufkamen, dürfte für die Eingeweihten bzw. halbwegs Eingeweihten ziemlich nervig gewesen sein: Sie konnten aus Geheimhaltungsgründen dem nicht deutlich entgegentreten und sagen: "Schluss damit jetzt, der war es nicht, wir sind uns ziemlich sicher, wer es war, und der landete bereits völlig irre in einer Anstalt" - sondern durften offiziell nur irgendwie abwimmeln.
So kam es wohl, dass es sich einige Beamte dann Jahre später, als der Fall endlich an Brisanz verloren hatte, nicht verkneifen konnten, privat ein paar Bemerkungen dazu zu veröffentlichen - die nur Halb-Eingeweihten mit ihrem Halbwissen und ihren Vermutungen, die sie daraus zogen, die Eingeweihten noch immer vorsichtig und vage, zum Schutz der Polizei, der übrigen Betroffenen und sich selber. Und durch diesen Wust an Äußerungen dürfen wir uns nun durchwühlen...


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 12.11.2015 22:14 Uhr
Hey Arthur!

Ich mache es heute mal kürzer (morgen komme ich wahrscheinlich zu nichts) also bitte nicht wundern...

"Cox muss beobachtet haben, noch bevor dieser Verdächtige in eine Anstalt ging."

Aus welchem Grund muss das vorher gewesen sein? Cox berichtete, dass er von Zeit zu Zeit "insane" wurde und in eine Anstalt musste. Die Reihenfolge der Observationen und damit der Aufenthaltsorte unseres Verdächtigen bleiben daher m.E. unsicher - ich würde weiter eher dazu tendieren, dass es erst Butcher's Row mit Sagar und dann die übrigen "several shops" mit Cox waren.

Das einzige, was dann nicht passen würde, ist die Razzia 1890 mit Cox - aber dass diese eine Verbindung zur Ripper-Observation haben könnte, ist ja sowieso nur eine Vermutung.

Sagar= Razzia 1890, nicht Cox. Cox sprach von "nach Kelly", Sagar nicht direkt. Wann genau siehst Du Sagar in der Butchers Row? Cox sprach von fast drei Monaten (ich denke, November 1888- Februar 1889). Angenommen es stimmt mit Macnaghten überein (ca. März 1889), dann ist es möglich, wenn Cox z.B. am 10. Februar seinen Posten verließ, Sagar dabei war, als dieser Mann in eine Anstalt kam, z.B. am 24. März 1889, dann wären in der Zwischenzeit ca. 6 Wochen vergangen. Da kann viel passieren.   

Durch unsere Diskussion bin ich nicht mehr sicher, ob Cox wirklich in einer Schneider- Straße war. Warum sollte er in einer Straße, wo ca. dreißig jüdische Schneider in Werkstätten produzierten, die Nicht-Schneider Juden dazu animieren, ihnen zu helfen, deren Geschäfte mit Minderjährigen zu zerstören? Macht das wirklich Sinn? Ich habe eine andere Möglichkeit gefunden. In der Goulston Street gab es einen Treffpunkt, wo die Master Tailor aus immigrierten Juden ihre Arbeitskräfte zogen. Diese Juden waren verzweifelt auf der Suche nach Arbeit. Der Treffpunkt wurde als "Chazar Mark" bezeichnet. Es könnte genauso gut sein, dass Cox einen Blick in die Goulston Street hatte, auf diesen "Chazar Mark" und den hätte er aus der Wentworth Street werfen können (die Goulston Street gibt sonst nicht mehr her). Cox sagte ja auch, dass er denn Mann in die Leman Street folgte und noch weiter runter bis St. George in the east. Es hätte gereicht, wenn der Verdächtige die Wentworth Street via Goulston Street oder Old Castle Street/Castle Alley verlassen hätte, um in die Leman Street zu gelangen. Außerdem erwähnte Cox ein Model lodging house.

George Yard Building im George Yard oder Wentworth Model Dwelling in der Goulston Street (GSG, Schürzenteil)?

Der George Yard liegt auch an der Wentworth Street und auch via dieser Straße gelangte man recht schnell in die Leman Street. Der George Yard (Tabram) und die Kreuzung Wentworth Street/Brick Lane (Smith) waren auch Opfermäßig mit dieser Ecke verbunden.

Apropos Opfer:

Auch Sergeant Stephen White sprach über ein Opfer und über eine Überwachung eines Mannes. Jene Straße lag "behind Whitechapel Road" und dort waren "men in hiding". Die Wentworth Street lag hinter der Whitechapel Hauptstraße und wenn Cox diese meinte, dann könnte White in seiner Beschreibung versucht haben, Bericht von City Police Detektiven einzuholen, die dort zu Obervierungszwecken waren. Es mag krass klingen aber wenn die City Police "Kosminski" in eine Shop in der Wentworth Street überwachte, dann könnte der Mord in Castle Alley in dieser Zeit stattgefunden haben, nur "Kosminski" wäre dann nicht ihr Mörder gewesen. Vielleicht sprach also Sergeant White von dem Mord an Alice Mackenzie.

Es wäre doch vielleicht die bessere Option gewesen, den Juden in der Wentworth Street zu erzählen, dass man einen Blick auf den "Chazar Mark" in der Goulston Street wirft anstelle das diesen Leuten in einer Straße wie die Greenfield Street zu verkaufen.

Meine Antwort auf eine mögliche Antwort deinerseits, könnte länger als gewohnt dauern.

Allerbeste Grüße,

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 16.11.2015 19:45 Uhr
Hallo Lestrade,

ich hatte einiges um die Ohren, und dann passierten auch noch die Anschläge in Paris, daher melde ich mich erst jetzt zurück...


"Sagar= Razzia 1890, nicht Cox."

Sorry, das habe ich dann wohl durcheinander geworfen.


"Durch unsere Diskussion bin ich nicht mehr sicher, ob Cox wirklich in einer Schneider- Straße war. Warum sollte er in einer Straße, wo ca. dreißig jüdische Schneider in Werkstätten produzierten, die Nicht-Schneider Juden dazu animieren, ihnen zu helfen, deren Geschäfte mit Minderjährigen zu zerstören? Macht das wirklich Sinn?"

Das ist eine gute Frage angesichts der Tatsache, dass die Bewohner des Eastends - und insbesondere die Einwanderer - engere Beziehungen untereinander als zu den Behörden hatten. Viele standen ja nicht nur wegen ihrer gemeinsamen Herkunft oder als Nachbarn in einem engen Verhältnis, sondern oft auch als Geschäftspartner oder waren durch Verwandtschaft verbunden. Wieso sollten sie diese angeblichen Fabrik-Inspektoren also freundlich aufnehmen, mit ihnen essen, trinken, reden und ihnen ihre guten Tabakwaren anbieten, wenn diese "ihre" Leute drankriegen wollten?

Cox: "They readily promised to do so, although we knew well that they had no intention of helping us. Every man was as bad as another. Day after day we used to sit and chat with them, drinking their coffee, smoking their excellent cigarettes, and partaking of Kosher rum. Before many weeks had passed we were quite friendly with them, and knew that we could carry out our observations unmolested. I am sure they never once suspected that we were police detectives on the trail of the mysterious murderer; otherwise they would not have discussed the crimes with us as openly as they did."

Ich habe die Äußerungen von Cox bisher so gedeutet: Die Ermittler sind tatsächlich bei den Schneidern selbst aufgeflogen, und haben daher strategisch clever auf bestechlich gemacht. Ungefähr so: "Stimmt, ihr habt uns erwischt, wir beobachten euch. Wir tun das, weil wir illegale Kinderarbeit aufdecken sollen. Passt auf, wir haben einen Vorschlag für euch: Wir erzählen unseren Vorgesetzten nichts von dem, was bei euch abläuft, solange es sich im Rahmen hält, und dafür kommt ihr uns ein bisschen entgegen und macht uns diese Scheißarbeit hier etwas angenehmer. So haben wir alle einen Vorteil davon."
Und so saßen sie dann unter den Einheimischen, ließen sich von ihnen bewirten und konnten weiter den Verdächtigen beobachten.


"Es wäre doch vielleicht die bessere Option gewesen, den Juden in der Wentworth Street zu erzählen, dass man einen Blick auf den "Chazar Mark" in der Goulston Street wirft anstelle das diesen Leuten in einer Straße wie die Greenfield Street zu verkaufen."

Das wäre natürlich auch eine Möglichkeit, denn die Bewohner dort dürften wohl nicht so eng mit den Schneidern aus der Greenfield Street verbandelt gewesen sein, die dorthin kamen, um Arbeitskräfte anzuwerben.
Aber die Darstellung von Cox erweckt in mir den Eindruck einer Art konspirativen Verbrüderung, welche die Beamten vorspielten, so dass es m.E. auch gut die Schneider selbst gewesen sein könnten, wie ich es oben beschrieben habe: Sie haben vermutlich bestechliche Beamte gespielt.   

Was hältst du von meiner These?


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 17.11.2015 10:31 Uhr
Guten Morgen Arthur!

Ja, das ist eine gute Überlegung. So weit habe ich noch gar nicht gedacht. Ich könnte mir das gut vorstellen. Sollte man besser in weitere Überlegungen mit einbeziehen.

Beste Grüße,

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 13.04.2016 21:03 Uhr
Hallo Lestrade,

hatte etwas länger Sendepause aus beruflichen Gründen: musste mich in meinen neuen Zuständigkeitsbereich einarbeiten. Daher mein sang- und klangloses vorübergehendes Verschwinden. Aber anders als JTR: Ich komme wieder  ;)

Nachfolgend die aktualisierte Akte zum Verdächtigen Jacob Levy.


MfG, Arthur Dent

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 13.04.2016 21:17 Uhr
Jack the Ripper – Tatverdächtiger Jacob Levy



Jacob Levy wurde 1856 als Sohn des Metzgers Joseph Levy im Londoner Eastend geboren, lebte und arbeitete im Viertel und wurde 1890 aufgrund der Folgen einer fortschreitenden Syphilis-Erkrankung in eine Nervenheilanstalt eingewiesen.

Zu einem Verdächtigen im Fall der Whitechapel-Morde wurde Jacob Levy durch die Recherche zeitgenössischer Ripperologen in den Unterlagen der Nervenheilanstalten in und um London. Sie suchten darin nach jener Person, die in den Texten der hochrangigen Polizeibeamten Chief Constable Mcnaghten, Assistant Commissioner Anderson und Chief Inspector Swanson als der mutmaßliche Ripper erwähnt werden, und dessen Leben in einer Irrenanstalt geendet haben soll. Vier Verdächtige wurden gefunden: Aaron Kosminski, David Cohen, Hyam Hyams und Jacob Levy. Auf Levy treffen zahlreiche Aussagen der Polizisten und Zeugen sowie des modernen Profilings zu. 


Beruf Metzger:

Sowohl im Census als auch im London Business Directory wird als Beruf von Jacob Levy Metzger angegeben.

Für moderne Profiler ist das Töten von Tieren am Anfang der mörderischen Karriere typisch für die Biographie von Serienkillern, ein Metzgerjunge wächst damit auf und kann seine pathologische Veranlagung durch seine Berufswahl zugleich entwickeln, ausleben und kaschieren. 
Angesichts der Art der Verletzungen bei den Opfern gehen Gerichtsmediziner und Polizei damals wie heute davon aus, dass JTR zumindest grundlegende anatomische Kenntnisse besaß und auch bei schlechtem Lichtverhältnissen sicher mit einem Messer umgehen konnte. Kenntnisse über Anatomie und das Zerlegen von Körpern hatten damals vor allem beruflich damit beschäftigte Gruppen wie Chirurgen oder Schlachter - demnach könnte JTR also Metzger gewesen sein. Dies war z.B. die Meinung von Dr. Frederick Gordon Brown, der Catherine Eddowes untersuchte, und auch von Dr. George Bagster Phillips, der Annie Chapman obduzierte.
Die Tatwaffe soll Gerichtsmedizinern zufolge eine lange, schmale, gerade Klinge gehabt haben, wie sie typisch zum professionellen Zerlegen von Körpern ist, z.B. sog. Amputationsmesser von Chirurgen oder ähnliche Metzgerklingen wie z.B. ein Tranchier-Messer.
Der Kehlenschnitt deutet ebenfalls auf einen Metzger hin, der es gewohnt ist, so das Schlachtvieh zu töten. Das Töten geschah schnell und effizient, die Verstümmelungen wurden post mortem zugefügt und von Opfer zu Opfer umfangreicher - womit das Töten vor allem Mittel zum Zweck, das eigentliche Ziel hingegen offenbar das Eröffnen und Ausweiden des Unterleibs der Opfer war. Organentfernungen unter Zeitdruck und bei sehr schlechten Lichtverhältnissen, ohne sich total mit Blut zu versauen, spricht für Erfahrungen im Schlachterhandwerk.
Ein Indiz dafür ist auch, dass der Ripper seine Opfer i.d.R. bis zur Bewusstlosigkeit bzw. zum Kreislaufkollaps würgte, bevor er das Messer ansetzte. Offenbar wusste er aus Erfahrung, dass ansonsten das Blut aus den Arterien kräftig spritzen würde, es so aber relativ langsam aus den Wunden rann. Dies verhinderte, dass er selber allzusehr vollgeblutet wurde und erleichterte die Entnahme der Organe, die ansonsten in ein Meer von Blut getaucht gewesen wären.


Motiv Syphilis:

Irgendwann im Zeitraum von 1884 bis 1886 muss sich Jacob Levy mit Syphilis angesteckt haben, die dann 1891 als Todesursache diagnostiziert wurde - vermutlich hat er sie sich wie viele Männer bei einer Prostituierten eingefangen.
Der Zeitraum ergibt sich zurückgerechnet aus dem statistischen Verlauf der Erkrankung: Da er im August 1890 in die Nervenheilanstalt City of London Asylum at Stone in Kent eingeliefert wurde, wo er ein Jahr später an den Folgen der Syphilis starb, dürfte die Krankheit spätestens im ersten Halbjahr 1890 in ihr letztes Stadium eingetreten sein, wobei Levy aber schon die beiden Jahre zuvor unter den Auswirkungen der Krankheit gelitten haben dürfte.
 
Die Infektion mit Syphilis durch eine Prostituierte wird von modernen Profilern als plausibles Motiv für die Morde von JTR angesehen: Es erklärt die Wahl der Opfer und die Verstümmelungen im Unterleib.
Darüber hinaus führte unbehandelte Syphilis zu einer chronischen Hirnentzündung. Sensitive oder psychische Veränderungen wurden von den Ärzten damals oft beschrieben, so u.a. auch Gewaltausbrüche, eine übermäßige Steigerung der Libido und verschiedene Arten von Wahrnehmungsveränderungen.
Gut möglich, dass der Ripper sich zuerst gar nicht bewusst dafür entschieden hatte, auf Prostituiertenmord zu gehen, sondern dass die erste Tat eine Affekthandlung war, als er zufällig erneut auf eine Prostituierte traf, die ihn an die Überträgerin erinnerte, und seine ganze Wut über die Infektion wieder hochkam. Weil ihm diese erste Tat Befriedigung verschaffte, zog er danach dann regelmäßig los. Somit könnte Martha Tabram sein erstes Opfer gewesen sein, auf die "nur" eingestochen wurde, noch ohne sie auszuweiden (s.u.). 


Auswahl der Opfer:
Es gab weit über 1000 Gelegenheitsprostituierte in Whitechapel, die ohne Schutz durch einen Zuhälter nachts auf den Straßen nach Kunden suchten - und sie waren eine häufige Ansteckungsquelle für Syphilis.

JTR hatte damit nicht nur eine große Auswahl an potentiellen Opfern.Prostituierte vom Straßenstrich sind auch leichte Opfer, weil sie für das Sexgeschäft freiwillig mit fremden Männern an Orte gehen, wo sie mit ihnen allein sind, und dem Mörder damit auch noch unbeabsichtigt helfen, einen geeigneten Tatort zu finden. Eine zeitaufwendige und vor allem riskante Ausspähung und Verfolgung potentieller Opfer ist nicht notwendig, da sie in der Öffentlichkeit auf Freier warten und oft sogar selber auf potentielle Kunden zugehen.


Nähe zu Opfern:

Die Adresse von Jacob Levys Eltern lautete Middlesex Street 111, er selbst war im Jahr der Morde laut London Business Directory von 1888 in der Middlesex Street 36 gemeldet.
Alle kanonischen fünf Opfer von JTR waren verarmte Gelegenheitsprostituierte, die alle in Armenunterkünften in einem kleinen Umkreis nur etwa 300-500 Meter nordöstlich von Levys Adresse übernachteten und in einem fußläufigen Oval um seinen Lebensmittelpunkt herum getötet wurden. Martha Tabrams letzte Adresse war Satchell's Lodging House in der George Street etwa 300 Meter östlich von der der Middlesex Street (s.u.).

Levy ist in der von modernen Profilern ermittelten Comfort Zone von JTRs Aktivitäten aufgewachsen und wohnte auch als Erwachsener noch dort. Er kannte sich also seit Kindertagen bestens in Whitechapel aus, fiel dort nicht auf und wusste sich angemessen zu verhalten.
Sowohl für die zeitgenössischen als auch die modernen Ermittler war JTR mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein Einheimischer mit guter Ortskenntnis, was es ihm ermöglichte, sich schnell und unauffällig zu bewegen und die Polizeistreifen zu meiden, um bei seinen Taten und auf der Flucht nicht erwischt zu werden und relativ schnell von der Straße zu verschwinden.
Als einheimischer Metzger hatte Levy nahegelegene Rückzugsmöglichkeiten, die ein Versteck für blutverschmierte Kleidung und Messer boten. Blut an seiner Kleidung und Messer waren wegen seines Berufes alltäglich und erklärbar, nicht schon per se verdächtig. Organe der Opfer konnten unter Metzgerware getarnt werden.
Außerdem gab es in der Middlesex Street den Petticoat Lane Street Market der Schneider, der eine große Auswahl an günstiger Second-Hand-Kleidung zum Wechseln bot - und genau dort will der Zeuge George Hutchinson den Verdächtigen vom Kelly-Mord erneut gesehen haben (s.u.).


Verbindung zu Zeugen:

Im Census der Jahre 1851, 1861 und 1871 ist für eben diese Middlesex Street 36 der Metzger Hyam Levy eingetragen, der dort mit seiner Frau Frances und seiner Familie wohnte, 1881 ist dann seine Witwe Frances als Haushaltsvorstand und Metzger eingetragen. Die beiden sind laut Casebook die Eltern jenes Joseph Hyam Levy , der später als Zeuge zum Mord an Catherine Eddowes vernommen wurde. Joseph Hyam Levy arbeitete 1888 selbst als Metzger kaum 50 Meter von Jacob Levy entfernt in der Hutchinson Street 1, einer Gasse, die in die Middlesex Street mündet.

Mehrere Levys, die sich nicht nur in unmittelbarer Nachbarschaft befanden und der gleichen Branche angehörten, sondern nacheinander auch dieselbe Metzgerei betrieben: Es ist so gut wie sicher, dass sie sich zumindest gekannt haben. Folgt man den Familiendaten des Census, so ein Beitrag im Ripperologist, könnten Jacob und Joseph sogar verwandt gewesen sein - eventuell waren sie Cousins. Machte der Zeuge Joseph bei der Vernehmung zum Mordfall Eddowes deshalb so merkwürdige Andeutungen und den Eindruck, er wisse mehr als er zugeben wollte (s.u.)?


Kriminelle Vorgeschichte:
Am 10. März 1886 wird Jacob Levy laut Eintrag beim Central Criminal Court zu 12 Monaten Gefängnis verurteilt, weil er zusammen mit zwei anderen Männern dem Metzgermeister Hyman Sampson Fleisch gestohlen hatte. Als Sampsons Adresse wird im Polizeibericht Middlesex Street 35 genannt, seine Metzgerei lag zwei Jahrzehnte lang in der Parallelstraße Goulston Street 58.

Eine kriminelle Vorgeschichte ist modernen Profilern zufolge typisch für Serienmörder.
Der Ort des Diebstahls liegt in JTRs Comfort Zone, zwischen den Tatorten des Double Event.
Zudem wurde ein Stück von Eddowes blutverschmiertem Rock in der Tatnacht am Hauseingang des Gebäudes Wentworth Buildings 108-119, Goulston Street, gefunden, unter dem berüchtigten antisemitischen Graffiti (von dem allerdings unklar ist, ob es von JTR stammte).
Falls Jacob Levy der Ripper war, so könnte die Platzierung ein Versuch gewesen sein, die Polizei in die falsche Richtung weiter nach Osten zu lenken - weg von ihm in der Middlesex Street.
Auch Rache an seiner Gemeinde, die sich wegen des Diebstahls von ihm abgewandt hatte, könnte möglich sein, denn laut Superintendent Thomas Arnold wohnten viele Juden dort.


Anzeichen psychischer Instabilität:
Bereits kurz nach seiner Verurteilung begeht Levy im April 1886 einen Selbstmordversuch im Holloway Prison, der jedoch scheitert.
Am 21. Mai 1886 wird er aufgrund des Suizidversuchs und seltsamer Murmeleien für geisteskrank erklärt und in das Essex County Asylum überführt. In den Akten dort wurde festgehalten, er habe gejammert, Irresein sei in seiner Familie erblich, schon sein Bruder habe Selbstmord begangen.
Am 3. Februar 1887 wird Levy dann wieder aus der Anstalt als "geheilt" entlassen.

Offenbar war die Verurteilung so traumatisierend, dass sie zu einem Nervenzusammenbruch führte - vermutlich weil nun sein Ruf in der Gemeinde schwer beschädigt war und die Gefängnisstrafe negative Auswirkungen auf sein Geschäft und seine sozialen Beziehungen hatte.
Diese Entwicklung ist ein deutliches Indiz der beginnenden psychischen Zerrüttung mit der Bereitschaft zu Grenzüberschreitung, kriminellem Verhalten und Gewalt (wenn auch zunächst gegen sich selbst gerichtet).


Möglicher finaler Stressauslöser:
Am 18. Mai 1888 wird Jacob Levys Mutter beerdigt.

Nachdem seine Verurteilung und Einweisung bereits zur Distanzierung seiner Gemeinde geführt haben dürfte, und auch seine Ehe davon und von der Syphilis belastet gewesen sein wird, stirbt nun auch noch eine der wichtigsten Bezugspersonen im Leben eines Menschen.
Für moderne Profiler ist dies ein klassischer Stressauslöser zum Start in eine mörderische Karriere. Ziel der Aggression wird diejenige Gruppe, der der Täter die Verantwortung für sein Schicksal gibt: die Prostituierten von Whitechapel, bei denen er sich mit Syphilis angesteckt hat.


Die Mordserie

Dienstag, 7. August 1888: Martha Tabram im George Yard
Tabram wurde im Treppenhaus des George Yard Buildings 37 vermutlich das erste Opfer von JTR.
Tabram war auf einer Kneipentour mit ihrer Bekannten Mary Ann Connely ("Pearly Poll") und zwei Soldaten. Gegen 0 Uhr trennten sich die Pärchen um Sex zu haben, Connely ging mit dem Corporal zur Angel Alley, und Tabram verschwand mit dem Private in den George Yard.
Gegen 1.40 Uhr stieg das Ehepaar Elizabeth und Joseph Mahoney das Treppenhaus zu ihrem Zimmer hinauf und sah nichts. Auch als Elizabeth Mahoney es kurz darauf wieder durchquerte, um in einem Shop in der Thrawl Street etwas zu Essen zu kaufen, lag Tabram noch nicht da.
Tabram wurde mit einem Stich ins Herz getötet und mit insgesamt 39 Messerstichen in Brust und vor allem Unterleib traktiert. Sie lag auf dem Rücken, ihre Kleider waren hochgeschoben und ihre Beine gespreizt, ebenso wie bei den kanonischen Ripper-Opfern.
Gefunden wurde die Leiche auf dem Absatz des ersten Stocks gegen 4.45 Uhr durch Bewohner John Saunders Reeves, nachdem bereits Bewohner Alfred George Crow gegen 3.30 Uhr Tabram für einen schlafenden Obdachlosen gehalten hatte. Damit muss die Tatzeit zwischen 1.45 Uhr und 3.30 Uhr liegen. Reeves suchte eine Polizeistreife und fand Constable Thomas Barrett auf seiner Runde.

Der Soldat dürfte wohl der Letzte gewesen sein, der Tabram lebend gesehen hat, konnte aber weder von "Pearly Poll" noch von Constable Barrett bei Gegenüberstellungen identifiziert werden, obwohl letzterer auf seiner Streife durch die Wentworth Street gegen 2 Uhr einen Private der Grenadier Guard am Nordende des George Yard stehen sah und ihn ansprach. Der Private sagte dem Polizisten, er warte auf einen Kameraden, der mit einem Mädchen unterwegs sei, darauf ging Barrett weiter seine Streife, bis er drei Stunden später von Reeves zum Tatort gerufen wurde.
Der unbekannte Soldat könnte also den Mord verübt haben, dennoch war er aber wahrscheinlich nicht der Täter: Rund zwei Stunden für Sex mit einer älteren, unattraktiven Prostituierten an einem öffentlich zugänglichen Ort erscheint doch ein ziemlich langer Zeitraum. Wenn sie so lange im Treppenhaus von Nr. 37 gewesen wären, wäre wohl auch das Ehepaar Mahoney oder ein anderer Bewohner auf beide gestoßen.
Zudem hätte ein blutbefleckter Mörder wohl kaum in unmittelbarer Nähe des Tatorts auf seinen Kameraden gewartet und so entspannt auf Polizist Barrett reagiert. Barrett jedenfalls kam nichts an ihm und seinem Verhalten verdächtig vor. Wahrscheinlicher ist, dass sich Tabram nach 1.45 Uhr noch mit einen anderen Mann - eben dem Ripper - in den George Yard zurückgezogen hat.

Erkenntnissen der modernen Kriminologie zufolge stammt das erste Opfer eines Serientäters oft aus seinem näheren räumlichen Umfeld. Tabrams letzte bekannte Adresse war Satchell's Lodging House in der George Street, und die Kneipentour endete vor den George Yard Buildings.
Levys Heim in der Middlesex Street 36 liegt nur rund 300 Meter oder etwa 3-4 Minuten Fußweg von beiden Orten entfernt.
Der Profiler William Eckert: "Nachdem der erste Mord geschehen war, in dessen Nähe der Mörder wahrscheinlich lebte, zog er weiter." In diesem Fall in die Buck's Row.


Freitag, 31. August 1888: Marie Ann Nichols in der Buck's Row
Nichols übernachtete zuletzt im White House Nachtasyl in der Flower and Dean Street 56.
Gegen 2.30 Uhr wurde Nichols zuletzt lebend gesehen von ihrer Bekannten Emily Holland an der Ecke Osborn Street / Whitechapel High Street, fast einen Kilometer vom Tatort entfernt, bevor sie betrunken auf der Whitechapel Road weiter Richtung Osten wankte.
Bis ca. 3.20 Uhr kamen nacheinander die Polizisten Neil, Thain und Kirby auf ihren Runden durch die Buck's Row, ohne etwas Verdächtiges zu sehen.
Gegen 3.45 Uhr fanden dann Charles Andrew Cross und Robert Paul auf ihrem Weg zur Arbeit die Leiche von Nichols vor einem verschlossenen Tor (vermutlich hatte der Täter vergeblich versucht, mit ihr in den Hof zu gelangen). Die Tatzeit muss also zwischen 3.20 Uhr und 3.45 Uhr betragen.

Cross war als erster und allein am Tatort, bis Paul kurz darauf dazustieß. Somit könnte Cross der Täter gewesen sein, zumal alle Tatorte JTRs auf den Wegen zwischen seiner Adresse in der Doveton Street 22, seiner Arbeit als Fleisch-Auslieferer in der Broad Street und dem Wohnort seiner Mutter in der Nähe der Berner Street lagen.
Allerdings hätte Cross, als er die Schritte von Paul hörte, einfach nach Westen verschwinden können, ohne erkannt zu werden, statt auf ihn zu warten: Es sind rund 100 Meter vom östlichen Ende der Buck's Row bis zum Tatort und es war noch dunkel. Bis zu den Querstraßen im Westen als Fluchtwege sind es nur wenige Meter. Stattdessen wartete er auf Paul, wies ihn erst auf den am Straßenrand liegenden Körper hin und ging mit Paul einen Polizisten suchen. Auch wäre wohl aufgefallen, wenn er als erster am Nichols-Tatort auch an den Morgen der Morde von Annie Chapman und Mary Jane Kelly zu spät zur Arbeit gekommen wäre, denn seine Job begann bereits um vier Uhr - jene Tatzeiträume liegen jedoch deutlich später (s.u.).
Außerdem war er nicht nur vor den Morden ein unbescholtener Mann, der 20 Jahre lang zuverlässig denselben Job innehatte, er lebte auch noch mehr als 30 Jahre nach dem Ende der Serie als freier und gesunder Bürger weiter, ohne irgendwie einschlägig aufzufallen. Daher war Cross wohl eher nicht der Ripper.

Was Jacob Levy betrifft: Der Tatort ist zwar rund 1300 bis 1400 Meter und damit etwa 16-18 Minuten Fußweg von Levys Adresse in der Middlesex Street 36 entfernt.
Aber Nichols übernachtete im White House Nachtasyl in der Flower and Dean Street 56, und trieb sich bis 2.30 Uhr in der Umgebung der Hauptverkehrsader Whitechapel High Street herum, beides nur rund 300 Meter von Levys Adresse entfernt.
Es ist kriminologisch plausibel, dass JTR auf seiner Jagd auch das anonyme Gewimmel der Hauptverkehrsadern Whitechapel Street und Commercial Street nutzte und beobachtete, ob ein potentielles Opfer in ruhigere Nebenstraßen abbog, um ihr dahin zu folgen. Zudem erscheint es vernünftig, diesmal nicht allzu nah beim eigenen Heim zuzuschlagen.

Vielleicht war JTR auch gar nicht auf seine eigenen vier Wände als sichere Zuflucht nach den Taten eingeschränkt, sondern konnte an verschiedenen Orten unauffällig von der Straße verschwinden - Detective Inspector Henry Cox von der City Police schrieb über den observierten Verdächtigen im Ripper-Fall: "He occupied several shops in the East End".
Möglicherweise konnte JTR die Straßen schnell verlassen, indem er nach der Tat in Shops von Verwandten oder Freunden verschwand.
Im Fall von Jacob Levy und der Buck's Row könnte dies der Zigarrenhändler John Levy gewesen sein, der in der Whitechapel Road 254 einen Cigar Shop hatte, und neben dessen Shop nach dem Double Event ein blutiges Messer gefunden wurde (s.u.). Die Adresse des Shops in der Whitechapel Road 254 ist in Höhe des London Hospital, nur etwa 100 bis 200 Meter oder 1-2 Minuten vom Tatort entfernt.
War Levy der Ripper, hätte er also auf dem Weg zum oder vom Cigar Shop auf Nichols treffen und sich nach der Tat dort verstecken können. 

Interessant an der Metzger-Theorie ist zudem, dass sich in der Nähe von mindestens drei Tatorten Schlachthäuser befanden: Zwei Harrison, Barber & Co Slaughterhouses, eines in der Winthrop Street, Parallelstraße zum Tatort Buck´s Row, und im Barber´s Yard nahe Tatort Hanbury Street, sowie ein Schlachthaus in der Harrow Alley, Eingang von der Butcher's Row, Nahe Tatort Mitre Square. Da in diesen auch über Nacht gearbeitet wurde, hätte ein Metzger dort als Einkäufer für sein Geschäft auftreten oder als Schlachter arbeiten können. Das Tragen seiner Arbeitsgeräte und blutverschmierter Arbeitskleidung wäre dort nicht per se verdächtig.


Samstag, 8. September 1888: Annie Chapman in der Hanbury Street
Chapman verbrachte ihre letzten Nächte in der Crossingham's-Unterkunft in der Dorset Street 35.
Gegen 1.50 Uhr verließ sie das Asyl Richtung Norden in die Brushfield Street.
Gegen 5.30 Uhr am frühen Morgen wurde Chapman zum letzten Mal lebend gesehen, und zwar von der Zeugin Elizabeth Long. Unmittelbar vor dem Tatort in der Hanbury Street 29 soll sie laut Longs Aussage mit einem Freier gesprochen haben: "Willst du?" - "Ja."
Long beschreibt den Verdächtigen wie folgt: Knapp 40 Jahre alt, etwas größer als Chapman, dunkler Mantel und tief ins Gesicht gezogener dunkler Hut, fremdländisches Aussehen.
Etwa zur selben Zeit geht Albert Cadosch aus dem Nachbarhaus Nr. 27 in seinen Hinterhof zur Toilette, als er danach ins Haus zurück will, hört er vom Hof nebenan zunächst ein leises "No" und wenige Minuten später bei seinem Aufbruch zur Arbeit etwas gegen den Zaun stoßen.
Gegen 6 Uhr wurde Chapmans Leiche im Hinterhof vom Bewohner John Davies entdeckt.
Die Tatzeit liegt also zwischen 5.30 Uhr und 6 Uhr, und die Zeugin Long hat damit wohl den Ripper bei Chapman gesehen.

Da die Tatzeit bereits nahe der beginnenden Morgendämmerung und dem wieder einsetzenden "Berufsverkehr" in den Straßen liegt, hatte JTR nicht viel Zeit, aus der Öffentlichkeit zu verschwinden, bevor es richtig hell wurde.
Der Tatort ist rund 700 Meter oder etwa 8-9 Minuten Fußweg von Levys Adresse in der Middlesex Street 36 entfernt.

Interessant ist auch ein bekannt gewordener Zwischenfall im Prince Albert Pub an der Ecke Brushfield Street / Steward Street, etwa 200 Meter südwestlich vom Tatort:
Am frühen Morgen tauchte laut Aussagen der Inhaberin Mrs. Fiddymont ein Mann auf, dessen Erscheinung Mrs. Fiddymont und ihrer Freundin Mary Chappell Angst machte: Er trug einen dunklen Mantel, hatte seinen Hut tief ins Gesicht gezogen, sein Hemd war gerissen und er hatte offenbar Blutflecken auf seinem rechten Handrücken. Als er bemerkte, dass er kritisch beäugt wurde, drehte er sich weg, trank sein Bier in einem Zug aus und verließ den Pub sofort wieder. Mary Chappell folgte dem Mann in die Brushfield Street, stellte fest, dass er Richtung Westen ging und wies den Passanten Joseph Taylor auf den Mann hin.
Die drei wurden später von der Polizei zu zwei Gegenüberstellungen geladen, aber unter den vorgeführten Verdächtigen erkannten sie den Mann nicht wieder.
Bemerkenswert daran ist, dass nahe der Brushfield Street die Sandy Row geradewegs zur Middlesex Street hinunter führt.


24. September 1888: Der erste Bekennerbrief
Durch die Grausamkeit der Morde und die Sensationsberichterstattung der Zeitungen nahm die öffentliche Aufmerksamkeit sprunghaft zu und Hysterie breitete sich in Teilen der Bevölkerung aus.  In der Folge davon erreichten Dutzende angebliche Bekennerbriefe die Polizei und die Presse.
Der erste davon war an Polizeichef Sir Charles Warren selbst adressiert, seine Existenz wurde damals geheim gehalten. Er lautete:
"Dear Sir,
ich würde gerne aufgeben, ich befinde mich in einem Albtraum. Ich bin der Mann, der alle diese Morde in den letzten sechs Monaten begangen hat. Mein Name ist (mit der Zeichnung eines Sargs unkenntlich gemacht). Ich bin ein Schlachter und arbeite bei (mit zwei Balken unkenntlich gemacht). I have found the woman I would that is Chapman and I done what I called slautered her (?). Aber wenn jemand kommt, werde ich aufgeben. Aber ich werde nicht von selbst zur (Polizei-)Station gehen. Hochachtungsvoll (mit der Zeichnung eines Sargs unkenntlich gemacht)."
Rückseite:
"Haltet das Viertel sauber, oder ich werde ihm einen Besuch abstatten. (Zeichnung eines Messers) Dies ist das Messer, mit dem ich die Morde begangen habe. Es hat einen schmalen Griff mit einer langen Klinge, beide Seiten scharf."

Die meisten Bekennerbriefe wurden von der Polizei schon damals als geschmacklose Scherze von Trittbrettfahrern abgetan, nur wenige wurden ernst genommen. Selbst die berühmt gewordenen Briefe, in denen der Mörder sich angeblich den Namen "Jack the Ripper" gab (der "Dear Boss"-Brief und die "Saucy Jacky"-Postkarte) werden inzwischen für Fakes gehalten und sollen aus der Feder ebenjenes Sensationsreporters Thomas Bulling von der Central News Agency stammen, welche die Briefe der Polizei übergab.
Jener erste Brief aber erscheint bemerkenswert: Erstens bezeichnet sich der Autor selbst als Schlachter. Zweitens ist er nicht verhöhnend, sondern scheint der Hilferuf eines kranken Menschen zu sein, der in einer tiefen inneren Zerrissenheit gefangen ist - so wie der Zustand Jacob Levys bei der Einlieferung ins Irrenhaus von seiner Frau beschrieben wurde (s.u.).
Der Satz mit Chapman ist aufgrund seiner Formulierungen und der fehlenden Satzzeichen verwirrend, aber "and I done what I called" könnte bedeuten: "und ich habe getan, was mir befohlen wurde" - was ein Hinweis auf die befehlenden Stimmen sein könnte, die ein Wahnkranker oft hört, und von denen Levys Frau sprach.


Sonntag, 30. September 1888: Nacht des Double Event
Mord an Elizabeth Stride in der Berner Street 40/42, etwa 45 Minuten später an Catherine Eddowes auf dem Mitre Square.

Stride
übernachtete bis zu ihrem Tod im Armenasyl in der Flower and Dean Street.
Zwischen 0.35 und 0.45 Uhr sahen mehrere Zeugen (Polizist William Smith, Anwohner James Brown, Zeuge Israel Schwartz) Stride mit einem Mann in der Nähe des Berner Street Clubs. Beschrieben wird er übereinstimmend als knapp 1,70 groß, etwa 30 Jahre alt, heller Teint, Schnauzbart, dunkler Mantel und Schirmmütze. Polizist Smith bemerkte zudem ein Päckchen in seiner Hand.
Der aus Norden von der Commercial Road vorbeikommende Israel Schwartz will sogar eine Auseinandersetzung wahrgenommen haben, weswegen er schnell weitergegangen sei, sagte er später der Polizei. Der Mann habe die Frau am Tor zum Dutfields Yard zu Boden geworfen, die Frau habe kurz aufgeschrien. Als er zurückgeblickt habe, sei gerade ein anderer Mann mit einer Pfeife aus dem nahen "Nelson"-Pub gekommen und es habe eine kurze verbale Auseinandersetzung mit dem Verdächtigen gegeben, bis der Verdächtige "Lipski" gerufen habe. Da sei der andere auf Schwartz zugegangen und Schwartz sei aus Angst weggelaufen.
Gegen 1 Uhr dann wurde Strides Leiche vom Verwalter des Clubs, Louis Diemschütz, im Torweg des Dutfield Yard neben dem Club gefunden. Im Gegensatz zu den anderen Opfern wurde ihr nur die Kehle durchgeschnitten, aber offenbar wegen der Störung durch die Zeugen keine Verstümmelungen des Unterleibs mehr vorgenommen.

Als plausibelste Interpretation dieser Szene scheinen Schwartz und der Mann mit der Pfeife mitten in den Angriff des Rippers hineingeplatzt zu sein. Weil Schwartz schon auf der Flucht war, als der Pfeifenraucher auf die Straße kam, tat der Mörder offenbar so, als sei er ein unschuldiger Helfer und konnte den anderen Mann mit dem Ausruf "Lipski" davon überzeugen, dass der nach Süden flüchtende Schwartz der Angreifer gewesen sei, so dass "Pipeman" die Verfolgung von Schwartz aufnahm (leider konnte "Pipeman" nie identifiziert werden).
Lipski war ein Jude aus dem Viertel, der 1887 wegen Mordes verurteilt worden war - und sein Name war in antisemitischen Kreisen zum Schimpfwort gegen Juden im allgemeinen und zum Synonym für Mörder im speziellen geworden.
Indem der Mörder den einen Zeugen so auf den anderen hetzte, konnte er vom Tatort (vermutlich über die Gasse zur Batty Street, wo später blutige Wäsche gefunden wurde) schließlich nach Norden in die Commercial Road fliehen. Er wollte angesichts der Beinahe-Entlarvung mit ziemlicher Sicherheit zu seinem Versteck zurück - und in der Richtung, die er einschlug, liegt die Middlesex Street.
Da JTR aber sein eigentliches Ziel - die Verstümmelung - bei Stride nicht mehr umsetzen konnte, suchte er, als er sich wieder sicher fühlte, schließlich ein weiteres Opfer.


Eddowes
und ihr Mann John Kelly lebten überwiegend im Armenhaus "Cooney's" in der Flower und Dean Street 55.
Gegen 1 Uhr wurde Eddowes aus der Ausnüchterungszelle der Polizeistation Bishopsgate Street entlassen und ging Richtung Süden, höchstwahrscheinlich die Houndsditch entlang zurück zur Aldgate High Street, wo sie den frühen Abend verbracht hatte.
Gegen 1.30 Uhr checkte Constable Edward Watkins auf Streife den Mitre Square, ohne etwas  Verdächtiges festzustellen.
Etwa um diese Zeit verließen Joseph Lawende, Harry Harris und Joseph Hyam Levy den Imperial Club, Duke Street, schräg gegenüber der Church Passage zum Mitre Square, und sahen einen Mann und eine Frau am Eingang der Passage in einem leisen Gespräch.
Der Zeuge Lawende beschrieb den Mann wie folgt: Etwa 30 Jahre alt, knapp 1,70 Meter groß, blasser Teint, heller Schnauzbart, durchschnittlicher Körperbau, graue Jacke, graue Stoffkappe und rötliches Halstuch, sah wie ein Seemann aus (wobei aber Seemänner selten "blassen Teint" haben).
Gegen 1.38 Uhr ging Constable James Harvey durch die Church Passage und schaute in den dunklen Mitre Square, sah jedoch nichts und kehrte auf seine Runde zurück.
Gegen 1.45 Uhr kam Constable Edward Watkins von der anderen Seite (Mitre Street) wieder durch den Hauptzugang in den Mitre Square und entdeckte beim Herumleuchten mit seiner Lampe die tote Eddowes in der dunkelsten Ecke liegen, vor dem Tor zu einem kleinen Hof (vermutlich hatte der Ripper gehofft, das Tor wäre offen).
Laut Inspector Robert Sagar von der City Police soll ein Polizist kurz zuvor gesehen haben, wie ein Mann aus der Mitre Street in östliche Richtung verschwand. Aufgrund der Sichtung dieses Mannes liefen anschließend Polizisten durch Gravel Lane und Stoney Lane, um Hinweise auf den Fluchtweg des Mörders zu finden - dieser Weg führt in die Middlesex Street und weiter in die Goulston Street.
Einer davon war Detective Constable Daniel Halse, der mit zwei Kollegen gegen 1.55 Uhr an der Ecke Houndsditch bei St. Botolph's Church stand und aufgrund der Alarmierung in den Mitre Square kam. Nachdem Halse Instruktionen zur Befragung der Anwohner gegeben hatte, eilte er zuerst in die Middlesex Street und, weil er dort niemanden sah, weiter in die Wentworth Street, wo er zwei Passanten überprüfte. Gegen 2.20 Uhr checkte er die Goulston Street, um nach vergeblicher Suche zum Mitre Square zurückzukehren.
Gegen 2.55 Uhr fand Constable Alfred Long auf seiner Runde ein Stück der blutigen Schürze von Eddowes im Hauseingang der Wentworth Dwellings 108-119, Goulston Street. Darüber an der Wand stand mit Kreide der Satz: "Die Juden sind die Menschen, die nicht grundlos beschuldigt werden." Long zufolge soll die Schürze auf seiner vorherigen Runde gegen 2.25 Uhr noch nicht dort gelegen haben. Ob das antisemitische Graffiti zuvor schon da gewesen war, wusste er nicht.

War Levy der Ripper, wäre er nach der unterbrochenen Tat an Stride in Richtung der Middlesex Street geflüchtet, um schnell von der Straße verschwinden zu können, dann aber mit oder ohne einen Zwischenstopp zuhause weiter Richtung Westen gezogen, wo er in der Houndsditch oder Duke Street den Weg von Eddowes kreuzte.
Er hätte auch nach dem Mord an Eddowes zuhause einen Zwischenstopp einlegen können, um Blut, Messer, Gebärmutter und Niere loszuwerden und sich umzuziehen, bevor er die Schürze platzieren ging, um eine falsche Spur zu legen.
Die Berner Street ist rund 700 Meter oder etwa 8-9 Minuten Fußweg von Levys Adresse in der Middlesex Street 36 entfernt.
Die Strecke zwischen Berner Street und Mitre Square beträgt rund 1000 Meter oder etwa 12-15 Minuten Fußweg.
Die Strecke zwischen Mitre Square und Middlesex Street 36 beträgt rund 300 Meter oder etwa 3-4 Minuten Fußweg.

Die Strecke vom Mitre Square zur Goulston Street beträgt nur rund 500 Meter oder 6-7 Minuten. Entweder haben die Polizisten Halse und Long die Schürze gegen 2.25 Uhr übersehen, oder JTR hat sich zeitweise in einer Zuflucht versteckt, bevor er sie ablegte. Ein Umweg von rund einer dreiviertel Stunde durch die Straßen voller alarmierter Polizisten ist eher unwahrscheinlich - daher dürfte die Rückzugsmöglichkeit des Rippers in unmittelbarer Nähe gewesen sein. Die Ablage der Schürze könnte dann für ein Ablenkungsmanöver sprechen, das die Ermittler auf eine falsche Fährte locken sollte Richtung Osten, weg von der Umgebung Mitre Square und seiner Zuflucht.
Wenn Levy der Ripper war, hätte er damit aufgrund der Erkenntnis, zu nah an seinem Zuhause zugeschlagen zu haben, bewusst die Spur vom Grenzgebiet der City Police, wo er wohnte, weiter nach Osten in das Territorium der Metro Police gelenkt.
Oder vielleicht konnte er auf seiner Flucht auch einfach nicht auf direktem Weg sein Heim in der Middlesex Street 36 erreichen, weil gerade jemand in der Straße unterwegs war, so dass er einen Bogen schlagen musste, um sein Heim unbeobachtet von hinten zu erreichen.
Die Strecke zwischen den Parallelstraßen Goulston Street und Middlesex Street beträgt außen herum nur rund 200 Meter oder etwa 2-3 Minuten Fußweg - wenn es eine Möglichkeit gab, über die Hinterhöfe zur anderen Seite zu kommen, sogar ohne gesehen zu werden.

Zwei weitere interessante Möglichkeiten, wenn Levy der Ripper war:
Jacobs Bruder Isaac Levy lebte zur Zeit der Morde in der Goulston Street: Laut Census von 1891 wohnte Isaac Levy im Model Dwellings 130, und die Geburt seiner Tochter 1888 ist unter derselben Adresse angegeben - dies ist nur einen Häuserblock vom Schürzenfund entfernt.
Zuletzt schließlich bleibt noch die Alternative, dass Jacob weiter zum Cigar Shop von John Levy in die Whitechapel Road 254 flüchtete, um sich dort zu verstecken - direkt nebenan vor Nr. 253 wurde am Tag darauf von Thomas Coram ein blutiges Messer gefunden (s.u.).

Bemerkenswert ist, dass es am Tatort im Mitre Square sehr dunkel war: Die Streifenpolizisten mussten ihre Lampen verwenden, um in den Ecken überhaupt etwas erkennen zu können. JTR hatte nur etwa 10 Minuten für die Verstümmelungen, die noch umfangreicher als bei den vorherigen Opfern waren. Insbesondere die Entfernung von Gebärmutter und Niere in der Dunkelheit zeugen davon, dass der Ripper offenbar Übung darin hatte, einen Körper schnell mit einem Messer zu zerlegen. Auch dies deutet auf einen Metzger hin, eine Ansicht, die u.a. Dr Frederick Gordon Brown vertrat, der Eddowes Leiche untersuchte.

Merkwürdigerweise taucht in den Berichten über die Coroner-Untersuchung zu Strides Tod der wichtige Zeuge Israel Schwartz gar nicht auf.
Und bei der Coroner-Untersuchung zu Eddowes Tod wurde dem Zeugen Joseph Lawende verboten, den Verdächtigen vor dem Publikum genauer zu beschreiben - offenbar aus ermittlungstaktischen Gründen.
Dies deutet darauf hin, dass die Polizei glaubte, eine heiße Spur zu haben.
Zumal Lawendes Begleiter Joseph Hyam Levy bei der polizeilichen Vernehmung den Eindruck gemacht hatte, mehr zu wissen, als er zugeben wollte. So soll er beim Anblick von Eddowes und dem Mann zu seinen beiden Begleitern gesagt haben, wenn er solche Charaktere sehe, wolle er nicht alleine nach Hause gehen, und man solle den Hof beobachten (!). Als er beim Verhör gefragt wurde, ob er denn Angst gehabt habe, antwortete er kryptisch: nicht wirklich um sich.
Frage: "What was there terrible in their appearance?" - Antwort: "I did not say that." - Frage: "Your fear was rather about yourself?"- Antwort: "Not exactly." (!)


1. Oktober 1888: Messer-Fund in der Whitechapel Road
In der Nacht nach dem Double Event fand Thomas Coram gegen 0.30 Uhr vor der Whitechapel Road 253 ein in ein Taschentuch eingewickeltes blutiges Messer, das er der Polizei übergab - jedoch konnten die obduzierenden Ärzte nicht bestätigen, ob dies die Waffe des Rippers war.

Interessant ist in diesem Zusammenhang aber: In den 1880er Jahren hatte John Levy in der Whitechapel Road 254 einen Cigar Shop. Er war laut Census der Bruder von Fanny Levy von den Levys aus der Mitre Street 29, und sie waren Ripperologen zufolge wahrscheinlich Cousins des Zeugen Joseph Hyam Levy - somit war vermutlich auch Jacob Levy mit diesen Levys verwandt.

John und Fannys Eltern, Ann und Barnett Levy, lebten in den 1850ern in Mitre Street 29 ("Orange Market" am Mitre Square), sie waren Zigarren- und Orangenhändler und hatten vier Kinder - John, Samuel, Lewis und Fanny. Um 1888 wohnte nur noch Fanny dort.
Samuel lebte erst in den Häusern Mitre Street 17 und 23 und zog danach neben Joseph Hyam Levys Vater, Hyam Levy, in die Middlesex Street 39 (!). 1888 kehrte Samuel dann als Orangenverkäufer wieder in die Mitre Street zurück, diesmal in die Nummer 20.
Und Lewis Levy lebte in den 1860ern in Mitre Square 8 - dahinter fand man die Leiche von Catherine Eddowes.

Kurz: War Jacob Levy der Ripper, hätte er nach dem Double Event weiter in den Cigar Shop flüchten können, um sich dort relativ weit von den Tatorten weg zu verstecken, und könnte das blutige Messer davor weggeworfen haben.


Polizei-Razzia bei Metzgern im Oktober:
Die Polizei führte in den folgenden Wochen (3.-18. Oktober) in der Umgebung des Mitre Square
Haus-zu-Haus-Befragungen durch. Der stellvertretende Polizeipräsident Robert Anderson schrieb, dass man alle Männer des Viertels überprüft habe, die den Zeugenaussagen entsprachen und sich blutbefleckter Kleidung entledigen konnten.
Die Polizei durchsuchte auch 76 Metzgereien und Schlachtereien im Viertel und überprüfte alle Personen, die in den letzten sechs Monaten dort beschäftigt waren, verschiedene Verdächtige wurden unter Beobachtung gestellt.

Interessanterweise folgte nach dem Double Event die längste Pause zwischen den Ripper-Morden von fast sechs Wochen. Ursache dafür könnte der Ermittlungsdruck durch die Behörden gewesen sein, was für die Annahme spricht, dass die Polizei mit der Untersuchung des Metzger-Milieus rund um Aldgate High Street dem Ripper näher kam, so dass er vorerst pausieren musste, bis die polizeilichen Aktivitäten in seinem Umfeld wieder zurückgingen.
 

Freitag, 9. November 1888: Mord an Mary Jane Kelly im Miller's Court
In ihrer letzten Nacht verließ Mary Jane Kelly mehrmals ihr Zimmer im Miller's Court, Dorset Street 26, und kehrte mit verschiedenen Freiern wieder dorthin zurück, nachdem sie den frühen Abend mit ihrem Exfreund Joseph Barnett verbracht hatte.
Gegen 23.45 Uhr sah ihre Nachbarin Mary Ann Cox, wie Kelly mit einem Kunden auf ihr Zimmer ging. Zwischen 0.30 Uhr und 1 Uhr hörten Cox und Nachbarin Catherine Picket sie singen.
Ihre Nachbarin Elisabeth Prater kehrte gegen ein Uhr zurück, wartete erst 20 Minuten vor dem Eingang zum Court auf ihren Freund und ging, als er nicht kam, noch für zehn Minuten in McCarthys Laden nebenan. Gegen 1.30 Uhr stieg sie die Treppen zu ihrem Zimmer direkt über Kellys hinauf, ohne dort Licht zu sehen oder etwas zu hören, und ging zu Bett.
Der Zeuge George Hutchinson, ein Bewohner des Victoria Home in der Commercial Street, ging am 12. November zur Polizei und sagte aus, dass er seine Bekannte Mary Jane Kelly am 9. November gegen 2 Uhr in der Commercial Street getroffen habe.
Kurz darauf sei sie mit einem Kunden an ihm vorbei zurück auf ihr Zimmer gegangen. Weil der Mann sein Gesicht vor ihm habe verbergen wollen, sei er beiden gefolgt und habe rund eine dreiviertel Stunde den Hof beobachtet, jedoch ohne etwas Verdächtiges wahrzunehmen. Gegen 3 Uhr sei er schließlich gegangen.
Hutchinson beschrieb den Mann als etwa Mitte 30, knapp 1,70 Meter groß, blasser Teint, dunkle Augen und Haare, dünner gezwirbelter Schnurrbart, jüdisches Erscheinungsbild, mürrisches Aussehen, dunkler Mantel, dunkler Hut, kleines Päckchen in seiner Hand.
Sarah Lewis, die gegen 2.30 Uhr zu ihrer Bekannten Mrs. Keyler im Miller's Court ging, um dort zu übernachten, sah gegenüber dem Hofeingang einen Mann stehen - dabei handelte es sich vermutlich um Hutchinson.
Zwischen 3.15 Uhr und 3.45 Uhr hörten sowohl Lewis wie auch Elizabeth Prater einen leisen, unterdrückten Schrei vom Hof her: "Mord!"
Gegen 6.15 Uhr hörte Nachbarin Marie Ann Cox Schritte im Hof.
Gegen 7.30 Uhr klopfte Nachbarin Catherine Picket an Kellys Tür, um sich einen Schal zu leihen, aber nichts regte sich.
Gegen 10.45 Uhr wurde Kellys Leiche von Hausverwalter Thomas Bowyer entdeckt, der die Miete eintreiben sollte.

Theoretisch könnte Hutchinson der Täter gewesen sein, der nach dem Verschwinden des Kunden gegen 3 Uhr selbst zu Kelly ging - nur: warum hätte er dann bei der Polizei auftauchen und sich mit dem Geständnis seines "Stalkings" verdächtig machen sollen? Inspektor Abberline hielt ihn für glaubwürdig.
Plausibel wäre aber, dass der von Hutchinson beschriebene Kunde nach 3 Uhr ging - und dass erst der nächste Besucher Kellys der Ripper war. Dann wäre Hutchinsons Beschreibung unbrauchbar.
Bemerkenswert ist jedoch, dass Hutchinson aussagte, er glaube denselben Mann später noch einmal gesehen zu haben, und zwar am 11. November in der Petticoat Lane / Middlesex Street - wo Levy wohnte und es den Straßenmarkt mit günstiger Second-Hand-Kleidung gab.
Wenn JTR die Person war, die von Cox gegen 6.15 Uhr im Hof bemerkt wurde, muss er beim Verlassen des Tatorts unter Zeitdruck gestanden haben, weil es langsam hell wurde.
Falls Levy der Ripper war: Der Tatort in der Dorset Street 26 ist rund 500 Meter oder nur etwa 5-6 Minuten Fußweg von der Middlesex Street 36 entfernt.

Merkwürdig war nach den Coroner-Untersuchungen zum Double-Event auch die Anhörung im Fall Kelly: Sie wurde im Distrikt Shoreditch vom dort zuständigen Richter vorgenommen und nicht in Whitechapel, mit der seltsamen Begründung, zuständig sei der Ort der Aufbahrung, nicht der Tatort. Sie wurde bereits am 12. November eröffnet, mit sich nicht zuständig fühlenden Geschworenen, in hohem Tempo durchgepeitscht und schon am selben Tag wieder abgeschlossen. Richter Roderick Macdonald sagte: "Wenn die Geschworenen allein zu der Todesursache zu einem Ergebnis kommen, so ist das alles, was sie zu tun haben."
Zeugen oder Beweismittel zur Strafverfolgung sollten nicht weiter öffentlich thematisiert werden - wahrscheinlich aus ermittlungstaktischen Gründen, weil man einen Tatverdächtigen nicht warnen wollte, während er unter Beobachtung stand, um ihn auf frischer Tat stellen zu können.
In H. L. Adam's Serie "The People on Scotland Yard and its Secrets" von 1912 zitiert der Autor  Assistant Commissioner Anderson: "Sir Robert Anderson has assured the writer that the assassin was well known to the police, but unfortunately, in the absence of sufficient legal evidence to justify an arrest, they were unable to take him. It was a case of moral versus legal proof. The only chance the police had, apparently, was to take the miscreant red-handed…"


"Butcher's Row Suspect"
Nach dem Kelly-Mord begann die City Police damit, mehrere Monate lang einen Tatverdächtigen bei der Butcher's Row zu observieren.

Butcher's Row war kein offizieller Straßenname, so wurde wegen der vielen Metzger und der dahinter liegenden Schlachterei jener Abschnitt der High Aldgate Street genannt, der an der Einmündung der Middlesex Street liegt, wo Jakob Levy wohnte (sie stellt die Grenze zwischen City of London und Whitechapel sowie zwischen den beiden Polizei-Distrikten dar).

In einem Zeitungsinterview (City Press, 7. January 1905) sagte Robert Sagar von der City Police, dass man nach dem Kelly-Mord einen Mann unter Beobachtung gestellt habe, der in der Butcher's Row arbeite und von dem man annehme, dass er der Ripper sei, und dass dieser Mann letztendlich von seinen Leuten in ein Irrenhaus eingeliefert worden sei.
Auch Detective Inspector Henry Cox (City Police) wurde ein Jahr später in einem Zeitungsartikel (Thomson’s Weekly News, 1. December 1906) zu den Observationen zitiert, ohne jedoch den genauen Ort zu nennen. Cox: "The man we suspected was about five feet six inches in height, with short, black, curly hair, and he had a habit of taking late walks abroad. He occupied several shops in the East End, but from time to time he became insane, and was forced to spend a portion of his time in an asylum in Surrey. (...) While the Whitechapel murders were being perpetrated his place of business was in a certain street, and after the last murder I was on duty in this street for nearly three months."
Cox erzählte auch, er habe den Verdächtigen nachts auf einem Streifzug verfolgt: Nachdem dieser sein Haus verlassen habe, sei er um die Ecke gebogen und die Leman Street in Richtung St. Georges hinab gegangen - die Straße verläuft nur etwa 100 Meter östlich von der Einmündung der Middlesex Street in die Butcher's Row nach Süden (!).
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, was Detective Inspector Cox zur Überwachung des Tatverdächtigen sagte. Zur Verschleierung der Observation, die der jüdischen Gemeinde nicht verborgen blieb, behaupteten die Polizisten, die Schneider auf Beschäftigung von Minderjährigen zu überwachen: "We told them we were factory inspectors looking for tailors and capmakers who employed boys and girls under age." Dies lässt ein Observationsteam in unmittelbarer Nähe zur Bekleidungsindustrie in der Petticoat Lane möglich erscheinen.

Die Maßnahmen der City Police deuten darauf hin, dass die Indizien sie in dem Verdacht bekräftigten, es bei JTR mit einem einheimischen Metzger in der Umgebung von Aldgate High Street und Middlesex Street zu tun zu haben. Vielleicht war es sogar Jacob Levy, der beobachtet wurde - doch leider sind weder die genaue Adresse noch der Zeitraum der Observationen bekannt.

Wenn Jacob Levy der Ripper war, könnte dies bedeuten, dass er neben seiner Heimatadresse Middlesex Street 36 auch bei den Metzgern der Butcher's Row ein und aus ging. Denn sowohl Jacob Levy als auch der Zeuge und mutmaßliche Verwandte Joseph Hyam Levy sollen Geschäftsverbindungen in der Butcher's Row gehabt haben. Vermutlich kauften sie auch in der dortigen Schlachterei ein. Levy könnte sogar wegen seines ruinierten eigenen Geschäfts zeitweise dort oder in einem anderen Shop gearbeitet haben.


Nähe von mutmaßlichen Verwandten zu den Tatorten
Detective Inspector Henry Cox von der City Police schrieb über den observierten Verdächtigen: "He occupied several shops in the East End."

Zusätzlich den möglichen Verbindungen Levys mit anderen Metzgern gab es im Eastend noch die Shops der Levy-Familie aus der Mitre Street, mit denen Jacob und Joseph Hyam Levy laut Casebook verwandt gewesen sein sollen:
Darunter der Orangenhändler Samuel Levy in der Mitre Street 20 (Tatort Mitre Square) und der Zigarrenhändler John Levy in der Whitechapel Road 254 - nahe den Tatorten Buck's Row und Berner Street sowie unmittelbar neben dem Messer-Fund von Thomas Coram nach dem Double Event vor Whitechapel Road Nr. 253.

In den 1880er Jahren hatte John Levy in der Whitechapel Road 254 einen Cigar Shop. Er war laut Census der Bruder von Fanny Levy von den Levys aus der Mitre Street 29, und sie waren wahrscheinlich Cousins des Zeugen Joseph Hyam Levy, dessen Vater vor Jacob die Metzgerei in der Middlesex Street 36 hatte - somit war vermutlich auch Jacob Levy mit diesen Levys verwandt.

John und Fannys Eltern, Ann und Barnett Levy, lebten in den 1850ern in Mitre Street 29 ("Orange Market" am Mitre Square), sie waren Zigarren- und Orangenhändler und hatten vier Kinder - John, Samuel, Lewis und Fanny. Um 1888 wohnte nur noch Fanny dort.
Samuel lebte erst in den Häusern Mitre Street 17 und 23 und zog danach neben Joseph Hyam Levys Vater, Hyam Levy, in die Middlesex Street 39 (!). 1888 kehrte Samuel dann als Orangenverkäufer wieder in die Mitre Street zurück, diesmal in die Nummer 20.

Nicht vergessen werden sollte schließlich noch Jacobs Bruder Isaac Levy, der zur Zeit der Morde im Model Dwellings 130 in der Goulston Street lebte - nur einen Gebäudekomplex entfernt von dem Hauseingang, in dem das blutige Teil von Eddowes Schürze gefunden wurde.

Fazit: Waren die Levys von Mitre Street tatsächlich mit Jacob Levy verwandt, so rückt der verrückt gewordene Metzger durch die Adressen seiner Verwandten in die unmittelbare Nähe zu mehreren Tatorten und den Funden von Schürze und Messer. War Jacob Levy der Ripper, kannte er sich dort besonders gut aus, hätte für seine Anwesenheit in den Straßen eine plausible Erklärung gehabt und nach den Taten schnell aus der Öffentlichkeit verschwinden können, indem er bei ihnen Unterschlupf fand. 


Mittwoch, 17. Juli 1889: Mord an Alice McKenzie in der Castle Alley
Police Constable Walter Andrews entdeckte gegen 0.50 Uhr in der Castle Alley den leblosen Körper von Alice McKenzie, etwa eine halbe Stunde, nachdem er das letzte Mal auf seiner Runde dort gewesen war. Zeugen der Tat gab es keine. Ihre linke Halsschlagader war durchtrennt, ihr Rock war hochgeschoben und der Unterleib mit einem Messer traktiert worden, allerdings waren die Verletzungen eher oberflächlich.

Die Polizisten und die untersuchenden Ärzte waren uneinig darüber, ob es sich um ein weiteres Ripper-Opfer handelte. Einiges passte ins Schema: McKenzie übernachtete in einem Armenhaus, war rund 40 Jahre alt, Prostituierte und Trinkerin - und wurde im Zentrum von JTRs Aktivitäten getötet. Allerdings wurde ein anderes Messer benutzt, und zudem wurde sie nicht gewürgt, es gab auch keinen vollständigen Kehlenschnitt, die Wunden waren nicht so tief und der Unterleib war nicht ausgeweidet.
Der Täter hätte wahrscheinlich durchaus genug Zeit für weiterreichende Verstümmelungen gehabt, denn er war wohl diesmal nicht gestört worden. Indiz dafür: Obwohl es kurz geregnet hatte, war der Gehweg unter McKenzies Körper trocken, was bedeutet, dass sie wohl schon vor dem Schauer getötet wurde und somit einige Zeit unentdeckt dagelegen hatte. Möglicherweise war es ein Nachahmungstäter, der dem Ripper diesen Mord in die Schuhe schieben wollte.
Falls es doch JTR war, deutet alles darauf hin, dass er nicht mehr auf der Höhe seiner physischen und/oder psychischen Kräfte war - Folgen der fortschreitenden Syphilis?
Auch der große zeitliche Abstand zu den übrigen Taten fällt auf: JTR hatte eine sehr kurze Abkühlphase, so dass längere Pausen wohl nur durch widrige Umstände wie Krankheit, Einweisung oder Ermittlungsdruck der Polizei zu erklären sind.
Falls Levy der Täter war: Der Tatort ist nur 100-200 Meter oder 1-2 Minuten Gehweg von Butcher's Row und Middlesex Street entfernt.


Das Ende


15. August 1890: Einlieferung ins Irrenhaus
Jacob Levy wird als geisteskrank in die Nervenheilanstalt City of London Asylum at Stone in Kent eingeliefert.
In der Krankenakte wird als Einweisungsgrund "Manie" eingetragen, an der er schon seit längerem leide. Er soll bei seiner Einlieferung noch in guter körperlicher Verfassung gewesen sein, seine Größe wird mit knapp 1,70 Meter und sein Gewicht mit 60 Kilo angegeben.
Seine Frau soll den Anstaltsakten zufolge nach der Einweisung gesagt haben, Levy habe beinahe ihr Geschäft ruiniert, früher sei er ein sehr guter Geschäftsmann gewesen. Aber er schlafe nun nachts nicht mehr, sondern wandere oft für Stunden ziellos umher. Auch befürchte er, jemandem etwas anzutun. Er höre Geräusche und Stimmen, die ihm befehlen und ihn zwingen Taten zu begehen, die er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne.
Merwürdigerweise soll Levy gegenüber dem Anstaltspersonal gesagt haben, dass schon sein Bruder Abraham Selbstmord begangen habe, indem er sich selbst die Kehle durchgeschnitten (!) habe - dabei hat er sich laut Casebook erhängt: Im Mai 1875 nahm sich Jacobs Bruder demnach das Leben, weil er angeblich bei Pferderennen enorme Summen verloren hatte. Einem Zeitungsbericht nach fand Jacob selbst den erhängten Leichnam seines zwei Jahre älteren Bruders.

Dass Levy sein Geschäft vernachlässigte, nachts umherstreifte und zugab, von inneren Stimmen zu schrecklichen Taten getrieben zu werden, ist ein gutes Indiz für eine mögliche Täterschaft.
Dass er auch 1890 noch in guter körperlicher Verfassung war, legt nahe, dass er trotz seiner Erkrankung physisch zu den Morden fähig gewesen wäre.
Das Einlieferungsdatum in die öffentliche Anstalt passt jedenfalls zum Zeitpunkt der angeblichen Identifikation von JTR in einem "Seaside Home" (s.u.), welche von Ripperologen auf Sommer 1890 angesetzt wird, da das Convalescent Police Seaside Home in Hove (bei Brighton) in diesem Jahr eröffnet wurde und in seinen Akten zwei Besucher ohne Namensnennung auftauchen.

Da Levy schon "seit längerem" an seiner Krankheit gelitten hatte, könnte er zuvor bereits in familiärer Betreuung und/oder einer privaten Einrichtung gewesen sein - so wie dies später von hochrangigen Polizisten über den Ripper-Verdächtigen erzählt wurde (s.u.).
Die Polizei soll laut einem Pressebericht jedenfalls alle privaten Sanatorien überprüft haben:
"The Dublin Express London correspondent on Thursday gave as the latest police theory concerning the Whitechapel murderer, that he has fallen under the strong suspicion of his near relatives, who to avert a terribly family disgrace, may have placed him out of harm's way in safe keeping. As showing that there is a certain amount of credence attached to this story, detectives have recently visited all the registered private lunatic asylums, and made full inquiries as to the inmates recently admitted."
War Jacob Levy der Ripper, würde dies den Zeitraum von eineinhalb Jahren zwischen dem Kelly- Mord und seiner offiziellen Einweisung im August 1890 erklären.
Über Levy ist leider nur bekannt, dass er in Stone eingeliefert wurde, es gibt bisher keine Hinweise auf eine vorübergehende Unterbringung woanders. Jedoch wäre es plausibel, dass sich zunächst seine Angehörigen um ihn kümmerten, bis sich sein Zustand so weit verschlechterte, dass er für sie nicht mehr zu bewältigen war (möglicherweise entzog er sich ihrer Aufsicht und tötete Alice McKenzie), worauf sie ihn unter falschem Namen in ein privates Sanatorium steckten, bevor er von der Polizei entdeckt und identifiziert wurde.
Zwar wurde von Chief Inspektor Swanson als öffentliche Anstalt Colney Hatch ins Spiel gebracht, aber dies bezog er explizit auf Kosminski. Laut Researcher Steward Hicks soll Lady Anderson, die Ehefrau von Assistant Commissioner Robert Anderson, hingegen gesagt haben, der Ripper sei in einer Anstalt bei Stone gewesen.


Freitag, 13. Februar 1891: Mord an Frances Coles in Swallow Gardens
Gegen 1.45 Uhr traf eine Bekannte, die Prostituierte Ellen Callagher, in der Commercial Street auf Coles. Sie liefen gemeinsam Richtung Minories und begegneten einen "brutalen Mann mit einer Baskenmütze", an den Callagher sich als einen früheren Kunden erinnerte. Sie will Coles gewarnt haben, dass der Mann ihr vor einiger Zeit ein blaues Auge geschlagen habe, und sie solle sich nicht mit ihm abgeben. Coles befolgte den Rat ihrer Freundin allerdings nicht und unterbreitete dem Mann ein Angebot, worauf die beiden ohne Callagher in Richtung Minories gingen.
Carmen Friday und die Brüder Knapton gingen kurz nach 2 Uhr morgens durch die Eisenbahn-Unterführung Swallow Gardens. Sie sahen eine Frau und einen Mann, die an der Ecke der Royal Mint Street standen. Gegen 2.15 Uhr entdeckte Police Constable Ernest Thompson auf seiner Runde unter der Eisenbahnbrücke die Prostituierte Frances Coles mit durchschnittener Kehle.
Verdächtigungen wie im Automn of Terror mit den Gerüchten um "Lether Apron" verbreiteten sich unter den Bewohnern des Eastends, diesmal sollte laut Mundpropaganda ein gewisser "Jacobs" (!) der Mörder gewesen sein (vgl. Timeline des Casebook). Die Justiz klagte später Coles gewalttätigen Freund Thomas Sadler an, der jedoch freigesprochen wurde, weil er ein Alibi hatte.

Coles war zwar auch eine Prostituierte, der die Kehle aufgeschlitzt wurde, allerdings wurde sie nicht zuvor gewürgt, sondern einfach zu Boden gerissen, das Messer soll ebenfalls ein anderes gewesen sein - der obduzierende Dr. Phillips hielt jedenfalls JTR nicht für den Täter.
Interessant ist allerdings, dass in gewissen Teilen der Bevölkerung der Name "Jacobs" die Runde machte, was doch sehr nach "Jacob" klingt. Könnten möglicherweise in bestimmten Kreisen Gerüchte über Verdachtsmomente gegen Jacob Levy als Ripper durchgesickert sein?


29. Juli 1891: Jacob Levys Tod
Levy stirbt an den Folgen der Syphilis in der Nervenheilanstalt Stone in Kent.
In den Akten steht als Todesursache: "General paralysis of the insane brought on by the serious sexually transmitted disease syphilis".

In ihren Aufzeichnungen nannten die hochrangigen Polizeibeamten Macnaghten und Anderson beide als einen der Hauptverdächtigen im Ripper-Fall einen Juden, der in nächster Nähe zu den Opfern lebte und nach den Morden in eine Irrenanstalt eingewiesen wurde.
Chief Inspektor Swanson schrieb persönliche Anmerkungen in sein Exemplar von Andersons Memoiren, die den grundsätzlichen Sachverhalt bestätigten. Allerdings fügte er noch hinzu, dass der Verdächtige in einem "Seaside Home" von einem Zeugen erkannt worden sei und es ihm auch bewusst gewesen sei, dass die Polizei ihn identifiziert habe. Danach habe man ihn vorübergehend zu seinen Verwandten zurückgebracht, wo die Polizei ihn Tag und Nacht beobachtet habe, bevor er dann endgültig in eine Irrenanstalt gebracht worden sei, wo er schon bald verstorben sei.
Dies würde erklären, warum die Morde aufhörten.

Damit würde der von Ripperologen in den Akten von Colney Hatch gefundene gewalttätige Irre David Cohen als Verdächtiger ausfallen, denn nach bisherigen Erkenntnissen hatte er keine Verwandten. Eine weitere Diskrepanz: Die Zeugen beschrieben alle einen Mann mittleren Alters - David Cohen war damals aber erst 23 Jahre alt. Zudem wurde er bereits am 7. Dezember 1888 per Gerichtsbeschluss erst ins Whitechapel-Arbeiterkrankenhaus eingewiesen, und dann wegen seiner Unkontrollierbarkeit am 21. Dezember direkt weiter ins Irrenhaus Colney Hatch, wo er am 20. Oktober 1889 verstorben sein soll - die erste offiziell "Seaside Home" genannte Einrichtung wurde aber erst 1890 eröffnet.
Allerdings vermuten einige Ripperologen, dass "David Cohen" auch ein Alias wie "John Doe" gewesen sein könnte, da es noch andere Namens-Unklarheiten in dem Fall gibt.

Macnaghten und Swanson bezeichneten ihren Verdächtigen als "Kosminski", jedoch enthalten die Erinnerungen der Polizisten nachgewiesenermaßen einige Ungenauigkeiten, so dass sie sich mit dem Namen geirrt haben könnten, denn der in medizinischen Akten gefundene Aaron Kosminski war damals erst 23 Jahre alt und starb erst 1919 in der Anstalt, nicht schon bald nach der Einweisung. Zudem schrieb Robert Sagar von der City-Police von einem Metzger, der observiert worden war, und Kosminski soll Haarschneider gewesen sein.
Vermutlich wurden einfach die Namen von ein paar verdächtigen Anstaltsinsassen durcheinander geworfen. Der nie an den Ermittlungen beteiligte Mcnaghten schrieb sein internes Memorandum 1894 und veröffentlichte seine Memoiren "Days of My Years" erst 1914 - Jahre nach den Ripper-Morden. Robert Anderson veröffentlichte seine Memoiren "The Lighter Side of My Official Life", in die Swanson seine Anmerkungen machte, erst 1910.

Eine andere plausible Erklärung der Namens-Irritationen könnte im Verhalten der Verwandten des mutmaßlichen Mörders liegen: Wenn er von den Angehörigen zuerst in eine private Anstalt gesteckt wurde, als sie seinem Irrsinn und seiner Gefährlichkeit nicht mehr Herr wurden, wäre es gut nachvollziehbar, dass sie ihn unter einer falschen Identität irgendwo eingewiesen hatten, um ihn und die Familie zu schützen.
Das wäre dann so lange gut gegangen, bis es zur Überprüfung aller neuen Anstalts-Einlieferungen durch die Polizei und der erwähnten Gegenüberstellung mit Identifizierung im "Seaside Home" gekommen war. Die spätere endgültige Einweisung in ein staatliches Institut wäre dann zwar unter dem richtigen Namen erfolgt, aber der falsche könnte immer noch in Polizeikreisen und -Berichten präsent gewesen sein und so zu den Irrtümern geführt haben.

Robert Anderson jedenfalls schrieb in seinen Memoiren: "Die einzige Person, die jemals einen guten Blick auf den Mörder werfen konnte, identifizierte ihn, aber als er erfuhr, dass der Tatverdächtige ein Glaubensbruder war, weigerte er sich, gegen ihn auszusagen."
Swanson bestätigte in seinen privaten Anmerkungen diesen Aspekt.
Bei diesem Zeugen könnte es sich somit um Joseph Hyam Levy, Joseph Lawende (beide Fall Eddowes) oder Israel Schwartz (Fall Stride) gehandelt haben.

Da Macnaghten schrieb, dass der Verdächtige der Beschreibung jener Person entsprach, die am Mitre Square gesehen wurde, dürfte der Zeuge tatsächlich entweder Joseph Hyam Levy oder Lawende gewesen sein. Joseph Hyam Levy machte bei der Befragung kaum Angaben zum Verdächtigen und gab sich verschlossen, vermittelte aber den Eindruck, als wisse er mehr als er sagen wollte, während Lavende zunächst eine detaillierte Beschreibung abgab. Lawende war ein Handelsreisender aus Dalston, kein Bewohner Whitechapels, und dürfte JTR nicht gekannt haben, so dass er vermutlich bedenkenlos eine erste Aussage machte, zumal er den Mann anfangs für einen Seemann gehalten hatte.
Eine Erklärung für den Rückzieher des Zeugen könnte somit sein, dass Joseph Lawende schließlich von seinem Begleiter Joseph Hyam Levy bearbeitet worden war, nicht gegen den Glaubensbruder auszusagen, um ein Pogrom gegen die jüdische Gemeinde zu verhindern.
Dass die Polizei tatsächlich die konkrete Möglichkeit sah, über die Zeugen Lawende und Joseph Hyam Levy den Ripper zu überführen, belegt auch die Vorgehsweise bei der öffentlichen Coroner-Untersuchung zu Eddowes Tod, bei der Lawende verboten wurde, den Verdächtigen vor dem Publikum genauer zu beschreiben (s.o.).


1892: Ermittlungs-Ende

Die Akte Jack the Ripper wird von der Polizei offiziell geschlossen.

Dies würde zeitlich besser zu Jacob Levy passen als zu dem in den Memoiren erwähnten Kosminski, da Aaron Kosminski erst lange nach seiner Einweisung und seiner Verlegung nach Leavesden im Jahr 1919 starb. Auch der von Ripperologen in den Akten der Colney Hatch Nervenheilanstalt gefundene mögliche Verdächtige Hyam Hyams starb erst am 22. März 1913.


Fazit s.u.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 13.04.2016 21:25 Uhr
Fazit

Die Theorie, dass JTR ein jüdischer Metzger war, der im Irrenhaus starb, erklärt den ansonsten merkwürdigen Schluss im Ripper-Fall: Nach dem Ende der Mordserie laufen die Ermittlungen angeblich ergebnislos aus, die Akte wird geschlossen - aber Jahre später erklären hochrangige Polizisten in ihren Memoiren oder Zeitungsartikeln, der Ripper wäre eigentlich identifiziert worden.

Nach dem Mord an Mary Ann Nichols verdichteten sich im Eastend schnell Gerüchte, dass die Morde von einem Juden mit dem Spitznamen "Leather Apron" verübt worden sein sollten, was so auch in den Zeitungen verbreitet wurde und schon zu ersten antisemitischen Aufwallungen und Kundgebungen führte.
Superintendent Thomas Arnold ordnete daher nach dem Double Event mit Erlaubnis von Polizeichef Charles Warren an, das Goulston Street Graffiti auf der Stelle zu entfernen, explizit aus dem Grund, um mögliche Pogrome gegen Juden zu verhindern. In seinem Bericht vom 9. November 1888 schreibt Arnold: "Ich bitte darum berichten zu dürfen, dass am Morgen des 30. September, dem Letzten, meine Aufmerksamkeit auf eine Aufschrift an der Wand des Eingangs zu Behausungen in der Goulston Street 108, Whitechapel gerichtet wurde, welche aus folgenden Worten bestand: 'Die Juwes sind [nicht] die Menschen, die nicht grundlos beschuldigt werden'.
Ich wusste, dass aufgrund der Verdächtigung eines Juden namens John Pizer, genannt ‚Leather Apron‘, der beschuldigt wurde, den kürzlich in der Hanbury Street verübten Mord begangen zu haben, ein starkes Gefühl gegen die Juden im Allgemeinen aufkam. Da das Gebäude, auf dem sich die Aufschrift befand, mitten in der Lokalität liegt, die hauptsächlich von dieser Religions-gemeinschaft bewohnt wird, war ich besorgt darüber, dass wenn die Aufschrift verbleibt, diese für einen Aufstand verantwortlich sein könnte. Daher habe ich erwogen, dass es wünschenswert sei, sie aufgrund der Tatsache zu entfernen, dass sie sich an einer Stelle befand, die gut von den Menschen einsehbar war, die dort hinein- und hinausgehen."

Falls man den Ripper tatsächlich durch einen Zeugen als jüdischen Metzger identifizierte, hätte die Bekanntgabe demnach zu schrecklichen Übergriffen bis hin zum Pogrom gegen die jüdische Gemeinde in Whitechapel im Allgemeinen und seine Familie im Besonderen führen können. Denn an die Eröffnung eines Prozesses wäre schon wegen des Gesundheitszustands des Tatverdächtigen nicht zu denken gewesen. Und selbst wenn: Ob die dünnen Beweismittel für eine Verurteilung ausreichend gewesen wären, darf bezweifelt werden - ein Freispruch aus Mangel an Beweisen wäre aber verheerend gewesen.
Wegen der sowieso schon explosiven sozialen Lage, einem weitverbreiteten Antisemitismus und der aufgestauten Wut durch den Ripper-Terror wäre wohl zu erwarten gewesen, dass viele Menschen dann ihre Aggressionen an Sündenböcken ausgelassen hätten.
Die Behörden könnten daher zu dem Schluss gekommen sein, es sei angesichts der explosiven Situation im Eastend sicherer, den todkranken Irren stillschweigend in einer Anstalt verrotten zu lassen und lieber weiter zähneknirschend vor der Öffentlichkeit wie Versager in diesem Fall dazustehen, als eine Katastrophe im Viertel zu riskieren.



MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 13.04.2016 21:42 Uhr
Hey Arthur!

Ich musste vor ein paar Tagen wieder an dich denken, als ich noch einen weiteren Butcher in der Middlesex Street fand (siehe Post 97). John Abrahams, Pork butcher 59 Middlesex Street/ Aldgate, es gab noch einen weiteren Pork Butcher dort aber den Namen habe ich gerade nicht.

Neben Jacob Levy könnte auch noch Salomon de Leeuw in Frage kommen. Auch er starb, wie Levy, in der Stone Anstalt, wenn auch einige Zeit später. Er war tatsächlich Butcher in der Butchers Row. Keine Informationen über frühere Anstaltsaufenthalte bekannt. Immerhin wähnte Anderson´s Frau den Ripper nahe Stone...

Ich werde die nächsten Woche nicht so aktiv sein, also bitte nicht wundern. Wir stecken mitten im Umzug und ziehen von einer Stadt in eine andere.

Es scheint sich jetzt tatsächlich noch eine andere Spur bezüglich der Butchers Row/ Sagar Geschichte aufzutun. Butcher Henry Nathan´s Schwager war Eigentümer verschiedener Räumlichkeiten im East End und verwandt mit "australische" Kosminskis. Aber ich freue mich lieber nicht zu früh...

Beste Grüße, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 13.04.2016 21:59 Uhr
Hallo Lestrade,

ich habe den Thread gelesen. Das könnte eine interessante Verbindung Kozminskis sowohl zur Butcher's Row als auch zum Australien-Gerücht werden und die Kozminski-These noch weiter erhärten.

Bin schon gespannt auf weitere Infos dazu.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 13.04.2016 22:02 Uhr
Achso, könnte dich auch noch interessieren:

Um den September 1889 (bezüglich der "Torso- Morde") gab es einen Bericht, dass Jack the Ripper ein jüdischer Butcher gewesen war. John Cleary/ John Arnold sagt dir vielleicht etwas im Zusammenhang mit den Pinchin Street Fall. Zufälligerweise werden noch zwei weitere "Verdächtige" erwähnt, Guzzling Jim und ein Geschäftsmann, vielleicht einer davon ein Butcher. Keine Ahnung, wer diese waren aber vielleicht war einer davon der Cox Verdächtige. Ich habe mich damit schon einmal befasst aber vielleicht lohnt es sich, dieses Thema noch einmal durchzugehen.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 13.04.2016 22:16 Uhr
Hallo Lestrade!

Interessant, davon habe ich noch nichts gehört. Aber ich habe die Torso-Mörde bisher auch eher stiefmütterlich behandelt. Eigentlich schräg, dass dieser Serienkiller so fast vergessen ist wg. JTR.
 
MfG, Arthur Dent


P.S. Hast du mal daran gedacht, für Kozminski eine Art geographisches Profil zu entwerfen, so ähnlich wie die Karte, die ich für Jacob Levy gemacht habe? Könnte vielleicht die bisherigen Erkenntnisse anschaulicher machen.


Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 13.04.2016 22:21 Uhr
Hallo Lestrade,

ich habe den Thread gelesen. Das könnte eine interessante Verbindung Kozminskis sowohl zur Butcher's Row als auch zum Australien-Gerücht werden und die Kozminski-These noch weiter erhärten.

Bin schon gespannt auf weitere Infos dazu.


MfG, Arthur Dent

Vielleicht erinnerst Du dich, dass ich stets irgendeinen Zusammenhang zwischen den Leuten aus dem Bordell- Zwischenfall (N. Cohen und Aaron Davis Cohen) in der 254 Whitechapel Road finden wollte. Nebenan, 253, fand Thomas Coram (hoffe, der Name ist richtig) ein blutiges Messer nach dem Double Event. Da war eigentlich eine Wäscherin beheimatet aber es gab dort auch einen Friseur zu der Zeit.

Eine Idee, wenn auch weit hergeholt.

Henry Nathan, der Butcher in der Butchers Row
Isaac Davis, sein Schwager, Eigentümer verschiedener Häuser im East End

Das N. in Cohen steht für "Nathan", das Davis in Cohen für Isaac Davis. Das Cohen in beiden Fällen steht für Kosminski/ Kaminski. N. Cohen ist somit der (Kosminski) Butcher von Sagar in der Butchers Row. Aaron Davis Cohen ist Aaron Kozminski (der Friseur) und vielleicht der Verdächtige von Cox.

Aaron Kozminski gerät schon im Oktober 1888 in das Visier der Polizei und ist nach Kelly nicht aufzufinden. Er fällt, gemeinsam mit dem anderen Kosminski Mitte/ Ende November 1888 im besagten Bordell auf. N. Cohen (Kosminski/ Kaminski), der Butcher, wird ausfinding gemacht und von Sagar observiert. Aaron Cohen (Kozminski) findet man erst etwas später in einer privaten Anstalt, nach seiner Entlassung observiert ihn Cox. Als N. Cohen im Dezember in das Workhouse kommt, machen die Beamten fälschlicherweise die Angaben über Aaron Davis Cohen (MET & City Police Gedöns), bemerken jedoch den Fehler und ändern alles in "David Cohen", ein "John Doe", da Ripper Suspect. Der Fehler entstand vielleicht deshalb, weil man Aaron Davis Cohen noch suchte. Als der PC diesen Cohen fand, könnte er gerade auch von Beamten beschattet worden sein, aber sie machten sich nicht bemerkbar, erst auf der Wache oder etwas später. Später tauschten sich die Beamten in und mit der jeweiligen Einheit über diese Kosminskis immer wieder aus und vermischten sie beide. Das könnte vieles der Ungereimtheiten erklären. Es ist sehr phantastisch aber somit weißt du, wohin meine Gedankenreise gerade geht.

Aber bleiben wir bei Jacob Levy, spannend genug.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 13.04.2016 22:25 Uhr
P.S. Hast du mal daran gedacht, für Kozminski eine Art geographisches Profil zu entwerfen, so ähnlich wie die Karte, die ich für Jacob Levy gemacht habe? Könnte vielleicht die bisherigen Erkenntnisse anschaulicher machen.

Habe diesen Vorschlag vor ein paar Wochen Jeff Leahy gemacht. Er wollte schauen was er tun kann. Grob könnte ich das auch aber mir fehlt, wie erwähnt, erst einmal die Zeit wegen dem Umzug. Jeff ist auch gerade erst umgezogen und bringt noch die Lampen an. Aber es kommt sicherlich in nicht all zu ferner Zeit...
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 13.04.2016 22:47 Uhr
Btw.: Rauchst Du oder jemand anderes hier Pfeife? Ich habe nach Jahren wieder angefangen zu rauchen, diesmal Pfeife. Tat ich schon als junger Mann mal. Vielleicht könnte man sich darüber dann auch austauschen.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 14.04.2016 00:31 Uhr
1. Oktober 1888: Messer-Fund in der Whitechapel Road
In der Nacht nach dem Double Event fand Thomas Coram gegen 0.30 Uhr vor der Whitechapel Road 253 ein in ein Taschentuch eingewickeltes blutiges Messer, das er der Polizei übergab - jedoch konnten die obduzierenden Ärzte nicht bestätigen, ob dies die Waffe des Rippers war.

Interessant ist in diesem Zusammenhang aber: In den 1880er Jahren hatte John Levy in der Whitechapel Road 254 einen Cigar Shop. Er war laut Census der Bruder von Fanny Levy von den Levys aus der Mitre Street 29, und sie waren Ripperologen zufolge wahrscheinlich Cousins des Zeugen Joseph Hyam Levy - somit war vermutlich auch Jacob Levy mit diesen Levys verwandt.

John und Fannys Eltern, Ann und Barnett Levy, lebten in den 1850ern in Mitre Street 29 ("Orange Market" am Mitre Square), sie waren Zigarren- und Orangenhändler und hatten vier Kinder - John, Samuel, Lewis und Fanny. Um 1888 wohnte nur noch Fanny dort.
Samuel lebte erst in den Häusern Mitre Street 17 und 23 und zog danach neben Joseph Hyam Levys Vater, Hyam Levy, in die Middlesex Street 39 (!). 1888 kehrte Samuel dann als Orangenverkäufer wieder in die Mitre Street zurück, diesmal in die Nummer 20.
Und Lewis Levy lebte in den 1860ern in Mitre Square 8 - dahinter fand man die Leiche von Catherine Eddowes.

Kurz: War Jacob Levy der Ripper, hätte er nach dem Double Event weiter in den Cigar Shop flüchten können, um sich dort relativ weit von den Tatorten weg zu verstecken, und könnte das blutige Messer davor weggeworfen haben.

Im Post Office Directory von 1888 erscheint in der 253 und 254 Whitechapel Road:

Joseph Kartowski, Friseur, 253 Whitechapel Road
Gertrude Smith, Tabakladen, 254 Whitechapel Road (das war das Bordell)

Scott Nelson hat mir das so erklärt, dass bei Erscheinen des Verzeichnisses 1888, die Einträge eher noch aus 1887 stammten. Das erklärt Thomas Coram´s Messerfund vor der Wäscherei Mr. Christmas (also ein Mann) 253 Whitechapel Road. Es war aber üblich, dass so ein Friseur, wie eben jener Kartowski, den Großteil seines Geschäftes dem Wäschereibetrieb überließ und er dennoch dort, auf kleinstem Raum, weiterarbeitete, quasi dann eine Art Untermieter gewesen wäre. Ähnlich im Falle der 254 Whitechapel Road. Eigentlich gehörte dieser Tabakladen dem John Levy aber offensichtlich überließ er Gertrude Smith dieses Geschäft, welches dieses als Bordell nutzte, illegal.

Die Polizei kümmerte sich darum:

“KEEPING A BROTHEL IN WHITECHAPEL
Gertrude Smith, a well-dressed middle-aged woman of 254 High-street (sic-Whitechapel Road), Whitechapel, surrendered to answer a charge preferred against her by Mr. Metcalf, vestry clerk of St. Mary, Whitechapel, on behalf of the overseers of the parish, for unlawfully keeping her house as a brothel. Uriah Harvey, who was specially engaged by the vestry of Whitechapel, owing to gross immorality taking place in certain houses, to keep a watch, gave evidence of the number of both sexes which entered and left the defendant’s house. On Saturday night, the 24th November, ten men and as many well-known prostitutes infesting the neighbourhood entered and left defendant’s house; Sunday, the 25th, twelve couples; Monday, the 26th, three couples; Saturday, December 1st, eighteen couples. It was ostensibly a cigar shop, and when the parties entered, the defendant was at the door letting them in. When Inspector Ferris (sic - Metropolitan Police Inspector Arthur Ferrett) entered, he found two well-known prostitutes in bed. In answer to Mr Lushington, Inspector Ferris said there had been no complaints of disturbances or robberies at defendant’s house.  Mr Lushington convicted the defendant in taking part in keeping a brothel and fined her £10 and £5 costs, or one month. The money was paid.”


In just in diesem Bordell tauchten zu der Zeit N. Cohen & Aaron Davis Cohen auf...

Lewis Levy, einer von John Levy´s Brüdern taucht 1891 in 5 Sion Square auf. Zu der Zeit lebte auch Aaron Kozminski´s Bruder, Woolf Abrahams, in 3 Sion Square. So gesehen waren Lewis Levy und Woolf Abrahams Nachbarn, zu der Zeit als Aaron Kozminski im Haus seines Bruders in Whitechapel (kann nur Woolf sein) von der City Polizei überwacht wurde, bevor es nach Colney Hatch ging (falls Aaron Kozminski Anderson´s Ripper war). 
 
Du siehst, wie klein dieses Welt war und wir können vermutlich beide Männer, Jacob Levy und Aaron Kozminski, mit gleichen Adressen in Verbindung bringen und sogar mit ein und denselben Zeugen, Joseph Hyam Levy sowie mit Butchern und Friseuren.

Seltsam oder?
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 14.04.2016 00:35 Uhr
Achso, früher ging man sogar noch davon aus, dass Suspect Hyam Hyams mit diesen Levy´s verwandt war aber das stellte sich dann als falsch raus...
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Phil am 14.04.2016 08:53 Uhr
Hey Arthur,

ein klasse Beitrag, sehr detailliert und aufschlussreich - und vor allem sehr plausibel!
Ich muss gestehen, mir wurde diese Theorie durch das PC-Game "Sherlock Holmes jagt Jack the Ripper" wirklich schmackthaft gemacht, in das viele deiner genannten Aspekte mit eingeflossen sind. Wie dem auch sei, super geschrieben und sehr interessant! :)
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Andromeda1933 am 14.04.2016 09:39 Uhr
Vielen Dank, Arthur, für die Mühe, die Du Dir gemacht hast. Prima Artikel!
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 14.04.2016 20:42 Uhr
Danke Leute,

die Idee dahinter war, dass wir mal für alle "guten" Verdächtigen eine Zusammenfassung als Diskussionsgrundlage erstellen, so ähnlich wie Thomas Schachner das in seinem Buch gemacht hat. Da ist z.B. Jacob Levy leider nicht dabei.


MfG, Arthur Dent


Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 14.04.2016 20:49 Uhr
Hallo Lestrade,

für ein dichtbevölkertes Viertel einer Millionenstadt kommt einem das in der Tat recht dörflich vor mit den ganzen Verbindungen - das macht es leider nicht einfacher... aber interessant. :-)


MfG, Arthur Dent

 



Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lady15 am 14.04.2016 22:15 Uhr
Arthur Dent 2,

schlüssig geschrieben. Danke für deine Ausführungen. ;)
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 29.04.2016 20:16 Uhr
Lewis Levy, einer von John Levy´s Brüdern taucht 1891 in 5 Sion Square auf. Zu der Zeit lebte auch Aaron Kozminski´s Bruder, Woolf Abrahams, in 3 Sion Square. So gesehen waren Lewis Levy und Woolf Abrahams Nachbarn, zu der Zeit als Aaron Kozminski im Haus seines Bruders in Whitechapel (kann nur Woolf sein) von der City Polizei überwacht wurde, bevor es nach Colney Hatch ging (falls Aaron Kozminski Anderson´s Ripper war). 
 
Du siehst, wie klein dieses Welt war und wir können vermutlich beide Männer, Jacob Levy und Aaron Kozminski, mit gleichen Adressen in Verbindung bringen und sogar mit ein und denselben Zeugen, Joseph Hyam Levy sowie mit Butchern und Friseuren.

Seltsam oder?

Arthur, durch einen Casebook Post fiel mir gerade folgendes auf:

Jacob Levy lebte 1881 in der 11 Fieldgate Street. Zur gleichen Zeit lebte Aaron Kozminski´s Bruder Isaac Abrahams in der 3A Fieldgate Street. Mit dem Sion Square "10 Jahre" später, könnten sich beide Familien sogar gekannt haben.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 30.04.2016 20:53 Uhr
Hallo Lestrade!

Verdammt kleine Welt, dieses 90.000-Einwohner-Stadtviertel...


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 30.04.2016 20:57 Uhr
Hallo Allesamt!


Ein Nachtrag zum Tatverdächtigen-Profil Jacob Levys:


Als Jacob Levy in die Anstalt eingeliefert wurde, erzählte seine Frau Jacobs Krankengeschichte, die in die Akten eingetragen wurde.
Dort ist auch zu lesen, dass Jacob - früher ein passabler Geschäftsmann - angefangen haben soll, exzessiv Geld zu verschwenden und zudem alles zu klauen, was nicht niet- und nagelfest war. Abschließend beklagte seine Frau Sarah, er habe fast das Geschäft ruiniert.
Früher hatte ich es überlesen, aber jetzt ist mir aufgefallen, dass sie laut Akten explizit sagte: Er hat MEIN Geschäft fast ruiniert.

Das passt zu seiner Verurteilung wegen Diebstahls bei seinem Nachbarn Sampson 1886: Im Ripperologist  stand einmal, dass es strenge Regeln in der jüdischen Gemeinde für den geschäftlichen Umgang miteinander gab, und dass ein solcher Diebstahl wohl dazu geführt hätte, dass ihm die Gemeinde die Lizenz zum Verkauf koscheren Fleischs entzogen hätte.

Damit hätte seine Frau Sarah, um die Familie zu ernähren, auch nach Jacobs Entlassung 1887 das Geschäft allein weiterbetreiben müssen. In der Tat taucht ja später seine Frau als Geschäftsinhaberin im Census auf.
Für Jacob hätte das nun zur Folge gehabt, dass er gezwungen gewesen wäre, auf andere Art seinen Anteil am Familieneinkommen zu verdienen.

Und hier kommen nun die Anmerkungen der Polizisten zu ihren Observationen ins Spiel:
Henry Cox: "He occupied several shops in the East End." Und Robert Sagar erklärte, er habe einen Verdächtigen beobachtet, der in der Butcher's Row arbeite.

Wenn Jacob den Shop in der Middlesex Street 36 nicht mehr selber betreiben durfte, musste er seitdem offensichtlich bei Bekannten und Verwandten in deren Geschäften oder in den Schlachthöfen arbeiten.
Dadurch konnte er seinen Teil zum Familieneinkommen beitragen und stand zugleich wegen seines immer asozialeren Verhaltens unter einer gewissen Aufsicht. Das dürfte eine ziemliche Schmach und Erniedrigung für ihn gewesen sein.

Wenn wir nun betrachten, wo diese Arbeitsplätze gewesen sein könnten, finden wir nicht nur die observierte Butcher's Row, sondern auch noch die beiden Harrison, Barber & Co Slaughterhouses: eins in der Winthrop Street, Parallelstraße zum Tatort Buck´s Row, und eins im Barber´s Yard nahe Tatort Hanbury Street.
Dort wurde auch über Nacht gearbeitet, damit die Kunden morgens frisches Fleisch hatten. Diese Metzger zerlegten also routinemäßig Körper unter schlechten Lichtverhältnissen - so wie der Ripper.

Und vielleicht weiß jemand von euch ja genaueres dazu:
Ich nehme mal an, die angestellten Metzger hatten damals i.d.R. ihr eigenes Arbeitswerkzeug (so wie dies auch in anderen Branchen üblich war bzw. bis heute ist), nahmen es zur Arbeit mit und am Feierabend wieder mit nach Hause. Dazu würde passen, dass einige Zeugen den mutmaßlichen Ripper mit einem Päckchen in der Hand gesehen hatten.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 30.04.2016 22:15 Uhr
Verdammt kleine Welt, dieses 90.000-Einwohner-Stadtviertel...

Die Zahlen fürs East End und für Whitechapel schwanken, so fiel es mir auf, immer wieder. Für Whitechapel zwischen 75000-80000-90000 und fürs East End sogar noch mehr. Kommt vielleicht auch darauf an, was dann zum East End gezählt wird (Whitechapel, Spitalfields, Mile End New und Old Town, Stepney, Bow, St. George in the east, Shoreditch...). Hier, ein interessanter Artikel, der von 75000 bzw. Gesamt 900 000 angibt:

http://www.essaysinhistory.com/articles/2012/90

Zu deinem anderen Post:

Via Macnaghten und Anderson war der Verdächtige ein jüdischer Ausländer, ein jüdischer Pole. Cox und Sagar jedoch äußerten sich nicht auf diese Weise. Sagar sagte zwar jüdischer Schlächter und Cox seiner lebte in einer jüdisch geprägten Straße aber sie gaben keinen Ausländer oder Polen an. Und Jacob Levy war ja im Prinzip Engländer.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 01.05.2016 09:30 Uhr
Hallo Lestrade,

das mit den abweichenden Bevölkerungszahlen ist leicht nachvollziehbar: London war damals die am schnellsten wachsende Stadt des Erdballs, insbesondere die Armenviertel wuchsen rasant, und viele Neuankömmlinge waren nicht ordnungsgemäß behördlich gemeldet, so dass es letztendlich keine wirklich korrekte Zahl geben konnte, sondern bestenfalls Annäherungen und Schätzungen.
Ich habe nur für eine Einschätzung der Größenordnungen nach Zahlen gesucht und die Werte von etwa 90.000 für Whitechapel und etwa 600.000 fürs ganze Eastend im Hinterkopf behalten - weil mir das verdeutlicht, dass allein Whitechapel bevölkerungsmäßig eine Mittelstadt war und das Eastend für sich eine Großstadt.


Aber egal, ich verstehe diese Anmerkung von dir nicht ganz:

"Via Macnaghten und Anderson war der Verdächtige ein jüdischer Ausländer, ein jüdischer Pole. Cox und Sagar jedoch äußerten sich nicht auf diese Weise. Sagar sagte zwar jüdischer Schlächter und Cox seiner lebte in einer jüdisch geprägten Straße aber sie gaben keinen Ausländer oder Polen an. Und Jacob Levy war ja im Prinzip Engländer."


Worauf willst du damit hinaus? Dass Levy nicht der beschriebene Verdächtige hätte sein können, weil er ja "Engländer" war?
Es ist doch sogar heute noch so, dass Menschen wegen ihres Aussehens und/oder wegen ihren Traditionen von manchen Leuten als "Ausländer"  angesehen und bezeichnet werden, obwohl sie im Land geboren sind und ihre Familie bereits in der zweiten oder dritten Generation im Land lebt und die Staatsbürgerschaft hat. Nur weil ihre Großeltern früher mal eingewandert sind und weiter eigene Traditionen gepflegt werden, werden sie ihn gewissen Kreisen auch nach drei Generationen noch als "Ausländer" angesehen. Insbesondere wenn sie eine andere Religion als die Bevölkerungsmehrheit haben.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 01.05.2016 11:31 Uhr
Hallo allesamt!


Eine weitere Überlegung zum Verdächtigen-Profil von Jacob Levy:


Seine Frau beklagte bei Jacobs Einweisung ja, dass er angefangen habe, Geld zu verschwenden. Einiges von dem Geld dürfte dabei draufgegangen sein,  dass er angefangen hatte zu trinken, wie seine Frau ja angab.

Ein weiterer Grund könnte gewesen sein, dass er nun öfter Kleidung zum Wechseln kaufte als früher, falls er der Ripper war. Dann er hätte er sich regelmäßig andere Sachen gekauft, um auf der Suche nach Opfern nicht so leicht anhand seiner Kleidung wiedererkannt zu werden und die blutbefleckten Beweise nach der Tat entsorgen zu können.

Die Männer, die zuletzt mit den Opfern gesehen wurden, trugen ja offenbar unterschiedliche dunkle Mäntel und Hüte. Im Falle Eddowes sprachen die Zeugen von einer Person, die wie ein Seemann aussah, Hutchinson sagte, Kellys Begleiter habe gar einen Astrachan-Mantel getragen.

Es ist ja ein altes Problem, das in Ripperologen-Kreise schon länger diskutiert wird: Wenn der Ripper ein Einwohner Whitechapels war und, wie von Profilern erklärt wird, dieser Serienmörder selbst kein bessergestellter Bürger gewesen sein dürfte - wie konnte er dann das Problem mit seiner blutbefleckten Kleidung lösen?

Zwei naheliegende Möglichkeiten fallen dazu ein:
Entweder er stahl Kleidung - und Jacobs Frau sprach ja davon, dass er angefangen habe, anderer Leute Sachen mitgehen zu lassen.
Oder er besorgte sich günstige Secondhand-Ware, z.B. auf dem Petticoat Street Market - und diese zusätzlichen Ausgaben wären bei einem Geringverdiener seinem Umfeld aufgefallen, genauso wie Jacobs Frau Sarah.


MfG, Arthur Dent



P.S. Weiß jemand, ob vielleicht wichtige Mitglieder der jüdischen Gemeinde in der Goulston Street lebten? Solche, die an der Entscheidung beteiligt gewesen sein könnten, dass einem Metzger wegen Fehlverhaltens die Lizenz entzogen wird?
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 01.05.2016 12:29 Uhr
Hi Arthur!

Worauf willst du damit hinaus? Dass Levy nicht der beschriebene Verdächtige hätte sein können, weil er ja "Engländer" war?
Es ist doch sogar heute noch so, dass Menschen wegen ihres Aussehens und/oder wegen ihren Traditionen von manchen Leuten als "Ausländer"  angesehen und bezeichnet werden, obwohl sie im Land geboren sind und ihre Familie bereits in der zweiten oder dritten Generation im Land lebt und die Staatsbürgerschaft hat. Nur weil ihre Großeltern früher mal eingewandert sind und weiter eigene Traditionen gepflegt werden, werden sie ihn gewissen Kreisen auch nach drei Generationen noch als "Ausländer" angesehen. Insbesondere wenn sie eine andere Religion als die Bevölkerungsmehrheit haben.

Ich meinte es eher so, dass der Mann oder die Männer von Cox und Sagar eben nicht Macnaghten´s und Anderson´s "Kosminski" war/waren und somit dafür jemand anderes oder andere in Betracht kommen und ich bevorzuge dann dafür eben auch Jacob Levy. Neulich schrieb ich in diesem Faden, dass es im September 1889 die Mitteilung in der Presse gab, dass Jack the Ripper ein Crazy Jewish Butcher sei (dass sollte dann auf jeden Fall Sagar´s Verdächtiger in der Butchers Row gewesen sein) und man dann 1890/91 erneut von einem "Jacobs" hörte, einen Slaughterman, der Jack the Ripper gewesen sein soll. Es lässt sich nicht ganz einfach dort durchblicken aber offenbar, im 1889er Fall, könnte eben jener Schlächter länger beobachtet worden sein. Kürzlich meinte Paul Begg in einer Diskussion, an der ich beteiligt war, dass er nicht glaubt, dass der Mann von Cox "Kosminski" war. Es ist zwar so, dass die Familie mütterlicherseits von Aaron Kozminski Schlächter waren aber das setzt diesen Mann ja nicht automatisch in die Butchers Row. In meiner Kosminski Theorie wünsche ich mir natürlich, dass eben jener Mann der Verdächtige von Cox und Sagar war aber das ist pure Spekulation. Man kann dafür agrumentieren aber nichts beweisen. Sind halt Überlegungen... Fakt ist doch und das ist mir voll bewusst, dass genauso gut Jacob Levy dieser Verdächtige war, wenigstens im Falle von Sagar... wie ich schon schrieb, mein Bauch sagt mir, dass Jacob Levy wirklich auf der Verdächtigen Liste der Polizei damals stand. Und das, du wirst es absolut nachempfinden können, wäre eine unheimlich spannende Sache. Vielleicht glaubte man bei der Polizei auch lange, dass er der Ripper war, bis man "Kosminski" im Seaside Home identifizierte und aufgrund dieses Glaubens, sprach Anderson´s Frau auch über den "Stone Asylum Ripper". Aber wie nun weiterverfahren?

Erst kürzlich bekam ich über privaten Wege von Scott Nelson (The Butchers Row Suspect) eine wichtige Information. Es ging dabei natürlich um David Cohen. Ich wiederum informierte Jeff Leahy der gut mit Martin Fido kann. Demnächst, nach meiner Umzieherei, wollen wir mit Martin Fido eine "Mail- Konferenz" starten um uns darüber auszutauschen. Ich hoffe, dass dies auch klappt. Was will ich damit sagen? "Kosminski", David Cohen und Jacob Levy etc. sind in meinen Augen Typen, wie wir sie im Ripper sehen sollten und es lohnt sich, oder kann sich lohnen, immer wieder bei ihnen "herumzubuddeln", neue Informationen zu finden. Das ist schwer und mühsam ernährt sich das Eichhörnchen aber man weiß nicht, auch nach Jahren, was es am Ende bringen kann. Ich halte es für wichtig, einen Jacob Levy immer wieder ins Gespräch zu bringen, so wie du das tust, an ihm könnte wirklich etwas dran sein.

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 01.05.2016 20:17 Uhr
Hallo Lestrade!


"Neulich schrieb ich in diesem Faden, dass es im September 1889 die Mitteilung in der Presse gab, dass Jack the Ripper ein Crazy Jewish Butcher sei (dass sollte dann auf jeden Fall Sagar´s Verdächtiger in der Butchers Row gewesen sein) und man dann 1890/91 erneut von einem "Jacobs" hörte, einen Slaughterman, der Jack the Ripper gewesen sein soll. Es lässt sich nicht ganz einfach dort durchblicken aber offenbar, im 1889er Fall, könnte eben jener Schlächter länger beobachtet worden sein."

Was du da schreibst, passt zu Anmerkungen, die ich in der Timeline des Casebook gefunden und in meine Levy-Hypothese eingebaut hatte.
Im Februar 1891 steht da:
"Frances Coles killed in Swallow Gardens (...) A scare similar to the 'Leather Apron' scare of September, 1888, begins anew with a man named Jacobs, believed by the public to be the killer soon after the Frances Coles murder."
http://www.casebook.org/timeline.html

Und September 1889, das passt zeitlich zu den Ermittlungen nach dem Mord an Alice McKenzie im Juli.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 01.05.2016 22:16 Uhr
Zugegebenermaßen kenne ich nur das folgende über "Jacobs", Arthur:

http://www.casebook.org/ripper_media/book_reviews/non-fiction/cjmorley/94.html

http://forum.casebook.org/showthread.php?t=3896

http://www.jtrforums.com/showthread.php?t=16627

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 01.05.2016 23:41 Uhr
Hi Lestrade!

Mehr weiß ich über diese Gerüchte um "Jacobs" auch nicht, denn ich konnte dazu auch nicht mehr als diese paar Sätze finden.

Aber ich warte schon mit Spannung auf deinen Bericht über die Ergebnisse eurer Mail-Konferenz! :-)


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 02.05.2016 10:10 Uhr
Du wirst es wahrscheinlich ja kennen aber hier für die anderen Interressierten, ein Link zu der Aussage von Lesson (aus dem zweiten Link in meinem letzten Post):

Lost London: The Memoirs of an East End Detective
by Ex-Det. Sergeant B. Leeson
Stanley Paul & Co. Ltd (London) 1934

http://www.casebook.org/ripper_media/rps.lostlondon.html

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 02.05.2016 20:06 Uhr
Hallo zusammen!


Ich habe mal die Whitechapel-Karte um die beiden Schlachthöfe bei den Tatorten Buck's Row und Hanbury Street ergänzt.

Wenn man jetzt noch bedenkt, dass in ihnen auch nachts gearbeitet wurde, dürfte klar werden, dass die Metzger-Theorie einiges für sich hat.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 05.05.2016 11:22 Uhr
Hallo zusammen,

als ich vorhin ein paar Detailkarten von Whitechapel studiert habe, fiel mir auf, dass mir bei der Positionierung von Messerfund und Cigar Shop ein Fehler unterlaufen ist:
Ich habe die Lage der Hausnummern 253 und 254 Whitechapel Road falsch eingetragen: Sie lagen offenbar ein gutes Stück weiter östlich vom London Hospital, wenn die Detailkarten stimmen. Sorry.

Daher habe ich das jetzt korrigiert.


MfG, Arthur Dent
 
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 05.05.2016 14:33 Uhr
Hallo Arthur!

Stimmt, die Punkte sind jetzt richtig. Mir war das allerdings auch nicht aufgefallen. Bemerke erst jetzt, dass man deine Karten vergrößern kann.

Allerdings sind beide Shops westlich des London Hospitals gelegen oder ich habe das falsch verstanden, auch nicht wichtig.

Unterhalb dieser beiden Shops, in der Fieldgate Street, lebte Jacob Levy 1881. Ich weiß jetzt nicht, wo 3A genau lag aber so lang ist die Straße nicht. Die Nummerierung habe ich, glaube ich zumindest, auf meinem anderen Läppi, welches ich aber gerade nicht nutzen kann.

Beste Grüße, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 05.05.2016 15:10 Uhr
Interessant zu Jacob Levy´s Wohnort in der Middlesex Street ist natürlich auch der Zeuge George Hutchinson und seine Sichtung:

Hutchinson also said that he thought he saw Kelly's companion again in Middlesex Street (Petticoat Lane) on 11th November, but could not be certain. Also, he had apparently stayed out until 3.00am on 13th November looking for the man

Trotz meiner knappen Zeit, habe ich noch einmal die Berichte aus dem September 1889 überflogen. Zu dieser Zeit wurde berichtet, dass die Polizei die Theorie hatte, dass Jack the Ripper ein verrückter jüdischer Schlächter sei. Damals kursierten Berichte über drei Männer, Guzzling Jim, den Verdächtigen im Pinchin Street Mord und einem Geschäftsmann. Es war offenbar nicht der Fall, dass einer der beiden erstgenannten dieser Schlächter war, beim dritten wäre dies jedoch möglich.

Jedoch bemerkte ich erst jetzt, dass dieser Geschäftsmann erst seit einigen Jahren im East End lebte. Jacob Levy wurde jedoch in England geboren und das würde ihn dafür ausschließen. War dieser Geschäftsmann jedoch der verrückte jüdische Butcher, war er ein eingewanderter Jude.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 05.05.2016 16:25 Uhr
Hallo Lestrade,

natürlich hast du recht, ich habe mich vertippt. Es hätte entweder heißen müssen: Die Hausnummern sind ein Stück weiter westlich oder nicht so weit östlich...
Aber jetzt müsste die Lage in etwa stimmen.

Ich hatte da eine offenbar schon etwas ältere Seite von einem Geoff Cooper gefunden, der detaillierte Karten von Whitechapel ins Netz gestellt hat, inklusive Hausnummern und Angaben zu den ganzen Pubs, Lodging Houses, Police Stations usw:
http://www.jacktherippermap.info/index.php
War für mich recht nützlich, um eine genauere Vorstellung von der Geografie zu bekommen.


"Trotz meiner knappen Zeit, habe ich noch einmal die Berichte aus dem September 1889 überflogen. Zu dieser Zeit wurde berichtet, dass die Polizei die Theorie hatte, dass Jack the Ripper ein verrückter jüdischer Schlächter sei. Damals kursierten Berichte über drei Männer, Guzzling Jim, den Verdächtigen im Pinchin Street Mord und einem Geschäftsmann. Es war offenbar nicht der Fall, dass einer der beiden erstgenannten dieser Schlächter war, beim dritten wäre dies jedoch möglich.
Jedoch bemerkte ich erst jetzt, dass dieser Geschäftsmann erst seit einigen Jahren im East End lebte. Jacob Levy wurde jedoch in England geboren und das würde ihn dafür ausschließen. War dieser Geschäftsmann jedoch der verrückte jüdische Butcher, war er ein eingewanderter Jude."

Nun ja, wie ich schon sagte: Auch bei uns werden ja oft Leute noch als Ausländer und Eingewanderte angesehen, nur weil ihre Eltern oder Großeltern Migrationshintergrund hatten. Insbesondere wenn sie noch ihre eigenen Traditionen leben. Insofern würde mich nicht wundern, dass man auch im viktorianischen London die Mitglieder der jüdischen Gemeinde weiter als Ausländer sah, auch wenn sie bereits seit mehreren Generationen in England lebten.

Zudem gibt es ja leider jede Menge Ungenauigkeiten in den Überlieferungen, so dass wir nicht wissen, wieviel an diesem Detail dran ist.
Wenn wir hypergenau sein wollten, müsstest du ja Kosminski auch ausschließen, weil z.B. wichtige Polizeiquellen angaben, der Ripper-Verdächtige sei schon bald in der Irrenanstalt gestorben, während Kosminski noch lange Jahre weiter lebte. ;-)

Aber wir müssen uns ja auch nicht an der Person Jacob Levy festbeißen. Wie ich schon einmal irgendwo im Forum schrieb:
Seine Biographie und sein geographisches Profil passen für mich einfach viel besser auf JTR als so mancher Klassiker unter den diskutierten Verdächtigen.
Für mich war JTR so jemand wie Jacob Levy. Er könnte es tatsächlich selber gewesen sein, und zwar m.E. mit wesentlich höherer Wahrscheinlichkeit als z.B. Druitt, Gull, Sickert, Maybrick...
Oder JTR war zumindest jemand, der eine verblüffende Ähnlichkeit zu Jacob Levy und seiner Vita aufweist: Verrückter-Metzger-Theorie eben.


"Trotz meiner knappen Zeit, habe ich noch einmal die Berichte aus dem September 1889 überflogen. Zu dieser Zeit wurde berichtet, dass die Polizei die Theorie hatte, dass Jack the Ripper ein verrückter jüdischer Schlächter sei."

Könntest du entsprechende Quellen dazu verlinken? Das wäre äußerst interessant für mich.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 05.05.2016 18:33 Uhr
Ja, die Karten habe ich mir von Geoff Cooper damals auch schicken lassen, als Download und die große Karte auch zum in die Hand nehmen. Vielleicht hänge ich mir die noch eines Tages an die Wand... da stimmt allerdings die Sache mit den Hausnummern für 253 und 254 Whitechapel Road... hattest du noch was älteres?

Ich denke, es bedeutet ja nicht automatisch, dass der verrückte jüdische Schlächter zu den drei Verdächtigen gehörte. Könnte ja auch 3 + 1 sein. Es bleibt doch ein 50:50 Chance.

Hier der Link, dachte ich hätte ihn schon gepostet aber das waren wohl nur die Guzzling Jim Links. Gleich der erste Post von Howard:

http://www.jtrforums.com/showthread.php?t=25467

Ansonsten macht man nichts verkehrt, da bin ich überzeugt, wenn man Typen wie Jacob Levy oder Aaron Kozminski als Ripperähnlich sieht. Auch in ihrer Geographie oder der, der Familie. Übrigens, auch Sagar war sich nicht sicher, was seinen Verdächtigen anbelangte:

it is believed that he made his way to Australia and died there... but what became of him we don't know...

Der "Kosminski" der starb, könnte ja auch David Cohen gewesen sein. Passt zeitlich nicht ganz mit dem vermuteten Seaside Home in Brighton und der dortigen Identifikation aber es war ja nicht das einzige dieser Art, wenn überhaupt dieser Art. Macnaghten wusste es 1894 ebenfalls nicht genau, als er schrieb, dass er denke, der Mann sei immer noch in einer Anstalt. Ich glaube jedoch, dass es sich um Aaron Kozminski handelte, wenn auch mit einigen Verstrickungen mit Umständen, die schwer zu verstehen sind. Habe darüber schon viel in den Foren geschrieben, Erklärungsversuche und Möglichkeiten aufgezeigt. Am Ende sind das natürlich nur Spekulationen und Hypothesen. Man könnte auch sagen, dass Swanson die Verlegung Kosminskis von Colney Hatch nach Leavesden in 1894 als Anlass nahm, ihn für bald tot anzusehen, weil sein Zustand (am Ende wohl eher vorübergehend) sich verschlechterte und er vielleicht eine schlechte Prognose hatte, wie ihm möglicherweise die Ärzte sagten. Aber Swanson sagte, er starb in Colney Hatch und nirgends anders also macht das diese Überlegung auch wieder sinnloser. Sims schrieb ja, dass auch der Pole (Kosminski), immer wieder eine bestimmte Zeit unter seinen Leuten (in Freiheit) verbrachte, bis er nicht mehr aus der Anstalt kam. Das passt irgendwie nicht zu Swanson´s Aussage.

Ich komme am Ende immer wieder auf David Cohen zurück. Hier könnte der Fehler bei Swanson liegen. Im Falle von "Kosminski" (Aaron Kozminski), übernahm die City Police die Überwachung (egal ob das jetzt der Mann von Cox und/oder Sagar war) noch vor Ende 1888 und die MET, zu der Swanson gehörte, war vorerst raus. Keine Ahnung wer dann alles in die Seaside Home ID (1890/91) involviert gewesen war aber Aaron Kozminski ging dann den gleichen Weg wie David Cohen. Erkundigte sich Swanson 1892/93/94 in Colney Hatch nach dem Mann, könnte er eine falsche Antwort erhalten haben. Und vielleicht gab es bereits früher eine Verwechslung beider Männer. Anderson und Swanson müssen so nicht gedacht haben, nur Swanson für sich selbst. Und mit einer früheren stattgefunden Verwechslung meine ich, dass ihm z.B. ein Kollege der City Police gesteckt hatte, dass der Verdächtige "Kosminski" bereits verstorben sei, von dem er überzeugt gewesen war, der Ripper zu sein. Nur er könnte einen andere Kosminski gemeint haben. Und jetzt komme ich wieder zurück auf "deinen Verdächtigen", denn im Bordell von Gertrude Smith, quasi im Hause des Bruders von Jacob Levy, John, gab es eben diesen rätselhaften Vorfall mit N. Cohen und Aaron Davis Cohen und wir wissen nicht, ob beide Männer vielleicht "Kosminskis" waren. Jacob Levy´s Bruder John ließ einen Puff in seinen Geschäftsräumen zu. Vielleicht holte sich Jacob da auch seine Krankheit weg. Vielleicht hatte er dort Sonderrechte und behandelte die Prostituierten entsprechend. Vielleicht verhielt er sich wie ein Zuhälter usw. Schon im September 1888, nach dem Chapman Mord, wenn ich korrekt bin, meldete sich eine Bordellbesitzerin anonym, dass sie wahrscheinlich wüsste, wer Lederschürze bzw. der Whitechapel Mörder sei. Vielleicht war das auch schon Gertrude Smith.

Wir wissen nicht genau, was dort in der Nummer 254 wirklich vorgefallen ist. Aber die Vorfälle könnten Jacob Levy und David Cohen in den Focus der Polizei gerrückt haben. Und da wir nicht genau wissen, was sich hinter den Cohens verbirgt, kommen auch "Kosminskis" irgendwie in Betracht. Es ist natürlich alles, ich wiederhole mich, pure Spekulation aber falls David Cohen ein Ripper Verdächtiger war, dann ist es nicht weit hergeholt, finde ich, dass aufgrund des Bordells, was Gertude Smith als "Zigarrenladen" von John Levy "übernahm", auch der Bruder von John, nämlich Jacob Levy, verdächtigt worden sein könnte, falls er dort ein- und ausging und dort auch krank wurde. Er war Schlächter, arbeitete sicherlich nachts, trug Messer und Lederschürze und falls es dort einst Verdächtigungen im Bordell gab... du kennst die weiteren Details von Jacob Levy... klar, er wird vielleicht nicht Jack the Ripper gewesen sein aber wer weiß, wie dicht er am wahren Geschehen gewesen war... 
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 06.05.2016 20:05 Uhr
Hallo Lestrade,

frag mich nicht, wie mir das trotz dieser Karten mit den Hausnummern passiert ist, ich weiß es nicht. Ich muss da was falsch im Hinterkopf gehabt haben, als ich die Punkte auf der anderen Karte eingetragen habe.
Jedenfalls habe ich es dank einem erneuten Stöbern im Kartenmaterial jetzt bemerkt.


"Schon im September 1888, nach dem Chapman Mord, wenn ich korrekt bin, meldete sich eine Bordellbesitzerin anonym, dass sie wahrscheinlich wüsste, wer Lederschürze bzw. der Whitechapel Mörder sei. Vielleicht war das auch schon Gertrude Smith."

Das ist interessant, das wusste ich bisher auch noch nicht (auch wenn es wohl einige gegeben haben dürfte, die irgendwelche Leute verdächtigten und damit zur Polizei gingen - düstere Gestalten gab es in Whitechapel ja genug).


"Es ist natürlich alles, ich wiederhole mich, pure Spekulation aber falls David Cohen ein Ripper Verdächtiger war, dann ist es nicht weit hergeholt, finde ich, dass aufgrund des Bordells, was Gertude Smith als "Zigarrenladen" von John Levy "übernahm", auch der Bruder von John, nämlich Jacob Levy, verdächtigt worden sein könnte, falls er dort ein- und ausging und dort auch krank wurde. Er war Schlächter, arbeitete sicherlich nachts, trug Messer und Lederschürze und falls es dort einst Verdächtigungen im Bordell gab... du kennst die weiteren Details von Jacob Levy... klar, er wird vielleicht nicht Jack the Ripper gewesen sein aber wer weiß, wie dicht er am wahren Geschehen gewesen war..."

Nun ja, aber wir haben ja auch nicht viel mehr als Spekulation: Wir können nur versuchen, die Puzzleteilchen, die wir finden, irgendwie daraufhin zu überprüfen, ob sie zusammenpassen könnten.
Immerhin denke ich, bewegen wir uns mit unseren nachgewiesenen Irren aus Whitechapel dichter an der historischen Wahrheit als so manche Spekulation über Leute wie Druitt, Gull oder gar Prince Albert Victor...


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 06.05.2016 20:07 Uhr
Hallo Zusammen!


Die Zeitungsartikel im Casebook, auf die Lestrade verlinkt hat (vielen Dank dafür) finde ich sehr erhellend, sie vervollständigen das Bild, das Anderson, Swanson, Cox und Sagar gezeichnet haben, m.E. auf sehr schlüssige Weise:

R.J. Palmer:
"The second man is now being watched. He is a resident of the East End, and has been for years. For a long time he has been acting in the most suspicious fashion. He has a business, to which he scarcely ever personally attends. He goes about drinking, and is to be met at all hours of the night in the streets all over the neighborhood. He enters his house at hours when his wife and family have long been at rest. No member of his family dare question him as to his ramblings. He knocks about among the lowest class of women at unearthly hours, although, according to general report, their very appearance is hateful in his sight. His hatred has been produced by physical suffering, for which, like most men of his class, he holds himself perfectly irresponsible. His habits are such as to give one the notion that he is not altogether in a fit position to be allowed to roam at will. Whether he has anything to do with any crime, it is, of course, impossible to say, but he is kept in view."

"He is a resident of the East End, and has been for years. For a long time he has been acting in the most suspicious fashion." - offensichtlich meint er einen im East End lebenden Metzger.

"He has a business, to which he scarcely ever personally attends." - Er vernachlässigt sein Geschäft, so wie von Jacob Levys Frau beklagt. 

"He goes about drinking, and is to be met at all hours of the night in the streets all over the neighborhood." - Er hat angefangen zu trinken und streift nachts umher, so wie Levys Frau gesagt hat.

"He knocks about among the lowest class of women at unearthly hours, although, according to general report, their very appearance is hateful in his sight." - Er treibt sich bei Prostituierten herum, obwohl er sie hasst.

"His hatred has been produced by physical suffering, for which, like most men of his class, he holds himself perfectly irresponsible." - Sein Hass kommt von einer Syphilis-Infektion, wofür er die Schuld nicht bei sich, sondern bei anderen sucht.


Das ist eine sehr präzise Beschreibung des Profils, wie ich mir JTR vorstelle - und es passt vor allem gut auf Jacob Levy. ;-)


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 06.05.2016 20:11 Uhr
Die folgenden Zeitungsausschnitte sind auch sehr interessant:


Rochester Democrat And Chronicle, September 16, 1889:
"The London Police has a theory that Jack the Ripper is a crazy jewish butcher."


North Eastern Daily Gazette, September 18, 1889:
The Whitechapel Mystery - A Detective's Views:
"We are watching now three men, besides the usual night-birds of Whitechapel. One man created some stir during the last murders under circumstances which I need not say anything about. He is a curious sort of fellow; in business, but not doing much to keep it going. His wife and daughter see to it, and he is out at all hours of the night. He says he is a member of the vigilance committee, but I can't answer as to that. No, I won't tell you his name, even if you do want to find out if he is a member or not. This man is out at all hours of the night, and he lets himself in some quietly that his wife does not know what time he really arrives home. She generally finds him in the shop when she comes down the morning. He is being watched, but we can't arrest him only on the suspicious we have. We must wait further developments."

"in business, but not doing much to keep it going" - er vernachlässigt sein Geschäft.

"This man is out at all hours of the night, and he lets himself in some quietly that his wife does not know what time he really arrives home."  - er streift nachts umher, und seine Frau weiß nicht, wann er zurückkommt.

"She generally finds him in the shop when she comes down the morning." - Die Erklärung dafür, warum seine Frau nichts bemerkt haben könnte: Sie schlief in der Wohnung, er im Shop. Ich vermutete ja schon früher: Wenn JTR Familie hatte, dann muss er wohl woanders genächtigt haben als seine Frau, vermutlich wegen ehelicher Differenzen.



Sunday Chronicle, October 15, 1905:
"We found our man. He was engaged in a large way of business in the city of London, was married, had a family, and was generally respected. For some time he had been known as eccentric, and various escapades had caused his friends a good deal of anxiety.
Frequently, as we learned later, he stayed out all night about the time when these outrages were committed. His description agreed with that of a man seen in Dorset-street, Whitechapel, on the night when Mary Jane Kelly was cut to pieces, and at that time he was very near to actual arrest by a policeman."

"He was engaged in a large way of business in the city of London" - City of London, nicht Whitechapel! Das würde zum Butcher's Row Suspect passen, denn die Butcher's Row lag bereits auf City-Territorium - und die Middlesex Street war die Grenze zwischen Whitechapel und City of London.



@ Lestrade:
Die letzten Sätze des Textes erinnern mich übrigens an deine These, dass es einen uns noch unbekannten Zeugen nach dem Kelly-Mord gegeben haben muss.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 07.05.2016 00:39 Uhr
Ja Arthur, eben diese Berichte lassen vermuten, dass dieser Mann ein jüdischer Butcher gewesen sein könnte, der in der City arbeitete und vielleicht in Whitechapel mit seiner Familie lebte und an Syphilis litt. Und der Arbeitsort, klar, dies könnte die Butchers Row gewesen sein.

Ich bin an deiner Meinung interessiert:

"The second man is now being watched" bedeutete um den 13. September 1889 herum. Cox sollte zwischen November/ Dezember 1888 bis Februar/ März 1889 seinen Job getan haben.

Sagar:

"We had good reason to suspect a certain man who worked in 'Butcher's-row,' Aldgate," he said, "and we watched him carefully. There was no doubt that this man was insane, and after a time his friends thought it advisable to have him removed to a private asylum. After he was removed there were no more Ripper atrocities." und die andere Angaben von Sagar...

http://cgp100.pwp.blueyonder.co.uk/SagarReports.htm

klingen auch eher nach der Zeit kurz nach dem Kelly Mord.

Was meinst du? Cox als auch Sagar sprachen von einer Anstalt in Surrey bzw. von einer privaten Anstalt. Klingt das für dich mit ihren Zeitangaben (Ende 1888/ Anfang 1889) und "Der zweite Mann wird jetzt beobachtet" (13 September 1889) schlüssig? Klingt es danach, dass dieser zweite Mann bereits vor dem September 1889 beobachtet wurde. Cox sagte "fast drei Monate" (zumindest seine Zeit) und bei Sagar klingt es kürzer (für mich) und so müsste eine gewisse Pause zwischen diesen beiden Daten stattgefunden haben. Aber es ist nichts bekannt, dass Jacob Levy in irgendeiner privaten oder Surrey Anstalt eingeliefert wurde (was aber dennoch der Fall gewesen sein könnte). Wir wissen nur, dass er am 15 August 1890 nach Stone (Kent) kam und 1886 nach Essex in die Anstalt. Wenn wir alleine bei Sagar bleiben, passt das zu Jacob Levy?

Oder aber, wäre es möglich, dass die Polizei den von George Hutchinson beschriebenen Mann bei Kelly (und von ihm Tage später im November 1888 in der Middlesex Street sogar wieder wiedergesehen), um den September 1889 tatsächlich ermitteln konnte? Auch wenn er nicht der Mann von Sagar war, könnte es sich eben um einen jüdischen Metzger mit Syphilis gehandelt haben. Und es könnte Jacob Levy gewesen sein. Meine Überlegung lautet: Sah George Hutchinson Jacob Levy?

Laut Swanson wurden über 80 Fleischereibetriebe in und um Whitechapel herum ins Visier genommen. Das war auch nicht verwunderlich, denn solche Männer in Positionen dieses Berufszweiges wurden verdächtigt. Insgesamt gab es dabei sicherlich eine beachtliche Zahl von Personen die in Frage kamen und mehr wie einer von ihnen, dürfte psychische Probleme gehabt haben, damals, danach oder auch davor (siehe Issenschmid, Levy und De Leeuw). Ich finde es wichtig, vielleicht in Betracht zu ziehen, dass im Laufe der Zeit einige Metzger bzw. ihre Angestellten observiert worden sind. Der oben beschriebene Mann schien aber eher kein einfacher Angestellter zu sein, sondern mehr ein Geschäftsmann. Man könnte das auch bei Sagar denken aber keiner der Macher dort verschwand aus der Butchers Row zur Zeit der Morde (jedenfalls ist das nicht bekannt). Wer mir dazu einfällt, wäre nur John Attfield, da müsste ich noch einmal nachlesen bzw. recherchieren. Er war mit Thomas Knott einst nicht nur in der Butchers Row aktiv sondern auch auf dem zentralen Fleischmarkt in der City of London. Vielleicht war einer wie Attfield der "zweite Mann" bzw. jener "Geschäftsmann" und Sagar beobachtete eher einen Angestellten.

Nehmen wir mal noch den Polizisten Lesson aus meinem geposteten Link hier im Faden, er sagte:

After this a story circulated that the " Ripper " was a butcher, who wore blue overalls and a leather apron, and an English Jew named Jacobs, a perfectly harmless man, somehow attracted suspicion to himself. Possibly because, working in a slaughter-house, lie always wore a leather apron.

People would point Jacobs out in the street as the suspected man, and more than once he had to run for it. I myself was often obliged to take him into the police station for protection. The thing so preyed on the poor fellow's mind that it finally caused him to lose his reason.

I am afraid I cannot throw any light on the problem of the " Ripper's " identity, but one thing I do know, and that is that amongst the police who were most concerned in the case there was a general feeling that a certain doctor, known to nee, could have thrown quite a lot of light on the subject. This particular doctor was never far away when the crimes were committed, and it is certain that the injuries inflicted on the victims could only have been done by one skilled in the use of the knife.


Neben diesem "Jacobs" (Jacob Levy und/oder vielleicht der Mann aus dem September 1889?) erwähnt er einen Arzt, This particular doctor was never far away when the crimes were committed  . Wer war dieser Arzt?

Mich erinnert das an einen anderen Beamten, Keaton:

In 1969 ex-Inspector Lewis Henry Keaton, gave a tape recorded interview, in which he proposed the theory that the Ripper was a doctor who was collecting specimens of infected wombs for research puposes. Unfortunately, just as he was about to name his suspect as either Dr Cohn or Koch, or someone else whose name he could not recall, who used strychnine on his victims, the interviewer drowned out Keaton's words with interruptions. Keaton did not in fact join the police force until 1891, three years after the cessation of the Ripper murders, so therefore had no first hand knowledge of the Ripper case. Keaton appeared to have confused his Ripper suspect with Dr Thomas Neil Cream, who used strychnine on his victims. Keaton, at the time of his interview, was almost 100 years old.

Ein 100jähriger mixte hier vielleicht Tumblety und Cream miteinander aber er sagte auch Dr. Cohn und somit lande ich wieder bei John Levy´s Ex-Shop mit den beiden Cohen.

Jacob Levy wurde vielleicht und mutmaßlich von Hutchinson gesehen und wiedererkannt, ein Cohn, etwas wie ein Arzt, war immer in der Nähe wenn die Morde geschahen und nach allem und nur wenigen Beamten bekannt, wurde Kosminski gegen Ende 1890 wahrhaftig von einem Zeugen identifiziert und von diesen Beamten auch für den wahren Jack the Ripper gehalten. Levy, Guzzling Jim, Dr. Cohn, Tumblety und Cream waren damit raus... man kann natürlich mutmaßen, dass Dr. Cohn "Kosminski" war... das würde aber nichts daran ändern, dass Jacob Levy zum Kreis der Verdächtigen gehörte...


Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 07.05.2016 11:53 Uhr
Hallo Lestrade,

ich muss die Zusatzinformationen dieser Zeitungartikel von 1889 erst mal verarbeiten und ein bisschen wirken lassen, bevor sich mir vielleicht ein klareres Bild ergibt.

Zunächst bestätigen sie ja, dass die Polizei in der zweiten Jahreshälfte von 1889 mehrere Verdächtige - mindestens drei - offenbar über längere Zeit observierte. Wir haben also dasselbe Problem wie schon bei Sagar und Cox allein: Welche Quellen und Informationen beziehen sich auf denselben Verdächtigen und denselben Observationszeitraum, und wo haben wir es mit einem der anderen Observierten zu tun?

Da die Polizei bereits im Oktober 1888 alle Metzgereien und Schlachterein überprüft hatte und alle Leute, die in den letzten sechs Monaten dort beschäftigt gewesen waren, könnten auch mehrere jüdische Metzger oder anderweitig in der Butcher's Row Beschäftigte zu verschiedenen Zeiten beobachtet worden sein, wie du ja zurecht selbst schon angeführt hast.

Von der zeitlichen Abfolge her habe ich es bisher so interpretiert, dass Sagars Observation des Butcher's Row Suspect recht früh nach dem Kelly-Mord gewesen sein dürfte, also irgendwann von Ende 1888 bis Mitte 1889, weil er explizit erklärte, dass nach Beginn der Überwachung die Ripper-Morde aufhörten.
Und Cox kam für mich nach Sagar, weil er bereits nicht mehr von "worked" an einem bestimmten Ort schrieb, sondern nur noch von "occupied several shops" und "from time to time he became insane" - was für mich ein Hinweis auf den beginnenden Verfall des Verdächtigen war: Er konnte nicht mehr richtig arbeiten, man schob ihn untereinander herum, um sich beim Beaufsichtigen abzuwechseln und musste ihn schließlich gar einige Zeit in eine Anstalt bringen. Das wäre dann für mich der Zeitraum der zweiten Jahreshälfte 1889 bis zu der endgültigen Einweisung des Verdächtigen 1890 oder 1891 nach der Identifikation im Seaside Home gewesen (auch wenn wir bisher keine Anhaltspunkte für eine vorrübergehende Unterbringung eines Verdächtigen in irgendeiner Anstalt für diesen Zeitraum haben).

Wegen dieser Zeitungsartikel zum "Crazy jewish butcher" nach dem Coles-Mord stellt sich mir nun aber die Frage, ob sich Sagars Aussage des letzten Ripper-Mordes nicht auf Kelly, sondern auf Coles bezogen haben könnte, und die Überwachung vielleicht erst im Spätsommer 1889 nach dem Mord an Coles begann.
Dann würde sich aber alles zeitlich nach hinten verschieben und es gäbe eine erklärungsbedürftige Lücke von über einem halben Jahr von Ende 1888 an, wo uns weder Ripper-Aktivitäten noch Observationen bekannt wären. Ein ernsthaftes Problem, über das ich noch nachdenken muss.
 


Immerhin scheinen die Artikel das Verdächtigen-Profil vom verrückten jüdischen Metzger zu stützen (unabhängig davon, ob nun tatsächlich auf Jacob Levy bezogen oder jemand mit einer ähnlichen Vita).
Wichtig finde ich vor allem die Parallelen in der Beschreibung von Palmer, der North Eastern Daily Gazette und des Sunday Chronicle:
Ein einheimischer Geschäftsmann, bei den meisten explizit im Metzger-Business, der seltsam wurde und sein Geschäft vernachlässigte, und dessen Ehefrau und Familie seiner Veränderung hilflos gegenüberstanden. Diese Aussagen von Palmer, der North Eastern Daily Gazette und des Sunday Chronicle scheinen sich auf dieselbe Person zu beziehen.



Was Leesons und Keatons Anmerkungen zu diesen Doktor angeht, der immer in der Nähe der Morde gewesen sei, so denke ich auch, dass sich dies entweder auf Tumblety (Organsammler) oder Cream (Strychnin) beziehungsweise einer Vermischung beider bezieht.
Aber die Arzt-Theorie habe ich für mich eigentlich schon relativ früh als eher unwahrscheinlich in den Hintergrund gestellt - ein Arzt hätte wohl besere Möglichkeiten gefunden, als auf der Straße zu morden und zu verstümmeln wie JTR.
Da halte ich im Falle der Torso-Morde einen Mediziner für wahrscheinlicher: Irgendwie schaffte der Täter die zum Teil bis heute unbekannten Opfer an einen ungestörten Ort, wo er sie komplett zerlegen konnte. Das spricht m.E. für ein größeres Einzugsgebiet mit besserer Mobilität, für eigene private Räumlichkeiten und die Möglichkeit große Pakete durch die Gegend zu transportieren, es setzt mehr Planung, Zeit und Wirtschaftskraft voraus. Vor allem: Was tat der Torso-Mörder mit den Köpfen? Aber lassen wir das, ist ein anderes Thema.



MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 07.05.2016 12:39 Uhr
Hallo zusammen!


Was den Fall JTR so knifflig macht: Wir stecken gewissermaßen in einem Mehrebenen-Dilemma aufgrund der begrenzten und zum Teil ungenauen oder widersprüchlichen Informationen aus unterschiedlichen Quellen.

1. Wir wissen zwar, dass es Verdächtige gab, aber wir haben nicht die komplette zeitgenössische Verdächtigen-Liste - somit wissen wir nicht, wieviele wirklich gute Verdächtige die Polizei überhaupt auf dem Schirm hatte, und auch nicht, ob auf der anderen Seite uns vielleicht wirklich gute zeitgenössische Verdächtige in unseren Überlegungen fehlen.
2. Wir wissen zwar, dass es Observationen von dringend Verdächtigen gab, wissen aber nicht, wer tatsächlich observiert wurde.
3. Wir wissen nicht, ob es gegen die von der Polizei Observierten tatsächlich Verdachtsmomente gab, die kriminologisch deutlich besser waren als bei den übrigen Verdächtigen, die über die Jahre ausgegraben wurden.

Folglich gibt es folgende Möglichkeiten:
1. Im besten Fall war JTR tatsächlich unter den Observierten, wir haben ihn auch auf unserer zeitgenössischen Verdächtigenliste und können am Ende beides zusammenfügen.
2. Im realistischeren Fall können wir die erwähnten Observationen zwar vielleicht bestimmten Verdächtigen mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit zuordnen, wissen aber am Ende immer noch nicht, wer davon JTR war oder ob er tatsächlich darunter ist.
3. Die Polizei hatte vielleicht JTR tatsächlich auf der Liste der Observierten, wir können ihn heute aber nicht mehr zuordnen, weil wir keine vollständige Verdächtigenliste und ihn überhaupt nicht auf dem Schirm haben.
4. Die Polizei hatte damals den echten JTR gar nicht unter den Observierten - d.h. selbst wenn wir diese zuordnen bzw. identifizieren können, hilft uns das nicht weiter.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 07.05.2016 12:53 Uhr
Lieben Dank Arthur!

Kurz für mich zum Verständnis:

Meinst Du Mackenzie für Juli 1889 oder Coles für Februar 1891?

Für Coles unterstütze ich die Sagar Theory, da er ja tatsächlich im Dezember 1890 gegenüber der Butchers Row eine Observation tätigte. Zu der Zeit war Jacob Levy jedoch schon in Stone.

Cox schrieb, dass sie dem Mann nach Kelly auf der Spur kamen. Hier käme jedoch Eddowes als eine "Kelly" in Frage, da ihr Partner so hieß. Also dann sogar früher...

Keaton hörte sicherlich von verschiedenen Verdächtigen, darunter vielleicht Dr. Tumblety, Dr. Cream und Cohn/Koch und brachte sie wahrscheinlich durcheinander. Die beiden erstgenannten waren Doktoren und Tumblety sicherlich ein "spezieller", wie von Lesson erwähnt. Es ist aber tatsächlich so, dass via Macnaghten, "Kosminski" einst in einem Krankenhaus in Polen gearbeitet hatte, vielleicht ebenfalls ein spezieller Doktor. Ist das vielleicht der Cohn/Koch, den er erwähnte? Ich weiß es nicht...

Dein letzter Post: Perfekt!

Gruß, Lestrade.

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 07.05.2016 13:02 Uhr
Hallo Lestrade,

Mann, ich habe das Gefühl, ich brauche echt endlich Urlaub. Sorry für die ganzen Fehler in den letzten Tagen, aber die Einarbeitung in mein neues Zuständigkeitsgebiet mit all den neuen Infos hat wohl meine alte Festplatte etwas überfordert und ich schmeiße derzeit zuvieles durcheinander.

Natürlich hast du recht: Ich meinte nicht Coles, sondern Alice McKenzie. Die Artikel erschienen ja nach dem Mord an McKenzie 1889, der Mord an Coles war erst 1891.
Vielleicht sollte ich das nächste Mal alles erst nochmal nachlesen, bevor ich was schreibe. :-(


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 07.05.2016 13:17 Uhr
Kein Sorry nötig, Arthur!

Du bist ja auffallend korrekt und Flüchtigkeitsfehler, ich selbst kann ein Lied davon singen, sind bei der Informationslage und Kompliziertheit allzu verständlich...

Ist ja schon wieder korrigiert.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 14.05.2016 19:54 Uhr
Hallo Lestrade!

Ich habe mir Gedanken über deine Frage gemacht, ob wir die Informationen der Zeitungsartikel von 1889 nach dem Mord an Alice McKenzie irgendwie sinnvoll mit den Aussagen von Mcnaghten, Anderson, Swanson, Sagar und Cox in Verbindung bringen können.


Schauen wir uns mal die Timeline an:


17. Juli 1889: Mord an Alice McKenzie

13. September 1889, London Evening News And Post:
"The second man is now being watched."

16. September 1889, Rochester Democrat And Chronicle:
"The London Police has a theory that Jack the Ripper is a crazy jewish butcher."

18. September 1889, North Eastern Daily Gazette:
"We are watching now three men, besides the usual night-birds of Whitechapel."


Für mich hört sich das so an, als hätte die Polizei nach dem McKenzie-Mord neue Observationen gestartet.
Leider kann man aus den Artikeln nicht herauslesen, ob "the first man" vielleicht bereits seit kurz nach dem Kelly-Mord Ende 1888 observiert wurde, oder ob er nur die erste Überwachung nach dem McKenzie-Mord im Juli 1889 war.
Jedenfalls ist aufgrund McKenzie im September1889 erst ein zweiter und kurz darauf ein dritter Observierter hinzugekommen.

Naja, mindestens, denn es heißt auch: "besides the usual night-birds of Whitechapel."
Was wohl heißt, dass man daneben auch noch "die üblichen Verdächtigen" beobachtete - wer auch immer das gewesen sein mag.

Immerhin haben wir nun einen Anhaltspunkt, ab wann spätestens der Butcher's Row Suspect beobachtet wurde: Spätestens ab September 1889.
Denn am 16. September 1889 heißt es im Rochester Democrat And Chronicle: "The London Police has a theory that Jack the Ripper is a crazy jewish butcher."


Jetzt haben wir eine Lücke bis zum Mcnaghten-Memorandum 1894, in dem noch von drei Hauptverdächtigen die Rede ist (und von denen einer tot ist).

Aber 16 Jahre nach den Observationen heißt es:

15. October 1905, Sunday Chronicle:
"We found our man. He was engaged in a large way of business in the city of London, was married, had a family, and was generally respected. For some time he had been known as eccentric, and various escapades had caused his friends a good deal of anxiety.
Frequently, as we learned later, he stayed out all night about the time when these outrages were committed. His description agreed with that of a man seen in Dorset-street, Whitechapel, on the night when Mary Jane Kelly was cut to pieces, and at that time he was very near to actual arrest by a policeman."

"We found our man." - Offenbar war sich die Polizei inzwischen sicher, den richtigen im Visier gehabt zu haben.
Dies passt zeitlich auch zu Robert Sagars Aussagen in der City Press am 7. Januar 1905 und Henry Cox in Thomson’s Weekly News vom 1. Dezember 1906 - nur leider hilft es uns m.E. nicht weiter, deren Observationen zeitlich genauer zu verorten.

Aber immerhin deutet es m.E. darauf hin, dass die Polizei irgendwann zwischen dem McKenzie Mord im Juli 1889 und dem Erscheinen der Zeitungsartikel 1905 zu dem Schluss kam, dass einer ihrer Observierten höchstwahrscheinlich der Ripper war.

Zudem passt dies in der Zeitabfolge auch zu den Memoiren von Anderson (1910) und Mcnaghten (1914) in denen beide schrieben, der mutmaßliche Ripper sei ein Jude gewesen, der in nächster Nähe zu den Opfern lebte und nach den Morden in eine Irrenanstalt eingewiesen wurde - was ja von Swanson in seinen Anmerkungen bestätigt wurde.
Und H. L. Adam schrieb in "The People on Scotland Yard and its Secrets" ja 1912: "Sir Robert Anderson has assured the writer that the assassin was well known to the police, but unfortunately, in the absence of sufficient legal evidence to justify an arrest, they were unable to take him."


Nun stellt sich die Frage nach der Bedeutung von Mcnaghtens Memorandum am 23. Februar 1894:
Darin erscheint es ja wegen der Aufzählung von Druitt, Kosminski und Ostrog, als sei sich die Polizei noch nicht einig gewesen.
Kristallisierte sich der Hauptverdächtige also erst zwischen 1894 und 1905 heraus - oder wollte die Polizeiführung hier vielleicht lediglich Nebelkerzen werfen?
Die Identifizierung des Verdächtigen im Seaside Home müsste ja schließlich schon vor 1894 erfolgt sein - denn je länger der Fall zurücklag, desto unwahrscheinlicher wäre eine solche Identifizierung gewesen (es sei denn der Zeuge war jemand, der den Täter schon vorher gekannt und nur so lange den Mund gehalten hatte).


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 14.05.2016 21:53 Uhr
Danke, Arthur!

Immerhin haben wir nun einen Anhaltspunkt, ab wann spätestens der Butcher's Row Suspect beobachtet wurde: Spätestens ab September 1889.
Denn am 16. September 1889 heißt es im Rochester Democrat And Chronicle: "The London Police has a theory that Jack the Ripper is a crazy jewish butcher."

Die Frage die sich mir stellt ist, hat diese Feststellung mit jenen drei Männern zu tun oder ist sie ein Hinweis auf einen vierten Mann? Es wird lediglich diese Theorie erwähnt und muss nicht mutmaßlich auf jene drei Männer bzw. einen von ihnen zutreffen.

Du erinnerst dich vielleicht an folgenden Artikel von 1890:

"JACK THE RIPPER’S VACATION
A Possible Explanation of the Suspension of Whitechapel Horrors

Halifax, N.S. July 28.

A curious story has got out here that if true explains the long rest which Jack the Ripper has been taking from his diabolical work in the Whitechapel district, London. A lady from this city visiting a distinguished official in London, states in a letter written to friends here that the Ripper has been under arrest in the London metropolis for some time. He is a medical student and was arrested on the strength of information given by his own sister.

The authorities, the letter states, have kept the matter a strict secret in order to work up the case against the prisoner, and they are said to have a very complete chain of evidence.

These statements are vouched for by the writer of the letter who came into possession of the facts accidentally. The person who makes the story public, however, refuses to divulge her name."


Ab wann und wie lange wurde dieser Mann verdächtigt?


Aber 16 Jahre nach den Observationen heißt es:

15. October 1905, Sunday Chronicle:
"We found our man. He was engaged in a large way of business in the city of London, was married, had a family, and was generally respected. For some time he had been known as eccentric, and various escapades had caused his friends a good deal of anxiety.
Frequently, as we learned later, he stayed out all night about the time when these outrages were committed. His description agreed with that of a man seen in Dorset-street, Whitechapel, on the night when Mary Jane Kelly was cut to pieces, and at that time he was very near to actual arrest by a policeman."

Das erinnert sehr an Inspector Cox im Thomson´s Weekly am 1. Dezember 1906:

It was not easy to forget that already one of them had taken place at the very moment when one of our smartest colleagues was passing the top of the dimly lit street.

In beiden Fällen wäre er beinahe, von Kollegen. geschnappt worden.

Die beiden 1905 Sachen und Cox 1906 könnten auf den gleichen Mann hindeuten.

Es ist schwierig dieses Puzzle zusammenzuführen.

Diese Jewish Butcher Theory könnte eben auch auf einen Mann hindeuten, der bereits nach Kelly verdächtigt wurde und im July 1890 noch immer nicht überführt worden war. Zu der Schwester im Halifax Report, könnte eine Verbindung zu Berichten im Oktober und Dezember 1888 bestehen, in welche ein naher Angehöriger/ eine nahe Angehörige den mutmaßlichen Täter in den Reihen ihrer Familie sahen. Dazu noch die Crawford Letter. Ich persönlich tendiere jedoch dazu, dass Cox und Sagar den gleichen Mann meinten und dieser jener Butcher gewesen war. Ob ein Zusammenhang zu den anderen behandelten Berichten besteht bleibt Spekulation (wie vieles andere eben auch). Auch ob eben jene anderen Berichte im direkten Zusammenhang stehen. Wahrscheinlich ist, dass auf jeden Fall mehrere Personen im Herbst 1889 verdächtigt und observiert wurden.   

Inspector Donald Swanson's report to the Home Office, 19 October 1888:

The alibis of local butchers and slaughterers were investigated, with the result that they were eliminated from the enquiry.[7] Over 2,000 people were interviewed, "upwards of 300" people were investigated, and 80 people were detained

Der dänische Ripperologe Kattrup hat neulich im JTRForums Berichte über 1389 "Verdächtige" gepostet. Die Nationalitäten (ich zitiere Howard Brown):

898 Englishmen
246 Americans
123 Tyskere ( Germans )
26 Frenchmen
20 Nordmand og Svenskere ( Norwegians and Swedes)
18 Ungarer (Hungarians)
14 Italians
9 Spaniards
9 Russians
3 Swiss
4 Belgians and Dutch
1 Dane
18 Indeterminate nationality (Kattrup can clarify if I'm correct of misinterpreting the Danish language here )

1389 Total


Gruß, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 15.05.2016 10:38 Uhr
Hallo Lestrade!

Zitat
"Die Frage die sich mir stellt ist, hat diese Feststellung mit jenen drei Männern zu tun oder ist sie ein Hinweis auf einen vierten Mann? Es wird lediglich diese Theorie erwähnt und muss nicht mutmaßlich auf jene drei Männer bzw. einen von ihnen zutreffen."

Die Frage kann ich leider auch nicht beantworten, in den Texten ist explizit nur von Guzzling Jim und einem sein Geschäft vernachlässigenden Geschäftsmann mit Familie die Rede, der einem der Artikel zufolge im "verdächtigsten Businness" arbeitete, also offensichtlich Metzger war.
Zudem heißt es ja explizit, dass diese Personen "neben den üblichen Nachtschwärmern" unter Beobachtung kamen, es also wohl dazu noch "die üblichen Verdächtigen" gab.

Bedenken wir, dass nach dem Eddowes-Mord Anfang Oktober 1888 alle Metzger und Schlachtereien des Viertels überprüft wurden und Cox sagte, dass nach Beginn der Observationen die Mordserie abriss, muss m.E. mindestens ein dringend Verdächtiger schon kurz nach dem Kelly-Mord ab Jahresende 1888 unter Beobachtung gestanden haben.
Und nach dem Mord an McKenzie wurden dann weitere Verdächtige unter Beobachtung gestellt.

Was allerdings bedeuten würde, dass genau der/die seit dem Kelly-Mord observierten höchstwahrscheinlich nichts mit dem McKenzie-Mord zu tun haben konnten, weil ja unter Beobachtung (wenn die Polizei nicht im falschen Moment einen aus den Augen verlor).


Zitat
"Du erinnerst dich vielleicht an folgenden Artikel von 1890: "JACK THE RIPPER’S VACATION
A Possible Explanation of the Suspension of Whitechapel Horrors. Halifax, N.S. July 28. "

Selbstverständlich, und ist er deshalb so interessant (auch wenn hier nur über Hörensagen berichtet wird), weil er bereits viele Jahre zuvor spätere Aussagen der Polizisten von 1905 bis 1914 in wichtigen Teilen vorwegnimmt - und zwar genau im Sommer 1890, jenem Zeitraum, in dem die Identifikation im Seaside Home vermutet wird.
Nur Zufall? Wohl eher nicht: Gerüchte verbreiten sich i.A., wenn sich irgendetwas in einer Sache geändert hat, wenn etwas passiert oder in Bewegung gekommen ist - nicht wenn alles gleichbleibt.

Wir können diesen Artikel also m.E. als Hinweis darauf deuten, dass es tatsächlich im Sommer 1890 war, als sich bei der Polizei etwas ereignete, das ihren Verdacht gegen eine bestimmte Person erhärtete - Vermutlich tatsächlich die Identifikation im Seaside Home.

Damit hätten wir dann einen engeren Zeitkorridor für die Observationen und die Identifizierung jener Person, von der die Polizisten schrieben: Ende 1888 bis Juli 1890.

Jedoch bleibt das Problem mit dem Macnaghten Memorandum 1894 (das ich wegen gewisser Ungenauigkeiten ja sowieso nur mit spitzen Fingern anfasse):
Wieso hatte Macnaghten trotz der weitergehenden Observationen den toten Druitt noch mit auf der Liste? Und wieso schrieb er, niemand habe den Ripper je gesehen?

Mein Verdacht zu diesem Memorandum - das ja ein als internes Dokument für den Dienstgebrauch wegen der Cutbush-Verdächtigungen geschrieben wurde - ist schon seit längerem, dass es eine Nebelkerze für die niederen Dienstgrade und den Umgang mit der Presse war: Es sollte einerseits klarmachen, dass Cutbush kein Ripper-Verdächtiger war, aber andererseits zugleich über den wahren Erkenntnisstand im Ripper-Fall täuschen, weil man sich entschlossen hatte, gewisse Dinge aus bestimmten Gründen als Dienstgeheimnis zu behandeln.



MfG, Arthur Dent




P.S. Wie wir ja wissen, wurde Jacob Levy Anfang August 1890 offiziell nach Stone eingeliefert - das passt zeitlich genau zu unserer mutmaßlichen Identifikation im Seaside Home Sommer 1890 und dem Zeitungsartikel "Jack the Ripper's Vacation" im Juli. Wie hieß es noch zum Seaside Home: Der Verdächtige wurden unter großen Mühen dorthin gebracht, und nachdem er identifiziert worden war, kehrte er zunächst vorübergehend zu seiner Familie zurück, wo er unter ständiger Beobachtung stand, und kam kurz darauf in eine Anstalt...
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 15.05.2016 11:39 Uhr
Good Morning, Arthur!

Ich rassel mal schnell durch habe immer noch nicht wirklich Zeit...

Der Oktober 1888 bleibt in meinen Augen der wichtigste Monat in der Frage der Verdächtigen! Es wurde nach dem Double Event für die Hälfte des Monats kein Stein auf dem anderen gelassen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Polizei den tatsächlichen Täter in jenen Tagen interviewte. Neben den Berichten naher Angehöriger gab es ja tatsächlich eine Observation bezüglich der blutigen Wäsche in der Batty Street. Nimmt man weitere Berichte aus jener Zeit zur Kenntnis, dann könnte jener Verdächtige auch ein paar Tage in einem Krankenhaus im East End verbracht haben.

Macnaghten sagte zwar, dass niemand jemals den Whitechapel Mörder sah es sei denn der PC am Mitre Square. Das 1906er Zitat von Cox lässt auf einen seiner Kollegen schließen und da er City Polizist war, käme wohl nur der Eddowes Tatort, Mitre Square, in Frage. Das passt auch zu weiteren Berichten die es, via Macnaghten, gab. Passen tut auch die Watchboy Story, die sich um den Mitre Square dreht. In der 1905er Sache, spricht man von der Dorset Street als ein Polizist nahe dran war, den Mann dingfest zu machen. Major Smith verwechselte ja auch einmal die Dorset Street mit dem Mitre Square, falls ich mich recht erinnere. Vielleicht spielte dabei auch die Namensgebung der Opfer eine Rolle, Catherine Eddowes/ Kelly und Mary Kelly. Die Tendenz geht eher in Richtung Eddowes und Mitre Square und demzufolge eines City Konstabler o.ä., der dann wohl schon im Oktober 1888 sagte, jener Mann könnte der gewesen, welchen er sah. Offenbar, durch die Aussage von Swanson, war die City Police eher mit dieser Observation beschäftigt als die MET Polizei. Zu Macnaghten denke ich persönlich, dass er sehr an der Druitt Theorie hing und uns Ostrog eher als "Alibi" präsentierte jedoch aber "Kosminski" als "überzeugenden (weiteren) Verdächtigen" benannte. Das dies wohl stimmen musste, sehen wir an den Bemerkungen von Anderson und Swanson und auch, das es eben jener Verdächtige gewesen sein muss, der im Seaside Home identifiziert wurde. Da passt natürlich die Halifax Letter wie die Faust auf´s Auge, denn Mitte Juli 1890 befand sich Aaron Kozminski dass erste Mal in der Krankenabteilung des Arbeitshauses, wurde jedoch nicht untersucht. Immerhin waren das so um die 4 Tage vom 12-15 Juli. Und am 28 Juli lesen wir dann in dieser Letter, dass Jack the Ripper irgendwie, sagen wir, aufgehalten wurde nach den Morden im Herbst 1888 weiterzumachen. Hier könnten Observationen und Aufenthalte in Anstalten eine große Rolle spielen. Sims sagte ja eben auch, dass dieser Mann immer wieder Zeiten nach den Morden unter seines gleichen verbracht hatte. Anderson sprach von einer Identifzierung während dieser Mann in einer Anstalt war. Swanson sprach von "nach der Rückkehr in das Haus seines Bruders in Whitechapel" (und Sion Square war tiefstes Whitechapel) und somit von einem Aufenthalt in einer Einrichtung. Diese Einrichtung, falls es sich um Aaron Kozminski handelte, war nicht Arbeitshaus sondern muss eine andere Einrichtung gewesen sein. Dann hätte man ihn jedoch von dort für fast vier Tage eben in jenes Arbeitshaus gebracht um ihn dort für die ID im Seaside Home abzuholen. Nur, außer dass seine Mutter aus einer Schlachter Familie stammte, spricht nichts für Aaron Kozminski, ein Butcher gewesen zu sein.

Die Halifax Letter spricht auch von einem Medizinstudenten dessen Schwester ihn verdächtigte der Ripper zu sein. Wir wissen, dass Macnaghten sagte, er hat einmal in einem Krankenhaus in Polen gearbeitet und wir kennen einen rätselhaften Vorfall vom 22 November 1888, als ein Mann eine Frau mit dem Messer angriff. Sie wurde u.a. als Matilda bezeichnet. Weitere Angaben, Alter, verheiratet, Aussehen, treffen absolut zu Aaron Kozminski´s Schwester Matilda Lubnowski zu. Angenommen das in dem Halifax Bericht Matilda Lubnowski diese Schwester war, dann könnte sie auch die nahe Angehörige in den Oktober Berichten gewesen sein, gehörend zu einem Verdächtigen, der mit der Batty Street in Verbindung gebracht wurde, der observiert wurde und ein paar Tage in einem East End Krankenhaus verbrachte. Der Messerangriff auf die eigene Schwester hätte damit erklärt werden können, dass die eigene Schwester ihn verdächtigte. Kurioserweise waren am 22. November 1888 sofort Beamte zur Stelle, Stunden zuvor bei Annie Farmer jedoch nicht.

Aber wie gesagt, nichts ist bekannt, dass "Kosminski" als Butcher gearbeitet hatte. Macnaghten erwähnte u.a. einen Tanner, also Gerber für "Kosminski", der könnte vielleicht mit Schlachtern in Verbindung gebracht werden. Es ist, wie erwähnt, extrem schwierig dieses Puzzle auf die Reihe zu kriegen aber wie ich schon angab, es wurden sicherlich mehr als ein Butcher als ernsthafte Verdächtige eingestuft.

Und ich bin da ganz auf deiner Seite, dass nach dem Mackenzie Mord weitere Verdächtige in das Visier der Polizei gerieten und auch alte wieder aktuell wurden.

Lestrade.
 
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 15.05.2016 12:25 Uhr
Hallo Lestrade!


Zitat
Der Oktober 1888 bleibt in meinen Augen der wichtigste Monat in der Frage der Verdächtigen! Es wurde nach dem Double Event für die Hälfte des Monats kein Stein auf dem anderen gelassen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Polizei den tatsächlichen Täter in jenen Tagen interviewte.

Genauso sehe ich das auch: Bei dieser zweiwöchigen Mammutaktion kristallisierten sich die ersten Verdächtigen heraus.


Zitat
Macnaghten sagte zwar, dass niemand jemals den Whitechapel Mörder sah es sei denn der PC am Mitre Square. Das 1906er Zitat von Cox lässt auf einen seiner Kollegen schließen (...) der dann wohl schon im Oktober 1888 sagte, jener Mann könnte der gewesen, welchen er sah.

Vermutlich gab es tatsächlich diesen PC, aber er dürfte bestimmt nicht schon im Oktober 1888 den Verdächtigen glaubwürdig identifiziert haben - das wäre ein verdammt guter Grund gewesen, jenen festzunehmen, ins Kreuzverhör zu nehmen, sein Heim zu durchsuchen und seine ganze Familie und sein Umfeld komplett umzukrempeln. Wenn es diesen Polizisten gab, war er sich vemutlich aufgrund der Dunkelheit nicht sicher genug für eine eindeutige Identifikation, so dass es zwar für eine Observation reichte, jedoch nicht für weitergehende Maßnahmen.
Ich hatte mich lange gefragt, warum man einen Verdächtigen mit viel Mühe und Aufwand in ein Seaside Home schleifen musste - denn in London gab es mit Sicherheit genug Möglichkeiten für eine diskrete Gegenüberstellung. Als plausibelste Erklärung erscheint mir, dass der eigentliche Zeuge, der der Polizei bestätigte, dass sie den richtigen Verdächtigen gefunden hatten, dort war und nicht reisetauglich war.


Zitat
Swanson sprach von "nach der Rückkehr in das Haus seines Bruders in Whitechapel

Nun ja, Jacob Levys Bruder wohnte in der Goulston Street, das war auch Whitechapel.


Zitat
Die Halifax Letter spricht auch von einem Medizinstudenten dessen Schwester ihn verdächtigte der Ripper zu sein. (...) Aber wie gesagt, nichts ist bekannt, dass "Kosminski" als Butcher gearbeitet hatte.

Unter den verdächtigten Berufsgruppen waren damals ja nicht nur Butcher, sondern z.B. auch Ärzte. Dementsprechend kursierten natürlich in der Öffentlichkeit verschiedene Gerüchte über verschiedene Berufe des mutmaßlichen Rippers.
Eine Möglichkeit, wie es zu den verwirrenden Aussagen - mal Metzger, mal Mediziner - kam, könnte einfach jene vorsichtige Formulierung gewesen sein, der Ripper-Verdächtige arbeite "in the most suspicious fashion", so wie es z.B. am 13. September 1889 in der London Evening News And Post stand. Wenn offizielle Stellen sich oft so vage ausdrückten wäre die mögliche Folge, dass die einen Reporter und Bürger daraus den Schluss zogen, der Verdächtige müsse Metzger sein, weil sie persönlich diese Theorie favorisierten, während andere annahmen, dass damit ein Mediziner gemeint war, so wie es im Zeitungsartikel "Jack the Ripper's Vacation" stand.
Es ist also durchaus möglich, dass die in den Texten angegebenen Berufe nicht wirklich explizit von der Originalquelle stammten, sondern lediglich (richtige oder falsche) Schlussfolgerungen derjenigen waren, die diese Info weitergaben: Klassisches Stille-Post-Prinzip.


Zitat
Es ist, wie erwähnt, extrem schwierig dieses Puzzle auf die Reihe zu kriegen aber wie ich schon angab, es wurden sicherlich mehr als ein Butcher als ernsthafte Verdächtiger eingestuft.

Da sind wir einer Meinung: Man denke z.B. nur an Isenschmidt.



MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 15.05.2016 13:00 Uhr
Vermutlich gab es tatsächlich diesen PC, aber er dürfte bestimmt nicht schon im Oktober 1888 den Verdächtigen glaubwürdig identifiziert haben - das wäre ein verdammt guter Grund gewesen, jenen festzunehmen, ins Kreuzverhör zu nehmen, sein Heim zu durchsuchen und seine ganze Familie und sein Umfeld komplett umzukrempeln. Wenn es diesen Polizisten gab, war er sich vemutlich aufgrund der Dunkelheit nicht sicher genug für eine eindeutige Identifikation, so dass es zwar für eine Observation reichte, jedoch nicht für weitergehende Maßnahmen.
Ich hatte mich lange gefragt, warum man einen Verdächtigen mit viel Mühe und Aufwand in ein Seaside Home schleifen musste - denn in London gab es mit Sicherheit genug Möglichkeiten für eine diskrete Gegenüberstellung. Als plausibelste Erklärung erscheint mir, dass der eigentliche Zeuge, der der Polizei bestätigte, dass sie den richtigen Verdächtigen gefunden hatten, dort war und nicht reisetauglich war.

Ich würde das mit Oktober 1888 und dem PC nicht zu weit weg tun. Der PC erkannte ihn wohl nur anhand der Größe und der Statur, welche irgendwie markant gewesen sein könnte. Kein Grund, den Verdächtigen gleich auseinander zu nehmen. Eine einfache Observation hätte es auch getan, denke ich. Stimmt es allerdings, dass der Verdacht aus der eigenen Familie kam, hätte es für die Polizei erst einmal einfacher gewesen sein können zu ermitteln. Dazu käme vielleicht ein Krankenhausaufenthalt, der Patient/ Verdächtige ist nicht vernehmungsfähig, die mutmaßlich blutige Wäsche wird mit einer erlittenen Verletzung erklärt usw. Wir wissen es ja auch nicht, wie intensiv ein möglicher Verdächtiger "Kosminski" befragt worden ist, ob überhaupt oder wie er auf Fragen der Polizei reagierte. Gab es dort eine schwerwiegende Erkrankung, könnte er auch nur Müll erzählt haben wie: "Ich habe da eine Biene in der Schulter und im Kopf und die Russen stehen vor den Toren Londons". Wir müssten alle Umstände kennen um das richtig einzuschätzen. Wenn ich natürlich schreibe, dass der mutmaßliche Ripper im Oktober befragt wurde, muss das selbstverständlich auch nicht stimmen. Die Umstände, von denen die Polizei erfahren haben könnte, hätten auch zu anderen Maßnahmen führen können. Sprich, ein schlichte Observation, die jener Mann nicht unbedingt mitbekommen sollte. Die Observation bezüglich Batty Street wurde abgebrochen, wohl weil der Verdächtige nicht mehr aus dem Haus ging und die Presse zu sehr präsent wurde, weil sie Wind von der Sache bekamen. Ist das wirklich so geschehen, hatte die Polizei vielleicht einen würdigen Verdächtigen, den man, aufgrund verschiedener Umstände oder des persönlichen Zustands wegen, nicht vollends für den Ripper hielt und wo erst Ermittlungen und Ereignisse in den nächsten Wochen und Monaten, diesen Verdacht bezüglich dieser Person erhärteten. Erinnere dich mal an den "Doktor" von neulich, der "immer in der Nähe war, wenn eines dieser Verbrechen geschah".

Ich persönlich denke, die Idee mit dem nicht reisefähigen Zeugen macht eine Menge Sinn. Sicherlich nicht die einzige Erklärung aber eine, an die ich selber ziemlich hänge.


Nun ja, Jacob Levys Bruder wohnte in der Goulston Street, das war auch Whitechapel.

Bedenke, Isaac Levy lebte im Wentworth Building, Swanson´s Äußerung lässt eher auf eine Art "Reihenhaus" mit Shop o.ä. schließen, so wie Woolf und Isaac Abrahams oder Matilda Lubnowski lebten. Man kann natürlich auch sagen das Swanson Levy´s Bruder in einem großen Mehrfamilienhaus meinte aber in das Haus seines Bruders klingt nach etwas anderem.

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 15.05.2016 18:31 Uhr
Hallo Lestrade!


Zitat
Wenn ich natürlich schreibe, dass der mutmaßliche Ripper im Oktober befragt wurde, muss das selbstverständlich auch nicht stimmen. Die Umstände, von denen die Polizei erfahren haben könnte, hätten auch zu anderen Maßnahmen führen können. Sprich, ein schlichte Observation, die jener Mann nicht unbedingt mitbekommen sollte.

Wie schon erwähnt: Dass die Polizei bei ihrer Mammutaktion im Oktober auf bestimmte Verdächtige aufmerksam wurde und erste Observationen startete, da dürften wir uns wohl einig sein.
Nur glaube ich, dass die ersten Verdachtsmomente da noch zu schwach und unspezifisch waren - eben noch keine echte Identifikation durch einen PC oder anderen Zeugen.

Nicht umsonst hieß es, man müsse JTR schon "red-handed", also auf frischer Tat erwischen, und dass die einzige Person, die einen guten Blick auf ihn werfen konnte, sich weigerte gegen Verdächtigen auszusagen, als sie erfuhr, dass er ein Glaubensbruder war.
Ich vermute ja nach wie vor, dass dieser Zeuge Lawende gewesen sein muss, denn er war nicht aus Whitechapel und hielt den Kerl bei Eddowes zunächst für einen Seemann.

Ich denke, dass sich die Verdachtsmomente gegen eine bestimmte Person erst nach dem Kelly-Mord verdichteten, und dass es noch bis Sommer 1890 dauerte, bis sich die Polizei wegen der Seaside Home Identifizierung sicher war.


Zitat
Die Observation bezüglich Batty Street wurde abgebrochen, wohl weil der Verdächtige nicht mehr aus dem Haus ging und die Presse zu sehr präsent wurde, weil sie Wind von der Sache bekamen. Ist das wirklich so geschehen, hatte die Polizei vielleicht einen würdigen Verdächtigen, den man, aufgrund verschiedener Umstände oder des persönlichen Zustands wegen, nicht vollends für den Ripper hielt und wo erst Ermittlungen und Ereignisse in den nächsten Wochen und Monaten, diesen Verdacht bezüglich dieser Person erhärteten.

Ja, der Batty Street Lodger ist so eine Geschichte, die ich nicht richtig einordnen kann. Es ist für mich schwer vorzustellen, dass JTR sich ein Zimmer gemietet hatte, wo er ständig an der Vermieterin und anderen Mietern vorbei musste. Außerdem gab es damals als Mieter das Recht auf Privatsphäre nicht, der Vermieter konnte jederzeit reinplatzen (Freunde, die zeitweise in London lebten, erzählten mir gar, dass auch heute noch ihre Vermieter einfach in ihrem Zimmer ein und aus gingen).
Da finde ich deine Interpretation, dass vielleicht JTR's Verwandte seine Wäsche zum Waschen abgegeben hatten, viel plausibler.

Diese Sache mit der Zimmermiete ist übrigens auch ein gutes Argument gegen Francis Thompson als JTR: Wenn er wirklich im Providence Row Night Refuge and Convent geschlafen haben sollte, dürfte es wohl ziemlich schwierig gewesen sein, da nachts unbemerkt raus und blutverschmiert wieder rein zu kommen.
Nein, da halte ich es lieber mit den Aussagen unserer Polizisten, dass JTR entweder in einem eigenen Shop oder zumindest in welchen seiner Verwandten hauste, wo er nicht ständig auf misstrauische Fremde traf, sondern einfach so raus und rein konnte.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 15.05.2016 19:32 Uhr
Ich denke, Arthur, dass der City PC, falls es ihn so gab, niemals vor Gericht überzeugt hätte. Er sah nicht das Gesicht des Mannes und eine Verurteilung oder Identifikation hätte so nicht stattgefunden. Selbst wenn der Mann, welchen er sah, der richtige war, der PC hätte nur sagen können: "Er ähnelt den Mann von der Statur her". Am Ende wäre diese Beobachtung nur eine von vielleicht vielen gewesen. Stell dir vor, der Mann den Packer mit Stride sah, wäre ebenfalls dieser Verdächtige gewesen? Der Wert dieser Beobachtung wäre zwar wichtig gewesen aber was wollte man damit anfangen? Packer sah keinen Angriff, keinen Mord, genauso wie der PC. Bei Lawende wäre dies vielleicht etwas anderes gewesen, weil das Opfer unmittelbar danach tot aufgefunden wurde. Wir wissen nicht, ob der PC den Verdächtigen mit dem Opfer überhaupt sah. Der "Watchboy" sah vielleicht diesen Verdächtigen mit einer Frau aber konnte er sie als Eddowes identifizieren? Schwartz sah den Angriff auf Stride, aber konnte er jenen Mann wirklich wiedererkennen oder sah er jemand anderes als den Mörder? Macnaghten sprach von "many circs" und vielleicht gehören all diese Dinge dazu. Denke an den Lipski Mord, der Mörder wurde unter dem Bett des Opfers gefunden so etwas gab es offenbar im Ripper Fall nicht außer eine Zeuge den wir nicht kennen, machte eine ähnlich belastende Beobachtung. Hatten die Beamten einige Verdächtige im Oktober, hätte sie dieser PC oder all diese Zeugen auch zu sehen bekommen. Am 1 Oktober 1888 wurde zum Beispiel ein Mann in der Nähe des Mitre Square aufgegriffen und zur Polizeiwache gebracht. Er trug einen violetten Schal (Lawende sah einen rote) und wenn dort ein PC war, der jemanden am oder um den Mitre Square gesehen haben wollte, wäre er alsbald mit diesem Mann konfrontiert worden. Verdächtige Personen im Oktober 1888 müssen diesen Zeugen gegenübergestellt worden sein. Es kann natürlich auch anders gewesen sein. Ich kenne zwei Möglichkeiten außerhalb einer normalen ID. Der oder die Zeugen wurden mit einer geschlossen Kutsche in die Nähe des Verdächtigen geführt oder aber, der oder die Zeugen wurden, im Beisein von Zivilbeamten, äußerlich verändert, in die direkte Nähe des Verdächtigen geführt. Wir wissen doch auch garnicht, ob die besten Zeugen, Schwartz und Lawende, "Kosminski" in einer ID im Oktober zu sehen bekamen. War das der Fall, müssen sie ihn nicht wiedererkannt haben, was die Sache für "Kosminski" erst einmal besser gemacht hätte. Macnaghten sagte ja auch, keiner hat jemals den Whitechapel Mörder gesehen. Das spricht eher gegen eine positive ID für Schwartz und Lawende oder zumindest einen von ihnen.

Es gab keinen Mieter mit blutiger Wäsche in der Batty Street Geschichte. Die Wäsche wurde von einem Mann gebracht, die wohl sogar einem anderen gehörte. Der Mieter, welcher in Verdacht geriet aber überhaupt nicht anwesend zu der Zeit war, wurde durch einen Übersetzungsfehler bzw. durch Nachbarschaftstratsch ins Gespräch gebracht:

http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1488.0.html

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Shadow Ghost am 16.05.2016 12:12 Uhr
Hallo Leute!

Schön, dass das Forum wieder lebt.

Ich war ja bezüglich des PC vom Mitre Square immer schon skeptisch. Aber lassen wir ihn mal existieren... Es ist dann natürlich denkbar, dass er -- aus welchen Gründen auch immer -- sich zu einem gegebenen Zeitpunkt in einem Seaside Home aufhielt, das zur Polizei gehörte. Man bringt dann den Verdächtigen dorthin und er wird durch den PC identifiziert. Doch was soll man mit dieser Aussage anfangen? Wenn ich die Sache richtig verstanden habe, hat unser PC den Ripper bei der Tat ertappt, doch er hat ihn nicht verhaftet. Wahrscheinlich hat der PC sogar Reißaus genommen. Ich muss immer daran denken, dass PC Harvey kein Jahr nach dem Double Event den Dienst quittierte (oder quittieren musste?). Wie verlässlich wäre also solch eine Aussage vor Gericht? Will man überhaupt, dass solch eine Aussage öffentlich vor Gericht geäußert wird? Ein Verantwortlicher mit einem gewissen Sinn für PR wird sich das zweimal überlegt haben, war der Ruf der Polizei eh schon angeschlagen. Wie immer bei diesem Fall, wirft jedes neue Szenario mehr Fragen auf als beantwortet werden. Es ist zum Verzweifeln. Kann nicht einfach mal John Doe auf seinem Dachboden stöbern und das Tagebuch eines bislang unbekannten Jacob Kosminski finden, in dem er glaubwürdig ein Geständnis ablegt?

Manchmal wünschte ich mir ein anderes Hobby, all dieser Ripper, Zodiac, Hinterkaifeck, Somerton-Man, YOG'TZE,...-Kram... Wenn es doch nicht so interessant wäre...
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Phil am 16.05.2016 12:32 Uhr
Manchmal wünschte ich mir ein anderes Hobby, all dieser Ripper, Zodiac, Hinterkaifeck, Somerton-Man, YOG'TZE,...-Kram... Wenn es doch nicht so interessant wäre...

Hihihi, ich kenne das Gefühl  :biggrin: Eigentlich wollen wir alle doch den Fall gar nicht lösen...geschweige denn einen der anderen Fälle. Denn dann wären es einfach ganz normale Mordfälle, frei von jeglicher Faszination. Es geht doch eher um das Mysterium, um das, was wir rundherum aufbauen. Welch eine Enttäuschung es wäre, wenn man eines Tages wüsste, wer der Ripper ist! "Glücklicherweise" wird es dank der tausenden Theorien doch immer Skeptiker geben und genug Gegenargumente, wenn mal wieder einer meint, den Ripper enttarnt zu haben...
Trotzdem (oder deswegen?) sollten wir hier nicht aufhören, weiter zu diskutieren! Der kleine 'philosophische' Ausflug sollte nicht davon abhalten...  ;) Finde gerade vor allem das hier:
Doch was soll man mit dieser Aussage anfangen? Wenn ich die Sache richtig verstanden habe, hat unser PC den Ripper bei der Tat ertappt, doch er hat ihn nicht verhaftet. Wahrscheinlich hat der PC sogar Reißaus genommen.
...sehr interessant! Nie über sowas nachgedacht...aber wie wahrscheinlich ist das? Ob der Ripper noch einmal zugeschlagen hätte, wenn er wusste, dass er gesehen worden war? Andererseits folgt nach dem Double Event eine recht lange Zeitspanne bis zum Mord an Kelly...
Schön, dass das Forum wieder lebt.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 16.05.2016 13:25 Uhr
Hallo zusammen!


Ich hätte da mal ein Problem, vielleicht kann mir jemand helfen.

Beim Versuch, verschiedene Zeitungsartikel, die ich zitiert habe, in meiner Timeline zu sortieren, ist mir aufgefallen, dass ich offenbar einen verschlampt habe. Ich hatte ein paar Sätze davon vor einiger Zeit in meine Levy-Theorie eingefügt und dabei dummerweise die Quellenangabe vergessen, und nun finde ich den Text auch mit Googeln nicht mehr.


Es geht um folgenden Textauszug:

"The Dublin Express London correspondent on Thursday gave us the latest police theory concerning the Whitechapel murderer, that he has fallen under the strong suspicion of his near relatives, who to avert a terribly family disgrace, may have placed him out of harm's way in safe keeping. As showing that there is a certain amount of credence attached to this story, detectives have recently visited all the registered private lunatic asylums, and made full inquiries as to the inmates recently admitted."

Kann mir einer dazu den Namen der Zeitung (vermutlich war es der Dublin Express selber) und das Datum oder irgendeine andere Quellenangabe nennen?


Im Voraus vielen Dank!

MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 16.05.2016 14:09 Uhr
Hi Arthur,

The Bristol Mercury (Bristol)
29 December 1888


“The Dublin Express London correspondent on Thursday gave as the latest police theory concerning the Whitechapel murderer, that he has fallen under the strong suspicion of his near relatives, who to avert a terribly family disgrace, may have placed him out of harm's way in safe keeping. As showing that there is a certain amount of credence attached to this story, detectives have recently visited all the registered private lunatic asylums, and made full inquiries as to the inmates recently admitted.”


Also richtig, der Dublin Express selber irgendwann gegen Ende Dezember 1888.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 16.05.2016 14:28 Uhr
... "The Whitechapel Murderer-The Latest Police Theory"... hieß dann wohl auch der Titel im Dublin Express im Dezember 1888...
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 16.05.2016 14:46 Uhr
Schön, dass das Forum wieder lebt.

Einfach schön, mal wieder von dir zu hören (oder zu lesen), Shadow... :good:
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 16.05.2016 15:24 Uhr
Finde gerade vor allem das hier:
Doch was soll man mit dieser Aussage anfangen? Wenn ich die Sache richtig verstanden habe, hat unser PC den Ripper bei der Tat ertappt, doch er hat ihn nicht verhaftet. Wahrscheinlich hat der PC sogar Reißaus genommen.
...sehr interessant! Nie über sowas nachgedacht...aber wie wahrscheinlich ist das? Ob der Ripper noch einmal zugeschlagen hätte, wenn er wusste, dass er gesehen worden war? Andererseits folgt nach dem Double Event eine recht lange Zeitspanne bis zum Mord an Kelly...

Hi Phil, Shadow,

Arthur schrieb:

Sunday Chronicle, October 15, 1905:
"We found our man. He was engaged in a large way of business in the city of London, was married, had a family, and was generally respected. For some time he had been known as eccentric, and various escapades had caused his friends a good deal of anxiety.
Frequently, as we learned later, he stayed out all night about the time when these outrages were committed. His description agreed with that of a man seen in Dorset-street, Whitechapel, on the night when Mary Jane Kelly was cut to pieces, and at that time he was very near to actual arrest by a policeman."


Sagar:

The apron belonging to the woman who was murdered in Mitre Square was thrown under a staircase in a common lodging house in Dorset Street

He believed the police were nearer to catching the "Ripper" on the occasion of the Mitre-st. murder than on any other. The woman Kelly, who was the victim

As you know, the perpetrator of these outrages was never brought to justice, but I believe he came the nearest to being captured after the murder of the woman Kelly in Mitre-square. A police officer met a well-known man of Jewish appearance coming out of the court near the square, and a few moments after fell over the body. He blew his whistle, and other officers running up, they set off in pursuit of the man who had just left. The officers were wearing indiarubber boots, and the retreating footsteps of a man could be clearly heard. The sounds were followed to King's-block in the model dwellings in Stoney-lane, but we did not see the man again that night.

"We believe," he said, "that he came nearest to being captured after the Mitre Square murder in which the woman Kelly was the victim. She had been detained in Bishopsgate police station until 1 a. m. At 1:45 a. m. she was dead. A police officer met a well dressed man of Jewish appearance coming out of the court. Continuing on his patrol he came across the woman's body. He blew his whistle, and sent the other officers who rushed up in pursuit, the only thing to guide them being the sound of retreating footsteps. The sounds were followed to King's Block in the model dwellings in Stoney Lane, but the search got no further.


Diese Zitate stammen in dieser Reihenfolge aus der City Press, 7 January 1905, Morning Leader, 9 January 1905, Daily News, 9 January 1905, Seattle Daily Times, 4 February 1905.

Eddowes wurde auch als Kelly bezeichnet und Sagar sprach auch einmal von der Dorset Street so, wie es auch, wenn ich jetzt richtig liege, Major Smith tat. Der gepostete Artikel von Arthur vom Oktober 1905 könnte sich auf Sagars Aussagen vom Januar/ Februar 1905 beziehen und somit stammt in allen Fällen der Polizist als auch der Verdächtige aus dem Mordfall Eddowes im Mitre Square. Und auch Cox 1906 sprach von einer Situation wo ein eigentlich fähiger Kollege die Chance hatte, diesen Mann zu stellen. Cox sprach dabei auch von einem Ende einer schlecht beleuchteten Straße (Mitre Street?). Auf den ersten Blick könnte man meinen das beide, Cox und Sagar, von ein- und demselben Mann sprachen. Ich glaube, es war Sims, der sagte, dass der PC nicht das Gesicht des Mannes aufgrund der Lichtverhältnisse erkennen konnte und er meinte damit den Polen (Kosminski). Was jetzt auch immer stimmen mag, mir kommt es vor, dass jener PC einen "gut bekannten Mann" traf, den er allerdings nur anhand dessen Körperbaus erkennen konnte oder ihn aufgrund seiner äußeren Erscheinung einem ihm gut bekannten Mann zuordnete. Hätte er ihn in jener Straße in das Gesicht sehen können, hätte er ihn vielleicht aufgehalten, weil dieser Mann vielleicht ein Charakter darstellte, den es galt stets etwas im Auge zu behalten.

Ist dem alles so und ich komme dabei auf Arthur Post zurück, kann dieser Mann nicht "Kosminski" gewesen sein, da er dort als verheiratet mit Familie dargestellt wurde. Das trifft zumindest nicht auf Aaron Kozminski zu. Man kann diesen 1905 Artikel vielleicht auch im Zusammenhang mit den 1889er Aussagen sehen und es fällt dann schwer zu sagen, dass 1905, nach so vielen Jahren, sich die üblichen Irrtümer eingeschlichen haben. Ich sehe allerdings auch die Möglichkeit, dass bereits 1905, als Sagar seine Aussagen machte, die Cox Story einen Einfluss ausübte und beide Beamten müssen nicht von ein- und demselben Mann gesprochen haben. So dass diese Chronicle Story zwei Verdächtige vermischte. Aber das ist, wie immer, pure Spekulation.

Arthur:

Interview mit Richard Patterson bezüglich Francis Thompson:

http://www.annmarieackermann.com/francis-thompson-ripper-suspect/

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 16.05.2016 19:48 Uhr
Hallo zusammen!


Vielen Dank, Lestrade, für die Zeitungsquelle und das Interview mit Patterson.


Also, dass der Text bereits vom 29. Dezember 1888 stammt - ich hatte irgendwann in 1889 im Hinterkopf... Das ist ja sogar vor Macnaghtens Zeitangabe über den März 1889.
Jedenfalls wäre es ein guter Hinweis darauf, dass der Butcher's Row Suspect bereits kurz nach dem Kelly-Mord unter Beobachtung gestellt wurde: "from time to time he became insane..."

Dumm nur, dass bisher niemand einen passenden Eintrag in den Anstaltsakten gefunden hat - jedenfalls wenn man von David Cohen absieht, der bereits am 7. Dezember 1888 per Gerichtsbeschluss erst ins Whitechapel-Arbeiterkrankenhaus eingewiesen wurde, und dann wegen seiner Unkontrollierbarkeit am 21. Dezember direkt weiter nach Colney Hatch, wo er am 20. Oktober 1889 verstorben sein soll.

Wenn der Artikel sich auf Cohen als Verdächtigen bezieht, wäre er leider für unsere Überlegungen nutzlos, denn da hätte es natürlich keine längere Observation durch Cox und Sagar mehr geben können.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 16.05.2016 20:27 Uhr
Gerne, Arthur!

Betracht man Sagar ganz alleine, könnte David Cohen durchaus der Mann aus der Butchers Row gewesen sein, dieser wurde jedoch als Schneider eingetragen. Auch Swanson´s Workhouse- Colney Hatch- starb kurze Zeit später- Zitat würde dazu passen.

Macnaghten´s Zeitangabe passt wiederum auch nicht für Cohen.

Scott Nelson, der Mann in Sachen David Cohen und Butchers Row, hat ja Kontakt mit einer Familie in Australien, Kosminskis, die zur Zeit der Morde in Batty Gardens lebten, direkt hinter dem Stride Tatort und die behaupten, ein Familienmitglied wäre ein Ripper Verdächtiger gewesen. Sie sind wohl auch sehr glaubhaft.

Ich persönlich bin ebenfalls mit einer Frau aus Australien in Kontakt, deren Familie mit der Butchers Row verbandelt waren. Ihre Familie lebte in der Whitechapel High Street in einem Haus, dass einem weiteren Teil der Familie gehörte und der Besitzer war verschwägert mit einem Schlachter aus der Butchers Row. Hier besteht allerdings kein direkter Verdacht in der Familie, anders in den Fällen von Scott´s Kosminski und der Familie von Aaron Kozminski.

In beiden Fällen handelt es sich um Wolf Kosminskis und ein dritter wäre sogar Aaron´s Bruder, Woolf. Eine dritte (und insgesamt vierte) Familie mit Verdacht, wäre die von Zena Shine. Ihre Familie lebte aber in einem Bereich von Whitechapel, wo sich viele Polen aus dem Bereich Kalish/ Polen wiederfanden. Aaron Kozminskis Familie stammte aus Klodawa/ Kalish. Dieser Herkunft gilt auch für Martin Kozminski (siehe Joseph Hyam Levy) und Morris Kozminski (Berner Street).

Falls Du die verlinkte Batty Street Story studieren möchtest, Aaron Kozminkis Familie lebte auch kurze Zeit in Deutschland und Aaron sprach, genau wie Cohen, in der Anstalt etwas deutsch. Die Batty Street Story berichtet ja auch über einen Deutschen (der offenbar nicht Ludwig gewesen war).

Ich weiß allerdings nicht, wie das alles zusammenhängen soll...

Wir, Jeff Leahy und ich, haben es uns ja zur Aufgabe gemacht, alle möglichen Anstalten zu durchforsten. Augenmerk vor allem auf private und das in Surrey. Jeff hat einen hervorragenden Kontakt in Surrey und vor einer Weile schon einiges einsehen können. Leider ohne Erfolg. Die von uns als wichtig eingeschätzten, konnten wir noch nicht einsehen oder aber, das ist kurios, sie fehlten (also die entsprechenden Zeitabschnitte). Einige öffentliche konnte ich noch per Ancestry durchforsten auch ohne Erfolg. Kosminski war ja offenbar vor seiner Identifizierung in einer Anstalt und kam danach in eine öffentliche (Colney Hatch) und so vermute ich einfach, dass Sagar´s "Private Anstalt" auf diesen Mann zutraf. In diesem Bereich machen wir nun alsbald weiter...

Ich hatte auch nichts wirklich passendes zu dem Mann in einem East End Krankenhaus im Oktober 1888 gefunden. Es gab noch eine Art Krankenhaus, Stepney Green, dass Kontakte nach Surrey hatte. Unterlagen dafür zu finden, schlugen bisher fehl.

Laut Rob House, müssen noch Unterlagen zum Fall irgendwo in London eingelagert sein. Kein Mensch weiß allerdings wo. Ein Teil soll aber auch bereits einem Wasserschaden zum Opfer gefallen sein.

Wir brauchen Shadow´s John Doe auf dem Dachboden (wäre mir am liebsten)...

Lestrade.

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 18.05.2016 20:22 Uhr
Hallo zusammen!

Endlich habe ich beim Durchforsten der im Casebook zitierten Zeitungsartikel einen Hinweis gefunden, wann die Observierung wohl begann:


Aberdeen Weekly Journal, 16. November 1888:
"The Central News is enabled to state that several houses at which the murderer is believed to call on occasionally are under the closest police surveillance."


Unter Überwachung gestellt wurden "verschiedene Häuser, von denen angenommen wird, dass der Mörder sie gelegentlich aufsucht" - das klingt doch nach dem "he occupied several shops in the Eastend" von Cox, oder?

Lestrade, du könntest recht haben, dass Cox schon ganz am Anfang bei den Observationen mit dabei war.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 18.05.2016 21:01 Uhr
Guten Abend, Arthur!

Von diesem Artikel bzw. diesem Zitat habe ich erst vor mehr als einem Jahr durch Jeff Leahy erfahren. Ich kannte den Artikel/ das Zitat vorher nicht.

Wo steht der komplette Artikel überhaupt auf Casebook?

Das ganze passt eben auch zu meiner Theorie, dass Kosminski (ich beziehe das mal auf ihn) nach dem Mord an Kelly nicht aufzufinden gewesen war. Er wäre bereits ein Hauptverdächtiger im Oktober gewesen aber die Observation wurde abgebrochen (siehe Batty Street Story) aber nach diesem Mord, hätten die Polizei sofort einen solchen Mann erneut aufgesucht. Ich habe dazu zwei Überlegungen, entweder wusste er, dass die Polizei zu ihm kommen würde oder aber, er wurde gesehen und hatte Furcht vor einer Identifizierung durch diesen Zeugen (der jedoch der Polizei zunächst nicht bekannt wurde- erst zur Seaside Home Identifizierung-). Also versteckte er sich. So ist es aber möglich, dass die Polizei alle Orte bewachte, in denen er gewohnt war regelmäßig aufzutauchen. Cox sagte ja, sie kamen diesem Mann erst nach dem Miller´s Court auf die Spur (nicht, dass er schon auf dem Zettel im Oktober stand aber sein Verschwinden nach Kelly, hätte den Verdacht erhärten können). Die ganze Sache nährt so meine Überlegung, dass der Seaside Home Zeuge aus dem Miller´s Court kam und uns überhaupt nicht bekannt ist. Und dann nehme den Vorfall vom 22 November 1888, als sofort die Beamten zur Stelle waren. Das könnte bedeuten, dieser Vorfall mit einer "Matilda" fand an einen dieser Orte statt, die von der Polizei bewacht wurde und zu den "several shops" gehörte. Die Suche in den privaten Anstalten im Dezember, könnte ein Hinweis darauf sein, dass ihn seine Familie (zunächst) nach diesem Vorfall außer Reichweite der Polizei brachte. Nachdem er wieder raus war, observierte ihn Cox für nahezu drei Monate (passt dann zu Macnaghten´s "about March 1889"). Somit ist es sehr wahrscheinlich, dass jener Kosminski bestimmte Zeiten in einer uns unbekannten privaten Anstalt in Surrey verbrachte, bevor er nach Colney Hatch kam. Während einer dieser Zeiten in Surrey fand dann die Seaside Home Identifikation statt.

Diese Überlegungen wollen wir in der Doku "The Kozminski Code" untermauern.

Herzliche Grüße, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 18.05.2016 21:10 Uhr
Hallo Lestrade!


Howard Brown hatte alle Artikel des Aberdeen Weekly Journal, die er zum Fall gefunden hatte, eingescannt und in einem Thread des Casebooks hochgeladen:

http://www.jtrforums.com/showthread.php?t=12373&page=8

Der Auszug stammt aus dem letzten Artikel dieser Forums-Seite, ganz unten links letzter Abschnitt.

MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 18.05.2016 21:29 Uhr
Besten Dank mein Lieber!

Hätte ich ja lange suchen können, wenn es bei Howard im JTRForums steht und ich ihn im Casebook suche. Dort hatte ihn Jeff nur mit dem Zitat belegt.

Was hälst Du von der ganzen Sache? Mal angenommen, es bezieht sich auf "Kosminski", wie von Macnaghten, Anderson und Swanson bestätigt, dann hätten sie Jack the Ripper recht früh "identifiziert" und während einer Observationspause hätte er auch sogar noch einmal zuschlagen können. Meinte Anderson damit sein " mein altes Department würde nur unnötig drunter leiden"?

Fakt scheint jedoch nur zu sein, dass sie Indizien hatten, die blutige Wäsche in der Batty Street (die Polizei konfizierte diese ja), den PC vom Mitre Square, der nicht das Gesicht des Mannes sah, vielleicht Packer, der den Mann vom Sehen kannte und mit Stride sah, vielleicht einen violetten Schal, den Lawende als roten in Erinnerung hatte und ihn, den Verdächtigen, auch nicht wiedererkennen konnte, was er ja auch der Polizei sagte ("hatte nur einen kurzen Blick und bin mir nicht sicher ihn wiederzuerkennen") und vielleicht Informationen aus des Verdächtigen´s Familie (Schwester, die über sein Prostituierten-Hass und sein Interesse an Körperorganen - arbeitet mal in einem Krankenhaus in Polen- bescheid wusste?). Kann es sein, dass diese Schwester aufschreckte, als sie vom Mord im Dutfields Yard hörte, neben dem der Verdächtige einst wohnte und nun auch noch sein Bruder Woolf immer noch in dessen Nähe (Providence Street) lebte? Woolf zog nach dem Mord dort auch sofort weg.

Das einzige was ihnen hätte helfen können, wäre ein wirklich guter Zeuge gewesen. Fanden sie ihn dennoch, sicherlich dann erst sehr spät (ab Sommer 1890) und ließ er sie dann auch im Stich als er zwar den Mann erkannte, jedoch aufgrund der gleichen Religion und der gespannten Atmosphäre seine Aussage zurückzog?
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 18.05.2016 21:46 Uhr
Hallo Lestrade!


Gut möglich, dass der Verdächtige der Polizei vorübergehend entwischte, und sie das zu vertuschen suchte. Die Beamten formulierten in dem Fall immer wieder so vorsichtig und gewunden, dass man den Verdacht erhält, es ging hier nicht nur um den Schutz von Persönlichkeitsrechten und Unschuldsvermutung.

In dem Artikel wird auch über die Zeugenaussagen von Marie Ann Cox und Hutchinson geschrieben: Der Autor stellt darin die Frage, warum sich die Polizei auf Hutchinsons Beschreibung verlässt und man nicht vehementer versucht, den von Cox beschriebenen Blotchy Man zu finden, da er wohl ein nützlicher Zeuge sein könnte:

"It is obvious that if the man described by Cox can be found, he would be able to give valuable evidence as to the time when he left the woman Kelly, and this could be compared with Hutchinson's testimony."

Könnte es sein, dass man Blotchy Man irgendwann gefunden hat? Dass er sich nach seinem Besuch bei Kelly noch in den Straßen herumtrieb und sein Liebchen mit dem nächste Kunden zu ihrem Zimmer gehen sah? Dass er vielleicht gar der unbekannte Zeuge war, der JTR identifizierte? Was meinst du?



Übrigens, kennst du einen Inspector Moore? Denn das hier scheint mir auch interessant:


Aberdeen Weekly Journal, 6. November 1889:

"The Whitechapel tragedies
A Philadelphia journalist, Mr R. Harding-Davis, has been publishing in a syndicate of American papers an account of a night he spent upon the scene of the Whitechapel murders, towards the end of August, in the company of Police Inspector Moore, in the course of which some interesting statements occur. (...)
Suspucion has rested, so the Inspector said, on poeple in every class of society - on club men, doctors and dockers, members of Parliament and members of the nobility, common sailors and learned scientists.
In two squares the Inspector pointed out three houses where he had said he had gone to find him. He told the story to illustrate the degradation of the women of the district, but the point of interest in them to me was that in a space of 200 yards he had found three houses where the murderer was supposed to be hiding. This shows me that there must have been hundreds of men suspected of whom the public have heard nothing."


Moore hat dem Reporter gesagt, er hätte drei Häuser innerhalb von zwei Blocks in einem Radius von 200 yards überprüft, um JTR zu finden.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 18.05.2016 21:58 Uhr
Danke!

Ich habe mich schon öfters gefragt, ob Blotchy Man noch einmal zurückgekehrt war und jemanden sah, der Kelly´s Zimmer verließ. Wohlmöglich hat er dann sogar durch das Fenster geschaut, dass geschehene erkannt und keinen Alarm geschlagen (aus Angst, verdächtigt zu werden). Vielleicht konnte er das alles nicht verarbeiten und landete, psychisch erschöpft, in einem Krankenhaus, vielleicht mit einem Seaside Home und man brachte, nachdem er mit der Wahrheit rausrückte, den Verdächtigen zu ihm.

Mehr zu Moore:

http://www.casebook.org/press_reports/pall_mall_gazette/18891104.html

http://www.casebook.org/press_reports/two_republics/991217.html

http://www.casebook.org/press_reports/bangor_daily_whig_and_courier/991130.html

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 18.05.2016 22:22 Uhr
Hallo Lestrade!


Zitat
Ich habe mich schon öfters gefragt, ob Blotchy Man noch einmal zurückgekehrt war und jemanden sah, der Kelly´s Zimmer verließ. Wohlmöglich hat er dann sogar durch das Fenster geschaut, dass geschehene erkannt und keinen Alarm geschlagen (aus Angst, verdächtigt zu werden). Vielleicht konnte er das alles nicht verarbeiten und landete, psychisch erschöpft, in einem Krankenhaus, vielleicht mit einem Seaside Home und man brachte, nachdem er mit der Wahrheit rausrückte, den Verdächtigen zu ihm.


Ja, so ähnlich stelle ich mir das auch vor. Ich spekuliere jetzt mal:

Der betrunkene Blotchy Man treibt sich nach dem Schäferstündchen noch in der Nähe von Kellys Zimmer herum.
Als sie wieder mit einem Kunden hineingeht oder als der Kunde geht, spannt er durch das Fenster, sieht den Mord und macht sich in Panik davon. Die Anwohnerinnen hören noch sein gestammeltes "Oh, Murder" - kein richtiger Schrei, nur ein Hauch, denn ihm bleibt vor Schreck die Luft weg.
Nachdem er weggelaufen ist und irgendwann den Schock verdaut hat, traut Blotchy Man sich nicht mehr zur Polizei: Der Täter ist schon längst weg, bis er mit ihnen wiederkommt. Und damit wäre er der letzte Kunde und selber verdächtig, außerdem ist es peinlich, den Besuch bei einer Prostituierten zuzugeben, das alles käme an die Öffentlichkeit und würde viel Ärger bedeuten. Also hält er den Mund und sich vorerst bedeckt... jedenfalls solange, bis die Polizei ihn findet oder sein Gewissen ihn zermürbt hat.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 18.05.2016 22:47 Uhr
Ja Arthur, so könnte es gewesen sein... denn eine solche Beobachtung hätte den Verdächtigen + den anderen Indizien, an den Galgen gebracht. Mit dem Hängen, Swanson äußerte dies ja im Bezug auf den Zeugen...
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 18.05.2016 22:57 Uhr
Lestrade,
was hältst du von dem, was Inspektor Moore dem Reporter gesagt hat: Er habe drei Häuser innerhalb von zwei Blocks in einem Radius von 200 yards überprüft, von denen vermutet wurde, dass JTR sich darin verberge?
Kennst du mit deiner großen Adressliste vielleicht mögliche "several shops" innerhalb von zwei Häuserblocks bzw. 200 yards?


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 18.05.2016 23:09 Uhr
Was hälst du davon, Arthur:

Butchers Row (Sagar)- Cox (Leman Street)- Goulston Street (Graffito und vielleicht die Richtung, aus der Cox Richtung Leman Street ging)

oder

Providence Street (Woolf Abrahams bis Double Event))- Greenfield Street (Isaac Abrahams & Matilda Lubnowski)- Yalford Street ( Woolf wahrscheinlich nach dem Double Event) ?

"In two squares the Inspector pointed out three houses where he had said he had gone to find him" (Moore) passt dann ziemlich genau auf die Kozminski Familie. Isaac und Matilda lebten in der Greenfield Street gegenüber, Woolf (wenn dann Yalford Street) gegenüber in der Parallelstraße...
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 18.05.2016 23:30 Uhr
Wenn Du auf deine Karte gehst, die wir beide nutzen, dann ist die New Street, links neben der Greenfield Street, die Yalford Street mit dem Durchgang White Hart Court.

Bilder der ganzen Area bis zur Berner Street/ Providence Street findest Du ab hier:

http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1648.15.html

Jetzt aber Gute Nacht.

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 19.05.2016 10:46 Uhr
Schau mal hier, Arhur, Jerry Dunlop gestern im JTRForums:

http://www.jtrforums.com/showthread.php?t=25682

"...three small unoccupied tenements near Gravel Lane were visited... Inspector Henry Moore and Inspector E. Reid..."

Sagar berichtete ja, zum Mitre Square Mord, dass man die Spur des Mannes nahe Stoney Lane bei den Wohnblöcken verlor. Grave Lane führt nach Stoney Lane und es gab dort einige Blöcke, North Block, Princes´s Block, Kings Block und South Block. An einem dieser Blöcke wurde auch ein Jack the Ripper Graffiti entdeckt.

Der Bericht hier stammt vom 16. September 1889, deiner vom 6. November 1889.

Die Chance ist doch hoch, dass das Moore Ding sich darauf bezieht oder?

Aber es ist schon kurios, während wir das hier diskutieren, gibt es diese gefundene Pressemitteilung...
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 19.05.2016 11:07 Uhr
Zu diesem Graffiti:

http://casebook.org/dissertations/rip-wallwriting.html

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 19.05.2016 18:39 Uhr
Hallo Lestrade!


Ja, ich denke auch, es ist gut möglich, dass jene Gebäude nahe Gravel Lane damit gemeint sind: Es sind drei dicht zusammenliegende und Moore war mit dabei.
Obwohl die Beamten natürlich im Laufe der Zeit zahlreiche kontrolliert haben dürften, und Moore wohl bei einigen weiteren dabei war. 

Was aber ein weiterer Hinweis sein könnte: Der Reporter schrieb in dem Text im Aberdeen Weekly Journal, 6. November 1889, dass Moore ihm die Tatorte gezeigt hat - und wenn er seine Reportage halbwegs chronologisch geschrieben hat, wären die Häuser wohl auch räumlich in der Nähe von Mitre Square, Goulston Street oder Dorset Street gewesen, bzw gar auf dem Weg dazwischen gewesen.

Dass die Räume ungenutzt waren, würde auch gut zu der Fornulierung von Cox passen "he occupied several shops" - er wohnte oder arbeitete nicht dort, sondern "besetzte" sie wie ein Hausbesetzer... Nur die Verwendung des Begriffes "Shop" scheint nicht zu passen, denn dies waren ja offensichtlich Wohnhäuser.

Aber was mich verblüfft: Trotz der Überbevölkerung gab es also in bestimmten Häuserblocks ungenutzte Mietwohnungen?
Vielleicht haben wir ja bisher den falschen Ansatz verfolgt, wenn wir nach Wohnungen und Shops von Verwandten und Freunden gesucht haben. Wenn JTR tatsächlich leerstehende Räumlichkeiten nutzte, dann müssen diese ja nicht unbedingt jemandem gehört haben, mit dem JTR irgendwie verbandelt war - das können auch völlig fremde Leute gewesen sein.

In solchen ungenutzten Räumen hätte sich JTR natürlich gut verbergen können, bis der Aufruhr in den Straßen sich wieder gelegt hat...
Das wäre eine mögliche Erklärung für das verspätete Auffinden von Schürze und Graffiti  in der Goulston Street über eine Stunde nach dem Mord - aber andererseits würde dies wieder neue Fragen aufwerfen: Wieso sollte JTR die Schürze denn noch einmal mit auf die Straße nehmen, wo sie ihn bei einer Kontrolle an den Galgen gebracht hätte? Er hätte sie ja einfach in den leeren Räumen liegenlassen können.

Stattdessen nimmt er sie mit bis zur Goulston Street. Dafür gäbe es dann m.E. zwei Möglichkeiten:
Erstens, er transportierte darin die Organe und warf das Stück erst weg, nachdem er jene irgendwo deponiert hatte.
Zweitens, er nahm sie mit, um sie bewusst zu platzieren.

Was die zweite Möglichkeit betrifft: Hat jemand eine Liste der Bewohner der Model Dwellings?
Vielleicht wollte JTR den Verdacht ja auf jemand bestimmtes lenken, und man könnte dadurch eine Verbindung zu einem Verdächtigen finden? Wurde dieser Ansatz schon einmal untersucht?


 MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 19.05.2016 21:54 Uhr
Hi Arthur!

Was aber ein weiterer Hinweis sein könnte: Der Reporter schrieb in dem Text im Aberdeen Weekly Journal, 6. November 1889, dass Moore ihm die Tatorte gezeigt hat - und wenn er seine Reportage halbwegs chronologisch geschrieben hat, wären die Häuser wohl auch räumlich in der Nähe von Mitre Square, Goulston Street oder Dorset Street gewesen, bzw gar auf dem Weg dazwischen gewesen.

Da würden diese "Artizan Dwellings" in Stoney Lane nahe Gravel Lane gut passen.

Dass die Räume ungenutzt waren, würde auch gut zu der Fornulierung von Cox passen "he occupied several shops" - er wohnte oder arbeitete nicht dort, sondern "besetzte" sie wie ein Hausbesetzer... Nur die Verwendung des Begriffes "Shop" scheint nicht zu passen, denn dies waren ja offensichtlich Wohnhäuser.

Richtig! Moore scheint eher Mietshäuser gemeint zu haben, keine Shops.

Cox:

He occupied several shops in the East End, but from time to time he became insane, and was forced to spend a portion of his time in an asylum in Surrey.

Sims:

...who was the sole occupant of certain premises in Whitechapel after night-fall

Zusammen klingt das schon so, dass er bestimmte Räumlichkeiten zu bestimmten Zeiten alleine "bewohnen" konnte. Erinnert mich schon an Schlafmöglichkeiten oder eine Art Wachdienste. In Cox´s Beschreibung besuchte er einen Shop in der Leman Street nur für 15 Minuten aber das muss vielleicht mit den anderen Räumlichkeiten nichts zu tun haben.

Aber was mich verblüfft: Trotz der Überbevölkerung gab es also in bestimmten Häuserblocks ungenutzte Mietwohnungen?
Vielleicht haben wir ja bisher den falschen Ansatz verfolgt, wenn wir nach Wohnungen und Shops von Verwandten und Freunden gesucht haben. Wenn JTR tatsächlich leerstehende Räumlichkeiten nutzte, dann müssen diese ja nicht unbedingt jemandem gehört haben, mit dem JTR irgendwie verbandelt war - das können auch völlig fremde Leute gewesen sein.

In solchen ungenutzten Räumen hätte sich JTR natürlich gut verbergen können, bis der Aufruhr in den Straßen sich wieder gelegt hat...
Das wäre eine mögliche Erklärung für das verspätete Auffinden von Schürze und Graffiti  in der Goulston Street über eine Stunde nach dem Mord - aber andererseits würde dies wieder neue Fragen aufwerfen: Wieso sollte JTR die Schürze denn noch einmal mit auf die Straße nehmen, wo sie ihn bei einer Kontrolle an den Galgen gebracht hätte? Er hätte sie ja einfach in den leeren Räumen liegenlassen können.

Stattdessen nimmt er sie mit bis zur Goulston Street. Dafür gäbe es dann m.E. zwei Möglichkeiten:
Erstens, er transportierte darin die Organe und warf das Stück erst weg, nachdem er jene irgendwo deponiert hatte.
Zweitens, er nahm sie mit, um sie bewusst zu platzieren.

Was die zweite Möglichkeit betrifft: Hat jemand eine Liste der Bewohner der Model Dwellings?
Vielleicht wollte JTR den Verdacht ja auf jemand bestimmtes lenken, und man könnte dadurch eine Verbindung zu einem Verdächtigen finden? Wurde dieser Ansatz schon einmal untersucht?

Vorab, ich mache immer den gleichen Fehler, wie mir gerade auffällt. Jacob Levy´s Bruder Isaac wohnte nicht in den Wentworth Model Dwellings 130, Goulston Street, einen Eingang weiter, wo das Schürzenteil gefunden wurde, sondern an den Brunswick Buildings 130, weiter südlich in der Goulston Street, also Goulston Street 130 (Isaac Kosminski lebte auch dort, direkt in den Brunswick Buildings Nummer 79). Die 130 in der Goulston Street war aber irgendwie ein Teil dieser Bauten. Jacob Levy arbeitete einst 58 Goulston Street aber er hatte eben durch sich selbst als auch durch seinen Bruder eine "Beziehung" zur Goulston Street.

Zum Schürzenteil selber, es gab wohl die Annahme, dass auf dem Teil zwei verschiedene Blutspuren zu finden waren, man war sich nicht sicher, ob eine Tierblut gewesen sein könnte, Eine weitere Spur war wohl Kot. Zum Blut habe ich jetzt die Quelle nicht parat aber hier im Forum schon einmal ausführlicher darüber geschrieben. Ich sehe noch die Möglichkeit, dass der Ripper sich verletzt hatte und als die Blutung stoppte, warf er das Stück einfach weg. Ich glaube nicht, dass dieser Typ von Mörder sich großartig Gedanken darum machte. Außerdem waren die Straßen eh nicht gerade frei von Unrat...

Eine Liste der Bewohner der Wentworth Model Dwellings habe ich, so meine ich, schon einmal gesehen, ich versuche sie wiederzufinden. Erinnere mich aber bitte daran. Für das Brunswick Gebäude habe ich eine für dich von 1891 parat und da siehst du auch unbewohnte Räumlichkeiten:

http://www.census1891.com/viewhouse.php?sid=207

Hier Isaac Levy in der 130 Goulston Street/ Brunswick Buildings:

http://www.census1891.com/viewhouse.php?sid=206&did=4129

Isaac Kosminski:

http://www.census1891.com/viewhouse.php?sid=207&did=4307

Die Liste dieser Bürgerzählung ist diesbezüglich nicht komplett.

Vielleicht meinte Moore etwas anderes als es Cox tat.

Gruß, Lestrade.



Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 19.05.2016 22:13 Uhr
Hallo zusammen!


Den Census von 1891 habe ich auch schon online gefunden und gelistet - aber der ist ja drei Jahre nach den Morden, und in dieser Zeitspanne kann sich in so einem Viertel wie Whitechapel viel ändern. Hat jemand vielleicht die Daten von 1888?

Hier ist meine Liste von 1891:


Bewohner Model Dwellings, Goulston Street 108-119 - Census 1891:



Sched   Inhab   First Name   Surname   ReltoHead   Marital   Age/Sex   Occupation      Empl   Where Born


107 Goulston Street, Whitechapel

107    I    Maurice    Jacobs       H    M    22 M    Cigar Maker       Ed    London, Whitechapel    
107       Martha       Jacobs       W    M    18 F    Cigar Maker       Ed    London, Spitalfields    
108       Joseph       Rogers       H    M    55 M    Licensed Messenger    Ed    London, Houndsditch    
108       Esther       Rogers       W    M    44 F                Holland    
108       Daniel       Rogers       So       15 M    Cigar Maker       Ed    London, Whitechapel    
108       Abraham    Rogers       So       13 M    Scholar          London, Whitechapel    
108       Harriet    Rogers       Da       7 F    Scholar          London, Whitechapel    
108       Henry       Rogers       So       6 M    Scholar          London, Whitechapel


108 Goulston Street

109    I    Solomon    Goadeket    H    M    47 M    Boot Laster       Ed    Holland, Amsterdam    
109       Flora       Goadeket    W    M    44 F                Holland, Amsterdam    
109       Esther       Goadeket    Da    S    17 F                London, Whitechapel    
109       Hyman       Goadeket    So       15 M    App to Coach Smith    Ed    London, Spitalfields    
109       Jacob       Goadeket    So       14 M    App to Boot Lasting    Ed    London, Whitechapel    
109       Sarah       Goadeket    Da       13 F    Cap Maker       Ed    London, Whitechapel    
109       Emanuel    Goadeket    So       10 M    Scholar            London, Whitechapel    
109       Betsy       Goadeket    Da       8 F    Scholar          London, Whitechapel    
109       Abraham    Goadeket    So       5 M    Scholar          London, Whitechapel    
109       Joseph       Goadeket    So       4 M    Scholar          London, Whitechapel    
109       Eliza       Goadeket    Da       2 F                London, Whitechapel    
109       Barnet       Goadeket    So       7 M    Scholar          London, Whitechapel


109 Goulston Street

110    I    Israel       Cara       H    M    28 M    Fruit Salesman       Ed    London, Whitechapel    
110       Rachel       Cara       W    M    30 F                Holland    
110       Clara       Cara       Da       8 F    Scholar          London, Spitalfields    
110       Joshua       Cara       So       11m M                London, Whitechapel    
110       Joshua       Bushnack    Fl    M    74 M    Z             Holland    
110       Clara       Bushnack    Ml    M    72 F                Holland    
110       Rebecca    Abrahams    Lo    S    22 F    Tailoress       Ed    Poland    
110       Hannah       Welch       Se    S    23 F    General Servant       London, Whitechapel


110 Goulston Street

111    I    Marks       Feld       H    M    73 M    Tailor          Ne    Poland    
111       Rebecca    Feld       W    M    61 F                Poland    
111       Leah       Feld       Da    S    19 F    Tailoress       Ed    Poland    
112       Jacob       Feld       H    M    24 M    Tailor's Presser    Ed    Poland    
112       Julia       Feld       W    M    20 F                London, Mile End    
112       Fanny       Feld       Da       2 F                London, St. Georges E.    
112       Eve       Feld       Da       5m F                London, Whitechapel


111 Goulston Street

113    I    Samuel D.    Beards       H    M    47 M    Job Buyer       Ne    Russia, Poland    
113       Leah       Beards       W    M    40 F                Russia, Poland    
113       Samuel       Beards       So    S    20 M    General Dealer       Ed    Russia, Poland    
113       Reuben       Beards       So    S    18 M    General Dealer       Ed    Staffordshire, Wolverhampton    
113       Jacob       Beards       So       16 M                Staffordshire, Wolverhampton    
113       Rachel       Beards       Da       13 F                Liverpool    
113       Marks       Beards       So       8 M    Scholar          London, St. Georges E.    
113       Myer       Beards       So       5 M    Scholar          London, St. Georges E.    
113       Sarah       Beards       Da       3 F    Scholar          London, Spitalfields    
113       Rebecca    Beards       Da       9m F                London, Spitalfields


112 Goulston Street

114    I    Jool       Goodfriend    H    M    55 M    Cap Maker       Er    Russia, Poland    
114       Pollyn       Goodfriend    W    M    54 F                Russia, Poland    
114       Harriet    Goodfriend    Da    S    20 F                Russia, Poland


113 Goulston Street

115    I    Jacob       Alexander    H    M    38 M    Furrier       Ne    Poland    
115       Sarah       Alexander    W    M    29 F                Russia    
115       Joe       Alexander    So       9 M    Scholar          London, Spitalfields    
115       Marks       Alexander    So       6 M    Scholar          New York    
115       Forah       Alexander    Da       3 F                London, Whitechapel    
115       Annie       Alexander    Da       1 F                London, Whitechapel


114 Goulston Street

116    I    Edward       Cohen       H    M    38 M    Cabinet Maker       Ed    London, St. Botolph's    
116       Leah       Cohen       W    M    32 F                London, Whitechapel    
116       George       Cohen       So       11 M    Scholar          London, Mile End    
116       Samuel       Cohen       So       10 M    Scholar          London, Whitechapel    
116       Woolf       Cohen       So       9 M    Scholar          London, Whitechapel    
116       Morris       Cohen       So       5 M    Scholar          London, Whitechapel    
116       Annie       Cohen       Da       4 F                London, Whitechapel    
116       Betsy       Cohen       Da       8m F                London, Whitechapel    
116       Jacob       Cohen       So       2 M                London, Whitechapel    
117       Harris       Rosenthall    H    M    44 M    Tailor    Ed          Germany, British Subject    
117       Mary       Rosenthall    W    M    45 F                Germany, British Subject    
117       Lewis       Rosenthall    So    S    21 M    Bootmaker       Ed    London, Spitalfields    
117       Herrman    Rosenthall    So    S    18 M    Bootmaker       Ed    London, Spitalfields


115 Goulston Street

118    I    Jacob       Bendon       H    M    31 M    Tailor    Ed          London, St. Botolph    
118       Sophia       Bendon       W    M    30 F    Tailoress       Ed    London, St. Botolph    
118       Kate       Bendon       Da       13 F    Scholar          London, Whitechapel    
118       Rachel       Bendon       Da       6 F    Scholar          London, Hackney    
118       John       Bendon       So       5 M    Scholar          London, Haggerston    
118       Rose       Bendon       Da       3 F                London, Spitalfields    
118       Lidia       Bendon       Se    S    17 F    General Servant       Chatham, St. John    
118       Isaac       Bendon       So       9 M    Scholar          London, Haggerston


116 Goulston Street

119    I    Abraham    Delafuente    H    M    42 M    Cigar Maker       Ed    Holland, Amsterdam    
119       Mary       Delafuente    W    M    40 F                Holland, Amsterdam    
119       Betsy       Delafuente    Da    S    19 F    Cigar Maker       Ed    London, Spitalfields    
119       Simon       Delafuente    So    S    17 M    Cigar Maker       Ed    London, Spitalfields    
119       Leah       Delafuente    Da       15 F    Cigar Maker       Ed    London, Spitalfields    
119       Solomon    Delafuente    So       12 M    Scholar          London, Whitechapel    
119       Sarah       Delafuente    Da       9 F    Scholar          London, Whitechapel    
119       Henry       Delafuente    So       6 M    Scholar          London, Whitechapel    
119       Rebecca    Delafuente    Da       4 F                London, Whitechapel


117 Goulston Street

120    I    Abraham    Messias    H    M    47 M    Cigar Maker       Ed    Holland, Amsterdam    
120       Hannah       Messias    W    M    44 F                Holland, Amsterdam    
120       Leah       Messias    Da    S    23 F    Cigar Maker       Ed    London, Spitalfields    
120       Julia       Messias    Da    S    21 F    Cigar Maker       Ed    London, Spitalfields    
120       Rebecca    Messias    Da    S    17 F    Cigar Maker       Ed    London, Mile End    
120       Jacob       Messias    So       15 M    Cigar Maker       Ed    London, Mile End    
120       Rachel       Messias    D       13 F    Scholar          London, Spitalfields    
120       Julius       Messias    So       11 M    Scholar          London, Whitechapel    
120       Michael    Messias    So       9 M    Scholar          London, Whitechapel    
120       Samson       Messias    So       6 M    Scholar          London, Whitechapel    
120       Miriam       Messias    Da       4 F                London, Spitalfields    
120       Abigail    Messias    Da       1 F                London, Whitechapel


118 Goulston Street

121    I    Marks       Edelman    H    M    48 M    Cabinet Maker       Ed    Russia    
121       Rachel       Edelman    W    M    35 F                Russia    
121       Alec       Edelman    So       7 M    Scholar          Russia    
121       Lewis       Edelman    So       4 M                Russia    
121       Katie       Edelman    Da       14 F    Tailoress       Ed    Russia    
121       Jane       Edelman    Da       13 F    Scholar          Russia    
121       Jacob       Jacobs       Lo    M    36 M    Tailor          Ed    Russia    
121       Harris       Tital       Lo    S    20 M    Cabinet Maker       Ed    Russia    
121       Joseph       Tital       Lo    S    22 M    Cabinet Maker       Ed    Russia    
121       Maurice    Edelman    Lo    S    22 M    Tailor          Ed    Russia


119 Goulston Street

123    I    Julius       Wedofsky    H    M    26 M    Tailor          Ed    Russia    
123       Emma       Wedofsky    W    M    22 F                Russia    
123       Lewis       Wedofsky    So    S    2 M                London, Spitalfields    
123       Tamons       Wedofsky    So    S    5m M                London, Spitalfields    
123       Morris       Friecks    Lo    S    22 M    Tailor          Ed    Russia    
123       Solomon    Dobekes    Lo    S    23 M    Tailor          Ed    Russia    
123       Rossia       Rebnuck    Lo    S    19 F    Tailoress       Ed    Russia

    

Leider scheint das mit den Tabs hier nicht so recht zu klappen...  Egal. Mir geht es darum, ob darunter jemand sein könnte, der vielleicht mit einem unserer Verdächtigen zu tun gehabt haben könnte.


MfG, Arthur Dent






Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 19.05.2016 22:20 Uhr
Den Census gab es nur alle 10 Jahre, Arthur! Also 1881, 1891, 1901 usw. Post Office der Unternehmer war jährlich.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 19.05.2016 22:22 Uhr
Hi Lestrade,

ist der auch online zu finden?
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 19.05.2016 22:41 Uhr
Post Office? Da gibt es wohl welche! Von 1887/88 hat jemand mal gescannt (von einer Originalausgabe) aber da habe ich nur einen Teil von 1888. Den 1891 habe ich komplett für London. Bei Interesse, kann ich dir das zukommen lassen. Ich bin nicht sicher aber wahrscheinlich haben sich so etwas die Cracks gegenseitig zukommen lassen. Ansonsten Ancestry und so, bin da etwas überfragt.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 20.05.2016 20:36 Uhr
Hallo zusammen!


Ich habe eine Anmerkung im casebook-wiki gefunden, wonach Sagar im April 1889 in der Nähe der Butcher's Row im Einsatz war:

Times, 3 April 1889: Detective Sergeant Pentin had followed a suspicious character who entered 5 Duke Street, and was able to "communicate with" Sagar, who helped him to search the premises and arrest the man.
http://wiki.casebook.org/index.php/Robert_Sagar


Weiß jemand, um welchen Einsatz es sich dabei gehandelt haben könnte?


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 20.05.2016 21:23 Uhr
Hi Arthur!

Ich wüsste nicht, um welchen Einsatz es sich im Times Bericht vom 3. April 1889 gehandelt hätte.

It has been suggested that this may be the same suspect mentioned in the memoirs of Sagar's colleague Henry Cox. No contemporary reference to the observation of this suspect is known, though evidence in an unrelated case suggests that Sagar may have been carrying out surveillance in Aldgate in April 1889. It has also been suggested that there may be a connection with a raid on a gaming house known as the Alliance Club in Bull Inn Yard, Aldgate, in December 1890. The raid followed observation of the premises, which lay off Aldgate High Street directly opposite to Butchers' Row.

Es handelte sich aber sicherlich um den City Beamten Arthur Pentin. Hatte mit Sagar aber wohl öfters zu tun, denke ich:

THE COMMAN SERJEANT commented the conduct of sagar, Wise, and Pentin.

Hier Pentin:

http://www.oldbaileyonline.org/search.jsp?form=searchHomePage&_divs_fulltext=pentin&kwparse=and&_persNames_surname=&_persNames_given=&_persNames_alias=&_offences_offenceCategory_offenceSubcategory=&_verdicts_verdictCategory_verdictSubcategory=&_punishments_punishmentCategory_punishmentSubcategory=&_divs_div0Type_div1Type=&fromMonth=&fromYear=&toMonth=&toYear=&ref=&submit.x=0&submit.y=0

Sagar dann im Mai/Juni 1889:

http://www.oldbaileyonline.org/browse.jsp?id=t18890624-573&div=t18890624-573&terms=sager#highlight

Falls Du möchtest, frage ich Chris Philips, er dürfte auch mit für diesen Ripper Wiki Artikel verantwortlich sein.

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 24.05.2016 21:01 Uhr
Hallo zusammen,

ich habe meine Zusammenfassung zur Jacob-Levy-These aktualisiert.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 24.05.2016 21:02 Uhr
Jack the Ripper – Tatverdächtiger Jacob Levy



Jacob Levy
wurde 1856 als Sohn des Metzgers Joseph Levy im Londoner Eastend geboren, lebte und arbeitete im Viertel und wurde 1890 aufgrund der Folgen einer fortschreitenden psychischen Erkrankung in eine Nervenheilanstalt eingewiesen, wo er 1891 starb. Als Todesursache wurde in den Anstaltsakten ein fortschreitender Verfall infolge einer Syphilis angegeben.
Seine Frau soll den Anstaltsakten zufolge nach der Einweisung gesagt haben, Levy habe beinahe sie und ihr Geschäft ruiniert, früher sei er ein sehr guter Geschäftsmann gewesen. Aber er schlafe nun nachts nicht mehr, sondern wandere oft für Stunden ziellos umher. Auch befürchte er, jemandem etwas anzutun. Er höre Geräusche und Stimmen, die ihm befehlen und ihn zwingen Taten zu begehen, die er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne.

Zu einem Verdächtigen im Fall der Whitechapel-Morde wurde Jacob Levy durch die Recherche zeitgenössischer Ripperologen in den Unterlagen der Nervenheilanstalten in und um London. Sie suchten darin nach jener Person, die in den Texten der hochrangigen Polizeibeamten Chief Constable Mcnaghten, Assistant Commissioner Anderson und Chief Inspector Swanson als der mutmaßliche Ripper erwähnt werden, und dessen Leben in einer Irrenanstalt geendet haben soll. Vier Verdächtige wurden gefunden: Aaron Kosminski, David Cohen, Hyam Hyams und Jacob Levy. Auf Levy treffen zahlreiche Aussagen der Polizisten und Zeugen sowie des modernen Profilings zu. 


Beruf Metzger:

Im Census und im London Business Directory ist als Beruf von Jacob Levy Metzger angegeben.

Für moderne Profiler ist das Töten von Tieren am Anfang der mörderischen Karriere typisch für die Biographie von Serienkillern, ein Metzgerjunge wächst damit auf und kann seine pathologische Veranlagung durch seine Berufswahl zugleich entwickeln, ausleben und kaschieren. 
Angesichts der Art der Verletzungen bei den Opfern gehen Gerichtsmediziner und Polizei damals wie heute davon aus, dass JTR zumindest grundlegende anatomische Kenntnisse besaß und auch bei schlechtem Lichtverhältnissen sicher mit einem Messer umgehen konnte. Kenntnisse über Anatomie und das Zerlegen von Körpern hatten damals vor allem beruflich damit beschäftigte Gruppen wie Chirurgen oder Schlachter - demnach könnte JTR also Metzger gewesen sein. Dies war z.B. die Meinung von Dr. Frederick Gordon Brown, der Catherine Eddowes untersuchte, und auch von Dr. George Bagster Phillips, der Annie Chapman obduzierte.
Die Tatwaffe soll Gerichtsmedizinern zufolge eine lange, schmale, gerade Klinge gehabt haben, wie sie typisch zum professionellen Zerlegen von Körpern ist, z.B. sog. Amputationsmesser von Chirurgen oder ähnliche Metzgerklingen wie z.B. ein Tranchiermesser.
Der Kehlenschnitt deutet ebenfalls auf einen Metzger hin, der es gewohnt ist, so das Schlachtvieh zu töten. Das Töten geschah schnell und effizient, die Verstümmelungen wurden post mortem zugefügt und von Opfer zu Opfer umfangreicher - womit das Töten vor allem Mittel zum Zweck, das eigentliche Ziel hingegen offenbar das Eröffnen und Ausweiden des Unterleibs der Opfer war. Organentfernungen unter Zeitdruck und bei sehr schlechten Lichtverhältnissen, ohne sich total mit Blut zu versauen, spricht für Erfahrungen im Schlachterhandwerk.
Ein Indiz dafür ist auch, dass der Ripper seine Opfer i.d.R. bis zur Bewusstlosigkeit bzw. zum Kreislaufkollaps würgte, bevor er das Messer ansetzte. Offenbar wusste er aus Erfahrung, dass ansonsten das Blut aus den Arterien kräftig spritzen würde, es so aber relativ langsam aus den Wunden rann. Dies verhinderte, dass er selber allzusehr vollgeblutet wurde und erleichterte die Entnahme der Organe, die ansonsten in ein Meer von Blut getaucht gewesen wären.


Motiv Syphilis:

Irgendwann im Zeitraum von 1880 bis 1886 muss sich Jacob Levy mit Syphilis angesteckt haben, die dann 1891 als Todesursache diagnostiziert wurde - vermutlich hat er sie sich wie viele Männer bei einer Prostituierten eingefangen.
Der Zeitraum ergibt sich zurückgerechnet aus dem statistischen Verlauf der Erkrankung: Da er im August 1890 in die Nervenheilanstalt City of London Asylum at Stone in Kent eingeliefert wurde, wo er ein Jahr später an den Folgen der Syphilis starb, dürfte die Krankheit spätestens im ersten Halbjahr 1890 in ihr letztes Stadium eingetreten sein, wobei Levy aber schon die beiden Jahre zuvor unter den Auswirkungen der Krankheit gelitten haben dürfte.
 
Die Infektion mit Syphilis durch eine Prostituierte wird von modernen Profilern als plausibles Motiv für die Morde von JTR angesehen: Es erklärt die Wahl der Opfer und die Verstümmelungen im Unterleib.
Darüber hinaus führte unbehandelte Syphilis zu einer chronischen Hirnentzündung. Sensitive oder psychische Veränderungen wurden von den Ärzten damals oft beschrieben, so u.a. auch Gewaltausbrüche, eine übermäßige Steigerung der Libido und verschiedene Arten von Wahrnehmungsveränderungen.
Gut möglich, dass der Ripper sich zuerst gar nicht bewusst dafür entschieden hatte, auf Prostituiertenmord zu gehen, sondern dass die erste Tat eine Affekthandlung war, als er zufällig erneut auf eine Prostituierte traf, die ihn an die Überträgerin erinnerte, und seine ganze Wut über die Infektion wieder hochkam. Weil ihm diese erste Tat Befriedigung verschaffte, zog er danach dann regelmäßig los. Somit könnte Martha Tabram sein erstes Opfer gewesen sein, auf die "nur" eingestochen wurde, noch ohne sie auszuweiden (s.u.). 


Auswahl der Opfer:

Es gab weit über 1200 Gelegenheitsprostituierte in Whitechapel, die ohne Schutz durch einen Zuhälter nachts auf den Straßen nach Kunden suchten - und sie waren eine häufige Ansteckungsquelle für Syphilis.

JTR hatte damit nicht nur eine große Auswahl an potentiellen Opfern.Prostituierte vom Straßenstrich sind auch leichte Opfer, weil sie für das Sexgeschäft freiwillig mit fremden Männern an Orte gehen, wo sie mit ihnen allein sind, und dem Mörder damit auch noch unbeabsichtigt helfen, einen geeigneten Tatort zu finden. Eine zeitaufwendige und vor allem riskante Ausspähung und Verfolgung potentieller Opfer ist nicht notwendig, da sie in der Öffentlichkeit auf Freier warten und oft sogar selber auf potentielle Kunden zugehen.


Nähe zu Opfern:
Die Adresse von Jacob Levys Eltern lautete Middlesex Street 111, er selbst war im Jahr der Morde laut London Business Directory von 1888 in der Middlesex Street 36 gemeldet.
Alle kanonischen fünf Opfer von JTR waren verarmte Gelegenheitsprostituierte, die alle in Armenunterkünften in einem kleinen Umkreis nur etwa 300-500 Meter nordöstlich von Levys Adresse übernachteten und in einem fußläufigen Oval um seinen Lebensmittelpunkt herum getötet wurden. Martha Tabrams letzte Adresse war Satchell's Lodging House in der George Street etwa 300 Meter östlich von der der Middlesex Street (s.u.).

Levy ist in der von modernen Profilern ermittelten Comfort Zone von JTRs Aktivitäten aufgewachsen und wohnte auch als Erwachsener noch dort. Er kannte sich also seit Kindertagen bestens in Whitechapel aus, fiel dort nicht auf und wusste sich angemessen zu verhalten.
Sowohl für die zeitgenössischen als auch die modernen Ermittler war JTR mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein Einheimischer mit guter Ortskenntnis, was es ihm ermöglichte, sich schnell und unauffällig zu bewegen und die Polizeistreifen zu meiden, um bei seinen Taten und auf der Flucht nicht erwischt zu werden und relativ schnell von der Straße zu verschwinden.
Als einheimischer Metzger hatte Levy nahegelegene Rückzugsmöglichkeiten, die ein Versteck für blutverschmierte Kleidung und Messer boten. Blut an seiner Kleidung und Messer waren wegen seines Berufes alltäglich und erklärbar, nicht schon per se verdächtig. Organe der Opfer konnten unter Metzgerware getarnt werden.
Außerdem gab es in der Middlesex Street den Petticoat Lane Street Market der Schneider, der eine große Auswahl an günstiger Second-Hand-Kleidung zum Wechseln bot - und genau dort will der Zeuge George Hutchinson den Verdächtigen vom Kelly-Mord erneut gesehen haben (s.u.).


Verbindung zu Zeugen:
Im Census der Jahre 1851, 1861 und 1871 ist für eben diese Middlesex Street 36 der Metzger Hyam Levy eingetragen, der dort mit seiner Frau Frances und seiner Familie wohnte, 1881 ist dann seine Witwe Frances als Haushaltsvorstand und Metzger eingetragen. Die beiden sind laut Casebook die Eltern jenes Joseph Hyam Levy, der später als Zeuge zum Mord an Catherine Eddowes vernommen wurde. Joseph Hyam Levy arbeitete 1888 selbst als Metzger kaum 50 Meter von Jacob Levy entfernt in der Hutchinson Street 1, einer Gasse, die in die Middlesex Street mündet.

Mehrere Levys, die sich nicht nur in unmittelbarer Nachbarschaft befanden und der gleichen Branche angehörten, sondern nacheinander auch dieselbe Metzgerei betrieben: Es ist so gut wie sicher, dass sie sich zumindest gekannt haben. Folgt man den Familiendaten des Census, so ein Beitrag im Ripperologist, könnten Jacob und Joseph sogar verwandt gewesen sein - wahrscheinlich waren sie Cousins. Machte der Zeuge Joseph bei der Vernehmung zum Mordfall Eddowes deshalb so merkwürdige Andeutungen und den Eindruck, er wisse mehr als er zugeben wollte (s.u.)?


Kriminelle Vorgeschichte:

Am 10. März 1886 wird Jacob Levy laut Eintrag beim Central Criminal Court zu 12 Monaten Gefängnis verurteilt, weil er zusammen mit zwei anderen Männern dem Metzgermeister Hyman Sampson Fleisch gestohlen hatte. Als Sampsons Adresse wird im Polizeibericht Middlesex Street 35 genannt, seine Metzgerei lag zwei Jahrzehnte lang in der Parallelstraße Goulston Street 58.

Eine kriminelle Vorgeschichte ist modernen Profilern zufolge typisch für Serienmörder.
Der Ort des Diebstahls liegt in JTRs Comfort Zone, zwischen den Tatorten des Double Event.
Zudem wurde ein Stück von Eddowes blutverschmiertem Rock in der Tatnacht am Hauseingang des Gebäudes Wentworth Buildings 108-119, Goulston Street, gefunden, unter dem berüchtigten antisemitischen Graffiti (von dem allerdings unklar ist, ob es von JTR stammte).
Falls Jacob Levy der Ripper war, so könnte die Platzierung ein Versuch gewesen sein, die Polizei in die falsche Richtung weiter nach Osten zu lenken - weg von ihm in der Middlesex Street.
Auch Rache an seiner Gemeinde, die sich wegen des Diebstahls von ihm abgewandt hatte, könnte möglich sein, denn laut Superintendent Thomas Arnold wohnten viele Juden dort.

Im Ripperologist stand einmal, dass es strenge Regeln in der jüdischen Gemeinde für den geschäftlichen Umgang miteinander gab, und dass ein solcher Diebstahl wohl dazu geführt hätte, dass ihm der Jewish Council die Lizenz entzogen hätte. Damit hätte seine Frau Sarah, um die Familie zu ernähren, auch nach Jacobs Entlassung 1887 das Geschäft allein weiterbetreiben müssen. In der Tat taucht ja später seine Frau als Geschäftsinhaberin im Census auf.
Für Jacob hätte das nun zur Folge gehabt, dass er gezwungen gewesen wäre, auf andere Art seinen Anteil am Familieneinkommen zu verdienen.

Wenn Jacob den Shop in der Middlesex Street 36 nicht mehr selber betreiben durfte, musste er seitdem offensichtlich bei Bekannten und Verwandten in deren Geschäften oder in den Schlachthöfen arbeiten. Dadurch konnte er seinen Teil zum Familieneinkommen beitragen und stand zugleich wegen seines immer asozialeren Verhaltens unter einer gewissen Aufsicht. Das dürfte eine ziemliche Schmach und Erniedrigung für ihn gewesen sein.

Wenn wir nun betrachten, wo diese Arbeitsplätze gewesen sein könnten, finden wir nicht nur die observierte Butcher's Row, sondern auch noch die beiden Harrison, Barber & Co Slaughterhouses: eins in der Winthrop Street, Parallelstraße zum Tatort Buck´s Row, und eins im Barber´s Yard nahe Tatort Hanbury Street (Ecke Brick Lane). Dort wurde auch über Nacht gearbeitet, damit die Kunden morgens frisches Fleisch hatten. Diese Metzger zerlegten also routinemäßig Körper unter schlechten Lichtverhältnissen - so wie der Ripper.
Die angestellten Metzger hatten damals i.d.R. ihr eigenes Arbeitswerkzeug (so wie dies auch in anderen Branchen üblich war bzw. bis heute ist), nahmen es zur Arbeit mit und am Feierabend wieder mit nach Hause. Dazu würde passen, dass einige Zeugen den mutmaßlichen Ripper mit einem Päckchen in der Hand gesehen hatten (s.u.).


Anzeichen psychischer Zerrüttung:
Bereits kurz nach seiner Verurteilung begeht Levy im April 1886 einen Selbstmordversuch im Holloway Prison, der jedoch scheitert.
Am 21. Mai 1886 wird er aufgrund des Suizidversuchs und seltsamer Murmeleien für geisteskrank erklärt und in das Essex County Asylum überführt. In den Akten dort wurde festgehalten, er habe gejammert, Irresein sei in seiner Familie erblich, schon sein Bruder habe Selbstmord begangen.
Am 3. Februar 1887 wird Levy dann wieder aus der Anstalt als "geheilt" entlassen.

Offenbar war die Verurteilung so traumatisierend, dass sie zu einem Nervenzusammenbruch führte - vermutlich weil nun sein Ruf in der Gemeinde schwer beschädigt war und die Gefängnisstrafe negative Auswirkungen auf sein Geschäft und seine sozialen Beziehungen hatte.
Diese Entwicklung ist ein deutliches Indiz der beginnenden psychischen Zerrüttung mit der Bereitschaft zu Grenzüberschreitung, kriminellem Verhalten und Gewalt (wenn auch zunächst gegen sich selbst gerichtet).


Möglicher finaler Stressauslöser:
Am 18. Mai 1888 wird Jacob Levys Mutter beerdigt.

Nachdem seine Verurteilung und Einweisung bereits seine sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen beschädigt haben dürfte, und auch seine Ehe davon und von der Syphilis belastet gewsen sein wird, stirbt nun auch noch eine der wichtigsten Bezugspersonen eines Menschen.
Für moderne Profiler ist dies ein klassischer Stressauslöser zum Start in eine mörderische Karriere. Ziel der Aggression wird diejenige Gruppe, der der Täter die Verantwortung für sein Schicksal gibt: die Prostituierten von Whitechapel, bei denen er sich mit Syphilis angesteckt hat.



Die Mordserie

Dienstag, 7. August 1888: Martha Tabram im George Yard
Tabram wurde im Treppenhaus des George Yard Buildings 37 vermutlich das erste Opfer von JTR.
Tabram war auf einer Kneipentour mit ihrer Bekannten Mary Ann Connely ("Pearly Poll") und zwei Soldaten. Gegen 0 Uhr trennten sich die Pärchen um Sex zu haben, Connely ging mit dem Corporal zur Angel Alley, und Tabram verschwand mit dem Private in den George Yard.
Gegen 1.40 Uhr stieg das Ehepaar Elizabeth und Joseph Mahoney das Treppenhaus zu ihrem Zimmer hinauf und sah nichts. Auch als Elizabeth Mahoney es kurz darauf wieder durchquerte, um in einem Shop in der Thrawl Street etwas zu Essen zu kaufen, lag Tabram noch nicht da.
Tabram wurde mit einem Stich ins Herz getötet und mit insgesamt 39 Messerstichen in Brust und vor allem Unterleib traktiert. Sie lag auf dem Rücken, ihre Kleider waren hochgeschoben und ihre Beine gespreizt, ebenso wie bei den kanonischen Ripper-Opfern.
Gefunden wurde die Leiche auf dem Absatz des ersten Stocks gegen 4.45 Uhr durch Bewohner John Saunders Reeves, nachdem bereits Bewohner Alfred George Crow gegen 3.30 Uhr Tabram für einen schlafenden Obdachlosen gehalten hatte. Damit muss die Tatzeit zwischen 1.45 Uhr und 3.30 Uhr liegen. Reeves suchte eine Polizeistreife und fand Constable Thomas Barrett auf seiner Runde.

Der Soldat dürfte wohl der Letzte gewesen sein, der Tabram lebend gesehen hat, konnte aber weder von "Pearly Poll" noch von Constable Barrett bei Gegenüberstellungen identifiziert werden, obwohl letzterer auf seiner Streife durch die Wentworth Street gegen 2 Uhr einen Private der Grenadier Guard am Nordende des George Yard stehen sah und ihn ansprach. Der Private sagte dem Polizisten, er warte auf einen Kameraden, der mit einem Mädchen unterwegs sei, darauf ging Barrett weiter seine Streife, bis er drei Stunden später von Reeves zum Tatort gerufen wurde.
Der unbekannte Soldat könnte also den Mord verübt haben, dennoch war er aber wahrscheinlich nicht der Täter: Rund zwei Stunden für Sex mit einer älteren, unattraktiven Prostituierten an einem öffentlich zugänglichen Ort erscheint doch ein ziemlich langer Zeitraum. Wenn sie so lange im Treppenhaus von Nr. 37 gewesen wären, wäre wohl auch das Ehepaar Mahoney oder ein anderer Bewohner auf beide gestoßen.
Zudem hätte ein blutbefleckter Mörder wohl kaum in unmittelbarer Nähe des Tatorts auf seinen Kameraden gewartet und so entspannt auf Polizist Barrett reagiert. Barrett jedenfalls kam nichts an ihm und seinem Verhalten verdächtig vor. Wahrscheinlicher ist, dass sich Tabram nach 1.45 Uhr noch mit einen anderen Mann - eben dem Ripper - in den George Yard zurückgezogen hat.

Erkenntnissen der modernen Kriminologie zufolge stammt das erste Opfer eines Serientäters oft aus seinem näheren räumlichen Umfeld. Tabrams letzte bekannte Adresse war Satchell's Lodging House in der George Street, und die Kneipentour endete vor den George Yard Buildings.
Levys Heim in der Middlesex Street 36 liegt nur rund 300 Meter oder etwa 3-4 Minuten Fußweg von beiden Orten entfernt.
Der Profiler William Eckert: "Nachdem der erste Mord geschehen war, in dessen Nähe der Mörder wahrscheinlich lebte, zog er weiter." In diesem Fall in die Buck's Row.


Freitag, 31. August 1888: Marie Ann Nichols in der Buck's Row
Nichols übernachtete zuletzt im White House Nachtasyl in der Flower and Dean Street 56.
Gegen 2.30 Uhr wurde Nichols zuletzt lebend gesehen von ihrer Bekannten Emily Holland an der Ecke Osborn Street / Whitechapel High Street, fast einen Kilometer vom Tatort entfernt, bevor sie betrunken auf der Whitechapel Road weiter Richtung Osten wankte.
Bis ca. 3.20 Uhr kamen nacheinander die Polizisten Neil, Thain und Kirby auf ihren Runden durch die Buck's Row, ohne etwas Verdächtiges zu sehen.
Gegen 3.45 Uhr fanden dann Charles Andrew Cross und Robert Paul auf ihrem Weg zur Arbeit die Leiche von Nichols vor einem verschlossenen Tor (vermutlich hatte der Täter vergeblich versucht, mit ihr in den Hof zu gelangen). Die Tatzeit muss also zwischen 3.20 Uhr und 3.45 Uhr betragen.

Cross war als erster und allein am Tatort, bis Paul kurz darauf dazustieß. Somit könnte Cross der Täter gewesen sein, zumal alle Tatorte JTRs auf den Wegen zwischen seiner Adresse in der Doveton Street 22, seiner Arbeit als Fleisch-Auslieferer in der Broad Street und dem Wohnort seiner Mutter in der Nähe der Berner Street lagen.
Allerdings hätte Cross, als er die Schritte von Paul hörte, einfach nach Westen verschwinden können, ohne erkannt zu werden, statt auf ihn zu warten: Es sind rund 100 Meter vom östlichen Ende der Buck's Row bis zum Tatort und es war noch dunkel. Bis zu den Querstraßen im Westen als Fluchtwege sind es nur wenige Meter. Stattdessen wartete er auf Paul, wies ihn erst auf den am Straßenrand liegenden Körper hin und ging mit Paul einen Polizisten suchen. Auch wäre wohl aufgefallen, wenn er als erster am Nichols-Tatort auch an den Morgen der Morde von Annie Chapman und Mary Jane Kelly zu spät zur Arbeit gekommen wäre, denn seine Job begann bereits um vier Uhr - jene Tatzeiträume liegen jedoch deutlich später (s.u.).
Außerdem war er nicht nur vor den Morden ein unbescholtener Mann, der 20 Jahre lang zuverlässig denselben Job innehatte, er lebte auch noch mehr als 30 Jahre nach dem Ende der Serie als freier und gesunder Bürger weiter, ohne irgendwie einschlägig aufzufallen. Daher war Cross wohl eher nicht der Ripper.

Was Jacob Levy betrifft: Der Tatort ist zwar rund 1300 bis 1400 Meter und damit etwa 16-18 Minuten Fußweg von Levys Adresse in der Middlesex Street 36 entfernt.
Aber Nichols übernachtete im White House Nachtasyl in der Flower and Dean Street 56, und trieb sich bis 2.30 Uhr in der Umgebung der Hauptverkehrsader Whitechapel High Street herum, beides nur rund 300 Meter von Levys Adresse entfernt.
Es ist kriminologisch plausibel, dass JTR auf seiner Jagd auch das anonyme Gewimmel der Hauptverkehrsadern Whitechapel Street und Commercial Street nutzte und beobachtete, ob ein potentielles Opfer in ruhigere Nebenstraßen abbog, um ihr dahin zu folgen. Zudem erscheint es vernünftig, diesmal nicht allzu nah beim eigenen Heim zuzuschlagen.

Vielleicht war JTR auch gar nicht auf seine eigenen vier Wände als sichere Zuflucht nach den Taten eingeschränkt, sondern konnte an verschiedenen Orten unauffällig von der Straße verschwinden - Detective Inspector Henry Cox von der City Police schrieb über den observierten Verdächtigen im Ripper-Fall: "He occupied several shops in the East End".
Möglicherweise konnte JTR die Straßen schnell verlassen, indem er nach der Tat in Shops von Verwandten oder Freunden verschwand. Im Fall von Jacob Levy und der Buck's Row könnte dies der Zigarrenhändler John Levy gewesen sein, der in der Whitechapel Road 254 einen Cigar Shop hatte, und neben dessen Shop nach dem Double Event ein blutiges Messer gefunden wurde (s.u.). Die Adresse des Shops in der Whitechapel Road 254 ist nur etwa 400 Meter oder 4-5 Minuten vom Tatort entfernt. War Levy der Ripper, hätte er also auf dem Weg zum oder vom Cigar Shop auf Nichols treffen und sich nach der Tat dort verstecken können. 

Interessant an der Metzger-Theorie ist zudem, dass sich in der Nähe von mindestens drei Tatorten Schlachthäuser befanden: Zwei Harrison, Barber & Co Slaughterhouses, eines in der Winthrop Street, Parallelstraße zum Tatort Buck´s Row, und im Barber´s Yard nahe Tatort Hanbury Street, sowie ein Schlachthaus in der Harrow Alley, Eingang von der Butcher's Row, Nahe Tatort Mitre Square. Da in diesen auch über Nacht gearbeitet wurde, hätte ein Metzger dort als Einkäufer für sein Geschäft auftreten oder als Schlachter arbeiten können. Das Tragen seiner Arbeitsgeräte und blutverschmierter Arbeitskleidung wäre dort nicht per se verdächtig.


Samstag, 8. September 1888: Annie Chapman in der Hanbury Street
Chapman verbrachte ihre letzten Nächte in der Crossingham's-Unterkunft in der Dorset Street 35.
Gegen 1.50 Uhr verließ sie das Asyl Richtung Norden in die Brushfield Street.
Gegen 5.30 Uhr am frühen Morgen wurde Chapman zum letzten Mal lebend gesehen, und zwar von der Zeugin Elizabeth Long. Unmittelbar vor dem Tatort in der Hanbury Street 29 soll sie laut Longs Aussage mit einem Freier gesprochen haben: "Willst du?" - "Ja."
Long beschreibt den Verdächtigen wie folgt: Knapp 40 Jahre alt, etwas größer als Chapman, dunkler Mantel und tief ins Gesicht gezogener dunkler Hut, fremdländisches Aussehen.
Etwa zur selben Zeit geht Albert Cadosch aus dem Nachbarhaus Nr. 27 in seinen Hinterhof zur Toilette, als er danach ins Haus zurück will, hört er vom Hof nebenan zunächst ein leises "No" und wenige Minuten später bei seinem Aufbruch zur Arbeit etwas gegen den Zaun stoßen.
Gegen 6 Uhr wurde Chapmans Leiche im Hinterhof vom Bewohner John Davies entdeckt.
Die Tatzeit liegt also zwischen 5.30 Uhr und 6 Uhr, und die Zeugin Long hat damit wohl den Ripper bei Chapman gesehen.

Da die Tatzeit bereits nahe der beginnenden Morgendämmerung und dem wieder einsetzenden "Berufsverkehr" in den Straßen liegt, hatte JTR nicht viel Zeit, aus der Öffentlichkeit zu verschwinden, bevor es richtig hell wurde.
Der Tatort ist rund 700 Meter oder etwa 8-9 Minuten Fußweg von Levys Adresse in der Middlesex Street 36 entfernt.

Interessant ist auch ein bekannt gewordener Zwischenfall im Prince Albert Pub an der Ecke Brushfield Street / Steward Street, etwa 200 Meter südwestlich vom Tatort:
Am frühen Morgen tauchte laut Aussagen der Inhaberin Mrs. Fiddymont ein Mann auf, dessen Erscheinung Mrs. Fiddymont und ihrer Freundin Mary Chappell Angst machte: Er trug einen dunklen Mantel, hatte seinen Hut tief ins Gesicht gezogen, sein Hemd war gerissen und er hatte offenbar Blutflecken auf seinem rechten Handrücken. Als er bemerkte, dass er kritisch beäugt wurde, drehte er sich weg, trank sein Bier in einem Zug aus und verließ den Pub sofort wieder. Mary Chappell folgte dem Mann in die Brushfield Street, stellte fest, dass er Richtung Westen ging und wies den Passanten Joseph Taylor auf den Mann hin.
Die drei wurden später von der Polizei zu zwei Gegenüberstellungen geladen, aber unter den vorgeführten Verdächtigen erkannten sie den Mann nicht wieder.
Bemerkenswert daran ist, dass nahe der Brushfield Street die Sandy Row geradewegs zur Middlesex Street hinunter führt.


24. September 1888: Der erste Bekennerbrief
Durch die Grausamkeit der Morde und die Sensationsberichterstattung der Zeitungen nahm die öffentliche Aufmerksamkeit sprunghaft zu und Hysterie breitete sich in Teilen der Bevölkerung aus.  In der Folge davon erreichten Dutzende angebliche Bekennerbriefe die Polizei und die Presse.
Der erste davon war an Polizeichef Sir Charles Warren selbst adressiert, seine Existenz wurde damals geheim gehalten. Er lautete:
"Dear Sir,
ich würde gerne aufgeben, ich befinde mich in einem Albtraum. Ich bin der Mann, der alle diese Morde in den letzten sechs Monaten begangen hat. Mein Name ist (mit der Zeichnung eines Sargs unkenntlich gemacht). Ich bin ein Schlachter und arbeite bei (mit zwei Balken unkenntlich gemacht). I have found the woman I would that is Chapman and I done what I called slautered her (?). Aber wenn jemand kommt, werde ich aufgeben. Aber ich werde nicht von selbst zur (Polizei-)Station gehen. Hochachtungsvoll (mit der Zeichnung eines Sargs unkenntlich gemacht)."
Rückseite:
"Haltet das Viertel sauber, oder ich werde ihm einen Besuch abstatten. (Zeichnung eines Messers) Dies ist das Messer, mit dem ich die Morde begangen habe. Es hat einen schmalen Griff mit einer langen Klinge, beide Seiten scharf."

Die meisten Bekennerbriefe wurden von der Polizei schon damals als geschmacklose Scherze von Trittbrettfahrern abgetan, nur wenige wurden ernst genommen. Selbst die berühmt gewordenen Briefe, in denen der Mörder sich angeblich den Namen "Jack the Ripper" gab (der "Dear Boss"-Brief und die "Saucy Jacky"-Postkarte) werden inzwischen für Fakes gehalten und sollen aus der Feder ebenjenes Sensationsreporters Thomas Bulling von der Central News Agency stammen, welche die Briefe der Polizei übergab.
Jener erste Brief aber erscheint bemerkenswert: Erstens bezeichnet sich der Autor selbst als Schlachter. Zweitens ist er nicht verhöhnend, sondern scheint der Hilferuf eines kranken Menschen zu sein, der in einer tiefen inneren Zerrissenheit gefangen ist - so wie der Zustand Jacob Levys bei der Einlieferung ins Irrenhaus von seiner Frau beschrieben wurde (s.u.).
Der Satz mit Chapman ist aufgrund seiner Formulierungen und der fehlenden Satzzeichen verwirrend, aber "and I done what I called" könnte bedeuten: "und ich habe getan, was mir befohlen wurde" - was ein Hinweis auf die befehlenden Stimmen sein könnte, die ein Wahnkranker oft hört, und von denen Levys Frau sprach.

Betrachtet man sich die sargförmige Schwärzung an der Stelle, wo der Briefschreiber angeblich zum ersten Mal seinen Namen übermalt hat, so scheint darunter etwas ähnliches wie "leaffray" oder "leadfray" gestanden zu haben - und das würde von der Wortlänge sowie von den Oberlängen und  Silhouetten einiger Buchstaben passen auf unseren Metzger Jacob Levy:

l e  a  d  f r a y
l a co b  l e v y


Sonntag, 30. September 1888: Nacht des Double Event
Mord an Elizabeth Stride in der Berner Street 40/42, etwa 45 Minuten später an Catherine Eddowes auf dem Mitre Square.

Stride
übernachtete bis zu ihrem Tod im Armenasyl in der Flower and Dean Street.
Zwischen 0.35 und 0.45 Uhr sahen mehrere Zeugen (Polizist William Smith, Anwohner James Brown, Zeuge Israel Schwartz) Stride mit einem Mann in der Nähe des Berner Street Clubs. Beschrieben wird er übereinstimmend als knapp 1,70 groß, etwa 30 Jahre alt, heller Teint, Schnauzbart, dunkler Mantel und Schirmmütze. Polizist Smith bemerkte zudem ein Päckchen in seiner Hand.
Der aus Norden von der Commercial Road vorbeikommende Israel Schwartz will sogar eine Auseinandersetzung wahrgenommen haben, weswegen er schnell weitergegangen sei, sagte er später der Polizei. Der Mann habe die Frau am Tor zum Dutfields Yard zu Boden geworfen, die Frau habe kurz aufgeschrien. Als er zurückgeblickt habe, sei gerade ein anderer Mann mit einer Pfeife aus dem nahen "Nelson"-Pub gekommen und es habe eine kurze verbale Auseinandersetzung mit dem Verdächtigen gegeben, bis der Verdächtige "Lipski" gerufen habe. Da sei der andere auf Schwartz zugegangen und Schwartz sei aus Angst weggelaufen.
Gegen 1 Uhr dann wurde Strides Leiche vom Verwalter des Clubs, Louis Diemschütz, im Torweg des Dutfield Yard neben dem Club gefunden. Im Gegensatz zu den anderen Opfern wurde ihr nur die Kehle durchgeschnitten, aber offenbar wegen der Störung durch die Zeugen keine Verstümmelungen des Unterleibs mehr vorgenommen.

Als plausibelste Interpretation dieser Szene scheinen Schwartz und der Mann mit der Pfeife mitten in den Angriff des Rippers hineingeplatzt zu sein. Weil Schwartz schon auf der Flucht war, als der Pfeifenraucher auf die Straße kam, tat der Mörder offenbar so, als sei er ein unschuldiger Helfer und konnte den anderen Mann mit dem Ausruf "Lipski" davon überzeugen, dass der nach Süden flüchtende Schwartz der Angreifer gewesen sei, so dass "Pipeman" die Verfolgung von Schwartz aufnahm (leider konnte "Pipeman" nie identifiziert werden).
Lipski war ein Jude aus dem Viertel, der 1887 wegen Mordes verurteilt worden war - und sein Name war in antisemitischen Kreisen zum Schimpfwort gegen Juden im allgemeinen und zum Synonym für Mörder im speziellen geworden.
Indem der Mörder den einen Zeugen so auf den anderen hetzte, konnte er vom Tatort (vermutlich über die Gasse zur Batty Street, wo später blutige Wäsche gefunden wurde) schließlich nach Norden in die Commercial Road fliehen. Er wollte angesichts der Beinahe-Entlarvung mit ziemlicher Sicherheit zu seinem Versteck zurück - und in der Richtung, die er einschlug, liegt die Middlesex Street.
Da JTR aber sein eigentliches Ziel - die Verstümmelung - bei Stride nicht mehr umsetzen konnte, suchte er, als er sich wieder sicher fühlte, schließlich ein weiteres Opfer.


Eddowes
und ihr Mann John Kelly lebten überwiegend im Armenhaus "Cooney's" in der Flower und Dean Street 55.
Gegen 1 Uhr wurde Eddowes aus der Ausnüchterungszelle der Polizeistation Bishopsgate Street entlassen und ging Richtung Süden, höchstwahrscheinlich die Houndsditch entlang zurück zur Aldgate High Street, wo sie den frühen Abend verbracht hatte.
Gegen 1.30 Uhr checkte Constable Edward Watkins auf Streife den Mitre Square, ohne etwas  Verdächtiges festzustellen.
Etwa um diese Zeit verließen Joseph Lawende, Harry Harris und Joseph Hyam Levy den Imperial Club, Duke Street, schräg gegenüber der Church Passage zum Mitre Square, und sahen einen Mann und eine Frau am Eingang der Passage in einem leisen Gespräch.
Der Zeuge Lawende beschrieb den Mann wie folgt: Etwa 30 Jahre alt, knapp 1,70 Meter groß, blasser Teint, heller Schnauzbart, durchschnittlicher Körperbau, graue Jacke, graue Stoffkappe und rötliches Halstuch, sah wie ein Seemann aus (wobei aber Seemänner selten "blassen Teint" haben).
Gegen 1.38 Uhr ging Constable James Harvey durch die Church Passage und schaute in den dunklen Mitre Square, sah jedoch nichts und kehrte auf seine Runde zurück.
Gegen 1.45 Uhr kam Constable Edward Watkins von der anderen Seite (Mitre Street) wieder durch den Hauptzugang in den Mitre Square und entdeckte beim Herumleuchten mit seiner Lampe die tote Eddowes in der dunkelsten Ecke liegen, vor dem Tor zu einem kleinen Hof (vermutlich hatte der Ripper gehofft, das Tor wäre offen).
Laut Inspector Robert Sagar von der City Police soll ein Polizist kurz zuvor gesehen haben, wie ein Mann aus der Mitre Street in östliche Richtung verschwand. Aufgrund der Sichtung dieses Mannes liefen anschließend Polizisten durch Gravel Lane und Stoney Lane, um Hinweise auf den Fluchtweg des Mörders zu finden - dieser Weg führt in die Middlesex Street und weiter in die Goulston Street.
Einer davon war Detective Constable Daniel Halse, der mit zwei Kollegen gegen 1.55 Uhr an der Ecke Houndsditch bei St. Botolph's Church stand und aufgrund der Alarmierung in den Mitre Square kam. Nachdem Halse Instruktionen zur Befragung der Anwohner gegeben hatte, eilte er zuerst in die Middlesex Street und, weil er dort niemanden sah, weiter in die Wentworth Street, wo er zwei Passanten überprüfte. Gegen 2.20 Uhr checkte er die Goulston Street, um nach vergeblicher Suche zum Mitre Square zurückzukehren.
Gegen 2.55 Uhr fand Constable Alfred Long auf seiner Runde ein Stück der blutigen Schürze von Eddowes im Hauseingang der Wentworth Dwellings 108-119, Goulston Street. Darüber an der Wand stand mit Kreide der Satz: "Die Juden sind die Menschen, die nicht grundlos beschuldigt werden." Long zufolge soll die Schürze auf seiner vorherigen Runde gegen 2.25 Uhr noch nicht dort gelegen haben. Ob das antisemitische Graffiti zuvor schon da gewesen war, wusste er nicht.

War Levy der Ripper, wäre er nach der unterbrochenen Tat an Stride in Richtung der Middlesex Street geflüchtet, um schnell von der Straße verschwinden zu können, dann aber mit oder ohne einen Zwischenstopp zuhause weiter Richtung Westen gezogen, wo er in der Houndsditch oder Duke Street den Weg von Eddowes kreuzte.
Er hätte auch nach dem Mord an Eddowes zuhause einen Zwischenstopp einlegen können, um Blut, Messer, Gebärmutter und Niere loszuwerden und sich umzuziehen, bevor er die Schürze platzieren ging, um eine falsche Spur zu legen.
Die Berner Street ist rund 700 Meter oder etwa 8-9 Minuten Fußweg von Levys Adresse in der Middlesex Street 36 entfernt.
Die Strecke zwischen Berner Street und Mitre Square beträgt rund 1000 Meter oder etwa 12-15 Minuten Fußweg.
Die Strecke zwischen Mitre Square und Middlesex Street 36 beträgt rund 300 Meter oder etwa 3-4 Minuten Fußweg.

Die Strecke vom Mitre Square zur Goulston Street beträgt nur rund 500 Meter oder 6-7 Minuten. Entweder haben die Polizisten Halse und Long die Schürze gegen 2.25 Uhr übersehen, oder JTR hat sich zeitweise in einer Zuflucht versteckt, bevor er sie ablegte. Ein Umweg von rund einer dreiviertel Stunde durch die Straßen voller alarmierter Polizisten ist eher unwahrscheinlich - daher dürfte die Rückzugsmöglichkeit des Rippers in unmittelbarer Nähe gewesen sein. Die Ablage der Schürze könnte dann für ein Ablenkungsmanöver sprechen, das die Ermittler auf eine falsche Fährte locken sollte Richtung Osten, weg von der Umgebung Mitre Square und seiner Zuflucht.
Wenn Levy der Ripper war, hätte er damit aufgrund der Erkenntnis, zu nah an seinem Zuhause zugeschlagen zu haben, bewusst die Spur vom Grenzgebiet der City Police, wo er wohnte, weiter nach Osten in das Territorium der Metro Police gelenkt.
Oder vielleicht konnte er auf seiner Flucht auch einfach nicht auf direktem Weg sein Heim in der Middlesex Street 36 erreichen, weil gerade jemand in der Straße unterwegs war, so dass er einen Bogen schlagen musste, um sein Heim unbeobachtet von hinten zu erreichen.
Die Strecke zwischen den Parallelstraßen Goulston Street und Middlesex Street beträgt außen herum nur rund 200 Meter oder etwa 2-3 Minuten Fußweg - wenn es eine Möglichkeit gab, über die Hinterhöfe zur anderen Seite zu kommen, sogar ohne gesehen zu werden.

Zwei weitere interessante Möglichkeiten, wenn Levy der Ripper war:
Zur Zeit der Morde lebte laut Census von 1891 Jacobs Bruder Isaac Levy in der Goulston Street 130, und die Geburt seiner Tochter 1888 ist unter derselben Adresse angegeben - dies ist nur einen Häuserblock vom Schürzenfund entfernt.
Zuletzt schließlich bleibt noch die Alternative, dass Jacob weiter zum Cigar Shop von John Levy in die Whitechapel Road 254 flüchtete, um sich dort zu verstecken - direkt nebenan vor Nr. 253 wurde am Tag darauf von Thomas Coram ein blutiges Messer gefunden (s.u.).

Bemerkenswert ist, dass es am Tatort im Mitre Square sehr dunkel war: Die Streifenpolizisten mussten ihre Lampen verwenden, um in den Ecken überhaupt etwas erkennen zu können. JTR hatte nur etwa 10 Minuten für die Verstümmelungen, die noch umfangreicher als bei den vorherigen Opfern waren. Insbesondere die Entfernung von Gebärmutter und Niere in der Dunkelheit zeugen davon, dass der Ripper offenbar Übung darin hatte, einen Körper schnell mit einem Messer zu zerlegen. Auch dies deutet auf einen Metzger hin, eine Ansicht, die u.a. Dr Frederick Gordon Brown vertrat, der Eddowes Leiche untersuchte.

Merkwürdigerweise taucht in den Berichten über die Coroner-Untersuchung zu Strides Tod der wichtige Zeuge Israel Schwartz gar nicht auf.
Und bei der Coroner-Untersuchung zu Eddowes Tod wurde dem Zeugen Joseph Lawende verboten, den Verdächtigen vor dem Publikum genauer zu beschreiben - offenbar aus ermittlungstaktischen Gründen.
Dies deutet darauf hin, dass die Polizei glaubte, eine heiße Spur zu haben.
Zumal Lawendes Begleiter Joseph Hyam Levy bei der polizeilichen Vernehmung den Eindruck gemacht hatte, mehr zu wissen, als er zugeben wollte. So soll er beim Anblick von Eddowes und dem Mann zu seinen beiden Begleitern gesagt haben, wenn er solche Charaktere sehe, wolle er nicht alleine nach Hause gehen, und man solle den Hof beobachten (!). Als er beim Verhör gefragt wurde, ob er denn Angst gehabt habe, antwortete er kryptisch: nicht wirklich um sich.
Frage: "What was there terrible in their appearance?" - Antwort: "I did not say that." - Frage: "Your fear was rather about yourself?"- Antwort: "Not exactly." (!)


1. Oktober 1888: Messer-Fund in der Whitechapel Road
In der Nacht nach dem Double Event fand Thomas Coram gegen 0.30 Uhr vor der Whitechapel Road 253 ein in ein Taschentuch eingewickeltes blutiges Messer, das er der Polizei übergab - jedoch konnten die obduzierenden Ärzte nicht bestätigen, ob dies die Waffe des Rippers war.

Interessant ist in diesem Zusammenhang aber: In den 1880er Jahren hatte John Levy in der Whitechapel Road 254 einen Cigar Shop. Er war laut Census der Bruder von Fanny Levy von den Levys aus der Mitre Street 29, und sie waren Ripperologen zufolge wahrscheinlich Cousins des Zeugen Joseph Hyam Levy - somit war vermutlich auch Jacob Levy mit diesen Levys verwandt.

John und Fannys Eltern, Ann und Barnett Levy, lebten in den 1850ern in Mitre Street 29 ("Orange Market" am Mitre Square), sie waren Zigarren- und Orangenhändler und hatten vier Kinder - John, Samuel, Lewis und Fanny. Um 1888 wohnte nur noch Fanny dort.
Samuel lebte erst in den Häusern Mitre Street 17 und 23 und zog danach neben Joseph Hyam Levys Vater, Hyam Levy, in die Middlesex Street 39 (!). 1888 kehrte Samuel dann als Orangenverkäufer wieder in die Mitre Street zurück, diesmal in die Nummer 20.
Und Lewis Levy lebte in den 1860ern in Mitre Square 8 - dahinter fand man die Leiche von Catherine Eddowes (!).

Kurz: War Jacob Levy der Ripper, hätte er nach dem Double Event weiter in den Cigar Shop flüchten können, um sich dort relativ weit von den Tatorten weg zu verstecken, und könnte das blutige Messer davor weggeworfen haben.


Polizei-Razzia bei Metzgern im Oktober:
Die Polizei führte in den folgenden Wochen (3.-18. Oktober) in der Umgebung des Mitre Square Haus-zu-Haus-Befragungen durch. Der stellvertretende Polizeipräsident Robert Anderson schrieb, dass man alle Männer des Viertels überprüft habe, die den Zeugenaussagen entsprachen und sich blutbefleckter Kleidung entledigen konnten.
Die Polizei durchsuchte auch 76 Metzgereien und Schlachtereien im Viertel und überprüfte alle Personen, die in den letzten sechs Monaten dort beschäftigt waren, verschiedene Verdächtige wurden unter Beobachtung gestellt.

Interessanterweise folgte nach dem Double Event die längste Pause zwischen den Ripper-Morden von fast sechs Wochen. Ursache dafür könnte der Ermittlungsdruck durch die Behörden gewesen sein, was für die Annahme spricht, dass die Polizei mit der Untersuchung des Metzger-Milieus rund um Aldgate High Street dem Ripper näher kam, so dass er vorerst pausieren musste, bis die polizeilichen Aktivitäten in seinem Umfeld wieder zurückgingen.
 

Freitag, 9. November 1888: Mord an Mary Jane Kelly im Miller's Court
In ihrer letzten Nacht verließ Mary Jane Kelly mehrmals ihr Zimmer im Miller's Court, Dorset Street 26, und kehrte mit verschiedenen Freiern wieder dorthin zurück, nachdem sie den frühen Abend mit ihrem Exfreund Joseph Barnett verbracht hatte.
Gegen 23.45 Uhr sah ihre Nachbarin Mary Ann Cox, wie Kelly mit einem Kunden auf ihr Zimmer ging. Zwischen 0.30 Uhr und 1 Uhr hörten Cox und Nachbarin Catherine Picket sie singen.
Ihre Nachbarin Elisabeth Prater kehrte gegen ein Uhr zurück, wartete erst 20 Minuten vor dem Eingang zum Court auf ihren Freund und ging, als er nicht kam, noch für zehn Minuten in McCarthys Laden nebenan. Gegen 1.30 Uhr stieg sie die Treppen zu ihrem Zimmer direkt über Kellys hinauf, ohne dort Licht zu sehen oder etwas zu hören, und ging zu Bett.
Der Zeuge George Hutchinson, ein Bewohner des Victoria Home in der Commercial Street, ging am 12. November zur Polizei und sagte aus, dass er seine Bekannte Mary Jane Kelly am 9. November gegen 2 Uhr in der Commercial Street getroffen habe.
Kurz darauf sei sie mit einem Kunden an ihm vorbei zurück auf ihr Zimmer gegangen. Weil der Mann sein Gesicht vor ihm habe verbergen wollen, sei er beiden gefolgt und habe rund eine dreiviertel Stunde den Hof beobachtet, jedoch ohne etwas Verdächtiges wahrzunehmen. Gegen 3 Uhr sei er schließlich gegangen.
Hutchinson beschrieb den Mann als etwa Mitte 30, knapp 1,70 Meter groß, blasser Teint, dunkle Augen und Haare, dünner gezwirbelter Schnurrbart, jüdisches Erscheinungsbild, mürrisches Aussehen, dunkler Mantel, dunkler Hut, kleines Päckchen in seiner Hand.
Sarah Lewis, die gegen 2.30 Uhr zu ihrer Bekannten Mrs. Keyler im Miller's Court ging, um dort zu übernachten, sah gegenüber dem Hofeingang einen Mann stehen - dabei handelte es sich vermutlich um Hutchinson.
Zwischen 3.15 Uhr und 3.45 Uhr hörten sowohl Lewis wie auch Elizabeth Prater einen leisen, unterdrückten Schrei vom Hof her: "Mord!"
Gegen 6.15 Uhr hörte Nachbarin Marie Ann Cox Schritte im Hof.
Gegen 7.30 Uhr klopfte Nachbarin Catherine Picket an Kellys Tür, um sich einen Schal zu leihen, aber nichts regte sich.
Gegen 10.45 Uhr wurde Kellys Leiche von Hausverwalter Thomas Bowyer entdeckt, der die Miete eintreiben sollte.

Theoretisch könnte Hutchinson der Täter gewesen sein, der nach dem Verschwinden des Kunden gegen 3 Uhr selbst zu Kelly ging - nur: warum hätte er dann bei der Polizei auftauchen und sich mit dem Geständnis seines "Stalkings" verdächtig machen sollen? Inspektor Abberline hielt ihn für glaubwürdig.
Plausibel wäre aber, dass der von Hutchinson beschriebene Kunde nach 3 Uhr ging - und dass erst der nächste Besucher Kellys der Ripper war. Dann wäre Hutchinsons Beschreibung unbrauchbar.
Bemerkenswert ist jedoch, dass Hutchinson aussagte, er glaube denselben Mann später noch einmal gesehen zu haben, und zwar am 11. November in der Petticoat Lane / Middlesex Street - wo Levy wohnte und es den Straßenmarkt mit günstiger Second-Hand-Kleidung gab.
Wenn JTR die Person war, die von Cox gegen 6.15 Uhr im Hof bemerkt wurde, muss er beim Verlassen des Tatorts unter Zeitdruck gestanden haben, weil es langsam hell wurde.
Falls Levy der Ripper war: Der Tatort in der Dorset Street 26 ist rund 500 Meter oder nur etwa 5-6 Minuten Fußweg von der Middlesex Street 36 entfernt.

Merkwürdig war nach den Coroner-Untersuchungen zum Double-Event auch die Anhörung im Fall Kelly: Sie wurde im Distrikt Shoreditch vom dort zuständigen Richter vorgenommen und nicht in Whitechapel, mit der seltsamen Begründung, zuständig sei der Ort der Aufbahrung, nicht der Tatort. Sie wurde bereits am 12. November eröffnet, mit sich nicht zuständig fühlenden Geschworenen, in hohem Tempo durchgepeitscht und schon am selben Tag wieder abgeschlossen. Richter Roderick Macdonald sagte: "Wenn die Geschworenen allein zu der Todesursache zu einem Ergebnis kommen, so ist das alles, was sie zu tun haben."
Zeugen oder Beweismittel zur Strafverfolgung sollten nicht weiter öffentlich thematisiert werden - wahrscheinlich aus ermittlungstaktischen Gründen, weil man einen Tatverdächtigen nicht warnen wollte, während er unter Beobachtung stand, um ihn auf frischer Tat stellen zu können.
In H. L. Adam's Serie "The People on Scotland Yard and its Secrets" von 1912 zitiert der Autor  Assistant Commissioner Anderson: "Sir Robert Anderson has assured the writer that the assassin was well known to the police, but unfortunately, in the absence of sufficient legal evidence to justify an arrest, they were unable to take him. It was a case of moral versus legal proof. The only chance the police had, apparently, was to take the miscreant red-handed…"


"Butcher's Row Suspect"
Nach dem Kelly-Mord begann die City Police damit, mehrere Monate lang einen Tatverdächtigen bei der Butcher's Row zu observieren.

Butcher's Row war kein offizieller Straßenname, so wurde wegen der vielen Metzger und der dahinter liegenden Schlachterei jener Abschnitt der High Aldgate Street genannt, der an der Einmündung der Middlesex Street liegt, wo Jakob Levy wohnte (sie stellt die Grenze zwischen City of London und Whitechapel sowie zwischen den beiden Polizei-Distrikten dar).

In einem Zeitungsinterview (City Press, 7. January 1905) sagte Robert Sagar von der City Police, dass man nach dem Kelly-Mord einen Mann unter Beobachtung gestellt habe, der in der Butcher's Row arbeite und von dem man annehme, dass er der Ripper sei, und dass dieser Mann letztendlich von seinen Leuten in ein Irrenhaus eingeliefert worden sei.

Auch Detective Inspector Henry Cox (City Police) wurde ein Jahr später in einem Zeitungsartikel (Thomson’s Weekly News, 1. December 1906) zu den Observationen zitiert, ohne jedoch den genauen Ort zu nennen. Cox: "The man we suspected was about five feet six inches in height, with short, black, curly hair, and he had a habit of taking late walks abroad. He occupied several shops in the East End, but from time to time he became insane, and was forced to spend a portion of his time in an asylum in Surrey. (...) While the Whitechapel murders were being perpetrated his place of business was in a certain street, and after the last murder I was on duty in this street for nearly three months."
Cox erzählte auch, er habe den Verdächtigen nachts auf einem Streifzug verfolgt: Nachdem dieser sein Haus verlassen habe, sei er um die Ecke gebogen und die Leman Street in Richtung St. Georges hinab gegangen - die Straße verläuft nur etwa 100 Meter östlich von der Einmündung der Middlesex Street in die Butcher's Row nach Süden (!).
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, was Detective Inspector Cox zur Überwachung des Tatverdächtigen sagte. Zur Verschleierung der Observation, die der jüdischen Gemeinde nicht verborgen blieb, behaupteten die Polizisten, die Schneider auf Beschäftigung von Minderjährigen zu überwachen: "We told them we were factory inspectors looking for tailors and capmakers who employed boys and girls under age." Dies lässt ein Observationsteam in unmittelbarer Nähe zur Bekleidungsindustrie in der Petticoat Lane möglich erscheinen.

Die Maßnahmen der City Police deuten darauf hin, dass die Indizien sie in dem Verdacht bekräftigten, es bei JTR mit einem einheimischen Metzger in der Umgebung von Aldgate High Street und Middlesex Street zu tun zu haben. Vielleicht war es sogar Jacob Levy, der beobachtet wurde - doch leider sind weder die genaue Adresse noch der Zeitraum der Observationen bekannt.

Wenn Jacob Levy der Ripper war, könnte dies bedeuten, dass er neben seiner Heimatadresse Middlesex Street 36 auch bei den Metzgern der Butcher's Row ein und aus ging. Denn sowohl Jacob Levy als auch der Zeuge und mutmaßliche Verwandte Joseph Hyam Levy sollen Geschäftsverbindungen in der Butcher's Row gehabt haben. Vermutlich kauften sie auch in der dortigen Schlachterei ein. Levy könnte sogar wegen seines ruinierten eigenen Geschäfts zeitweise dort oder in einem anderen Shop gearbeitet haben.


Nähe von mutmaßlichen Verwandten zu den Tatorten
Detective Inspector Henry Cox von der City Police schrieb über den observierten Verdächtigen: "He occupied several shops in the East End."

Zusätzlich den möglichen Verbindungen Levys mit anderen Metzgern gab es im Eastend noch die Shops der Levy-Familie aus der Mitre Street, mit denen Jacob und Joseph Hyam Levy laut Casebook verwandt gewesen sein sollen:
Darunter der Orangenhändler Samuel Levy in der Mitre Street 20 (Tatort Mitre Square) und der Zigarrenhändler John Levy in der Whitechapel Road 254 - nahe den Tatorten Buck's Row und Berner Street sowie unmittelbar neben dem Messer-Fund von Thomas Coram nach dem Double Event vor Whitechapel Road Nr. 253.

In den 1880er Jahren hatte John Levy in der Whitechapel Road 254 einen Cigar Shop. Er war laut Census der Bruder von Fanny Levy von den Levys aus der Mitre Street 29, und sie waren wahrscheinlich Cousins des Zeugen Joseph Hyam Levy, dessen Vater vor Jacob die Metzgerei in der Middlesex Street 36 hatte - somit war vermutlich auch Jacob Levy mit diesen Levys verwandt.

John und Fannys Eltern, Ann und Barnett Levy, lebten in den 1850ern in Mitre Street 29 ("Orange Market" am Mitre Square), sie waren Zigarren- und Orangenhändler und hatten vier Kinder - John, Samuel, Lewis und Fanny. Um 1888 wohnte nur noch Fanny dort.
Samuel lebte erst in den Häusern Mitre Street 17 und 23 und zog danach neben Joseph Hyam Levys Vater, Hyam Levy, in die Middlesex Street 39 (!). 1888 kehrte Samuel dann als Orangenverkäufer wieder in die Mitre Street zurück, diesmal in die Nummer 20.

Nicht vergessen werden sollte schließlich noch Jacobs Bruder Isaac Levy, der zur Zeit der Morde in der Goulston Street 130 lebte - nur einen Gebäudekomplex entfernt von dem Hauseingang, in dem das blutige Teil von Eddowes Schürze gefunden wurde.

Fazit: Waren die Levys von Mitre Street tatsächlich mit Jacob Levy verwandt, so rückt der verrückt gewordene Metzger durch die Adressen seiner Verwandten in die unmittelbare Nähe zu mehreren Tatorten und den Funden von Schürze und Messer. War Jacob Levy der Ripper, kannte er sich dort besonders gut aus, hätte für seine Anwesenheit in den Straßen eine plausible Erklärung gehabt und nach den Taten schnell aus der Öffentlichkeit verschwinden können, indem er bei ihnen Unterschlupf fand. 


Mittwoch, 17. Juli 1889: Mord an Alice McKenzie in der Castle Alley
Police Constable Walter Andrews entdeckte gegen 0.50 Uhr in der Castle Alley den leblosen Körper von Alice McKenzie, etwa eine halbe Stunde, nachdem er das letzte Mal auf seiner Runde dort gewesen war. Zeugen der Tat gab es keine. Ihre linke Halsschlagader war durchtrennt, ihr Rock war hochgeschoben und der Unterleib mit einem Messer traktiert worden, allerdings waren die Verletzungen eher oberflächlich.

Die Polizisten und die untersuchenden Ärzte waren uneinig darüber, ob es sich um ein weiteres Ripper-Opfer handelte. Einiges passte ins Schema: McKenzie übernachtete in einem Armenhaus, war rund 40 Jahre alt, Prostituierte und Trinkerin - und wurde im Zentrum von JTRs Aktivitäten getötet. Allerdings wurde ein anderes Messer benutzt, und zudem wurde sie nicht gewürgt, es gab auch keinen vollständigen Kehlenschnitt, die Wunden waren nicht so tief und der Unterleib war nicht ausgeweidet.
Der Täter hätte wahrscheinlich durchaus genug Zeit für weiterreichende Verstümmelungen gehabt, denn er war wohl diesmal nicht gestört worden. Indiz dafür: Obwohl es kurz geregnet hatte, war der Gehweg unter McKenzies Körper trocken, was bedeutet, dass sie wohl schon vor dem Schauer getötet wurde und somit einige Zeit unentdeckt dagelegen hatte. Möglicherweise war es ein Nachahmungstäter, der dem Ripper diesen Mord in die Schuhe schieben wollte.
Falls es doch JTR war, deutet alles darauf hin, dass er nicht mehr auf der Höhe seiner physischen und/oder psychischen Kräfte war - Folgen der fortschreitenden Syphilis?
Auch der große zeitliche Abstand zu den übrigen Taten fällt auf: JTR hatte eine sehr kurze Abkühlphase, so dass längere Pausen wohl nur durch widrige Umstände wie Krankheit, Einweisung oder Ermittlungsdruck der Polizei zu erklären sind.
Falls Levy der Täter war: Der Tatort ist nur 100-200 Meter oder 1-2 Minuten Gehweg von Butcher's Row und Middlesex Street entfernt.


"The crazy jewish Butcher"
Spätestens nach diesem Mord machte die Ripper-Theorie vom "verrückten jüdischen Metzger" die Runde, die von verschiedenen Presseorganen aufgegriffen wurde.

London Evening News And Post, 13. September 1889:
"The second man is now being watched. He is a resident of the East End, and has been for years. For a long time he has been acting in the most suspicious fashion. He has a business, to which he scarcely ever personally attends. He goes about drinking, and is to be met at all hours of the night in the streets all over the neighborhood. He enters his house at hours when his wife and family have long been at rest. No member of his family dare question him as to his ramblings. He knocks about among the lowest class of women at unearthly hours, although, according to general report, their very appearance is hateful in his sight. His hatred has been produced by physical suffering, for which, like most men of his class, he holds himself perfectly irresponsible. His habits are such as to give one the notion that he is not altogether in a fit position to be allowed to roam at will. Whether he has anything to do with any crime, it is, of course, impossible to say, but he is kept in view."

Offensichtlich war der Observierte ein im East End lebender Metzger, der sein Geschäft vernachlässigte, so wie auch Jacob Levys Frau beklagte. Er fing an zu trinken und streifte nachts umher, so wie Levys Frau gesagt hat. Er trieb sich bei Prostituierten herum, obwohl er sie hasste.
"His hatred has been produced by physical suffering, for which, like most men of his class, he holds himself perfectly irresponsible." - Und sein Hass kam von einer Syphilis-Infektion, wofür er die Schuld nicht bei sich, sondern bei anderen suchte.

Rochester Democrat And Chronicle, 16. September 1889:
"The London Police has a theory that Jack the Ripper is a crazy jewish butcher."

North Eastern Daily Gazette, 18. September 1889:
"A Detective's Views: We are watching now three men, besides the usual night-birds of Whitechapel. One man created some stir during the last murders under circumstances which I need not say anything about. He is a curious sort of fellow; in business, but not doing much to keep it going. His wife and daughter see to it, and he is out at all hours of the night. He says he is a member of the vigilance committee, but I can't answer as to that. No, I won't tell you his name, even if you do want to find out if he is a member or not. This man is out at all hours of the night, and he lets himself in some quietly that his wife does not know what time he really arrives home. She generally finds him in the shop when she comes down the morning. He is being watched, but we can't arrest him only on the suspicious we have. We must wait further developments."

Der Observierte vernachlässigte sein Geschäft, streifte nachts umher, und seine Frau wusste nicht, wann er zurückkam - das erinnert stark an die Aussagen von Jacob Levys Frau bei seiner Einweisung (s.u.).
"She generally finds him in the shop when she comes down the morning." - Die Erklärung dafür, warum seine Frau nichts bemerkt haben könnte: Sie schlief in der Wohnung, er im Shop. Auch das passt: Wenn JTR tatsächlich Familie hatte, dann muss er wohl woanders genächtigt haben als seine Frau, vermutlich wegen ehelicher Differenzen.

Sunday Chronicle, October 15, 1905:
"We found our man. He was engaged in a large way of business in the city of London, was married, had a family, and was generally respected. For some time he had been known as eccentric, and various escapades had caused his friends a good deal of anxiety.
Frequently, as we learned later, he stayed out all night about the time when these outrages were committed. His description agreed with that of a man seen in Dorset-street, Whitechapel, on the night when Mary Jane Kelly was cut to pieces, and at that time he was very near to actual arrest by a policeman."

Der Observierte war in einer großen Geschäftsstraße tätig, und zwar in der City of London, nicht in Whitechapel (!). Dies klingt nach dem Butcher's Row Suspect, denn die Butcher's Row (und auch die einmündende Middlesex Street) gehörten bereits zur City of London. Er war verheiratet und hatte Familie, wie Jacob Levy. Er wurde seltsam und seine Eskapaden bereiteten seinen Freunden Sorge - auch das erinnert an den Verfall Levys mit Diebstahl, psychischer Erkrankung, Geschäftsvernachlässigung und schließlich dem nächtlichem Umherstreifen.



Das Ende


15. August 1890: Einlieferung ins Irrenhaus
Jacob Levy wird als geisteskrank in die Nervenheilanstalt City of London Asylum at Stone in Kent eingeliefert.
In der Krankenakte wird als Einweisungsgrund "Manie" eingetragen, an der er schon seit längerem leide. Er soll bei seiner Einlieferung noch in guter körperlicher Verfassung gewesen sein, seine Größe wird mit knapp 1,70 Meter und sein Gewicht mit 60 Kilo angegeben.
Seine Frau soll den Anstaltsakten zufolge nach der Einweisung gesagt haben, Levy habe beinahe ihr Geschäft ruiniert, früher sei er ein sehr guter Geschäftsmann gewesen. Aber er schlafe nun nachts nicht mehr, sondern wandere oft für Stunden ziellos umher. Auch befürchte er, jemandem etwas anzutun. Er höre Geräusche und Stimmen, die ihm befehlen und ihn zwingen Taten zu begehen, die er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne.
Merwürdigerweise soll Levy gesagt haben, dass schon sein Bruder Abraham Selbstmord begangen habe, indem er sich selbst die Kehle durchgeschnitten (!) habe - dabei hat er sich laut Casebook erhängt: Im Mai 1875 nahm sich Jacobs Bruder demnach das Leben, weil er angeblich bei Pferderennen enorme Summen verloren hatte. Einem Zeitungsbericht nach fand Jacob selbst den erhängten Leichnam seines zwei Jahre älteren Bruders.

Dass Levy sein Geschäft vernachlässigte, nachts umherstreifte und zugab, von inneren Stimmen zu schrecklichen Taten getrieben zu werden, ist ein gutes Indiz für eine mögliche Täterschaft.
Dass er auch 1890 noch in guter körperlicher Verfassung war, legt nahe, dass er trotz seiner Erkrankung physisch zu den Morden fähig gewesen wäre.
Das Einlieferungsdatum in die öffentliche Anstalt passt jedenfalls zum Zeitpunkt der angeblichen Identifikation von JTR in einem "Seaside Home" (s.u.), welche von Ripperologen auf Sommer 1890 angesetzt wird, da das Convalescent Police Seaside Home in Hove (bei Brighton) in diesem Jahr eröffnet wurde und in seinen Akten zwei Besucher ohne Namensnennung auftauchen.
Zwar wurde von Chief Inspektor Swanson als öffentliche Anstalt Colney Hatch ins Spiel gebracht, aber dies bezog er explizit auf Kosminski. Laut Researcher Steward Hicks soll Lady Anderson, die Ehefrau von Assistant Commissioner Robert Anderson, hingegen gesagt haben, der Ripper sei in einer Anstalt bei Stone gewesen.

Da Levy schon "seit längerem" an seiner Krankheit gelitten hatte, könnte er zuvor bereits in familiärer Betreuung und/oder einer privaten Einrichtung gewesen sein - so wie dies später von hochrangigen Polizisten über den Ripper-Verdächtigen erzählt wurde (s.u.).
Die Polizei soll jedenfalls schon Ende 1888 alle privaten Sanatorien überprüft haben:
"The Dublin Express London correspondent on Thursday gave as the latest police theory concerning the Whitechapel murderer, that he has fallen under the strong suspicion of his near relatives, who to avert a terribly family disgrace, may have placed him out of harm's way in safe keeping. As showing that there is a certain amount of credence attached to this story, detectives have recently visited all the registered private lunatic asylums, and made full inquiries as to the inmates recently admitted." (The Bristol Mercury, 29. Dezember 1888)

War Jacob Levy der Ripper, würde dies den Zeitraum von eineinhalb Jahren zwischen dem Kelly- Mord und seiner offiziellen Einweisung im August 1890 erklären.
Über Levy ist leider nur bekannt, dass er in Stone eingeliefert wurde, es gibt bisher keine Hinweise auf vorübergehende Unterbringungen woanders. Jedoch wäre es plausibel, dass sich zunächst seine Angehörigen um ihn kümmerten, bis sich sein Zustand so weit verschlechterte, dass er für sie nicht mehr zu bewältigen war, worauf sie ihn unter falschem Namen in ein privates Sanatorium steckten, bevor er von der Polizei entdeckt und identifiziert wurde.


Fortsetzung s.u.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 24.05.2016 21:22 Uhr
Fortsetzung:


Freitag, 13. Februar 1891: Mord an Frances Coles in Swallow Gardens

Gegen 1.45 Uhr traf eine Bekannte, die Prostituierte Ellen Callagher, in der Commercial Street auf Coles. Sie liefen gemeinsam Richtung Minories und begegneten einen "brutalen Mann mit einer Baskenmütze", an den Callagher sich als einen früheren Kunden erinnerte. Sie will Coles gewarnt haben, dass der Mann ihr vor einiger Zeit ein blaues Auge geschlagen habe, und sie solle sich nicht mit ihm abgeben. Coles befolgte den Rat ihrer Freundin allerdings nicht und unterbreitete dem Mann ein Angebot, worauf die beiden ohne Callagher in Richtung Minories gingen.
Carmen Friday und die Brüder Knapton gingen kurz nach 2 Uhr morgens durch die Eisenbahn-Unterführung Swallow Gardens. Sie sahen eine Frau und einen Mann, die an der Ecke der Royal Mint Street standen. Gegen 2.15 Uhr dann entdeckte Police Constable Ernest Thompson auf seiner Runde unter der Eisenbahnbrücke die Prostituierte Frances Coles mit durchschnittener Kehle.
Die Justiz klagte später Coles gewalttätigen Freund Thomas Sadler an, der jedoch freigesprochen wurde, weil er ein Alibi hatte.
Verdächtigungen wie im Automn of Terror mit den Gerüchten um "Lether Apron" verbreiteten sich unter den Bewohnern des Eastends, diesmal sollte laut Mundpropaganda ein gewisser jüdischer Metzger namens "Jacobs" (!) der Mörder gewesen sein.
Benjamin Leeson schrieb in "Lost London: The Memoirs of an East End Detective" (1934):
"... a story circulated that the Ripper was a butcher, who wore blue overalls and a leather apron, and an English Jew named Jacobs, a perfectly harmless man, somehow attracted suspicion to himself. Possibly because, working in a slaughter house, he always wore a leather apron. People would point Jacobs out in the street as a suspected man, and more than once he had to run for it. I myself was often obliged to take him to the police station for protection. The thing so preyed on the poor fellow's mind that it finally caused him to lose his reason." 

Coles war zwar auch eine Prostituierte, der die Kehle aufgeschlitzt wurde, allerdings wurde sie nicht zuvor gewürgt, sondern einfach zu Boden gerissen, das Messer soll ebenfalls ein anderes gewesen sein - der obduzierende Dr. Phillips hielt jedenfalls JTR nicht für den Täter.
Interessant ist allerdings, dass in gewissen Teilen der Bevölkerung Verdächtigungen über einen Metzger namens "Jacobs" die Runde machten, was doch sehr nach "Jacob" klingt. Könnten möglicherweise in bestimmten Kreisen Gerüchte über Verdachtsmomente gegen Jacob Levy als Ripper durchgesickert sein?


29. Juli 1891: Jacob Levys Tod

Levy stirbt an den Folgen der Syphilis in der Nervenheilanstalt Stone in Kent.
In den Akten steht als Todesursache: "General paralysis of the insane brought on by the serious sexually transmitted disease syphilis".

In ihren Aufzeichnungen nannten die hochrangigen Polizeibeamten Macnaghten und Anderson beide als einen der Hauptverdächtigen im Ripper-Fall einen Juden, der in nächster Nähe zu den Opfern lebte und nach den Morden in eine Irrenanstalt eingewiesen wurde.
Auch Major Arthur G.F. Griffiths schrieb in seiner Reihe "Mysteries of Police and Crime" 1898 von "a Polish Jew, a known lunatic who was at large in the district of Whitechapel at the time of the murders and who (...) was confined to an asylum".
Chief Inspektor Swanson schrieb persönliche Anmerkungen in sein Exemplar von Andersons Memoiren, die den grundsätzlichen Sachverhalt bestätigten. Allerdings fügte er noch hinzu, dass der Verdächtige in einem "Seaside Home" von einem Zeugen erkannt worden sei und es ihm auch bewusst gewesen sei, dass die Polizei ihn identifiziert habe. Danach habe man ihn vorübergehend zu seinen Verwandten zurückgebracht, wo die Polizei ihn Tag und Nacht beobachtet habe, bevor er dann endgültig in eine Irrenanstalt gebracht worden sei, wo er schon bald verstorben sei.
Dies würde erklären, warum die Morde aufhörten.

Damit würde der von Ripperologen in den Akten von Colney Hatch gefundene gewalttätige Irre David Cohen als Verdächtiger ausfallen, denn nach bisherigen Erkenntnissen hatte er keine Verwandten. Eine weitere Diskrepanz: Die Zeugen beschrieben alle einen Mann mittleren Alters - David Cohen war damals aber erst 23 Jahre alt. Zudem wurde er bereits am 7. Dezember 1888 per Gerichtsbeschluss erst ins Whitechapel-Arbeiterkrankenhaus eingewiesen, und dann wegen seiner Unkontrollierbarkeit am 21. Dezember direkt weiter ins Irrenhaus Colney Hatch, wo er am 20. Oktober 1889 verstorben sein soll - die erste offiziell "Seaside Home" genannte Einrichtung wurde aber erst 1890 eröffnet.
Allerdings vermuten einige Ripperologen, dass "David Cohen" auch ein Alias wie "John Doe" gewesen sein könnte, da es noch andere Namens-Unklarheiten in dem Fall gibt.

Macnaghten und Swanson bezeichneten ihren Verdächtigen als "Kosminski", jedoch enthalten die Erinnerungen der Polizisten nachgewiesenermaßen einige Ungenauigkeiten, so dass sie sich mit dem Namen geirrt haben könnten, denn der in medizinischen Akten gefundene Aaron Kosminski war damals erst 23 Jahre alt und starb erst 1919 in der Anstalt, nicht schon bald nach der Einweisung. Zudem schrieb Robert Sagar von der City-Police von einem Metzger, der observiert worden war, und Kosminski soll Haarschneider gewesen sein.
Vermutlich wurden einfach die Namen von ein paar verdächtigen Anstaltsinsassen durcheinander geworfen. Der nie an den Ermittlungen beteiligte Mcnaghten schrieb sein internes Memorandum 1894 und veröffentlichte seine Memoiren "Days of My Years" erst 1914 - Jahre nach den Ripper-Morden. Robert Anderson veröffentlichte seine Memoiren "The Lighter Side of My Official Life", in die Swanson seine Anmerkungen machte, erst 1910.

Eine andere plausible Erklärung der Namens-Irritationen könnte im Verhalten der Verwandten des mutmaßlichen Mörders liegen: Wenn er von den Angehörigen zuerst in eine private Anstalt gesteckt wurde, als sie seinem Irrsinn und seiner Gefährlichkeit nicht mehr Herr wurden, wäre es gut nachvollziehbar, dass sie ihn unter einer falschen Identität irgendwo eingewiesen hatten, um ihn und die Familie zu schützen.
Das wäre dann so lange gut gegangen, bis es zur Überprüfung aller neuen Anstalts-Einlieferungen durch die Polizei und der erwähnten Gegenüberstellung mit Identifizierung im "Seaside Home" gekommen war. Die spätere endgültige Einweisung in ein staatliches Institut wäre dann zwar unter dem richtigen Namen erfolgt, aber die Namensverwirrung könnte immer noch in Polizeikreisen und -Berichten präsent gewesen sein und so zu den Irrtümern geführt haben.

Robert Anderson jedenfalls schrieb in seinen Memoiren: "Die einzige Person, die jemals einen guten Blick auf den Mörder werfen konnte, identifizierte ihn, aber als er erfuhr, dass der Tatverdächtige ein Glaubensbruder war, weigerte er sich, gegen ihn auszusagen."
Swanson bestätigte in seinen privaten Anmerkungen diesen Aspekt.
Bei diesem Zeugen könnte es sich somit um Joseph Hyam Levy, Joseph Lawende (beide Fall Eddowes) oder Israel Schwartz (Fall Stride) gehandelt haben.

Da Macnaghten schrieb, dass der Verdächtige der Beschreibung jener Person entsprach, die am Mitre Square gesehen wurde, dürfte der Zeuge tatsächlich entweder Joseph Hyam Levy oder Lawende gewesen sein. Joseph Hyam Levy machte bei der Befragung kaum Angaben zum Verdächtigen und gab sich verschlossen, vermittelte aber den Eindruck, als wisse er mehr als er sagen wollte, während Lavende zunächst eine detaillierte Beschreibung abgab. Lawende war ein Handelsreisender aus Dalston, kein Bewohner Whitechapels, und dürfte JTR nicht gekannt haben, so dass er vermutlich bedenkenlos eine erste Aussage machte, zumal er den Mann anfangs nicht für einen einheimischen Juden, sondern für einen Seemann gehalten hatte.
Eine Erklärung für den Rückzieher des Zeugen könnte somit sein, dass Joseph Lawende schließlich von seinem Begleiter Joseph Hyam Levy bearbeitet worden war, nicht gegen den Glaubensbruder auszusagen, um ein Pogrom gegen die jüdische Gemeinde zu verhindern.
Dass die Polizei tatsächlich die konkrete Möglichkeit sah, über die Zeugen Lawende und Joseph Hyam Levy den Ripper zu überführen, belegt auch die Vorgehsweise bei der öffentlichen Coroner-Untersuchung zu Eddowes Tod, bei der Lawende verboten wurde, den Verdächtigen vor dem Publikum genauer zu beschreiben (s.o.).


1892: Ermittlungs-Ende

Die Akte Jack the Ripper wird von der Polizei offiziell geschlossen.

Dies würde zeitlich besser zu Jacob Levy passen als zu dem in den Memoiren erwähnten Kosminski, da Aaron Kosminski erst lange nach seiner Einweisung und seiner Verlegung nach Leavesden im Jahr 1919 starb. Auch der von Ripperologen in den Akten der Colney Hatch Nervenheilanstalt gefundene mögliche Verdächtige Hyam Hyams starb erst am 22. März 1913.



Fazit


Die Theorie, dass JTR ein jüdischer Metzger war, der im Irrenhaus starb, erklärt den ansonsten merkwürdigen Schluss im Ripper-Fall: Nach dem Ende der Mordserie laufen die Ermittlungen angeblich ergebnislos aus, die Akte wird geschlossen - aber Jahre später erklären hochrangige Polizisten in ihren Memoiren oder Zeitungsartikeln, der Ripper wäre eigentlich identifiziert worden.

Nach dem Mord an Mary Ann Nichols verdichteten sich im Eastend schnell Gerüchte, dass die Morde von einem Juden mit dem Spitznamen "Leather Apron" verübt worden sein sollten, was so auch in den Zeitungen verbreitet wurde und schon zu ersten antisemitischen Aufwallungen und Kundgebungen führte.
Superintendent Thomas Arnold ordnete daher nach dem Double Event mit Erlaubnis von Polizeichef Charles Warren an, das Goulston Street Graffiti auf der Stelle zu entfernen, explizit aus dem Grund, um mögliche Pogrome gegen Juden zu verhindern. In seinem Bericht vom 9. November 1888 schreibt Arnold: "Ich bitte darum berichten zu dürfen, dass am Morgen des 30. September, dem Letzten, meine Aufmerksamkeit auf eine Aufschrift an der Wand des Eingangs zu Behausungen in der Goulston Street 108, Whitechapel gerichtet wurde, welche aus folgenden Worten bestand: 'Die Juwes sind [nicht] die Menschen, die nicht grundlos beschuldigt werden'.
Ich wusste, dass aufgrund der Verdächtigung eines Juden namens John Pizer, genannt ‚Leather Apron‘, der beschuldigt wurde, den kürzlich in der Hanbury Street verübten Mord begangen zu haben, ein starkes Gefühl gegen die Juden im Allgemeinen aufkam. Da das Gebäude, auf dem sich die Aufschrift befand, mitten in der Lokalität liegt, die hauptsächlich von dieser Religions-gemeinschaft bewohnt wird, war ich besorgt darüber, dass wenn die Aufschrift verbleibt, diese für einen Aufstand verantwortlich sein könnte. Daher habe ich erwogen, dass es wünschenswert sei, sie aufgrund der Tatsache zu entfernen, dass sie sich an einer Stelle befand, die gut von den Menschen einsehbar war, die dort hinein- und hinausgehen."

Falls man den Ripper tatsächlich durch einen Zeugen als jüdischen Metzger identifizierte, hätte die Bekanntgabe demnach zu schrecklichen Übergriffen bis hin zum Pogrom gegen die jüdische Gemeinde in Whitechapel im Allgemeinen und seine Familie im Besonderen führen können. Denn an die Eröffnung eines Prozesses wäre schon wegen des Gesundheitszustands des Tatverdächtigen nicht zu denken gewesen. Und selbst wenn: Ob die dünnen Beweismittel für eine Verurteilung ausreichend gewesen wären, darf bezweifelt werden - ein Freispruch aus Mangel an Beweisen wäre aber verheerend gewesen.
Wegen der sowieso schon explosiven sozialen Lage, einem weitverbreiteten Antisemitismus und der aufgestauten Wut durch den Ripper-Terror wäre wohl zu erwarten gewesen, dass viele Menschen dann ihre Aggressionen an Sündenböcken ausgelassen hätten.
Die Behörden könnten daher zu dem Schluss gekommen sein, es sei angesichts der explosiven Situation im Eastend sicherer, den todkranken Irren stillschweigend in einer Anstalt verrotten zu lassen und lieber weiter zähneknirschend vor der Öffentlichkeit wie Versager in diesem Fall dazustehen, als eine Katastrophe im Viertel zu riskieren.



Geographisches Profil:
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 24.05.2016 21:45 Uhr
Hi Arthur!

Nur zu meinem Verständnis (und vielleicht auch für die Mitleser):

Obwohl die "Jacobs- Story" nach Coles die Runde machte, hälst Du Francis Coles aber nicht für ein mögliches Jacob Levy Opfer oder? Da war er ja bereits in Stone. Ich nehme an, du gehst nur davon aus, dass allein durch diesen Mord ein altes Gerücht ("Jacobs") erneut aufkam, richtig?

Ich bin in Sachen Sadler nicht aktuell aber galt dieses Alibi nicht nur für den Herbst 1888 und nicht für die Zeit des Coles Mordes?

Gruß, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 24.05.2016 21:56 Uhr
Hallo Lestrade!


Zitat
Ich bin in Sachen Sadler nicht aktuell aber galt dieses Alibi nicht nur für den Herbst 1888 und nicht für die Zeit des Coles Mordes?

Also laut Thomas Schachners Buch (2. Aufl., Seite 162f.) war Sadler der (Ex-)Freund von Coles, er wurde nach dem Mord an ihr verhaftet, aber im Prozess - auch dank der Finanzierung der Verteidigung durch die Seemanns-Gewerkschaft - freigesprochen, weil er für den Tatzeitpunkt ein Alibi gehabt haben soll: Er soll in dieser Nacht in Schlägereien verwickelt gewesen sein. 


Und logischerweise halte ich den Ripper, so er denn Jacob Levy war, nicht für den Mörder von Coles - denn da war er ja schon in der Anstalt.
Vielmehr ist meine These in der Tat, dass es Gerüchte gegeben haben dürfte:
Seinem Umfeld im Viertel dürfte nicht entgangen sein, dass er langsam verrückt wurde. Vermutlich haben auch einige in seiner Umgebung bemerkt, dass er observiert wurde, vielleicht hat gar ein Polizist über einen gewissen Verdächtigen geplaudert...


MfG, Arthur Dent.

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 24.05.2016 22:08 Uhr
Danke Arthur!

Ich habe in der Zwischenzeit mal gegoogelt:

http://www.casebook.org/victims/coles.html

1:50 AM: James Sadler gets into his third brawl of the night with some dockworkers at St. Katharine Dock as he tries to force his way back onto the S.S. Fez, from which he had been discharged two days before. He is left bleeding from a rather sizable wound in the scalp after calling his attackers "dock rats." He then makes two attempts to enter a lodging house in East Smithfield, but was refused.

2:00 AM: Sadler is seen drunken and bloodied on the pavement outside the Mint by a Sergeant Edwards. He was 'decidedly drunk' at the time.

2:00 AM - 2:12 AM: Carmen William Friday (also known as 'Jumbo') and two brothers named Knapton walked through Swallow Gardens, a railway arch. They saw nothing out of the ordinary, only a man and a woman at the Royal Mint Street corner of Swallow Gardens. One of the Knapton brothers shouted "Good night" to the couple but received no response. 'Jumbo' Friday was later to say that the man looked like a ship's fireman, and that the woman was wearing a round bonnet.

2:15 AM: P.C. Ernest Thompson 240H was on his beat along Chamber Street, only minutes away from Leman Street Police Station. He had been on the police force less than two months, and this was his first night on the beat alone. Thomspon heard the retreating footsteps of a man in the distance, apparently heading toward Mansell Street. Only a few seconds later he turns his vision to the darkest corner of Swallow Gardens and shines his lamp upon the body of Frances Coles. Blood was flowing profusely from her throat, and to Thompson's horror, he saw her open and shut one eye. Since the then unidentified woman was still alive, police procedure dictated that Thompson remain with the body -- his inability to follow the retreating footsteps of the man he believed to have been her killer (and possibly the Ripper) would haunt him for the rest of his days. Thompson was later stabbed to death in 1900 when trying to clear a brawl at a coffeehouse by a man named Barnett Abrahams.


Okay, ist vielleicht jetzt auch nicht so wichtig.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 24.05.2016 22:22 Uhr
Vielleicht müssten wir dieses Buch mal lesen:

http://www.amazon.com/Jack-Ripper-Fiction-Robin-Odell/dp/186992830X

Erstausgabe offenbar 1965:

http://www.casebook.org/ripper_media/book_reviews/non-fiction/jtrodell.html

Robin Odell makes the suggestion that Jack the Ripper was a Jewish shocet or ritual slaughter man, who after the Miller's Court murder was discovered by his own people, and dealt with in accordance to their own brand of justice. The man's identity was never made public. The police at the time considered the possibility that the Ripper may have been a Jewish slaughter man and made visits to Jewish abattoirs.

http://www.casebook.org/ripper_media/book_reviews/non-fiction/cjmorley/170.html
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 25.05.2016 19:48 Uhr
Hallo Lestrade,

also ich bezweifle, dass wir da viel Neues drin finden würden: Das Buch wurde vor 50 Jahren geschrieben, da waren viele uns heute bekannte Quellen noch gar nicht gefunden.
Außerdem hege ich den Verdacht, dass diese These von rituellen Schlachtungen einen antisemitisch angehauchten Hintergrund hat.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 25.05.2016 23:38 Uhr
Hallo Arthur!

Robin Odell war mir hier und da ein Begriff, ich sah ihn auch schon in einer Ripper Doku und wusste auch dass er mit anderen zusammen im Buchbereich aktiv war.

Einer der anerkanntesten Ripperologen, Stewart Evans, war sehr angetan vom bereits angesprochenen Buch als auch vom 2009er "Written and Red: The Jack the Ripper Lectures" des Robin Odell, siehe hier:

http://forum.casebook.org/showthread.php?t=3186

Das wir es bei Odell mit einem "Fachmann" zu tun hätten, sollte diese Auswahl wohlmöglich bestätigen:

https://www.waterstones.com/author/robin-odell/152408

Er wird oft als "Gentleman" beschrieben und ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand wie Stewart Evans Mr. Odell auf diese Weise würdigt, falls dort irgendwo eine "These von rituellen Schlachtungen (mit) einem antisemitisch angehauchten Hintergrund" vorkäme. Sicher kann ich mir diesbezüglich nicht sein, da ich diese Werke nicht kenne (oder zumindest nicht mehr erinnern kann, eines früher mal gelesen zu haben).

Vielleicht würde es Sinn machen, sein "Jack the Ripper in Fact and Fiction" (neu 2008), "Written and Red: The Jack the Ripper Lectures"(2009) und "Ripperology..." (2006) mal alle zu lesen um diese Behauptung von 1965 über den "Slaughterman" besser zu verstehen.

Gruß, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 26.05.2016 08:11 Uhr
Hi Lestrade,

ich habe mir das mit Odell nochmal angesehen und revidiere hiermit meine Mutmaßung: Das Buch wird überall als eines der ersten gut recherchierten Werke zum Thema bezeichnet.

Was mir eben etwas Bauchschmerzen bereitet ist die These, dass seine Gemeinde die Identität von JTR gegenüber der Polizei verheimlicht habe, das hat so etwas von antisemitischer Verschwörungstheorie.

Ansonsten halte ich ja selbst die Hypothese vom - vermutlich jüdischen - psychisch kranken Metzger für die plausibelste.


MfG Arthur Dent


Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 26.05.2016 11:41 Uhr
Guten Morgen Arthur!

Ich bin, was diese These betrifft, erst einmal ganz bei dir (wie man heute so schön sagt). Beachten wir aber, was Anderson so über seinen Verdächtigten schrieb und denken gleichzeitig an Sagar´s Anmerkung, dass es die Freunde seines Verdächtigen für besser hielten, ihn in eine private Anstalt zu schicken. Ich weiß einfach nicht, was es bedeuten soll, "die Identität verheimlichen" und müsste das alles einmal bei Odell im Zusammenhang lesen. Gerade bei Anderson´s Statements muss man von so etwas vielleicht sogar ausgehen. Wahrscheinlich war es auch so, dass man um die Zeit der Sagar -Observation (ca. Dezember 1888), die Irrenanstalten nach einem bestimmten Mann durchforstete. Vielleicht waren es Sagar´s erwähnte Freunde, die den Verdächtigen aus dem Fokus der Polizei bringen wollten. Ich erwähne diezbezüglich gerne diesen rätselhaften Vorfall am 22 November 1888 (keinen Tag nach der Farme Attacke), wo wir nicht wissen, was da überhaupt geschehen war. Ich weiß es nicht aber vielleicht war Sagar für eine kurze Zeit in der Butchers Row nach diesem Datum und den Angehörigen des Verdächtigen gelang es jenen Mann eben irgendwo privat "zu verstecken". Nach seiner Rückkehr tritt Cox auf den Plan... gab es bereits für diesen Mann im Oktober 1888 Verdachtsmomente, wo ebenfall die Angehörigen hilfreich zur Stelle waren, dann klingt das auch erst einmal nach "Verschwörung", könnte aber in der Realität alles so passiert sein.

Ich finde unsere Diskussion hier (schon länger) für sehr inspirierend und überlege gerade, mir die Bücher von Odell zu besorgen. Möglicherweise könnten diese sehr anregend für weitere Überlegungen sein.

Wenn ich mich an Odell in dieser Doku erinnere (ich weiß jetzt nicht, in welcher), dann ging er von einem unauffälligen (reinen) Psychopathen aus. In seinem Falle dann wohl von einem jüdischen Schlächter. In unseren Fällen (Levy und Kosminski) gehen wir zwar auch von etwas ähnlichem aus, allerdings noch zusätzlich im Background mit einer schweren geistigen Erkrankung, wie Formen der Schizophrenie, durch was auch immer ausgelöst, ausgestattet.

Gruß, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Shadow Ghost am 26.05.2016 12:44 Uhr
Hier der Times-Artikel vom 3. April 1889:

POLICE
At the GUILDHALL, yesterday, before Mr Alderman Wilkin, GEORGE WILKINS, described as a labourer, 19 years of age, was charged with breaking and entering premises situate at No. 5, Duke-street, Aldgate, and stealing therefrom a package of serge, value seven guineas, the property of Mr. E. Bell, C.C. On the evening of the 26th of March, Detective-sergeant Pentin noticed the prisoner in King William-street; he was wheeling a barrow. The officer's suspicions were raised, and he followed the accused into Mitre-square, Aldgate, and from there to 5, Duke-street. Here he entered the premises, but, after a short time, he came out, and, having taken a sack from the barrow, re-entered the premises. Pentin waited outside, and as the prisoner did not come out he communicated with Detective-sergeant Sagar. Both officers then searched the warehouse, and on the top floor they found the prisoner; he had his boots off. In Mr. Bell's wareroom a large package of serge had been moved, and a label that was on it had been taken off. This was found in the prisoner's pocket. A previous conviction was proved by a sessions warder, and the prisoner was committed for trial.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 26.05.2016 18:06 Uhr
Hallo Lestrade!

Zitat
Beachten wir aber, was Anderson so über seinen Verdächtigten schrieb und denken gleichzeitig an Sagar´s Anmerkung, dass es die Freunde seines Verdächtigen für besser hielten, ihn in eine private Anstalt zu schicken. Ich weiß einfach nicht, was es bedeuten soll, "die Identität verheimlichen" und müsste das alles einmal bei Odell im Zusammenhang lesen.


Nun ja, ich sehe da schon ein paar Unterschiede zu meiner These und der von Odell (zumindest so, wie ich sie jetzt aus den Rezensionen kenne):

Ich halte es für wahrscheinlich, dass seine Familie und Freunde unseren Verdächtigen in eine private Anstalt steckten, vermutlich einfach deshalb, weil er offensichtlich verrückt geworden war und sie seine wachsende Unberechenbarkeit und Gefährlichkeit bemerkten - unabhängig davon, ob sie nun tatsächlich Verdacht geschöpft hatten, er könne möglicherweise der Ripper sein, oder nicht.

Aber dass nicht seine Nächsten, sondern die jüdische Gemeinde sich ihm angenommen hätte, und zwar WEIL sie ihn für den Ripper hielt, und ihn im Geheimen vor ihre eigene Gerichtsbarkeitkeit stellte und dies vor den Behörden und der Öffentlichkeit vertuschen wollte, das hat eine ganz andere Qualität. Das wäre eine Verschwörung.

Bei meiner These könnte eine Verheimlichung der Identität auch ganz einfach aufgrund privater Überlegungen der Familie, was ihren Ruf angeht o.ä. geschehen sein, oder genau weil man verhindern wollte, dass (ihrer Meinung nach falsche) Verdächtigungen im Zusammenhang mit den Morden aufkommen könnten.

Im anderen Fall wäre es eine bewusste Vertuschung von Morden durch die Offiziellen der jüdischen Gemeinde gewesen. Ich halte es aber für plausibler, dass die jüdische Gemeinde, nicht nur aus Respekt vor dem Gesetz und den Opfern, sondern auch gerade wegen des Antisemitismus einen solchen Mörder der Justiz ausgeliefert hätte - um damit ganz klar zu machen, dass solche Leute keinen Schutz bei ihnen finden.


Zitat
Wahrscheinlich war es auch so, dass man um die Zeit der Sagar -Observation (ca. Dezember 1888), die Irrenanstalten nach einem bestimmten Mann durchforstete. Vielleicht waren es Sagar´s erwähnte Freunde, die den Verdächtigen aus dem Fokus der Polizei bringen wollten.

Die Polizei hat ja laut einem Artikel des The Bristol Mercury vom 29. Dezember 1888 in der Tat die privaten Sanatorien überprüft, wie du weißt:
"The Dublin Express London correspondent on Thursday gave as the latest police theory concerning the Whitechapel murderer, that he has fallen under the strong suspicion of his near relatives, who to avert a terribly family disgrace, may have placed him out of harm's way in safe keeping. As showing that there is a certain amount of credence attached to this story, detectives have recently visited all the registered private lunatic asylums, and made full inquiries as to the inmates recently admitted." (The Bristol Mercury, 29. Dezember 1888)
Aber ob seine Angehörigen das nun getan haben, weil sie ihn aus der Schusslinie holen wollten, oder schlicht und einfach nur, weil er ihnen zu verrückt wurde...  Keine Ahnung.


Zitat
Ich erwähne diezbezüglich gerne diesen rätselhaften Vorfall am 22 November 1888 (keinen Tag nach der Farme Attacke), wo wir nicht wissen, was da überhaupt geschehen war.

Äh, ich auch nicht, ich stehe gerade auf dem Schlauch... auf welchen rätselhaften Vorfall spielst du an?


Zitat
Wenn ich mich an Odell in dieser Doku erinnere (ich weiß jetzt nicht, in welcher), dann ging er von einem unauffälligen (reinen) Psychopathen aus. In seinem Falle dann wohl von einem jüdischen Schlächter. In unseren Fällen (Levy und Kosminski) gehen wir zwar auch von etwas ähnlichem aus, allerdings noch zusätzlich im Background mit einer schweren geistigen Erkrankung, wie Formen der Schizophrenie, durch was auch immer ausgelöst, ausgestattet.


Diese These vom Psychopathen hatte ich anfangs hier im Forum ja auch vertreten, wie du dich vielleicht erinnerst. Schließlich bin auch ich davon aber abgekommen, und zwar vor allem aus zwei Gründen:
Erstens wegen der Äußerungen der Polizisten, dass ihr Hauptverdächtiger schließlich eingewiesen wurde, und zweitens wegen genauerer Lektüre der Verstümmelungen von Kelly. Der Täter hat sie dermaßen wild zerhackt, dass er offensichtlich völlig die Kontrolle verloren haben muss. Das sieht mir nicht mehr nach der typischen "kalten Aggression" eines Psychopathen aus, für den totale Kontrolle im Mittelpunkt seiner psychischen Bedürfnisse steht. Daher tendiere auch ich nun schon seit einiger Zeit zur Theorie vom "crazy jewish butcher".


MfG, Arthur Dent



P.S. Je mehr ich über Sagars Einsätze lese, desto mehr erhärtet sich meine Vermutung, dass die Gegend um Aldgate sein primäres Einsatzgebiet war.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 26.05.2016 21:09 Uhr
Hi Arthur!

Ich mache mal folgenden Vorschlag:

Ich werde versuchen, mir diese drei Ripper- Bücher von Odell zu besorgen. Mir scheint das, alles in allem, sehr interessant. Meine Partnerin gelingt es immer wieder, im Ausland, überwiegend England, gesuchte Bücher sehr günstig zu ergattern (während ich das schreibe, hat sie auch schon zwei bestellt, dass dritte ist uns noch zu teuer, Fact and Fiction ist allerdings dabei). Nach dem Lesen bin ich dann vielleicht auch schlauer. Wird natürlich eine Weile dauern, bis ich darauf zurückkommen kann.

(Ich bin auch gerne bereit Arthur, dir das Buch nach dem Lesen zu leihen, denn ich bin da wirklich an deiner Meinung interessiert)

Zu dem Vorfall am 22 November 1888 habe ich hier schon öfters geschrieben. Das letzte Mal war hier, glaube ich:

http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1725.15.html

Vielleicht liest du von Post 19 bis Post 35 einmal nach. Es war eine Diskussion zwischen Shadow und mir. Im letzten Post finden auch noch einmal Cox und Sagar Erwähnung genauso wie die Greenfield Street. Das war ja nicht lange vor der Einweisung von Aaron Kozminski und jene Straße war der Wohnort der Aaron-Geschwister Matilda und Isaac (nebenan in der Yalford Street lebte der Bruder Woolf).

Ich persönlich würde sagen, Krankheit und Verdacht müssen sich ja nicht gegenseitig beim Handeln von etwaigen Angehörigen ausgeschlossen haben. Zu Kozminski´s Familie gehörte ein Rabbi, Israel Lubnowski. Ende letzten Jahres hatten wir eine Diskussion (mit Chris Philips und Robert Lintford) im JTRForums über diesen Israel Lubnowski. Es ist nicht ganz klar, ab wann er in London war. Für offenbar eines seiner Kinder, eine Tochter, gibt es einen Krankenhauseintrag für April/Mai 1887. Er könnte bereits nach der Volkszählung 1881 eingereist sein, wie eben auch Woolf, seine Frau Betsy und Aaron. Aber diese Tochter wurde, anderen Angaben zu Folge, noch in Polen geboren, also 1885. Das gleiche gilt für zwei jüngere Geschwister, die ebenfalls in Polen (ca. 1887 und 1889) geboren wurden. Das ganz jüngste dann in London (1891). Man könnte zumindest annehmen, dass die Mutter nicht in London sondern in Polen jene zwei Kinder gebar, obwohl diese Familie schon in London ansässig gewesen war. Warum, wieso, weshab wüsste ich nicht. Die 1887 Adresse wäre dann Batty Gardens gewesen, das war im Prinzip unmittelbar an der Adresse Woolf Abrahams, Berner Street 1882 gewesen (neben dem Dutfields Yard). Ich habe keine Ahnung, wie solch ein Rabbi unterwegs war aber es gibt die Möglichkeit, dass er nur temporär in London in den 1880ern aktiv war. Alleine oder mit Familie. In der Familie und überhaupt in dieser Gemeinschaft sollte auch dieser Rabbi einen hohen Stellenwert besessen haben. Es wäre genauso gut möglich, dass jenen Rabbi im Herbst 1888 die Botschaft in Polen erreichte, dass man gewisse Probleme mit Aaron hat und dieser dann erneut nach London reiste. Ich denke aber weiß es nicht, dass solch ein Rabbi- Minister bestimmte Einflüsse und Kontakte hatte, um solch eine schwierige Angelegenheit zu regeln. In 1891 finden wir die gesamte Rabbi Familie dann in der Yalford Street, wo er in der Zwischenzeit wieder ganz nahe an Matilda und Isaac wohnte. Woolf muss aus dieser Straße dann Ende 1889/ Anfang 1890 wieder weggezogen sein, in den Sion Square. Auch Matilda und Isaac verschwanden dann plötzlich nach Aaron´s Einweisung aus ihren Wohnorten in der Greenfield Street. Ob Aktivitäten von höheren jüdischen Einflüssen dann eine Verschwörung gewesen wären, ich weiß es nicht. Es kommt ja immer auf den ganz persönlichen Eindruck an, den dabei jene Personen haben. Was denke sie und warum denken sie so? Fakt scheint jedoch zu sein, dass es keine wirklich gerichtlichen Beweise im Falle Kosminskis gab, sondern nur Indizien, gewisse Überzeugungen. Selbst wenn Angehörigen den Verdacht hatten, wie sicher und überzeugt waren sie wirklich? Was reden sich Leute ein? Ich weiß das alles nicht. Ich denke in dieser Richtung auch für den jüdischen Zeugen im Seaside Home. Lag es wirklich daran, dass er einen Glaubensbruder nicht an den Galgen liefern wollte, wie von Anderson und Swanson beschrieben? Wir wissen ja überhaupt nicht was da zu bezeugen gewesen war, wir wissen nicht, inwieweit der Zeuge wusste um was es dabei auch grundsätzlich ging. Kann doch sein, dass er einen schwerkranken und hilflosen Verdächtigen sah, ihn wiedererkannte und es ihm nicht gefiel, dass die Polizei kurz drauf schon dessen Erhängung feierte. Vielleicht tat ihm der Verdächtige leid und auch ein solches Gehabe und er sagte im Anschluß, "Hey Leute, aber 100prozentig sicher bin ich mir dann doch nicht".

Wie hätten wir reagiert, wenn du der Bruder eines solchen Verdächtigen gewesen wärst? Du ezählst mir den Vorfall, berichtest nur von Indizien, deinem eigenen Verdacht aber bist einfach nicht sicher. Ich, als weiterer Angehöriger, kann helfen und tue das auch, weil wir beide wissen, dass dein Bruder sehr schwer krank ist. Wollen wir ihn der Polizeijagd aussetzen oder schauen wir lieber, was wir ihm gutes tun können? Vielleicht ist er ja gar nicht der gesuchte Mörder? Anders verhält es sich, wenn du einen klaren Beweis für seine Täterschaft hättest. Dann übergeben wir ihn, aus unserem Rechtsempfinden heraus, der Polizei. Tun wir das nicht, handeln wir illegal und beginnen eine Verschwörung, aus eigenem Schutz oder zu Schutze unserer Gemeinschaft...

Ich weiß nicht, was damals wirklich passiert war. Weiß nicht, ob Angehörige den ihrigen beschützen wollten, weil er krank war und grundlos (aus ihrer Sicht) von der Polizei beschuldigt wurde oder ob sie Wissen hatten, dass er der gesuchte Mörder war. Oder aber ob Menschen aus dieser Gruppe entweder so oder so dachten...

Wenn ich allein bei Aaron Kozminski bleibe, ein naher Verwandter war ein Rabbi und wenn jener Aaron einer der Hauptverdächtigen gewesen war, dem man (zumindest lange) nichts beweisen konnte, dann hatte dieser Rabbi mit Sicherheit davon gewusst und er hätte seinen Part gespielt. Wenn ich mich recht erinnere, musste im jüdischen Recht jemand wahrhaftig bei einer schlimmen Tat von 1 oder 2 Personen gesehen werden, die auch wirklich darauf schwören mussten. Das war offenbar nicht der Fall, eben auch nicht für das englische Recht. Selbst bei einer eigenen starken Überzeugung der Schuld, hätte das für den jüdischen Rechtsmenschen wahrscheinlich keine Verschwörung bedeutet, sondern ein "normales Handeln", sprich ersteinmal Schutz. Allerdings hätte im Falle von Kosminski, die Übergabe des Mannes von einer privaten Anstalt in eine öffentliche, eine Art "Verabredung" mit dem englischen Recht stattgefunden haben können. Den eines wäre dann gesichert gewesen, der Verdächtige würde nie wieder eine Anstalt als freier Mann verlassen. Genau das klingt dann nach einer wirklichen Verschwörung.

Gruß, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 26.05.2016 21:13 Uhr
Hier der Times-Artikel vom 3. April 1889:

POLICE
At the GUILDHALL, yesterday, before Mr Alderman Wilkin, GEORGE WILKINS, described as a labourer, 19 years of age, was charged with breaking and entering premises situate at No. 5, Duke-street, Aldgate, and stealing therefrom a package of serge, value seven guineas, the property of Mr. E. Bell, C.C. On the evening of the 26th of March, Detective-sergeant Pentin noticed the prisoner in King William-street; he was wheeling a barrow. The officer's suspicions were raised, and he followed the accused into Mitre-square, Aldgate, and from there to 5, Duke-street. Here he entered the premises, but, after a short time, he came out, and, having taken a sack from the barrow, re-entered the premises. Pentin waited outside, and as the prisoner did not come out he communicated with Detective-sergeant Sagar. Both officers then searched the warehouse, and on the top floor they found the prisoner; he had his boots off. In Mr. Bell's wareroom a large package of serge had been moved, and a label that was on it had been taken off. This was found in the prisoner's pocket. A previous conviction was proved by a sessions warder, and the prisoner was committed for trial.


Herzlichen Dank!
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 27.05.2016 20:08 Uhr
Hallo Lestrade!


Zitat
Ich werde versuchen, mir diese drei Ripper- Bücher von Odell zu besorgen. Mir scheint das, alles in allem, sehr interessant.

Ich bin schon auf deinen Bericht gespannt.


Zitat
Zu dem Vorfall am 22 November 1888 habe ich hier schon öfters geschrieben.

Ich habe das mit dem Vorfall noch einmal nachgelesen. Eine interessante These, die du da aufgestellt hast mit Aarons Schwester.

Nur nochmal zur Klärung: Du meinst aber mit dem Zeugen, der die Aussage zurückgezogen hat, jetzt nicht nur seine Schwester, sondern noch eine weitere Person, die was gesehen hat, oder?
Das wären dann ja zwei Zeugen, die ihre Aussage zurückgezogen hätten.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 27.05.2016 21:27 Uhr
Nabend Arthur!

Ich musste jetzt selbst erst einmal überlegen. Das habe ich damals im JTRForums ausführlicher erklärt.

Vom Sinn her ging es um folgendes:

Aaron Kozminski könnte seine Schwester attackiert haben und es gab dabei einen Zeugen. Matilda verzichtete jedoch auf eine Anzeige und spielte den Vorfall herunter. Später überlegte Sie sich das und es kam zur Seaside Home ID mit dem unbekannten jüdischen Zeugen, der jedoch nicht mitspielte...

Auch wenn der hier beschriebene Vorfall bereits im November 1888 stattfand, möchte ich nicht ausschließen, dass es zumindest einen weiteren Vorfall dieser Art auch später gegeben haben könnte. Es ist statistisch erwiesen, dass schizophrene Menschen (für mich) überraschenderweise sehr oft eigene Angehörige attackieren und deshalb wollte ich den von Jacob Cohen erwähnten Vorfall nicht unbedingt als Einzelfall abtun. Bei Aaron´s Einweisung Anfang 1891 sprach Jacob Cohen ja davon und es klang, so könnte man meinen, als ob dieser Vorfall erst kürzlich stattgefunden hatte und mit ein Grund war, Aaron nun entgültig einzuweisen. Dazu kommt, dass wir ja überhaupt nicht wissen, wann die Seaside Home ID stattfand. Ein solcher Vorfall, auch sei es die eigene Schwester gewesen, wäre für die Polizei sehr interessant gewesen, wenn ein Zeuge die Attacke beobachtet hätte und er gesehen hätte, wie der Angreifer versuchte die Kehle des Opfers mit einem Messer zu erreichen. Gerade auch dann, wenn der Verdächtige bereits unter starken Verdacht stand. Ich selber bin schon länger nicht mehr davon überzeugt, dass keiner der besten jüdischen Zeugen, Schwartz oder Lawende, der unbekannte Zeuge im Seaside Home war.

Das alles sind natürlich nur Erklärungsversuche und Versuche Alternativen für das ganze Seaside Home Szenario zu finden. Genauso sehe ich aber eine gewisse Chance, wie wir bereits neulich diskutierten, dass der Zeuge aus dem Miller´s Court stammen könnte. Der Zeuge bei einem möglichen Vorfall Matilda- Aaron hätte diese nicht als Geschwister ausgemacht haben müssen.

Dieser Jacob Cohen ist für mich auch besonders interessant, gerade bezüglich der Butchers Row Aussagen von Sagar, weil er ein sehr erfolgreicher Butcher aus Manchester gewesen war, der auch zu jener Zeit geschäftlich in London zu tun hatte und kurzzeitig sogar ein Unternehmen mit Aaron´s Bruder Woolf hatte, im Mantelgeschäft. Er war auch ein geborener Kozminski, der später nach Südafrika auswanderte (von wo er auch einwanderte). Man kann deshalb auch nicht ausschließen, dass er Verbindungen in die Butchers Row hatte. Auch die "Jacobs" Theorie als auch Aaron´s Dezember 1889 Aussage selber (Hundevorfall), dass der Hund einem "Jacobs" gehörte bringt mich zurück zum Schlachterbusiness von Jacob Cohen. Sagar sprach ja von "his friends" und immerhin war die anwesende Person (Jacob Cohen) bei Aaron´s Einweisung ein Butcher.

Es gibt immer wieder so Sachen, die man mit der Zeit erfährt und bestimmte Dinge in einem anderen Licht erscheinen lassen. Ich habe gelernt immer weiter vorsichtiger zu werden und mir vieles offen zu lassen. So auch in Sachen Matthew Packer, der gerne etwas heruntergespielt wird (vielleicht auch zurecht). So berichtete Packer, dass kurz nach dem Kelly Mord, ein Verwandter eines möglichen Verdächtigen auf ihn zukam. Jemand, der ganz in der Nähe wohnte. Er behauptete ja bereits Stride mit einem Mann gesehen zu haben, den er kannte und der ebenfalls aus der Nähe stammte. Es könnte so gewesen sein, dass dieser Verwandte den Verdächtigen nicht finden konnte und das nährte auch meine Theorie, dass Aaron Kozminski zunächst nach dem Kelly Mord verschwand. Dieser Verwandte könnte Morris Lubnowski, der Ehemann von Matilda, gewesen sein. Packer wohnte auf der Strecke zwischen den Wohnungen von Matilda und Isaac (Greenfield Street) und der Adresse von Woolf in der Providence Street in der Berner Street. Auch wenn Woolf im Oktober aus der Providence Street wegzog, muss die Wohnung dort nicht gleich vollends aufgegeben worden sein (gerade auch dann, wenn Auftragsarbeiten fürs Schneidergeschäft dort ausgeführt wurden). Packer könnte diese Familie gekannt haben und Morris befragte ihn ob er Aaron in der Zwischenzeit gesehen hatte. Einem zusätzlichen Eintrag in einem bekannten Bericht von Swanson an das Innenministerium zufolge, nahm Packer sich offenbar sogar einen Anwalt. Entweder nahm sich Packer selbst sehr wichtig oder aber er war tatsächlich wichtig und wurde erst kommunikativer mit der Polizei, als sich die "Detektive" Le Grand und Bachelor einschalteten. Es ist doch gut möglich, dass er der Polizei zunächst nichts sagte, weil er den Mann den er mit Stride sah, gut zuordnen konnte und keinen Ärger wollte. Auch sprach Packer davon, den gesehenen Mann auch noch einmal wiedergesehen haben zu wollen (Ecke Greenfield Street) als auch davon bedroht worden zu sein.

Konnte Packer bestätigen, dass er Aaron Kozminski in jener Nacht mit Stride sah und konnte der PC vom Mitre Square in die gleiche Kerbe hauen, indem er sagte, der Verdächtige ähnle dem Mann der er sah, welchen er auch vom Sehen her kannte, dann wäre Aaron Kozminski zweimal in einer Nacht von zwei Zeugen mit zwei Opfern "gesehen" worden (auch wenn beide Zeugen keinen "Mord" sahen). Das wäre für Kosminski natürlich fatal gewesen, gerade auch dann, wenn die blutige Wäsche in der Batty Street auch ihm gehört hätte. Nun stellen wir uns vor, dass die Attacke Matilda- Aaron wirklich stattfand, dann könnte auch die Seaside Home ID noch vor Ende 1888 stattgefunden haben. Im Dezember 1888 durchsuchte man private Anstalten und es wäre doch möglich, dass man das tat, weil man eine offizielle ID mit dem Zeugen vom 22 November durchziehen wollte. Abgesehen davon, ob Matilda nun diesen Vorfall anzeigte oder nicht. Im Zusammenhang mit den anderen Indizien hätte eine positive ID vielleicht sogar ausgereicht. In solchen Falle würde ich mich auch nicht von Swanson´s Aussage, "nach der Rückkehr in das Haus seines Bruders" abschrecken lassen. Es ist ja anzunehmen, dass der Verdächtige zur ID aus einer Anstalt geholt wurde und im folgenden auch immer wieder in einer (privaten) untergebracht wurde. Die Observationen als auch die Kontrolle über diesen Verdächtigen könnte die City Police gehabt haben und nicht die MET (Swanson). Als Swanson die ID beschrieb, egal für welchen Zeitraum, hätte er nicht gewusst haben müssen, dass der Verdächtige auch immer wieder Zeiten in Freiheit hatte, wenn vielleicht auch nie für lange. Viele denken, dass der Verdächtige direkt von der ID zurück zu seinem Bruder kam und vergessen dabei, dass er Insasse einer Anstalt gewesen war. Nehmen wir mal an, die ID fand im July/ August 1890 statt. Bevor er zu seinem Bruder zurückkehren konnte, könnten 5, 6 Monate vergangen sein. Sicher ist nur, dass er dann nur kurz bei seinem Bruder war, bevor es nach Colney Hatch ging.

Egal wie, der Vorfall am 22 November 1888 hätte an einem der Orte stattgefunden haben können, die Kosminski gewohnt war zu besuchen. Sie wurden von der Polizei observiert und als es zur Auseinandersetzung (Aaron kehrte plötzlich zurück) mit Matilda kam, war die Polizei sofort zur Stelle. Spuren vom Kelly Mord wären dann sicherlich nicht mehr an ihm auffindbar gewesen.

Ich kann mir gut vorstellen, dass all diese Überlegungen dem ähnlich war, was Macnaghten über Kosminski sagte:

"Many circumstances and a strong suspect"

Wir wissen das alles leider nicht. Aber sollten jemals Akten von Kosminski gefunden werden, in welchen steht dass er von Packer und dem Mitre Square PC gesehen wurde, das die blutige Wäsche aus der Batty Street ihm gehörte, dann könnte ich Swanson als auch Anderson gut verstehen, verstehen was Macnaghten mit seinen Aussagen meinte... aber das ist wohl alles nur Wunschdenken...

Gruß, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 28.05.2016 09:12 Uhr
Hallo Lestrade!


Zitat
So auch in Sachen Matthew Packer, der gerne etwas heruntergespielt wird (vielleicht auch zurecht). So berichtete Packer, dass kurz nach dem Kelly Mord, ein Verwandter eines möglichen Verdächtigen auf ihn zukam. Jemand, der ganz in der Nähe wohnte. Er behauptete ja bereits Stride mit einem Mann gesehen zu haben, den er kannte und der ebenfalls aus der Nähe stammte.


Also für mich ist Packer kein brauchbarer Zeuge. Schon die Polizei (inklusive Swanson) hielt ihn für unglaubwürdig, weil er sich in zuviele Widersprüche verwickelte. Meiner Meinung nach war der alte Mann bestenfalls ein schlechter Zeuge, wahrscheinlicher aber ein Wichtigtuer, der sich in der Aufmerksamkeit sonnen wollte, die ihm plötzlich als möglicher Zeuge zuteil wurde - und so erfand er vermutlich einfach etwas.
Allein schon diese Behauptung, der Mann hätte bei ihm für Stride Trauben gekauft, aber bei der Obduktion konnten keine Trauben in Strides Magen gefunden werden.

Außerdem halte ich es für extrem unwahrscheinlich, dass JTR allzulange mit seinen potentiellen Opfern um die Häuser zog und ihnen gar bei Händlern etwas kaufte wie bei einem Date:
Dagegen spricht erstens JTRs Hass gegen diese Frauen. Außerdem war das Risiko zu hoch. Je länger er mit ihnen in der Öffentlichkeit herumzog, desto mehr Zeugen gab es - und desto größer war die Wahrscheinlichkeit, dass er jemandem begegnete, der ihn sogar kannte. JTR wird die Sache in der Öffentlichkeit so kurz wie möglich gehalten und mit den Prostituierten das "Geschäft" schnell  klargemacht haben, damit sie zügig in eine dunkle Ecke verschwinden konnten.

Packers Zeitangaben variierten stark zwischen 23 Uhr und 0.15 Uhr, das wäre mindestens eine halbe Stunde bis gar über eineinhalb Stunden vor dem Mord (0.45 - 1 Uhr) - bis dahin hätte Liz erstens die Trauben längst gegessen und zweitens hätte sie schon wieder jemand anderen getroffen haben können.

Und wofür hätte Packer sich einen Anwalt holen sollen? Damit der ihn mit Paragraphen vor JTR schützt? Falls er sich tatsächlich einen holen wollte, dann wohl eher, weil er befürchten musste, dass die Polizei ihm Ärger machen würde, vermutlich wegen Falschaussage und Behinderung der Ermittlungen.

Sorry, aber Packer ist für mich als möglicher Zeuge schon lange abgehakt.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 28.05.2016 12:43 Uhr
Hallo Arthur!

Also für mich ist Packer kein brauchbarer Zeuge. Schon die Polizei (inklusive Swanson) hielt ihn für unglaubwürdig, weil er sich in zuviele Widersprüche verwickelte. Meiner Meinung nach war der alte Mann bestenfalls ein schlechter Zeuge, wahrscheinlicher aber ein Wichtigtuer, der sich in der Aufmerksamkeit sonnen wollte, die ihm plötzlich als möglicher Zeuge zuteil wurde - und so erfand er vermutlich einfach etwas.

Ja, er war bereits ein älterer Herr! Er hatte nach der ersten Befragung durch die Polizei nichts gesehen oder gehört. Danach hielt er die Polizei aber für 7-8 Wochen in Schach. Warum ging die Polizei nach der ersten Befragung noch einmal zu ihm? Er sollte Stride identifizieren. Als die Polizei wieder da war, war er bereits mit den Privatdetektiven unterwegs. Die brachten ihn zuerst zu Eddowes, das war ein Test, er erkannte die Frau nicht wieder. Stride erkannte er dann wieder. Die Identifikation von Stride an sich, erfolgte nicht gleich (die Polizei hatte Mühe). Als er die erste Aussage machte, konnte er ja nicht über etwas ungewöhnliches Berichten. Er sah, seiner Meinung nach, nur ein Pärchen, wo er die Personen vom Sehen her kannte. Sie kauften Trauben und standen danach auf der Straße. Packer sprach von Regen aber den anderen Zeugen zu Folge und auch der trockenen Kleidung von Stride sowie den Wetterdaten nach, kam dieses Pärchen zu ihm, als es gerade aufhörte zu regnen. Es ist stark anzunehmen, dass er das Pärchen etwas später sah (er selbst machte unterschiedliche Angaben). Kurz vorher gab es jedoch einen kräftigen Schauer. Da wohl keine weiteren Kunden mehr zu erwarten waren, bei eben diesem Wetter, schloss er sein Geschäft. Wir hatten Diskussionen in mehr als einen Faden im Casebook vor nicht allzulanger Zeit wo Packer im wieder ins Gespräch kam. Das waren mit die besten Diskussionen die ich erlebte und bei vielen Interessierten besitzt Packer durchaus Glaubhaftigkeit. Mit dabei war der Autor Tom Wescott, eigentlich jemand, der Packer keine Bedeutung beimisst. Ich erwarte mit Sehnsucht sein neues Buch über das Berner Street Geheimnis und bin gespannt, wie er Packer dort nun behandeln wird. Swanson hielt Packers unterschiedliche Aussagen für wertlos, da sie sich widersprachen. Das muss nicht bedeuten, dass er ihn für unglaubwürdig hielt.

Allein schon diese Behauptung, der Mann hätte bei ihm für Stride Trauben gekauft, aber bei der Obduktion konnten keine Trauben in Strides Magen gefunden werden.

Aber Sie hatte Fruchtflecken auf ihrem Schal! Die Obduktion von Stride fand am Montag den 1 Oktober 1888 um 15 Uhr statt. Stride wurde am Sonntagmorgen, den 30 September 1888 gegen 1 Uhr ermordet. 38 Stunden nach ihrer Ermordung wurde ihr Magen untersucht. Die Magensäure hört nicht mit dem Tod auf zu wirken. Dazu kommt, dass Stride eine Reihe Zähne fehlten. In den Casebook Diskussionen erwähnte einige, dass sie selber Kerne als auch harte Schalen beim Essen von Weintrauben ausspucken. Meine Mutter tat dies (je nach Sorte) sehr oft, da ihr ebenfalls eine Reihe Zähne fehlten. Ich, obwohl in Besitz eines lückenlosen Gebisses, tue das auch manchmal. In unserem Garten in unserem alten Domizil (Umzug ist am 1 Juni jetzt vorbei) haben wir eine Sorte Weintrauben, bei denen ich das auch tat. Sie hat harte Schalen und große Kerne. Deshalb machten wir eher Saft bzw. Marmelade daraus.

Außerdem halte ich es für extrem unwahrscheinlich, dass JTR allzulange mit seinen potentiellen Opfern um die Häuser zog und ihnen gar bei Händlern etwas kaufte wie bei einem Date:

Aber der Mann den Cox beobachtete, ging eine beachtliche Zeit mit einer Prostituierten spazieren!

Und wofür hätte Packer sich einen Anwalt holen sollen? Damit der ihn mit Paragraphen vor JTR schützt? Falls er sich tatsächlich einen holen wollte, dann wohl eher, weil er befürchten musste, dass die Polizei ihm Ärger machen würde, vermutlich wegen Falschaussage und Behinderung der Ermittlungen.

Kurioserweise war die Polizei in Kontakt mit Packer, während die "Batty Street" Observation stattfand. Die Presse stellte dann um den 20 Oktober herum fest, dass Packer plötzlich sehr zurückhaltend wurde. Die Observation sollte ganz in seiner Nähe stattgefunden haben und dies würde auch zu seiner Behauptung passen, dass der gesehene Mann ganz in der Nähe lebte.

Ich kann nicht sagen, ob es sich tatsächlich um einen Anwalt handelte. Das ist freilich mit Vorsicht zu genießen. Die Angabe (13 November 1888) machte ein gewisser H. Hales. Es gab einen Anwalt zu der Zeit, einen H. Hale. Der Stempel des Polizeibeauftragten setzte man am 14 November darauf.

Hales:

states that Mr. Packer believes the murder to be his own cousin

Dies ist zunächst sehr verwirrend, könnte sich jedoch mit dem hier erklären:

Manchester Guardian 19 November 1888:

The statement made by a man to Packer, the fruit seller of Berner-street, that he was of opinion that his cousin had committed the foul deeds, is still being investigated by the detectives, who are inclined to doubt the veracity of the greater portion of the details. They, however, believe they have found the cousin referred to, and attach little importance to what was at first supposed to be a substantial clue.

Es war wohl eher der Cousin des Mannes mit dem Packer sprach.

Morris Lubnowski war nicht nur der Schwager von Aaron Kozminski sondern auch sein Cousin. Hier würden natürlich auch Israel Lubnowski als auch Jacob Cohen passen.

Packer könnte bis dahin nur Aaron Kozminski mit Liz Stride gesehen haben. Kommt nun ein Angehöriger von Aaron zu ihm und erzählt, dass er glaube, dass sein Cousin Aaron etwas mit den Morden zu tun hätte, dann könnte sich Packer Hilfe gesucht haben. Geschehen dann nach Kelly. Man kann Packer als Wichtigtuer abtun aber auch die Theorie erstellen, dass er zunächst nur eine Beobachtung machte, die er selbst nicht für wichtig hielt und dann aber plötzlich feststellen musste, dass er mitten in den Aktivitäten der Polizei bezüglich eines Mannes, als auch inmitten dessen eigene Familienaktivitäten stand. Und das, obwohl er lediglich eine Stunde, 45 oder 30 Minuten vor dem Mord, jenes Pärchen gesehen hatte.

Gruß, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 28.05.2016 13:59 Uhr
Warum ging die Polizei nach der ersten Befragung noch einmal zu ihm? Er sollte Stride identifizieren. Als die Polizei wieder da war, war er bereits mit den Privatdetektiven unterwegs. Die brachten ihn zuerst zu Eddowes, das war ein Test, er erkannte die Frau nicht wieder. Stride erkannte er dann wieder.

Hier mal den genaueren Ablauf:

Sergeant White musste, geschickt durch Warren, am 4 Oktober noch einmal zu Packer. Man hatte die Zeitung gelesen und erfahren, dass am 3 Oktober Privatdetektive bei Packer waren und ihn in die Leichenhalle zu Eddowes brachten. Er erkannte die Frau nicht wieder, hatte aber nun doch etwas gesehen. Packer sollte nun Stride identifizieren, Sergeant White sollte ihn dafür abholen. Als White am 4 Oktober ankam, war Packer bereits mit den beiden Detektiven bei Stride gewesen, sie kamen gerade von ihr zurück. Er hatte sie wiedererkannt.

Die Detektive hatten die Spur mit den Weintraubenstengeln aufgegriffen. Es war ja logisch, Packer als Obsthändler neben dem Tatort diesbezüglich zu befragen. Es war schlechtes Wetter in der Mordnacht und wahrscheinlich verkaufte er nicht gut. Gut möglich aber, dass er sich an dieses Pärchen erinnerte, die er kannte, dies aber noch zeitlich etwas weiter vor der Tat einordnete. Da war vielleicht kein Grund diese Beobachtung mit dem Verbrechen in Verbindung zu bringen. Weder den Mann, noch die Frau. Ich weiß nicht, ob Packer die Tote im Yard neben ihn als die ihm bekannte Frau zuordnete. Vielleicht kannte er sie nur vom Sehen oder vom Spitznamen her, keine Ahnung. Ich weiß auch nicht, wieviele Prostituierte diesen Yard oder diese Straße für ihr Geschäft nutzten. Aber offenbar erkannte er Stride als die Frau wieder, welcher er in Begleitung eines Mannes Weintrauben verkaufte. Doch gut möglich, dass er den Privatdetektiven die Story mit den Stengeln abkaufte und er dann zugeben musste, dass er den Mann, den er die Weintrauben verkaufte, irgendwie kannte, weil dieser in der "nächsten Straße" beheimatet war. Packer war damals 57 Jahre alt, vielleicht verwirrte ihn das alles, die Fragen der Polizei, der Detektive, der Presse, dass er wohlmöglich einen ("bekannten") unschuldigen Mann einen schlimmen Verdacht aussetzte. Deshalb die unterschiedlichen Angaben in Zeit und Täterbeschreibungen usw. Dann die Observation in seiner Gegend, der Fund der blutigen Wäsche in der Straße gegenüber, plötzlich ein Mann, der (gerade) ihm gegenüber berichtet, dass sein Cousin wohlmöglich mit den Mordtaten zu tun hat.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 28.05.2016 16:18 Uhr
Hallo Lestrade!


Zitat
Er hatte nach der ersten Befragung durch die Polizei nichts gesehen oder gehört. Danach hielt er die Polizei aber für 7-8 Wochen in Schach.

Eben. Genau das ist für mich ein Indiz dafür, dass erst dieses ganze Interesse, das ihm dann zuteil wurde, dazu brachte irgendwas zu erzählen (so wie z.B. Kinder das auch tun) - vermutlich basierend auf ein paar wahren Begebenheiten. 
Erst weiß er nichts, als die Polizei ihn nach Beobachtungen wegen des Mordes befragt, dann kommen diese Detektive und fragen ihn aus, nehmen ihn mit und geben ihm das Gefühl, wichtig zu sein, und danach fängt er an, das Gefühl von Wichtigkeit zu genießen.


Zitat
Warum ging die Polizei nach der ersten Befragung noch einmal zu ihm?

Vielleicht einfach weil sie erfahren hatte, dass die Detektive an ihm dran waren und natürlich überprüfen musste, ob es da nicht doch noch brauchbare Informationen gab, wenn Detektive sich für ihn interessieren?


Zitat
  In den Casebook Diskussionen erwähnte einige, dass sie selber Kerne als auch harte Schalen beim Essen von Weintrauben ausspucken. Meine Mutter tat dies (je nach Sorte) sehr oft, da ihr ebenfalls eine Reihe Zähne fehlten. Ich, obwohl in Besitz eines lückenlosen Gebisses, tue das auch manchmal.

Das ist interessant, an so eine Möglichkeit hatte ich nicht gedacht. Dennoch halte ich es für unwahrscheinlich, dass man dadurch überhaupt keinen Kern und kein Stück Schale in den Bauch bekommt... Aber geringe Mengen könnten natürlich übersehen worden sein, in der Tat.


 
Zitat
  Aber der Mann den Cox beobachtete, ging eine beachtliche Zeit mit einer Prostituierten spazieren!

Cox: "Not far from where the model lodging house stands he met another woman, and for a considerable distance he walked along with her. Just as I was beginning to prepare myself for a terrible ordeal, however, he pushed her away from him and set off at a rapid pace."
Was heißt hier "für eine beträchtliche Distanz"? Einige hundert Meter? Einige Minuten? Bestimmt jedenfalls nicht eine halbe Stunde bzw. zwei Kilometer oder mehr - in der Zeit hätten beide eine ganze Runde ums Viertel drehen können... Und wenn es wesentlich länger als ein paar Minuten gewesen wäre, hätte Cox das auch anders formuliert und eine andere Zeitangabe gemacht, oder gar hinzugefügt, dass sie gemeinsam durch mehrere Straßen zogen, statt zu sagen: "sie gingen eine beträchtliche Strecke nebeneinander her. Gerade als ich mich auf eine quälende Geduldprobe einstellen wollte, stieß er sie von sich weg" - Es war also noch keine quälend lange Zeit, er fürchtete nur, dass es langwierig werden könnte. Das klingt für mich wie maximal ein paar hundert Meter in derselben Straße. Als der Verdächtige in einem Shop verschwand, hat Cox dies ja auch mit einer Zeitangabe versehen und sagte: für etwa eine Viertelstunde - so lang wird das mit der Frau also wohl eher nicht gewesen sein.

Packer sagte, er habe seinen Shop gegen 0.15 Uhr geschlossen. Selbst wenn wir annehmen, dass er Stride und den Mann unmittelbar davor bedient hat, und nicht bereits zwischen 23 Uhr und 23.45 Uhr, wie er angab, wäre der Kerl danach immer noch über eine halbe Stunde mit Stride zusammen öffentlich durch die Straßen gezogen, bevor sie zwischen 0.45 Uhr und 1 Uhr ermordet wurde. Und wenn die Zeitangaben stimmen, sogar über eine Stunde bis zu eindreiviertel Stunden!
Nein: Wenn Packer tatsächlich Stride mit einem Mann als Kunden hatte, war der Kerl höchstwahrscheinlich nicht JTR.


Zitat
  Hales: states that Mr. Packer believes the murder to be his own cousin.
(...)
Es war wohl eher der Cousin des Mannes mit dem Packer sprach.

Sorry, aber das erscheint mir jetzt an den Haaren herbeigezogen: Da sagen ein Anwalt und eine Zeitung, Packer würde seinen eigenen Cousin für den Mörder halten, und die Polizei soll diesen Cousin auch noch überprüft haben - und du interpretierst das einfach mal um, dass es wohl der Cousin dieses Mannes gewesen sein könnte, den er eigentlich gemeint hat...
"My cousin" und "his cousin" bzw. "the cousin of this man" - da bestehen doch gewaltige Unterschiede. Sollten Hales und die Polizei den alten Packer tatsächlich so missverstanden haben, dass sie dessen eigenen Cousin mit dem Cousin des Fremden verwechselt haben? Glaubst du tatsächlich, dass da nicht nachgehakt wurde, wen genau er meint und wie der heißt? Also entweder waren Hales und die Polizisten extrem verwirrt und gerade nicht zurechnungsfähig - oder wohl eher Packer.
Wie steht es im Manchester Guardian vom 19. November 1888, den du zitiert hast, so treffend:
"the detectives, who are inclined to doubt the veracity of the greater portion of the details."

Sorry Lestrade, aber diese Geschichte mit der Verdächtigung seines eigenen Cousins - ein Detail, das ich bisher noch nicht kannte - bestärkt mich vielmehr darin, die Ansicht der Polizei zu teilen, dass Packer kein brauchbarer Zeuge ist.


 MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 28.05.2016 17:11 Uhr
Arthur, was wir hier meist tun, sind Dinge zu interpretieren! So, wie Du Packer´s Aktionen als "Wichtigtuerei" interpretierst. So, wie Du als auch ich Jacob Levy als JtR Verdächtigen "an den Haaren herbeiziehen". So wie Du JtRs Aktionen als "zügig" beschreibst. Wir wissen nicht, welche Zeit Cox meinte und ich interpretiere es so, dass dies wohl eher nicht zügig ablief. Der Zeuge Marshall sah Stride eine Stunde vor der Tat mit einem Mann, der ihm wie ein Seemann vorkam. Das ist eine Beschreibung wie wir sie auch von Lawende kennen als auch für den gesehenen Mann in der Church Lane, vielleicht auch von PC Smith. Du siehst die Möglichkeit, dass Jacob Levy in der Butchers Row arbeitete. Du siehst vielleicht in ihm "Jacobs", den Schlachter. Es gibt nichts was darauf hinweist.

Warum die Polizei noch einmal zu Packer ging, schrieb ich sofort dahinter, nämlich um Stride zu identifizieren. Im letzten Post vertiefte ich die Angelegenheit detaillierter.

Das die Polizei auch in der Batty Street Sache im Oktober den Verdacht am Ende herunterspielte, passt dann aber auch zu der November Story. Im ersten Falle ging der Mann nicht mehr vor die Türe, im zweiten Falle war er vielleicht nicht auffindbar. Es könnte Taktik der Polizei gewesen sein, den Verdächtigen in Sicherheit zu wiegen.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 28.05.2016 18:50 Uhr
Hi Lestrade!


Zitat
Arthur, was wir hier meist tun, sind Dinge zu interpretieren! So, wie Du Packer´s Aktionen als "Wichtigtuerei" interpretierst.

Du hast recht, das habe ich vielleicht etwas einseitig interpretiert mit seinen widersprüchlichen Aussagen und etwas schnoddrig hingeschrieben. Er könnte auch einfach ein schon leicht verwirrter älterer Mann gewesen sein, der nur helfen wollte... Ich ziehe meine Unterstellung gegen Packer hiermit zurück.
Kern des Problems mit Packer ist aber m.E. nach wie vor, dass er wegen der Widersprüchlichkeiten letztendlich als Zeuge nicht brauchbar ist, was auch die Polizei meinte.


Zitat
So wie Du JtRs Aktionen als "zügig" beschreibst. 

Das ist weniger eine Interpretation, als eine vernünftige Schlussfolgerung angesichts der Tatsachen, wie schnell er bei den eigentlichen Morden war und dass er immer davongekommen ist.
Du musst doch zugeben, dass es für einen einheimischen Täter nahezu unmöglich gewesen wäre, stundenlang mit einem späteren Opfer durch die Öffentlichkeit zu laufen, ohne dabei auf zahlreiche Leute zu treffen, die ihn kennen.
Ich bin nur noch selten in meiner Heimatstadt, aber wenn ich mal wieder zu Besuch bin, laufen mir zu allen Tageszeiten regelmäßig mindestens ein halbes Dutzend Bekannte über den Weg.


Zitat
Wir wissen nicht, welche Zeit Cox meinte und ich interpretiere es so, dass dies wohl eher nicht zügig ablief.

In diesem Fall wohl zumindest nicht zügig genug für unseren Verdächtigen. Dass er die Frau schließlich wegstieß, interpretiere ich so, dass der "Geschäftsabschluss" ihm zu lange dauerte, und er deshalb abbrach: Es lief nicht so, wie er wollte bzw. es wurde ihm zu riskant.
Wie gesagt: Wenn die beiden ewig durch die Gegend gelaufen wären, hätte Cox das wohl etwas anders dargstellt.
 

Zitat
Der Zeuge Marshall sah Stride eine Stunde vor der Tat mit einem Mann, der ihm wie ein Seemann vorkam. Das ist eine Beschreibung wie wir sie auch von Lawende kennen als auch für den gesehenen Mann in der Church Lane, vielleicht auch von PC Smith.

Stimmt, aber um mal den Advocatus diaboli zu spielen: London ist nunmal eine Hafenstadt, da liefen jede Menge Seeleute rum, die sich nachts amüsieren wollten. Es ist auch nur eine Interpretation, dass dies immer derselbe gewesen sein könnte.
Hat Packer den Mann übrigens auch als Seemann beschrieben? Soweit ich weiß, nicht: Er beschrieb ihn vielmehr als untersetzt und mit einem Hut mit breiter Krempe...


Im Ernst, wir beide wissen, dass wir spekulieren. Ich spekuliere über den armen Jacob Levy (der sich nicht mehr wehren kann), weil er für mich genau in das Profil passt, dass ich mir angelesen habe. Er ist für mich der Prototyp des "Crazy jewish butcher", jedenfalls solange, bis ich eine Person finde, auf den die paar Informationen, die wir haben, besser passen.
Du spekulierst über Kosminski.


Aber wir können ein paar Überlegungen zur Plausibilität bestimmter Hypothesen in Zusammenhang mit den Morden anstellen.
Und wenn wir davon ausgehen, dass JTR ein Einheimischer war, ist es eine vernünftige Schlussfolgerung, dass er nicht mit seinen Opfern um die Häuser zog, bevor er sie ermordete, sondern so schnell wie möglich mit ihnen in einer dunklen Ecke verschwinden wollte - oder eben sein Vorhaben abbrach, wenn dies nicht funktionierte.
Wir kennen zwei Fälle des Wegstoßens von Frauen: Den Fall Stride und den Fall, den Cox berichtet hat. Das sind für mich Parallelen, die darauf hindeuten, dass er zügig klare Verhältnisse wollte und den Kontakt offenbar lieber abrupt beendete, wenn nicht alles "richtig" lief. Bei Stride sah er sich aber wohl - aus welchen Grund auch immer - gezwungen, sie vorher noch zum Schweigen zu bringen.


Zitat
Warum die Polizei noch einmal zu Packer ging, schrieb ich sofort dahinter, nämlich um Stride zu identifizieren. Im letzten Post vertiefte ich die Angelegenheit detaillierter.

Ja, und du hast explizit dargelegt, dass sie nicht aus eigenen Überlegungen nochmal zu ihm gingen, sondern offensichtlich aufgrund öffentlichen Drucks: Sie hatten in der Zeitung lesen müssen, dass diese Detektive mit ihm zugange waren. Was wäre das wohl für ein Skandal geworden, wenn die Polizei dem nicht nachgegangen wäre, aber Packer diesen Detektiven vielleicht doch noch hilfreiche Informationen hätte geben können? Die Polizei musste sich weiter mit ihm abgeben, und wenn vielleicht auch nur, um sich abzusichern.


Zitat
Das die Polizei auch in der Batty Street Sache im Oktober den Verdacht am Ende herunterspielte, passt dann aber auch zu der November Story. Im ersten Falle ging der Mann nicht mehr vor die Türe, im zweiten Falle war er vielleicht nicht auffindbar. Es könnte Taktik der Polizei gewesen sein, den Verdächtigen in Sicherheit zu wiegen. 

Das kann gut sein, dass sie Verdächtige in Sicherheit wiegen wollten, die Polizei hielt ja offensichtlich einige Informationen zurück. Nur glaube ich nicht, dass dies irgendwie mit Packer in Zusammenhang stand, sonst hätte Swanson ihn ja nicht auch polizeiintern als unbrauchbaren Zeugen bezeichnet. 


 
MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 28.05.2016 18:58 Uhr
Ich bin eben noch einmal durch meine Informationen gegangen, Arthur!

Das es sich nicht um Packer´s Cousin gehandelt haben muss, erkennt man in diesen Berichten vom 15 November 1888:

http://www.casebook.org/press_reports/evening_news/18881115.html

Mr. Matthew Packer, of Berner street, the fruiterer who sold some grapes to a man who just before the Berner street murder was in company with the murdered woman, vouches for the following extraordinary statement. He says: "On Tuesday evening two men came to my house and bought twelve shillings' worth of rabbits off me. They then asked me if I could give an exact description of the man to whom I sold the grapes, and who was supposed to have committed the Berner street and Mitre square murders, as they were convinced they knew him, and where to find him.

Dienstag abend war dann der 13 November, jenen Eintrag (Mr. H. Hales... states that Mr. Packer believes the murder to be his own cousin) gab es dann wohl am 14 November (so der Stempel), diesen Zeitungsbericht dann am 15 November. Der Manchester Guardian 19 vom November 1888 berichtete dann das, wie bereits gepostet:

The statement made by a man to Packer, the fruit seller of Berner-street, that he was of opinion that his cousin had committed the foul deeds, is still being investigated by the detectives, who are inclined to doubt the veracity of the greater portion of the details. They, however, believe they have found the cousin referred to, and attach little importance to what was at first supposed to be a substantial clue.

Aber weiter vom 15 November:

"In reply to some questions by Packer, one of the men then said, 'Well, I am sorry to say that I firmly believe it is my own cousin. He is an Englishman by birth, but some time ago he went to America, stayed there a few years, and then came back to London about seven or eight months ago. On his return he came to see me, and his first words were, 'Well, Boss, how are you?' He asked me to have some walks out with him, and I did round Commercial street and Whitechapel. I found that he had very much altered on his return, for he was thoroughly harem scarem.

"'We met a lot of Whitechapel women, and when we passed them he used to say to me, 'How do you think we used to serve them where I came from? Why, we used to cut their throats and rip them up. I could rip one of them up and get her inside out in no time.' He said, 'We Jack Rippers killed lots of women over there. You will hear of some of it being done over here soon, for I am going to turn a London Jack Ripper.'" The man then said, 'I did not take much notice then of what he said, and I thought it was only his swagger and bounce of what he had been doing in America,' at some place which Packer says he mentioned, but he forgets the name. 'But,' continued the man, 'When I heard of the first woman being murdered and stabbed all over, I then began to be very uneasy, and to wonder whether he really was carrying out his threats. I did not, however, like to say anything about him, as he is my own cousin. Then, as one murder followed another, I felt that I could scarcely rest.

"'He is a perfect monster towards women, especially when he has had a drop of drink. But, in addition to what he said to me about these murders in America, and what was going to be done here, I feel certain it is him, because of the way these Jack Ripper letters which have appeared in the papers begin. They all begin 'Dear Boss,' and that is just the way he begins his letters. He calls everybody 'Boss' when he speaks to them. I did not want to say anything about him if I could help it, so I wrote to him, but he did not answer my letter. Since this last murder I have felt that I could not remain silent any longer, for at least something ought to be done to put him under restraint.'"

Packer states he feels sure the men are speaking the truth, as they seemed very much concerned and hardly knew what to do in the matter. He says he knows where to find the men; one works at some ironworks and the other at the West India Docks, and the man they allude to lives some where in the neighbourhood of Whitechapel. The reporter to whom the above statement was made at once sent off a copy of it to the Home Secretary, and also to Sir J Fraser, the Chief Commissioner of the City Police.

Sir William Fraser immediately acted on the information and sent Detective sergeants White and Mitchell to investigate it. They read the letter to Packer, who said it was true, and then took the detectives to the man's house. On being questioned by the police he stated where his cousin was generally to be found. It transpired that he is sometimes engaged on the Thames, and late, last night, a search was, it is said, being made for him upon the river.


Offenbar informierte der Reporter sofort das Innenministerium als auch die City Police. Das erklärt den beschriebenen Eintrag. Handelte es sich bei dem Reporter um Hales? Wenn ja, kam die Info verkehrt bei der Polizei an oder haben diese das missverstanden? Der Reporter berichtete eindeutig vom Cousin eines der Männer und nicht von Packer´s Cousin. Oder aber, war einer der Männer dieser Hales und es ging um seinen Cousin? Wenn ja, warum kam die Info über ihn dann genauso schnell bei den Behörden an, wie die des Reporters, der ja offenbar Kopien verschickte. Es könnte sich demnach eher nicht um Hales als einer der Männer handeln sondern um den Reporter selbst. Ergo, handelte es sich bei ihm nicht um einen Anwalt.

Was meinst Du, Arthur?

Alles in allem könnte, so meine Interpretation, Packer erneut die Wahrheit gesprochen haben, wiederum zu Nicht- Beamten. Einmal zu den Detektiven, einmal zu einem Reporter. Ich weiß nicht, wie die Sache im Detail ausging bzw. was wirklich zwischen den Männer gesprochen wurde aber, die Polizei:

They, however, believe they have found the cousin referred to, and attach little importance to what was at first supposed to be a substantial clue

Nun war dieser Cousin offenbar ein in England geborener Mann, der kurze Zeit im Amerika lebte. Zum ersteren muss ich passen, da Aaron Kozminski kein in England geborener Mann gewesen war. Das zweite ist jedoch interessanter, wenn auch wieder eine Interpretation.

Aaron hatte noch zwei Schwestern, Bertha Held und Helen Singer. Eine von ihnen, wahrscheinlich Helen Singer (eine Arbeit von Pat Marshall- Verwandte von Cox- und Chris Phillips) lebte in Amerika. Offenbar lebte Sie 1883/ 1884 in der 27 Greenfield Street bzw. 17 Yalford Street (das war genau die 1889er Adresse von Woolf Abrahams). 1888 muss Sie aber definitiv in Amerika gelebt haben. Berichten zur Folge wurde, Sie dort von ihrem Mann Aaron Singer verlassen. Wo Bertha lebte zur Zeit der Morde ist wohl nicht bekannt, zumindest habe ich es gerade nicht auf dem Schirm. Helen´s Mann Aaron verließ Polen, aufgrund irgendwelcher Unannehmlichkeiten, früher als Sie in Richtung London. Sie folgte später. Irgendwann ging es weiter in die USA. Nun war diese Familie ja sehr umtriebig, Jacob Cohen kam aus Südafrika (wohin er aus Polen einwanderte) nach England ging dann aber wieder an das Kap zurück. Ich kann nicht ausschließen, dass Teile dieser Familie auch aus den USA zurückkehrten. In der Greenfield Street 5 gab es 1891 noch einen Jacob Singer, vielleicht verwandt mit Aaron Singer. Aber ich weiß das nicht.

Ich achte halt sehr auf solche Details und kann bei solchen Konstellationen nicht ausschließen, dass Aaron Kozminski zwischen 1884 und 1887/88 auch einmal in den USA gelebt hatte, vielleicht mit den Singers, wo er mit einem Teil dieser Angehörigen wieder zurück nach England/ London ging. Die Chance, das weiß ich ja selber, ist gering und wahrscheinlich besteht überhaupt kein Zusammenhang mit jener Packer Aktion im November 1888, gerade auch, weil von einem im Land geborenen Mann die Rede war. Wir wissen aber auch, dass nicht alle Angaben immer korrekt waren oder korrekt wiedergegeben wurden.

Zur Packer Sache im November "glaubte die Polizei, sie hätten den Mann gefunden". Wie ist das zu verstehen?

Jedoch scheint es mir, dass Packer länger die Polizei in Atem hielt. Einmal damit, dass er Stride mit einem Mann sah und zweitens mit diesen beiden Typen, von denen einer behauptete, sein Cousin sei wahrscheinlich der Ripper. Obwohl Packer im zweiten Falle wieder nicht gleich zur Polizei schritt, könnte diese Geschichte absolut so abgelaufen sein, ohne das Packer etwas dazugesponnen hatte. Aber vielleicht war das alles auch ganz anders mit ihm, ich weiß es nicht.

Gruß, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 28.05.2016 19:27 Uhr
Nun haben wir fast zeitgleich geschrieben... Ja, brauchbar wäre Packer vor Gericht nicht gewesen, durch viele unterschiedliche Angaben/ Beschreibungen... da gebe ich dir auch absolut recht und sehe das genauso... trotzdem könnten seine Beobachtungen für die Polizeiarbeit wichtig gewesen sein...

Cox war nach allem ziemlich ausser Atem in jener Nacht. Der Mann hielt ihn auf Trapp. Er war keine 30 Jahre alt und als Polizist wahrscheinlich nicht gerade unfit. Es ging runter bis St. George in the East und wieder zurück. Sie sollten länger unterwegs gewesen sein. Solche einen Täter ging es vor allem doch auch um den richtigen Ort um zuzuschlagen, sprich dem richtigen Hinterhof, den richtigen Platz. Nicht gleich immer werden sich diese Möglichkeiten sofort geboten haben, vielleicht versuchte er auch manchmal später bei der gleichen Prostituierten erneut sein Glück.

Es gab noch einen "Zeugin", sicherlich war es nach Chapman, die folgendes sagte (im Bezug zu Chapman und Leather Apron):

She thereupon said she knew two women, and could bring them, who saw him pacing up and down Baker's-row with the murdered woman about two hours before the murder took place.

Such mal unter dem Stichwort: Cohen's Sugar refinery, mir fehlt gerade die Zeit. Da bekommst du dann noch genauere Angaben. Vielleicht "gefiel" ihm Stride so gut, dass sich das Risiko für ihn lohnte, mehr Zeit in diesem Falle zu verbringen (am Ende aber wohl doch nicht).

Mit den Seemännern gebe ich dir ebenfalls absolut recht. Ich habe viele Bilder, wo fast nur Leute mit derartigen Kappen und Schals herumliefen. Da bin ich bei Beschreibungen grundsätzlich skeptisch geworden und verteidige das auch immer in den anderen Foren.

Ich weiß persönlich nicht, was dort damals passiert sein könnte. Ich nehme nur wahr und versuche es einzuordnen, lasse mir aber eben auch vieles offen. So auch mit Packer, ich weiß nicht, ob er nur ein Spinner war oder nun doch wichtig. Ich habe da keine beider Ansichten fest verankert. 
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 28.05.2016 21:09 Uhr
Hallo Lestrade!


Zitat
On Tuesday evening two men came to my house and bought twelve shillings' worth of rabbits off me. They then asked me if I could give an exact description of the man to whom I sold the grapes, and who was supposed to have committed the Berner street and Mitre square murders, as they were convinced they knew him, and where to find him.

Hat man über diesen angeblichen Verdächtigen etwas herausgefunden? Ist er auf der Liste der Ripperologen oder nur eine Randbemerkung?


Zitat
Cox war nach allem ziemlich ausser Atem in jener Nacht. Der Mann hielt ihn auf Trapp. Er war keine 30 Jahre alt und als Polizist wahrscheinlich nicht gerade unfit. Es ging runter bis St. George in the East und wieder zurück.

Ja, aber wir wissen dadurch nur, dass die gesamte nächtliche Tour lange und anstrengend war, und nicht, wie lange der Teil mit der Frau war.

Eines sollten wir nicht vergessen:
Cox stand unter starker Anspannung. Er hatte selbst gesagt: Ihnen sei klar gewesen, wenn sie ihn nur einmal aus den Augen verlören, könnte es wieder passieren. Und dann: Noch eine Tote, Skandal und Auf Wiedersehen Karriere...
Als er ihn mit der Frau sah, dürfte sein Stresspegel ziemlich angestiegen sein, musste er doch nun jederzeit mit einem Angriff rechnen und zum Eingreifen bereit sein. Wenn er zu spät reagiert hätte, wäre das Opfer auf seine Verantwortung gegangen.
Unter so einer konzentrierten Anspannung können einem ein paar Minuten schon wie eine halbe Ewigkeit vorkommen.


Zitat
Es gab noch einen "Zeugin", sicherlich war es nach Chapman, die folgendes sagte (im Bezug zu Chapman und Leather Apron):
She thereupon said she knew two women, and could bring them, who saw him pacing up and down Baker's-row with the murdered woman about two hours before the murder took place.

Mag ja sein, dass eine Zeugin jemanden sah, der länger mit einem Opfer unterwegs war. Nur: War das unser JTR?
Diese Frauen waren arme Gelegenheitsprostituierte, die sich ihren Alltag erträglicher machten, indem sie nachts auf Sauftour gingen, mit allen möglichen Leuten durch die Straßen zogen, die ihnen einen ausgaben, und sich immer wieder zwischendurch mit wildfremden Männern zu bezahlten Schäferstündchen irgendwohin zurückzogen.
Will sagen: Man wird in einer Nacht oft einige verschiedene Männer mit ihnen gesehen haben, weil sie nicht jedes mal einen Volltreffer landeten, der sie die ganze Nacht durchbrachte.

Daher habe ich mir auch angewöhnt, die Zeugenaussagen vorzuziehen, die in unmittelbarer zeitlicher Nähe vor und nach den Morden gemacht wurden, wie z.B. Long bei Chapman oder das Trio vom Mitre Square.
Selbst wenn Packers Aussagen nicht wiedersprüchlich wären, lägen sie mir zeitlich daher etwas zu weit vor dem Mord. Aber nehmen wir sie mal ernst, dann hätten wir einen Beleg für meine These: Denn der untersetzte Mann mit dem breitkrempigen Hut - diese Beschreibung unterscheidet sich ja schon von den anderen in dieser Nacht.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 28.05.2016 21:36 Uhr
Bin gerade ins Champions Leaque Finale vertieft, deshalb wirklich mal kurz...

Am 6 Oktober 1888 wurden zwei Zeichnungen veröffentlicht, angeblich Beschreibungen durch Packer. Anbei ein Bild. Diese Bilder passten wohl zu John Lagan:

http://www.casebook.org/ripper_media/book_reviews/non-fiction/cjmorley/110.html

Mir ist nichts bekannt über diesen Verdächtigen (jenen Cousin). Aber er passte wohl von der Beschreibung her auch zu dem Cousin eines dieser Männer bei Packer am 13 November 1888.

Es besteht natürlich die Möglichkeit, dass Packer eben nicht den Ripper oder gar Aaron Kozminski sah, sondern dass es sich tatsächlich um diesen Cousin handelte, den er bei Stride bemerkte. Sie wurde vor dem ganzen ja noch im Bricklayer´s Arms mit jemanden gesehen. Alles in allem, hätte beiden Packer Stories, Oktober und November, mit ein- und demselben Mann zu tun gehabt können und Packer sagte jeweils die Wahrheit, ohne das ein wirklicher Bezug zum Mord vorhanden war. Der Cousin soll ja in Whitechapel gelebt haben...

Wegen solcher Möglichkeiten, lasse ich mir eben Packer´s Bedeutung offen.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 28.05.2016 23:16 Uhr
Das Spiel reisst mich nicht mit... übrigens sind zeitnahe Zeugen auch nicht immer besser, in unserem Fall sogar noch ein Polizist, PC William Smith...

http://www.casebook.org/press_reports/irish_times/18881001.html

1 Oktober 1888:

The following description has been circulated by the policeman of a man said to have been seen in the company of deceased during Saturday:- Age 28, slight, height 5 ft. 9 in., complexion dark, no whiskers; black diagonal coat, hard felt hat, collar and tie; carried newspaper parcel; respectable appearance.

Das gleiche dann wieder in der Police Gazette, 19 Oktober 1888:

At 12.35 a.m., 30th September, with Elizabeth Stride, found murdered at 1 a.m., same date, in Berner-street - A MAN, age 28, height 5 ft. 8 in., complexion dark, small dark moustache; dress, black diagonal coat, hard felt hat, collar and tie; respectable appearance. Carried a parcel wrapped up in newspaper.

Am 4 Oktober 1888 im Stride Inquest sagte aber PC Smith folgendes aus:

http://www.casebook.org/official_documents/inquests/inquest_stride.html

His hat? - He wore a dark felt deerstalker's hat.

Es sind schon Unterschiede zwischen einem Deerstalker und einem Hard felt hat (und auch einem Sailor´s cap). PC Smith beschrieb als zeitnaher Zeuge zwei unterschiedliche Kopfbedeckungen, genau wie offenbar Packer. Das rechte Bild auf der Zeichnung erinnert eher an einen Hard felt hat. Und die Beschreibung mit einem Hard felt hat durch PC Smith war eine von der Polizei länger genutzte offizielle Variante.

Vielleicht hat dieses rechte Bild auf der Zeichnung damit zu tun:

http://www.casebook.org/press_reports/daily_telegraph/dt881006.html

SKETCH PORTRAITS OF THE SUPPOSED MURDERER.
[Two sketches]

It is a remarkable circumstance - much more than an ordinary coincidence - that the description of the supposed murderer given by Packer was yesterday confirmed by another man who, without being aware of the fact, also chose from the sketches the one which had been already selected by Packer. Search for an individual answering to the description above detailed, but having a small moustache and wearing a black deerstalker felt hat, instead of a soft one, has been made by the police in Whitechapel ever since Saturday, Sept. 1, the day following the Buck's-row tragedy. Information was tendered at the King David's-lane Police Station, at about that time, by a dairyman who has a place of business in Little Turner-street, Commercial-road. It will be recollected that on Saturday, Sept. 1, a desperate assault was reported to have been committed near to the music-hall in Cambridge-heath-road, a man having seized a woman by the throat and dragged her down a court, where he was joined by a gang, one of whom laid a knife across the woman's throat, remarking "we will serve you as we did the others." The particulars of this affair were subsequently stated to be untrue; but the milkman has reason to suppose that the outrage was actually perpetrated, and he suspects that the murderer of Mary Ann Nicholls in Buck's-row had something to do with it. At any rate, upon that Saturday night, at five minutes to eleven o'clock, a man corresponding with the description given by Packer of the individual who purchased the grapes in Berner-street, called at the shop, which is on the left of a covered yard, usually occupied by barrows, which are let out on hire. He was in a hurry, and he asked for a pennyworth of milk, with which he was served, and he drank it down at a gulp. Asking permission to go into the yard or shed, he went there, but the dairyman caught a glimpse of something white, and, having suspicions, he rejoined the man in the shed, and was surprised to observe that he had covered up his trousers with a pair of white over-alls, such as engineers wear. The man had a staring look, and appeared greatly agitated. He made a movement forward, and the brim of his hard felt hat struck the dairyman, who is therefore sure of the kind that he was wearing. In a hurried manner the stranger took out of a black shiny bag, which was on the ground, a white jacket and rapidly put it on, completely hiding his cutaway black coat, remarking meanwhile, "It's a dreadful murder, isn't it?" although the subject had not been previously mentioned. Without making a pause the suspicious person caught up his bag, which was still open, and rushed into the street, towards Shadwell, saying, "I think I've got a clue!" The matter was reported to the police, and although strict watch has been maintained for the reappearance of the man he has not been seen in the street since. He is said to have had a dark complexion, such as a seafaring man acquires. The style of collar that he was then wearing was of the turn-down pattern. He had no marked American accent, and his general appearance was that of a clerk or student whose beard had been allowed three days' growth. His hair was dark, and his eyes large and staring. The portrait gives, according to the statement of the witness, a good approximate idea of his look. The bag carried by the young man, whose age the dairyman places at twenty-eight, is stated to have been provided with a lock at the top, near the handle, and was made, as stated, of a black glistening material.


Die linke Zeichnung wäre dann wohl die von Packer´s Mann (der Soft felt hat). Die rechte jedoch wohl anscheinend mit dem Nichols Fall verknüpft. He had no marked American accent??? Hatte der was mit den beiden Männern bei Packer zu tun, welche von einem Cousin faselten?

Interessant bezüglich dessen ist jedoch auch das (12 November 1888):

http://www.casebook.org/press_reports/daily_telegraph/dt881112.html

A third witness, a dairyman of Little Turner-street, Commercial-road, has given information respecting a man with a black bag, who was supposed to have committed the Buck's-row murder, and to have attempted another on the following night, when he came hurriedly to Little Turner-street, and in a back shed covered up his suit of clothes with white overalls, which he took out of a shiny bag, and rushed away with the words, "I think I've got a clue." The characteristics of this individual corresponded with the description given by Packer.

Ähnelten sich die Beschreibungen vom Milchmann und von Packer nun doch sehr, oder? Und sah PC Smith in Wirklichkeit nun doch einen Mann mit Hard felt hat? Er sah ja wahrscheinlich das gleiche Pärchen was Packer sah und vorher bediente. Und konnte dieser Milchmann in dieser Beschreibung jemanden auf dieser Zeichnung wiedererkennen (Packer´s soft hat Mann?), den er kurz nach dem Nichols Mord gesehen hatte? Gab es dann deshalb eine zweite Zeichnung, etwas verändert. Dieser Milchmann oder was das war gab das gleiche Alter an wie PC Smith, 28 Jahre. Packer sprach auch von einem jungen Mann zwischen 25-30.

Die Little Turner Street lag an der Commercial Road, 7 Straßen weiter östlich, parallel zur Berner Street. Ziemlich weit rechts außen und unten auf deiner Karte.

Wie bewertest Du das alles?
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 29.05.2016 08:58 Uhr
Hallo Lestrade!


Zitat
...übrigens sind zeitnahe Zeugen auch nicht immer besser, in unserem Fall sogar noch ein Polizist, PC William Smith...

Ich glaube, wir reden hier gerade aneinander vorbei. Selbstverständlich sagt der Zeitpunkt der Beobachtung nichts darüber aus, ob der Zeuge selber ein guter Beobachter ist - aber sehr wohl, ob es eine Beobachtung im Zusammenhang mit dem Mord sein kann oder eher nicht.
Je näher am Tatzeitpunkt, desto wahrscheinlicher, dass ein Zeuge das Opfer tatsächlich zusammen mit dem Täter gesehen hat, je weiter vornedran, desto unwahrscheinlicher, weil jeder am Tag ja zahlreiche Menschen trifft.
Was nützt ein guter Beobachter, wenn er das spätere Opfer eines Gelegenheitstäters zwölf Stunden vor der Tat bei irgendwelchen Alltagsangelegenheiten gesehen hat? Da ist selbst ein schlechter Beobachter nützlicher, der aber etwas unmittelbar vor oder nach der Tat gesehen hat.
Am besten ist natürlich ein guter Beobachter während der Tat. :-)


Zitat
Wie bewertest Du das alles?

Weiß noch nicht, muss ich noch drüber nachdenken. Klingt aber sehr interessant.



MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 29.05.2016 12:05 Uhr
Guten Morgen Arthur!

Ich glaube, wir reden hier gerade aneinander vorbei. Selbstverständlich sagt der Zeitpunkt der Beobachtung nichts darüber aus, ob der Zeuge selber ein guter Beobachter ist - aber sehr wohl, ob es eine Beobachtung im Zusammenhang mit dem Mord sein kann oder eher nicht.

Genau letzteres wollte ich ja näher beleuchten. Siehe dann unten...

Am besten ist natürlich ein guter Beobachter während der Tat. :-)

Israel Schwartz?

Daher habe ich mir auch angewöhnt, die Zeugenaussagen vorzuziehen, die in unmittelbarer zeitlicher Nähe vor und nach den Morden gemacht wurden, wie z.B. Long bei Chapman oder das Trio vom Mitre Square.
Selbst wenn Packers Aussagen nicht wiedersprüchlich wären, lägen sie mir zeitlich daher etwas zu weit vor dem Mord. Aber nehmen wir sie mal ernst, dann hätten wir einen Beleg für meine These: Denn der untersetzte Mann mit dem breitkrempigen Hut - diese Beschreibung unterscheidet sich ja schon von den anderen in dieser Nacht.

Zeugenaussagen sind und waren schon immer ein Thema für sich. Sie sind oftmals für das gleiche Geschehen oder für den gleichen Verdächtigen sehr unterschiedlich.

Mrs. Long im Falle Chapman machte ihre Sichtung um 5.30 Uhr, um 6 Uhr fand man die Leiche von Chapman. Sie sprach von einem über 40jährigen Ausländer mit Deerstalker. Das erinnert mich jetzt an keine der Beschreibungen von Schwartz oder Lawende und altersmäßig auch nicht für PC Smith. Hutchinson wurde von der Polizei ernstgenommen obwohl die Mordschreie von Kelly später, nach seinem Weggang erst 75 Minuten oder mehr, vernommen wurden. Bei Packer kann man sich aufgrund der unterschiedlichen Angaben als auch der Wetterangaben nicht 100% sicher sein, wann genau er nun seine Beobachtung machte. PC Smith sah eben um 00.30 Uhr herum ein Pärchen gegenüber dem Shop von Packer. Das passt ja zu der ersten Angaben gegenüber White (siehe Zitat). PC Smith war wahrscheinlich etwas später, vielleicht 00.35 Uhr, am Pärchen vorbeigekommen. Sein Beat dauerte eine halbe Stunde und bei seiner Wiederkehr, so seine Angabe (1 Uhr), hatte sich schon eine kleine Menschentraube am Dutfields Yard gebildet, so dass man davon ausgehen muss, dass er um ca. 01.05 Uhr dort wieder ankam.

Packer sagte gegenüber White zunächst folgendes:

Packer claimed that he closed his shop at 12.30am that morning

Im Bericht von White erschien zunächst 0.00 Uhr und 0.30 Uhr für Pärchensichtung und Ladenschließung. In Randbemerkungen wurde dann aber auf 23 Uhr bzw. 23.30 Uhr geändert.

Das ist die bekannte Zeitangabe:

On Sat night about 11pm... 1/2 an hour till I shd. say 11.30. talking to one another. I then shut up my shutters

Packer:

On Sat night about 11pm a young man from 25-30 - about 5.7 with long black coat buttoned up - soft felt hat, kind of yankee hat rather broad shoulders

Smith:

Did you notice his height? - He was about 5ft. 7in.
[Coroner] His hat? - He wore a dark felt deerstalker's hat.
[Coroner] Clothes? - His clothes were dark. The coat was a cutaway coat.
[Coroner] Did you overhear any conversation? - No.
[Coroner] Did they seem to be sober? - Yes, both.
[Coroner] Did you see the man's face? - He had no whiskers, but I did not notice him much. I should say he was twenty-eight years of age


Nun schrieb ich ja im letzten Post, dass PC Smith Beschreibung jedoch mit einem Hard felt hat genutzt wurde. Keine Ahnung, warum er im Inquest etwas anderes sagte. Das war nicht die offizielle Polizeibeschreibung. Dazu kommt, dass in der Zeichnung ein zweites Bild ohne Soft felt hat vorhanden ist, wie eine Alternative zu Packers Beschreibung und die wiederum, passt dann eher zur Mützenform, wie von PC Smith eigentlich beschrieben (Siehe letztes Posting).

So unterschiedlich, schon aufgerund der Größe und des Alters, könnten die Beschreibungen von Packer und P.C. Smith nicht gewesen sein. Sehr wahrscheinlich, dass PC Smith am Ende auf einen Hard felt hat bestand und Packer, wie bei vielem, einfach nicht sicher war: Schlapper Krempenhut oder doch ein fester Hut mit Krempe?

Am Ende könnte Packer (oder auch PC Smith), genau wie Mr. Long, Opfer und Täter eine halbe Stunde vor dem Leichenfund gesehen haben. In beiden Fällen hatten dann die Zeugen, Packer und Mrs. Long, unterschiedliche Beschreibungen erbracht, die wiederum nicht mit denen von Schwartz und Lawende korrespondierten.

Das Wetter:

Dull morning; fine day; sudden heavy rain at "9.5p.m." lasting till after midnight...

Der heftige Regen ging bis nach Mitternacht.

Best:

I was in the Bricklayers' Arms, Settles-street, about two hundred yards from the scene of the murder on Saturday night, shortly before eleven, and saw a man and a woman in the doorway. They had been served in the public house, and went out when me and my friends came in. It was raining very fast, and they did not appear willing to go out

Kurz vor 23 Uhr schüttete es noch.

PC Smith:

It rained very little after eleven o'clock.

Wohl ein bisschen Niesel nach 23 Uhr

William Marshall:

While I was standing at my door, from half-past eleven to twelve, there was no rain at all

23.30-00.00 Uhr kein Regen.

Dr. Blackwell:

The clothes were not wet with rain.


Also nach 1.00 Uhr, Stride lag mit trockenen Sachen im Yard. Glaubt man allen, dann muss Stride kurz nach 23 Uhr mit dem Mann den Pub verlassen haben und sind dann runter zu Packer. Da war noch Nieselregen, laut Smith. Aber ihre Kleidung war trocken beim Auffinden. Laut Marshall gab es kein Regen zwischen 23.30 und 00.00 Uhr. Und es muss keinen weiteren Regen zwischen 00.00 - 01.00 gegeben haben. Im Pub hatte jenes Pärchen nicht den Eindruck gemacht, die Location verlassen zu wollen. Packer konnte nicht Stride im Regen stehend gesehen haben. Er als auch PC Smith haben die Frau in der Leichenhalle wiedererkannt. Packer sprach von Narren die im Regen stehen, weil es ja auch ein regnerischer Abend war aber hat er das Pärchen wirklich im Regen stehen sehen? Und vor 23 Uhr war Stride im Pub. Es nieselte jedoch wenigstens bis maximal 23.30 Uhr, denn danach stand Marshall im trockenen und zwar bis 00.00 Uhr. Irgendwann zwischen 22 und 23 Uhr regnete es heftig, danach gab es nur noch wenig Regen bis maximal 23.30 Uhr. Danach war der Regen vorbei. Es könnte sein, dass Stride mit einem Mann den Pub gegen 23.20 Uhr verlassen hat. Marshall sah dann ein Pärchen um 23.30 Uhr. Das alles könnte eine Unsicherheit bei Packer´s Zeitangaben implizieren. Sah er Stride, dann sah er eine trockene Stride. Und vielleicht sah er Sie erst nach 23.30 Uhr. So würde auch seine erste Angabe, gegen Mitternacht, Sinn machen. Dann hätte er das Pärchen noch eine halbe Stunde wahrgenommen, bevor PC Smith gegen 00.35 Uhr auf der Bildfläche erschien. In diesem Fall hätte er die Ermordete, genau wie Mrs. Long Chapman, eine halbe Stunde vor dem Auffinden der Leiche gesehen.

Packer war kein verlässlicher Zeuge, dass scheint klar zu sein. Aber hätte er um 23 Uhr Stride bedient, wäre diese aus dem Regen gekommen. Aber ihre Kleidung war trocken.

Der heftige Regen, der bis nach Mitternacht über London herrschte, endete um 23 Uhr herum in jener Gegend Londons und gegen, vermutlich, 23.20 Uhr hörte auch der Niesel auf.

Lestrade.   
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 29.05.2016 18:28 Uhr
Hallo Lestrade!


Ich glaube, wir verzetteln uns hier gerade in zu viele verschiedene Themen.

Wie du zurecht schriebst:

Zitat
Zeugenaussagen sind und waren schon immer ein Thema für sich.


Da wir uns schon mal einig sind, dass Packer kein guter Zeuge war, konzentrieren wir uns also auf das vermaledeite Zeitproblem:

Ich habe gesagt: Packer ist mir als Zeuge zeitlich zu weit vor dem Mord, in der Zwischenzeit hätte Stride längst einen anderen Mann treffen können.

Der Mord an Stride lag zwischen 0.45 Uhr und 1 Uhr.
Packer will Stride mit dem Mann in einem Zeitfenster, von - sagen wir wegen des Regens mal großzügig - 23.30 Uhr bis etwa 0.15 Uhr gesehen haben.
Das ist mindestens eine halbe Stunde bis gar über eine Stunde vor dem Mord - Lange genug, den Begleiter zu wechseln.

Daher habe ich in meiner Falldarstellung auch nur jene Zeugen angeführt, die Stride und den Mann in den etwa 10 Minuten vorher gesehen haben wollen.


Dass du als vermeintliches Gegenbeispiel Mrs. Long im Chapman-Fall anführst, greift überhaupt nicht:

Long sah Chapman und den Verdächtigen - den sie übrigens als "etwa 40" beschrieb, nicht über 40 - gegen halb sechs unmittelbar vor der Tür zum Tatort und hörte den Abschluss des Geschäfts: Willst du? - Ja.
Und Bewohner Albert Cadosch, der etwa zu dieser Zeit im Nachbarhinterhof aufs Klo geht, hört zunächst ein leises "No" und wenige Minuten später bei seinem Aufbruch noch etwas leicht gegen den Zaun schlagen.
Damit liegt die Tatzeit bei kurz nach halb sechs, auch wenn Chapman erst gegen 6 Uhr gefunden wurde.
Longs Beobachtung fand also wenige Minuten vor dem Mord statt, ebenso wie die Beobachtung des Mitre Square Trios im Fall Eddowes.


Warum du Hutchinson als vermeintliches Gegenbeispiel anführst, kann ich auch nicht nachvollziehen - zudem stimmt auch das zeitlich nicht:

Zitat
Hutchinson wurde von der Polizei ernstgenommen obwohl die Mordschreie von Kelly später, nach seinem Weggang erst 75 Minuten oder mehr, vernommen wurden. 

Hutchinson blieb bis etwa drei Uhr, und zwischen 3.15 Uhr und 3.45 Uhr hörten die Nachbarinnen den unterdrückten "Mord"-Ruf.
Das sind keine 75 Minuten, sondern eine viertel bis eine dreiviertel Stunde.

Aber weil auch mir diese Zeitspanne recht groß erscheint, habe ich in meinen Zusammenfassungen immer explizit geschrieben: Wenn der Kunde, den Hutch sah, in der Zwischenzeit ging, könnte jemand anders der Mörder gewesen sein und Hutchs Beschreibung wäre damit unbrauchbar - daher läuft auch das Gegenbeispiel Hutch ins Leere.


Wie du siehst: Ich versuche zeitlich immer so nahe wie möglich am Tatzeitraum zu bleiben, weil ich davon ausgehe, dass diese Frauen auf ihren nächtlichen Streifzügen ihre Begleiter öfter gewechselt haben.



Was diese merkwürdigen Geschichten mit Packer und seinem Ami-Verdächtigen sowie die Story dem Kleiderwechsler angeht, da muss ich mich erst mal reinlesen, bevor ich mir eine Meinung dazu bilden kann.



Aber eines würde mich mal noch interessieren, da du bisher nicht darauf eingegangen bist:

Wie glaubst du, könnte es ein einheimischer JTR geschafft haben, über längere Zeit - sagen wir mal eine bis eineinhalb Stunden - in der Öffentlichkeit mit seinen Opfern durch die Straßen seines Viertels zu ziehen, ohne dass er irgendjemandem über den Weg läuft, der ihn kennt?

Meine These ist ganz einfach:
Er hielt die Zeitspanne in der Öffentlichkeit so kurz wie möglich, d.h. er zog mit den Opfern nicht vorher noch um die Häuser und gab ihnen etwas aus, sondern er trat gleich als Kunde für einen Quickie auf, damit sie so schnell wie möglich in einer dunklen Ecke verschwanden.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 29.05.2016 21:02 Uhr
Dass du als vermeintliches Gegenbeispiel Mrs. Long im Chapman-Fall anführst, greift überhaupt nicht:
Long sah Chapman und den Verdächtigen - den sie übrigens als "etwa 40" beschrieb, nicht über 40 - gegen halb sechs unmittelbar vor der Tür zum Tatort und hörte den Abschluss des Geschäfts: Willst du? - Ja.
Und Bewohner Albert Cadosch, der etwa zu dieser Zeit im Nachbarhinterhof aufs Klo geht, hört zunächst ein leises "No" und wenige Minuten später bei seinem Aufbruch noch etwas leicht gegen den Zaun schlagen.
Damit liegt die Tatzeit bei kurz nach halb sechs, auch wenn Chapman erst gegen 6 Uhr gefunden wurde.
Longs Beobachtung fand also wenige Minuten vor dem Mord statt, ebenso wie die Beobachtung des Mitre Square Trios im Fall Eddowes.

Albert Cadosch will um 5.32 Uhr sein Haus verlassen haben und sah nichts. Mrs. Long bestand auf 5.30 Uhr. Um 5.15 Uhr (Angaben sagen auch 5.25 Uhr) ging Cadosh das erste Mal auf die Toilette und hörte danach das erste Mal was. Beim zweiten Male dann wieder. Wenn ich jetzt überlege, dass er vielleicht 1-2 Minuten piseln war (Blaseneingriff), dann hörte er das erste Mal etwas um 5.17 Uhr? und dann wahrscheinlich kurz vor 5.30 Uhr (angegeben mit 5.28 Uhr). Um 5.32 Uhr will er dann schon weg gewesen sein. Bis Chapman mit Freier im Hinterhof war, sollten mindestens ja auch 2 Minuten vergangen sein, wenn sie dann auch gleich gingen.

Keine Ahnung wie das zu bewerten ist. Es ist gut möglich, dass Mrs. Long Chapman Nichols und den Fremden um 5.30 Uhr sah und Cadosch etwas hörte, was nicht mit dem Mord zu tun hatte. Vielleicht verließ um 5.30 Uhr ein anderes Pärchen den Hof und Chapman und der Freier entschieden sich, die gleiche Location zu nutzen. Dabei sah sie Mrs.Long. Wenn Cadosch aus dem Haus ging, sah er dieses Pärchen dann eben nicht mehr, weil sie gerade den Hinterhof enterten. Ich würde nicht sagen, dass Cadosch die Aussagen von Mrs. Long sicher bestätigte. Was Cadosch am Zaun hörte, vor 5.30 Uhr, kann nicht vom Pärchen verursacht worden sein, denn da standen diese noch vor dem Haus. Er kann so nicht bestätigen, dass ein Mord stattfand, kurz nachdem Mrs.Long dieses Pärchen sah. Vielleicht irrte sich einer von beide enorm. Es muss nicht zwangsläufig so sein, dass der Mord wenige Minuten nach der Sichtung stattfand, er kann auch 20 Minuten später gewesen sein. Glaubt man beiden, dann enterte das Pärchen den Hinterhof als Cadosch sein Haus verlassen hatte. Wir wissen nicht, wo er Chapman traf, wie lange sie Zeit miteinander verbrachten und auch nicht, wie lange er mit ihr im Hinterhof war, bevor er zuschlug. Aber sicherlich wollte er sich beeilen, da das ja wirklich eine echte Falle war. Im Verstümmeln war er ja offenbar sehr schnell, wie man bei Eddowes sah.

Übrigens: Angaben von Mrs. Long sagen auch über 40 Jahre beim gesehenen Mann.

Warum du Hutchinson als vermeintliches Gegenbeispiel anführst, kann ich auch nicht nachvollziehen - zudem stimmt auch das zeitlich nicht:

Hutchinson blieb bis etwa drei Uhr, und zwischen 3.15 Uhr und 3.45 Uhr hörten die Nachbarinnen den unterdrückten "Mord"-Ruf.
Das sind keine 75 Minuten, sondern eine viertel bis eine dreiviertel Stunde.

Etwa drei Uhr, es kann auch 2.45 Uhr gewesen sein. Er traf sie gegen 2 Uhr, kurzer Plausch, ging hinterher, sie standen ein paar Minuten bevor sie reingingen, er meinte noch ca. 45 Minuten dort gestanden zu haben. Was für 2.30 Uhr Mrs. Lewis auch bestätigen konnte. Sie hörte kurz vor 4 Uhr den Schrei. Mrs. Prater sagte zwar zwischen 03.30-04.00 Uhr aber bemerkte dann, dass es kurz nach vier gewesen sein muss, als sie die Schreie hörte, da sie kein Licht mehr im Lodginghaus sah. Das passt dann doch eher zur Angabe von Mrs. Lewis. 75 Minuten sind dabei nicht utopisch. Zwischen 2.45/2.50 Uhr bis 04.00/04.05 Uhr würde das auch passen.

Aber eines würde mich mal noch interessieren, da du bisher nicht darauf eingegangen bist:

Wie glaubst du, könnte es ein einheimischer JTR geschafft haben, über längere Zeit - sagen wir mal eine bis eineinhalb Stunden - in der Öffentlichkeit mit seinen Opfern durch die Straßen seines Viertels zu ziehen, ohne dass er irgendjemandem über den Weg läuft, der ihn kennt?

Meine These ist ganz einfach:
Er hielt die Zeitspanne in der Öffentlichkeit so kurz wie möglich, d.h. er zog mit den Opfern nicht vorher noch um die Häuser und gab ihnen etwas aus, sondern er trat gleich als Kunde für einen Quickie auf, damit sie so schnell wie möglich in einer dunklen Ecke verschwanden.

Wie ich hier schon einmal schrieb! Es galt eine geeignete Location zu finden und für ihn, den geeigneten Moment. Er könnte Nichols, Chapman irgendwo auf den Straßen getroffen haben. Man ging vielleicht 10-15 Minuten zusammen, bis man eine geeignete Location fand. Einen Mann wie den Ripper muss man auch zugestehen, dass er seine Opfer auch in den Pubs fand. Dort wurden sie gesehen aber unter den Trunkenbolden wird man dann doch nicht richtig wahrgenommen. Da gab es vielleicht dann Ausnahmen wie Best und Gardner. Um 23.30 Uhr verließen 70-80 Personen den Club in der Berner Street. Genau um die Zeit sah Marshall auch das Pärchen. Ein Mann wie der Ripper könnte seinen (potentiellen) Opfern im Pub etwas angeboten haben, so wie der Mann mit Stride ihr, vielleicht als normaler Freier, Weintrauben kaufte. Die Vereinbarung zwischen den mutmaßlichen Täter und den Opfern beeinhaltete sicherlich auch die Bezahlung. Manchmal werden es auch in solchen Fällen Geschenke gewesen sein, wie vielleicht solch ein Hut wie bei Nichols. Wahrscheinlich führten ihn die Opfer auch zu den Orten, wo sie ihr Dienste dann ausführten. Du darfst nicht vergessen, in jener Nacht schlug der Ripper ungewöhnlich früh zu. Nicht wie bei Nichols, Chapman oder Kelly. Stellen wir uns vor, sie trafen sich gegen 23.30 Uhr und der Hinterhof neben den Club war der Ort wo Stride gewöhnlich agierte, dann verließen um diese Zeit 70-80 Leute die Veranstaltung dort. Nun werden sie nicht alle auf einmal raus, vielleicht dauerte das ganze Prozedere 20-30 Minuten. Vielleicht entschloß sich dieses Pärchen, dann eben noch ein paar Weintrauben zu essen. Da Packer nichts weiter bemerkte, könnte es da bereits 00.00 Uhr gewesen sein. Eine halbe Stunde stand dann dieses Pärchen noch auf der Straße ihm gegenüber. Noch immer feierten an die 20 Leute oder mehr in diesem Club. Es ist doch gut möglich, dass es dem Ripper dann zu lange dauerte, bis Stride ihr okay gab und er ersteinmal wegging. Nun hatte er jedoch schon viel Zeit mit ihr verbracht (zu viel) und er drehte dann doch wieder um. Irrte sich Packer mit der Zeit, nämlich um eine volle Stunde, was ja auch seinen ersten Angaben entsprach, dann sah er Stride und Mann das letzte mal um 00.30 Uhr, ca. 5 Minuten vor PC Smith. Um 00.45 Uhr sah Schwartz eben das was er sah. Das wären 15 Minuten nach Packers letzter Sichtung. Ich würde das als zeitnah bezeichnen. Aber Packer, und ja, da sind wir uns einig, war zu unzuverlässig um das wirklich abzusichern. Die Gründe warum der Ripper mit Stride mehr Zeit als üblich verbracht haben k ö n n t e lagen vielleicht am frühen, für den Ripper eben ungewöhnlich Zeitpunkt und auch an den noch sehr unruhigen Straßenbild. Den anderen, späteren Tatzeiten zufolge, war der Ripper sicherlich stets die ganze Nacht unterwegs und wurde von vielen Menschen gesehen. Es gibt ja auch die Aussage, dass er an verschiedenen Orten nach Einbruch der Nacht auftauchte. Da war er vielleicht vielen Menschen vertraut. Die Gegend war bekannt für Prostitution, da waren eine Menge Prostituierte und Freier Nacht für Nacht unterwegs. Ein normales Bild dort. Jemand wie der Ripper, als Freier mit einer Prostituierten, fiel dort überhaupt nicht auf. Oder auch Eddowes. Wer sagt uns, dass er Sie erst am Eingang der Church Passage traf? Sie könnten genauso gut 10-15 Minuten zusammengelaufen sein, bis sie an der Church Passage ankamen. Vielleicht standen sie dort auch noch einmal 5 Minuten. Eine Zeit von 10-20 Minuten müssen wir Opfer und Täter schon zugestehen, bevor die Tötung stattfand. Stride könnte eine Ausnahme gewesen sein, weil alles noch sehr früh und unruhig war. Übrigens, wenn wir Jacob Levy als den Mann bei Eddowes in Betracht ziehen, dan verhandelte er gerade mit Eddowes, als sein Cousin Joseph Hyam Levy um 1.35 Uhr hinter ihm vorbeilief. Um 1.45 Uhr fand man dann schon ihre Leiche. Warum sollte dann der Ripper mit einem Opfer nicht an der Auslage Weintrauben kaufen, bei einem Mann, der ihm, durch seine Tätigkeit, flüchtig bekannt war? In beiden Fällen, Levy als auch beim Ripper selber, sprechen wir wohl über einen geistig schwerkranken Mann. Richard Trenton Chase war ein ebenso kranker Täter, der auf einem Parkplatz in das Auto einer ehemaligen Klassenkameradin einzusteigen versuchte, der bei einem seiner Morde noch ungezwungen über die Terrasse des Nachbarhauses schlenderte. Sie sind einfach sehr risikofreudig und vielleicht in ihrer Welt sogar überzeugt vorsichtig zu sein. Selbst organisierte Täter gehen oft das Risiko ein, mit Opfern gesehen zu werden. War BS Man der Mörder von Stride, dann tötete er obwohl noch zwei weitere Männer in der Szenerie auftauchten.

Sicherlich, Arthur und da gebe ich dir recht, war es Ziel des Täters so schnell wie möglich die befriedigende Situation zu schaffen. Für alles andere war er vielleicht auch viel zu unruhig, zu aufgeregt. Aber ein wenig Verhandlungszeit, 10, vielleicht 15 Minuten Weg zur geeigneten Location muss man ihm auch zubilligen. Eine Stunde oder mehr ist viel Zeit und unterscheidet sich vielleicht (ich sage vielleicht) stark von den anderen Taten. Aber eines ist ganz klar: Er entschloß sich früher als gewöhnlich zuzuschlagen. Vielleicht, weil er in Stride das perfekte Opfer sah oder auch aus anderen Gründen. In jener Nacht hatte er noch alle Zeit der Welt, um auch noch später oder auch um ein zweites Mal zuzuschlagen, was er ja auch tat. Das könnte bedeuten, dass es sich für ihn lohnte einmal zu warten, bis denn der Hof im Dutfields Yard halbwegs frei war.   

Ich persönlich weiß nicht, wer der Mörder von Stride war, der, den PC Smith sah oder BS Man, gesehen von Schwartz. Oder auch nicht, ob diese identisch waren. PC Smith sah einen nüchternen Mann, Schwartz kurze Zeit später wohl einen zumindest leicht angetrunkenen Mann. Alle Angaben, sei es zeitlich als auch mit den Beschreibungen und Eindrücken, sind stets mit Vorsicht zu geniesen. 

Es ist auch wie ich bereits schrieb, ich lasse mir Packer offen. Es ist ja vollkommen okay, wenn du ihn für dich aussortierst. Auch ohne ihn bleibt das Pärchen von PC Smith bestehen und die Beobachtung von Schwartz mit BS Man und Pipeman sowieso. So kann man dabei weiter spekulieren, ob Smith und Schwartz ein- und denselben Mann mit Stride sahen oder nicht. Ich kann mich ehrlich gesagt nicht entscheiden.

Gruß, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 29.05.2016 22:54 Uhr
Hier noch eine schöne Arbeit zur Mrs.Long- Cadosch Sache:

http://www.casebook.org/dissertations/dst-yostlong.html

Es würde nämlich Sinn machen, wenn Mrs. Long die Uhr um 5.15 Uhr hat schlagen hören und nicht um 5.30 Uhr. Dann würde Cadosch den Mord tatsächlich gehört haben können. Aber Mrs. Long war sich sicher, was 5.30 Uhr anging. Und obwohl Sie so sicher war, könnte sie falsch gelegen haben.

Und das ist es ja, was ich im Falle Packer´s zum Ausdruck bringen wollte. Zuerst sagte er 00.00 Uhr bis 00.30 Uhr und dann gab es die Änderung für 23.00 Uhr bis 23.30 Uhr. Er war sich, im Gegensatz zu Mrs. Long, nicht sicher. So könnte man zumindest meinen. Aber wie Cadosch für Mrs. Long, würde dann PC Smith´s Beobachtung um ca. 00.30 Uhr auch Packer´s urspüngliche Aussage bestätigen. Die Attacke an Stride, gesehen durch Schwartz, fand dann nur 15 Minuten später statt. Im Falle von Cadosch dann zwischen 15.18 und 15.28 Uhr. Also 3 bis 13 Minuten später. Beide Taten dann recht zeitnah nach den Sichtungen. Im Falle Chapmans aber sicherlich etwas früher. Die Polizei wertete es so, dass zwischen 00.45 (der Zeitpunkt der Attacke) und 01.00 Uhr, noch genügend Zeit da war, dass noch ein weiterer Mann auf der Bildfläche erschien. Dies könnte ja auch bereits zwischen 00.30 (Smith) und 00.45 Uhr (Schwartz) der Fall gewesen sein. Im letzteren Fall sehe ich da auch eine gute Chance, da Schwartz ja einen Mann sah, der sich auf Stride zubewegte und nicht bereits neben ihr stand (und das mal ganz unabhängig von Packer). Bei Chapman bleibt auf jeden Fall eine offensichtlich kürze Zeitspanne über. Hier irritiert jedoch die schäbige Erscheinung des Mannes, offenbar einem Ausländer, der ca. 40 Jahre oder älter war. Das finden wir aber nicht in den Beschreibungen von Smith, Schwartz oder Lawende wieder. So dürfen leise Zweifel aufkommen, nicht, dass Mrs. Lawende Chapman sah, die Sie ja auch identifizieren konnte, sondern ob der Mann der Täter war.

Macnaghten sagte, niemand hat den Mörder jemals gesehen außer vielleicht der PC vom Mitre Square aber auch der nicht schon gut. Wie er auch immer auf diese Einschätzung kam, Mrs. Long muss im Nachhinein niemanden identifiziert haben. War der Täter am Ende jemand anderes, dann muss wohl Mrs. Long früher als 05.15 Uhr jenes Pärchen beobachtet haben. Wie schnell die Szenerie sich ändern kann, dafür könnte gerade der Stride Mord als Beispiel gelten. Der PC Smith sah (ca. 00.30 Uhr) noch einen Mann, der nicht der Stride Angreifer gewesen sein muss (00.45 Uhr) und auch nachdem, war noch genug Zeit (bis ca. 01.00 Uhr) für den vermeintlich wirklichen Täter. 
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 31.05.2016 19:16 Uhr
Hallo Lestrade!


Wir stecken hier mitten in dem Timeline-Problem, das ich bereits beim Thema Charles Cross angesprochen hatte:

Damals gab es eben noch keine Funkuhren, und die meisten Leute hatten nicht mal eine eigene Uhr. Es gab nur mechanische mit für heutige Verhältnisse hohen Gang-Ungenauigkeiten, und es hing stark davon ob, an welcher Referenzuhr jemand seine Taschenuhr nachstellte und wie oft, ob sie halbwegs genau die "offizielle" Zeit des Viertels anzeigte. Man hatte gerade vor ein paar Jahren erst damit angefangen, wegen des Ausbaus der Eisenbahn und der damit verbundenen Fahrpläne einheitliche Zeitzonen aufzubauen (bis Mitte des 19. Jahrhunderts stellte jedes Rathaus und jede Kirche ihre Uhr dadurch Pi mal Schnauze ein, indem man den höchsten Stand der Sonne als 12 Uhr nahm). Gerade die einfachen Leute in Whitechapel hatten nicht einmal eine eigene Taschenuhr, sondern orientierten sich an den öffentlichen Uhren an Kirchen, Rathäusern, Bahnhöfen und schätzten einfach die Zeit bis zum nächsten Viertelstunden-Glockenschlag oder bis zum nächstmöglichen Blick auf eine Uhr.

Wenn also nicht gerade ein Viertelstundenschlag der nächsten Turmuhr zu hören war, besteht eine große Wahrscheinlichkeit, dass die Zeitangaben nicht wirklich synchron waren. Und somit könnten sich Zeiträume in der Timeline verschieben oder sich im Extremfall gar die Reihenfolge zeitlich naheliegender Ereignisse ändern, wenn man die Aussagen zum Fall mit Schätzfehlern von plus/minus ein paar Minuten kalkuliert.

Leider haben wir aber nichts genaueres als diese Informationen, mit denen wir arbeiten müssen.
Wir können nur offensichtliche Fehler in der zeitlichen Abfolge korrigieren, wenn wir genug verschiedene Quellen haben oder es Gründe der Logik dafür gibt.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 31.05.2016 21:29 Uhr
Nabend Arthur,

Heute gibt es so viele Uhren aller Art und jeder hat mehrere Uhren unterschiedlicher Quellen aber keiner hat mehr Zeit…

Nun sind wir wieder einmal weit vom Ursprungsthema weg aber selbst diese anderen Fragen, welche aufkamen, haben an jener oder dieser Ecke wahrscheinlich gar irgendwie ihre Berechtigung. 

Mir war es wichtig aufzuzeigen, inwieweit die Zeugen eine Rolle gespielt haben könnten. Es gibt mit Lawende, Levy und Harris gewiss zeitnahe Zeugen, die mit ziemlicher Sicherheit den Ripper mit einem Opfer gesehen haben. Wirklich wahrgenommen haben dabei dürfte ihn nur Lawende. Für´s erste…

Für die Fälle bei Chapman, Stride und Kelly bleibt mehr Raum für Szenarien, was die Tätersichtigungen betrifft.

Klar, Mrs. Long könnte um 5.30 Uhr, im Falle Chapman, eben diese und ihren Mörder gesehen haben. Klar, um 5.40 Uhr hätte Chapman schon tot und verstümmelt im Hinterhof liegen können. Diese 10 Minuten benötigte der Ripper dann ja auch nur später im Falle Eddowes (Lawende 1.35 Uhr/ Watkins 1.45 Uhr). In diesem Falle, wenn man auch Cadosch glaubt, hörte er dann aber keinen Mord. Was er zwischen 5.15-5.30 Uhr hörte, könnte verschiedene Ursachen gehabt haben. Der Hinterhof wurde auch des “Nachtens“ frequentiert, egal auf welche Art. Cadosch hörte mit ziemlicher Sicherheit den Mord, falls Mrs. Long sich irrte und ihre beschriebene Sichtung um 5.15 Uhr erfolgte.

Der ältere Herr, Mr. Davis, der Chapman fand, machte seine Entdeckung laut Polizeiberichten um 6 Uhr. Auch Swanson hatte auf einer privaten Liste 6 Uhr eingetragen. Die Männer, die er sich zur Hilfe holte, Green und Kent (meine ich), gaben beide 6.10 Uhr an, als er sie rief. Die standen allerdings nur drei Türen weiter. Keine Ahnung, wie Menschen bei solchen Entdeckungen reagieren. Es besteht dabei aber die Chance, dass er Chapman um 06.03 (oder so) fand als er auf dem Weg zum Klo war. Fand Mrs. Long´s Sichtung schon um 05.15 Uhr statt, dann sind das bis zum Fund der Leiche knapp 50 Minuten. Selbst wenn Mrs. Long mit 5.30 Uhr richtig lag, lägen zwischen ihr und dem Fund der Leiche noch immer über 30 Minuten. Vielleicht hatte Cadosch bereits um 5.15 Uhr Chapman im Hinterhof vernommen, dann jedoch nicht mit dem Freier, welchen Mrs. Long gesehen hat. Für einen Mann wie den Ripper, der eine Prostituierte um 05.30 Uhr aus einem solchen Hinterhof kommen sah, war das vielleicht auch eine gute Gelegenheit (vielleicht die letzte), nach einer erfolglosen Jagd während der ganzen Nacht. Aber es bleiben am Ende eben wenigstens 30 Minuten, dass noch ein weiterer Mann aufgetaucht sein könnte. Und das erinnert dann auch ein wenig an der Situation in der Berner Street im Falle Stride.

Egal wie man Packer bewerten möchte, egal wann er das Pärchen zuletzt gesehen hatte, 23.30 oder 00.30 Uhr, er könnte jemanden gesehen haben, den auch der PC vom Mitre Square wiedererkannt haben möchte. Dann wäre dieser Verdächtige an zwei Tatorten in einer Nacht “aufgetaucht“. Im Falle von Packer hätte er einige derartige Sichtung auch um 22 Uhr machen können. Für die Polizei wäre das damals wie auch heute, von enormer Wichtigkeit gewesen.

Und da weiche ich kurz zu Kelly und Hutchinson aus. Falls der Ripper wie im Falle Stride zurückkehrte (Sichtungen durch PC Smith/ Schwartz), dann könnte das auch im Falle Kelly passiert sein. Ich halte das für eher unwahrscheinlicher im Kelly Fall, doch sollte man Hutchinson nicht einfach abschreiben, so, wie es oft bei Packer geschieht. Hutchinson war so ein guter Zeuge, könnte man meinen, dass er ebenfalls den Mann im Seaside Home wiedererkannt haben müsste. Falls er nicht selber Jude war, was wir wohl ausschließen können.

Aber zurück zur Berner Street. Die Polizei zog die Möglichkeit in Betracht, dass zwischen der Sichtung von Schwartz um 00.45 Uhr und dem Fund der Leiche ein weiterer Mann hätte auftauchen können. Ich weiß nicht, ob sie den Stride- Angreifer und den Mann den PC Smith sah, für ein- und denselben hielten oder für zwei Personen.

Police Gazette:

http://www.casebook.org/press_reports/police_gazette/police881019.html

Da kann man auch lesen, dass der Deerstalker vom PC Smith aus dem Inquest, keiner mehr war.

Die Zeitung in der Hand des Mannes (wie von PC Smith beschrieben) könnte ja auch eine Tüte mit Weintrauben gewesen sein aber wie wahrscheinlich ist das? Das, dass PC Smith eben auch ein Pärchen genau da sah, wie es Packer beschrieb und das auch die Kleidung von Stride nicht nass vom Regen war, dazu die Fruchtflecke, könnte darauf hindeuten, dass Packer das Pärchen eben nicht um 23.30 Uhr das letzte Mal sah, sondern um 00.30 Uhr. Bestand Packer letztendlich aber auf 23.30 Uhr, dann machte er sich seine, oft angenommene, Wichtigtuerei ja selber zunichte, indem er sich eine Stunde vom Tatgeschehen verabschiedete. Wie die zweite Geschichte im November von ihm zu bewerten ist, weiß ich nicht. Könnte aber sein, dass diese der vollen Wahrheit entsprach. Und eventuelle Zeitirrtümer von ihm und Mrs. Long, lassen eben mehr Raum für mehr Spekulation. Die Polizei nahm ihren eigenen PC offenbar sehr ernst, aber dann hat dieser vielleicht auch den Mann gesehen, den Packer sah. Aber Packer war so oder so widersprüchlich und so war seine Täterbeschreibung für die Polizei vielleicht zweitrangig oder unzuverlässig, wie er selber. Oder aber, er druckste aus bestimmten Gründen (vor allem dann wohl Angst) herum.

Bei meiner Betrachtung spielt auch eine ganz persönliche Eigenschaft von mir eine Rolle. Ich glaube zunächst Menschen das, was sie mir erzählen. Bemerke ich Unstimmigkeiten, passiert das selten aus Vorsatz beim Gegenüber. Ich bitte dich daher um Nachsicht, wenn ich bei bestimmten Personen in diesem Falle etwas rücksichtsvoller bin als manch anderer.

Packer als auch Marshall könnten einen Mann beobachtet haben, der eine Stunde mit dem Opfer verbracht haben könnte. Ob der Mann der Täter war, ich weiß es nicht. Ob Jack the Ripper eine so lange Zeit mit einem Opfer verbracht hätte? Ich weiß es nicht.

Vielleicht tauchte der Ripper im Falle Chapman erst um 5.50 Uhr und im Falle von Stride erst um 00.55 Uhr auf. Aber auch hier, ich weiß es nicht. Aber trotzdem scheinen mir all die Zeugenangaben irgendwie wichtig.

Letztendlich, vom tiefen Gefühl heraus, sehe ich es ähnlich wie Du. So schnell der Ripper auftauchte, so schnell verschwand er auch wieder. Aber um ehrlich zu sein, ich kann das gar nicht beurteilen, weil mir in der Tat die Fähigkeiten dazu fehlen. Das muss ich einfach so sagen.

Aber jenes Verhalten, passt eben auch gut zu “Verdächtigen“ wie wir sie in Jacob Levy oder Aaron Kozminski sehen.

Ich hoffe, dass dieses Post noch einmal darlegt, wo ich stehe und du das auch gut nachvollziehen kannst.

Die einzelnen Quellen muss man oftmals gegenprüfen. Das muss ich auch oft noch einmal.

Ein Enthusiast wie Du, braucht dazu folgende Bücher, falls Du sie nicht schon hast. Ich möchte sie dir unbedingt ans Herz legen:

The Ultimate Jack the Ripper Sourcebook – Stewart P. Evans & Keith Skinner
The Complete History Of Jack the Ripper – Philip Sugden
Jack the Ripper The Facts – Paul Begg
Jack the Ripper Scotland Yard Investigates – Stewart P. Evans & Donald Rumbelow
The Complete Jack The Ripper A To Z – Paul Begg, Martin Fido and Keith Skinner

Jack the Ripper Anatomie einer Legende – Hendrik P./Thomas Schachner (hast du ja) sollte ohnehin jeder haben…

Die ersteren beiden bieten viele Vergleichsmöglichkeiten. Wie gesagt, falls Du sie noch nicht hast, schaue, dass sie immer neben dir liegen, du wirst dankbar sein, sie zu haben.

Beste Grüße, Lestrade.

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 01.06.2016 00:41 Uhr
Hier ist ein Thema, Arthur, wo ich gerne einmal an deiner Auffassung interessiert wäre!

Irish Times Dublin, Ireland, Tuesday, 2 October 1888:

http://www.casebook.org/press_reports/irish_times/18881002.html

“During last night and to-day no less than five men were arrested in the East End of London in connection with the murders. Three were at different times conveyed to Leman street Police Station... two men detained at Commercial street (Police Station)..."

Beim Lesen kommst Du wahrscheinlich auf die gleiche Einteilung:

(1/2) Two men: one was immediately liberated (Leman Street Wache/ gefunden auf oder an der Commercial Road?), one was liberated soon after his arrest (Commercial Street Wache)

(3) One man: Frank Raper (Commercial Street Wache)

(4) Another was detained until noon to-day, when he was set at liberty after giving a statement of his movements. He was found to have been in straitened circumstances and o have passed much of his time in common lodginghouses in Whitechapel, but there was nothing to show that he had anything to do with the murders. (Leman Street Wache/ gefunden auf oder an der Commercial Road?)

(5) The third man was detained until the afternoon when he, after due inquiry, was also liberated (Leman Street Wache/ gefunden am Mitre Square?)

The Daily Telegraph, Tuesday, 2 October, 1888:

http://www.casebook.org/press_reports/daily_telegraph/dt881002.html

“Early yesterday morning a constable noticed a stranger in Commercial-road whose appearance and evident desire to avoid notice was suspicious. The constable spoke to him, and receiving what he deemed unsatisfactory answers, took the person to Leman-street Police-station, where he gave his name and address, and furnished ample particulars about himself. These were found to be accurate, and he was accordingly released.”

“It is stated that two men were arrested early yesterday near the Commercial-road, but their detention was only temporary, their explanations exonerating them from any suspicion of complicity in the crime..."


Bezüglich Schwartz:

Star 1 October 1888:

http://www.casebook.org/press_reports/star/s881001.html

He described THE MAN WITH THE WOMAN as about 30 years of age, rather stoutly built, and wearing a brown moustache. He was dressed respectably in dark clothes and felt hat. The man who came at him with a knife he also describes, but not in detail. He says he was taller than the other, but not so stout, and that his moustaches were red. Both men seem to belong to the same grade of society. The police have arrested one man answering the description the Hungarian furnishes. This prisoner has not been charged, but is held for inquiries to be made. The truth of the man's statement is not wholly accepted.

Hier weiß man nicht genau, welche Aussage nun gemeint war, die von Schwartz oder die vom gefundenen Mann.

The Star 2 October 1888:

http://www.casebook.org/press_reports/star/s881002.html

The threads that had been taken up on the possible chance of their leading to something tangible have been laid down again. It is but fair to say that the police have clutched eagerly at every straw that promised to help them out, but there is nothing left to work on. People have come forward by scores to furnish the description of a man they had seen with some woman near the scene, and not a great while before the commission of one or the other of SUNDAY MORNING'S CRIMES,but no two of the descriptions are alike, and none of the accompanying information has thus far been able to bear investigation. In the matter of the Hungarian who said he saw a struggle between a man and a woman in the passage where the Stride body was afterwards found, the Leman-street police have reason to doubt the truth of the story. They arrested one man on the description thus obtained, and a second on that furnished from another source, but they are not likely to act further on the same information without additional facts. If every man should be arrested who was known to have been seen in company with an abandoned woman in that locality on last Saturday night, the police-stations would not hold them.

Hier scheint es klarer zu werden, es war Schwartz wo Zweifel bestanden.

1 Oktober:

The police have arrested one man answering the description the Hungarian furnishes. This prisoner has not been charged, but is held for inquiries to be made

2. Oktober:

They arrested one man on the description thus obtained, and a second on that furnished from another source, but they are not likely to act further on the same information without additional facts

Die Polizei arbeitete danach weiter mit den Beschreibungen von Schwartz für BS Man, PC Smith´s Mann bei Stride und der von Lawende (siehe Police Gazette).

Es scheint, dass die Polizei Pipeman gefunden haben könnte aber seine Aussage die von Schwartz zunichte machte oder zumindest sehr zweifelhaft zurückließ. Durch eine andere Quelle, einen anderen Zeugen, hatte man aber auch noch einen zweiten Mann verhaftet. Diese zwei Männer waren sicherlich unter den fünf von denen insgesamt berichtet wurden. Sie schienen besonders wichtig. In Pipeman´s Fall scheint das ja auch klar. Smith, Lawende als auch der BS Man von Schwartz waren wohlmöglich nicht darunter.

Echo, London 1 October 1888:

http://www.casebook.org/press_reports/echo/18881001.html

A man was brought to the Leman-street Station last night, under circumstances which gave the police hopes at first that they had made an important capture. He was arrested, it seems, near Mitre-court, and could not give what the police deemed a satisfactory account of himself. He is a short, thickset man, of about thirty, close shaven. Upon him was found 1s. 4½d. in money and a razor, and round his throat was a woolen scarf of a violet colour. In reply to the Inspector he said that he had walked from Southampton, and belonged to the Royal Sussex Regiment (the very regiment, it will be remembered, whose cognisances was on the envelope found in the pocket of the Buck's-row victim). An examination of his boots was not, so the police at first said, at all confirmatory of this statement, and he was taken to the cells for inquiries to be made about him. No blood was found upon his clothes, so far as could be ascertained then. He protested his innocence, and the police now attach no importance to his arrest. He will, no doubt, be discharged. There was another arrest made during the night in the Commercial-road. Nothing, however, was discovered concerning him, and the man was discharged.

The Daily Telegraph, Tuesday, 2 October, 1888:

(nochmals: http://www.casebook.org/press_reports/daily_telegraph/dt881002.html )

"a man was, later in the day, brought to the Leman-street Police-station by a constable who found him prowling about not far from Mitre-street. His face was haggard, and he seemed unable to give any account of himself. Upon him were found 1s 4½d in money and a razor, and round his throat was a woollen scarf of a violet colour, upon which were several long hairs, supposed to be those of a woman."

Dieser könnte die Nummer 5 oben sein. Er wurde auf dem Gebiet der City Police gefunden und auf die Leman Street Wache der MET Polizei gebracht. Lawende sah ein rotes/rötliches Halstuch und dieser Mann trug einen violetten Wollschal. Ähnliches sah ja der Zeuge Hutchinson. Aber, Lawende´s Beschreibung blieb weiter aktuell, dieser gefundene Mann sollte nicht der Mann aus der zweiten Quelle gewesen sein. Oder doch?

Wer war also der Zeuge aus der anderen Quelle und wen und wo hat er ihn gesehen? Soll ich davon ausgehen, dass es nur im Zusammenhang mit den Ereignissen in der Berner Street stand?

Hat dieser Zeuge jemanden gesehen, den man fand aber der nicht Pipeman, nicht BS Man, nicht der Mann von Smith und schon gar nicht der von Lawende war?

Die Zeugen Brown und Marshall kämen noch in Frage aber im Inquest am 3 Oktober finden wir ja leider keinen Hinweis, dass ihnen bereits irgend jemand gezeigt wurde. Packer fällt auch raus, weil er ja noch bis dahin nichts gesehen haben wollte.

Oder hatte der gefundene Mann vom Mitre Square nur Ähnlichkeit mit dem beschriebenen Mann von Lawende und vielleicht auch vom Äußeren her mit der Beschreibung vom Mitre Square PC? Wir wissen ja, dass ein PC near Mitre Square eine Rolle spielte. Und hier wurde ein Verdächtiger dort aufgefunden. Gehen solche Mörder umgehend wieder zurück zum Tatort? Ich weiß jetzt nicht genau, wann Lawende ausfindig gemacht wurde, 30. September oder 1 Oktober und ob er, als diese Berichte entstanden, bereits jemanden zu sehen bekam. Der PC hätte sofort zur Stelle gewesen sein können. Fand man Lawende und diesen Mann erst zusammen am 1 Oktober, könnten wenige Stunden entscheidend gewesen sein. Aber auch eine spätere Gegenüberstellung hätte dann nichts am Weiterbestand von Lawendes Beschreibung geändert. Allein der Verdacht durch den PC hätte aber vermutlich ausgereicht, um diesen Mann näher zu betrachten. Zur Zeit der "Batty Street" Observation im Oktober 1888 finden wir auch gleichzeitig Berichte über einen Mann, der in einem East End Krankenhaus überwacht wurde. Wohlmöglich könnte es sich um ein- und denselben Mann handeln. Im Laufe des Oktobers hätte die Polizei auch festgestellt haben können, dass eben auch ihm die blutige Wäsche bei Frau Kuer gehörte. Erst gegen Mitte Oktober kam jemand die Wäsche dort abholen, erzählte aber etwas von einem Unfall mit einem Freund. Und hier könnte sich auch der Kreis zu Packer schließen, der nun plötzlich doch was gesehen haben wollte, zu welchem Zeitpunkt auch immer. Und vielleicht kannte dieser den Mann vom Mitre Square. Aber gerade meine letzten Sätze sind reinste Spekulation...

"and a second on that furnished from another source"

Wie siehst Du das? Die Quelle vielleicht ein City Police Mann, von dem wir nie zu dieser Zeit erfahren haben? Erst später via Macnaghten und Sims?

Gruß.

P.S.: Die nächsten Tage wird es knapper bei mir. Falls ich nicht umgehend antworte, tue ich es dann alsbald.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 01.06.2016 20:27 Uhr
Hallo Lestrade,

ich habe derzeit auch wenig Zeit, da die Arbeit mich voll in Beschlag nimmt, wie du wohl an der rückläufigen Frequenz meiner Antworten gemerkt hast.


Aber diese merkwürdige Geschichte von Packer hat mir keine Ruhe gelassen, der von diesen Männern sprach, die ihren Cousin suchten, der aus Amerika zurückgekommen sein soll.

Wird da ein Zusammenhang mit der Geschichte von diesem Lodger in den Model Dwellings vermutet, von dem eine ungenannt bleiben wollende Frau angeblich Albert Backert von der Bürgerwehr erzählt haben soll?



Hier ein Zeitungsartikel aus dem casebook dazu:


Port Philip Herald, Australia, 22 November 1890:
 
Mr Albert Backert, Chairman of the Whitechapel Vigilance Committee, has written the following letter to the Chronicle:
 
"In connection with the late Whitechapel murders, the most remarkable and sensational statement was made to me this morning at my place. At eleven o'clock this morning a very respectable middle-aged woman called at my house, and wished to see me. She was asked in, and then made the following statement to me, which she declared was all quite true:

About two years ago, she said, she was living in the model dwellings close by here and had a bedroom to let, furnished. A young man called and engaged the room. After living some time with her he stated that he had been to sea, and that at the present time he was receiving £1 a week from his father, and was also receiving an allowance from his brother, who was a doctor, and that he did not work himself.
She also noticed that he had plenty of clothes, including hunting breeches, revolvers, guns, and many other articles, which an ordinary working man would not have.
He had the door key, and could go out and in at all hours of the night, and used generally to get up about 5 p.m., but she could not say what time he arrived home at night.
On several occasions she noticed that his towels were very bloodstained, for which he accounted by saying that he was fond of painting, and had wiped his brush on them.
She also stated that she knew he had sent the liver, because one afternoon she happened to go to his room, and saw him with several pieces of liver on a newspaper, which he stated he had got from a New Zealand boat, as he knew a friend who was on board a frozen mutton boat. She saw him pack it in the box and address it to the then Chairman of the Vigilance Committee.
He also put some papers into different envelopes, which he intended sending to the Central News and the Press Association, and the police, but he forgot them, and she threw them into the dustbin. She noticed also that he had several brass wedding rings on the mantel shelf, and on one or two occasions he brought home a white apron blood stained, and gave them to her, which she has at the present time.
He always seemed to have plenty of money, and on the morning of the last murder (the Castle Alley) he left and has never returned.
He left a pair of silent shoes, several bags, which she says are blood stained, and a long overcoat, which is also blood stained. I asked her if she had been to the police, and she said she had not, as she was afraid of getting into trouble for not having given information before.
She said she could hold the secret no longer, and also feels convinced that the man she had lodging with her was the real "Jack the Ripper" and Whitechapel murderer. I feel sure that she was in earnest about this statement and she appeared very nervous, and did not wish her name to be published. I have no doubt that the police will make inquiries into the statement at once, and I directed her to go to Leman street to give all particulars. I may add that there was another person present when this statement was made this morning."


THE WHITECHAPEL MURDERS
REPORTED CLUE TO THE MURDERER
A SENSATIONAL STORY

"The People", a London Conservative paper, has the following remarkable statement regarding the supposed perpetration of the Whitechapel murders in the issue of 12th October last:

(...)
Her story, the chief fact of which she has endeavored to keep secret, is a very strange one. Much difficulty was experienced in obtaining it, the chief reason being that she is hiding her identity, as she does not wish to be mixed up in the affair, and declares that she is afraid the man she suspects will do her bodily injury. So careful has she been that the police had not up to yesterday afternoon, succeeded in finding her, or obtaining the following details of her statement.
It appears that while living on the top floor of a block of model dwellings in the neighborhood of Aldgate, a man engaged on the floor below a bed-room, with lumber-room adjoining, and paid her to keep the former clean, her occupation being that of an office cleaner. The lumber-room, which maintained a sink, was always kept locked , and although she did a portion of his washing, it was evident he did much of it himself. She describes him as young, of middle height, well-built, with a small, fair moustache and light brown hair, although she had frequently remarked that he had means by which he made his moustache and eyebrows much darker on some occasions than others. His movements during the time the murders were occurring were very mysterious. He had not the appearance of a working man and admitted that his parents, although in a good position, would have nothing to do with him, as he had been a scapegrace.
His brother, who she understood was a doctor, visited him on two occasions and appeared much older than he. She has no doubt the man she suspects is English, but he spoke with a nasal twang, evidently affected, and used the word "Boss" very frequently in conversation. He usually rose at two in the afternoon, and would go out about five o'clock, invariably wearing a tall hat and dressed very respectably, but as he had a large number of suits of clothes, he often dressed differently, or as she puts it: "He was a man who could so alter his appearance that if you met him in the street once you would not know him again." His clothes were mostly of the best quality, and included dress, shooting and morning suits. On one occasion he gave the woman a dark-coloured overcoat to sell, and she offered it to the wife of a working man. The latter, however, pointed out that it was so stained with blood that she would not let her husband wear it. The patches, which were of a dull brown, were thought by the woman to be paint, but when she returned it to the mysterious lodger with an intimation that she could not sell it because of the blood, he laughed lightly, saying the stains were nothing. Nevertheless he burnt the coat, for she subsequently discovered the remains, together with the horn buttons, in the grate.
As the murders were committed, her suspicions were increased, but she did not communicate them to anyone until the day following the discovery of the body in Pinchin street. She went to clean the bedroom as usual, when she found upon the three mats footmarks of blood, and upon one a large clot of the same substance. She then spoke of her suspicions to an official connected with the model dwellings but he evidently believing that an arrest would bring the buildings into disrepute, advised her to say nothing of the matter.
 As time went on, and the murders continued, she saw in his room many articles which were blood stained, although he never would allow her to enter the room alone, but remained with her while she performed her work. The lumber-room she never entered, for he kept the key, and on occasion when she wished to enter it for various purposes he always told her to go upstairs to her own apartments. With regard to the "Jack the Ripper" post-cards, the man always wrote his letters in red ink, of which he had a large bottle on the mantel-shelf. Upon the same shelf, too, she first noticed one brass wedding ring, but the number was afterwards increased until there were five, and these he left when he suddenly disappeared. On one occasion she found a piece of dirty rag screwed up and concealed behind a chest of drawers. This she discovered to be a portion apparently from a woman's print apron, and on taking it upstairs she saw it was blood stained. She washed it, and has it still in her possession. The pattern of the apron may form an important clue. The most remarkable fact, however, is that on the night of each of the murders he was absent, returning at early morning. On the morning of the Castle Alley murder he disappeared, having previously sold the whole of his belongings.

LATEST DETAILS.

A representative of the "People" who visited Whitechapel last night succeeded in obtaining some additional particulars which add considerably to the sensational character of the woman's story. She states that several times during the period the man lived in the model dwellings she informed her husband of her suspicions, but until the discovery of the blood upon the mats, he treated the matter indifferently. Afterwards, however, he urged her to make a statement to the police, but the reason she refused was owing to the representations made to her by the official connected with the buildings. The strange man she describes an accomplished linguist and able to speak French and German fluently as she frequently heard him in conversation with some foreigners who lived on the same floor. His general demeanor was sullen and uncommunicative, although at times he would speak freely of his relations, who, according to his account, were in good positions, one brother, the doctor who visited him, residing in the neighborhood of Oxford street. He also told her he had travelled for several years in the United States and Canada, and that the refusal of his relations to recognise him preyed upon his mind.

(...)
She also states that the man was in the habit if spending his evenings at the Tuns (?), at Aldgate, and was well known among the regular customers at that house. He usually sat in the private bar, and on many occasions she saw him carrying beer in cans up to his room. Another fact that increased her suspicions was that immediately after one of the murders he locked up his rooms and remained away for about two months, during which period no crimes of this particular character were reported in the vicinity. When he returned, he remarked that he had been living in the West End, but was glad to return to his old lodgings, as in the West people kept such a strict watch over a persons's movements, when in the East he was not subjected to that annoyance. Three nights afterwards another murder was perpetrated with the same daring, and enshrouded in the same mystery as its predecessors.

(...)
After he had disappeared so mysteriously prior to the Castle Alley murder, he sent her a letter which she received on the following day, stating that he had met with an accident, and that she need not expect him home. It was eventually discovered, however, that before his departure he had sold all his belongings - including many suits of clothes and several revolvers - to a ship's mate, who, a few days later, called and took them away.
After the lapse of a few weeks, the woman and her husband removed from the model dwellings to the house in which they now reside, and as the sensation caused by the mysterious crimes died out of the public mind, so the suspicion seems to have died out of her's until three days ago. On Wednesday evening she was walking in Commercial road, when, to her astonishment, she recognised the man, standing on the kerb in conversation with a well known tradesman of the district, whose name she declines to divulge, but who, she has ascertained, is a friend of his. The fact of the recent "Jack the Ripper" letters, coupled with his sudden reappearance, again aroused her suspicions and she subsequently discovered his abode, also that during his absence from the East End he has married. She has seen his wife, and had entered into conversation with her. The latter she describes as a rather pretty young woman of about twenty five, but whose face wears a strange look. and by whose manner she same to the conclusion that it was slightly deranged. The woman has not the slightest doubt as to the sanity of the man. She firmly adheres to her statement, and, according to the person who was present when she told her story to Mr. Backert, she declares herself unable to keep the secret any longer. Although she is endeavoring to avoid being interrogated by the police, there is reason to believe that the latter are already making most diligent inquiries into the truth of the statement and endeavoring to discover the individual she refers to. It is known that he lives near Aldgate Station.

http://www.casebook.org/press_reports/port_philip_herald/901122.html


Man beachte v.a. folgende Behauptungen:

"She describes him as young, of middle height, well-built, with a small, fair moustache and light brown hair, although she had frequently remarked that he had means by which he made his moustache and eyebrows much darker on some occasions than others"

"he had a large number of suits of clothes, he often dressed differently, or as she puts it: "He was a man who could so alter his appearance that if you met him in the street once you would not know him again."

"He also told her he had travelled for several years in the United States and Canada"

"Another fact that increased her suspicions was that immediately after one of the murders he locked up his rooms and remained away for about two months, during which period no crimes of this particular character were reported in the vicinity. When he returned, he remarked that he had been living in the West End, but was glad to return to his old lodgings, as in the West people kept such a strict watch over a persons's movements, when in the East he was not subjected to that annoyance. Three nights afterwards another murder was perpetrated with the same daring, and enshrouded in the same mystery as its predecessors."


Ist diese Frau eine gewaltige Märchenerzählerin, oder passt das nicht etwa zu Packers Aussage von den beiden Männern, die nach dem Double Event ihren Cousin aus Amerika suchten?


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 01.06.2016 21:04 Uhr
Bald beginnt die Fussball EM und du wirst mich hier vermissen...

Arthur,

Danke für deine Antwort. Ich kannte das Thema aber deinen Artikel nicht:

http://www.casebook.org/press_reports/ogden_standard/18901014.html

und bezüglich deinen das hier:

http://www.casebook.org/dissertations/dst-bachert.html

Etwas ähnliches war mir über diese Frau länger bekannt und Howard postete, so meine ich, das was ich kannte auch vor einer Weile im JTRForums als Zeitungsartikel.

Ich habe bis eben keinen Zusammenhang zwischen Packer und dem erkannt. Aber es wäre durchaus möglich. Auch dieser (in Frankreich "erkannte") John Lagan aus der Packer-Zeichnung neulich war Amerikaner. Das zweite Bild auf jener Zeichnung war ja wahrscheinlich eine zweite Alternative beschrieben von diesem "Dairyman". Packer: soft felt hat, kind of yankee, meinte er damit vielleicht einen Amerikaner? Danke für deine Anregung.

Laut Shadows neuen Faden gab es jedoch 246 Amerikaner unter den Verhaftungen. Das macht es gerade nicht einfacher.

Gruß, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 01.06.2016 21:28 Uhr
Hallo Lestrade,

dieser Bachert scheint ja nicht gerade seriös gewesen zu sein, wenn man seine Bio liest. Da stellt sich mir die Frage, ob es diese geheimnisvolle Frau überhaupt gab - oder ob sich Bachert die Geschichte mithilfe seines Wissens über den Fall aus Zeitungsartikeln und mit einem guten Schuss Phantasie aus den Fingern gesogen hat.

Schade, wäre mal ein netter anderer Ansatz gewesen, so über Packer und Bacherts Story...


MfG, Arthur Dent

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 01.06.2016 23:11 Uhr
Lass uns noch einmal zurückkehren, zu dem Mann, mit dem Stride vielleicht etwas mehr Zeit verbracht hatte!

Stellen wir uns vor, das Pärchen war auch das gleiche, welches Marshall sah. Er sprach von einem Seemann- Aussehen, dass kennen wir von Lawende aus der gleichen Nacht als auch von der Beschreibung eines Mannes aus der Church Lane, ebenfalls gleiche Nacht (vielleicht der "zweite Mann aus der anderen Quelle"?). Vielleicht ist der Marshall Mann identisch mit dem Packer und Smith Mann. Den Zeugen Brown lasse ich mal außen vor, er könnte ja das Liebespaar, was vor Ort war, gesehen haben ("nicht heute Nacht, ein andermal" klingt vielleicht nach einem frischen Paar)

Wo war er als BS Man, Schwartz und Pipeman auftauchten? Ging das Pärchen nach PC Smith nun endlich fürs Geschäft in den Yard (ca 00.35 Uhr) und war dieser längere Begleiter dann endgültig weg (00.45 Uhr) als erst BS Man, dann Schwartz und dann Pipeman auftauchten? Hatte er überhaupt nichts mit dem Mord zu tun?

Oder aber, befand er sich bereits mit ihr im Yard als BS Man auftauchte? Ab 1m war in diesem Yard nichts mehr zu sehen. Schwartz hätte niemanden hinter Stride erkennen können. BS Man, falls nicht der Mörder, auch nicht unbedingt. Stride könnte mit der Wahl des Plätzchens vorsichtig gewesen sein und mit ihrem Freier in den Yard gegangen sein nicht ohne noch einmal zu schauen, ob nun die Luft tatsächlich rein ist.

Wie schon beschrieben, es könnte sein, dass Pipeman aufgrund der Schwartz Beschreibung gefunden wurde. Die Polizei suchte dann gar nicht mehr nach ihm, so scheint es und legten auch im Bericht an das Innenministerium die Möglichkeit nahe, dass er als Mörder eher weniger in Frage käme als auch, dass nach BS Man noch ein weiterer Mann aufgetaucht sein könnte.

So etwas könnte mit einer Aussage von Pipeman zusammenhängen, der etwas anderes berichtete als es Schwartz tat, somit das letzterer nicht mehr ganz glaubwürdig war. Vielleicht konnte Piepman dann ein Alibi vorlegen, dass ihn zwischen 1 Uhr und 2 Uhr morgens entlasten konnte. Was könnte in einem solchen Falle Pipeman gesehen haben? Vielleicht nur eine kleine Schubserei und Beleidigungen, weil BS Man Stride mit einem Freier in den Yard gehen hat sehen? Einen BS Man, der dann weiterging und in seinen Bewegungen noch von Pipeman beobachtet worden ist? Oder konnte Pipeman überhaupt nichts relevantes aussagen?

Allerdings könnte BS Man auch der Killer gewesen sein, weil er, wie in meinem Beispiel im Falle Chapman (als diese bereits von Cadosch um 5.15 Uhr im Hinterhof mit einem anderen Freier gehört wurde und dann um 5.30 Uhr ihren wahren Killer traf, den dann auch Mrs. Long sah), Stride dabei erwischte, wie sie gerade einen Freier verabschiedet hatte?

Wäre solche Situation etwas, was einen Jack the Ripper besonders reizte? Als er mitbekam, wenn Prostituierte gerade von einem Freier zurückgelassen wurden? Ich weiß es nicht...

Oder kehrte der Mann von PC Smith zurück und wurde zum BS Man. Smith sagte er sah nüchtern aus, der Mann von Schwartz wirkte angetrunken. Wenn BS Man der Killer war, dann wäre er wahrscheinlich von Schwartz identifiziert worden. Der einzige, der den von Anderson und Swanson genannten "Kosminski" identifizieren konnte, war ein jüdischer Zeuge, wie es auch Schwartz gewesen war. Aber war es tatsächlich Schwartz, der "Kosminski" im Seaside Home identifzierte? Wir wissen ja noch nicht einmal, wann diese ID wirklich stattfand. Nun wissen wir jedoch, dass man frühestens/spätestens im Dezember 1888 in privaten Anstalten suchte, also das erste Mal nach Kelly und haben das was Macnaghten sagte: Anstalt ca. März 1889. Dazu Swanson Aussagen, dass er nach der Rückkehr aus der Anstalt, nur kurz bei seinem Bruder war, bevor es nach Colney Hatch ging. Aaron Kozminski ging im Februar 1891 nach Colney Hatch. Wahrscheinlich war er, bis auf wenige Ausnahmen (Dezember 1889/ Juli 1890), zwischen März 1889 und Februar 1891, also fast zwei Jahre, in privaten Anstalten. Swanson lässt keine Pause erkennen, so dass anzunehmen ist, er war zwischen Juli 1890 und ca. Januar 1891 gar nicht mehr auf freiem Fuß. Die Wahrscheinlichkeit, dass es in dieser Zeit zur Seaside Home ID kam, ist, meines Erachtens höher, als zu einem früheren Zeitpunkt. Außer, Swanson wusste nichts davon, als dieser Verdächtige an den genannten Daten zu seiner Familie zurückkehren durfte. Vermutlich war ja auch die City Police das "Überwachungsorgan". Wie wahrscheinlich ist das aber? Swansons Bemerkung, dass nach dieser Identifizierung, kein anderer Mord dieser Art mehr in London stattfand, lässt einem natürlich auch wieder fragen, wann er das so sah? Nach Kelly oder nach Mackenzie. Coles können wir ausschließen, Aaron Kozminski war da schon in Colney Hatch. Oder meinte Swanson, dass der Verdächtige schon nach Kelly lokalisiert wurde und dieser auch wusste, dass er quasi "identifiziert" worden ist (Vorfall mit der Schwester am 22 November 1888?)? So viele Fragen...

War er ein früher Verdächtiger und wurde erst in der zweiten Hälfte 1890 identifiziert, halte ich es für sehr fraglich, dass erst dann Schwartz und/oder Lawende im Seaside Home zum Einsatz kamen. Somit hätte Schwartz (als auch Lawende), zu einem früheren Zeitpunkt (Okt./November 1888), "Kosminski" gar nicht als BS Man identifiziert oder aber zumindest einfach nicht wiedererkannt (und Macnaghten sagte, niemand sah jemals den Mörder, außer vielleicht dieser PC vom Mitre Square- wusste Macnaghten überhaupt von der Seaside Home ID?). Das ließe jedoch Raum dafür, dass BS Man vielleicht gar nicht der Killer war. Und falls kein anderer Mann mehr auftauchte, komme ich zurück zum Mann, den PC Smith sah. Wo war er plötzlich, nachdem er mindestens eine halbe Stunde mit Stride hantiert hatte?

Am liebsten würde ich sagen, BS Man war der Killer und er hätte die Zeit gehabt, seine 10 Minuten (wie, vielleicht, bei Chapman und mit Sicherheit bei Eddowes) zum Verstümmeln bevor Diemschütz eintraf. Aber sie wurde nicht verstümmelt. Störte noch etwas oder jemand zwischen 00.45 Uhr und 01.00 Uhr? BS Man hätte mit rechnen müssen, dass Schwartz und Pipeman mit Hilfe zurückkehrten. Hätte er Sie dann überhaupt erst getötet? Sinn macht jemand, der das Szenario vorher gar nicht mitbekam bzw. so einschätzen konnte, dass niemand von beiden oder von allen dreien zurückkehren würde. Deshalb halte ich eher (ich sage das mit Vorsicht) den Mann vom PC Smith als auch einen gänzlich unbekannten Mann für den Killer und somit Jack the Ripper.

Zum Verdächtigen "Kosminski" (falls Aaron Kozminski) bietet dieser Tatort jedoch noch etwas besonderes.

In 1882 lautete die Adresse seines Bruders Woolf Abrahams 38 Berner Street. In 1888 25 Providence Street. Auf dem angehängten Foto (aus Jack the Ripper Wiki: http://wiki.casebook.org/index.php/Berner_Street) sehen wir die Nummer 38, neben der Nummer 40 des Clubs mit dem Dutfields Yard. Drei Türen nach links weiter, nicht mehr sichtbar, war der Eingang zu Batty Gardens, wo 1887 eines der Töchter des Rabbis und Verwandten, Israel Lubnowski, mit Adresse benannt wurde. Das Foto entstand aus der Ecke, wo der nördliche Eingang der Providence Street lag. Gegenüber des Einganges zu Batty Gardens, führte ein Durchgang direkt zur Batty Street und zu Frau Kuer, der Frau mit der blutigen Wäsche (rechte Seite, nicht auf dem Foto sichtbar). Auf dem Foto ist Packers Shop die erste Tür auf der Berner Street links. Davor der Eingang zum Pub, wo Pipeman stand. Und Packer antwortete auf eine Frage, wo denn sein Verdächtiger lebe mit "in der Straße nebenan/ in der nächsten Straße". Aaron Kozminski war diese Ecke sicherlich besonders vertraut. Seine Familie könnte schlimmes geahnt haben, als genau dort die Mordserie ihre Fortsetzung fand... würde ein Aaron Kozminski dort, genau dort, sich so lange mit einem seiner Opfer gezeigt haben?
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 08.06.2016 11:52 Uhr
Arthur, das erste Buch kam gestern an:

Robin Odell- Jack The Ripper- In Fact And Fiction, New And Revised Edition von 2008 (Erstausgabe 1965)!

Während der Fussball Europameisterschaft werde ich dieses Buch nebenher lesen und mal schauen, was es mit der "The Slaughterman" Theorie wirklich auf sich hat und ob damit die Jacob Levy Theorie noch mehr unterstützt werden kann.

Die andere beiden Bücher lassen noch auf sich warten.

Gruße, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 08.06.2016 21:22 Uhr
Hallo Lestrade,

ich bin beruflich immer noch stark in Beschlag genommen, daher beneide ich dich ein bisschen dafür:

Zitat
Während der Fussball Europameisterschaft werde ich dieses Buch nebenher lesen und mal schauen, was es mit der "The Slaughterman" Theorie wirklich auf sich hat und ob damit die Jacob Levy Theorie noch mehr unterstützt werden kann.

Bin jedenfalls gespannt, was du über Odells Buch berichten kannst.


Da ich gerade etwas Luft habe, aber nun mal kurz zurück zum Fall Stride:

Zitat
Am liebsten würde ich sagen, BS Man war der Killer und er hätte die Zeit gehabt, seine 10 Minuten (wie, vielleicht, bei Chapman und mit Sicherheit bei Eddowes) zum Verstümmeln bevor Diemschütz eintraf. Aber sie wurde nicht verstümmelt. Störte noch etwas oder jemand zwischen 00.45 Uhr und 01.00 Uhr? BS Man hätte mit rechnen müssen, dass Schwartz und Pipeman mit Hilfe zurückkehrten. Hätte er Sie dann überhaupt erst getötet? Sinn macht jemand, der das Szenario vorher gar nicht mitbekam bzw. so einschätzen konnte, dass niemand von beiden oder von allen dreien zurückkehren würde. Deshalb halte ich eher (ich sage das mit Vorsicht) den Mann vom PC Smith als auch einen gänzlich unbekannten Mann für den Killer und somit Jack the Ripper.


Mir geht es da ähnlich, der Fall hat auch für mich ein paar seltsame Facetten:

Sehen wir mal davon ab, dass manche Ripperologen Stride nicht für ein Ripper-Opfer halten, sondern gehen wir davon aus, dass es tatsächlich JTR war (was auch meine These ist).

Zunächst einmal halte ich es für unwahrscheinlich, dass JTR seine Opfer noch längere Zeit in der Öffentlichkeit ausführte und den Kavalier spielte, so mit spazierengehen und etwas spendieren, bevor es zur Sache ging.
Erstens hasste er diese Art von Frauen, und dann längere Zeit auf nett machen müssen und Geld ausgeben für sie? Er hätte sehr viel Selbstbeherrschung und Schauspielkunst aufbringen müssen, um das glaubhaft zu überspielen, damit die Opfer nichts merken. Bei einem Täter, der wahrscheinlich noch psychische Probleme hatte, nur schwer vorstellbar (anders, wenn wir von einem Psychopathen ausgehen würden).
Zweitens: Warum hätte er sich diese Mühe machen sollen, wenn er bei einer Prostituierten in ständiger Geldnot auch schneller hätte zum Ziel kommen können?
Drittens hätte das längere Herumflanieren in der Öffentlichkeit das Risiko von jemandem wiedererkannt zu werden, zu stark erhöht.

Daher glaube ich nicht, dass JTR jener beschriebene Mann war, der mit Stride früher in der Nacht gesehen wurde. Da bin ich schon eher geneigt zu glauben, JTR habe irgendwo in der Berner Street gelauert und sich Stride gegriffen, als ihr bisheriger Begleiter sie verlassen hatte...


Zitat
Und Packer antwortete auf eine Frage, wo denn sein Verdächtiger lebe mit "in der Straße nebenan/ in der nächsten Straße". Aaron Kozminski war diese Ecke sicherlich besonders vertraut. Seine Familie könnte schlimmes geahnt haben, als genau dort die Mordserie ihre Fortsetzung fand... würde ein Aaron Kozminski dort, genau dort, sich so lange mit einem seiner Opfer gezeigt haben?

Genau das frage ich mich ja auch.
Ich weiß, Packer hat erzählt, der Begleiter von Stride sei ihm ein paar Tage später wieder in der Commercial Road über den Weg gelaufen, habe ihn beobachtet und bedrohlich angesehen - offenbar um ihn einzuschüchtern. Aber mir widerstrebt die Vorstellung, JTR hätte bei einem Händler, der ihn vom Sehen kannte, mit seinem künftigen Opfer Trauben gekauft, um sie dann kurze Zeit später wenige Meter weiter umzubringen. Nun ja: Hängt natürlich davon ab, wie weit unser Täter schon psychisch zerrüttet war...

Aber wenn Packer den Mann tatsächlich vom Sehen kannte und wusste, dass er in unmittelbarer Nähe wohnte, wieso konnte er dann nicht identifiziert werden? Wieso wurde Packer dann auch polizeiintern als unzuverlässiger Zeuge abgetan?

Was mir auch nicht einleuchtet:
Wenn die Aussage von Schwartz stimmt, und der Mann Stride zu Boden stieß, warum ging Stride dann noch mit ihm in den Yard? War dieser Mann gar nicht JTR, sondern der frühere Begleiter, der sich gerade im Streit von ihr trennte, oder hatte der Mann, vermutlich betrunken, sie einfach nur angerempelt - und JTR kam unmittelbar danach? Immerhin sagte selbst Schwartz, dass Stride nicht besonders heftig reagierte, nicht so, als fühle sie sich ernsthaft bedroht.
War vielleicht JTR selbst ein Besucher des Clubs gewesen, der gerade durch die Hintertür hinaus in den Yard ging, aus dem Dunkel heraus zufällig diese Szene sah, und die günstige Gelegenheit nutzen wollte? Er sieht, dass jener Mann sie im Streit verlässt, geht hin, hilft ihr auf, fragt ob alles in Ordnung ist und ob sie was trinken will und schlägt ihr vor, mit durch die Hintertür in den Club zu kommen. Er führt sie in den Yard, und sobald sie im Dunkeln sind, schlägt er zu - aber da hört er schon wieder jemanden kommen...
Sicher: Nur eine Spekulation. Aber für mich plausibler als die Vorstellung, JTR würde eine Stunde lang zusammen mit einem künftigen Opfer öffentlich durch die Straßen laufen, bei einem Mann, der ihn vom Sehen her kennt, Obst für die Frau kaufen, sich dann auch noch bei einer Auseinandersetzung beobachten lassen und Stride trotzdem noch töten, statt sich eine andere zu suchen.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 08.06.2016 22:34 Uhr
Hi Arthur,

ich bin beruflich immer noch stark in Beschlag genommen, daher beneide ich dich ein bisschen dafür:

Das geht nun einmal vor... man kann immer nur soviel machen, wie gerade geht...

Zunächst einmal halte ich es für unwahrscheinlich, dass JTR seine Opfer noch längere Zeit in der Öffentlichkeit ausführte und den Kavalier spielte, so mit spazierengehen und etwas spendieren, bevor es zur Sache ging.
Erstens hasste er diese Art von Frauen, und dann längere Zeit auf nett machen müssen und Geld ausgeben für sie? Er hätte sehr viel Selbstbeherrschung und Schauspielkunst aufbringen müssen, um das glaubhaft zu überspielen, damit die Opfer nichts merken. Bei einem Täter, der wahrscheinlich noch psychische Probleme hatte, nur schwer vorstellbar (anders, wenn wir von einem Psychopathen ausgehen würden).
Zweitens: Warum hätte er sich diese Mühe machen sollen, wenn er bei einer Prostituierten in ständiger Geldnot auch schneller hätte zum Ziel kommen können?
Drittens hätte das längere Herumflanieren in der Öffentlichkeit das Risiko von jemandem wiedererkannt zu werden, zu stark erhöht.

Daher glaube ich nicht, dass JTR jener beschriebene Mann war, der mit Stride früher in der Nacht gesehen wurde. Da bin ich schon eher geneigt zu glauben, JTR habe irgendwo in der Berner Street gelauert und sich Stride gegriffen, als ihr bisheriger Begleiter sie verlassen hatte...

Das ist ja auch erst einmal der richtige Ansatz, denke ich...

Genau das frage ich mich ja auch.
Ich weiß, Packer hat erzählt, der Begleiter von Stride sei ihm ein paar Tage später wieder in der Commercial Road über den Weg gelaufen, habe ihn beobachtet und bedrohlich angesehen - offenbar um ihn einzuschüchtern. Aber mir widerstrebt die Vorstellung, JTR hätte bei einem Händler, der ihn vom Sehen kannte, mit seinem künftigen Opfer Trauben gekauft, um sie dann kurze Zeit später wenige Meter weiter umzubringen. Nun ja: Hängt natürlich davon ab, wie weit unser Täter schon psychisch zerrüttet war...

Aber wenn Packer den Mann tatsächlich vom Sehen kannte und wusste, dass er in unmittelbarer Nähe wohnte, wieso konnte er dann nicht identifiziert werden? Wieso wurde Packer dann auch polizeiintern als unzuverlässiger Zeuge abgetan?

The Illustrated Police News, 10 November 1888:

Mr Matthew Packer, who keeps a fruit shop near the gateway where the Berner Street murder was committed, stated on Wednesday that he felt just then greatly alarmed owing to his having seen a man exactly like the one who bought some grapes from him for the murdered woman Stride, a short time before the murder was committed. He alleges that he had often seen the man before the murder, as well as the woman; but he had not seen anyone resembling the man since the murder ___ Saturday night. He was then standing with his fruit stall in the Commercial Road when he observed the man staring him full in the face. After passing and repassing him several times, the man got into the roadway and looked at him in a menacing manner. Packer was so terrified that he left his stall and asked a shoeblack, who was near, to keep his eye on the man. His fear was that the fellow was going to stab him. No sooner, however, had he called the shoeblack's attention to the man than the latter ran away and jumped onto a passing tramcar.

Das bezog sich auf eine Meldung der Evening News vom 31 Oktober 1888:

"Between seven and eight o'clock, on Saturday evening last, I was standing with my barrow at the corner of Greenfield-street, Commercial-road, when I saw a man pass by on the opposite side of Greenfield-street, near the watchmaker's shop. I recognized him in a minute as the man I had seen outside my shop on the night when Elizabeth Stride was murdered in Berner-street. It was the man who bought the grapes and gave them to the woman that was afterwards found murdered in the yard. I shall never forget his face, and should know him again amongst a thousand men."

Mittwoch war der 31 Oktober, wiedergesehen hat er ihn am Samstag den 27 Oktober. Es gab noch weitere "Sichtungen" durch Packer, schau mal hier:

http://www.jtrforums.com/showthread.php?t=5311

Packer stand am untersten Ende der Greenfield Street, der Straße, in der Aaron Kozminskis Geschwister lebten (Isaac und Matilda). Packer hatte seinen Verdächtigen das letzte Mal am 29/30 September gesehen und dann eben erst wieder am 27 Oktober. So wie es aussieht, sah er ihn dann nochmal nach dem Kelly Mord eine Frau ansprechen (siehe JTRForums Link) und das geschah zu der Zeit, als ihm ein Mann erzählte, dass sein Cousin der vermeintliche Mörder sein könnte. (Später wurde Packer sogar einmal angegriffen).

Im Oktober, als Packer ihn wiedersah, könnte, falls Kozminski dieser Verdächtige war (und der Batty Street Verdächtige), eben jener noch unter Polizei Observation gestanden haben. Um den 10 November, die Sache mit einer erneuten Sichtung und der Cousin Geschichte, könnte jener Verdächtige vielleicht gar nicht lokalisiert worden sein und es gab vielleicht Nachfragen bei Packer (erneut durch die Polizei und durch Angehörige des Mannes), weil der Verdächtigte irgendwie untertauchte. Spekulation...

Swanson hielt die Angaben von Packer für nahezu wertlos. Ich weiß nicht, wie das zu bewerten ist. Grand, der Packer ja erst richtig aufspürte, war ein richtig Krimineller, vielleicht trauten sie der ganzen Geschichte nicht gänzlich ohne Packer dabei abzuwerten. Ich weiß es nicht...

Die Taktik der Polizei bezüglich Packer, kennen wir ja nicht. Vielleicht hatten sie bei Packer eine andere Vorgehensweise. Vielleicht ist es ja möglich, dass sie Packer den Hinweis gaben, sich am Ende der Greenfield Street geschäftlich zu postieren und die Leute zu beobachten, könne ja sein, er erkennt jemanden wieder... bestand Packer auf 23.30 Uhr, dann lautete sein Beweis: 1,5 Stunden vor ihrer Ermordung... ungünstig... wenn dieser Verdächtige jedoch auch der Mann vom PC am Mitre Square gewesen war (jedoch nur wage erkannt), dann hatte dieser Verdächtige erst einmal ein großes Problem... und wäre ein ernsthafter Verdächtiger gewesen...

Was ich mich immer wieder frage ist, warum Packer, der einen kleinen Laden führte, sich mit seinen Sachen an die unterste Ecke der nächst höherliegende Straße bewegte... 60-70m von seinem Geschäft weg... könnte das eine "Anweisung" der Polizei gewesen sein?

Was mir auch nicht einleuchtet:
Wenn die Aussage von Schwartz stimmt, und der Mann Stride zu Boden stieß, warum ging Stride dann noch mit ihm in den Yard? War dieser Mann gar nicht JTR, sondern der frühere Begleiter, der sich gerade im Streit von ihr trennte, oder hatte der Mann, vermutlich betrunken, sie einfach nur angerempelt - und JTR kam unmittelbar danach? Immerhin sagte selbst Schwartz, dass Stride nicht besonders heftig reagierte, nicht so, als fühle sie sich ernsthaft bedroht.
War vielleicht JTR selbst ein Besucher des Clubs gewesen, der gerade durch die Hintertür hinaus in den Yard ging, aus dem Dunkel heraus zufällig diese Szene sah, und die günstige Gelegenheit nutzen wollte? Er sieht, dass jener Mann sie im Streit verlässt, geht hin, hilft ihr auf, fragt ob alles in Ordnung ist und ob sie was trinken will und schlägt ihr vor, mit durch die Hintertür in den Club zu kommen. Er führt sie in den Yard, und sobald sie im Dunkeln sind, schlägt er zu - aber da hört er schon wieder jemanden kommen...
Sicher: Nur eine Spekulation. Aber für mich plausibler als die Vorstellung, JTR würde eine Stunde lang zusammen mit einem künftigen Opfer öffentlich durch die Straßen laufen, bei einem Mann, der ihn vom Sehen her kennt, Obst für die Frau kaufen, sich dann auch noch bei einer Auseinandersetzung beobachten lassen und Stride trotzdem noch töten, statt sich eine andere zu suchen.

Ihre Reaktion war nicht wirklich panisch, so wie es jedenfalls Schwartz beschrieb. An einen Besucher des Clubs dachte ich auch schon öfters.

Glauben wir Packer, der dann tatsächlich noch einmal diesen Mann eine Frau ansprechen sah, dann wäre das von diesem Täter, falls denn überhaupt Jack the Ripper, schon äußerst dreist oder wirklich verrückt gewesen (falls er Packer und die anderen mitbekam). Denke an Cox, obwohl Cox der Meinung war, dass dieser Mann sich verfolgt fühlte, sprach er in der beschrieben Cox -Nacht noch zwei Frauen an und stieß eine davon sogar weg. Also rein hypothetisch, wenn das ein- und derselbe Mann war und vielleicht Jack the Ripper, dann war er auf gewisse Art und Weise nicht wirklich vorsichtig. In diesem Falle würde ich mich nicht wundern, wenn er eine halbe Stunde mit einem Opfer in der Gegend herumgestanden hätte. Nichts ist unmöglich, vermute ich.

Gruß, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 09.06.2016 00:08 Uhr
Hallo Lestrade!


Ich habe mir diese beschriebene Situation gerade mal aus der anderen Perspektive vorgestellt:

Zitat
He was then standing with his fruit stall in the Commercial Road when he observed the man staring him full in the face. After passing and repassing him several times, the man got into the roadway and looked at him in a menacing manner.

Gehen wir einmal davon aus, dass Packers Aussage wahr ist - so muss das noch nicht unbedingt heißen, dass dieser Mann, den er wiedererkannte, der Mörder war, der ihn einschüchtern wollte.
Wenn ich mir vorstelle, ich wäre der Typ gewesen, der kurz vor JTRs Mord noch mit Stride zusammen war, und dann muss ich erfahren, dass dieser alte Mann der Polizei und der Presse meine Beschreibung als mutmaßlicher Ripper gegeben hat - da wäre ich ziemlich wütend auf den alten Mann, schließlich war die Hysterie im Viertel nicht weit von Lynchjustiz entfernt. Und falls ich ihn auf der Straße wiedergesehen hätte, wäre mein Blick für ihn sicher auch beängstigend gewesen. Er hätte mit Sicherheit auch ausgesagt: Halt die Klappe, alter Mann! Wenn du mir Ärger machst, werde ich richtig sauer!


Zitat
Was ich mich immer wieder frage ist, warum Packer, der einen kleinen Laden führte, sich mit seinen Sachen an die unterste Ecke der nächst höherliegende Straße bewegte... 60-70m von seinem Geschäft weg... könnte das eine "Anweisung" der Polizei gewesen sein?

Ich vermute mal eher einen ganz trivialen Grund: Die Commercial Road war eine wichtige Durchgangsstraße mit vielen Passanten und Berufsverkehr - hier konnte Packer zu bestimmten Zeiten mehr Umsatz mit Laufkundschaft machen als in seinem Laden der Berner Street. Er kam gewissermaßen seinen Kunden entgegen. Wer macht schon einen Umweg in eine Nebenstraße, um Obst zu kaufen, wenn es auch an der Hauptstraße solche Händler gibt? Also stellte sich Packer mit einem Obstkarren dahin, wo mehr potentielle Kunden vorbeikamen.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 09.06.2016 16:20 Uhr
Hallo Arthur!

Gehen wir einmal davon aus, dass Packers Aussage wahr ist - so muss das noch nicht unbedingt heißen, dass dieser Mann, den er wiedererkannte, der Mörder war, der ihn einschüchtern wollte.
Wenn ich mir vorstelle, ich wäre der Typ gewesen, der kurz vor JTRs Mord noch mit Stride zusammen war, und dann muss ich erfahren, dass dieser alte Mann der Polizei und der Presse meine Beschreibung als mutmaßlicher Ripper gegeben hat - da wäre ich ziemlich wütend auf den alten Mann, schließlich war die Hysterie im Viertel nicht weit von Lynchjustiz entfernt. Und falls ich ihn auf der Straße wiedergesehen hätte, wäre mein Blick für ihn sicher auch beängstigend gewesen. Er hätte mit Sicherheit auch ausgesagt: Halt die Klappe, alter Mann! Wenn du mir Ärger machst, werde ich richtig sauer!

Diese Perspektive ist sicherlich näher an der Wahrheit, gerade dann, wenn Packer tatsächlich das Pärchen zuletzt um 23.30 Uhr sah. Zeugenbeschreibungen hin oder her, Kopfbedeckungen hin oder her, wir hatten das neulich ja wieder einmal, für mich und wahrscheinlich auch für dich ist nichts unmöglich, gerade wenn man sich Aufnahmen aus der damaligen Zeit ansieht. Howard Brown hat diese Videos im JTRForums veröffentlicht:

https://www.youtube.com/watch?v=lQV1_B63LTM#t=293.533476

https://www.youtube.com/watch?v=SXxuNncWq4s

https://www.youtube.com/watch?v=1e8hnCRrGoE

Vielleicht übertreibe ich auch aber auf mich wirken die Menschen damals sehr uniform.

Von den drei Beschreibungen Ende 1888 durch PC Smith, Schwartz und Lawende blieb im Sommer 1890 nur die von Lawende übrig. So scheint es via Swanson am Ende gewesen zu sein.

Ich vermute mal eher einen ganz trivialen Grund: Die Commercial Road war eine wichtige Durchgangsstraße mit vielen Passanten und Berufsverkehr - hier konnte Packer zu bestimmten Zeiten mehr Umsatz mit Laufkundschaft machen als in seinem Laden der Berner Street. Er kam gewissermaßen seinen Kunden entgegen. Wer macht schon einen Umweg in eine Nebenstraße, um Obst zu kaufen, wenn es auch an der Hauptstraße solche Händler gibt? Also stellte sich Packer mit einem Obstkarren dahin, wo mehr potentielle Kunden vorbeikamen.

Auch diese Perspektive ist wohl eher die Wahrheit.

Was mich eben weiterhin wachsam sein lässt, sind eben jene Kosminski Konstellationen um den Stride Tatort herum. Aaron Kozminski muss mit seinem Bruder Woolf 1882, nach ihrer Ankunft, in der 38 Berner Street gelebt haben. Er ist der einzige Kosminski, der zu der Zeit der Morde in Colney Hatch landete. War er tatsächlich dieser Verdächtige "Kosminski", dann kann man ihn direkt in Verbindung mit dem Dutfields Yard bringen, einem Tatort. Irgendwie blieb das eben auch 1888 so, mit der Adresse in der 25 Providence Street. Denn das war nur 1 Minute Fußweg von diesem Yard entfernt. Nicht nur Packers "nächste Straße" könnte die Providence Street gewesen sein sondern auch die Greenfield Street, wo eben noch zwei weitere Geschwister lebten. Und genau da, will Packer seinen Verdächtigen wiedergesehen haben. Dazu kommt, dass Woolf nach dem Double Event aus der Providence Street wegzog. 1891, nach Aaron Kozminski´s Einweisung, zogen dann auch Isaac und Matilda aus der Greenfield Street weg, Woolf zog es dann nach weiter nach Manchester (dahin, wo Jacob Cohen herkam). Als "Kosminski- Anhänger" und aufgrund dieser Konstellationen bin ich eben geneigt zu denken, dass Packer eben tatsächlich Aaron Kozminski zwischen 23 Uhr und 23.30 Uhr mit Stride gesehen haben könnte. Um 00.30 Uhr muss das nicht mehr der selbe Mann gewesen sein, den dann PC Smith sah. Es muss auch nicht BS Man gewesen sein (gesehen durch Schwartz um 00.45 Uhr), welchen Packer um 23.30 Uhr letzmalig sah, dieser muss auch nicht der Mann von PC Smith gewesen sein sondern eben ein dritter Mann. Ich habe bei BS Man immer meine Zweifel, da er damit rechnen musste, dass Pipeman und Schwartz mit einem Polizisten oder anderer Verstärkung wiederkommen könnten. Wahrscheinlicher ist wohl ein vierter Mann, der um kurz vor 1 Uhr auftauchte, von wo auch immer, dann aber durch die Ankunft von Diemschütz gestört wurde. Macnaghten "brachte" die drei jüdischen Männer aus der Duke Street (also Lawende, Levy und Harris) in seinen Aussagen einmal in die Berner Street/ Dutfields Yard. So wird es allgemein angenommen. Ich frage mich jedoch, ob er damit nicht Schwartz/ Diemschütz und/oder Pipeman/BS Man meinte. Die ersten beiden waren ja auch Juden...

Man kann diese ganzen Möglichkeiten durchspielen, immer und immer wieder... aber sah Packer tatsächlich Kosminski um 23.30 Uhr letztmalig und das mit Stride, dann muss die Polizei es in Betracht gezogen haben, dass eben jener Kosminski um 1 Uhr erneut dort auftauchte. Wir wissen, dass Kosminski derjenige war, der dem Verdächtigen vom PC am Mitre Square ähnelte. Wir wissen, dass die blutige Wäsche in der Batty Street genau zwischen den beiden Straßen Greenfield Street und Providence Street entdeckt wurde und das es diesbezüglich eine Observation gegeben hat. Wir wissen auch, dass die Polizei diese Wäsche einer uns unbekannten Person zuordnen konnte. Das sind alles Gründe, warum ich bezüglich Packer immer wachsam bleiben werde. Ich sehe das dennoch nicht als 100,90 oder 80prozentige Chance aber als gute 50:50 Chance an.

Diese drei Locations und das so nahe, also die Adressen von Isaac und Matilda in der Greenfield Street und die von Woolf in der Providence Street (und etwas später der Yalford Street neben der Greenfield Street) könnten ja auch ein Hinweis sein zu den Bemerkungen von Sims und Cox, dass der Verdächtige nicht nur an einem Ort zu finden gewesen war und das eben auch nachts. Diese drei (vier) Adressen liegen dicht zusammen. Die von Isaac und Matilda in der Greenfield Street sogar gegenüber. Und Cox nutzte einen Shop gegenüber dem des Verdächtigen. So einfach war das sicherlich nicht zu finden, gerade in einem solchen Falle. Und hierbei könnte Matilda geholfen haben. Gegenüber, der Bruder, Isaac, betrieb eine Schneiderwerkstatt als Produzent. Vielleicht betrieb er im vorderen Bereich auch noch eine Art Werksverkauf, aber das weiß man nicht. Und hier greift wieder die Aussage von Mrs. Kuer, dass die Wäsche zu einem Schneider gehörte, der dort im Umkreis für das West End produzierte.

Der PC vom Mitre Square, der Seaside Home Zeuge, Mrs. Kuer und Packer sind für mich die interressantesten Zeugen. Aber wir wissen nicht genug über sie. Wir wissen zwar, dass der PC jemanden sah, der aussah wie "Kosminski" und wir wissen, dass der Seaside Home Zeuge "Kosminski" (zunächst) identifizierte aber wir wissen nicht was genau beide sahen und wo genau sie es bemerkten. Wir wissen nicht, wem die blutige Wäsche gehörte, Frau Kuer wusste das aber und wir wissen nicht, wen Packer mit Stride sah und später erneut wiedererkannt haben wollte. Der PC, der Seaside Home Zeuge als auch Mrs. Kuer sollten sehr ernst genommen worden sein und sie sprachen bzw. mussten gar die Wahrheit gesprochen haben. Bei Packer bleiben aber eben auch Zweifel.

Ich will immer verstehen, warum Anderson und Swanson so überzeugt von "Kosminski" gewesen waren. Der PC als auch der Seaside Home Zeuge haben da sicherlich ganz viel Gewicht. Aber da muss noch vieles mehr gewesen sein. Was, wenn Mrs. Kuer und Packer tatsächlich auch noch "Kosminski" sahen oder zumindest nahe Angehörige von ihm?

Aber am Ende, dass muss ich zugeben, wiederhole ich mich auch nur immer wieder.

Beste Grüße, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 10.06.2016 19:00 Uhr
Hallo Lestrade!

Mir ist noch ein Indiz dafür eingefallen, weshalb es unwahrscheinlich ist, dass JTR vor den Morden gegenüber seinen Opfern den Kavalier mit Ausgehen und Geld ausgeben spielte:

Korrigiere mich, wenn ich mich irren sollte: Aber soweit ich weiß, fand die Polizei bei den Opfern keinen Liebeslohn. Und da in dieser Branche im Voraus kassiert wird, lässt dies m.E. nur den Schluss zu, dass JTR das Geld nach dem Mord wieder an sich nahm.
Wenn er auch den Sündensold wieder an sich nahm, weil es ihm zu schade dafür war, es in ihren Taschen zu lassen - warum hätte er seinen Opfern vor ihrem Tod irgendetwas gönnen sollen?


MfG, Arthur Dent


Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 10.06.2016 20:54 Uhr
Hallo Arthur und danke,

Ich bin mir nicht sicher aber meine ein Brot hat damals so umgerechnet zwischen 45-50 Pfennige gekostet. Wenn ich Packer´s Angabe zu den Weintrauben sehe, dann bezahlte der Mann ca. um die 25 Pfennige für ein halbes Pfund für selbige. Ein halbes Pfund Weintrauben ist jetzt auch nicht so die Menge und er wird wohl auch selber davon gegessen haben. Ich könnte mir in so einem Falle (also falls Opfer und Ripper) nicht absolut vorstellen, dass er zusah, wie Stride alleine die Weintrauben verspeiste. Möglich ist das natürlich. Stellen wir uns aber vor, dass Packer sich in der Zeit irrte und PC Smith das gleiche Pärchen sah, dann hielt der Mann etwas in der Hand, was Packer nicht sah. So wäre es ja möglich, dass der Mann die Weintrauben selber in der Hand hielt. 

Bei allem jetzt einen Kavalier zu sehen (von "Ausgehen" mal ganz abgesehen), davon war meinerseits auch nie die Rede. Einem potentiellen Opfer mal einen Drink zu spendieren oder vielleicht auch eine handvoll Weintrauben, würde ich dem mutmaßlichen Ripper aber schon zutrauen. Wir müssen ja auch in Betracht ziehen, dass er etwas an Einkommen erzielte und über etwas Kleingeld verfügte. Ich denke, es wäre auch logisch anzunehmen, dass er viele Frauen ansprach, die glücklicherweise nicht zum Opfer wurden. Da werden sie manchmal bereits am gesuchten Örtchen gewesen sein und vielleicht hatte das Geld schon seinen Besitzer gewechselt als der Ripper gestört wurde bzw. sich gestört fühlte und das alles nicht mehr sicher war. Möglich, dass er das Geld hier und da wieder entwenden konnte aber gelang das dann in jedem Falle? Im Falle Nichols muss auch noch keine Bezahlung stattgefunden haben und ob die Blitzattacken immer nach der Bezahlung stattfanden, können wir vermuten aber wissen tun wir es nicht. Nimm BS Man, da fällt es mir schwer (falls der Mörder), dass man noch über Geld verhandelt hatte, nachdem er sie attackiert hatte. Ein Blowjob kostete wohl einen Shilling, also 100 Pfennige. Das er hier und da mal einen Shilling verlor, da machen 12-13 Pfennige in Weintrauben anteilsmäßig für Stride wohl nicht viel aus.

Auch wenn er von seinen Opfern angesprochen wurde, er musste etwas mit ihnen kommunizieren, bis ein geeigneter Ort gefunden wurde bzw. diese zugänglich wurden. Der Ripper gehörte sicherlich zu den Menschen, wo sich die Zunge erst nach etwas Alkohol löst. Bevor er auf Opfersuche ging, gönnte er sich daheim oder in einem Pub sicherlich einen oder mehrere Drinks. Seine Opfer waren auch Alkoholkrank. Wenn solche Menschen dann zusammenkommen, fehlt sicherlich jegliche Romantik. Ein beiläufiger Kauf einer handvoll Weintrauben ändert meiner Meinung auch nichts daran. Es wäre ja möglich, dass sie auf dem Weg in den Yard feststellen mussten, dass der gerade noch zu unsicher war. Dabei standen sie bildlich gesprochen vor der Auslage Packers. Das wäre für beide vielleicht sogar praktisch gewesen, auf ein paar Weintrauben zurückzugreifen. Ein potentieller Kunde, der dann nicht bereits ist sie auf ein paar Weintrauben einzuladen, verspricht vielleicht am Ende kein gutes Geschäft und das warten würde sich für Stride nicht lohnen. Was hätte ein Ripper in dieser Situation gemacht? Verneint?

Für einen normalen Freier bei Stride, wird dieses Szenario sicherlich stark in Betracht gezogen. Man trifft sich, muss noch warten und vertreibt sich die Zeit mit ein paar Weintrauen. Für den Ripper wird ein solches Verhalten abgelehnt. Ich verstehe das ja auch aber wenn man auf Douglas, Hazelwood und ihrem Team vertraut, dann hätte der Ripper in einer Befragung nicht mit der Wimper gezuckt, wenn er mit dem Vorwurf der Polizei konfrontiert worden wäre, der Whitechapel Mörder zu sein. Hätte ihn da ein alter Mann wie Packer gejuckt?

Wie schon angesprochen, ich möchte nicht, dass hier der Eindruck entsteht, dass Jack the Ripper mit seinen Opfer ausging und den Kavalier spielte indem er ihnen Weintrauben o.ä kaufte. Diesen Eindruck wollte ich nicht vermitteln.

Er musste mit ihnen irgendwie kommunizieren, so lange, bis eine geeignete Location gefunden wurde bzw. diese zugänglich war. Bei 1 Stunde oder gar 1,5 Stunden bin ich da selber sehr skeptisch. Aber bei 20- 30 Minuten zwischen Freier und Prostituierte bzw. Ripper und Opfer vor dem Sex sehe ich das als sehr wahrscheinlich an, was das Zeitvolumen betrifft. Log Packer nicht sondern irrte sich nur mit der Zeit, dann muss er Stride um ca. 00.00 Uhr das erste Mal in jener Nacht gesehen haben. Ihre Kleidung war trocken, sie kann vorher schwerlich auf der Straße gewesen sein. Diese Möglichkeit möchte ich einfach im Auge behalten.

Gleich geht die EM los... wünsch mir viel Spaß... :Laie_23mini:

Beste Grüße,

Lestrade.

P.S.: Die Wertangaben bitte nicht unbedingt für "bare Münze" nehmen! Ich schrieb nur aus der Erinnerung.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 11.06.2016 09:15 Uhr
Hallo Lestrade!

Vielleicht hätte ich den "Kavalier" in Anführungszeichen setzen sollen, der Begriff ist in diesem Kontext in der Tat missverständlich - denn ich meinte damit natürlich das, was im Getto Whitechapel unter armen Arbeitern, Tagelöhnern, Obdachlosen und Alkoholikern schon als "galantes" Verhalten gegenüber einer Frau angesehen wurde: Dass sie nämlich ihre Getränke und ihr Essen nicht selber zahlen muss, dass man ein kleines Geschenk mitbringt und vor dem Sex noch etwas Konversation macht, statt gleich in die nächste dunkle Ecke zu verschwinden.

Aber unterschätze bitte nicht die Kosten der Trauben für einen Gettobewohner: Du hast selbst eine grobe Größenordnung der Preise angeführt, wonach dieses viertel Pfund Trauben rund die Hälfte eines Brotlaibs kostete. Das wäre je nach Größe des Brotes rund eine halbe oder gar eine ganze Tagesration Brot als Gegenwert für diese Trauben.
Für die ärmere Hälfte im Getto wäre das durchaus nicht wenig gewesen, denn sie lebten von der Hand in den Mund und mussten das meiste, was sie irgendwie verdienten, für das tägliche Essen und Trinken und einen Schlafplatz wieder ausgeben.

Es stimmt zwar auch meiner Ansicht nach, dass JTR nicht ganz mittellos gewesen sein konnte, dass er nicht zu den untersten Schichten Whitechapels gehören konnte, denn zu arm hätte bedeutet, dass er kein Sexgeschäft mit den Frauen hätte abschließen können. Wenn schon sein Äußeres gezeigt hätte, dass auch er in Obdachlosenunterkünften pennt, wären die Frauen davon ausgegangen, dass er kein oder nicht genug Geld für das Geschäft hat, bzw. er ihnen den Liebeslohn danach wieder abnehmen würde.


Zitat
Der Ripper gehörte sicherlich zu den Menschen, wo sich die Zunge erst nach etwas Alkohol löst. Bevor er auf Opfersuche ging, gönnte er sich daheim oder in einem Pub sicherlich einen oder mehrere Drinks. Seine Opfer waren auch Alkoholkrank. Wenn solche Menschen dann zusammenkommen, fehlt sicherlich jegliche Romantik.

Eben deshalb erscheint mir das Trauben-Kaufen etwas zu galant für zwei arme Alkoholiker beim Abschluss eines Sex-Geschäfts, zumal wenn der Mann ein frauenhassender Mörder ist.

Es sei denn, dieses Essen wäre ein Teil des Preises gewesen... Das wäre eine Möglichkeit, an die ich bisher nicht gedacht habe: Die Bezahlung im Voraus mit Lebensmitteln oder in Alkohol hätte für die Prostituierten den Vorteil gehabt, dass ein skrupelloser Freier ihnen hinterher den Lohn nicht wieder abnehmen kann.
Danke, Lestrade. Deine Ausführungen haben mir da gerade eine neue Perspektive eröffnet.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 12.06.2016 14:21 Uhr
Hallo Arthur!

Ich habe für Packer nur das:

I sold him 1/2 pound black grapes 3d


Das wären ca. 25 Pfennige für knapp 250g dunkle Weintrauben. Die 45-50 Pfennige waren, so meine ich mich zu erinnern, für ein vier Pfund Brot. Ein Pfund Weintrauben hätten dann soviel gekostet wie ein ganzes Brot. Ein halbes Brot kosteten somit die paar Weintrauben, da hast du recht. Eine Übernachtung in einem Lodging House soll auch ab 30 Pfennige gekostet haben... Ein Brot, ein paar Weintrauben und eine Übernachtung waren für einen Blowjob drin... ich weiß jetzt nicht, was ein Drink kostete aber eine Prostituierte die Alkoholikerin war und essen, schlafen und trinken wollte, war wohlmöglich gezwungen, jeden Tag ihrem Geschäft nachzugehen... wer weiß, wie oft sie auch ausgeraubt oder erpresst wurden usw. Schlimm das ganze...

Du meintest eher ca. ein viertel Kilo Weintrauben und nicht ein viertel Pfund? Oder hast du noch eine andere Angabe von Packer zur Hand? Aber wie schon erwähnt, bei diesen Daten und Angaben bin ich kein zuverlässiger Partner...

Da gibt es noch die Story von Annie Tapper, die ihm eigentlich die Trauben verkauft haben wollte. Erzählte sie jahrzehnte später Tom Cullen, kennste wahrscheinlich:

“Er war groß und dunkel, ausländisch aussehend würde ich sagen, mit einem schwarzen, spitz zulaufenden Bart. Ich könnte dafür aber nicht die Farbe seiner Augen sagen, denn er hielt seinen Blick nach unten. Aber er trug einen Bobtail- Mantel mit gestreifter Hose und er trug eine Reisetasche… Er sah aus, als wäre er für eine Hochzeit angezogen, nur dass er keinen Zylinder hatte."

“Ich kaufte mir für einen halben Penny Rotkohl und für einen halben Penny Chips und setzte mich sofort hin und aß sie auf“

“Damals dachte ich, dass es im Himmel keine größeren Freuden geben könnte“

“Almira waren es, diese blaßgrünen“


Für Rotkohl und Chips brauchte sie einen Penny. Man wurde wahrscheinlich besser satt als mit drei Pence für ein paar Weintrauben. War dann wohl tatsächlich eher Luxus diese Weintrauben damals...

Ansonsten ist das wahrscheinlich nicht besonders relevant.

Apropos "Zeugen" aller Art. Das ist wohl wichtiger:

Vielleicht kennst Du auch Mary Berkin, Enkelin von Swanson.

2006:

It was general knowledge that my grandfather knew the name of the killer, and that there was no evidence except from a Jewish man who would not give evidence for ethical reasons

http://www.jtrforums.com/showpost.php?p=180755&postcount=1

2012:

Beim Tee...

From what I heard I gathered that Grandfather had been in charge of the case, knew who was the perpetrator but couldn't bring him to justice without the co- operation of one who might have had knowledge of the suspect's movements. That someone was a fellow Jew who declined on religious grounds. The 'proof ' was that the crimes ceased when the suspect was sent away from London.

the co- operation of one who might have had knowledge of the suspect's movements.

http://www.jtrforums.com/showpost.php?p=181684&postcount=11

Wie betrachtest Du das?

Gruß, Lestrade.

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 25.06.2016 13:00 Uhr
Hallo Lestrade!


Zitat
Wie betrachtest Du das?


Nun, das bestätigt doch nur das, was Anderson, Swanson und Co. auch geschrieben haben. Er hat demnach privat dasselbe gesagt, wie er später in die Memoiren schrieb.

Wir haben unabhängig voneinender mindestens vier an den Ermittlungen beteiligte Polizisten, die wiederholt gesagt haben: Wir kannten den mutmaßlichen Mörder eigentlich, hatten aber nicht genug Beweise um ihn zu verhaften, und der Fall endete schließlich damit, dass er in eine Anstalt eingewiesen wurde.
Und es ist eine weitere Bestätigung dafür, dass es irgendwann eine Art Gegenüberstellung mit einem Zeugen gab, der aber schließlich doch nicht bereit war, gegen den Verdächtigen auszusagen.
Der Hinweis, dass dieser Zeuge vermutlich die Bewegungen des Verdächtigen kannte, lässt zudem auf eine Person in der Nähe des Verdächtigen schließen.

Ich denke, mit unseren Thesen zu den Anstaltsinsassen sind wir auf dem richtigen Weg.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 25.06.2016 13:16 Uhr
... lässt zudem auf eine Person in der Nähe des Verdächtigen schließen

Genau das meinte ich, Arthur! Jemand hat den Verdächtigen irgendwo hingehen sehen, wahrscheinlich mit einem späteren Opfer, und auch wieder weggehen sehen. Der Verdächtige selber, hat das auch so registriert und wusste, als er dem Zeugen gegenübergestellt wurde, dass er nun identifiziert werden wird.

Ich weiß nicht, wer dieser Zeuge sein könnte aber mir fällt spontan der Watchboy der Aldgate High Station ein, der jemanden mit Eddowes Richtung Mitre Square gehen sah und den gleichen Mann dann aber auch jenen Ort wieder verlassen gesehen hat, diesmal allein.

Ich vermute, unser Seaside Home Zeuge sah so etwas ähnliches, wo auch immer.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 25.06.2016 13:26 Uhr
Es könnte aber vielleicht auch ein Polizist gewesen sein - der berühmt berüchtigte PC vom Mitre Square...
Es hieß doch auch: man war einmal kurz davor, den mutmaßlichen Mörder zu verhaften.
Wie wäre es, wenn es diesen PC tatsächlich gab und er zur Tatzeit nicht realisierte, was da vorging und JTR somit entwichen ließ.
Nun hatte die Polizei ein PR-Problem, als der Verdächtige irgendwann später dem PC gegenübergestellt wurde und er sagte, dass diese Person es gewesen sein könnte, die er mit dem Opfer sah: Damit hatte die Polizei einen erneuten Mord zugelassen und den mutmaßlichen Täter entwichen lassen.
Also wurde es verschwiegen, zumal der dringend Verdächtige sowieso schon in einer Anstalt verwahrt wurde und der jüdische Zeuge die Identifkation verweigerte.
Es ist doch interessant, dass es nur diese Andeutungen über einen PC am Mitre Square gibt und nicht mehr, so als wäre da jemandem etwas unbeabsichtigt herausgerutscht, was eigentlich nicht hätte bekannt werden sollen. Die Bewegungen, Beobachtungen und Handlungen der PCs sind doch ansonsten recht genau dokumentiert

Was denkst du?


MfG, Arthur Dent

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 25.06.2016 13:45 Uhr
Ja, es gehört auch zu meinen Überlegungen, ob dieser Watchboy/Watchman nicht tatsächlich jener berüchtigte PC vom Mitre Square gewesen war aber somit auch gleichzeitig der jüdische Zeuge im Seaside Home. Haben wir hier einen jüdischen Wachmann, dann könnte Beamte (Macnaghten) oder andere Personen (Sims) der Öffentlichkeit, einen einfachen Wachmann mit einem Konstabler fälschlicherweise oder unbedacht gleichgestellt haben. Somit hätte es gar keinen richtigen PC gegeben. Vielleicht wäre dann dieser Wachmann mal bei der Polizei gewesen, früher in seinem Leben. Seine Beobachtung hätte der Polizei ja unmittelbar nach Auffinden der Leiche von Eddowes zur Verfügung gestanden haben können und sie, die Polizei, konnte tatsächlich noch eine Spur aufnehmen. Dennoch, glaubt man den Ausführungen von Sims, Cox und Sagar absolut, dann gab es tatsächlich einen richtigen PC... und somit zusätzlich den Seaside Home Zeugen...

Irgendwie bevorzuge ich diesen Zeugen in der Dorset Street. Da standen Kutschen vor dem Miller´s Court. Vielleicht sah den Täter dort jemanden rein und rausgehen, rein mit Kelly, raus natürlich alleine. Das ist aber unbegründet bei mir, reines Bauchgefühl...   
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 26.06.2016 09:42 Uhr
Moin Lestrade!

Dass der "PC vom Mitre Square" vielleicht ein ehemaliger Polizist gewesen sein könnte, der nun als privater Wachmann arbeitete, finde ich eine gute Idee. Das könnte erklären, wieso wir diesen dubiosen PC nicht namentlich auffinden können, obwohl die Beats der PCs ja eigentlich bekannt sind.

War da nicht noch dieser Wachmann, der auf einen Mann traf, der ihn fragte, ob er vielleicht ein Pärchen gesehen habe? Müsste ich nochmal nachlesen...

Eine andere Möglichkeit wäre noch, dass entweder PC Watkins oder PC Harvey doch auf das Pärchen getroffen ist, bevor der Ripper zuschlug, und der PC einfach weiterging, weil er nichts verdächtiges bemerkte - das wäre natürlich für die Polizei extrem unangenehm gewesen, so dass man es vielleicht vertuschen wollte.

Ich glaube, ich muss das alles nochmal nachlesen und neu darüber nachdenken.


MfG, Arthur Dent

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 26.06.2016 12:29 Uhr
Yep, Blenkingsop:

http://www.casebook.org/witnesses/james-blenkingsop.html

George Morris war auch ein Ex Polizist:

http://www.casebook.org/witnesses/w/George_Morris.html

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 26.06.2016 12:54 Uhr
Stimmt, das war Blenkingsop.

Jedenfalls fehlt uns am Tatort Mitre Square ein wichtiger Zeuge - nämlich derjenige, der den Polizisten sagte, dass da ein Mann Richtung Osten verschwunden ist, weswegen Halse und Co. sofort durch Gravel Lane und Stoney Lane die Verfolgung aufnahmen.

Es könnte PC Watkins gewesen sein, der den Verdächtigen aus der Mitre Street verschwinden sah, bevor er den Square betrat und Eddowes fand, immerhin schrieb Cox:
"The least slip and another brutal crime might have been perpetrated under our very noses. It was not easy to forget that already one of them had taken place at the very moment when one of our smartest colleagues was passing the top of the dimly lit street."

Vielleicht bezog sich das auf PC Watkins oder PC Harvey...


MfG, Arthur Dent

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 26.06.2016 14:50 Uhr
Vielleicht könnte dich das dazu interessieren:

http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1395.msg22025.html#msg22025

(Bedenke, ist fast 4,5 Jahre her)
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 29.06.2016 12:15 Uhr
Zu den Zeugen bezüglich Mitre Square, hier ein paar Anmerkungen:

The Daily Telegraph, 13 November 1888:

http://www.casebook.org/press_reports/daily_telegraph/dt881113.html

"About ten minutes before the body of Catherine Eddowes was found in Mitre-square, a man about thirty years of age, of fair complexion, and with a fair moustache, was said to have been seen talking to her in the covered passage leading to the square. On the morning of the Hanbury-street murder, a suspicious looking man entered a public-house in the neighbourhood. He was of shabby-genteel appearance and had a sandy moustache. The first of these descriptions was given by two persons who were in the Orange Market and closely observed the man. The City police have been making inquiries for this man for weeks past, but without success, and they do not believe that he is the individual described by Cox. On the other hand the Metropolitan authorities are inclined to attach significance to it."

Die erste Beschreibung mit den 10 Minuten, passt eigentlich zu Lawende und Co. und zur Church Passage. Dennoch wird hier von zwei Männern vom "Orange Market" (also St. James Place) gesprochen.

Lawende, Levy und Harris machten jedoch ihre Beobachtungen von der Duke Street aus.

Einen Tag vorher, erfahren wir im Prinzip von einem weiteren Zeugen vom Mitre Square;

Daily News, 12 November 1888:

http://www.casebook.org/press_reports/daily_news/18881112.html

On Saturday afternoon a gentleman engaged in business in the vicinity of the murder gave what is the only approach to a possible clue that has yet been brought to light. He states that he was walking through Mitre square at about ten minutes past ten on Friday morning, when a tall, well dressed man, carrying a parcel under his arm, and rushing along in a very excited manner, ran plump into him. The man's face was covered with blood splashes, and his collar and shirt were also bloodstained. The gentleman did not at the time know anything of the murder.

Spannend dabei ist, dass diese Beobachtung Wochen nach dem Mitre Square Mord erfolgte, nämlich nach dem Mord im Miller´s Court. Diese Beobachtung fand um ca.10.10 Uhr statt, Kelly wurde eine halbe Stunde später aufgefunden. Mal angenommen, es handelte sich um Jack the Ripper, dann suchte er kurz nach dem Mord an Kelly, noch blutverschmiert, seinen letzten Tatort auf.

Am 10 November 1888 erfahren wir von einer Verhaftung, die, wie ich finde, sehr interessant ist:

http://www.casebook.org/press_reports/evening_news/18881110.html

In der North London News & Finsbury Gazette vom 17 November 1888 finden wir das ganze dann noch einmal:

"One unfortunate foreigner, whose physiognomy was certainly not prepossessing, was taken into Commercial- street Police- station, when it turned out that that it was the third time he had been arrested on suspicion of being "Jack the Ripper," in the course of these murders. What with his odd face, his deprecatory shrugs and posturings, and his broken English as he tried to answer the interrogatories put to him, his examination was irresistibly comic "How d'ye manage to get into trouble like this, then?" demanded an officer, "What do you do? What makes people pounce on you?" "Dat is ze zing," said the unlucky fellow spreading the palms of his hands and shrugging his shoulders. "Zat is what I like to know. Why do zey?" He had given a false name at his lodging house, but that, he tried to explain, was because "it eez not grand to leave in a lodging house.""

Kurz nach Kelly wird ein bestimmter Mann zum dritten mal von der Polizei verhaftet und befragt. Ich denke unweigerlich an den ganzen Verhaftungen nach dem Double Event, wie ich kürzlich beschrieben hatte und an die Verhaftungen Mitte Oktober 1888 bezüglich der blutigen Wäsche in der Batty Street. Dieser Mann, könnte hier nun bereits zum dritten Male aufgefallen sein. Hierbei fiel er wahrscheinlich in einem Lodging House auf und gab auch einen falschen Namen an. Zu den Beschreibungen nach dem Double Event, muss ich immer an den Mann mit dem violetten Schal denken, den ein Konstabler ca. einen Tag nach dem Eddowes Mord ebenfalls nahe Mitre Square fand. Wenn Jack the Ripper, kehrte er da schon bereits an diesen Tatort zurück?

Und so, wie diese Beschreibungen waren, 1 Oktober, Batty Street Vorfall oder eben jener Mann, der zum dritten Mal auffiel, ist es genau, wie ich mir Jack the Ripper vorstelle. Ein Mann, der sich wohlmöglich geistig so benahm, dass man ihm die Morde irgendwie gar nicht zutraute. Eher eine hilflose, etwas verwirrte Person, der eigentlich unschuldig wirkte.

Schaut dazu in diese Fäden:

http://forum.casebook.org/showthread.php?p=386257#post386257

http://www.jtrforums.com/showthread.php?p=298195#post298195
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 01.07.2016 18:33 Uhr
Hallo Lestrade!


Zitat
Spannend dabei ist, dass diese Beobachtung Wochen nach dem Mitre Square Mord erfolgte, nämlich nach dem Mord im Miller´s Court. Diese Beobachtung fand um ca.10.10 Uhr statt, Kelly wurde eine halbe Stunde später aufgefunden. Mal angenommen, es handelte sich um Jack the Ripper, dann suchte er kurz nach dem Mord an Kelly, noch blutverschmiert, seinen letzten Tatort auf.

Nun ja, wenn JTR am Vormittag nach dem Kelly-Mord noch mal zum Mitre Square gegangen wäre, dann hätte er wohl aber mit ziemlicher Sicherheit zuvor die Blutflecken an sich entfernt - es sei denn, er arbeitete im Metzger-Milieu und ging während seiner Arbeit, z.B. bei einer Fleischlieferung, dort vorbei.


Zitat
Und so, wie diese Beschreibungen waren, 1 Oktober, Batty Street Vorfall oder eben jener Mann, der zum dritten Mal auffiel, ist es genau, wie ich mir Jack the Ripper vorstelle. Ein Mann, der sich wohlmöglich geistig so benahm, dass man ihm die Morde irgendwie gar nicht zutraute. Eher eine hilflose, etwas verwirrte Person, der eigentlich unschuldig wirkte.

Das mit dem "harmlos verrückt" erinnert mich an den Nichols-Mord: Da soll doch am Morgen bei den Gleisen nahe des Tatortes vom Stellwärter Thomas Eade ein als "harmloser Irrer" bekannter Mann namens Henry James gesehen worden sein.



MfG, Arthur Dent

 


Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 01.07.2016 19:14 Uhr
Hallo Arthur!

Das mit dem "harmlos verrückt" erinnert mich an den Nichols-Mord: Da soll doch am Morgen bei den Gleisen nahe des Tatortes vom Stellwärter Thomas Eade ein als "harmloser Irrer" bekannter Mann namens Henry James gesehen worden sein.

Er sah ihn nach dem Chapman Mord, wurde aber als Zeuge im Nichols Fall gerufen. Wahrscheinlich, weil er diesen Mann nicht weit von der Bucks Row bemerkte. Da waren wohl noch drei andere Männer die James sahen und Ede sprach auch mit ihnen. Dann verfolgte er den Mann, bis dieser unter einer, ich nehme an, Unterführung verschwand. Das Forester's Arms Public House, in der Nähe sah er James, lag hinter der Bucks Row in der Brady Street. Henry James klingt jetzt nicht nach einem "Foreigner".

In dem Bericht mit dem Mann der zum dritten Mal verhaftet wurde, sprach man auch noch von einem anderen Verdächtigen, einem großgewachsenen Mann. Der von mir erwähnte Mann mit dem violetten Schal, wurde jedoch als kleingewachsen beschrieben. Er und der Mann im Mitre Square nach Kelly, werden wohl nicht identisch sein. Letzerer könnte jedoch der große Mann sein, der eben in jenem Bericht in der Finsbury Gazette Erwähnung fand und ebenfalls Blutflecken aufwies. Vielleicht war das tatsächlich ein Schlachter.

Gruße, Lestrade. 
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 03.07.2016 20:05 Uhr
Hallo Lestrade,

falls JTR tatsächlich so wie manch anderer Serienmörder das Bedürfnis hatte, zu den Tatorten zurückzukehren oder gar bei der Entdeckung der Morde unter den Schaulustigen zu stehen, um sich einen zusätzlichen Kick zu holen - da fällt mir gerade wieder jene Geschichte ein:


London Times, 10. November 1888:

A Mrs Paumier, a young woman who sells roasted chestnuts at the corner of Widegate-street, a narrow thoroughfare about two minutes' walk from the scene of the murder, told a reporter yesterday afternoon a story which appears to afford a clue to the murderer. She said that about 12 o'clock that morning a man dressed like a gentleman came up to her and said, "I suppose you have heard about the murder in Dorset-street?" She replied that she had, whereupon the man grinned and said, "I know more about it than you." He then stared into her face and went down Sandy's-row, another narrow thoroughfare which cuts across Widegate-street. Whence he had got some way off, however, he vanished. Mrs Paumier said the man had a black moustache, was about 5ft 6in, high, and wore a black silk hat, a black coat, and speckled trousers. He also carried a black shiny bag about a foot in depth and a foot and a half in length. Mrs Paumier stated further that the same man accosted three young women, whom she knew, on Thursday night, and they chaffed him and asked him what he had in the bag, and he replied, "Something that the ladies don't like." One of the three young women she named, Sarah Roney, a girl about 20 years of age, states that she was with two other girls on Thursday night in Brushfield-street which is near Dorset-street, when a man wearing a tall hat and a black coat, and carrying a black bag, came up to her and said, "Will you come with me?" She told him that she would not, and asked him what he had in the bag, and he said, "Something the ladies don't like." He then walked away.


Die Beschreibung des Mannes als 5 feet 6 inches groß mit Schnurrbart passt zu anderen Zeugenaussagen. Und - äußerst interessant für die Jacob Levy These - der Verdächtige ging nach seiner Provokation die Sandy's Row hinab, die in die Middlesex Street mündet...


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 04.07.2016 12:09 Uhr
Hallo Arthur,

Mrs. Paumier/Pannier wurde offenbar auch sehr ernstgenommen. Sie sah den Mann ja aus Richtung Dorset Street kommen. Man sagt Artillery Row und meint sicherlich die Artillery Street mit Raven Row, wenn wir auf die Karte schauen. Sandy´s Row führt natürlich via Middlesex Street (Goulston Street) zurück ins "Zentrum" der Geschehnisse also in das Herz von Whitechapel. Nach den Ereignissen des Double Events, vermutete die Polizei sicherlich den Täter explizit in diesem Bereich.

Hier sieht man schön den Kreuzungsbereich Wide Gate Street/ Sandy´s Row:

http://wiki.casebook.org/index.php/Mrs._Paumier

Der Mann mit der schwarzen Tasche ist ja quasi das Sinnbild Jack the Rippers und es gibt einige Beobachtungen deswegen:

Fanny Mortimer, die offenbar Leon Goldstein sah.

http://www.casebook.org/witnesses/w/Fanny_Mortimer.html

Albert Bachert

http://www.casebook.org/dissertations/dst-bachert.html

Wolf Levisohn

http://www.casebook.org/ripper_media/book_reviews/non-fiction/cjmorley/117.html

Oliver Matthews

http://www.casebook.org/ripper_media/book_reviews/non-fiction/cjmorley/127.html

Perryman

http://www.casebook.org/ripper_media/book_reviews/non-fiction/cjmorley/147.html

Henderson

http://www.casebook.org/ripper_media/book_reviews/non-fiction/cjmorley/83.html

usw.

Ähnlich wie Mrs. Paumier klingen auch die Angaben von Sarah Lewis, die vielleicht identisch ist mit Mrs. Kennedy (siehe auch Kennedy sisters/ Sims), auch hier wieder die schwarze Tasche in jener Umgebung:

http://wiki.casebook.org/index.php/Sarah_Lewis

http://www.ripperologist.biz/pdf/ripperologist133.pdf

Mrs. Kennedy:

http://www.casebook.org/press_reports/morning_advertiser/18881112.html

Kennedys/ Sims:

http://www.casebook.org/press_reports/dagonet.html

"If a thorough and searching inquiry were made among the unfortunate women of the neighbourhood of the murders, it would be found that many of them know a man of this type (let the police show them a photograph or two of the Alton kind), and it will be found that many of them have seen him lately, and probably been spoken to by him. It was a man of exactly this type, I gather from the slight description (peculiar looking), who spoke to the Kennedys on the night of the last murder. Once fix this point and the police can narrow their search, for they will know the description and type of man for whom they must look."

Was mir plötzlich einfiel, als ich deinen Post las und imaginär den Mann durch die Sandy´s Row bis zu Levy´s Geschäft in der Middlesex Street folgte, war, ob da unglaublicherweise ein Zusammenhang zwischen Jacob Levy und Aaron Kozminski bestanden haben könnte. Immerhin erwähnte Anderson´s Frau "Stone" als Anstalt, also der Ort wo Jacob Levy am Ende landete, obwohl ihr Mann Robert dabei an Colney Hatch/ Leavesden gedacht haben musste. Die Levys und Kosminskis finden wir, du erinnerst dich, zweimal dicht beieinander. Einmal in der Fieldgate Street und dann später im Sion Square. Das waren Nachbarn. Dazu kommt Levy´s Verwandschaft in der Whitechapel Road (das Bordell), wo ein Cohen (Aaron Davis) auffiel, von dem wir nicht wissen, wie er wirklich hieß.

Jacob Levy ging es immer schlechter und er ruinierte das Geschäft. Seine Frau wird dieses wohl kaum alleine geführt haben und brauchte Hilfe. Hier könnte jemand wie Aaron Kozminski ins Spiel gekommen sein. Dieser war gesndheitlich genauso beeinträchtigt aber vielleicht in 1888 noch viel handlungsfähiger als Jacob. Frauen (wie auch Männer) neigen oft dazu, immer wieder den gleichen Typ zu wählen. Vielleicht spielte das bei der Suche nach Hilfe für ihren Mann Jacob eine Rolle. In solch einem Falle könnte die Hilfesuche einer Frau bei der Polizei im Oktober als auch im November/Dezember 1888 durchaus durch Sarah Levy erfolgt sein. Als irgendwann Anderson mit seiner Frau sprach, hätte er erwähnen können, dass Sarah Levy´s Mann nach "Stone" kam und dort verstarb und Miss Anderson hielt dann diesen Ehemann für Jack the Ripper obwohl eigentlich dessen "Ersatz", Aaron Kozminski, der mutmaßliche Killer war. Ich weiß, das klingt erst einmal absurd aber vielleicht war der Levy Shop tatsächlich jener Shop, den Cox überwachte. Von dort aus gelangte man schnell runter in die Butchers Row (Sagar) und in die Leman Street (wie von Cox erwähnt). Obwohl ich Jack the Ripper für vollkommen beziehungsunfähig halte, bedeutet das nicht, dass eine Frau versucht hätte, mit ihm etwas mehr anzufangen. Sarah könnte sich wegen der Erkrankung ihres Mannes sehr einsam und alleingelassen gefühlt haben und könnte dann Trost gesucht (aber nicht gefunden) haben bei einem Angestellten. Die Unfähigkeit des Rippers bezüglich normalen Geschlechtsverkehrs hätte in einer solchen Situation auch ein Auslöser für seine Taten sein können.

Mir war das vorher überhaupt nicht bewusst, wie dicht beide Familien zeitweise zuammenlebten und ich schaute, logischerweise, auf jeden Verdächtigen seperat. Es ist sicherlich vollkommen abstrakt, die beiden Verdächtigen Jacob Levy und Aaron Kozminski zusammen zu betrachten. Aber kann man so etwas absolut ausschließen?

Beste Grüße,

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 04.07.2016 19:36 Uhr
Hallo Lestrade!

Interessante Idee, zumal wir ja wissen, dass die Beziehungen und Verflechtungen in der Gemeinde recht eng waren und man sich gegenseitig half. Darüber hinaus wissen wir ja von einem der beobachteten dringend Verdächtigen "he occupied several shops in the East End" - er wurde also offensichtlich von verschiedenen Leuten in verschiedenen Shops betreut / beschäftigt.

Und Jacob Cohen war ein Metzger. Wir hatten ja schon früher Überlegungen angestellt, ob er Aaron vielleicht zeitweise bei anderen Metzgern in der Butcher's Row untergebracht hatte. 
Eine Hilfstätigkeit im Metzgerhandwerk, z.B. Fleischauslieferungen, dürfte wohl weniger anspruchsvoll als eine Arbeit bei seiner Schneider-Verwandschaft und damit vielleicht einfacher für einen Menschen mit psychischen Problemen gewesen sein.

Und dass es vermutlich zu Verwechslungen in den Ermittlungen und Erinnerungen der Polizisten kam, darüber sind wir uns ja auch einig.

Mit dem ersten Teil deiner Überlegungen kann ich mich daher durchaus anfreunden, wonach Aaron Kozminski vielleicht zeitweise sogar bei Sarah Levy im Shop tätig war - die Spekulation über die Art des Verhältnisses zu Sarah geht mir dann aber doch etwas zu weit. ;-)


Jedenfalls passt die Beobachtung von Mrs. Paumier zum Butcher's Row Suspect.

Damit hätten wir für die räumliche Zuordnung eines Verdächtigen - wenn es denn tatsächlich immer dieselbe Person war - mehrere interessante Zeugen und Beobachtungen, die alle in dieselben Straßenzüge weisen:
Die Aussagen von Sagar und Cox zu Butcher's Row und Leman Street, der Weg des Rippers nach dem Stride-Mord Richtung Butcher's Row, die Verfolgung einer Spur nach dem Eddowes-Mord durch Gravel Lane und Stoney Lane, Mrs Fiddymonts Pub-Zwischenfall, der ebenfalls in die Richtung Middlesex Street / Butcher's Row deutet, dann Mrs. Paumiers Verdächtigen, der Richtung Middlesex Street / Butcher's Row ging und schließlich Hutchinson, der seinen Verdächtigen in der Petticoat Lane / Middlesex Street wiedergesehen haben will.


Die anderen Aussagen, die du aufgelistet hast, muss ich jetzt erst mal durchgehen. Danke dafür.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 04.07.2016 21:31 Uhr
Nabend Arthur und danke für deine Antwort!

Freue mich, dass Du für derartige Szenarien offen bist.

Mrs. Fiddymont ist natürlich auch sehr interessant. Aber vielleicht gab es da Zusammenhänge mit den Verdächtigen Piggott und Isenschmidt. Ehrlicherweise müsste ich das aber erst wieder nachlesen.

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 03.09.2016 14:08 Uhr
Hallo zusammen,

leider war ich in letzter Zeit arbeitstechnisch stark in Beschlag genommen, aber jetzt hatte ich mal wieder etwas Luft und Laune, die Jacob Levy Theorie etwas weiter auszubauen.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 03.09.2016 14:18 Uhr
Jack the Ripper – Tatverdächtiger Jacob Levy



Jacob Levy wurde 1856 als Sohn des Metzgers Joseph Levy im Londoner Eastend geboren, lebte und arbeitete im Viertel und wurde 1890 aufgrund der Folgen einer fortschreitenden psychischen Erkrankung in eine Nervenheilanstalt eingewiesen, wo er 1891 starb. Als Todesursache wurde in den Anstaltsakten ein fortschreitender Verfall infolge einer Syphilis angegeben.
Seine Frau Sarah soll den Anstaltsakten zufolge nach der Einweisung gesagt haben, Levy habe beinahe sie und ihr Geschäft ruiniert, früher sei er ein guter Geschäftsmann gewesen. Aber er schlafe nun nachts nicht mehr, sondern wandere oft für Stunden ziellos umher. Auch befürchte er, jemandem etwas anzutun. Er höre Geräusche und Stimmen, die ihm befehlen und ihn zwingen Taten zu begehen, die er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne.

Zu einem Verdächtigen im Fall der Whitechapel-Morde wurde Jacob Levy durch die Recherche zeitgenössischer Ripperologen in den Unterlagen der Nervenheilanstalten in und um London. Sie suchten darin nach jener Person, die in den Texten der hochrangigen Polizeibeamten Chief Constable Mcnaghten, Assistant Commissioner Anderson und Chief Inspector Swanson als der mutmaßliche Ripper erwähnt werden, und dessen Leben in einer Irrenanstalt geendet haben soll. Vier Verdächtige wurden gefunden: Aaron Kosminski, David Cohen, Hyam Hyams und Jacob Levy. Auf Levy treffen zahlreiche Aussagen der Polizisten und Zeugen sowie des modernen Profilings zu. 


Beruf Metzger:
Im Census und im London Business Directory ist als Beruf von Jacob Levy Metzger angegeben.

Für moderne Profiler ist das Töten von Tieren am Anfang der mörderischen Karriere typisch für die Biographie von Serienkillern, ein Metzgerjunge wächst damit auf und kann seine pathologische Veranlagung durch seine Berufswahl zugleich entwickeln, ausleben und kaschieren. 
Angesichts der Art der Verletzungen bei den Opfern gehen Gerichtsmediziner und Polizei damals wie heute davon aus, dass JTR zumindest grundlegende anatomische Kenntnisse besaß und auch bei schlechtem Lichtverhältnissen sicher mit einem Messer umgehen konnte. Kenntnisse über Anatomie und das Zerlegen von Körpern hatten damals vor allem beruflich damit beschäftigte Gruppen wie Chirurgen oder Schlachter - demnach könnte JTR also Metzger gewesen sein. Dies war z.B. die Meinung von Dr. Frederick Gordon Brown, der Catherine Eddowes untersuchte, und auch von Dr. George Bagster Phillips, der Annie Chapman obduzierte.
Die Tatwaffe soll Gerichtsmedizinern zufolge eine lange, schmale, gerade Klinge gehabt haben, wie sie typisch zum professionellen Zerlegen von Körpern ist, z.B. sog. Amputationsmesser von Chirurgen oder ähnliche Metzgerklingen wie z.B. ein Tranchiermesser.
Der Kehlenschnitt deutet ebenfalls auf einen Metzger hin, der es gewohnt ist, so das Schlachtvieh zu töten. Das Töten geschah schnell und effizient, die Verstümmelungen wurden post mortem zugefügt und von Opfer zu Opfer umfangreicher - womit das Töten vor allem Mittel zum Zweck, das eigentliche Ziel hingegen offenbar das Eröffnen und Ausweiden des Unterleibs der Opfer war. Organentfernungen unter Zeitdruck und bei sehr schlechten Lichtverhältnissen, ohne sich total mit Blut zu versauen, spricht für Erfahrungen im Schlachterhandwerk.
Ein Indiz dafür ist auch, dass der Ripper seine Opfer i.d.R. bis zur Bewusstlosigkeit bzw. zum Kreislaufkollaps würgte, bevor er das Messer ansetzte. Offenbar wusste er aus Erfahrung, dass ansonsten das Blut aus den Arterien kräftig spritzen würde, es so aber relativ langsam aus den Wunden rann. Dies verhinderte, dass er selber allzusehr vollgeblutet wurde und erleichterte die Entnahme der Organe, die ansonsten in ein Meer von Blut getaucht gewesen wären.


Motiv Syphilis:
Irgendwann im Zeitraum von 1880 bis 1886 muss sich Jacob Levy mit Syphilis angesteckt haben, die dann 1891 als Todesursache diagnostiziert wurde - vermutlich hat er sie sich wie viele Männer bei einer Prostituierten eingefangen.
Der Zeitraum ergibt sich zurückgerechnet aus dem statistischen Verlauf der Erkrankung: Da er im August 1890 in die Nervenheilanstalt City of London Asylum at Stone in Kent eingeliefert wurde, wo er ein Jahr später an den Folgen der Syphilis starb, dürfte die Krankheit spätestens im ersten Halbjahr 1890 in ihr letztes Stadium eingetreten sein, wobei Levy aber schon die beiden Jahre zuvor unter den Auswirkungen der Krankheit gelitten haben dürfte.
 
Die Infektion mit Syphilis durch eine Prostituierte wird von modernen Profilern als plausibles Motiv für die Morde von JTR angesehen: Es erklärt die Wahl der Opfer und die Verstümmelungen im Unterleib.
Darüber hinaus führte unbehandelte Syphilis zu einer chronischen Hirnentzündung. Sensitive oder psychische Veränderungen wurden von den Ärzten damals oft beschrieben, so u.a. auch Gewaltausbrüche, eine übermäßige Steigerung der Libido und verschiedene Arten von Wahrnehmungsveränderungen.
Gut möglich, dass der Ripper sich zuerst gar nicht bewusst dafür entschieden hatte, auf Prostituiertenmord zu gehen, sondern dass die erste Tat eine Affekthandlung war, als er zufällig erneut auf eine Prostituierte traf, die ihn an die Überträgerin erinnerte, und seine ganze Wut über die Infektion wieder hochkam. Weil ihm diese erste Tat Befriedigung verschaffte, zog er danach dann regelmäßig los. Somit könnte zum Beispiel Martha Tabram sein erstes Mordopfer gewesen sein, auf die "nur" eingestochen wurde, noch ohne sie auszuweiden (s.u.). 


Auswahl der Opfer:
Es gab weit über 1200 Gelegenheitsprostituierte in Whitechapel, die ohne Schutz durch einen Zuhälter nachts auf den Straßen nach Kunden suchten - und sie waren eine häufige Ansteckungsquelle für Syphilis.

JTR hatte damit nicht nur eine große Auswahl an potentiellen Opfern. Prostituierte vom Straßenstrich sind auch leichte Opfer, weil sie für das Sexgeschäft freiwillig mit fremden Männern an Orte gehen, wo sie mit ihnen allein sind, und dem Mörder damit auch noch unbeabsichtigt helfen, einen geeigneten Tatort zu finden. Eine zeitaufwendige und vor allem riskante Ausspähung und Verfolgung potentieller Opfer ist nicht notwendig, da sie in der Öffentlichkeit auf Freier warten und oft sogar selber auf potentielle Kunden zugehen.


Nähe zu Opfern:
Die Adresse von Jacob Levys Eltern lautete Middlesex Street 111, er selbst war im Jahr der Morde laut London Business Directory von 1888 in der Middlesex Street 36 gemeldet.
Alle kanonischen fünf Opfer von JTR waren verarmte Gelegenheitsprostituierte, die alle in Armenunterkünften in einem kleinen Umkreis nur etwa 300-400 Meter nordöstlich von Levys Adresse übernachteten und in einem fußläufigen Oval um seinen Lebensmittelpunkt herum getötet wurden. Martha Tabrams letzte Adresse war Satchell's Lodging House in der George Street etwa 300 Meter östlich von der der Middlesex Street (s.u.).

Jacob Levy ist in der von modernen Profilern ermittelten Comfort Zone von JTRs Aktivitäten aufgewachsen und wohnte auch als Erwachsener noch dort. Er kannte sich also seit Kindertagen bestens in Whitechapel aus, fiel dort nicht auf und wusste sich angemessen zu verhalten.
Sowohl für die zeitgenössischen als auch die modernen Ermittler war JTR mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein Einheimischer mit guter Ortskenntnis, was es ihm ermöglichte, sich schnell und unauffällig zu bewegen und die Polizeistreifen zu meiden, um bei seinen Taten und auf der Flucht nicht erwischt zu werden und relativ schnell von der Straße zu verschwinden.
Als einheimischer Metzger hatte Levy nahegelegene Rückzugsmöglichkeiten, die ein Versteck für blutverschmierte Kleidung und Messer boten. Blut an seiner Kleidung und Messer waren wegen seines Berufes alltäglich und erklärbar, nicht schon per se verdächtig. Organe der Opfer konnten unter Metzgerware getarnt werden.
Außerdem gab es in der Middlesex Street den Petticoat Lane Street Market der Schneider, der eine große Auswahl an günstiger Second-Hand-Kleidung zum Wechseln bot - und genau dort will der Zeuge George Hutchinson den Verdächtigen vom Kelly-Mord erneut gesehen haben (s.u.).


Verbindung zu Zeugen:

Im Census der Jahre 1851, 1861 und 1871 ist für eben diese Middlesex Street 36 der Metzger Hyam Levy eingetragen, der dort mit seiner Frau Frances und seiner Familie wohnte, 1881 ist dann seine Witwe Frances als Haushaltsvorstand und Metzger eingetragen. Die beiden sind laut Casebook die Eltern jenes Joseph Hyam Levy, der später als Zeuge zum Mord an Catherine Eddowes vernommen wurde. Joseph Hyam Levy arbeitete 1888 selbst als Metzger kaum 50 Meter von Jacob Levy entfernt in der Hutchinson Street 1, einer Gasse, die in die Middlesex Street mündet.

Mehrere Levys, die sich nicht nur in unmittelbarer Nachbarschaft befanden und der gleichen Branche angehörten, sondern nacheinander auch dieselbe Metzgerei betrieben: Es ist so gut wie sicher, dass sie sich zumindest gekannt haben. Folgt man den Familiendaten des Census, so ein Beitrag im Ripperologist, könnten Jacob und Joseph sogar verwandt gewesen sein - wahrscheinlich waren sie Cousins. Machte der Zeuge Joseph bei der Vernehmung zum Mordfall Eddowes deshalb so merkwürdige Andeutungen und den Eindruck, er wisse mehr als er zugeben wollte (s.u.)?


Kriminelle Vorgeschichte:
Am 10. März 1886 wird Jacob Levy laut Eintrag beim Central Criminal Court zu 12 Monaten Gefängnis verurteilt, weil er zusammen mit zwei anderen Männern dem Metzgermeister Hyman Sampson Fleisch gestohlen hatte. Als Sampsons Adresse wird im Polizeibericht Middlesex Street 35 genannt, seine Metzgerei lag zwei Jahrzehnte lang in der Parallelstraße Goulston Street 58.

Eine kriminelle Vorgeschichte ist modernen Profilern zufolge typisch für Serienmörder.
Der Ort des Diebstahls liegt in JTRs Comfort Zone, zwischen den Tatorten des Double Event.
Zudem wurde ein Stück von Eddowes blutverschmiertem Rock in der Tatnacht am Hauseingang des Gebäudes Wentworth Buildings 108-119, Goulston Street, gefunden, unter dem berüchtigten antisemitischen Graffiti (von dem allerdings unklar ist, ob es von JTR stammte).
Falls Jacob Levy der Ripper war, so könnte die Platzierung ein Versuch gewesen sein, die Polizei in die falsche Richtung weiter nach Osten zu lenken - weg von ihm in der Middlesex Street.
Auch Rache an seiner Gemeinde, die sich wegen des Diebstahls von ihm abgewandt hatte, könnte möglich sein, denn laut Superintendent Thomas Arnold wohnten viele Juden dort.

Im Ripperologist stand einmal, dass es strenge Regeln in der jüdischen Gemeinde für den geschäftlichen Umgang miteinander gab, und dass ein solcher Diebstahl wohl dazu geführt hätte, dass ihm der Jewish Council die Lizenz entzogen hätte. Damit hätte seine Frau Sarah, um die Familie zu ernähren, auch nach Jacobs Entlassung 1887 das Geschäft allein weiterbetreiben müssen. In der Tat taucht ja später seine Frau als Geschäftsinhaberin im Census auf.
Für Jacob hätte das nun zur Folge gehabt, dass er gezwungen gewesen wäre, auf andere Art seinen Anteil am Familieneinkommen zu verdienen.

Wenn Jacob den Shop in der Middlesex Street 36 nicht mehr selber betreiben durfte, musste er seitdem offensichtlich bei Bekannten und Verwandten in deren Geschäften oder in den Schlachthöfen arbeiten. Dadurch konnte er seinen Teil zum Familieneinkommen beitragen und stand zugleich wegen seines immer asozialeren Verhaltens unter einer gewissen Aufsicht. Das dürfte eine ziemliche Schmach und Erniedrigung für ihn gewesen sein.

Wenn wir nun betrachten, wo diese Arbeitsplätze gewesen sein könnten, finden wir nicht nur die observierte Butcher's Row, sondern auch noch die beiden Harrison, Barber & Co Slaughterhouses: eins in der Winthrop Street, Parallelstraße zum Tatort Buck´s Row, und eins im Barber´s Yard nahe Tatort Hanbury Street (Ecke Brick Lane). Dort wurde auch über Nacht gearbeitet, damit die Kunden morgens frisches Fleisch hatten. Diese Metzger zerlegten also routinemäßig Körper unter schlechten Lichtverhältnissen - so wie der Ripper.
Die angestellten Metzger hatten damals i.d.R. ihr eigenes Arbeitswerkzeug (so wie dies auch in anderen Branchen üblich war bzw. bis heute ist), nahmen es zur Arbeit mit und am Feierabend wieder mit nach Hause. Dazu würde passen, dass einige Zeugen den mutmaßlichen Ripper mit einem Päckchen in der Hand gesehen hatten (s.u.).


Anzeichen psychischer Zerrüttung:
Bereits kurz nach seiner Verurteilung begeht Levy im April 1886 einen Selbstmordversuch im Holloway Prison, der jedoch scheitert.
Am 21. Mai 1886 wird er aufgrund des Suizidversuchs und seltsamer Murmeleien für geisteskrank erklärt und in das Essex County Asylum überführt. In den Akten dort wurde festgehalten, er habe gejammert, Irresein sei in seiner Familie erblich, schon sein Bruder habe Selbstmord begangen.
Am 3. Februar 1887 wird Levy dann wieder aus der Anstalt als "geheilt" entlassen.

Offenbar war die Verurteilung so traumatisierend, dass sie zu einem Zusammenbruch führte - vermutlich weil nun sein Ruf in der Gemeinde schwer beschädigt war und die Gefängnisstrafe negative Auswirkungen auf sein Geschäft und seine sozialen Beziehungen hatte.
Diese Entwicklung ist ein deutliches Indiz der beginnenden psychischen Zerrüttung mit der Bereitschaft zu Grenzüberschreitung, kriminellem Verhalten und Gewalt (wenn auch zunächst gegen sich selbst gerichtet).


Möglicher finaler Stressauslöser:
Am 18. Mai 1888 wird Jacob Levys Mutter Caroline beerdigt.

Nachdem seine Verurteilung und Einweisung bereits seine sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen beschädigt haben dürfte, und auch seine Ehe davon und von der Syphilis belastet gewsen sein wird, stirbt nun auch noch eine der wichtigsten Bezugspersonen eines Menschen.
Für moderne Profiler ist dies ein klassischer Stressauslöser zum Start in eine mörderische Karriere. Ziel der Aggression wird diejenige Gruppe, der der Täter die Verantwortung für sein Schicksal gibt: die Prostituierten von Whitechapel, bei denen er sich mit Syphilis angesteckt hat.




Die Mordserie


Dienstag, 7. August 1888: Martha Tabram im George Yard
Tabram wurde im Treppenhaus des George Yard Buildings 37 vermutlich das erste Opfer von JTR.
Tabram war auf einer Kneipentour mit ihrer Bekannten Mary Ann Connely ("Pearly Poll") und zwei Soldaten. Gegen 0 Uhr trennten sich die Pärchen um Sex zu haben, Connely ging mit dem Corporal zur Angel Alley, und Tabram verschwand mit dem Private in den George Yard.
Gegen 1.40 Uhr stieg das Ehepaar Elizabeth und Joseph Mahoney das Treppenhaus zu ihrem Zimmer hinauf und sah nichts. Auch als Elizabeth Mahoney es kurz darauf wieder durchquerte, um in einem Shop in der Thrawl Street etwas zu Essen zu kaufen, lag Tabram noch nicht da.
Tabram wurde mit einem Stich ins Herz getötet und mit insgesamt 39 Messerstichen in Brust und vor allem Unterleib traktiert. Sie lag auf dem Rücken, ihre Kleider waren hochgeschoben und ihre Beine gespreizt, ebenso wie bei den kanonischen Ripper-Opfern.
Gefunden wurde die Leiche auf dem Absatz des ersten Stocks gegen 4.45 Uhr durch Bewohner John Saunders Reeves, nachdem bereits Bewohner Alfred George Crow gegen 3.30 Uhr Tabram für einen schlafenden Obdachlosen gehalten hatte. Damit muss die Tatzeit zwischen 1.45 Uhr und 3.30 Uhr liegen. Reeves suchte eine Polizeistreife und fand Constable Thomas Barrett auf seiner Runde.

Der Soldat dürfte wohl der Letzte gewesen sein, der Tabram lebend gesehen hat, konnte aber weder von "Pearly Poll" noch von Constable Barrett bei Gegenüberstellungen identifiziert werden, obwohl letzterer auf seiner Streife durch die Wentworth Street gegen 2 Uhr einen Private der Grenadier Guard am Nordende des George Yard stehen sah und ihn ansprach. Der Private sagte dem Polizisten, er warte auf einen Kameraden, der mit einem Mädchen unterwegs sei, darauf ging Barrett weiter seine Streife, bis er drei Stunden später von Reeves zum Tatort gerufen wurde.
Der unbekannte Soldat könnte also den Mord verübt haben, dennoch war er aber wahrscheinlich nicht der Täter: Rund zwei Stunden für Sex mit einer älteren, unattraktiven Prostituierten an einem öffentlich zugänglichen Ort erscheint doch ein ziemlich langer Zeitraum. Wenn sie so lange im Treppenhaus von Nr. 37 gewesen wären, wäre wohl auch das Ehepaar Mahoney oder ein anderer Bewohner auf beide gestoßen.
Zudem hätte ein blutbefleckter Mörder wohl kaum in unmittelbarer Nähe des Tatorts auf seinen Kameraden gewartet und so entspannt auf Polizist Barrett reagiert. Barrett jedenfalls kam nichts an ihm und seinem Verhalten verdächtig vor. Wahrscheinlicher ist, dass sich Tabram nach 1.45 Uhr noch mit einen anderen Mann - eben dem Ripper - in den George Yard zurückgezogen hat.

Erkenntnissen der modernen Kriminologie zufolge stammt das erste Opfer eines Serientäters oft aus seinem näheren räumlichen Umfeld. Tabrams letzte bekannte Adresse war Satchell's Lodging House in der George Street, und die Kneipentour endete vor den George Yard Buildings.
Levys Heim in der Middlesex Street 36 liegt nur rund 300 Meter oder etwa 3-4 Minuten Fußweg von beiden Orten entfernt.
Der Profiler William Eckert: "Nachdem der erste Mord geschehen war, in dessen Nähe der Mörder wahrscheinlich lebte, zog er weiter." In diesem Fall in die Buck's Row.


Freitag, 31. August 1888: Marie Ann Nichols in der Buck's Row
Nichols übernachtete zuletzt im White House Nachtasyl in der Flower and Dean Street 56.
Gegen 2.30 Uhr wurde Nichols zuletzt lebend gesehen von ihrer Bekannten Emily Holland an der Ecke Osborn Street / Whitechapel High Street, fast einen Kilometer vom Tatort entfernt, bevor sie betrunken auf der Whitechapel Road weiter Richtung Osten wankte.
Bis ca. 3.20 Uhr kamen nacheinander die Polizisten Neil, Thain und Kirby auf ihren Runden durch die Buck's Row, ohne etwas Verdächtiges zu sehen.
Gegen 3.45 Uhr fanden dann Charles Andrew Cross und Robert Paul auf ihrem Weg zur Arbeit die Leiche von Nichols vor einem verschlossenen Tor (vermutlich hatte der Täter vergeblich versucht, mit ihr in den Hof zu gelangen). Die Tatzeit muss also zwischen 3.20 Uhr und 3.45 Uhr betragen.

Cross war als erster und allein am Tatort, bis Paul kurz darauf dazustieß. Somit könnte Cross der Täter gewesen sein, zumal alle Tatorte JTRs auf den Wegen zwischen seiner Adresse in der Doveton Street 22, seiner Arbeit als Fleisch-Auslieferer in der Broad Street und dem Wohnort seiner Mutter in der Nähe der Berner Street lagen.
Allerdings hätte Cross, als er die Schritte von Paul hörte, einfach nach Westen verschwinden können, ohne erkannt zu werden, statt auf ihn zu warten: Es sind rund 100 Meter vom östlichen Ende der Buck's Row bis zum Tatort und es war noch dunkel. Bis zu den Querstraßen im Westen als Fluchtwege sind es nur wenige Meter. Stattdessen wartete er auf Paul, wies ihn erst auf den am Straßenrand liegenden Körper hin und ging mit Paul einen Polizisten suchen. Auch wäre wohl aufgefallen, wenn Cross als erster am Nichols-Tatort auch an den Morgen der Morde von Annie Chapman und Mary Jane Kelly zu spät zur Arbeit gekommen wäre, denn seine Job begann bereits um vier Uhr - jene Tatzeiträume liegen jedoch deutlich später (s.u.).
Außerdem war er nicht nur vor den Morden ein unbescholtener Mann, der 20 Jahre lang zuverlässig denselben Job innehatte, er lebte auch noch mehr als 30 Jahre nach dem Ende der Serie als freier und gesunder Bürger weiter, ohne irgendwie einschlägig aufzufallen. Daher war Cross wohl eher nicht der Ripper.

Was Jacob Levy betrifft: Der Tatort ist zwar rund 1300 bis 1400 Meter und damit etwa 16-18 Minuten Fußweg von Levys Adresse in der Middlesex Street 36 entfernt.
Aber Nichols übernachtete im White House Nachtasyl in der Flower and Dean Street 56, und trieb sich bis 2.30 Uhr in der Umgebung der Hauptverkehrsader Whitechapel High Street herum, beides nur rund 300 Meter von Levys Adresse entfernt.
Es ist kriminologisch plausibel, dass JTR auf seiner Jagd auch das anonyme Gewimmel der Hauptverkehrsadern Whitechapel Street und Commercial Street nutzte und beobachtete, ob ein potentielles Opfer in ruhigere Nebenstraßen abbog, um ihr dahin zu folgen. Zudem erscheint es vernünftig, diesmal nicht allzu nah beim eigenen Heim zuzuschlagen.

Vielleicht war JTR auch gar nicht auf seine eigenen vier Wände als sichere Zuflucht nach den Taten eingeschränkt, sondern konnte an verschiedenen Orten unauffällig von der Straße verschwinden - Detective Inspector Henry Cox von der City Police schrieb über den observierten Verdächtigen im Ripper-Fall: "He occupied several shops in the East End".
Möglicherweise konnte JTR die Straßen schnell verlassen, indem er nach der Tat in Shops von Verwandten oder Freunden verschwand. Im Fall von Jacob Levy und der Buck's Row könnte dies der Zigarrenhändler John Levy gewesen sein, der in der Whitechapel Road 254 einen Cigar Shop hatte, und neben dessen Shop nach dem Double Event ein blutiges Messer gefunden wurde (s.u.). Die Adresse des Shops in der Whitechapel Road 254 ist nur etwa 400 Meter oder 4-5 Minuten vom Tatort entfernt. War Levy der Ripper, hätte er also auf dem Weg zum oder vom Cigar Shop auf Nichols treffen und sich nach der Tat dort verstecken können. 

Interessant an der Metzger-Theorie ist zudem, dass sich in der Nähe von mindestens drei Tatorten Schlachthäuser befanden: Zwei Harrison, Barber & Co Slaughterhouses, eines in der Winthrop Street, Parallelstraße zum Tatort Buck´s Row, und im Barber´s Yard nahe Tatort Hanbury Street, sowie ein Schlachthaus in der Harrow Alley, Eingang von der Butcher's Row, Nahe Tatort Mitre Square. Da in diesen auch über Nacht gearbeitet wurde, hätte ein Metzger dort als Einkäufer für sein Geschäft auftreten oder als Schlachter arbeiten können. Das Tragen seiner Arbeitsgeräte und blutverschmierter Arbeitskleidung wäre dort nicht per se verdächtig.


Samstag, 8. September 1888: Annie Chapman in der Hanbury Street

Chapman verbrachte ihre letzten Nächte in der Crossingham's-Unterkunft in der Dorset Street 35.
Gegen 1.50 Uhr verließ sie das Asyl Richtung Norden in die Brushfield Street.
Gegen 5.30 Uhr am frühen Morgen wurde Chapman zum letzten Mal lebend gesehen, und zwar von der Zeugin Elizabeth Long. Unmittelbar vor dem Tatort in der Hanbury Street 29 soll sie laut Longs Aussage mit einem Freier gesprochen haben: "Willst du?" - "Ja."
Long beschreibt den Verdächtigen wie folgt: Knapp 40 Jahre alt, etwas größer als Chapman, dunkler Mantel und tief ins Gesicht gezogener dunkler Hut, fremdländisches Aussehen.
Etwa zur selben Zeit geht Albert Cadosch aus dem Nachbarhaus Nr. 27 in seinen Hinterhof zur Toilette, als er danach ins Haus zurück will, hört er vom Hof nebenan zunächst ein leises "No" und wenige Minuten später bei seinem Aufbruch zur Arbeit etwas gegen den Zaun stoßen.
Gegen 6 Uhr wurde Chapmans Leiche im Hinterhof vom Bewohner John Davies entdeckt.
Die Tatzeit liegt also zwischen 5.30 Uhr und 6 Uhr, und die Zeugin Long hat damit wohl den Ripper bei Chapman gesehen.

Da die Tatzeit bereits nahe der beginnenden Morgendämmerung und dem wieder einsetzenden "Berufsverkehr" in den Straßen liegt, hatte JTR nicht viel Zeit, aus der Öffentlichkeit zu verschwinden, bevor es richtig hell wurde.
Der Tatort ist rund 700 Meter oder etwa 8-9 Minuten Fußweg von Levys Adresse in der Middlesex Street 36 entfernt.

Interessant ist auch ein bekannt gewordener Zwischenfall im Prince Albert Pub an der Ecke Brushfield Street / Steward Street, etwa 200 Meter südwestlich vom Tatort:
Am frühen Morgen tauchte laut Aussagen der Inhaberin Mrs. Fiddymont ein Mann auf, dessen Erscheinung Mrs. Fiddymont und ihrer Freundin Mary Chappell Angst machte: Er trug einen dunklen Mantel, hatte seinen Hut tief ins Gesicht gezogen, sein Hemd war gerissen und er hatte offenbar Blutflecken auf seinem rechten Handrücken. Als er bemerkte, dass er kritisch beäugt wurde, drehte er sich weg, trank sein Bier in einem Zug aus und verließ den Pub sofort wieder. Mary Chappell folgte dem Mann in die Brushfield Street, stellte fest, dass er Richtung Westen ging und wies den Passanten Joseph Taylor auf den Mann hin.
Die drei wurden später von der Polizei zu zwei Gegenüberstellungen geladen, aber unter den vorgeführten Verdächtigen erkannten sie den Mann nicht wieder.
Bemerkenswert daran ist, dass nahe der Brushfield Street die Sandy's Row geradewegs zur Middlesex Street hinunter führt.


10. September 1888: Erster Tatverdächtiger "Leather Apron"
Bei den Befragungen der Polizei erzählten Prostituierte, dass sie Angst vor einem gewalttätigen Mann hätten, der Schutzgeld von ihnen erpresse und sie schlage, und wegen seiner Lederschürze  den Spitznamen "Leather Apron" hätte. Die Ermittlungen führten zu einem polnischen Juden namens John Pizer, ein Schuhmacher, der jedoch für die fraglichen Tatzeiten Alibis aufweisen konnte und später von allen Anschuldigungen freigesprochen wurde.

Interessant sind bei Pizer aber die Übereinstimmungen mit späteren Zeugenaussagen: Er war Jude, mittleren Alters (38 Jahre), knapp 1,70 m groß und hatte einen schmalen Oberlippenbart.
Und Lederschürzen trugen nicht nur Handwerker, sondern auch Metzger.

Hinzu kommt, dass Serienmörder den Erkenntnissen der modernen Kriminologie zufolge oft schon vor ihren Morden durch Straftaten auffällig werden, darunter andere Gewalttaten und Raub. Es ist daher gut möglich, dass JTR vor seinen Morden bereits Prostituierte bedroht bzw. ausgeraubt hat. 

Jacob Levy war ein verurteilter Dieb, von dem seine Frau Sarah bei seiner Einweisung in die Irrenanstalt sagte, er hätte nicht nur begonnen, das Geld der Familie zu verschwenden, sondern auch fremder Leute Eigentum mitgehen zu lassen.
Zwar ist von Jacob Levy kein Übergriff auf eine Prostituierte nachgewiesen, aber es gab vor der Mordserie Überfälle auf Prostituierte, die möglicherweise frühe Taten des Rippers gewesen sein könnten:
Zum Beispiel wurde Ada Wilson in der Nacht vom 27. auf den 28. März 1888 von einem Unbekannten an ihrer Haustür angegriffen: Der Täter verlangte von der Gelegenheitsprostituierten Geld, und als Wilson sich weigerte, zog er ein Messer und stach es ihr in den Hals. Wegen ihrer Schreie, die die Nachbarn alarmierten, flüchtete der Täter - das rettete ihr vermutlich das Leben.
Interessant ist die Täterbeschreibung, die Ähnlichkeiten mit anderen Zeugenaussagen in der Mordserie von JTR aufweist: Etwa 30 Jahre, knapp 1,70 groß, heller Schnauzbart, dunkler Mantel und breiter Hut.

Zudem würde der Zeitraum dieser Taten auf den ersten Bekennerbrief vom 24. September 1888 passen (s.u.). Darin schreibt ein vermeintlicher Schlachter an Polizeichef Warren, er sei verantwortlich für "all die Morde in den letzten sechs Monaten" - die kanonischen Opfer einschließlich Tabram umfassten damals gerade einen Zeitraum von wenigen Wochen. Mit jenen früheren Überfällen wäre es tatsächlich etwa ein halbes Jahr.


24. September 1888: Der erste Bekennerbrief
Durch die Grausamkeit der Morde und die Sensationsberichterstattung der Zeitungen nahm die öffentliche Aufmerksamkeit sprunghaft zu und Hysterie breitete sich in Teilen der Bevölkerung aus.  In der Folge davon erreichten Dutzende angebliche Bekennerbriefe die Polizei und die Presse.
Der erste davon war an Polizeichef Sir Charles Warren selbst adressiert, seine Existenz wurde damals geheim gehalten. Er lautete:
"Dear Sir,
ich würde gerne aufgeben, ich befinde mich in einem Albtraum. Ich bin der Mann, der alle diese Morde in den letzten sechs Monaten begangen hat. Mein Name ist (mit der Zeichnung eines Sargs unkenntlich gemacht). Ich bin ein Schlachter und arbeite bei (mit zwei Balken unkenntlich gemacht). I have found the woman I would that is Chapman and I done what I called slautered her (?). Aber wenn jemand kommt, werde ich aufgeben. Aber ich werde nicht von selbst zur (Polizei-)Station gehen. Hochachtungsvoll (mit der Zeichnung eines Sargs unkenntlich gemacht)."
Rückseite:
"Haltet das Viertel sauber, oder ich werde ihm einen Besuch abstatten. (Zeichnung eines Messers) Dies ist das Messer, mit dem ich die Morde begangen habe. Es hat einen schmalen Griff mit einer langen Klinge, beide Seiten scharf."

Die meisten Bekennerbriefe wurden von der Polizei schon damals als geschmacklose Scherze von Trittbrettfahrern abgetan, nur wenige wurden ernst genommen. Selbst die berühmt gewordenen Briefe, in denen der Mörder sich angeblich den Namen "Jack the Ripper" gab (der "Dear Boss"-Brief und die "Saucy Jacky"-Postkarte) werden inzwischen für Fakes gehalten und sollen aus der Feder ebenjenes Sensationsreporters Thomas Bulling von der Central News Agency stammen, welche die Briefe der Polizei übergab.

Jener erste Brief aber erscheint bemerkenswert: Erstens bezeichnet sich der Autor selbst als Schlachter. Zweitens ist er nicht verhöhnend, sondern scheint der Hilferuf eines kranken Menschen zu sein, der in einer tiefen inneren Zerrissenheit gefangen ist - so wie der Zustand Jacob Levys bei der Einlieferung ins Irrenhaus von seiner Frau beschrieben wurde.
Der Satz mit Chapman ist aufgrund seiner Formulierungen und der fehlenden Satzzeichen verwirrend, aber "and I done what I called" könnte bedeuten: "und ich habe getan, was mir befohlen wurde" - was ein Hinweis auf die befehlenden Stimmen sein könnte, die ein Wahnkranker oft hört, und von denen Levys Frau sprach.
Betrachtet man sich die sargförmige Schwärzung an der Stelle, wo der Briefschreiber angeblich zum ersten Mal seinen Namen übermalt hat, so scheint darunter etwas ähnliches wie "leaffray" oder "leadfray" gestanden zu haben - und das würde von der Wortlänge sowie von den Oberlängen und  Silhouetten einiger Buchstaben passen auf unseren Metzger Jacob Levy:
l e  a  d  f r a y
l a co b  l e v y


Sonntag, 30. September 1888: Nacht des Double Event

Mord an Elizabeth Stride in der Berner Street 40/42, etwa 45 Minuten später an Catherine Eddowes auf dem Mitre Square.

Stride übernachtete bis zu ihrem Tod im Armenasyl in der Flower and Dean Street.
Zwischen 0.35 und 0.45 Uhr sahen mehrere Zeugen (Polizist William Smith, Anwohner James Brown, Zeuge Israel Schwartz) Stride mit einem Mann in der Nähe des Berner Street Clubs. Beschrieben wird er übereinstimmend als knapp 1,70 groß, etwa 30 Jahre alt, heller Teint, Schnauzbart, dunkler Mantel und Schirmmütze. Polizist Smith bemerkte zudem ein Päckchen in seiner Hand.
Der aus Norden von der Commercial Road vorbeikommende Israel Schwartz will sogar eine Auseinandersetzung wahrgenommen haben, weswegen er schnell weitergegangen sei, sagte er später der Polizei. Der Mann habe die Frau am Tor zum Dutfields Yard zu Boden geworfen, die Frau habe kurz aufgeschrien. Als er zurückgeblickt habe, sei gerade ein anderer Mann mit einer Pfeife aus dem nahen "Nelson"-Pub gekommen und es habe eine kurze verbale Auseinandersetzung mit dem Verdächtigen gegeben, bis der Verdächtige "Lipski" gerufen habe. Da sei der andere auf Schwartz zugegangen und Schwartz sei aus Angst weggelaufen.
Gegen 1 Uhr dann wurde Strides Leiche vom Verwalter des Clubs, Louis Diemschütz, im Torweg des Dutfield Yard neben dem Club gefunden. Im Gegensatz zu den anderen Opfern wurde ihr nur die Kehle durchgeschnitten, aber offenbar wegen der Störung durch die Zeugen keine Verstümmelungen des Unterleibs mehr vorgenommen.

Als plausibelste Interpretation dieser Szene scheinen Schwartz und der Mann mit der Pfeife mitten in den Angriff des Rippers hineingeplatzt zu sein. Weil Schwartz schon auf der Flucht war, als der Pfeifenraucher auf die Straße kam, tat der Mörder offenbar so, als sei er ein unschuldiger Helfer und konnte den anderen Mann mit dem Ausruf "Lipski" davon überzeugen, dass der nach Süden flüchtende Schwartz der Angreifer gewesen sei, so dass "Pipeman" die Verfolgung von Schwartz aufnahm (leider konnte "Pipeman" nie identifiziert werden).
Lipski war ein Jude aus dem Viertel, der 1887 wegen Mordes verurteilt worden war - und sein Name war in antisemitischen Kreisen zum Schimpfwort gegen Juden im allgemeinen und zum Synonym für Mörder im speziellen geworden.
Indem der Mörder den einen Zeugen so auf den anderen hetzte, konnte er vom Tatort (vermutlich über die Gasse zur Batty Street, wo später blutige Wäsche gefunden wurde) schließlich nach Norden in die Commercial Road fliehen. Er wollte angesichts der Beinahe-Entlarvung mit ziemlicher Sicherheit zu seinem Versteck zurück - und in der Richtung, die er einschlug, liegt die Middlesex Street.
Da JTR aber sein eigentliches Ziel - die Verstümmelung - bei Stride nicht mehr umsetzen konnte, suchte er, als er sich wieder sicher fühlte, schließlich ein weiteres Opfer.


Eddowes und ihr Mann John Kelly lebten überwiegend im Armenhaus "Cooney's" in der Flower und Dean Street 55.
Gegen 1 Uhr wurde Eddowes aus der Ausnüchterungszelle der Polizeistation Bishopsgate Street entlassen und ging Richtung Süden, höchstwahrscheinlich die Houndsditch entlang zurück zur Aldgate High Street, wo sie den frühen Abend verbracht hatte.
Gegen 1.30 Uhr checkte Constable Edward Watkins auf Streife den Mitre Square, ohne etwas  Verdächtiges festzustellen.
Etwa um diese Zeit verließen Joseph Lawende, Harry Harris und Joseph Hyam Levy den Imperial Club, Duke Street, schräg gegenüber der Church Passage zum Mitre Square, und sahen einen Mann und eine Frau am Eingang der Passage in einem leisen Gespräch.
Der Zeuge Lawende beschrieb den Mann wie folgt: Etwa 30 Jahre alt, knapp 1,70 Meter groß, blasser Teint, heller Schnauzbart, durchschnittlicher Körperbau, graue Jacke, graue Stoffkappe und rötliches Halstuch, sah wie ein Seemann aus (wobei aber Seemänner selten "blassen Teint" haben).
Gegen 1.35 Uhr ging Constable James Harvey durch die Church Passage und schaute in den dunklen Mitre Square, sah jedoch nichts und kehrte auf seine Runde zurück.
Gegen 1.45 Uhr kam Constable Edward Watkins von der anderen Seite (Mitre Street) wieder durch den Hauptzugang in den Mitre Square und entdeckte beim Herumleuchten mit seiner Lampe die tote Eddowes in der dunkelsten Ecke liegen, vor dem Tor zu einem kleinen Hof (vermutlich hatte der Ripper gehofft, das Tor wäre offen).
Laut Inspector Robert Sagar von der City Police soll ein Polizist kurz zuvor gesehen haben, wie ein Mann aus der Mitre Street in östliche Richtung verschwand. Aufgrund der Sichtung dieses Mannes liefen anschließend Polizisten durch Gravel Lane und Stoney Lane, um Hinweise auf den Fluchtweg des Mörders zu finden - dieser Weg führt in die Middlesex Street und weiter in die Goulston Street.
Einer davon war Detective Constable Daniel Halse, der mit zwei Kollegen gegen 1.55 Uhr an der Ecke Houndsditch bei St. Botolph's Church stand und aufgrund der Alarmierung in den Mitre Square kam. Nachdem Halse Instruktionen zur Befragung der Anwohner gegeben hatte, eilte er zuerst in die Middlesex Street und, weil er dort niemanden sah, weiter in die Wentworth Street, wo er zwei Passanten überprüfte. Gegen 2.20 Uhr checkte er die Goulston Street, um nach vergeblicher Suche zum Mitre Square zurückzukehren.
Gegen 2.55 Uhr fand Constable Alfred Long auf seiner Runde ein Stück der blutigen Schürze von Eddowes im Hauseingang der Wentworth Dwellings 108-119, Goulston Street. Darüber an der Wand stand mit Kreide der Satz: "Die Juden sind die Menschen, die nicht grundlos beschuldigt werden." Long zufolge soll die Schürze auf seiner vorherigen Runde gegen 2.25 Uhr noch nicht dort gelegen haben. Ob das antisemitische Graffiti zuvor schon da gewesen war, wusste er nicht.

War Levy der Ripper, wäre er nach der unterbrochenen Tat an Stride in Richtung der Middlesex Street geflüchtet, um schnell von der Straße verschwinden zu können, dann aber mit oder ohne einen Zwischenstopp zuhause weiter Richtung Westen gezogen, wo er in der Houndsditch oder Duke Street den Weg von Eddowes kreuzte.
Die Berner Street ist rund 700 Meter oder etwa 8-9 Minuten Fußweg von Levys Adresse in der Middlesex Street 36 entfernt.
Die Strecke zwischen Berner Street und Mitre Square beträgt rund 1000 Meter oder etwa 12-15 Minuten Fußweg.
Die Strecke zwischen Mitre Square und Middlesex Street 36 beträgt rund 300 Meter oder etwa 3-4 Minuten Fußweg.
Jacob Levy hätte auch nach dem Mord an Eddowes zuhause einen Zwischenstopp einlegen können, um Blut, Messer, Gebärmutter und Niere loszuwerden und sich umzuziehen, bevor er die Schürze platzieren ging, um eine falsche Spur zu legen - oder er zog direkt weiter, weil er aus irgendeinem Grund nicht nach Hause zurückkehren konnte.

Die Strecke vom Mitre Square zur Goulston Street beträgt nur rund 500 Meter oder 6-7 Minuten. Entweder haben die Polizisten Halse und Long die Schürze gegen 2.25 Uhr übersehen, oder JTR hat sich zeitweise in einer Zuflucht versteckt, bevor er sie ablegte. Ein Umweg von rund einer dreiviertel Stunde durch die Straßen voller alarmierter Polizisten ist eher unwahrscheinlich - daher dürfte die Rückzugsmöglichkeit des Rippers in unmittelbarer Nähe gewesen sein. Die Ablage der Schürze könnte dann für ein Ablenkungsmanöver sprechen, das die Ermittler auf eine falsche Fährte locken sollte Richtung Osten, weg von der Umgebung Mitre Square und seiner Zuflucht.
Wenn Levy der Ripper war, hätte er damit aufgrund der Erkenntnis, zu nah an seinem Zuhause zugeschlagen zu haben, bewusst die Spur vom Grenzgebiet der City Police, wo er wohnte, weiter nach Osten in das Territorium der Metro Police gelenkt.
Vielleicht konnte er aber auch einfach nicht in die Middlesex Street 36 zurück, entweder weil er sich verfolgt fühlte, weil seine Frau noch wach oder gerade jemand in der Straße unterwegs war.
Die Strecke zwischen den Parallelstraßen Goulston Street und Middlesex Street beträgt weniger als 100 Meter oder etwa 1-2 Minuten Fußweg.

Daraus ergeben sich zwei interessante Möglichkeiten, wenn Levy der Ripper war:
Zur Zeit der Morde lebte laut Census von 1891 Jacobs Bruder Isaac Levy in der Goulston Street 130, und die Geburt seiner Tochter 1888 ist unter derselben Adresse angegeben - dies ist nur einen Häuserblock vom Schürzenfund entfernt.
Zum zweiten bleibt noch die Alternative, dass Jacob weiter zum Cigar Shop von John Levy in die Whitechapel Road 254 flüchtete, um sich dort zu verstecken - direkt nebenan vor Nr. 253 wurde am Tag darauf von Thomas Coram ein blutiges Messer gefunden (s.u.).

Bemerkenswert ist, dass es am Tatort im Mitre Square sehr dunkel war: Die Streifenpolizisten mussten ihre Lampen verwenden, um in den Ecken überhaupt etwas erkennen zu können. JTR hatte nur etwa 10 Minuten für die Verstümmelungen, die noch umfangreicher als bei den vorherigen Opfern waren. Insbesondere die Entfernung von Gebärmutter und Niere in der Dunkelheit zeugen davon, dass der Ripper offenbar Übung darin hatte, einen Körper bei schlechtem Licht schnell mit einem Messer zu zerlegen. Auch dies deutet auf einen Metzger hin, eine Ansicht, die u.a. Dr. Frederick Gordon Brown vertrat, der Eddowes Leiche untersuchte.

Merkwürdigerweise taucht in den Berichten über die Coroner-Untersuchung zu Strides Tod der wichtige Zeuge Israel Schwartz gar nicht auf.
Und bei der Coroner-Untersuchung zu Eddowes Tod wurde dem Zeugen Joseph Lawende verboten, den Verdächtigen vor dem Publikum genauer zu beschreiben - offenbar aus ermittlungstaktischen Gründen.
Dies deutet darauf hin, dass die Polizei glaubte, eine heiße Spur zu haben.
Zumal Lawendes Begleiter Joseph Hyam Levy bei der polizeilichen Vernehmung den Eindruck gemacht hatte, mehr zu wissen, als er zugeben wollte. So soll er beim Anblick von Eddowes und dem Mann zu seinen beiden Begleitern gesagt haben, wenn er solche Charaktere sehe, wolle er nicht alleine nach Hause gehen, und man solle den Hof beobachten (!). Als er beim Verhör gefragt wurde, ob er denn Angst gehabt habe, antwortete er kryptisch: nicht wirklich um sich.
Frage: "What was there terrible in their appearance?" - Antwort: "I did not say that." - Frage: "Your fear was rather about yourself?"- Antwort: "Not exactly." (!)


1. Oktober 1888: Messer-Fund in der Whitechapel Road

In der Nacht nach dem Double Event fand Thomas Coram gegen 0.30 Uhr vor der Whitechapel Road 253 ein in ein Taschentuch eingewickeltes blutiges Messer, das er der Polizei übergab - jedoch konnten die obduzierenden Ärzte nicht bestätigen, ob dies die Waffe des Rippers war.

Interessant ist in diesem Zusammenhang aber: In den 1880er Jahren hatte John Levy in der Whitechapel Road 254 einen Cigar Shop. Er war laut Census der Bruder von Fanny Levy von den Levys aus der Mitre Street 29, und sie waren Ripperologen zufolge wahrscheinlich Cousins des Zeugen Joseph Hyam Levy - somit war vermutlich auch Jacob Levy mit diesen Levys verwandt.

John und Fannys Eltern, Ann und Barnett Levy, lebten in den 1850ern in Mitre Street 29 ("Orange Market" am Mitre Square), sie waren Zigarren- und Orangenhändler und hatten vier Kinder - John, Samuel, Lewis und Fanny. Um 1888 wohnte nur noch Fanny dort.
Samuel lebte erst in den Häusern Mitre Street 17 und 23 und zog danach neben Joseph Hyam Levys Vater, Hyam Levy, in die Middlesex Street 39 (!). 1888 kehrte Samuel dann als Orangenverkäufer wieder in die Mitre Street zurück, diesmal in die Nummer 20.
Und Lewis Levy lebte in den 1860ern in Mitre Square 8 - dahinter fand man vor dem verschlossenen Hinterhoftor die Leiche von Catherine Eddowes (!).

War Jacob Levy der Ripper, kannte er sicher den Hinterhof und könnte gehofft haben, er wäre offen. Nach dem Double Event hätte er, weil er sich nicht zuhause verstecken wollte oder konnte, zuerst in Richtung seines Bruders und dann weiter zum Cigar Shop flüchten können, um sich dort relativ weit von den Tatorten weg zu verstecken, und könnte das blutige Messer davor weggeworfen haben.


Polizei-Razzia bei Metzgern im Oktober:

Die Polizei führte in den folgenden Wochen vom 3. bis 18. Oktober in der Umgebung des Mitre Square Haus-zu-Haus-Befragungen durch. Der stellvertretende Polizeipräsident Robert Anderson schrieb, dass man alle Männer des Viertels überprüft habe, die den Zeugenaussagen entsprachen und sich blutbefleckter Kleidung entledigen konnten.
Die Polizei durchsuchte auch 76 Metzgereien und Schlachtereien im Viertel und überprüfte alle Personen, die in den letzten sechs Monaten dort beschäftigt waren, verschiedene Verdächtige wurden unter Beobachtung gestellt.

Interessanterweise folgte nach dem Double Event die längste Pause zwischen den Ripper-Morden von fast sechs Wochen. Ursache dafür könnte der Ermittlungsdruck durch die Behörden gewesen sein, was für die Annahme spricht, dass die Polizei mit der Untersuchung des Metzger-Milieus rund um Aldgate High Street dem Ripper näher kam, so dass er vorerst pausieren musste, bis die polizeilichen Aktivitäten in seinem Umfeld wieder zurückgingen.
 

Freitag, 9. November 1888: Mord an Mary Jane Kelly im Miller's Court

Kelly verließ in ihrer letzten Nacht mehrmals ihr Zimmer im Miller's Court, Dorset Street 26, und kehrte mit verschiedenen Freiern wieder dorthin zurück, nachdem sie den frühen Abend mit ihrem Exfreund Joseph Barnett verbracht hatte.
Gegen 23.45 Uhr sah ihre Nachbarin Mary Ann Cox, wie Kelly mit einem Kunden auf ihr Zimmer ging. Zwischen 0.30 Uhr und 1 Uhr hörten Cox und Nachbarin Catherine Picket sie singen.
Ihre Nachbarin Elisabeth Prater kehrte gegen ein Uhr zurück, wartete erst 20 Minuten vor dem Eingang zum Court auf ihren Freund und ging, als er nicht kam, noch für zehn Minuten in McCarthys Laden nebenan. Gegen 1.30 Uhr stieg sie die Treppen zu ihrem Zimmer direkt über Kellys hinauf, ohne dort Licht zu sehen oder etwas zu hören, und ging zu Bett.
Der Zeuge George Hutchinson, ein Bewohner des Victoria Home in der Commercial Street, ging am 12. November zur Polizei und sagte aus, dass er seine Bekannte Mary Jane Kelly am 9. November gegen 2 Uhr in der Commercial Street getroffen habe.
Kurz darauf sei sie mit einem Kunden an ihm vorbei zurück auf ihr Zimmer gegangen. Weil der Mann sein Gesicht vor ihm habe verbergen wollen, sei er beiden gefolgt und habe rund eine dreiviertel Stunde den Hof beobachtet, jedoch ohne etwas Verdächtiges wahrzunehmen. Gegen 3 Uhr sei er schließlich gegangen.
Hutchinson beschrieb den Mann als etwa Mitte 30, knapp 1,70 Meter groß, blasser Teint, dunkle Augen und Haare, dünner gezwirbelter Schnurrbart, jüdisches Erscheinungsbild, mürrisches Aussehen, dunkler Mantel, dunkler Hut, kleines Päckchen in seiner Hand.
Sarah Lewis, die gegen 2.30 Uhr zu ihrer Bekannten Mrs. Keyler im Miller's Court ging, um dort zu übernachten, sah gegenüber dem Hofeingang einen Mann stehen - dabei handelte es sich vermutlich um Hutchinson.
Zwischen 3.15 Uhr und 3.45 Uhr hörten sowohl Lewis wie auch Elizabeth Prater einen leisen, unterdrückten Schrei vom Hof her: "Mord!"
Gegen 6 Uhr hörte Nachbarin Marie Ann Cox Schritte im Hof.
Gegen 7.30 Uhr klopfte Nachbarin Catherine Picket an Kellys Tür, um sich einen Schal zu leihen, aber nichts regte sich.
Gegen 10.45 Uhr wurde Kellys Leiche von Hausverwalter Thomas Bowyer entdeckt, der die Miete eintreiben sollte.

Theoretisch könnte Hutchinson der Täter gewesen sein, der nach dem Verschwinden des Kunden gegen 3 Uhr selbst zu Kelly ging - nur: warum hätte er dann bei der Polizei auftauchen und sich mit dem Geständnis seines "Stalkings" verdächtig machen sollen? Inspektor Abberline hielt ihn für glaubwürdig.
Plausibel wäre aber, dass der von Hutchinson beschriebene Kunde nach 3 Uhr ging - und dass erst der nächste Besucher Kellys der Ripper war. Dann wäre Hutchinsons Beschreibung unbrauchbar.
Bemerkenswert ist jedoch, dass Hutchinson aussagte, er glaube denselben Mann später noch einmal gesehen zu haben, und zwar am 11. November in der Petticoat Lane / Middlesex Street - wo Levy wohnte und es den Straßenmarkt mit günstiger Second-Hand-Kleidung gab.
Wenn JTR die Person war, die von Cox gegen 6 Uhr im Hof bemerkt wurde, muss er beim Verlassen des Tatorts unter Zeitdruck gestanden haben, weil es langsam hell wurde.
Falls Levy der Ripper war: Der Tatort in der Dorset Street 26 ist rund 500 Meter oder nur etwa 5-6 Minuten Fußweg von der Middlesex Street 36 entfernt.

Ein merkwürdiger Vorfall ereignete sich etwa eine Stunde nach der Entdeckung von Kellys Leiche:
London Times, 10. November 1888:
"A Mrs Paumier, a young woman who sells roasted chestnuts at the corner of Widegate-street, a narrow thoroughfare about two minutes' walk from the scene of the murder, told a reporter yesterday afternoon a story which appears to afford a clue to the murderer. She said that about 12 o'clock that morning a man dressed like a gentleman came up to her and said, "I suppose you have heard about the murder in Dorset-street?" She replied that she had, whereupon the man grinned and said, "I know more about it than you." He then stared into her face and went down Sandy's-row, another narrow thoroughfare which cuts across Widegate-street. Whence he had got some way off, however, he vanished. Mrs Paumier said the man had a black moustache, was about 5ft 6in, high, and wore a black silk hat, a black coat, and speckled trousers. He also carried a black shiny bag about a foot in depth and a foot and a half in length."

Falls JTR so wie manch anderer Serienmörder das Bedürfnis hatte, zu den Tatorten zurückzukehren oder gar bei der Entdeckung der Morde unter den Schaulustigen zu stehen, um sich einen zusätzlichen Kick zu holen: Die Beschreibung des Mannes als knapp 1,70 groß mit Schnurrbart passt zu anderen Zeugenaussagen.
Und - interessant für die Jacob-Levy-These - der Verdächtige ging nach seiner Provokation die Sandy's Row hinab, die in die Middlesex Street mündet.

Merkwürdig war nach den Coroner-Untersuchungen zum Double-Event auch die Anhörung im Fall Kelly: Sie wurde im Distrikt Shoreditch vom dort zuständigen Richter vorgenommen und nicht in Whitechapel, mit der seltsamen Begründung, zuständig sei der Ort der Aufbahrung, nicht der Tatort. Sie wurde bereits am 12. November eröffnet, mit sich nicht zuständig fühlenden Geschworenen, in hohem Tempo durchgepeitscht und schon am selben Tag wieder abgeschlossen. Richter Roderick Macdonald sagte: "Wenn die Geschworenen allein zu der Todesursache zu einem Ergebnis kommen, so ist das alles, was sie zu tun haben."
Zeugen oder Beweismittel zur Strafverfolgung sollten nicht weiter öffentlich thematisiert werden - wahrscheinlich aus ermittlungstaktischen Gründen, weil man einen Tatverdächtigen nicht warnen wollte, während er unter Beobachtung stand, um ihn auf frischer Tat stellen zu können.
In H. L. Adam's Serie "The People on Scotland Yard and its Secrets" von 1912 zitiert der Autor  Assistant Commissioner Anderson: "Sir Robert Anderson has assured the writer that the assassin was well known to the police, but unfortunately, in the absence of sufficient legal evidence to justify an arrest, they were unable to take him. It was a case of moral versus legal proof. The only chance the police had, apparently, was to take the miscreant red-handed…"


"Butcher's Row Suspect"

Nach dem Kelly-Mord begann die City Police damit, mehrere Monate lang einen Tatverdächtigen bei der Butcher's Row zu observieren.
In einem Zeitungsinterview (City Press, 7. January 1905) sagte Robert Sagar von der City Police, dass man nach dem Kelly-Mord einen Mann unter Beobachtung gestellt habe, der in der Butcher's Row arbeite und von dem man annehme, dass er der Ripper sei, und dass dieser Mann letztendlich von seinen Leuten in ein Irrenhaus eingeliefert worden sei.

Butcher's Row war kein offizieller Straßenname, so wurde wegen der vielen Metzger und der dahinter liegenden Schlachterei jener Abschnitt der High Aldgate Street genannt, der an der Einmündung der Middlesex Street liegt, wo Jakob Levy wohnte (sie stellt die Grenze zwischen City of London und Whitechapel sowie zwischen den beiden Polizei-Distrikten dar).

Auch Detective Inspector Henry Cox (City Police) wurde ein Jahr später in einem Zeitungsartikel (Thomson’s Weekly News, 1. December 1906) zu den Observationen zitiert, ohne jedoch den genauen Ort zu nennen. Cox: "The man we suspected was about five feet six inches in height, with short, black, curly hair, and he had a habit of taking late walks abroad. He occupied several shops in the East End, but from time to time he became insane, and was forced to spend a portion of his time in an asylum in Surrey. (...) While the Whitechapel murders were being perpetrated his place of business was in a certain street, and after the last murder I was on duty in this street for nearly three months." (beim Hinweis auf Surrey könnte eine Verwechslung mit Ostrog vorliegen).
Cox erzählte, er habe den Verdächtigen nachts auf einem Streifzug verfolgt: Nachdem dieser sein Haus verlassen habe, sei er die Leman Street in Richtung St. Georges in the East hinab gegangen - die Straße verläuft nur etwa 100 Meter östlich von der Einmündung der Middlesex Street und der Goulston Street in die Aldgate High nach Süden (!).
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, was Detective Inspector Cox zur Überwachung des Tatverdächtigen sagte. Zur Verschleierung der Observation, die der jüdischen Gemeinde nicht verborgen blieb, behaupteten die Polizisten, die Schneider auf Beschäftigung von Minderjährigen zu überwachen: "We told them we were factory inspectors looking for tailors and capmakers who employed boys and girls under age." Dies könnte sich auf den Petticoat Lane Street Market oder den "Chazar Mark" in der Parallelstraße Goulston Street beziehen, wo Schneidermeister Arbeitskräfte rekrutierten.

Die Maßnahmen der City Police deuten darauf hin, dass die Indizien sie in dem Verdacht bekräftigten, es bei JTR mit einem einheimischen Metzger in der Umgebung von Aldgate High Street, Middlesex Street oder Goulston Street zu tun zu haben. Vielleicht war es sogar Jacob Levy, der beobachtet wurde - doch leider sind weder die genaue Adresse noch der Zeitraum der Observationen bekannt.
Allerdings schrieb das Aberdeen Weekly Journal bereits am 16. November 1888: "The Central News is enabled to state that several houses at which the murderer is believed to call on occasionally are under the closest police surveillance."

Wenn Jacob Levy der Ripper war, könnte dies bedeuten, dass er neben seiner Heimatadresse Middlesex Street 36 und seinem Bruder in der Goulston Street auch bei den Metzgern der Butcher's Row ein und aus ging. Denn sowohl Jacob Levy als auch der Zeuge und mutmaßliche Verwandte Joseph Hyam Levy sollen Geschäftsverbindungen in der Butcher's Row gehabt haben. Vermutlich kauften sie auch in der dortigen Schlachterei ein. Levy könnte sogar wegen seines ruinierten eigenen Geschäfts zeitweise dort oder in einem anderen Shop gearbeitet haben.


Nähe von mutmaßlichen Verwandten zu den Tatorten

Detective Inspector Henry Cox von der City Police schrieb über den observierten Verdächtigen: "He occupied several shops in the East End." Und das Aberdeen Weekly Journal schrieb bereits am 16. November 1888: "The Central News is enabled to state that several houses at which the murderer is believed to call on occasionally are under the closest police surveillance."

Zusätzlich den möglichen Verbindungen Levys mit anderen Metzgern in der Butcher's Row gab es im Eastend noch die Shops der Levy-Familie aus der Mitre Street, mit denen Jacob und Joseph Hyam Levy laut Casebook verwandt gewesen sein sollen:
Darunter der Orangenhändler Samuel Levy in der Mitre Street 20 (Tatort Mitre Square) und der Zigarrenhändler John Levy in der Whitechapel Road 254 - nahe den Tatorten Buck's Row und Berner Street sowie unmittelbar neben dem Messer-Fund von Thomas Coram nach dem Double Event vor Whitechapel Road Nr. 253.
In den 1880er Jahren hatte John Levy in der Whitechapel Road 254 einen Cigar Shop. Er war laut Census der Bruder von Fanny Levy von den Levys aus der Mitre Street 29, und sie waren wahrscheinlich Cousins des Zeugen Joseph Hyam Levy, dessen Vater vor Jacob die Metzgerei in der Middlesex Street 36 hatte - somit war vermutlich auch Jacob Levy mit diesen Levys verwandt.

John und Fannys Eltern, Ann und Barnett Levy, lebten in den 1850ern in Mitre Street 29 ("Orange Market" am Mitre Square), sie waren Zigarren- und Orangenhändler und hatten vier Kinder - John, Samuel, Lewis und Fanny. Um 1888 wohnte nur noch Fanny dort. Samuel lebte erst in Mitre Street 17 und 23 und zog danach neben Joseph Hyam Levys Vater, Hyam Levy, in die Middlesex Street 39. 1888 kehrte Samuel dann als Orangenverkäufer wieder in die Mitre Street zurück.

Nicht vergessen werden sollte schließlich noch Jacobs Bruder Isaac Levy, der zur Zeit der Morde  in der Goulston Street 130 lebte - nur einen Gebäudekomplex entfernt von dem Hauseingang, in dem das blutige Teil von Eddowes Schürze gefunden wurde.

Fazit: Waren die Levys von Mitre Street tatsächlich mit Jacob Levy verwandt, so rückt der verrückt gewordene Metzger durch die Adressen seiner Verwandten in die unmittelbare Nähe zu mehreren Tatorten und den Funden von Schürze und Messer. War Jacob Levy der Ripper, kannte er sich dort besonders gut aus, hätte für seine Anwesenheit in den Straßen eine plausible Erklärung gehabt und Möglichkeiten, nach den Taten schnell aus der Öffentlichkeit verschwinden zu können, indem er bei ihnen Unterschlupf suchte. 


Mittwoch, 17. Juli 1889: Mord an Alice McKenzie in der Castle Alley

Police Constable Walter Andrews entdeckte gegen 0.50 Uhr in der Castle Alley den leblosen Körper von Alice McKenzie, etwa eine halbe Stunde, nachdem er das letzte Mal auf seiner Runde dort gewesen war. Zeugen der Tat gab es keine. Ihre linke Halsschlagader war durchtrennt, ihr Rock war hochgeschoben und der Unterleib mit einem Messer traktiert worden, allerdings waren die Verletzungen eher oberflächlich.

Die Polizisten und die untersuchenden Ärzte waren uneinig darüber, ob es sich um ein weiteres Ripper-Opfer handelte. Einiges passte ins Schema: McKenzie übernachtete in einem Armenhaus, war rund 40 Jahre alt, Prostituierte und Trinkerin - und wurde im Zentrum von JTRs Aktivitäten getötet. Allerdings wurde ein anderes Messer benutzt, und zudem wurde sie nicht gewürgt, es gab auch keinen vollständigen Kehlenschnitt, die Wunden waren nicht so tief und der Unterleib war nicht ausgeweidet.
Der Täter hätte wahrscheinlich durchaus genug Zeit für weiterreichende Verstümmelungen gehabt, denn er war wohl diesmal nicht gestört worden. Indiz dafür: Obwohl es kurz geregnet hatte, war der Gehweg unter McKenzies Körper trocken, was bedeutet, dass sie wohl schon vor dem Schauer getötet wurde und somit einige Zeit unentdeckt dagelegen hatte. Möglicherweise war es ein Nachahmungstäter, der dem Ripper diesen Mord in die Schuhe schieben wollte.

Falls es doch JTR war, deutet alles darauf hin, dass er nicht mehr auf der Höhe seiner physischen und/oder psychischen Kräfte war - Folgen der fortschreitenden Syphilis?
Auch der große zeitliche Abstand zu den übrigen Taten fällt auf: JTR hatte eine sehr kurze Abkühlphase, so dass längere Pausen wohl nur durch widrige Umstände wie Krankheit, Einweisung oder Ermittlungsdruck der Polizei zu erklären sind.
Falls Jacob Levy der Täter war: Der Tatort ist nur 100-200 Meter oder 1-2 Minuten Gehweg von Butcher's Row und Middlesex Street entfernt.


"The crazy jewish Butcher"

Spätestens nach diesem Mord machte die Ripper-Theorie vom "verrückten jüdischen Metzger" die Runde, die von verschiedenen Presseorganen aufgegriffen wurde.

London Evening News And Post, 13. September 1889:
"The second man is now being watched. He is a resident of the East End, and has been for years. For a long time he has been acting in the most suspicious fashion. He has a business, to which he scarcely ever personally attends. He goes about drinking, and is to be met at all hours of the night in the streets all over the neighborhood. He enters his house at hours when his wife and family have long been at rest. No member of his family dare question him as to his ramblings. He knocks about among the lowest class of women at unearthly hours, although, according to general report, their very appearance is hateful in his sight. His hatred has been produced by physical suffering, for which, like most men of his class, he holds himself perfectly irresponsible. His habits are such as to give one the notion that he is not altogether in a fit position to be allowed to roam at will. Whether he has anything to do with any crime, it is, of course, impossible to say, but he is kept in view."

Offensichtlich war der Observierte ein im East End lebender Metzger, der sein Geschäft vernachlässigte, so wie auch Jacob Levys Frau beklagte. Er fing an zu trinken und streifte nachts umher, so wie Levys Frau gesagt hat. Er trieb sich bei Prostituierten herum, obwohl er sie hasste.
"His hatred has been produced by physical suffering, for which, like most men of his class, he holds himself perfectly irresponsible." - Und sein Hass kam von einer Syphilis-Infektion, wofür er die Schuld nicht bei sich, sondern bei anderen suchte.

Rochester Democrat And Chronicle, 16. September 1889:
"The London Police has a theory that Jack the Ripper is a crazy jewish butcher."

North Eastern Daily Gazette, 18. September 1889:
"A Detective's Views: We are watching now three men, besides the usual night-birds of Whitechapel. One man created some stir during the last murders under circumstances which I need not say anything about. He is a curious sort of fellow; in business, but not doing much to keep it going. His wife and daughter see to it, and he is out at all hours of the night. He says he is a member of the vigilance committee, but I can't answer as to that. No, I won't tell you his name, even if you do want to find out if he is a member or not. This man is out at all hours of the night, and he lets himself in some quietly that his wife does not know what time he really arrives home. She generally finds him in the shop when she comes down the morning. He is being watched, but we can't arrest him only on the suspicious we have. We must wait further developments."

Der Observierte vernachlässigte sein Geschäft, streifte nachts umher, und seine Frau wusste nicht, wann er zurückkam - das passt zu den Aussagen von Jacob Levys Frau bei seiner Einweisung.
"She generally finds him in the shop when she comes down the morning." - Die Erklärung dafür, warum seine Frau nichts bemerkt haben könnte: Sie schlief in der Wohnung, er im Shop. Auch das passt: Wenn JTR tatsächlich Familie hatte, dann muss er wohl woanders genächtigt haben als seine Frau, vermutlich wegen ehelicher Differenzen.

Sunday Chronicle, October 15, 1905:
"We found our man. He was engaged in a large way of business in the city of London, was married, had a family, and was generally respected. For some time he had been known as eccentric, and various escapades had caused his friends a good deal of anxiety.
Frequently, as we learned later, he stayed out all night about the time when these outrages were committed. His description agreed with that of a man seen in Dorset-street, Whitechapel, on the night when Mary Jane Kelly was cut to pieces, and at that time he was very near to actual arrest by a policeman."

Der Observierte war in einer großen Geschäftsstraße tätig, und zwar in der City of London, nicht in Whitechapel (!). Dies klingt nach dem Butcher's Row Suspect, denn die Butcher's Row (und auch die einmündende Middlesex Street) gehörten bereits zur City of London. Er war verheiratet und hatte Familie, wie Jacob Levy. Er wurde seltsam und seine Eskapaden bereiteten seinen Freunden Sorge - auch das erinnert an den Verfall Levys mit Diebstahl, psychischer Erkrankung, Geschäftsvernachlässigung und schließlich dem nächtlichem Umherstreifen.


Fortsetzung siehe unten:
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 03.09.2016 14:26 Uhr
Das Ende


15. August 1890: Einlieferung ins Irrenhaus
Jacob Levy wird als geisteskrank in die Nervenheilanstalt City of London Asylum at Stone in Kent eingeliefert.
In der Krankenakte wird als Einweisungsgrund "Manie" eingetragen, an der er schon seit längerem leide. Er soll bei seiner Einlieferung noch in guter körperlicher Verfassung gewesen sein, seine Größe wird mit knapp 1,70 Meter und sein Gewicht mit 60 Kilo angegeben.
Seine Frau soll den Anstaltsakten zufolge nach der Einweisung gesagt haben, Levy habe beinahe ihr Geschäft ruiniert, früher sei er ein guter Geschäftsmann gewesen. Aber er schlafe nun nachts nicht mehr, sondern wandere oft für Stunden ziellos umher. Auch befürchte er, jemandem etwas anzutun. Er höre Geräusche und Stimmen, die ihm befehlen und ihn zwingen Taten zu begehen, die er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne.
Merwürdigerweise soll Levy gesagt haben, dass schon sein Bruder Abraham Selbstmord begangen habe, indem er sich selbst die Kehle durchgeschnitten (!) habe - dabei hat er sich laut Casebook erhängt: Im Mai 1875 nahm sich Jacobs Bruder demnach das Leben, weil er angeblich bei Pferderennen enorme Summen verloren hatte. Einem Zeitungsbericht nach fand Jacob selbst den erhängten Leichnam seines zwei Jahre älteren Bruders.

Dass Levy sein Geschäft vernachlässigte, nachts umherstreifte und zugab, von inneren Stimmen zu schrecklichen Taten getrieben zu werden, ist ein gutes Indiz für eine mögliche Täterschaft.
Hinzu kommt die seltsame Aussage zum Tod seines Bruders: Hat Levy vielleicht in seiner psychischen Zerrüttung hier seine Vorliebe fürs Kehlenschlitzen verraten?
Dass er auch 1890 noch in guter körperlicher Verfassung war, legt jedenfalls nahe, dass er trotz seiner Erkrankung physisch zu den Morden fähig gewesen wäre.

In ihren Memoiren nannten die hochrangigen Polizeibeamten Macnaghten und Anderson beide als einen der Hauptverdächtigen im Ripper-Fall einen Juden, der in nächster Nähe zu den Opfern lebte und nach den Morden in eine Irrenanstalt eingewiesen wurde.
Auch Major Arthur G.F. Griffiths schrieb in seiner Reihe "Mysteries of Police and Crime" 1898 von "a Polish Jew, a known lunatic who was at large in the district of Whitechapel at the time of the murders and who (...) was confined to an asylum". (Das "polish" könnte eine Verwechslung mit Pizer sein)
Chief Inspektor Swanson schrieb persönliche Anmerkungen in sein Exemplar von Andersons Memoiren, die den grundsätzlichen Sachverhalt bestätigten. Allerdings fügte er noch hinzu, dass der Verdächtige in einem "Seaside Home" von einem Zeugen erkannt worden sei und es ihm auch bewusst gewesen sei, dass die Polizei ihn identifiziert habe. Danach habe man ihn vorübergehend zu seinen Verwandten zurückgebracht, wo die Polizei ihn Tag und Nacht beobachtet habe, bevor er dann endgültig in eine Irrenanstalt gebracht worden sei, wo er schon bald verstorben sei.
Dies würde erklären, warum die Morde aufhörten.

Damit würde der von Ripperologen in den Akten von Colney Hatch gefundene gewalttätige Irre David Cohen als Verdächtiger ausfallen, denn nach bisherigen Erkenntnissen hatte er keine Verwandten. Eine weitere Diskrepanz: Die Zeugen beschrieben alle einen Mann mittleren Alters - David Cohen war damals aber erst 23 Jahre alt. Zudem wurde er bereits am 7. Dezember 1888 per Gerichtsbeschluss erst ins Whitechapel-Arbeiterkrankenhaus eingewiesen, und dann wegen seiner Unkontrollierbarkeit am 21. Dezember direkt weiter ins Irrenhaus Colney Hatch, wo er am 20. Oktober 1889 verstorben sein soll - die erste offiziell "Seaside Home" genannte Einrichtung wurde aber erst 1890 eröffnet.
Allerdings vermuten einige Ripperologen, dass "David Cohen" auch ein Alias wie "John Doe" gewesen sein könnte, da es noch andere Namens-Unklarheiten in dem Fall gibt.

Jakob Levys Einlieferungsdatum in die öffentliche Anstalt passt jedenfalls zum Zeitpunkt der angeblichen Identifikation von JTR in einem "Seaside Home" (s.u.), welche von Ripperologen auf Sommer 1890 angesetzt wird, da das Convalescent Police Seaside Home in Hove (bei Brighton) in diesem Jahr eröffnet wurde und in seinen Akten zwei Besucher ohne Namensnennung auftauchen.
Zwar wurde von Chief Inspektor Swanson als öffentliche Anstalt Colney Hatch ins Spiel gebracht, aber dies bezog er explizit auf Kosminski. Laut Researcher Steward Hicks soll Lady Anderson, die Ehefrau von Assistant Commissioner Robert Anderson, hingegen gesagt haben, der Ripper sei in einer Anstalt bei Stone gewesen.

Da Levy schon "seit längerem" an seiner Krankheit gelitten hatte, könnte er zuvor bereits in familiärer Betreuung und/oder einer privaten Einrichtung gewesen sein - so wie dies später von hochrangigen Polizisten über den Ripper-Verdächtigen erzählt wurde.
Die Polizei soll jedenfalls schon Ende 1888 alle privaten Sanatorien überprüft haben:
"The Dublin Express London correspondent on Thursday gave as the latest police theory concerning the Whitechapel murderer, that he has fallen under the strong suspicion of his near relatives, who to avert a terribly family disgrace, may have placed him out of harm's way in safe keeping. As showing that there is a certain amount of credence attached to this story, detectives have recently visited all the registered private lunatic asylums, and made full inquiries as to the inmates recently admitted." (The Bristol Mercury, 29. Dezember 1888)

War Jacob Levy der Ripper, würde dies den Zeitraum von eineinhalb Jahren zwischen dem Kelly- Mord und seiner offiziellen Einweisung im August 1890 erklären.
Über Levy ist leider nur bekannt, dass er in Stone eingeliefert wurde, es gibt bisher keine Hinweise auf vorübergehende Unterbringungen woanders. Jedoch wäre es plausibel, dass sich zunächst seine Angehörigen um ihn kümmerten, bis sich sein Zustand so weit verschlechterte, dass er für sie nicht mehr zu bewältigen war, worauf sie ihn unter falschem Namen in ein privates Sanatorium steckten, bevor er von der Polizei entdeckt und identifiziert wurde.


Freitag, 13. Februar 1891: Mord an Frances Coles in Swallow Gardens
Gegen 1.45 Uhr traf eine Bekannte, die Prostituierte Ellen Callagher, in der Commercial Street auf Coles. Sie liefen gemeinsam Richtung Minories und begegneten einen "brutalen Mann mit einer Baskenmütze", an den Callagher sich als einen früheren Kunden erinnerte. Sie will Coles gewarnt haben, dass der Mann ihr vor einiger Zeit ein blaues Auge geschlagen habe, und sie solle sich nicht mit ihm abgeben. Coles befolgte den Rat ihrer Freundin allerdings nicht und unterbreitete dem Mann ein Angebot, worauf die beiden ohne Callagher in Richtung Minories gingen.
Carmen Friday und die Brüder Knapton gingen kurz nach 2 Uhr morgens durch die Eisenbahn-Unterführung Swallow Gardens. Sie sahen eine Frau und einen Mann, die an der Ecke der Royal Mint Street standen. Gegen 2.15 Uhr dann entdeckte Police Constable Ernest Thompson auf seiner Runde unter der Eisenbahnbrücke die Prostituierte Frances Coles mit durchschnittener Kehle.
Die Justiz klagte später Coles gewalttätigen Freund Thomas Sadler an, der jedoch freigesprochen wurde, weil er ein Alibi hatte.

Verdächtigungen wie im Automn of Terror mit den Gerüchten um "Lether Apron" verbreiteten sich unter den Bewohnern des Eastends, laut Mundpropaganda sollte ein gewisser jüdischer Metzger namens "Jacobs" (!) der Mörder gewesen sein.
Benjamin Leeson schrieb in "Lost London: The Memoirs of an East End Detective" (1934):
"... a story circulated that the Ripper was a butcher, who wore blue overalls and a leather apron, and an English Jew named Jacobs, a perfectly harmless man, somehow attracted suspicion to himself. Possibly because, working in a slaughter house, he always wore a leather apron. People would point Jacobs out in the street as a suspected man, and more than once he had to run for it. I myself was often obliged to take him to the police station for protection. The thing so preyed on the poor fellow's mind that it finally caused him to lose his reason." 

Coles war zwar auch eine Prostituierte, der die Kehle aufgeschlitzt wurde, allerdings wurde sie nicht zuvor gewürgt, sondern einfach zu Boden gerissen, das Messer soll ebenfalls ein anderes gewesen sein - der obduzierende Dr. Phillips hielt jedenfalls JTR nicht für den Täter.
Interessant ist aber, dass in gewissen Teilen der Bevölkerung Gerüchte über einen Metzger namens "Jacobs" die Runde machten, was doch sehr nach "Jacob" klingt.
Könnte vielleicht in bestimmten Kreisen schon länger der Verdacht bestanden haben, dass der Metzger Jacob Levy möglicherweise der Ripper war? War hier etwas durchgesickert und kursierte nun unter Leuten, die nicht wußten, dass der echte Verdächtige bereits in einer Anstalt war?


29. Juli 1891: Jacob Levys Tod
Levy stirbt an den Folgen der Syphilis in der Nervenheilanstalt Stone in Kent.
In den Akten steht als Todesursache: "General paralysis of the insane brought on by the serious sexually transmitted disease syphilis".

Macnaghten und Swanson bezeichneten ihren Verdächtigen in der Anstalt als "Kosminski", jedoch enthalten die Erinnerungen der Polizisten nachgewiesenermaßen einige Ungenauigkeiten, so dass sie sich mit dem Namen geirrt haben könnten, denn der in medizinischen Akten gefundene Aaron Kosminski war damals erst 23 Jahre alt und starb erst 1919 in der Anstalt, nicht schon bald nach der Einweisung. Zudem schrieb Robert Sagar von der City-Police von einem Metzger, der observiert worden war, und Kosminski soll Haarschneider gewesen sein.
Vermutlich wurden einfach die Namen von ein paar verdächtigen Anstaltsinsassen durcheinander geworfen. Der nie an den Ermittlungen beteiligte Mcnaghten schrieb sein internes Memorandum 1894 und veröffentlichte seine Memoiren "Days of My Years" erst 1914 - Jahre nach den Ripper-Morden. Robert Anderson veröffentlichte seine Memoiren "The Lighter Side of My Official Life", in die Swanson seine Anmerkungen machte, erst 1910.

Eine andere plausible Erklärung der Namens-Irritationen könnte im Verhalten der Verwandten des mutmaßlichen Mörders liegen: Wenn er von den Angehörigen zuerst in eine private Anstalt gesteckt wurde, als sie seinem Irrsinn und seiner Gefährlichkeit nicht mehr Herr wurden, wäre es gut nachvollziehbar, dass sie ihn unter einer falschen Identität irgendwo eingewiesen hatten, um ihn und die Familie zu schützen.
Das wäre dann so lange gut gegangen, bis es zur Überprüfung aller neuen Anstalts-Einlieferungen durch die Polizei und der erwähnten Gegenüberstellung mit Identifizierung im "Seaside Home" gekommen war. Die spätere endgültige Einweisung in ein staatliches Institut wäre dann zwar unter dem richtigen Namen erfolgt, aber die Namensverwirrung könnte immer noch in Polizeikreisen und -Berichten präsent gewesen sein und so zu den Irrtümern geführt haben.

Robert Anderson jedenfalls schrieb in seinen Memoiren: "Die einzige Person, die jemals einen guten Blick auf den Mörder werfen konnte, identifizierte ihn, aber als er erfuhr, dass der Tatverdächtige ein Glaubensbruder war, weigerte er sich, gegen ihn auszusagen."
Swanson bestätigte in seinen privaten Anmerkungen diesen Aspekt.
Bei diesem Zeugen könnte es sich somit um Joseph Hyam Levy, Joseph Lawende (beide Fall Eddowes) oder Israel Schwartz (Fall Stride) gehandelt haben.

Da Macnaghten schrieb, dass der Verdächtige der Beschreibung jener Person entsprach, die am Mitre Square gesehen wurde, dürfte der Zeuge tatsächlich entweder Joseph Hyam Levy oder Lawende gewesen sein. Joseph Hyam Levy machte bei der Befragung kaum Angaben zum Verdächtigen und gab sich verschlossen, vermittelte aber den Eindruck, als wisse er mehr als er sagen wollte, während Lavende zunächst eine detaillierte Beschreibung abgab. Lawende war ein Handelsreisender aus Dalston, kein Bewohner Whitechapels, und dürfte JTR nicht gekannt haben, so dass er vermutlich bedenkenlos eine erste Aussage machte, zumal er den Mann anfangs nicht für einen einheimischen Juden, sondern für einen Seemann gehalten hatte.
Eine Erklärung für den Rückzieher des Zeugen könnte somit sein, dass Joseph Lawende schließlich von seinem Begleiter Joseph Hyam Levy bearbeitet worden war, nicht gegen den Glaubensbruder auszusagen, um ein Pogrom gegen die jüdische Gemeinde zu verhindern.
Dass die Polizei tatsächlich die konkrete Möglichkeit sah, über die Zeugen Lawende und Joseph Hyam Levy den Ripper zu überführen, belegt auch die Vorgehsweise bei der öffentlichen Coroner-Untersuchung zu Eddowes Tod, bei der Lawende verboten wurde, den Verdächtigen vor dem Publikum genauer zu beschreiben (s.o.).


1892: Ermittlungs-Ende
Die Akte Jack the Ripper wird von der Polizei offiziell geschlossen.

Dies würde zeitlich besser zu Jacob Levy passen als zu dem in den Memoiren erwähnten Kosminski, da Aaron Kosminski erst lange nach seiner Einweisung und seiner Verlegung nach Leavesden im Jahr 1919 starb. Auch der von Ripperologen in den Akten der Colney Hatch Nervenheilanstalt gefundene mögliche Verdächtige Hyam Hyams starb erst am 22. März 1913.




Fazit

Die Theorie, dass JTR ein jüdischer Metzger war, der im Irrenhaus starb, erklärt den ansonsten merkwürdigen Schluss im Ripper-Fall: Nach dem Ende der Mordserie laufen die Ermittlungen angeblich ergebnislos aus, die Akte wird geschlossen - aber Jahre später erklären hochrangige Polizisten in ihren Memoiren oder Zeitungsartikeln, der Ripper wäre eigentlich identifiziert worden.

Nach dem Mord an Mary Ann Nichols verdichteten sich im Eastend schnell Gerüchte, dass die Morde von einem Juden mit dem Spitznamen "Leather Apron" verübt worden sein sollten, was so auch in den Zeitungen verbreitet wurde und schon zu ersten antisemitischen Aufwallungen und Kundgebungen führte.
Superintendent Thomas Arnold ordnete daher nach dem Double Event mit Erlaubnis von Polizeichef Charles Warren an, das Goulston Street Graffiti auf der Stelle zu entfernen, explizit aus dem Grund, um mögliche Pogrome gegen Juden zu verhindern. In seinem Bericht vom 9. November 1888 schreibt Arnold:
"Ich bitte darum berichten zu dürfen, dass am Morgen des 30. September, dem Letzten, meine Aufmerksamkeit auf eine Aufschrift an der Wand des Eingangs zu Behausungen in der Goulston Street 108, Whitechapel gerichtet wurde, welche aus folgenden Worten bestand: 'Die Juwes sind [nicht] die Menschen, die nicht grundlos beschuldigt werden'.
Ich wusste, dass aufgrund der Verdächtigung eines Juden namens John Pizer, genannt ‚Leather Apron‘, der beschuldigt wurde, den kürzlich in der Hanbury Street verübten Mord begangen zu haben, ein starkes Gefühl gegen die Juden im Allgemeinen aufkam. Da das Gebäude, auf dem sich die Aufschrift befand, mitten in der Lokalität liegt, die hauptsächlich von dieser Religionsgemeinschaft bewohnt wird, war ich besorgt darüber, dass wenn die Aufschrift verbleibt, diese für einen Aufstand verantwortlich sein könnte. Daher habe ich erwogen, dass es wünschenswert sei, sie aufgrund der Tatsache zu entfernen, dass sie sich an einer Stelle befand, die gut von den Menschen einsehbar war, die dort hinein- und hinausgehen."

Falls man den Ripper tatsächlich durch einen Zeugen als verrückt gewordenen jüdischen Metzger identifizierte, hätte die Bekanntgabe demnach zu schrecklichen Übergriffen bis hin zum Pogrom gegen die jüdische Gemeinde in Whitechapel im Allgemeinen und seine Familie im Besonderen führen können. Denn an die Eröffnung eines Prozesses wäre schon wegen des Gesundheitszustands des Tatverdächtigen nicht zu denken gewesen. Und selbst wenn: Ob die dünnen Beweismittel für eine Verurteilung ausreichend gewesen wären, darf bezweifelt werden - ein Freispruch aus Mangel an Beweisen wäre aber verheerend gewesen.
Wegen der sowieso schon explosiven sozialen Lage, einem weitverbreiteten Antisemitismus und der aufgestauten Wut durch den Ripper-Terror wäre wohl zu erwarten gewesen, dass viele Menschen dann ihre Aggressionen an Sündenböcken ausgelassen hätten.
Die Behörden könnten daher zu dem Schluss gekommen sein, es sei angesichts der explosiven Situation im Eastend sicherer, den todkranken Irren stillschweigend in einer Anstalt verrotten zu lassen und lieber weiter zähneknirschend vor der Öffentlichkeit wie Versager in diesem Fall dazustehen, als eine Katastrophe im Viertel zu riskieren.



Geographisches Profil für Jacob Levy:
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 04.09.2016 15:19 Uhr
Hallo Arthur, schön wieder von dir zu hören!

Leide noch ein wenig am "Hangover" einer gestrigen Hochzeitsfeier daher nur ganz kurz:

Wenn wir nun betrachten, wo diese Arbeitsplätze gewesen sein könnten, finden wir nicht nur die observierte Butcher's Row, sondern auch noch die beiden Harrison, Barber & Co Slaughterhouses: eins in der Winthrop Street, Parallelstraße zum Tatort Buck´s Row, und eins im Barber´s Yard nahe Tatort Hanbury Street (Ecke Brick Lane).

Ich glaube, mit dem Barbers Yard in der Hanbury Street unterlagen wir einem Irrtum. Das gehörte wohl nicht zu diesem Unternehmen, ich fand da auch noch neulich eine Quelle derer Einrichtungen, Hanbury Street fand keine Erwähnung dabei.

Im JTRForum bekam ich folgende Antwort von Gary Barnett:

"Certainly not a knackers' yard and not any kind of slaughter yard, I wouldn't have thought. Cow keepers were living on the corner of Hanbury Street and and Barbers Yard from the 1850s to the 1890s at least, and the Goad map shows the yard occupied by cow sheds.

Of course, there was a cat's meat shop nearby...
"

Irgend jemand hatte das ursprünglich mal im Casebook behauptet und es wurde geglaubt, so Gary.

Das waren ja Pferdeschlächter, wohlmöglich auch Abdecker, so auch in der Winthrop Street.

Mehr ist heute bei mir nicht drin.

Schönen Sonntag noch,

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 04.09.2016 17:07 Uhr
Hallo Lestrade!

Zitat
Ich glaube, mit dem Barbers Yard in der Hanbury Street unterlagen wir einem Irrtum. Das gehörte wohl nicht zu diesem Unternehmen, ich fand da auch noch neulich eine Quelle derer Einrichtungen, Hanbury Street fand keine Erwähnung dabei.

Bist du sicher?
Das Schlachthaus in der Winthrop Street gab es jedenfalls (da kamen ja Henry Tomkins, James Mumford and Charles Brittain her, als sie vom Mord an Nichols in der Buck's Row erfahren hatten) - und dieses Schlachthaus gehörte Barber.
Ich hatte es irgendwo im Casebook gelesen, dass im Barber's Yard in der Hanbury Street Ecke Brick Lane ein weiteres Schlachthaus von Barber war, und war davon ausgegangen, dass der Hof deshalb Barber's Yard hieß, weil er ebenfalls Barber gehörte...
Und dass es dort Kuhställe gab, spricht ja nicht gegen eine Schlachterei - nur gegen eine Pferde-Schlachterei wie in der Winthrop Street. Im Gegenteil: Mir würde es plausibel erscheinen, wenn im Barber's Yard Kühe geschlachtet worden wären.


MfG, Arthur Dent


Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 04.09.2016 18:38 Uhr
Wo kann man sich schon sicher sein, Arthur...

Zu Harrison Barber gehörten wohl folgende Pferdeschlachtereien:

18 Queen Victoria Street, E.C.; 186 York Road, N.; Garrett Lane, Wandsworth, SW.; 19, 21 & 23 Winthrop Street, Whitechapel, E.; Westcott Street & Tabard Street, Borough, SE.; 35 Green Street, Blackfriars, SE. (Simon Wood)... kein Barbers Yard... Barber könnte ja tatsächlich auch auf "Barber", den "Barbier" zurückzuführen sein...

Chris Scott stellte 2004 mal die Frage, ob der Barbers Yard mit dem Unternehmen in der Winthrop Street zu tun haben könnte... vielleicht verselbstständigte sich das ganze danach... ich ging auch davon aus, dass dieser Yard mit Harrison Barber in Verbindung zu sehen war... beim schnellen durchsuchen des Post Office sah ich gerade folgendes: In 1891 war ein David Felix ein Cowkeeper in 37 Hanbury Street und hinter dieser Nummer lagen die Kuhställe des Barbers Yard. In diesem Yard selber, gab es Blackett and Co., Dyers and Cleaners, was aber auch auch Pelz- und Häuteverarbeiter schließen ließe. In 37 gab es aber auch mal einen Baker. Ich kann nichts erkennen, was auf Schlachtereien hindeuten könnte...

Chris Scott hat aber damals eine Karte beigefügt, schau mal hier, letztes Post:

http://www.casebook.org/forum/messages/4921/6117.html

Auch da sieht erst einmal nichts danach aus, dass es eine Schlachterei gab.

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 04.09.2016 19:58 Uhr
Hi Lestrade.

Wenn es da tatsächlich keine Schlachterei gab, wäre das zwar ärgerlich, weil ich einer Fehlinformation aufgesessen bin - ist aber zum Glück lediglich ein unbedeutender Nebenaspekt.
Danke jedenfalls für die Info - in meiner nächsten Zusammenfassung werde ich den Barber's Yard einfach weglassen.


Übrigens: Hast du Odell schon gelesen und gibt es etwas Interessantes über das Buch zu berichten?


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 04.09.2016 22:03 Uhr
Du bist nicht allein, Arthur... ich bin dieser Fehlinformation dann wohl auch aufgesessen...

Unbedeutender Nebenaspekt, du sagst es, alles kann eben nicht passen... aber denke mal an George Bolam, Cowkeeper und Milchmann, im Zusammenhang mit dem Butchers Row Suspect bzw. mit den Levys... siehe "The Butchers Row Suspect":

http://www.casebook.org/dissertations/rip-butchersrow.html

Scott Nelson postete einmal, ich zitiere:

Hyam Levy (Joseph H.'s father) ran his butcher shop at 36 Petticoat Lane (Middlesex) for many years. It was there that Joseph grew up. Instead of helping to run his father's business, he moves to no. 1 Hutchinson, just down the street when he's in his 20's. This address fronted Middlesex St. and was virtually in the heart of the Petticoat Lane Market area. It was not part of "Butcher's Row", although there were rows of butcher stalls in the Petticoat Lane market. Cousin Jacob assumed ownership of no. 36 after Joseph's father died. Both men dealt with George Bolam, a cow keeper who had a small slaughter shop on Middlesex St. and a larger yard on the north side of Aldgate-High Street, across from Butcher's Row.

Wer weiß, ob nicht auch der Cowkeeper im Barbers Yard eine Rolle spielen könnte? Wo ließ dieser seine Kühe schlachten?

Odell bin ich noch nicht weiter, passte zeitlich einfach nicht. Wird wohl Lektüre für die Herbst- und Winterzeit.

Gute Nacht,

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 05.09.2016 12:21 Uhr
Es ist vielleicht auch mal schön zu sehen, per Foto, wer in der Butchers Row, Aldgate gearbeitet hat!

John Attfield führte zusammen mit Thomas Knott die Geschäfte in der Nummer 53 und 54 der Aldgate High Street, Butchers Row und auch auf dem Fleisch Markt in der City of London. Allerdings stieg Attfield im Mai 1888 aus. Seine Familie hatte Verbindungen nach Surrey (siehe Cox).

Vielleicht hatte Thomas Knott dann Bedarf nach Personal und jemand wie Jacob Levy, einer mit Erfahrung, konnte ihm behilflich sein. Vielleicht auch ein Kosminski.

Du kannst das Foto auf der Seite auch noch vergrößern:

http://farnham.attfield.de/fam129.html

Gruß, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 10.09.2016 21:45 Uhr
Hallo allesamt,

hier ist übrigens noch ein Link zur Mystery Files Folge über Jacob Levy mit Profilerin Pat Brown:

https://www.youtube.com/watch?v=T4W-a7rAoN4



MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 11.09.2016 19:41 Uhr
Hallo Lestrade,

ich bin gerade dabei, mir Jacobs Frau Sarah mal etwas genauer anzusehen.

In den Census-Daten von 1891 ist bei Sarah wohnhaft ihre Schwester
"Flora Abrahams, aged 23, born Whitechapel - Tailoress"
angegeben.

Kann es sein, dass sie etwas mit "unserer" Kosminski/Abrahams-Sippe zu tun hat?

Das wäre mal eine interessante Verbindung, die neue Perspektiven eröffnen würde und vielleicht auch gewisse Namens-Verwechslungen und Verwirrungen der Ermittlungen erklären könnte.
Wir hatten ja schon mal darüber spekuliert, ob Aaron und die Levys vielleicht was miteinander zu tun hatten.

Stellen wir uns nur mal vor, da wären zwei verrückte gewordene Juden in demselben Haus ein- und ausgegangen und schließlich eingeliefert worden...
Und schon wären einige sich widersprechende Angaben unserer Polizisten erklärbar, z.B. was das Einlieferungs- oder Todesdatum angeht.

Weißt du etwas Näheres über eine Flora Abrahams?



Übrigens habe ich eine Erklärung dafür gefunden, warum Sarah im Census 1891 plötzlich in Middlesex Street 69 auftaucht: Sie ist offenbar nicht umgezogen, vielmehr wurden von der Stadt in diesen Jahren die verwirrenden Hausnummern in der Straße geändert, wie ich beim Stöbern in casebook und jtrforum lesen konnte - du hattest mir ja gezeigt, dass es wegen der Zusammenlegung mit der Petticoat Lane dort zwei Hausnummern 36 gab, und ich irrtümlicherweise das Tea Warehouse mit der Nr. 36 für Levys Adresse gehalten hatte.
(Dummerweise habe ich die Fundstelle wegen anderer Prioritäten vergessen zu verlinken, muss es erst noch mal finden.)
 
 
MfG, Arthur Dent

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 11.09.2016 20:27 Uhr
Hallo Lestrade,

ich habe zu der Adresse-Geschichte von Sarah was wiedergefunden (war zwar glaub ich nicht die Stelle vom letzten Mal, aber egal):

"At some point, between the Ordnance Surveys of 1873 and 1894 (in all likelihood, the mid-1880's), the portion of Middlesex Street that extended from Whitechapel High Street to the Bell Public House (i.e. what had been 2-48 Middlesex Street (even; i.e. eastern side), Parish of St. Mary Whitechapel), was completely redeveloped. That 'redevelopment' was probably still in process, at the time of the Census of England & Wales, 1891."
http://www.jtrforums.com/showthread.php?t=10323&page=5

Wenn die Straße in diesen Jahren restrukturiert wurde, haben wir eine Erklärung für jene vermeintlichen Umzüge von Sarah und Sampson innerhalb der Middlesex Street, über die wir mal gesprochen hatten.


In diesem Faden habe ich übrigens auch die Aussage gefunden, dass die ehemalige Adresse von Sampson, Goulston Street 58, schließlich nicht mehr existierte, weil sie abgerissen und durch die neuen Wentworth Buildings ersetzt worden wäre.

Tracy Ianson schrieb:
"Hyman Sampson was who Jacob was caught stealing meat from in 1886, and sent to an asylum, Hyman lived at 58 Goulston Street until it was knocked down in 1886/7.
Although it is a little off the wall, the hope is that 58 Goulston Street was approx around the area of 109 - 188 Wentworth builings. I know according to the 1881 census the street went up in evens and back down in odds, but I am still trying to find out which side was which. Did Jacob feel wrongfully convicted and this was his reaction?
I do realise that even if 58 Goulston Street was in the same place as 109 -118 Wentworth Street it isn't proving a lot.... but I do like when ideas pan out."

Wenn es stimmt, wäre das ein interessanter Zusatzaspekt.


MfG, Arthur Dent


 
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 12.09.2016 00:47 Uhr
Hallo Arthur,

Die Firemaps scheinen, laut Notiz, von 1887 zu stammen und die Cooper Maps um 1888. Da sehen wir bzw. können erahnen, dass es dort zwei Nummern 36 auf der Middlesex Street gab. Eine auf der östlichen Seite, die andere weiter oben auf westlicher Seite. Wir sehen aber auch weniger ungrade Zahlen. Auch wenn da für eine 36 das Tea Warenhaus (Petticoat Lane) eingetragen ist, könnte da ja dennoch die Butcher Adresse der Levys gewesen sein. Der Betreiber des Tee Warenhauses, hätte ja auch geschäftliche Räume vermietet haben können. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wo im Laufe dieser Jahre der Umstrukturierung, die Hausnummern hinverschoben wurden. Eine "Mrs." Hyman Sampson (Butcher) finden wir dann 1891 im Post Office dann unter 67 Middlesex Street und Sarah Levy unter 69 Middlesex Street. Möglicherweise lagen diese Adressen dann in der "Petticoat Lane" und Sarah war gar nicht umgezogen, da könntest du richtig liegen. Die 58 Goulston Street nebenan gab es dann nicht mehr und Sampson und die Levys waren wieder (ganz nah) "vereint" in der Middlesex Street. Lag die 58 Goulston Street früher tatsächlich nahe des neuen Wohnblocks wo man das Schürzenteil fand, wäre das tatsächlich ein interessanter Zusatzaspekt.

Schauen wir aber nochmal auf mein Post mit dem Scott Nelson Zitat:

Hyam Levy (Joseph H.'s father) ran his butcher shop at 36 Petticoat Lane (Middlesex) for many years. It was there that Joseph grew up. Instead of helping to run his father's business, he moves to no. 1 Hutchinson, just down the street when he's in his 20's. This address fronted Middlesex St. and was virtually in the heart of the Petticoat Lane Market area. It was not part of "Butcher's Row", although there were rows of butcher stalls in the Petticoat Lane market. Cousin Jacob assumed ownership of no. 36 after Joseph's father died. Both men dealt with George Bolam, a cow keeper who had a small slaughter shop on Middlesex St. and a larger yard on the north side of Aldgate-High Street, across from Butcher's Row.

Jacob Levy übernahm also als Cousin das Geschäft von Hyam Levy, den Vater von Joseph Hyam Levy (den bekannten Zeugen) in der 36 Middlesex Street/Petticoat Lane. Joseph Hyam Levy selber moves to no. 1 Hutchinson, just down the street und damit meint Scott wohl garantiert nicht die 36 außerhalb der Petticoat Lane im oberen Bereich jener Straße. Scott sagt auch: there were rows of butcher stalls in the Petticoat Lane market. Das heißt, Zeuge Joseph Hyam Levy aus der 1 Hutchinson Street führte sein Geschäft unweit der 36 Middlesex Street/ Petticoat Lane in 1888 unter der Jacob Levy tätig war. Ein paar Meter zu Fuß... und es gab kleine Butchers Rows in der Middlesex Street/ Petticoat Lane. Auf gut Deutsch, diese kleinen Reihen von Schlächtern lagen zum Greifen nahe an der "wahren" Butchers Row und Middlesex Street war auch schon die Grenze zwischen City of London und dem Metropolitan Bereich. Ich denke, wir können da Scott Nelson absolut vertrauen... Das Tee Warenhaus sollte uns nicht weiter irritieren, das alles war ein "Marktbereich" und recht busy. Aus der 36 könnte 69 (Levy) geworden sein und aus der 34 oder 38 (oder gegenüber) eben die 67 (Sampson).

Mir war das neu mit den Schlachterreihen, obwohl ich für 1891 einige dort finden konnte, so z.B.: Joseph Joseph 39, Jacob/Sarah Levy 69, Hyman Sampson 67, Hyams Syckerman 66, David Nussbaum 91 oder Abraham White 84. Es mag 1891 (eher dann für 1890) nicht mehr ganz so gewesen sein aber ich habe keine guten Unterlagen für die Zeit um 1888 und da war es vielleicht noch anders, gerade, wenn der Bereich Middlesex Street/ Goulston Street neu gestaltet werden sollte.

Du wirst wohl mit deiner ursprünglichen Annahme richtig gelegen haben (falls ich mich richtig an unsere Diskussion erinnere oder ging es dabei um Schneider? Wenn ja, träfe das wohl aber auch zu), dass die Middlesex Street mit Butchern "gepflastert" war. Vielleicht nicht mehr so frequentiert in 1890/91 wie in 1888/89 aber letzteres wäre eindeutig wichtiger. Eine Restrukturierung könnte vieles in einiger Hinsicht verändert haben und das in kurzer Zeit.

Sagar sagte zwar Butchers Row/ Aldgate aber die Aldgate High Street mündete am Ende der Butchers Row ja auch irgendwie in die Middlesex Street. Und wir wissen ja nicht, was Sagar alles für Aldgate hielt... 

Zu Flora Abrahams kann ich nichts sagen! Sarah Levy war ja auch eine geborene Abrahams und ihre unverheiratete Schwester wohnte eben bei ihnen. Die Familie schienen ja schon eher "richtige" Engländer gewesen zu sein, anders wie der Kozminski- Clan, die ja erst vor kürzerer Zeit ihre Namen zu Abrahams oder Cohen änderten. Man findet im Laufe der Jahre viele Levys und Abrahams, die auch miteinander auf tausende Arten verbandelt waren.

Dennoch scheint es mir, dass beide, Jacob Levy und Aaron Kozminski, im Laufe ihres Lebens miteinander zu tun gehabt haben könnten. Die Dinge hatten wir aber schon angesprochen...

Und danke, dass du wieder eine verständliche Version der Jacob Levy Doku mit Pat Brown gefunden hast. Vor Monaten konnte ich nur das Video in Französisch posten.

Beste Grüße,

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 12.09.2016 11:06 Uhr
Hallo Lestrade,

das mit den Schlachterreihen war mir bisher nicht bekannt, würde aber gut auf diese kleinen Gebäudereihen nördlich der Hutchinson Street bis zur Einmündung Stoney Lane passen, wo die nordwestliche Nr. 36 lag, auf die du mich aufmerksam gemacht hattest.
Zudem war diese Nr. 36 ja tatsächlich etwa 50 Meter von der Hutchinson Street 1 weg, während das Tea Warehouse nur wenige Meter schräg gegenüber war.
Daher glaube ich, dass du absolut recht hattest mit der Adresse der Levys: Es war die nordwestlich gelegene Nr. 36.

Und wenn nun die Hausnummern in jenen Jahren 1888 bis 1891 neu geordnet wurden, dann wurde aus Nr. 35 Sampson und Nr. 36 Levy schließlich 67 Sampson (bzw. Sampsons Witwe) und 69 Levy.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 12.09.2016 11:34 Uhr
Hallo Arthur!

Helf mir mal:

Jacob Levy übernahm Hyam Levy´s Shop in der 36 Petticoat Lane/ Middlesex Street. Hyam Levy´s Sohn Joseph Hyam Levy selber, zog in die 1 Hutchinson Street, nur ein Stück die Straße runter. Meine nordwestliche 36 lag aber nicht in der Petticoat Lane, die gab es in dieser Straße nur östlich. Die 1 Hutchinson Street ermöglichte einen Blick in die Middlesex Street, genauer genommen auf die Petticoat Lane, denn die Hutchinson Street Adresse befand sich in mitten dieses ganzen Areals.

Schau noch einmal auf unsere Karten:

http://www.bl.uk/onlinegallery/onlineex/firemaps/england/london/xi/zoomify150924.html

http://www.bl.uk/onlinegallery/onlineex/firemaps/england/london/itov/zoomify150238.html

Vom Ausgang Hutchinson Street schaute man auf die 28 Petticoat Lane, ging man links raus, ein kleines Stück hoch und überquerte die Straße, stand man vor der 36 Petticoat Lane. Zu der 36 Middlesex Street nordwestlich war es auch nicht mehr weit aber ich denke, Scott Nelson meint die 36 des Tea Warehouse.

Aber weißte was, ich frag ihn einfach mal selber. Wohlmöglich kann er uns das alles besser erklären.

Einverstanden?
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 12.09.2016 18:58 Uhr
Hallo Lestrade.

Jetzt hast du mich gerade verwirrt:

Ich war ja früher davon ausgegangen, dass Jacobs Shop die Nr. 36 der ehemaligen Petticoat Lane war, die schräg gegenüber der Hutchinson Street auf der östlichen Straßenseite lag - bis du mir mit der Firemap gezeigt hattest, dass dort ein Tea Warehouse ist, und dass es eine weitere Nr. 36 in der Middlesex Street gab, die weiter nördlich auf der westlichen Seite direkt unterhalb der Einmündung Stoney Lane lag.

Daraufhin habe ich dir recht gegeben, dass das 1887 als Tea Warehouse gekennzeichnete Gebäude wohl nicht Jacobs Butcher-Shop sein konnte (wir wissen ja, dass der Levy Shop schon seit Jahren existierte), sondern dass es die norwestliche Adresse bei der Stoney Lane gewesen sein musste, die du mir gezeigt hast, denn erstens ist das östliche Gebäude als Lagerhaus bezeichnet, und zweitens zu nah an der Hutchinson Street, während die nordwestliche Adresse eher Nelsons Beschreibung von "etwa 50 Meter weiter" entspricht.

Und jetzt hast du deine Meinung geändert und meinst, Nelson hätte vielleicht doch die östliche Adresse (Warehouse) gemeint, die ich ursprünglich für korrekt gehalten habe...? Wieso? Du hattest doch recht.


Also: Ich glaube, dass dein damaliger Einwand richtig war und Levys Shop auf der westlichen Seite direkt unterhalb der Stoney Lane lag - und dass bei der Restrukturierung der Straße die Hausnummern von der Aldgate High hinauf neu vergeben wurden, so dass die Hausnummern endlich nachvollziehbar und ohne Doppelungen verliefen.
Wie du auf der Firemap siehst, waren die Gebäude auf der westlichen Seite der Middlesex Street 1887 einfach durchgezählt worden: auf die 34 folgte die 35, die 36, die 37... Dadurch gab es Doppelungen mit der ehemaligen Petticoat Lane.
Durch die Umstrukturierung wurde es dann wie bei modernen Straßen: Die westliche Seite der nun im ganzen als Middlesex Street bezeichneten Straße erhielt nur ungerade Nummern, die östliche nur die geraden.
Und schon werden auf der westlichen Seite beim neuen Durchzählen - weil jetzt die gerade Hälfte der alten Nummern weggefallen ist -  aus den ehemaligen Hausnummern 35 (Sampson) und 36 (Levy) die 67 und 69, so wie es im Census von 1891 steht - ganz ohne dass Sarah Levy und Sampsons Witwe umgezogen wären. Ihre Häuser hatten lediglich neue Nummern bekommen.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 12.09.2016 19:30 Uhr
Hi Arthur,

Ich weiß jetzt selbst nicht, was nun richtig ist! Das ganze verwirrt mich auch. Das beruhigende ist, dass beide 36 ja nicht so weit voneinander entfernt lagen. Wir kennen ja das Beispiel aus der 253 Whitechapel Road. Um 1887/88 hatte dort ein Joseph Kartowski seinen Friseurladen. Der Messerfund durch Thomas Coram fand aber unter der gleichen Nummer statt, allerdings wurde dabei eine Wäscherei erwähnt, die von einem Mr. Christmas. In diesem Falle überließ wohl der Friseur Kartowski der Wäscherei Christmas um 1888 einen Teil seiner Geschäftsräume. Ähnliches könnte ja zwischen dem Tea Warehouse und Jacob Levy stattgefunden haben. Aber ich weiß das schlicht und einfach nicht. Ich habe Scott Nelson angefragt und um Klärung beider 36er Nummern gebeten. Er kann sich natürlich auch irren aber Leute wie er haben noch ganz andere Unterlagen und Erfahrungen als wir. Ich glaubte ja früher auch an die 36 der Petticoat Lane, bis ich dann die 36 weiter nördlich sah. War ja erst einmal logisch, nachdem ich das Tea Warehouse sah, dass die 36 in der Petticoat Lane falsch sein müsste. Lass uns seine Antwort abwarten... kann aber ein paar Tage dauern...

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 12.09.2016 20:10 Uhr
Ok, warten wir mal ab.

Das Interessante an der östlichen Nr. 36 ist ja folgendes:
Über die Hinterhöfe wäre man praktisch unbemerkt vom Shop zum Brunswick-Komplex gekommen, wo Jacobs Bruder wohnte, und somit in die Goulston Street.
Das wäre eine elegante Lösung für die Geschichte mit Eddowes Schürze gewesen.
Jacob hätte entweder (wenn die Schürze nicht gleich entdeckt wurde) nach dem Mord an der Middlesex Street vorbei in die Goulston Street laufen können, um dort die Schürze als falsche Fährte an den Wentworth Buildings abzulegen und dann über den Hinterhof der Brunswick Buildings zur Hintertür seines Hauses zu gelangen. Das wäre eine gute Ablenkung gewesen. Oder er hätte zuerst bei sich untertauchen können, um später über den Hinterhof eine falsche Spur in der Goulston Street legen zu gehen.

Aber warten wir mal ab.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 12.09.2016 20:30 Uhr
Ja, das ist interressant und wahrscheinlich auch so gut möglich! Egal wer der Täter war, ich halte solche Routen für richtig. So, wie das eventuell für Jacob Levy passen würde.

Bis dahin.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 12.09.2016 22:35 Uhr
Scott hat bereits geantwortet, wir müssen uns aber noch weiter austauschen, bis ich Meldung machen kann!

Zu Flora und Sarah Abrahams, später Levy, schau mal hier:

https://www.british-genealogy.com/archive/index.php/t-75015.html?s=5662d9f6047270b8832720feaf3f65ee

Den Link schickte er mit, kann aber zu deiner Frage auch nichts sagen, was die Herkunft der Damen angeht. Mir fehlt die Zeit dort durchzuschauen. Vielleicht entdeckst du da was.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 13.09.2016 07:53 Uhr
Hallo Lestrade,

ich habe nochmal den Text von Mark King im Casebook gelesen, darin schreibt er:

"Hyam and Frances Levy were the parents of Joseph Hyam Levy who was born in Aldgate in 1841 and who by 1888 had a butchers business himself situated at 1 Hutchinson Street, Aldgate, which was geographically sited at the junction of Middlesex Street, a mere sixty yards or so from number 36 Middlesex Street where Kelly's London Business Directory for 1888 lists Jacob Levy"

Levys Shop war demnach rund 60 Yards von Hutchinson Street 1 entfernt - das passt eher auf die nordwestliche Nr. 36 als auf das Warehouse schräg gegenüber.

Und:

"The opposite sides of Middlesex Street were divided by the boundaries of both the City of London and Metropolitan police jurisdictions and nestling within the City boundaries resided Jacob Levy"

Wenn die gegenüberliegenden Straßenseiten aufgeteilt waren in City Police und MePo, und Jacobs Shop in City Police Zuständigkeit war, dann war es eindeutig die westliche Straßenseite.

http://www.casebook.org/suspects/jacoblevy.html


MfG, Arthur Dent

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 13.09.2016 10:15 Uhr
Guten Morgen Arthur!

Das sind ja alles die Quellen, die wir kennen.

Es ist ja offensichtlich, dass die Straße vormals geprägt war durch die Petticoat Lane, östliche Seite. Westliche Seite war Middlesex Street. Vielleicht spielte jene Trennung City/Metropolitan dabei eine Rolle. Irgendwann hieß es dann aber nur "Formerly Petticoat Lane". Alles war dann Middlesex Street. Wenn du auf die Karten schaust siehst du eben eine sehr ähnliche Nummerierung. 1-72 auf der ehemaligen Petticoat Lane (ohne eine 69) und auf der anderen Seite (1-50). Zweimal eine 36.

Nun siehst du ja, dass auf der östlichen Seite unter 36 das Tea Warehouse war. Scott schrieb mir, er sieht für 1894 im Directoryy die Paget & Piggott Tea Merchants und sieht sie als Nachfolger von Levy´s Shop an. Unter der Nummer 69 sieht er 1894 im Census einen Daniel Bodgerhart (fried fish shop), im Directory 1891 ist unter der Nummer 69 noch Jacob Levy geführt. Hält Scott die 36 oberhalb der westlichen Seite für Levy´s Shop, was ich glaube, dann hat er vielleicht nicht bemerkt, dass das Tea Warehouse ganz woanders liegt, nämlich auf der östlichen Seite. Scott hat mir eine Karte geschickt, wo man nur die westliche Seite der Middlesex Street erkennt. Und dort gibt es ja auch tatsächlich die Nummer 36 nahe der Kreuzung Stoney Lane. Wäre ja Zufall, wenn beide 36 durch Teehändler belegt wurden. Keine Ahnung ob beide, King und Scott, der Petticoat Lane Nummerierung gewahr sind. Scott schrieb aber selber "Butcher Shop/ Petticoat Lane". Aber soweit ich das verstehe, wurde der nordwestliche Teil niemals Petticoat Lane genannt. Man liest halt in den Unterlagen und schaut dabei nicht immer auf die Karten, warum auch. Scott meint auch, dass 36 und 69 unterschiedliche Adressen waren. Ich kann für diese Zeit aber keine 69 erkennen. Ich meine, irgendwann muss man diese beiden Straßenseiten ja zu einer Straßennummerierung zusammengefasst haben. Dabei könnte die 69 erst entstanden sein.

Ich habe ihm mein Verständnis der ganzen Sache gestern abend noch einmal detailliert geschickt, mit Karten usw. Hoffe, dass er uns dann asbald ein klareres Bild darlegen kann. Auf jedenfall gibt es dort Nummernsalat, ansonsten würde jemand wie Scott Nelson eine Teehändlerlocation nicht für Levy´s ehemaligen Shop halten.

Ich bin für heute ersteinmal raus, bin unterwegs, bitte nicht wundern.

Lestrade.   
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 13.09.2016 19:41 Uhr
Hallo Lestrade, hallo allesamt,

ich habe nochmal genauer über die Situation in der Middlesex Street nachgedacht:


Gehen wir mal davon aus, Harry Cox observierte tätsächlich in der Middlesex Street.

Cox schrieb:
"We had the use of a house opposite the shop of the man we suspected, and, disguised, of course, we frequently stopped across in the role of customers."

Gegenüber Middlesex Street 36 (Westseite unter Stoney Lane) liegen östlich die Hausnummern 52 bis 72.

Gegenüber Pettycoat Lane 36 (Ostseite, Warehouse) liegen westlich die Hausnummern 15 bis 20.

Wer war dort laut Post Office 1888 / 1889 gemeldet? Weiß das jemand?


Interessanterweise war jedenfalls an der Ecke Middlesex Street / New Goulston Street das südöstliche Eckgebäude (Hausnummer 50) der Pub "The Bell" (den es übrigens immer noch gibt). Von dort aus hätten Beobachter schon mal einen Blick auf die Tür der nordwestlichen Middlesex Street 36 gehabt.


Cox schrieb:
"When darkness set in I saw him come forth from the door of his little shop and glance furtively around to see if he were being watched. I allowed him to get right out of the street before I left the house, and then I set off after him. I followed him to Lehman Street."

Cox ließ den Verdächtigen erst die Straße verlassen, bevor er ihm folgte. Er hätte seinem Verdächtigen wohl nicht mehrere hundert Meter Vorsprung gegeben, sonst hätte er ihn aus den Augen verloren. Der Verdächtige musste seine Straße also bereits nach wenigen Metern verlassen können.

Da er danach in die Leman Street ging, könnte er also zuerst von der Middlesex Street über die New Goulston Street in die Goulston Street gegangen sein, und von dort weiter in Leman Street.
Gehen wir davon aus, dass Cox die nordwestliche Middlesex Street 36 beobachtete, so passt das: Denn die New Goulston Street mündet nur wenige Meter südlich der Adresse ein.

Dies trifft auf die Pettycoat Lane 36 so nicht zu, da wäre es nach beiden Seiten wesentlich weiter gewesen bis zu einer anderen Straße (Aldgate High Street oder New Goulston Street), über die man dann in die Leman Street gelangen konnte.
 

Soweit meine Überlegungen.

Interessant wäre es jetzt, wenn jemand die Post Office Daten von 1888 / 1889 für die o.g. Häuser hätte.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 13.09.2016 22:38 Uhr
Hallo Arthur!

Heutiger Mailaustausch mit Scott:

Hi Karsten,

Es würde keine zwei 36 in der gleichen Straße geben. Die einzige Erklärung wäre, dass sich die Nummerierung während der Kartenerstellung der von dir angehangenen Karten änderte. Die pdf mit der ich arbeitete (und dir schickte) stammte von 1887. Diese zeigt keinerlei Nummerierung für die Ostseite der Straße. Aber zu jener Zeit gab es keine Petticoat Lane Bezeichnung mehr (außer für den Markt). Falls die Karte älter ist, kann es sein, dass sich die Nummerierungen teilweise wiederholt haben, als Westseite Middlesex Street war und die Ostseite Petticoat Lane. Jacob Levy übernahm den Butcher Shop der Middlesex Street 36 an Stoney Lane nachdem Hyam Levy (Vater vom Zeugen Joseph Hyam Levy) starb. Ich glaube, obwohl ich mir nicht sicher bin (Tracy Ianson wäre wohl eher in der Lage dir zu helfen), dass er mit seinem Shop in der Nummer 69 direkt gegenüber, nördlich der New Goulston Street am Ende landete. Die Frage die ich habe lautet, aus welchem Jahr stammt die Karte in der Mitte?


(Anmerkung: Ich habe ihn drei Karten Ausschnitte geschickt, Middlesex Street Westseite, Middlesex Street mit Petticoat Lane, Ostseite und einen von der Geoff Cooper Karte.)     

Nebenbei, ich halte Rob Clack für den Meister solcher Karten und Straßenaddressänderungen.

Sag mir ob dir das hilft, Scott.


Meine Antwort, nachdem ich auf dem Insurance Plan of City of London genauer hingeschaut habe:

Hi Scott,

Ja, es ist hilfreich...

Karte in der Mitte: VOL. XI: sheet 318 = 1890 (siehe Anhang) -Ostseite-
Die andere Karte: VOL. III: sheet 71 = 1887 (siehe Anhang) - Westseite-
 
Du siehst, deine Karte stammt aus der gleichen Zeit wie die Vol. III: sheet 71 (Insurance Plan Of City of London).

Die Nummerierung änderte sich zwischen 1887 und 1890? Richtig? Und der Teehändler Laden in der Middlesex Street 36 in 1890 & 1894 war nicht der Levy Shop von 1887? Richtig?

Karsten.


Soweit, so gut. Warten wir seine Antwort ab. Die Nummerierung hätte sich dann ja gegen 1890 für die ehemalige Petticoat Lane in der Middlesex Street ergeben und die westliche Seite hätte sich dann wohlmöglich geändert. Klar, aus der 36 dort, hätte sich dann die 69 ergeben können, ohne Umzug.

Deine Überlegungen zu Cox sind logisch. Ich frage Scott dann nach jenen Directory Adressen in der nächsten Antwort.

Besten Gruß, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 14.09.2016 12:53 Uhr
Scott bestätigt meinen Eindruck, allerdings habe ich ihn vergessen zu fragen, wie er nun über die 36/69er Konstellation denkt!

Habe gefragt wegen den 1888/89 (also dann eher 87/88) Post Office Adressen. Vorab die 1891 (für 1890), welche ich schon länger notiert habe:

Card & Cardboard Makers: Isaac Woolf 15
Wardrobe Dealers: Simon Simmons 17
Boot & Shoemakers-Wholesale: Wolff Weber & Sons 18
Fishmongers: David Hyams 51
Chandlers Shops: Godfrey Marks 52
Publicans: Joseph Aarons “Horns” 53
Piece brokers: Louis Prince 54
Dairyman: John Jenkins 56
Ironmongers: Emanuel Siegenberg 58
Fried Fish Shops: Mrs. Polly Nathan 62
Piece brokers: Fishel Littman 64
Greengrocers: Brothers Levy 65
Butchers: Hyams Syckerman 66, Hyman Sampson 67,Jacob Levy 69 (eine kleine Butchers Row?)
Furriers: Benjamin Hyam 70

Vielleicht können wir daran dann auch erkennen, wie sich die Nummerierung zwischenzeitlich änderte, siehe 36/69.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 14.09.2016 12:55 Uhr
Wegen der Nummerierung müsste man auch noch mal auf George Bolam schauen, der hatte ja irgendwann auch eine kleine Schlächterei in der Middlesex Street neben seinem Kuhstall in der Aldgate High Street... frage ich ihn auch noch...
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 14.09.2016 21:06 Uhr
Hallo Lestrade,

vielen Dank für deine Mühen, ich habe die Daten mal von Nord nach Süd sortiert entsprechend der Stadtpläne.


1. Gegenüber Middlesex Street 36 (Westseite) liegen östlich die Hausnummern 48 bis 72.

Belegung 1890 / 1891:

70   Furriers:                                    Benjamin Hyam                Kürschner / Pelzhändler
68   Cook & Confectioner:                  Harry Joseph                    Koch und Konditor
66   Butchers:                                  Hyams Syckerman            Metzger
64   Piece brokers:                            Fishel Littman                  Restehändler
62   Fried Fish Shops:                       Mrs. Polly Nathan              Fried Fish-Imbiss
60   Fishmonger / Fish Frier / Coffee: Zuss Joel                         Fishhändler / Kaffee
58   Ironmongers:                            Emanuel Siegenberg         Eisenwarenhändler
56   Dairyman:                                John Jenkins                     Milchmann
54   Piece brokers:                           Louis Prince                      Restehändler
52   Chandlers Shops:                      Godfrey Marks                  Krämer oder Kerzenmacher?
---   Einmündung New Goulston Street
50   The Bell Public House:               William Rose                    Pub
48   unbewohnt                                                                     (auch 1887 als "vac." markiert)


Das wären also die Gebäude, von denen die Polizei die nordwestliche Nr. 36 observiert haben könnte.
Insbesondere haben wir 1890 also gegenüber auf der Ostseite einen Cook & Confectioner, einen Fisch-Imbiss, ein Fischhändler mit Café (?), den Pub The Bell und darunter noch ein leerstehendes Haus.

Direkt unterhalb des leerstehenden Hauses beginnen laut Firemap übrigens die Gebäude der Clothiers der Petticoat Lane:
46 Clothing Fac.
44-38 Tarling, Bagg & Co. Clothiers Warehouses
(36 Tea Warehouse)
34 WHO Clothiers

Cox: "We told them we were factory inspectors looking for tailors and capmakers who employed boys and girls under age."



2. Gegenüber Pettycoat Lane 36 (Ostseite, Tea Warehouse) liegen westlich die Hausnummern 15 bis 20.

Belegung 1890 / 1891:

--- Einmündung Ellison Street
20   1887 Under Construction                                                    (Firemap 1887)
19   1887 Ruins                                                                        (Firemap 1887)
18    Boot & Shoemakers-Wholesale:      Wolff Weber & Sons        Schuhmacher
17   ?
16   Wardrobe Dealers:                        Simon Simmons             Garderobe / Schränke         
15   Card & Cardboard Makers:             Isaac Woolf                    Kartonagen
--- Einmündung Hutchinson Street

Diese kleinen Hausnummern sind leider nicht im Online-Census 1891 zu finden, danke dafür, Lestrade.
Fehlt nur noch die Aktualisierung für 19 und 20 sowie die Hausnummer 17.


Und natürlich die Antwort auf die Frage, ob die nordwestliche Nr. 36 nun definitiv Levys Butcher Shop war...

MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 14.09.2016 23:02 Uhr
Hi Arthur!

Mit 19 und 20 kann ich noch dienen.

Clothier: Simons Simmons 19 (der war auch unter 17, du führst ihn unter 16, gehörten ihm wahrscheinlich alle)
Carpenter/ Packing Case Maker: Suggars Mather & Sturrock 20 (die boten aber auch noch andere Dienste an)

Den fand ich auch noch:

Furniture Dealers and Brokers: Henry Levy 57

Ich habe dieses Directory als pdf. Das hat natürlich Volumen. Die Suchfunktion ist nicht ganz einfach, da auch mal was übersprungen wird, z.B. beim vor- und zurückklicken. Ich suchte jetzt noch einmal unter "Middle". Du kannst dir vorstellen, dass ich eben noch einmal ca. tausend Klicks machen musste, um noch einmal durchzuschauen und fehlende Nummern aufzuspüren. Bitte um Veständnis, ist eine komplizierte Arbeit. Bin ganz aus der Puste.

Ich bin mir nun recht sicher, dass Levy´s Shop der in der 36 der nordwestlichen Middlesex Street gewesen war, an Stoney Lane gelegen. Daraus sollte zwischen 1887 und 1890 die 69 geworden sein.

Was mir aber selber gerade auffiel, diese Adressen in der Middlesex Street wurden unterschiedlich geführt, mal für Whitechapel, mal für Aldgate. Wenn Levy 1888 in 36 war und daraus 69 wurde, dann waren andere Butcher 1888 in 33 (Syckerman? dann 66 ) und 34 (Samson? dann 67). Wer vormals in 35 war (und dann in 68) weiß ich jetzt nicht. Da habe ich nichts. Auf jeden Fall war das dann eine kleine Butchers Row, von der es dort, laut Scott Nelson, auch mehrere gab. Vielleicht finden wir, wenn Scott die früheren Directories durchgeht, die eben genannten Butcher unter diesen alten Nummern wieder, ich rechne damit. Für 1891(90) habe ich jetzt da nur noch die Butchers Joseph Joseph 39, David Nussbaum 91 und Abraham White 84. Sie ergeben aber keine Reihe. Vielleicht erkennen wir da mehr via Informationen von Scott. Aber wenn Sager sagte, Butchers Row Aldgate und einige Geschäftsleute unter Aldgate und nicht Whietchapel geführt wurden, dann könnte er vielleicht, ich riskiere das jetzt, auch die Middlesex Street gemeint haben und nicht die Aldgate High Street. Middlesex Street war nunmal die Grenze zwischen City of London (Aldgate High Street gehörte dazu) und Whitechapel. So könnte in der Tat Jacob Levy, der Verdächtige von Sagar und Cox und gewesen sein, da würde die Geography dann stimmen und auch die Umstände, wie der merkwürdige Zeuge Joseph Hyam Levy, Cousin von Jacob Levy.

Vielleicht bekam die (City) Polizei aus Joseph Hyam Levy doch noch etwas raus und Sagar und Cox als Angehörige dieser Einheit glaubten dann, Jacob Levy war Jack The Ripper. Vielleicht war der "Hybrid German" Zeuge von Major Smith (City Police) eben Joseph Hyam Levy. Meines Erachtens, stammte diese ganze Familie ursprünglich aus Holland, unser Nachbarland. Gut gemacht, Arthur. Deine Hartnäckigkeit wirft nun weitere neue Fragen auf. Chapeau! 

Meine Frage als Kosminski Mann lautet natürlich, ob Jacob Levy, als er von seinem Cousin Joseph Hyam Levy mit Eddowes gesehen wurde, einfach weiterging und Eddowes beim betreten des Mitre Square auf Kosminski traf, den dann die Kollegen der MET Police, Anderson, Swanson und Macnaghten (siehe aber auch Sims und Griffiths) eher für den Täter oder zumindest starken Verdächtigen hielten. Da müsste man aber mehr über die Seaside Home ID wissen und sich auch vor Augen halten, dass möglicherweise die Adressen von Aaron Kozminski einst 36 Berner Street (1882) und Providence Street (1988) hießen, direkt am Stride Tatort gelegen und es wahrscheinlich weitere Angehörige gab, die dahinter, in Batty Gardens, in jenen Jahren lebten. Alles in allem ein Konstrukt, dass man im Auge behalten sollte. Sehr spannend und vielleicht nun eine ganz andere Sichtweise auf diesen Fall.

Übrigens: Wir haben uns bei den Häuserummern sicherlich von den Geoff Cooper Karten blenden lassen. Er vereinte wohlmöglich zwei unterschiedliche Karten aus unterschiedlichen Jahren (1887 & 1888) für beide Straßenseiten, ohne zu bemerken, dass die Nummern sich in den Jahren dazwischen geändert hatten. Kann passieren.

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 14.09.2016 23:21 Uhr
Eben meldete sich Scott. Er fürchtet, aus unerfindlichen Gründen, dass er einige Directory Sachen nicht mehr hat. Er verweist auf Debra Arif und auf Gary Barnett. Ich habe Kontakt zu Debra und werde es bei ihr versuchen. Aber nicht gleich, ich habe aktuell und die kommende Tage noch weitere, auch wirklich wichtige Dinge zu erledigen. Bitte habe Verständnis und fühle dich frei, mich daran nach ein paar Tagen zu erinnern. Vielleicht finde ich auch noch was aus älteren Kommunikationen mit ihr oder mit Chris Phillips.

Scott hat mir vor einer Weile schon einmal mitgeteilt, dass er aus der Nummer eigentlich raus ist, schon länger, und das Thema nur noch beobachtet. Viele machen dann in ihren Unterlagen einfach klar Schiff. Ich kann mich jederzeit bei ihm melden und nachfragen aber es hat dann doch auch seine Grenzen. Ihm fehlt jetzt der Enthusiasmus, denn er gerne mit mir vor Jahren geteilt hätte. Zu unserem Glück haben wir aber noch andere Möglichkeiten...
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 15.09.2016 00:04 Uhr
Noch eine kurze Anmerkung!

Diese Shops für Cox und/ oder Sagar halte ich im Fall der Fälle am wahrscheinlichsten als Observationspunkt:

Dairyman: John Jenkins 56
Ironmongers: Emanuel Siegenberg 58
Fried Fish Shops: Mrs. Polly Nathan 62
Fishmonger: Zuss Joel 60
Piece brokers: Fishel Littman 64

Der spannendste dabei ist Zuss Joel. Er findet sich nicht im Directory von 1891 (was 1890 entspricht) aber in 1891er Census ist er dann plötzlich da. Könnte sein, dass dieser Shop zeitweise leerstand. So auch um Ende 1888/ Anfang 1889. Und Jacob Levy´s Shop war mit der kleinste, man denke an Cox´s "little shop"...
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 15.09.2016 00:29 Uhr
Wer vormals in 35 war (und dann in 68) weiß ich jetzt nicht. Da habe ich nichts.

Du hattest es vorher gepostet:

68   Cook & Confectioner:                  Harry Joseph                    Koch und Konditor

Könnte das gleiche gewesen sein, wie mit Joel (Census/ Directory). Und in 1888/89 ein Butcher vor Harry Joseph? Eine Viererreihe (wenigstens)?

Jetzt aber gute Nacht!
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 15.09.2016 12:05 Uhr
Hallo Lestrade!

Zitat
Was mir aber selber gerade auffiel, diese Adressen in der Middlesex Street wurden unterschiedlich geführt, mal für Whitechapel, mal für Aldgate. Wenn Levy 1888 in 36 war und daraus 69 wurde, dann waren andere Butcher 1888 in 33 (Syckerman? dann 66 ) und 34 (Samson? dann 67). Wer vormals in 35 war (und dann in 68) weiß ich jetzt nicht. Da habe ich nichts.

Ja, verzwickt mit diesen Adressen, nicht wahr?
Aber was Sampson angeht, das dürfte unstrittig sein: Beim Diebstahlprozess Sampson gegen Levy 1886 wird in den Akten beim Central Criminal Court für Sampson Hausnummer 35 und für Levy 36 angegeben. Da die westliche Straßenseite damals durchgezählt wurde, wie man in den Firemaps von 1887 sieht, lagen sie offensichtlich direkt nebeneinander.
Denn weiter südlich existierte laut Firemap keine andere Hausnummer 35: Auf der Westseite wurde ja einfach von der Aldgate High an von 1 bis 37 nach Norden bis zur Stoney Lane durchgezählt, und auf der Ostseite (Petticoat Lane) bestand die Nummerierung von Aldgate High an bis zur Wentworth ja bereits nur noch aus geraden Zahlen - was zwar zu Doppelungen bei den geraden Hausnummern gegenüber führte - aber die ungeraden gab es nur einmal.
Folglich war Levys der zweite Shop unterhalb Einmündung Stoney Lane und Sampsons der dritte. Und später mit der Neustrukturierung und Eliminierung aller geraden Nummern auf der Westseite wurde dann Sampson zu Nr. 67 und Levy zu Nr. 69, wie es im Census 1891 steht. Genau gegenüber lagen die geraden Nummern 52 bis 72. Damit dürfte die Restrukturierung abgeschlossen gewesen sein, und man hatte endlich auf der Westseite nur ungerade, auf der Ostseite nur gerade Nummern, aber vor allem jede Zahl nur einmal in der Straße.

Mit Sykerman hast du die Straßenseite verwechselt: die 66 liegt auf der Ostseite, direkt gegenüber der Einmündung Stoney Lane, und dürfte vorher und nachher 66 gewesen sein, das war vorher nicht die 33. Die alte Nr. 33 auf der Westseite müsste später zur 63 geworden sein, und die alte 34 zur 65. Damit würde die Reihe der Hausnummern dann stimmen.
Wer allerdings unterhalb von Levy und Sampson in der alten 34 und 33 war (oder oberhalb in der 37), weiß ich leider (noch) nicht, da die Online Version des Census 1891 nur die geraden Hausnummern von 48 bis 70 aufführt, also diejenigen Gebäude auf der Ostseite, die nach Norden der geschlossenen Front von Clothier Factories und Warehouses folgen, welche die Südhälfte der Straße komplett belegen und von Aldgate High bis Nummer 46 der ehem. Petticoat Lane reichen.


Zitat
Der spannendste dabei ist Zuss Joel. Er findet sich nicht im Directory von 1891 (was 1890 entspricht) aber in 1891er Census ist er dann plötzlich da. Könnte sein, dass dieser Shop zeitweise leerstand. So auch um Ende 1888/ Anfang 1889. Und Jacob Levy´s Shop war mit der kleinste, man denke an Cox´s "little shop"...

Interessant: Das heißt also, im Post Office war Joel noch nicht, und taucht erst im später erhobenen Zensus auf? Wenn das Gebäude vorher eine gewisse Zeit leergestanden hätte, wäre das 1889/1890 der optimale Ort für eine Observation gewesen, denn es war direkt gegenüber der Nr. 36.
Cox: "We had the use of a house opposite the shop of the man we suspected..."


Zitat
Aber wenn Sagar sagte, Butchers Row Aldgate und einige Geschäftsleute unter Aldgate und nicht Whietchapel geführt wurden, dann könnte er vielleicht, ich riskiere das jetzt, auch die Middlesex Street gemeint haben und nicht die Aldgate High Street.

Nun ja, ich sehe da auch keinen Widerspruch, selbst wenn er die Aldgate High Street gemeint hätte, denn Sagar schrieb ja "who WORKED in Butcher's Row, Aldgate" und nicht, dass er dort WOHNTE.
Da ich es für wahrscheinlich halte, dass Levy nach seinem Diebstahl bei Sampson 1886 vom Jewish Council die Lizenz entzogen worden war, und nun seine Frau den Laden alleine weiterzuführen versuchte, ist es m.E. ja gut möglich, dass Jacob danach in der Butcher's Row als Aushilfe arbeitete, soweit es sein schlechter werdender Gesundheitszustand zuließ: "He occupied several Shops in the East End..."
Und entsprechend werden sie ihm gefolgt sein und immer jenes Gebäude überwacht haben, in dem er gerade war:
Aberdeen Weekly Journal,16. November 1888: "The Central News is enabled to state that several houses at which the murderer is believed to call on occasionally are under the closest police surveillance."
Oder London Evening News And Post, 13. September 1889: "He has a business, to which he scarcely ever personally attends."
Die parallele Beobachtung von Middlesex Street 36 und Butcher's Row schließt sich ja nicht aus, man muss ja schließlich Wohnung und Arbeitsplatz eines Verdächtigen überwachen.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 15.09.2016 12:29 Uhr
Zitat
Gut gemacht, Arthur. Deine Hartnäckigkeit wirft nun weitere neue Fragen auf. Chapeau!

Danke, aber mühsam nährt sich das Eichhörnchen... Mindestens zwei gewaltige Haken hat die Jacob Levy These immer noch:
Dass Swanson und Macnaghten explizit Kosminski schrieben und dass in Sachen Einweisung in eine Irrenanstalt unsere Polizisten von Surrey und Colney Hatch sprachen statt von Stone in Kent, dazu haben wir nur das unbestätigte Gerücht von Lady Anderson...
Da gibt es nur drei Möglichkeiten: Dass sie entweder etwas verwechselt haben, dass es vorübergehende Einlieferungen von Levy gab, die wir nicht kennen ("from time to time he became insane and was forced to spend a portion of his time in an asylum in Surrey"), oder dass Levy doch nicht der Verdächtige war.


Aber zum Macnaghten Memorandum und seinen Verdächtigen habe ich eine Theorie:

Macnaghten schrieb das interne Memorandum explizit als Argumentationshilfe für seine Beamten wegen der aktuellen Verdächtigungen in der Presse gegen Cutbush.
Er wollte erstens die Falschmeldungen und Gerüchte über Cutbush korrigieren und zweitens seinen Beamten als Argumentationshilfe drei "echte" Ripper-Verdächtige der Polizei mit auf den Weg geben:
 
"Ich kann über Fälle von 3 Männern berichten, jeder von ihnen wahrscheinlicherer verdächtig für die Serie der Morde als Cutbush:"

Macnaghten wählte dazu wohl bewusst drei Verdächtige aus, die unverfänglich und hinsichtlich einer möglichen öffentlichen Reaktion ungefährlich waren:
Den bereits toten Druitt, den irren Kosminski, der außerhalb Londons sicher weggesperrt war, oder den er vielleicht ebenfalls bereits für tot hielt, und den irren Kriminellen Ostrog, von dem er offensichtlich der Meinung war, dass er irgendwo weg von London sicher verwahrt wurde.

Ein Beleg dafür, dass die Polizei spätestens 1894 Druitt nicht mehr wirklich ernsthaft verdächtigte (wenn denn jemals), ist ja, dass sie nach seinem Tod weiter fleißig Verdächtigte observiert hatte.

Meiner Meinung nach zeigt das Memorandum daher weniger, wen Macnaghten und seine leitenden Ermittler tatsächlich für die Hauptverdächtigen im Ripper-Fall hielten - als vielmehr, wen man den Untergebenen und der Öffentlichkeit gut als unverfängliche Gegenbeispiele zu Cutbush präsentieren konnte.
Die Hauptbotschaft des Memorandums sollte wohl lauten: Cutbush kann nicht der Ripper gewesen sein, denn der Ripper ist entweder tot oder wegesperrt.

Falls sich die Führungsebene der Polizei entschlossen hatte, Stillschweigen über die peinliche misslungene Seaside Home Identifizierung ihres Hauptverdächtigen zu bewahren, so wird Macnaghten wohl kaum wissentlich den echten Hauptverdächtigen in das Memorandum aufgenommen haben.

Aber die an den Ermittlungen beteiligten Beamten konnten es sich wohl über die Jahre nicht verkneifen, mit Anmerkungen darauf hinzuweisen, dass sie nicht völlig inkompetent und planlos im Ripper-Fall waren.

Bei Swanson habe ich noch kein klares Bild, denn er machte ja nur private Eintragungen in Andersons Memoiren, insofern hatte er keinen Grund, einen an den Haaren herbeigezogenen Verdächtigen zu nennen wie Macnaghten den toten Druitt.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 15.09.2016 15:18 Uhr
Hallo Arthur!

Mit Sykerman hast du die Straßenseite verwechselt: die 66 liegt auf der Ostseite, direkt gegenüber der Einmündung Stoney Lane, und dürfte vorher und nachher 66 gewesen sein, das war vorher nicht die 33. Die alte Nr. 33 auf der Westseite müsste später zur 63 geworden sein, und die alte 34 zur 65. Damit würde die Reihe der Hausnummern dann stimmen.
Wer allerdings unterhalb von Levy und Sampson in der alten 34 und 33 war (oder oberhalb in der 37), weiß ich leider (noch) nicht, da die Online Version des Census 1891 nur die geraden Hausnummern von 48 bis 70 aufführt, also diejenigen Gebäude auf der Ostseite, die nach Norden der geschlossenen Front von Clothier Factories und Warehouses folgen, welche die Südhälfte der Straße komplett belegen und von Aldgate High bis Nummer 46 der ehem. Petticoat Lane reichen.

Das war natürlich Nonsens. Wie du ja schriebst, die rechte Seite bekam gerade Zahlen, die linke Seite ungerade. Ich wollte die vormals 30er Reihe 1:1 in die 60er übernehmen. Schwachsinn...

Die Shops die dann westlich 32,33,34,36,37 1887 zusammenlagen, wurde spätestens 1890 zu 61,63,65,67,69 und 71. Gegenüber östlich lagen dann die genannten:

Dairyman: John Jenkins 56
Ironmongers: Emanuel Siegenberg 58
Fried Fish Shops: Mrs. Polly Nathan 62
Fishmonger: Zuss Joel 60
Piece brokers: Fishel Littman 64

Deenen gegenüber lagen dann:

Greengrocers: Levy Brothers 65 (hatte ich noch, also vormals 34)
Butcher: Hyman Sampson 67
Butcher: Jacob Levy 69

Also wohl in diesem Falle nix Butchers Row. Hinter Syckerman wurde Aldgate angegeben, davon habe ich mich auch irritieren lassen und ihn zur Westseite geordnet. Den fand ich im Netz nochmal, angegeben als Sickerman für 66 Goulston Street. Sampson war ja aus der 58 Goulston Street. Aber der ersteren Adresse konnte ich nichts weiter entnehmen. Die Shops um die Levy Brothers und Jacob Levy müssen ja auch nicht immer besetzt gewesen sein, so wie vielleicht der von Joel.

Ich hoffe, ich habe es jetzt so halbwegs. Anstrengend...

Interessant: Das heißt also, im Post Office war Joel noch nicht, und taucht erst im später erhobenen Zensus auf? Wenn das Gebäude vorher eine gewisse Zeit leergestanden hätte, wäre das 1889/1890 der optimale Ort für eine Observation gewesen, denn es war direkt gegenüber der Nr. 36.
Cox: "We had the use of a house opposite the shop of the man we suspected..."

Wäre möglich!

Nun ja, ich sehe da auch keinen Widerspruch, selbst wenn er die Aldgate High Street gemeint hätte, denn Sagar schrieb ja "who WORKED in Butcher's Row, Aldgate" und nicht, dass er dort WOHNTE.
Da ich es für wahrscheinlich halte, dass Levy nach seinem Diebstahl bei Sampson 1886 vom Jewish Council die Lizenz entzogen worden war, und nun seine Frau den Laden alleine weiterzuführen versuchte, ist es m.E. ja gut möglich, dass Jacob danach in der Butcher's Row als Aushilfe arbeitete, soweit es sein schlechter werdender Gesundheitszustand zuließ: "He occupied several Shops in the East End..."
Und entsprechend werden sie ihm gefolgt sein und immer jenes Gebäude überwacht haben, in dem er gerade war:
Aberdeen Weekly Journal,16. November 1888: "The Central News is enabled to state that several houses at which the murderer is believed to call on occasionally are under the closest police surveillance."
Oder London Evening News And Post, 13. September 1889: "He has a business, to which he scarcely ever personally attends."
Die parallele Beobachtung von Middlesex Street 36 und Butcher's Row schließt sich ja nicht aus, man muss ja schließlich Wohnung und Arbeitsplatz eines Verdächtigen überwachen.

Du hast ja selbst mal gesagt, falls ich mich recht erinnere, ob sie vielleicht schon getrennt lebten (oder zumindest zeitweise). Jacob war Syphiliskrank aber Sarah bekam noch Kinder und zwar 6 Stück zwischen 1884 und 1890. Zumindest zum Schluß ging sie ein ordentliches Risiko ein, würde ich sagen.

Joseph Levy born 1880
Isaac Levy born 1881
Lewis Levy born 1884
Hannah Levy born 1885
Nathan Levy born 1887
Jacob Levy born 1888
Caroline Levy born 1889
Moss levy born 1890

Wie konnten die eigentlich ein Geschäft führen? Er krank, verurteilt, Gefängnis, Anstalt, sie stets schwanger... Ärger mit Sampson und dann doch Nachbarn mit ihren Shops... da fragt man sich, ob Sarah was mit Sampson hatte und er ihr half, während sie versuchten Jacob loszuwerden... denk mal an Cox Worte wegen einer Fehlbehandlung durch eine Frau an seinen Verdächtigen. Oder an die Frau/ Angehörige, die sich bei der Polizei meldete, Oktober, November 1888, siehe Presseberichte... so kommt man leicht in Verdacht...

Andererseits: Sagar erzählt von eine Reihe von Schlächtern irgendwo in Aldgate und Reporter machen daraus DIE Butchers Row auf der Aldgate High Street. Und natürlich, Jacob Levy hätte in jedem Shop o.ä. in der Middlesex Street oder Aldgate High Street arbeiten können.

Zum Macnaghten Memorandum denke ich, dass es jener schon auf gewisse Weise recht ernst nahm. Er war interessiert an der ganzen Sache und vielleicht sogar sehr fasziniert. Er selbst schwor irgendwie auf Druitt, gleichzeitig sprach er dann aber von dem "überzeugenden Verdächtigen" Kosminski, der sehr wahrscheinlich einer der, wenn nicht gar der Hauptverdächtige (für eine Reihe bzw. bestimmte Beamte) gewesen war. Ostrog ist vielleicht der, der per Zufall die Dreierreihe komplett machen durfte. Da hätten möglicherweise auch viele andere gepasst. Außerdem sehen wir ja auch über Sims und Griffiths, welche auch mit Anderson zu tun hatten, dass jene drei ihre Erwähnung finden. Da muss ich dann Ostrog schon fast wieder revidieren aber er saß nun mal im Knast oder in einer Anstalt, als die Morde passierten (müsste genauer nachlesen). Es ist allerdings auch in der Familie der Swanson fest verankert, dass dieser hin- und wieder über den Fall sprach und dabei stets erwähnte, dass sie wussten, wer Jack the Ripper war aber eine ID scheiterte, weil der Zeuge zurückzog und er deshalb nicht überführt werden konnte. Es könnte sein, dass Swanson genauso überzeugt von Kosminski schien, wie es auch Anderson war. Plus Kosminskis Erwähnung bei Macnaghten, lässt ihn sicherlich für alle Zeiten ein wichtiger Verdächtiger bleiben. Klar, wäre es schön zu wissen, wen Cox und/oder Sagar meinten. Übrigens kommt bald ein Buch von Adam Wood über Swanson:

Swanson: The Life and Times of a Victorian Detective

Sollte schon veröffentlicht werden aber die Swanson Familie fand weitere Unterlagen und so zieht es sich noch hin.

Natürlich wissen wir nicht genau, was für ein Mensch Jacob Levy ganz genau war. Für die Jack the Ripper Morde speziell, scheint sein Leben vielleicht länger besser gelaufen zu sein, als es am Ende aussah. Meines Erachtens, wurden die Morde von jemanden verübt, der nie etwas auf die Reihe bekommen hat. Garnichts, damit meine ich nichts wirklich dauerhaftes auch wenn er vielleicht in einem Moment oder für kurze Zeit überzeugen konnte. Aber egal, Jacob Levy (oder jemand wie er) könnte der Verdächtige von Cox und/oder Sagar gewesen sein.

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 15.09.2016 17:23 Uhr
Hallo Lestrade,

ich möchte mich im Voraus für den folgenden Marathon-Text entschuldigen, aber mir schoss gerade einiges zu den verschiedenen angesprochenen Aspekten durch den Kopf.


Zitat
Du hast ja selbst mal gesagt, falls ich mich recht erinnere, ob sie vielleicht schon getrennt lebten (oder zumindest zeitweise). Jacob war Syphiliskrank aber Sarah bekam noch Kinder und zwar 6 Stück zwischen 1884 und 1890. Zumindest zum Schluß ging sie ein ordentliches Risiko ein, würde ich sagen.
(...)
Wie konnten die eigentlich ein Geschäft führen? Er krank, verurteilt, Gefängnis, Anstalt, sie stets schwanger... Ärger mit Sampson und dann doch Nachbarn mit ihren Shops... da fragt man sich, ob Sarah was mit Sampson hatte und er ihr half, während sie versuchten Jacob loszuwerden...

Levy muss ja Neurosyphilis gehabt haben, die das Hirn befiel und ihn dadurch schließlich psychotisch machte. Und bei Tracy Ianson habe ich gelesen, dass diese Form der Syphilis nur in ihrer ersten Phase für ein paar Monate infektiös war. Sobald Jacob in die zweite Phase der Erkrankung kam, stellte er für seine Frau keine Ansteckungsgefahr mehr da.
Aber natürlich wissen wir nicht, ob tatsächlich alle Kinder von ihm stammten - Kuckuckskinder sind ja nicht selten. Sampson dürfte es m.E, aber wohl eher nicht gewesen sein, denke ich, der starb auch irgendwann zwischen 1887 und 1890, wenn ich mich recht erinnere.

Mit Jacobs fortschreitender Erkrankung brauchte Sarah jedenfalls irgendwann sicherlich Hilfe, ihre ältesten Kinder waren dazu schon alt genug und laut Census 1891 wohnte ja auch spätestens ab 1890 zusätzlich ihre kleine Schwester "Flora Abrahams, aged 23, born Whitechapel - Tailoress" bei ihnen.
North Eastern Daily Gazette, 18. September 1889: "He is a curious sort of fellow; in business, but not doing much to keep it going. His wife and daughter see to it, and he is out at all hours of the night." Vielleicht hielt da jemand Sarahs jüngere Schwester für ihre Tochter?
Und vermutlich gab es ja auch noch Unterstützung, die nicht dort wohnte: Man denke an Jacobs Bruder Isaac direkt um die Ecke in der Goulston Street. Er könnte Jacob zeitweise bei sich aufgenommen haben, um Sarah zu entlasten. Wie schreibt Swanson zur misslungenen Seaside Home Identifizierung: Sie brachten den Verdächtigen ZURÜCK in das Haus seines Bruders, wo er Tag und Nacht überwacht wurde.
Das würde doch dazu passen, dass Sarah und Jacob am Ende schon zeitweise getrennt lebten.

Und nicht zuletzt vergessen sollten wir unsere kühne Spekulation mit Aaron Kozminski bei den Levys... Die zwei verrückt gewordenen Juden, die vielleicht verwechselt wurden, und beide der Ripper gewesen sein könnten... ;-)


Zitat
Zum Macnaghten Memorandum denke ich, dass es jener schon auf gewisse Weise recht ernst nahm. Er war interessiert an der ganzen Sache und vielleicht sogar sehr fasziniert. Er selbst schwor irgendwie auf Druitt, gleichzeitig sprach er dann aber von dem "überzeugenden Verdächtigen" Kosminski, der sehr wahrscheinlich einer der, wenn nicht gar der Hauptverdächtige (für eine Reihe bzw. bestimmte Beamte) gewesen war.

Gegenüber Macnaghtens Memorandum bin ich nach wie vor skeptisch:
Er war der Polizeichef und hatte theoretisch Zugriff auf alle Akten und konnte von den Ermittlern zusätzlich Info aus erster Hand erfragen.
Dennoch strotzt das Memorandum - mit dem er explizit falsche Informationen widerlegen will - vor Ungenauigkeiten und Fehlern insbesondere bei seinen drei aufgeführten Verdächtigen.
So erscheint ausgerechnet Druitt als einer seiner Kandidaten (weil er angeblich irgendwelche privaten Informationen von dessen Familie hatte). Niemand sonst hielt Druitt ernsthaft für den möglichen Ripper - Inspektor Abberline äußerte sich später abfällig darüber, das einzige was Druitt mit den Morden verbinde, sei die Tatsache, dass er zufällig kurz danach Selbstmord begangen habe.
Und Kosminski soll schon im März 1889 eingeliefert worden sein, obwohl er noch bis 1891 frei herumlief? Hätten sie ihn beobachtet, hätte der Zeitraum und das Einlieferungsdatum in den Akten gestanden.

Macnaghten hatte mit den Ermittlungen im Ripper-Fall nichts zu tun gehabt und musste sich auf das verlassen, was die involvierten Beamten in Akten geschrieben oder ihm gesagt hatten, und seine eigenen Schlüsse daraus ziehen.
Er behauptete ja auch: Niemand sah je den Ripper. Das klingt so, als wüsste er von der Seaside Home Identifizierung nichts oder wollte sie verschweigen!
Mir kommt das so vor, als hätten Anderson und Swanson die misslungene Identifizierung nie in den Akten aufgenommen und mit allen Beteiligten Stillschweigen über diesen skandalträchtigen Reinfall vereinbart.
 
Die für uns unangenehmere Alternative wäre, dass Macnaghten recht hatte und tatsächlich niemand jemals den Ripper sah. Dann hätten aber Anderson und Swanson lediglich als späte Rechtfertigung ihres Versagens irgendeine unbedeutende Ermittlungs-Sackgasse einer weiteren misslungenen Identifizierung als Teilerfolg aufgeblasen, um nicht ganz so schlecht in der Geschichte dazustehen. Denn dafür, dass ein Zeuge seine Aussage zurückzieht, können die Polizisten ja nichts.
Nach dem Motto: Wir hatten ihn eigentlich, aber der Zeuge brach ein und so mussten wir ihn zähneknirschend gehen lassen, obwohl wir wussten dass er es war. Glücklicherweise landete er schließlich im Irrenhaus...

Ich finde die sich widersprechenden Informationen der Polizeispitze frustrierend.
Ich nehme wie du die Aussagen von Anderson und Swanson zur Identifizierung eines Verdächtigen sehr ernst, kann aber dem Macnaghten Memorandum aus den genannten Gründen nur skeptisch gegenüber stehen.
Und dass es in dem Fall auch zu Verwechslungen kam, ist ja leider evident. Robert Anderson veröffentlichte seine Memoiren "The Lighter Side of My Official Life", in die Swanson seine Anmerkungen machte, erst 1910 und nannte keinen Namen. Vielleicht hatte Swanson nach 20 Jahren auch wegen des Macnaghten Memorandums irrtümlicherweise den Namen Kosmiski im Kopf, als er seine Anmerkungen schrieb? Möglich wäre das.


Kurz und gut: Nach allem, was ich bisher über den Fall weiß, sind für mich derzeit zwei ernsthafte Kandidaten im Rennen: Aaron Kozminski und Jacob Levy.
Wenn wir Pech haben, steht der wahre Ripper nirgendwo namentlich in den erhaltenen Quellen, und wir ackern uns hier an ein paar Unschuldigen ab.
Lass uns sehen, was die Zukunft vielleicht noch an interessanten neuen Details bringt, und in welche Richtung sie weisen. :-)


MfG, Arthur Dent

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 15.09.2016 18:09 Uhr
Lass uns sehen, was die Zukunft vielleicht noch an interessanten neuen Details bringt, und in welche Richtung sie weisen. :-)

Gerne, Arthur!

Vielen Dank für deine weiteren Ausführungen, Hinweise, Ergänzung und Meinungen.

Wir wissen eben sehr wenig über die Verdächtigen Druitt und Kosminski, so, wie sie sich zu der Zeit darstellten und auch gesehen wurden. Ich denke, wenn wir die Akten einsehen könnten, wenn es sie denn noch gäbe, wären wir sehr, sehr und wirklich überrascht. In solch einem Falle, würden dann wohl auch die Meinungen der einzelnen Beamten aus einer ganz anderen Perspektive zu sehen sein.

Anderson selber sagte ja, dass der Verdächtige, während er in einer Anstalt Insasse war, identifiziert wurde. Swanson erzählte uns, wie das ablief, sie brachten ihn in ein Seaside Home. Danach, irgendwann, ging es in das Haus des Bruders zurück. Sims erwähnte, dass auch jener Verdächtige noch Zeiten unter seinesgleichen verbrachte, immer wieder. Macnaghten sprach von einer Einweisung um März 1889. Er lag da richtig, vermute ich aber wenn der Verdächtige entlassen wurde, war er eben wieder daheim. Man geht ja nicht automatisch lebenslang in eine Anstalt, sondern meistens ja nur begrenzt. Es scheint aber auch wirklich so, dass Kosminski von der City Police behandelt wurde und somit Macnaghten nicht stets auf dem Laufenden gehalten worden sein könnte. Ob er von der Seaside Home ID wusste? Ich weiß es nicht. Könnte auch nicht sagen, wer nun dabei gewesen sein könnte. Mein Bauch sagte mir, diese ID könnte auch nur eine "Generalprobe" gewesen sein, bevor sie offiziell werden sollte (aber nie wurde). Wenn es Vermerke gab, dann wahrscheinlich inoffiziell. Aber Spekulation wie so oft...

In gewisser Weise, waren ja nicht nur Anderson/ Swanson von Kosminski überzeugt sondern auch Cox/Sagar von ihrem/ihren Verdächtigen. War das bei letzteren nicht Kosminski, könnten wir in diesem Jacob Levy aber eine gute Alternative sehen. Verwechslungen würde ich eher vermuten im Falle von David Cohen und Aaron Kozminski. Bei Jacob Levy könnte sich das anders darstellen. Er könnte gesehen worden sein mit Eddowes durch seinen Cousin Joseph Hyam Levy, der sich vielleicht gegenüber der Polizei doch noch outete. Das wäre schwerwiegend. Gleichzeitig wird aber auch Kosminski von jemanden identifiziert. An welchem Tatort oder in welchem Zusammenhang auch immer. Dazu kommt evtl. ein Constabler vom Mitre Square. Dort wäre aber auch Jacob Levy gesehen worden. Beide Männer entsprechen vielleicht dem psychologischen und geographischen Profil eines solchen Killers. Der eine ist Butcher, der andere stammt aus einer Familie mit Butchern (Opa und Cousin Jacob Cohen). Einer lebt nahe am Goulston Street Grafitto (deine Anmerkung zu Sampson), der andere am Stride Tatort. Beide Männer liefen mit Sicherheit nachts durch die Gegend. Und dann steht man da als Polizist und soll diesen Fall lösen.

Du wirst es nachvollziehen können...
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 16.09.2016 11:19 Uhr
Hallo Lestrade!


Zitat
Wir wissen eben sehr wenig über die Verdächtigen Druitt und Kosminski, so, wie sie sich zu der Zeit darstellten und auch gesehen wurden. Ich denke, wenn wir die Akten einsehen könnten, wenn es sie denn noch gäbe, wären wir sehr, sehr und wirklich überrascht. In solch einem Falle, würden dann wohl auch die Meinungen der einzelnen Beamten aus einer ganz anderen Perspektive zu sehen sein.

Möglich, aber wir können eben nur mit der Info arbeiten, die uns vorliegt und versuchen, daraus plausible Schlüsse zu ziehen. Angesichts der vielen Ungenauigkeiten in Macnaghtens Memorandum ist es schwer einzuschätzen, welche Info darin nun brauchbar ist oder nicht, er bezeichnete Druitt z.B. irrtümlicherweise als einen Doktor, dabei war er Lehrer.

Kozminski passt mit dem, was wir wissen, ganz gut als ein ernstzunehmender Verdächtiger, auch wenn es noch ein paar Ungereimtheiten und Lücken gibt - aber jedenfalls viel besser als der Großteil aller anderen derzeit diskutierten Verdächtigen.
Druitt hingegen ist m.E. als Verdächtiger genauso Banane wie z.B. Gull oder der Elefantenmensch: Er wohnte nicht im East End, kam aus einer anderen sozialen Schicht, hatte keinerlei bekannt gewordene kriminelle Vorgeschichte oder einschlägige Verbindungen zum East End, sondern dürfte einfach aufgrund einer Depression und aus der Angst heraus, so wie seine Mutter zu enden, Selbstmord begangen haben.
Und Ostrog war zwar ein notorischer Dieb und Betrüger, aber fiel nie durch Gewalt gegen Frauen auf, war mit über 50 deutlich zu alt und mit über 1,80 deutlich zu groß, außerdem ist gar nicht klar, ob er zur fraglichen Zeit überhaupt in London war.


Zitat
Sims erwähnte, dass auch jener Verdächtige noch Zeiten unter seinesgleichen verbrachte, immer wieder. Macnaghten sprach von einer Einweisung um März 1889. Er lag da richtig, vermute ich aber wenn der Verdächtige entlassen wurde, war er eben wieder daheim. Man geht ja nicht automatisch lebenslang in eine Anstalt, sondern meistens ja nur begrenzt.

Da gebe ich dir recht, ich vermute ja auch, dass unser Verdächtiger bis zu seiner endgültigen Einweisung vorübergehend schon zeitweise in Anstalten untergebracht war ("from time to time he became insane and was forced to to spend a portion of his time in an asylum in Surrey").
Leider haben wir bisher bei unseren Kandidaten keine Belege dafür. Von Kozminski ist nur bekannt, dass er vom 12. Juli 1890 bis 15. Juli für drei Tage in einem Workhouse war, bevor er im Februar 1891 endgültig nach Colney Hatch kam. Über Jacob Levy wissen wir bis zu seiner endgültigen Einweisung im August 1890 überhaupt nichts über vorübergehende Unterbringungen.


Zitat
In gewisser Weise, waren ja nicht nur Anderson/ Swanson von Kosminski überzeugt sondern auch Cox/Sagar von ihrem/ihren Verdächtigen. War das bei letzteren nicht Kosminski, könnten wir in diesem Jacob Levy aber eine gute Alternative sehen. Verwechslungen würde ich eher vermuten im Falle von David Cohen und Aaron Kozminski. Bei Jacob Levy könnte sich das anders darstellen. Er könnte gesehen worden sein mit Eddowes durch seinen Cousin Joseph Hyam Levy, der sich vielleicht gegenüber der Polizei doch noch outete. Das wäre schwerwiegend. Gleichzeitig wird aber auch Kosminski von jemanden identifiziert. An welchem Tatort oder in welchem Zusammenhang auch immer. Dazu kommt evtl. ein Constabler vom Mitre Square. Dort wäre aber auch Jacob Levy gesehen worden. Beide Männer entsprechen vielleicht dem psychologischen und geographischen Profil eines solchen Killers. Der eine ist Butcher, der andere stammt aus einer Familie mit Butchern (Opa und Cousin Jacob Cohen). Einer lebt nahe am Goulston Street Grafitto (deine Anmerkung zu Sampson), der andere am Stride Tatort. Beide Männer liefen mit Sicherheit nachts durch die Gegend. Und dann steht man da als Polizist und soll diesen Fall lösen.

Du wirst es nachvollziehen können...

Und ob ich das nachvollziehen kann. Das Problem ist ja, dass wir wissen, es standen mehrere Personen unter Beobachtung:
Aberdeen Weekly Journal, 16. November 1888: "The Central News is enabled to state that several houses at which the murderer is believed to call on occasionally are under the closest police surveillance."
London Evening News And Post, 13. September 1889: "The second man is now being watched. He is a resident of the East End, and has been for years. For a long time he has been acting in the most suspicious fashion."
North Eastern Daily Gazette, 18. September 1889: "A Detective's Views: We are watching now three men, besides the usual night-birds of Whitechapel."
Dummerweise können wir nur Vermutungen anstellen, welche der recht allgemein gehaltenen Andeutungen unserer Polizisten sich auf welchen Verdächtigen bezieht und wo es vielleicht wegen der erst Jahre später gemachten Aufzeichnungen vielleicht zu Irrtümern oder Verwechslungen kam.

Aber ich finde, wir haben trotzdem ganz gute Indizienketten dafür, dass zwei der Observierten Aaron Kozminski und Jacob Levy gewesen sein können.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 16.09.2016 12:55 Uhr
Hi Arthur!

Möglich, aber wir können eben nur mit der Info arbeiten, die uns vorliegt und versuchen, daraus plausible Schlüsse zu ziehen. Angesichts der vielen Ungenauigkeiten in Macnaghtens Memorandum ist es schwer einzuschätzen, welche Info darin nun brauchbar ist oder nicht, er bezeichnete Druitt z.B. irrtümlicherweise als einen Doktor, dabei war er Lehrer.

Aber das ist es ja! Ich habe damit größere Schwierigkeiten, weil wir aus unserer Perspektive urteilen müssen aber nicht genau wissen, aus genau welchen Unterlagen oder Gesprächen dieses Memorandum zustande kam. Wir unterstellen dabei jemanden Fehler und Ungenauigkeiten und dabei wissen wir sehr wahrscheinlich viel, viel weniger über diese Verdächtigen und jenen Ereignissen als Macnaghten. Da bleibe ich einfach vorsichtiger.

Erinnere dich an unsere Diskussion hier letztes Jahr, ich kopiere mal:

Ob Macnaghten ansonsten ein guter Beamter war, kann ich nicht beurteilen. Meine Schlussfolgerung ergibt sich aus seinem Memorandum, und das strotzt wie du weißt vor Fehlern und Ungenauigkeiten.
Wenn jemand zwei Jahrzehnte später als Privatmann seine Memoiren schreibt und sich dabei nicht mehr korrekt an alles erinnern kann, ist das verständlich und nachvollziehbar.
Wenn aber der Leiter einer Behörde ein offizielles Dokument für den Dienstgebrauch erstellt - es ging ja darum, angesichts der Cutbush-Verdächtigungen in der "Sun" die Polizei intern auf eine Linie zu bringen - dann sollte es eigentlich nicht so fehlerbehaftet sein, schließlich standen ihm für das Abfassen die notwendigen Dokumente und fallkundigen Mitarbeiter zur Verfügung.

"ein Doktor, der aus einer angesehenen Familie stammt. Er verschwand zur Zeit des Mordes im Miller's Court"
Stimmt ebenfalls nicht: Druitt war Lehrer, und er verschwand nicht zur Zeit des Mordes, sondern erst Anfang Dezember.

Also entweder war Macnaghten schlampig bei diesem Memorandum, oder sein Zuarbeiter hat ihm fehlerhafte Info untergeschoben - aus welchen Gründen auch immer. Jedenfalls betrachte ich die Infos darin deshalb mit Vorsicht

Ich denke, wir können nicht sagen, was in den Unterlagen stand, welche Macnaghten zu sehen bekam. Er sprach ja auch von privaten Informationen und auch hier wissen wir nicht, wie diese zustande kamen. Ich bin kein Druitt Fachmann aber mir ist, als ob er aus einer Doktoren- Familie stammte. Die Informationen aus der Familie könnten beinhaltet haben, dass er als Doktor tätig war, sei als nur als Assi oder Kräuterdoktor. Hier sollte man vorsichtig sein, dass einfach als falsch zu bewerten. Kenntnisse als “Arzt“ waren für das Täterprofil ja auch wichtig. Und denke daran, Tumblety war auch kein richtiger Arzt. Ich weiß auch nicht, was unter den Kollegen bei der Polizei so erzählt wurde. Vielleicht dachte Nacnaghten, in der mündlichen Überlieferung, das ein Doctor T. (Tumblety) ein Doctor D. (Druitt) war. Als Macnaghten antrat, war der Fall gerade etwas abgekühlt änderte sich aber einen Monat später, als Mackenzie ermordet wurde. Macnaghten galt als eifrig, interessiert, man konnte auf ihn zählen. Es kommt immer darauf an, wie das Verständnis all dieser Dinge für ihn aussah. Ganz sicherlich trug er für dieses Memorandum die verschiedensten Informationen zusammen, die Fehler müssen nicht unbedingt bei ihm (allein) zu suchen gewesen sein. Ich meine, da gab es auch einen gemeinsamen Punkt in der Vergangenheit zwischen seiner Familie und der Familie von Druitt. Ich glaube, es könnte sich an dieser Stelle lohnen, sich der Arbeit von Jonathan Hainsworth zu widmen. Man muss sich aber auch einmal fragen, wie viel Bock er hatte, dieses Memorandum zu schreiben. Natürlich muss er in seiner Position professionell arbeiten aber ist das immer gewährleistet und scheitert es nicht manchmal dann genau bei etwas, offensichtlich, ganz wichtigem? Nacnaghten hat eine Menge im Leben erlebt und wer weiß, was gerade in diesem Moment wichtiger für ihn war… wir vergessen oft den menschlichen Faktor, Arthur…

Aber ich kann dir auch nur meine Gedanken dazu sagen… vielleicht sind diese aber auch falscher als falsch…


Hier ein paar Beispiele dafür (die du ja sicher auch kennst):

"Bezugnehmend auf den Doppelmord welcher am 30. September begangen wurde, gibt es keinen Zweifel, dass der Mann von einigen Juden gestört wurde, die auf dem Weg in einen Club waren (in der Nähe wo der Körper von Elizabeth Stride gefunden wurde)"
Dies ist nicht korrekt: es waren nicht "einige auf dem Weg in einen Club", es gab Diemschütz auf dem Weg in den Hof, ansonsten gab es Schwartz, der aber nur vorbeiging.

Möglicherweise verwechselte er hier die Tatorte und sprach über Lawende, Levy und Harris, die aus einem Club in der Duke Street kamen. Wir müssen aber auch in Betracht ziehen, dass Diemschütz, Schwartz und Pipeman diese drei Juden waren, welche in den Club in der Berner Street wollten. Bei Diemschütz ist es definitiv, Piepman könnte die Absicht gehabt haben und das könnte auch für Schwartz gelten. Ich glaube, der Übersetzter von ihm, bei der Polizei am nächsten Tag, war jemand aus dem Club in der Berner Street. So könnten alle drei Männer den Ripper kurz hintereinander gestört haben. Diesen Fehler von Macnaghten würde ich gerne offen lassen.

"Niemand sah jemals den Whitechapel Mörder"
Auch nicht ganz korrekt: Einige Zeugen sahen einen Mann mit den Opfern unmittelbar vor den Morden, er konnte nur nicht offiziell identifiziert werden.

"es sei denn der PC vom Mitre Square" (Macnaghten)...

Ich denke auch, dass er das meinte, keine Identifikation, egal welcher Verdächtiger, durch z.B. Long, Schwartz, Lawende und Hutchinson etc. und der City PC wird gesagt haben: Ich sah nicht sein Gesicht aber seine ganze äußere Erscheinung erkenne ich wieder… er sagt ja selber, da waren drei Juden die ihn störten... das sollte man ihm vielleicht auch nicht entgültig als Fehler anschreiben...

"Der Körper von Martha Tabram (...) war mehrmals durchbohrt worden, vermutlich mit einem Bayonet."
Ebenfalls nicht korrekt: Nur die Herzwunde sah so aus, als sei sie mit etwas anderem, stabilerem als einem normalen Messer verursacht worden.

"Diese Frau war am frühen Abend zusammen mit einer befreundeten Prostituierten in Begleitung von 2 Soldaten gewesen: diese Männer wurden verhaftet, aber die zweite Prostituierte versagte, oder weigerte sich, diese zu identifizieren und die Soldaten wurden letztendlich freigelassen."
Ebenfalls nicht korrekt: es gab Gegenüberstellungen in den Kasernen, aber kein Soldat wurde verhaftet und wieder freigelassen.

In all, there were thirty-nine stab wounds including:

5 wounds (left lung)
2 wounds (right lung)
1 wound (heart)
5 wounds (liver)
2 wounds (spleen)
6 wounds (stomach)

According to Killeen, the focus of the wounds were the breasts, belly, and groin area. In his opinion, all but one of the wounds were inflicted by a right-handed attacker, and all but one seemed to have been the result of an "ordinary pen-knife." There was, however, one wound on the sternum which appeared to have been inflicted by a dagger or bayonet


Ich lese 39 Stichwunden, die "Bajonett- Wunde" war im Brustbein, also die Herzwunde und alle anderen wurden verursacht durch ein eher gewöhnliches Messer. Da liegt er wirklich falsch. Aber wir sollten nicht vergessen, dass er sagte, dass der Körper wiederholt durchbohrt wurde, vermutlich von einem Bajonett. So falsch ist das ja nicht, der Körper wurde 39 mal mit einem Messer attackiert und ein Bajonett spielte möglicherweise auch eine Rolle. Es ist nicht korrekt aber auch nicht etwas total falsches. Ich weiß nicht, welche Quellen du kennst aber er sagte halt: Vermutlich. Für ihn war Tabram ja auch kein Ripper Opfer, er sagte, es gab fünf Opfer und nur fünf (die K5). Das soll aber nicht als Entschuldigung gelten. Verhaftete Soldaten? Sicherlich nicht aber bevor ich da was schreibe, mache ich mich noch einmal schlau.

Vielleicht gibt es für all diese “Fehler“ auch einfache Erklärungen, die wir einfach nicht kennen.

[/quote]

Mal abgesehen, von Schwartz, Pipeman, Diemschütz gab es ja auch noch BS Man am Stride Tatort. Via Sims (von Macnaghten) arbeitete Kosminski mal in einem Krankenhaus in Polen. Ostrog posierte wohl auch mal als Arzt, Tumblety wurde schon erwähnte. Druitt´s Vater war wohl offenbar Landarzt. Die Mutter psychisch krank, Druitt selber auch. Diese kränklich Menschen interessieren sich oftmals sehr für Krankheiten, vielleicht auch kein Zufall mit einem Arzt als Ehemann, sie sind Hypochonder und warum sollte ein Teilzeitlehrer sich nicht mit Medizin befassen und Vater zur Hand gehen. Der Vater ermöglichte ihm das vielleicht als er noch lebte. 1885 starb er und vielleicht hätte es besser bei Druitt heißen sollen, genau wie bei Kosminski via Sims, er "arbeitete" mal als Doktor. Nun zu sagen, dass dies Memorandum nur vor Fehler strotzt, ist mir zu einfach. Wir wissen ja gar nicht, ob die Polizei ermittelt hatte, ob Druitt seinen Vater in der Praxis zwischen 1883 und 1885 geholfen hatte und dort vielleicht sogar recht nützlich war. Macnaghten greift das auf, etwas, über das wir gar keine Kenntnisse haben.

Da gebe ich dir recht, ich vermute ja auch, dass unser Verdächtiger bis zu seiner endgültigen Einweisung vorübergehend schon zeitweise in Anstalten untergebracht war ("from time to time he became insane and was forced to to spend a portion of his time in an asylum in Surrey").
Leider haben wir bisher bei unseren Kandidaten keine Belege dafür. Von Kozminski ist nur bekannt, dass er vom 12. Juli 1890 bis 15. Juli für drei Tage in einem Workhouse war, bevor er im Februar 1891 endgültig nach Colney Hatch kam. Über Jacob Levy wissen wir bis zu seiner endgültigen Einweisung im August 1890 überhaupt nichts über vorübergehende Unterbringungen.

Bei Aaron Kozminski wurde 1891 die Dauer der Probleme von 6 Monate auf 6 Jahre geändert. Er war also ab seinem 20. Lebensjahr heftiger psychisch erkrankt. Sehr wahrscheinlich, dass er medizinische Hilfe in all den Jahren erhalten hatte und auch in Anstalten gewesen war. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies nicht stattgefunden hat. Das gleiche sollte aber auch für Levy gelten.   

Und ob ich das nachvollziehen kann. Das Problem ist ja, dass wir wissen, es standen mehrere Personen unter Beobachtung:
Aberdeen Weekly Journal, 16. November 1888: "The Central News is enabled to state that several houses at which the murderer is believed to call on occasionally are under the closest police surveillance."
London Evening News And Post, 13. September 1889: "The second man is now being watched. He is a resident of the East End, and has been for years. For a long time he has been acting in the most suspicious fashion."
North Eastern Daily Gazette, 18. September 1889: "A Detective's Views: We are watching now three men, besides the usual night-birds of Whitechapel."
Dummerweise können wir nur Vermutungen anstellen, welche der recht allgemein gehaltenen Andeutungen unserer Polizisten sich auf welchen Verdächtigen bezieht und wo es vielleicht wegen der erst Jahre später gemachten Aufzeichnungen vielleicht zu Irrtümern oder Verwechslungen kam.

Aber ich finde, wir haben trotzdem ganz gute Indizienketten dafür, dass zwei der Observierten Aaron Kozminski und Jacob Levy gewesen sein können.

Cox sprach ja selber davon, dass sie eine Menge Leute unter Beobachtung hatten.

Bemerkenswert im Memorandum ist eher die Bezeichnung "Kosminski" ohne Vornamen! Aber wir wissen ja, dass Aaron Kozminski im Dezember 1889 bei seiner Anhörung darauf hinwies, dass er "Kosminski" heißt aber manchmal eben auch unter Abrahams läuft. Ich kann mir gut vorstellen, dass dieser Mann in seinem Leben nur verloren hatte. Seine Geschwister änderten ihre Zunamen von Kozminski/Lubnowski in Abrahams oder Cohen. Wenn er abwechselnd bei ihnen lebte und danach sieht es aus, änderte sich bei ihm die Angaben hin- und wieder. Von Aaron Kozminski zu Aaron Abrahams oder Aaron bzw. Mordke Cohen oder gar Lubnowski- Cohen. Auf all diese Namensänderungen und Verluste hatte er vielleicht keinen Bock mehr und alles was ihm blieb war, dass er auf "Kosminski" bestehen konnte. Macnaghten bekam sehr wahrscheinlich unterschiedliche Angaben zu sehen und zu hören, was diesem Verdächtigen anging. Am Ende bezeichnete er ihn so, wie der Verdächtige es selber wollte und forderte als es auch die leitenden Beamten taten, nämlich einfach als "Kosminski".

Arthur, ich bin jetzt wirklich mal für ein paar Tage raus, es geht leider nicht anders. Falls Du weiterschreibst, ich reagiere ggf. mit ein paar Tagen Verzögerung.

Hab dich wohl,

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 16.09.2016 13:26 Uhr
Einen hab ich nun doch noch! Du lagst richtig. Hyman Samspon starb im April 1887 in der 35 Middlesex Street. Seine Frau machte 10 Monate später Werbung für das Geschäft in der 67 Middlesex Street. So sollten die neuen Nummern zwischen April 1887 und Februar 1888 vergeben worden sein. Werden ja nicht beide Frauen/Familien umgezogen sein...

Aber es ist interessant, dass zwei Schlachtergeschäfte nebeneinander mehr oder weniger von zwei Frauen betrieben wurden, von Elizabeth Sampson und von Sarah Levy.

Tracy Ianson Februar 2011:

Hi all

Just an update on the Hyman Sampson information.

Chris Phillips kindly sent me an advertisement he came across from Hyman Sampson's wife advertising the butcher business. Also a clipping showing Hymans burial details. Sorry won't let me paste the information - I will type it out the way it is worded.

MRS SAMPSON
Widow of the late Hyman Sampson
KOSHER BUTCHER
67 (late 35) Middlesex Street
Aldgate
Supplies families with the best meat at lowest possible prices. A large stock of
Smoked beef .....Wholesale..... 1s per 1lb
Salt Beef " 9d "
Worscht " 8d "
and tongues always on hand.
EARLY DELIVERY TO ALL PARTS.

You will notice she has moved from 35 Middlesex Street to 67 after the death of her husband. However she seems to have kept the business running herself. Chris found the advert published on 10 and 17 February, 20 April, 11 and 25 May, 1, 13 and 29 June and 27 July 1888.

Also the notice of his funeral -:

THE TOMBSTONE in memory of the late HYMAN SAMPSON, out of 35 Middlesex Street will be set at West Ham Cemetery on SUNDAY, the 15 inst, at 8 o'clock - friends will kindly accept this, the only intimation.


Nun aber wirklich weg...
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 16.09.2016 17:20 Uhr
Hallo Lestrade!


Zitat
Einen hab ich nun doch noch! Du lagst richtig. Hyman Samspon starb im April 1887 in der 35 Middlesex Street. Seine Frau machte 10 Monate später Werbung für das Geschäft in der 67 Middlesex Street. So sollten die neuen Nummern zwischen April 1887 und Februar 1888 vergeben worden sein. Werden ja nicht beide Frauen/Familien umgezogen sein...

Super, vielen Dank! Ich denke, damit können wir das Tea Warehouse 36 formerly Petticoat Lane endgültig abhaken. Du hattest recht, dass ich mich ursprünglich in der Adresse geirrt hatte.
Levys Shop war offensichtlich der auf der Westseite unterhalb der Stoney Lane, und nach dem letzten London Business Directory Eintrag für 1888 (der natürlich Ende 1887/Anfang 1888 erstellt wurde) mit der Nr. 36 für Levy wurden die Hausnummern in diesem Straßenabschnitt geändert, so dass im Census von 1891 die Levys dann Nr. 69 hatten und Sampsons Witwe die 67.

Klasse Zusammenarbeit - auch wenn Tracy Ianson es längst vorher gewusst hat, und ich Dödel es auch schon längst hätte wissen können, wenn ich ihre Threads nur genauer gelesen hätte. Sollte ich mal nachholen, vielleicht finde ich ja noch was, das ich bisher übersehen hatte.


Damit gäbe es eine elegante Erklärung dafür, warum JTR - wenn Jacob der Ripper war - nach dem Mord an Eddowes die Schürze in der Goulston Street deponiert hat:
Wegen des knappen Zeitraums bis zum erneuten Auftauchen von PC Watkins dürfte JTR gerade noch rechtzeitig aus dem Mitre Square verschwunden sein, vermutlich hatte Watkins ihn nur um Sekunden verpasst, und JTR merkte, dass er beim Verlassen des Tatortes Richtung Osten gesehen wurde. Er wird auf der Flucht durch die Stoney Lane die Polizeipfeifen gehört haben und es hallten die schweren Polizeistiefel durch die Straßen - auch in seine Richtung.
Wenn er bemerkt hatte, dass man ihm so dicht auf den Fersen war, musste er befürchten, dass an allen Häusern auf der Fluchtroute Polizisten auftauchen würden. Und falls er beim Betreten seines Shops gesehen worden wäre, hätte man ihn gehabt, mit Eddowes Schürze als Beweis. Er hatte zu nahe an seinem Zuhause zugeschlagen und musste also die Polizei von seinem Heim direkt an der Stoney Lane ablenken und die Schürze loswerden.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 17.09.2016 01:04 Uhr
Mir ging nun doch noch etwas durch den Kopf, Arthur!

Lady Anderson, die Frau von Robert Anderson, gab ja mal an, dass der vermeintliche Ripper in der Nähe von Stone interniert wurde. Ihr Mann wird mit ihr also über die Mordserie gesprochen haben.

Wenn wir uns nun vorstellen, dass die City Police mehrere Verdächtige hatte und Jacob Levy einer davon war, dann hat das auch Robert Anderson gewusst. Vielleicht waren die Umstände bei Jacob Levy so überzeugend, dass er ihn tatsächlich ganz oben auf seiner Liste hatte. Zumindest zu der Zeit, als Jacob Levy in das City of London Asylum in Stone, Kent eingeliefert wurde (15. August 1890).

Jacob Levy könnte ja durchaus der Verdächtige von Sagar und/oder Cox gewesen sein. Sagar sagte ja, seine Freunde dachten, es wäre klug ihn einzuweisen. Jacob Levy wurde ja unter Adressen von Freunden eingeliefert. Ein Name wurde eingetragen und das war der von Isaac Barnett, 37 Middlesex Street. Vielleicht war Joseph Hyam Levy in der Tat ein im Nachhinein wichtiger Zeuge der City Polizei im Fall seines Cousins Jacob Levy. Sagar sagte ja auch: “Identification being impossible“. Meines Erachtens zog auch Joseph Hyam Levy aus seiner Adresse weg, so um 1890/91 (ähnlich wie die Geschwister von Aaron Kozminski).

Am 29 Juli 1891 starb Jacob Levy. Bisher dachte ich immer, Swanson´s Irrtum mit dem Sterben von Aaron Kozminski kurz nach seiner Einweisung nach Colney Hatch, könnte etwas mit David Cohen zu tun haben, der ja tatsächlich im Oktober 1889 in Colney Hatch starb.

Aber was, wenn Aaron Kozminski, als weiterer City Police Verdächtiger, im Seaside Home identifiziert wurde, während Jacob Levy bereits in Stone weggeschlossen worden war? Geschehen zwischen dem 15 August 1890 und Ende 1890/ Anfang 1891. Major Smith war ja nicht so begeistert von Robert Anderson´s “Ausländischen Juden“. Weil er einen ebenso guten Verdächtigen hatte, den auch er “irgendwie“ identifizieren konnte (Jacob Levy/ Joseph Hyam Levy)?   

Aaron Kozminski gehörte vielleicht zu den “vielen Leuten, die die Polizei unter Beobachtung hatte“ (Cox). Aaron Kozminski kam dann schlussendlich im Februar 1891 nach Colney Hatch. Am 29 Juli stirbt dann aber Jacob Levy in Stone. Kein halbes Jahr nach Aaron Kozminski´s Einweisung nach Colney Hatch. Was auch immer dann geschah, ob nun im Austausch zwischen der City Polizei und Swanson oder Swanson mit Anderson etc., sie mussten sich vielleicht über mehrere Verdächtige austauschen und dazu gehörten wohlmöglich Jacob Levy und Aaron Kozminski. Zum Beispiel: Swanson hört von dem Tod von Jacob Levy und verbindet das fälschlicherweise mit Aaron Kozminski. Bereits 1895, via Pall Mall Gazette, wird behauptet, dass Swanson nun daran glaube, dass die Jack the Ripper Morde das Werk eines Mannes waren, der nun bereits schon tot ist.

Macnaghten erwähnte nur einen dieser beiden City Police Verdächtigen, Kosminski, weil er eben ein Angehöriger der MET Police ist und weniger über Jacob Levy weiß, als über Kosminski. Und das, obwohl Jacob Levy ein weit besserer Kandidat gewesen wäre als Druitt oder Ostrog.

Falls nun wirklich ermittelt werden konnte, dass Joseph Hyam Levy seinen Cousin Jacob Levy mit Eddowes sah, dann wäre das der Hammer. Aber es wäre auch vollkommen klar, dass er damit zumindest ein (wenn nicht gar der) Hauptverdächtiger der City Polizei gewesen wäre. Möglicherweise war das aber vielleicht auch das einzige was sie hatten, auch wenn das schon eigentlich sehr viel wäre. Ich vermute jedoch, dass es bei Kosminski viel mehr weitere Umstände gab (Macnaghten) als bei Levy. Diese Konstellation, Levy/ Kosminski, könnte jedoch auch ein Grund dafür sein, dass sich bestimmte Polizeiangehörige jahrelang mit ihren Meinung zurückhielten.

Die MET Polizei, mit Anderson und Swanson, gingen vielleicht am Ende davon aus, dass es gut möglich war, dass Eddowes mit Jacob Levy an der Church Passage zum Mitre Square gesehen wurde aber sie danach sofort Kosminski in die Arme lief.

Zu deinem letzten Post:

Ja, der Levy Shop lag an Stoney Lane. Wir beide wissen jetzt aber, bei Tracy bin ich mir nicht sicher, dass die Levys nicht den Shop wechselten, er bekam nur eine neue Nummer. Und Scott wird nun wissen, dass der Teehandel von Paget & Piggott (neue 36) nicht den Shop von Levy ersetzte. Das ist doch schon mal was. Davon abgesehen, man überliest immer ordentlich was, auch beim zehnten Mal oder vergisst es im Nachhinein aber wir sind ja auch nur Menschen.

Es ist mir ein wahres Vergnügen mit dir, Arthur aber nun muss ich endlich mal durchhalten und mich weiter den anderen Aufgaben widmen.

Yours, Lestrade.

   
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 17.09.2016 11:56 Uhr
Hallo Lestrade, hallo allesamt!


Was die Belegung der Häuser in der Middlesex Street angeht, das hat mir keine Ruhe gelassen, und ich musste es mir nochmal genauer ansehen.
Ist ein Mordstext geworden, aber ich bin noch auf einiges gestoßen, was mich zu interessanten Überlegungen führte.


Ich habe im Online-Katalog der University of Leicester eine große Sammlung von eingescannten
alten Postverzeichnissen gefunden, dummerweise für London nur die Jahre 1882 und 1895, dazwischen kein weiterer Jahrgang.

Hier der Post Office London Directory, 1882. [Part 1: Official & Street Directories],
Page 493 mit der Middlesex Street:
http://cdm16445.contentdm.oclc.org/cdm/compoundobject/collection/p16445coll4/id/8865/show/38722

Und hier Post Office London Directory, 1895. [Part 2: Street Directory],
Page 368 mit der Middlesex Street:
http://cdm16445.contentdm.oclc.org/cdm/compoundobject/collection/p16445coll4/id/8845/rec/79


Die Theorie, dass wohl keiner unserer Leute innerhalb der Straße umgezogen ist, sondern einfach nur die Hausnummern geändert wurden, bestätigte sich wieder:
Das Verzeichnis von 1882 hat noch die alten Hausnummern, da findet man unseren alten Bekannten Bolam George, dairyman, in  Nr 13A, in dem Verzeichnis von 1895 ist er dann unter Nr. 27 als Bolam George, cow keeper, eingetragen: Auch hier wieder Verdoppelung der Zahl durch Wegfall der geraden Hausnummern auf der Westseite.


Aber jetzt wurde es für mich erst interessant:

1. Wir hatten ja darüber diskutiert, ob die Middlesex Street von unserem Polizisten Sagar vielleicht noch als Teil der "Butcher's Row, Aldgate" angesehen worden sein könnte.

2. Außerdem hatten wir darüber diskutiert, inwieweit die ehemalige Petticoat Lane außer den Marktständen noch genügend Bekleidungsindustrie enthielt, dass die Aussage von Cox auf sie zutreffen könnte: Weil ihre Observation von einigen jüdischen Einwohnern bemerkt worden war, behaupteten sie, sie seien Factory Inspectors, die die illegale Beschäftigung von Minderjährigen in der Bekleidungsindustrie überwachen sollten.


Zu 1:
Schauen wir uns die u.a. Verzeichnisse an, so fällt auf, dass es 1882 noch jede Menge jüdische Butcher in der Middlesex Street gab (insgesamt 11 - von mir mit "B" gekennzeichnet). Das ging zwar bis 1895 stark zurück, aber unter den Einheimischen könnte die Westseite der Middlesex Street - zur Abgrenzung gegen die östliche noch immer im Volksmund als Petticoat Lane bezeichnete Seite - durchaus als Teil oder Verlängerung der Butcher's Row in der Aldgate High Street angesehen und so genannt worden sein. 
Vielleicht war es auch nur ein Missverständnis von Sagar, dass er glaubte, diese Metzgereien würden im Volksmund noch zur "Butcher's Row, Aldgate" zählen.
Meine These ist jedenfalls, dass Sagar somit durchaus auch einen Verdächtigen in der Middlesex Street selbst überwacht haben könnte.

Zu 2:
Was die Aussagen von Cox betrifft, finden wir hier ebenfalls Übereinstimmungen:
Schon die Firemap von 1887 zeigte neben den Lagerhäusern der Clothiers in der ehem. Petticoat Lane auch Clothing Factories.
Das Verzeichnis von 1895 listet zusätzlich in der Straße eine ganze Reihe von Clothiers, Tailors und Furriers auf (insgesamt 13 - von mir mit "C" gekennzeichnet). Dazu auch noch sog. "wardrobe dealer" - den Begriff kannte nicht mal leo.org, daher weiß ich jetzt nicht, ob das wortwörtlich Kleiderschrank-Verkäufer (also Möbelgeschäfte) oder Garderoben-Händler im Sinne von Bekleidungsgeschäften waren... Egal.
Jedenfalls kann man m.E. durchaus sagen, dass es in der Middlesex Street nicht nur den Kleider-Markt, sondern auch noch eine ansehnliche Bekleidungsindustrie gab, und die Aussage von Cox mit den Factory Inspectors sich durchaus auf die Middlesex Street bezogen haben kann.
Und was sagte Cox noch: Wir tranken ihren Kaffee und rauchten ihre exzellenten Zigarren...
Es gibt außerdem Kaffeehäuser und Tabakhändler, sogar eine tobacco manufacture.


Kurz: Sowohl die Aussagen von Sagar als auch von Cox treffen m.E. auf die Middlesex Street zu und könnten sich darauf beziehen.


Hier die Verzeichnisse:


Post Office London Directory 1882:

Middlesex at. 148 Whitechapel.
(E.) .MAP P9.

2    SolomonsAbraham T., hatter               C
4    Levy Moses, confectioner               
5    Solomon Philip, clothier               C
6    Defries Hy. & Son, gasfitters
7    Weil Joseph, butcher                  B
8    Weil Samuel, dining rooms
9    Woolf lsaac, dealer in playing cards
10   Vanleer Marks, picture frame maker
13A    Bolam George, dairyman
15    Levy Joshua, chandler's shop + Lyons John, butcher   B
16    Davis Woolf, bootmaker               
17    Wittich John Henry, baker
18    Weil Simon, butcher                  B
20    Costa Raphael, butcher               B
21    Nathan Michael, trimming seller
26    Myers Israel, butcher                  B
28    Horns, Abraham Abrahams
29    Green Michael Levy, baker
30    Gold Levy, grocer
31    Abrahams John, sausage maker
32    Ball John, baker
33    Cohen Abraham, confectioner            
34    Robinson Abraham, bootmaker
35    Hyams Solomon, fruiterer
40    Assenheim Judah, pickle dealer
41    Lazarus Eleazer, poulterer
43    Hamis David, gingerbeer maker
44    Stein William, baker
45    Earnett Henry, butcher               B
46    Abrahams Solomon, grocer
47    Lyons David, butcher                  B
49    Barnett Samuel, coffee rooms
.... here is Harrow alley ...
6    Wermann William, baker
5    White Lewis, butcher                  B
4    Joseph Lazarus, chandler's shop
1    Blue Anchor, Judah Green
... here is Wentworth street...
97    Harris Michael, baker
106    Bell, Judah Green
109    Solomon Jonas, butcher               B
116    White Jacob, butcher                  B
123    Phillips Zeley, fishmonger
132    Sampson Nathan,who. boot maker
134    Levy Moses, butcher                  B
135    Roos Maykel, dealer in job lots


Post Office London Directory 1895:

Middlesex Street. 148 Whitechapel High Street 
(E.) .MAP P9.

EAST SIDE,
4    Taylor Edward, writer on glass
6    Beere Gershion, hair dresser
   Toplis Edward, tobacco manufr. (Boar's Head yard)
   Hollington Bros. who. clothiers            C
18&32 Weber Woolf & Sons, bootmakers
20    Suggars & Sturrock, packing case makers
22    Hambloch Hermann, cigar manufacture
26    Green John, boot manufacturer
28    Ceylon Tea Growers Limited
30    Dickinson Chas. & Co., merchants
32&18 Weber Woolf & Sons, bootmakers
34    Lion Alfred & Samson, who. clothiers         C
36    Paget & Pigott, tea merchants
38    Tubular Lock Syndicate Lim
38    Joseph Samuel, ladies' tailor               C
40 to 46 Menhinick, White & Co. limited, wholesale clothiers   C
46    Mortimer Walter Hall & Co., tea merchants
48    Dubowski Barnett & Sons, wholesale grocers
48    Doidge & Co., packing case makers
50    The Bell, Mrs. Sarah Rose
...here is New Goulston street...
52     Isaacs Lammy, chandler's shop
54    Prince Louis, piece broker
56    Jenkins John, dairyman
58    Siegenberg Emanuel, ironmonger
60   Joel Zuse, fishmonger
62    Nathan Mrs. Polly, fried fish shop
64   Littman Fishel & Co., woolln.drprs
66   Hyams Syckerman, butcher               B
68    Joseph Henry, confectioner
70    Cohen Noah, tin plate worker
...here is Wentworth Street...

WEST SIDE
5    Silver Mrs. Fanny, confectioner
7    Defries Henry, gasfitter
   Hollington Bros., who. clothiers            C
11   Bayley Benjamin, coffee rooms
13   Cohen Isaac & Asher, who. clothiers            C
15    Woolf Isaac, stationer
17    Simmons Simon, wardrobe dealer
19    Simmons Lewis, clothier               C
21   King Henry, tailor                  C
23   Harbor, Mrs. Sarah, milliner
25    Alexander & Co. warehousemen
27    Bolam George, cow keeper
...here is Hutchison Street...
29   Klein Jsph. & Sons, who.clothiers            C
31    Levy Joshua, grocer
33    Levy Benjamin, tailor                  C
35    Christmas Mrs. Nora, shirt &.c.dresser         C
37    Nordheim Charles, baker
39&49 Valentine Alfred, clothier               C
41    Zimmerman Harris & Son, Manchester warehousemen
43    Nathan Cushman, wardrobe dealer
...here is Ellison street...
45    Bendon Napthali, tobacconist
47    Levy Samuel, eating house
49&39 Valentine Alfred, tailor               C
51    Hyams David, pickle maker
53   Horn, Joseph Aarons
55&75 Cohen Mrs.Annie, wardrobe dealer
57   Levy Henry, furniture dealer
59    Abrahams John, sausage maker
61    Harris Godfrey, baker
63   Cohen Isaac, confectioner
65    Isaacs Abraham, greengrocer
67    Krotoski Aaron, butcher               B
69   Bodgerhart Daniel, fried fish shop
71   Green Aaron, pickle maker
... here is Stoney Lane ...


Und zum Schluss jetzt noch ein ganz besonderes Schmankerl:

Der Butcher Shop von Sampson (Nr. 67) direkt neben Levys Laden wurde zwischen 1891 und 1894, als auch Sarah Levy ihren Laden aufgab und wegzog, schließlich von einem jüdischen Metzger namens Aaron Krotoski übernommen.
Aaron Krotoski - Aaron Kosminski, zwei für Engländer ungewöhnliche Namen, die ähnlich klingen, könnte da etwas in den Erinnerungen unserer Polizisten durcheinander geraten sein?

Zwei jüdische Verdächtige, die kurz nacheinander im Irrenhaus landeten, der eine ist ein Butcher, dem ein Aaron Krotoski nachfolgte, der andere heißt Aaron Kosminski - und dort in der Middlesex Street, wo wahrscheinlich eine der Observationen stattfand, war nach dem Wegzug von Sarah Levy nicht viel später nur noch ein jüdischer Metzger namens Aaron Krotoski angesiedelt.

Macnaghten schrieb sein Memorandum 1894 und war an den Ermittlungen im Ripper-Fall nicht beteiligt, er hatte seine Informationen also von seinen Kollegen, vermutlich von Swanson, und der wiederum hatte sie vielleicht von den Kollegen der City Police, denn die Butcher's Row Observationen hatte ja die City Police betrieben.
Den Shop der Levys gab es nicht mehr, dort oben an der Ecke Stoney Lane war jetzt nur noch der Laden eines Aaron Krotoski.
Könnte es bei Swanson und infolge davon beim von Swanson fehlerhaft informierten Macnaghten daher vielleicht zu einer Verwechslung bzw. Vermischung von Kosminski mit Levy gekommen sein?
Immerhin glaubte Swanson ja auch, der Verdächtige sei nicht lange nach seiner Einweisung verstorben, aber Kosminski lebte noch bis 1919, während Levy schon 1891 in der Anstalt starb (danke für den Hinweis, Lestrade). Da wurden womöglich auch Daten zweier Verdächtiger vertauscht.

Klingt vielleicht etwas weit hergeholt, aber wir haben im Ripper-Fall ja einige Aussagen, die wie von verschiedenen Verdächtigen zusammengestückelt erscheinen.


MfG, Arthur Dent



P.S. Falls noch jemand Adressen-Listen der Middlesex Street aus den Jahren um 1888 bis 1891 haben sollte, wäre es nett, wenn er sie posten würde, damit wir sie mit den vorhandenen vergleichen können.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 17.09.2016 15:15 Uhr
Du machst mich fertig, Arthur...  :shout:

Nun schreibe ich doch schon wieder! Kam gerade völlig durchgeschwitzt aus unserem Grundstück gekrochen, zünde mir eine Pfeife an und wollte Sky 2. Bundesliga schauen... via Sky Go... durch unseren Umzug habe ich Sky erst wieder auf dem TV ab Oktober... Silverlight Programm lief jedoch nicht und ich musste neu installieren, nichts funktionierte zunächst und als es ging, war die 2 Bundesliga vorbei... aber gleich genieße ich die Bundesliga Konferenz... und dann lese ich dein Post und muss natürlich antworten... purer Stress...

Zunächst erst einmal vielen Dank für deine Recherche, sehr interessant.

Du fragst nach den Middlesex Street Adressen u.a. für 1891. Damit kann ich natürlich dienen, weil ich ja ständig bestimmte Adressen schon gepostet habe... hier alle, die ich mir notiert habe, sortiere aber bitte selber... habe gerade keinen Bock...  :flag_of_truce:

Baker:

Wm. Wermann 86
John Hy. Wittich 37

Clothier:

Judah Joseph 76 Middlesex Street
Alfred & Samson Lion 34
Isaac & Asher Cohen 13
Isaac Hyman 97
Hollington Bros. ?

Coffee Rooms:

Samuel Levy 47

Confectioners & Pastry cooks:

Mrs. Fanny Silver 5

Cowkeepers:

George Bolam 27

Dairyman:

Isaac Barnett 87
John Jenkins 56

Feather Merchants:

Aaron Hartog Blitz 85

Fried Fish Shop:

Samuel Barnett 95
Michael Joseph 80

Fish Sauce & Pickle Makers:

J.Assenheim 77

Fishmongers:

David Hyams 51

Fried Fish Shops:

Mrs. Polly Nathan 62

Furriers:

Samuel Levison 21
Benjamin Hyam 70

Gasfitters:

Henry Defries 7

Greengrocers:

Brothers Levy 65
Christopher Luck 93

Hairdressers & Perfumers:

Joseph Hanreck 74
Wm. Wright 4 Cobb´s Yard

Ironmongers:

Emanuel Siegenberg 58

Oil & Color Men

Jacob Joseph 41

Packing Case Maker:

James Doidge 48

Piece brokers:

Louis Prince 54
Fishel Littman 64

Publicans:

Joseph Aarons “Horns” 53
Rose William

Tailors:

Benjamin Levi 33
Isaac Valentine 49

Tea Merchants:

Paget & Piggott 36

Tobacconists:

Napthali Benton 45

Wardrobe Dealers:

Nathan Cashman 43
Simon Simmons 17

Boot & Shoemakers-Wholesale

Wolff & Sons Weber 18
Simon Cohen 9

Butchers:

Joseph Joseph 39
Jacob Levy 69f
Hyman Sampson 67
Hyams Syckerman 66 Aldgate
David Nussbaum 91 Aldgate
Abraham White 84

Chandlers Shops:

Godfrey Marks 52
 
Card & Cardboard Makers:

Isaac Woolf 15

Cigar & Tobacco Importers & Manufacturers:

Hermann Hambloch 22
Wm. Paul Hudden & Co 28

Merchants West India:

Chas. Dickinson & Co 30

Military Store Dealers:

Solomon Berlinski 88

Poulterers:

Emanuel Barnett 79

Soda Waters & Ginger Ale Makers:

Hyam Hyams 83

Carpenter/ Packing Case Maker:

Suggars Mather & Sturrock 20

Clothier:

Henry Cooper 23
Simon Simmons 19

Coffee Room:

Emily Haas 11

Fishmonger:

Aaron Green 71

Furniture Dealers and Brokers:

Henry Levy 57

Grocer and Tea Dealer:

John Abrahams 89

Lock Makers:

Tubular Lock Co 38

Oil & Color Man:

Jacob Joseph 41

Publican:

Abraham Judah Green 78

Tailor:

Benjamin Levy 33

Wardrobe Dealer:

Annie Cohen 75
Nathan Cushman 43

M.J. Singer 8a Stoney Lane


Singer in Stoney Lane hatte ich für mich notiert, weil eine von Aaron Kozminskis Schwestern verheiratet Singer hieß, 8a Stoney Lane war ja um die Ecke bei Levy, in der Mitte dieser kleinen Straße.

Bei dir sehe ich zwei Moses Levy:

4    Levy Moses, confectioner 
134    Levy Moses, butcher   

Einer der Brüder von Jacob Levy hieß ja auch Moses Levy. Könnte sein, dass dieser Confectioner war, da war auch noch ein Onkel, glaube ich, Moss und der war Butcher. Vielleicht kannst du das noch genauer bestätigen. Bruder Abraham sollte der mit dem Selbstmord gewesen sein.

Bodgerhart übernahm also den Levy Shop.

Zu Krotoski/Krokoski siehe Tracy Ianson:

http://www.jtrforums.com/showthread.php?t=10323&page=12

Hi all

Hyman Sampson was who Jacob was caught stealing meat from in 1886, and sent to an asylum, Hyman lived at 58 Goulston Street until it was knocked down in 1886/7.


I posted this last year and have since realised that it is not quite correct.

Hyman Sampson lived at 58 Goulston Street in 1871 (classed as Thomas but is clearly Hyman when you look at the original). He is classed as a butcher 48 born in Poland Russia living with him is
Elizabeth Sampson 44 born Poland Russia
Sarah 14 born in Poland Russia
Leah 9 born in Whitechapel Middlesex
Hannah 4 born in Whitechapel Middlesex
Samuel Brawer 25 Servant Butcher Poland Russia
David Fordonsky 19 Servant Butcher Poland Russia
Kate Daley 30 domestic servant Poland Russia

In 1881 he is still at 58 Goulston Street he is classed as a master butcher employing 2 men and 2 boys.
Elizabeth Sampson 56 Poland Russia
Leah 18 Butcher's daughter Whitechapel Middlesex
Annie 13 Scholar Whitechapel Middlesex
Julia Welch 30 General Servant Whitechapel Middlesex
Phillip Ellisberg 18 Butcher ????Russia
Abraham Krokoski 18 Butcher New York USA
Elias Talouias 14 Butcher ????? Russia
John Sampson 12 Butcher Whitechapel Middlesex

I am not sure if John is part of his family or just has the same last name. Would seem a little strange if he was part of the family to be placed last on the census sheet.

I stated above that Hyman was living at 58 Goulston Street at the time of the theft of meat by Jacob, this is in fact incorrect. (Sorry!!) According to the Old Bailey transcript of the theft of meat by Jacob, Hyman lived at 35 Middlesex Street (Jacob at 36). It is possible that he did indeed move from Goulston Street because of the demolition to make room for the Wentworth buildings but he could have moved before that.

A little further digging shows that Hyman died 2 April 1887. However things are a little confusing (for me anyway) as there seems to be 2 probate records.

First one - 20 May Administration of the personal estate o Hyman Sampson late of 35 Middlesex Street Aldgate in the City of London. Butcher who died 2 April 1887 at 35 Middelsex Street was granted at the principal Registry to Betsy Sampson of 35 Middlesex street widow the relict. Personal estate £437.

Also - Hyman Sampson Middlesex street Aldgate London died 2 April 1887 Administration, London. 6 July to Hannah Kratoski (wife of Aaron Kratoski) Effects £130. Former grant May 1887.

Probate date 6 July 1898.

Does this mean for some reason Elizabeth had to pay Hannah Kratoski £130 for some reason?




Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 17.09.2016 19:01 Uhr
Hallo allesamt!

Lestrade, dich lass ich mal außen vor, damit du dich nicht von mir gehetzt fühlst. ;-)
Vielen Dank, dass du trotzdem so schnell die anderen Adressen gepostet hast.


Hier die noch unvollständige, aber doch schon gut gefüllte Adressliste für 1891:


Middlesex Street 1891,
Westseite von Nord nach Süd:

97      Clothier: Isaac Hyman                    C
95      Fried Fish Shop: Samuel Barnett
93
91      Butcher: David Nussbaum                   B
89      Grocer and Tea Dealer: John Abrahams
87      Dairyman: Isaac Barnett
85
83      Soda Waters & Ginger Ale Maker: Hyam Hyams
81
79      Poulterer: Emanuel Barnett
77      Fish Sauce & Pickle Maker: J.Assenheim
75      Wardrobe Dealer: Annie Cohen
73
---   Einmündung Stoney Lane
71      Fishmonger: Aaron Green
69      Butcher: Jacob und Sarah Levy                B
67      Butcher: Sampson / danach Aaron Kratoski             B
65      Greengrocer: Brothers Levy
63      (1895 Cohen Isaac, confectioner)
61      (1895 Harris Godfrey, baker)
59      (1895 Abrahams John, sausage maker)            B
57      Furniture Dealer and Broker: Henry Levy
55      (1895 Cohen Mrs.Annie, wardrobe dealer)
53      Publican: Joseph Aarons "Horns"
51      Fishmonger: David Hyams
49      Tailor: Isaac Valentine                   C
47      Coffee Rooms: Samuel Levy
45      Tobacconist: Napthali Benton
---   Einmündung Ellison Street
43      Wardrobe Dealer: Nathan Cashman
41      Oil & Color: Jacob Joseph
39      Butcher: Joseph Joseph                   B
37      Baker: John Hy. Wittich
35      (1882 Davis Woolf, bootmaker)
33      Tailor: Benjamin Levi                   C
31      (1895 Levy Joshua, grocer)
---   Einmündung Hutchinson Street
01       (Hutchinson Street) Butcher: Joseph Hyam Levy         B
29      (1887 Ruins - 1895 Klein Jsph. & Sons, who.clothiers)      C
---   Einmündung Garden Place
27      Cowkeeper: George Bolam
25      (1895 Alexander & Co. warehousemen)
23      Clothier: Henry Cooper                    C
21      Furrier: Samuel Levison
17-19      Clothier: Simons Simmons                   C
15      Card & Cardboard Makers: Isaac Woolf         
13      Clothier: Isaac & Asher Cohen                C
---   Einmündung Black Horse Yard
11      Coffee Room: Emily Haas
09      Boot & Shoemaker: Simon Cohen
07      Gasfitter: Henry Defries
05      Confectioner: Mrs. Fanny Silver
03      (1882 Solomons Abraham, hatter)               C
01
---   Einmündung Aldgate High Street



Middlesex Street 1891,
Ostseite (ehem. Pettycoat Lane), von Nord nach Süd:

134      Butcher: Levy Moses                      B
...
86      Baker: Wm. Wermann
84      Butcher: Abraham White                   B
82
80      Fried Fish Shop: Michael Joseph
78      Publican: Abraham Judah Green
76       Clothier: Judah Joseph                   C
74      Hairdressers & Perfumers: Joseph Hanreck
---   Einmündung Wentworth Street
72
70      Furriers: Benjamin Hyam                    C      
68      Cook & Confectioner: Harry    Joseph         
66      Butcher: Hyams Syckerman                   B      
64      Piece brokers: Fishel Littman          
62      Fried Fish Shops: Mrs. Polly Nathan       
60      Fishmonger / Fish Frier / Coffee: Zuss Joel   (ab 1891 - zuvor vac.)   
58      Ironmongers: Emanuel Siegenberg          
56      Dairyman: John Jenkins             
54      Piece brokers: Louis Prince             
52      Chandlers Shops: Godfrey Marks          
---   Einmündung New Goulston Street
50      The Bell Public House: William Rose      
48      Packing Case Maker: James Doidge (ab 1891 - zuvor vac.)               
40-46      Tarling, Bagg & Co. Clothiers Warehouses + Manufactory      C
38      Joseph Samuel, ladies' tailor                  C
36      Tea Merchant: Paget & Piggott
34      Alfred & Samson Lion, WHO Clothiers            C
32      (1887 als "vac." markiert)
30      Merchants West India: Chas. Dickinson & Co
28      Cigar & Tobacco: Wm. Paul Hudden & Co
26      (1887 Jam Factory + Furriers)               C
24      
22      Cigar Manufactory: Hermann Hambloch
20      Carpenter / Packing Case Maker: Suggars Mather & Sturrock
18       Boot & Shoemakers-Wholesale: Wolff Weber & Sons   
16      Wardrobe Dealers: Simon Simmons                      
6-14      Hollington Brothers, WHO Clothiers            C
4      Confectioner: Levy Moses
2      (1887 Chemist)
---   Einmündung Aldgate High Street


Obwohl ich noch nicht alle Lücken füllen konnte, komme ich für das Jahr 1891 in der Middlesex Street immer noch auf mindestens 8 Butcher und 12 Adressen der Bekleidungsindustrie vom Clothier über Tailor bis zur Manufaktur.

Ich würde mal sagen: Sowohl Sagar als auch Cox können sich bei ihren Aussagen über die Observationen auf die Middlesex Street bezogen haben.



Zu Tracy Iansons Census Daten über die Sampsons:

Interessant ist, dass der Butcher Aaron Krotoski schon 1881 als 18-Jähriger bei Hyman Sampson in der Goulston Street 58 gemeldet war als einer seiner Angestellten. Diese Hannah, die er heiratete, war offenbar Sampsons Tochter. Er machte wohl bei Sampson seinen Metzgermeister, zog dann mit ihnen in die Middlesex Street um, und als Hyman starb, übernahm er schließlich irgendwann nach dem Sommer 1888 endgültig den Shop von seiner Schwiegermutter Elizabeth.
Also war der Metzger Aaron Krotoski während der Phase der Ripper-Observationen der unmittelbare Nachbar des Metzgers Jacob Levy - und kurz darauf der einzige jüdische Butcher an der Ecke zur Stoney Lane.
Der eine war Sampsons Angestellter, Schwiegersohn und Nachfolger, der andere hat bei Sampson geklaut - und war Sampson nicht auch zuvor Levys Meister gewesen (ich glaube, ich hatte das mal irgendwo gelesen)?
"He, wer war noch mal dieser jüdische Metzger in der Middlesex Street oben bei der Stoney Lane, der beim alten Sampson, den die City Police beobachtet hat?" - "Das muss dieser Aaron Kosdingsda gewesen sein." ;-)

Klingt jetzt gar nicht mehr so weit hergeholt mit einer möglichen Namensverwechslung bezüglich der Verdächtigen Aaron Kosminski und dem Butcher aus der Middlesex Street.
Danke, Lestrade.


MfG, Arthur Dent


Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 18.09.2016 11:24 Uhr
Hallo allesamt!

Angesichts der recht fruchtbaren neuen Erkenntnisse der vergangenen Tage habe ich die Jacob-Levy-These aktualisiert.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 18.09.2016 11:37 Uhr
Jack the Ripper – Tatverdächtiger Jacob Levy



Jacob Levy wurde 1856 als Sohn des Metzgers Joseph Levy im Londoner Eastend geboren, lebte und arbeitete im Viertel und wurde 1890 aufgrund der Folgen einer fortschreitenden psychischen Erkrankung in eine Nervenheilanstalt eingewiesen, wo er 1891 starb. Als Todesursache wurde in den Anstaltsakten ein fortschreitender Verfall infolge einer Syphilis angegeben.
Seine Frau Sarah soll den Anstaltsakten zufolge nach der Einweisung gesagt haben, Levy habe beinahe sie und ihr Geschäft ruiniert, früher sei er ein guter Geschäftsmann gewesen. Aber er schlafe nun nachts nicht mehr, sondern wandere oft für Stunden ziellos umher. Auch befürchte er, jemandem etwas anzutun. Er höre Geräusche und Stimmen, die ihm befehlen und ihn zwingen Taten zu begehen, die er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne.

Zu einem Verdächtigen im Fall der Whitechapel-Morde wurde Jacob Levy durch die Recherche zeitgenössischer Ripperologen in den Unterlagen der Nervenheilanstalten in und um London. Sie suchten darin nach jener Person, die in den Texten der hochrangigen Polizeibeamten Chief Constable Mcnaghten, Assistant Commissioner Anderson und Chief Inspector Swanson als der mutmaßliche Ripper erwähnt werden, und dessen Leben in einer Irrenanstalt geendet haben soll. Vier Verdächtige wurden gefunden: Aaron Kosminski, David Cohen, Hyam Hyams und Jacob Levy. Auf Levy treffen zahlreiche Aussagen der Polizisten und Zeugen sowie des modernen Profilings zu. 


Beruf Metzger:
Im Census und im London Business Directory ist als Beruf von Jacob Levy Metzger angegeben.

Für moderne Profiler ist das Töten von Tieren am Anfang der mörderischen Karriere typisch für die Biographie von Serienkillern, ein Metzgerjunge wächst damit auf und kann seine pathologische Veranlagung durch seine Berufswahl zugleich entwickeln, ausleben und kaschieren. 
Angesichts der Art der Verletzungen bei den Opfern gehen Gerichtsmediziner und Polizei damals wie heute davon aus, dass JTR zumindest grundlegende anatomische Kenntnisse besaß und auch bei schlechtem Lichtverhältnissen sicher mit einem Messer umgehen konnte. Kenntnisse über Anatomie und das Zerlegen von Körpern hatten damals vor allem beruflich damit beschäftigte Gruppen wie Chirurgen oder Schlachter - demnach könnte JTR also Metzger gewesen sein. Dies war z.B. die Meinung von Dr. Frederick Gordon Brown, der Catherine Eddowes untersuchte, und auch von Dr. George Bagster Phillips, der Annie Chapman obduzierte.
Die Tatwaffe soll Gerichtsmedizinern zufolge eine lange, schmale, gerade Klinge gehabt haben, wie sie typisch zum professionellen Zerlegen von Körpern ist, z.B. sog. Amputationsmesser von Chirurgen oder ähnliche Metzgerklingen wie z.B. ein Tranchiermesser.
Der Kehlenschnitt deutet ebenfalls auf einen Metzger hin, der es gewohnt ist, so das Schlachtvieh zu töten. Das Töten geschah schnell und effizient, die Verstümmelungen wurden post mortem zugefügt und von Opfer zu Opfer umfangreicher - womit das Töten vor allem Mittel zum Zweck, das eigentliche Ziel hingegen offenbar das Eröffnen und Ausweiden des Unterleibs der Opfer war. Organentfernungen unter Zeitdruck und bei sehr schlechten Lichtverhältnissen, ohne sich total mit Blut zu versauen, spricht für Erfahrungen im Schlachterhandwerk.
Ein Indiz dafür ist auch, dass der Ripper seine Opfer i.d.R. bis zur Bewusstlosigkeit bzw. zum Kreislaufkollaps würgte, bevor er das Messer ansetzte. Offenbar wusste er aus Erfahrung, dass ansonsten das Blut aus den Arterien kräftig spritzen würde, es so aber relativ langsam aus den Wunden rann. Dies verhinderte, dass er selber allzusehr vollgeblutet wurde und erleichterte die Entnahme der Organe, die ansonsten in ein Meer von Blut getaucht gewesen wären.


Motiv Syphilis:

Irgendwann vor 1886 muss sich Jacob Levy mit Syphilis angesteckt haben, die dann 1891 als Todesursache diagnostiziert wurde - vermutlich hat er sie sich wie viele Männer bei einer Prostituierten eingefangen.
Der Zeitraum ergibt sich zurückgerechnet aus dem statistischen Verlauf der Erkrankung: Da er im August 1890 in die Nervenheilanstalt City of London Asylum at Stone in Kent eingeliefert wurde, wo er ein Jahr später an den Folgen der Syphilis starb, dürfte die Krankheit spätestens im ersten Halbjahr 1890 in ihr letztes Stadium eingetreten sein, wobei Levy aber schon die beiden Jahre zuvor unter den Auswirkungen der Krankheit gelitten haben dürfte.
 
Die Infektion mit Syphilis durch eine Prostituierte wird von modernen Profilern als plausibles Motiv für die Morde von JTR angesehen: Es erklärt die Wahl der Opfer und die Verstümmelungen im Unterleib.
Darüber hinaus führte unbehandelte Syphilis zu einer chronischen Hirnentzündung. Sensitive oder psychische Veränderungen wurden von den Ärzten damals oft beschrieben, so u.a. auch Gewaltausbrüche, eine übermäßige Steigerung der Libido und verschiedene Arten von Wahrnehmungsveränderungen.
Gut möglich, dass der Ripper sich zuerst gar nicht bewusst dafür entschieden hatte, auf Prostituiertenmord zu gehen, sondern dass die erste Tat eine Affekthandlung war, als er zufällig erneut auf eine Prostituierte traf, die ihn an die Überträgerin erinnerte, und seine ganze Wut über die Infektion wieder hochkam. Weil ihm diese erste Tat Befriedigung verschaffte, zog er danach dann regelmäßig los. Somit könnte zum Beispiel Martha Tabram sein erstes Mordopfer gewesen sein, auf die "nur" eingestochen wurde, noch ohne sie auszuweiden (s.u.). 


Auswahl der Opfer:
Es gab weit über 1200 Gelegenheitsprostituierte in Whitechapel, die ohne Schutz durch einen Zuhälter nachts auf den Straßen nach Kunden suchten - und sie waren eine häufige Ansteckungsquelle für Syphilis.

JTR hatte damit nicht nur eine große Auswahl an potentiellen Opfern. Prostituierte vom Straßenstrich sind auch leichte Opfer, weil sie für das Sexgeschäft freiwillig mit fremden Männern an Orte gehen, wo sie mit ihnen allein sind, und dem Mörder damit auch noch unbeabsichtigt helfen, einen geeigneten Tatort zu finden. Eine zeitaufwendige und vor allem riskante Ausspähung und Verfolgung potentieller Opfer ist nicht notwendig, da sie in der Öffentlichkeit auf Freier warten und oft sogar selber auf potentielle Kunden zugehen.


Nähe zu Opfern:
Die Adresse von Jacob Levys Eltern lautete Middlesex Street 111, er selbst war im Jahr der Morde laut Kelly's London Business Directory von 1888 in der Middlesex Street 36 gemeldet.
Alle kanonischen fünf Opfer von JTR waren verarmte Gelegenheitsprostituierte, die alle in Armenunterkünften in einem kleinen Umkreis nur etwa 300-400 Meter nordöstlich von Levys Adresse übernachteten und in einem fußläufigen Oval um seinen Lebensmittelpunkt herum getötet wurden. Martha Tabrams letzte Adresse war Satchell's Lodging House in der George Street etwa 300 Meter östlich von der der Middlesex Street (s.u.).

Jacob Levy ist in der von modernen Profilern ermittelten Comfort Zone von JTRs Aktivitäten aufgewachsen und wohnte auch als Erwachsener noch dort. Er kannte sich also seit Kindertagen bestens in Whitechapel aus, fiel dort nicht auf und wusste sich angemessen zu verhalten.
Sowohl für die zeitgenössischen als auch die modernen Ermittler war JTR mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein Einheimischer mit guter Ortskenntnis, was es ihm ermöglichte, sich schnell und unauffällig zu bewegen und die Polizeistreifen zu meiden, um bei seinen Taten und auf der Flucht nicht erwischt zu werden und relativ schnell von der Straße zu verschwinden.
Als einheimischer Metzger hatte Levy nahegelegene Rückzugsmöglichkeiten, die ein Versteck für blutverschmierte Kleidung und Messer boten. Blut an seiner Kleidung und Messer waren wegen seines Berufes alltäglich und erklärbar, nicht schon per se verdächtig. Organe der Opfer konnten unter Metzgerware getarnt werden.
Außerdem gab es in der Middlesex Street den Petticoat Lane Street Market der Schneider, der eine große Auswahl an günstiger Second-Hand-Kleidung zum Wechseln bot - und genau dort will der Zeuge George Hutchinson den Verdächtigen vom Kelly-Mord erneut gesehen haben (s.u.).


Verbindung zu Zeugen:
Im Census der Jahre 1851, 1861 und 1871 ist für eben diese Middlesex Street 36 der Metzger Hyam Levy eingetragen, der dort mit seiner Frau Frances und seiner Familie wohnte, 1881 ist dann seine Witwe Frances als Haushaltsvorstand und Metzger eingetragen. Die beiden sind laut Casebook die Eltern jenes Joseph Hyam Levy, der später als Zeuge zum Mord an Catherine Eddowes vernommen wurde. Joseph Hyam Levy arbeitete 1888 selbst als Metzger kaum 50 Meter von Jacob Levy entfernt in der Hutchinson Street 1, einer Gasse, die in die Middlesex Street mündet.

Mehrere Levys, die sich nicht nur in unmittelbarer Nachbarschaft befanden und der gleichen Branche angehörten, sondern nacheinander auch dieselbe Metzgerei betrieben: Es ist so gut wie sicher, dass sie sich zumindest gekannt haben. Folgt man den Familiendaten des Census, so ein Beitrag im Ripperologist, könnten Jacob und Joseph sogar verwandt gewesen sein - wahrscheinlich waren sie Cousins. Machte der Zeuge Joseph bei der Vernehmung zum Mordfall Eddowes deshalb so merkwürdige Andeutungen und den Eindruck, er wisse mehr als er zugeben wollte (s.u.)?


Kriminelle Vorgeschichte:

Am 10. März 1886 wird Jacob Levy laut Eintrag beim Central Criminal Court zu 12 Monaten Gefängnis verurteilt, weil er zusammen mit zwei anderen Männern dem Metzgermeister Hyman Sampson Fleisch gestohlen hatte. Als Sampsons Adresse wird im Polizeibericht Middlesex Street 35 genannt, seine Metzgerei lag zwei Jahrzehnte lang in der Parallelstraße Goulston Street 58.

Eine kriminelle Vorgeschichte ist modernen Profilern zufolge typisch für Serienmörder.
Der Ort des Diebstahls liegt in JTRs Comfort Zone, zwischen den Tatorten des Double Event.
Zudem wurde ein Stück von Eddowes blutverschmiertem Rock in der Tatnacht am Hauseingang des Gebäudes Wentworth Buildings 108-119, Goulston Street, gefunden, unter dem berüchtigten antisemitischen Graffiti (von dem allerdings unklar ist, ob es von JTR stammte).
Falls Jacob Levy der Ripper war, so könnte die Platzierung ein Versuch gewesen sein, die Polizei in die falsche Richtung weiter nach Osten zu lenken - weg von ihm in der Middlesex Street.
Auch Rache an seiner Gemeinde, die sich wegen des Diebstahls von ihm abgewandt hatte, könnte möglich sein, denn laut Superintendent Thomas Arnold wohnten viele Juden dort.

Im Ripperologist stand einmal, dass es strenge Regeln in der jüdischen Gemeinde für den geschäftlichen Umgang miteinander gab, und dass ein solcher Diebstahl wohl dazu geführt hätte, dass ihm der Jewish Council die Lizenz entzogen hätte. Damit hätte seine Frau Sarah, um die Familie zu ernähren, auch nach Jacobs Entlassung 1887 das Geschäft allein weiterbetreiben müssen. In der Tat taucht ja später seine Frau als Geschäftsinhaberin im Census auf.
Für Jacob hätte das nun zur Folge gehabt, dass er gezwungen gewesen wäre, auf andere Art seinen Anteil am Familieneinkommen zu verdienen.

Wenn Jacob den Shop in der Middlesex Street 36 nicht mehr selber betreiben durfte, musste er seitdem offensichtlich bei Bekannten und Verwandten in deren Geschäften oder in den Schlachthöfen arbeiten. Dadurch konnte er seinen Teil zum Familieneinkommen beitragen und stand zugleich wegen seines immer asozialeren Verhaltens unter einer gewissen Aufsicht. Das dürfte eine ziemliche Schmach und Erniedrigung für ihn gewesen sein.

Wenn wir nun betrachten, wo diese Arbeitsplätze gewesen sein könnten, finden wir nicht nur die observierte Butcher's Row, sondern auch noch die beiden Harrison, Barber & Co Slaughterhouses: eins in der Winthrop Street, Parallelstraße zum Tatort Buck´s Row, und eins im Barber´s Yard nahe Tatort Hanbury Street (Ecke Brick Lane). Dort wurde auch über Nacht gearbeitet, damit die Kunden morgens frisches Fleisch hatten. Diese Metzger zerlegten also routinemäßig Körper unter schlechten Lichtverhältnissen - so wie der Ripper.
Die angestellten Metzger hatten damals i.d.R. ihr eigenes Arbeitswerkzeug (so wie dies auch in anderen Branchen üblich war bzw. bis heute ist), nahmen es zur Arbeit mit und am Feierabend wieder mit nach Hause. Dazu würde passen, dass einige Zeugen den mutmaßlichen Ripper mit einem Päckchen in der Hand gesehen hatten (s.u.).


Anzeichen psychischer Zerrüttung:
Bereits kurz nach seiner Verurteilung begeht Levy im April 1886 einen Selbstmordversuch im Holloway Prison, der jedoch scheitert.
Am 21. Mai 1886 wird er aufgrund des Suizidversuchs und seltsamer Murmeleien für geisteskrank erklärt und in das Essex County Asylum überführt. In den Akten dort wurde festgehalten, er habe gejammert, Irresein sei in seiner Familie erblich, schon sein Bruder habe Selbstmord begangen.
Am 3. Februar 1887 wird Levy dann wieder aus der Anstalt als "geheilt" entlassen.

Offenbar war die Verurteilung so traumatisierend, dass sie zu einem Zusammenbruch führte - vermutlich weil nun sein Ruf in der Gemeinde schwer beschädigt war und die Gefängnisstrafe negative Auswirkungen auf sein Geschäft und seine sozialen Beziehungen hatte.
Diese Entwicklung ist ein deutliches Indiz der beginnenden psychischen Zerrüttung mit der Bereitschaft zu Grenzüberschreitung, kriminellem Verhalten und Gewalt (wenn auch zunächst gegen sich selbst gerichtet).


Möglicher finaler Stressauslöser:

Am 18. Mai 1888 wird Jacob Levys Mutter Caroline beerdigt.

Nachdem seine Verurteilung und Einweisung bereits seine sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen beschädigt haben dürfte, und auch seine Ehe davon und von der Syphilis belastet gewsen sein wird, stirbt nun auch noch eine der wichtigsten Bezugspersonen eines Menschen.
Für moderne Profiler ist dies ein klassischer Stressauslöser zum Start in eine mörderische Karriere. Ziel der Aggression wird diejenige Gruppe, der der Täter die Verantwortung für sein Schicksal gibt: die Prostituierten von Whitechapel, bei denen er sich mit Syphilis angesteckt hat.




Die Mordserie

Dienstag, 7. August 1888: Martha Tabram im George Yard
Tabram wurde im Treppenhaus des George Yard Buildings 37 vermutlich das erste Opfer von JTR.
Tabram war auf einer Kneipentour mit ihrer Bekannten Mary Ann Connely ("Pearly Poll") und zwei Soldaten. Gegen 0 Uhr trennten sich die Pärchen um Sex zu haben, Connely ging mit dem Corporal zur Angel Alley, und Tabram verschwand mit dem Private in den George Yard.
Gegen 1.40 Uhr stieg das Ehepaar Elizabeth und Joseph Mahoney das Treppenhaus zu ihrem Zimmer hinauf und sah nichts. Auch als Elizabeth Mahoney es kurz darauf wieder durchquerte, um in einem Shop in der Thrawl Street etwas zu Essen zu kaufen, lag Tabram noch nicht da.
Tabram wurde mit einem Stich ins Herz getötet und mit insgesamt 39 Messerstichen in Brust und vor allem Unterleib traktiert. Sie lag auf dem Rücken, ihre Kleider waren hochgeschoben und ihre Beine gespreizt, ebenso wie bei den kanonischen Ripper-Opfern.
Gefunden wurde die Leiche auf dem Absatz des ersten Stocks gegen 4.45 Uhr durch Bewohner John Saunders Reeves, nachdem bereits Bewohner Alfred George Crow gegen 3.30 Uhr Tabram für einen schlafenden Obdachlosen gehalten hatte. Damit muss die Tatzeit zwischen 1.45 Uhr und 3.30 Uhr liegen. Reeves suchte eine Polizeistreife und fand Constable Thomas Barrett auf seiner Runde.

Der Soldat dürfte wohl der Letzte gewesen sein, der Tabram lebend gesehen hat, konnte aber weder von "Pearly Poll" noch von Constable Barrett bei Gegenüberstellungen identifiziert werden, obwohl letzterer auf seiner Streife durch die Wentworth Street gegen 2 Uhr einen Private der Grenadier Guard am Nordende des George Yard stehen sah und ihn ansprach. Der Private sagte dem Polizisten, er warte auf einen Kameraden, der mit einem Mädchen unterwegs sei, darauf ging Barrett weiter seine Streife, bis er drei Stunden später von Reeves zum Tatort gerufen wurde.
Der unbekannte Soldat könnte also den Mord verübt haben, dennoch war er aber wahrscheinlich nicht der Täter: Rund zwei Stunden für Sex mit einer älteren, unattraktiven Prostituierten an einem öffentlich zugänglichen Ort erscheint doch ein ziemlich langer Zeitraum. Wenn sie so lange im Treppenhaus von Nr. 37 gewesen wären, wäre wohl auch das Ehepaar Mahoney oder ein anderer Bewohner auf beide gestoßen.
Zudem hätte ein blutbefleckter Mörder wohl kaum in unmittelbarer Nähe des Tatorts auf seinen Kameraden gewartet und so entspannt auf Polizist Barrett reagiert. Barrett jedenfalls kam nichts an ihm und seinem Verhalten verdächtig vor. Wahrscheinlicher ist, dass sich Tabram nach 1.45 Uhr noch mit einen anderen Mann - eben dem Ripper - in den George Yard zurückgezogen hat.

Erkenntnissen der modernen Kriminologie zufolge stammt das erste Opfer eines Serientäters oft aus seinem näheren räumlichen Umfeld. Tabrams letzte bekannte Adresse war Satchell's Lodging House in der George Street, und die Kneipentour endete vor den George Yard Buildings.
Levys Heim in der Middlesex Street 36 liegt nur rund 300 Meter oder etwa 3-4 Minuten Fußweg von beiden Orten entfernt.
Der Profiler William Eckert: "Nachdem der erste Mord geschehen war, in dessen Nähe der Mörder wahrscheinlich lebte, zog er weiter." In diesem Fall in die Buck's Row.


Freitag, 31. August 1888: Marie Ann Nichols in der Buck's Row
Nichols übernachtete zuletzt im White House Nachtasyl in der Flower and Dean Street 56.
Gegen 2.30 Uhr wurde Nichols zuletzt lebend gesehen von ihrer Bekannten Emily Holland an der Ecke Osborn Street / Whitechapel High Street, fast einen Kilometer vom Tatort entfernt, bevor sie betrunken auf der Whitechapel Road weiter Richtung Osten wankte.
Bis ca. 3.20 Uhr kamen nacheinander die Polizisten Neil, Thain und Kirby auf ihren Runden durch die Buck's Row, ohne etwas Verdächtiges zu sehen. Gegen 3.45 Uhr fanden dann Charles Andrew Cross und Robert Paul auf ihrem Weg zur Arbeit die Leiche von Nichols vor dem verschlossenen Tor zu Brown's Stable Yard (vermutlich hatte der Täter vergeblich versucht, mit ihr in den Hof zu gelangen). Die Tatzeit muss also zwischen 3.20 Uhr und 3.45 Uhr betragen.

Cross war als erster und allein am Tatort, bis Paul kurz darauf dazustieß. Somit könnte Cross der Täter gewesen sein, zumal alle Tatorte JTRs auf den Wegen zwischen seiner Adresse in der Doveton Street 22, seiner Arbeit als Fleisch-Auslieferer in der Broad Street und dem Wohnort seiner Mutter in der Nähe der Berner Street lagen.
Allerdings hätte Cross, als er die Schritte von Paul hörte, einfach nach Westen verschwinden können, ohne erkannt zu werden, statt auf ihn zu warten: Es sind rund 100 Meter vom östlichen Ende der Buck's Row bis zum Tatort und es war noch dunkel. Bis zu den Querstraßen im Westen als Fluchtwege sind es nur wenige Meter. Stattdessen wartete er auf Paul, wies ihn erst auf den am Straßenrand liegenden Körper hin und ging mit Paul einen Polizisten suchen. Auch wäre wohl aufgefallen, wenn Cross als erster am Nichols-Tatort auch an den Morgen der Morde von Annie Chapman und Mary Jane Kelly zu spät zur Arbeit gekommen wäre, denn seine Job begann bereits um vier Uhr - jene Tatzeiträume liegen jedoch deutlich später (s.u.).
Außerdem war er nicht nur vor den Morden ein unbescholtener Mann, der 20 Jahre lang zuverlässig denselben Job innehatte, er lebte auch noch mehr als 30 Jahre nach dem Ende der Serie als freier und gesunder Bürger weiter, ohne irgendwie einschlägig aufzufallen. Daher war Cross wohl eher nicht der Ripper.

Was Jacob Levy betrifft: Der Tatort ist zwar rund 1300 bis 1400 Meter und damit etwa 16-18 Minuten Fußweg von Levys Adresse in der Middlesex Street 36 entfernt.
Aber Nichols übernachtete im White House Nachtasyl in der Flower and Dean Street 56, und trieb sich bis 2.30 Uhr in der Umgebung der Hauptverkehrsader Whitechapel High Street herum, beides nur rund 300 Meter von Levys Adresse entfernt.
Es ist auch kriminologisch plausibel, dass JTR auf seiner Jagd die Zentren des Straßenstrichs aufsuchte und beobachtete, ob ein potentielles Opfer in ruhigere Nebenstraßen abbog, um ihr dahin zu folgen. Einer dieser Prostituierten-Treffs war die Umgebung von Whitechapel Station / London Hospital, nicht weit vom Tatort entfernt. Im London Hospital wurde auch Syphilis behandelt, JTR könnte deshalb öfter dort gewesen sein.
Zudem erscheint es vernünftig, diesmal nicht allzu nah beim eigenen Heim zuzuschlagen.

Vielleicht war JTR auch gar nicht auf seine eigenen vier Wände als sichere Zuflucht nach den Taten eingeschränkt, sondern konnte an verschiedenen Orten unauffällig von der Straße verschwinden - Detective Inspector Henry Cox von der City Police schrieb über den observierten Verdächtigen im Ripper-Fall: "He occupied several shops in the East End".
Möglicherweise konnte JTR die Straßen schnell verlassen, indem er nach der Tat in Shops von Verwandten oder Freunden verschwand. Im Fall von Jacob Levy und der Buck's Row könnte dies der Zigarrenhändler John Levy gewesen sein, der in der Whitechapel Road 254 einen Cigar Shop hatte, und neben dessen Shop nach dem Double Event ein blutiges Messer gefunden wurde (s.u.). Die Adresse des Shops in der Whitechapel Road 254 ist nur etwa 400 Meter oder 4-5 Minuten vom Tatort entfernt. War Levy der Ripper, hätte er also auf dem Weg zum oder vom Cigar Shop auf Nichols treffen und sich nach der Tat dort verstecken können. 

Interessant an der Metzger-Theorie ist zudem, dass sich in der Nähe von mindestens drei Tatorten Schlachthäuser befanden: Zwei Harrison, Barber & Co Slaughterhouses, eines in der Winthrop Street, Parallelstraße zum Tatort Buck´s Row, und im Barber´s Yard nahe Tatort Hanbury Street, sowie ein Schlachthaus in der Harrow Alley, Eingang von der Butcher's Row, Nahe Tatort Mitre Square. Da in diesen auch über Nacht gearbeitet wurde, hätte ein Metzger dort als Einkäufer für sein Geschäft auftreten oder als Schlachter arbeiten können. Das Tragen seiner Arbeitsgeräte und blutverschmierter Arbeitskleidung wäre dort nicht per se verdächtig.


Samstag, 8. September 1888: Annie Chapman in der Hanbury Street
Chapman verbrachte ihre letzten Nächte in der Crossingham's-Unterkunft in der Dorset Street 35.
Gegen 1.50 Uhr verließ sie das Asyl Richtung Norden in die Brushfield Street.
Gegen 5.30 Uhr am frühen Morgen wurde Chapman zum letzten Mal lebend gesehen, und zwar von der Zeugin Elizabeth Long. Unmittelbar vor dem Tatort in der Hanbury Street 29 soll sie laut Longs Aussage mit einem Freier gesprochen haben: "Willst du?" - "Ja."
Long beschreibt den Verdächtigen wie folgt: Knapp 40 Jahre alt, etwas größer als Chapman, dunkler Mantel und tief ins Gesicht gezogener dunkler Hut, fremdländisches Aussehen.
Etwa zur selben Zeit geht Albert Cadosch aus dem Nachbarhaus Nr. 27 in seinen Hinterhof zur Toilette, als er danach ins Haus zurück will, hört er vom Hof nebenan zunächst ein leises "No" und wenige Minuten später bei seinem Aufbruch zur Arbeit etwas gegen den Zaun stoßen.
Gegen 6 Uhr wurde Chapmans Leiche im Hinterhof vom Bewohner John Davies entdeckt.
Die Tatzeit liegt also zwischen 5.30 Uhr und 6 Uhr, und die Zeugin Long hat damit wohl den Ripper bei Chapman gesehen.

Da die Tatzeit bereits nahe der beginnenden Morgendämmerung und dem wieder einsetzenden "Berufsverkehr" in den Straßen liegt, hatte JTR nicht viel Zeit, aus der Öffentlichkeit zu verschwinden, bevor es richtig hell wurde.
Der Tatort ist rund 700 Meter oder etwa 8-9 Minuten Fußweg von Levys Adresse in der Middlesex Street 36 entfernt.

Interessant ist auch ein bekannt gewordener Zwischenfall im Prince Albert Pub an der Ecke Brushfield Street / Steward Street, etwa 200 Meter südwestlich vom Tatort:
Am frühen Morgen tauchte laut Aussagen der Inhaberin Mrs. Fiddymont ein Mann auf, dessen Erscheinung Mrs. Fiddymont und ihrer Freundin Mary Chappell Angst machte: Er trug einen dunklen Mantel, hatte seinen Hut tief ins Gesicht gezogen, sein Hemd war gerissen und er hatte offenbar Blutflecken auf seinem rechten Handrücken. Als er bemerkte, dass er kritisch beäugt wurde, drehte er sich weg, trank sein Bier in einem Zug aus und verließ den Pub sofort wieder. Mary Chappell folgte dem Mann in die Brushfield Street, stellte fest, dass er Richtung Westen ging und wies den Passanten Joseph Taylor auf den Mann hin.
Die drei wurden später von der Polizei zu zwei Gegenüberstellungen geladen, aber unter den vorgeführten Verdächtigen erkannten sie den Mann nicht wieder.
Bemerkenswert daran ist, dass nahe der Brushfield Street die Sandy's Row geradewegs zur Middlesex Street hinunter führt.


10. September 1888: Erster Tatverdächtiger "Leather Apron"
Bei den Befragungen der Polizei erzählten Prostituierte, dass sie Angst vor einem gewalttätigen Mann hätten, der Schutzgeld von ihnen erpresse und sie schlage, und wegen seiner Lederschürze  den Spitznamen "Leather Apron" hätte. Die Ermittlungen führten zu einem polnischen Juden namens John Pizer, ein Schuhmacher, der jedoch für die fraglichen Tatzeiten Alibis aufweisen konnte und später von allen Anschuldigungen freigesprochen wurde.

Interessant sind bei Pizer aber die Übereinstimmungen mit späteren Zeugenaussagen: Er war Jude, mittleren Alters (38 Jahre), knapp 1,70 groß und hatte einen schmalen Oberlippenbart.
Und Lederschürzen trugen nicht nur Handwerker, sondern auch Metzger.

Hinzu kommt, dass Serienmörder den Erkenntnissen der modernen Kriminologie zufolge oft schon vor ihren Morden durch andere Straftaten auffällig werden, darunter auch Raub. Es ist daher gut möglich, dass JTR vor seinen Morden bereits Prostituierte bedroht bzw. ausgeraubt hat. 

Jacob Levy war ein verurteilter Dieb, von dem seine Frau Sarah bei seiner Einweisung in die Irrenanstalt sagte, er hätte nicht nur begonnen, das Geld der Familie zu verschwenden, sondern auch fremder Leute Eigentum mitgehen zu lassen (s.u.).
Zwar ist von Jacob Levy kein Übergriff auf eine Prostituierte nachgewiesen, aber es gab vor der Mordserie Überfälle auf Prostituierte, die möglicherweise frühe Taten des Rippers gewesen sein könnten:
Zum Beispiel wurde Ada Wilson in der Nacht vom 27. auf den 28. März 1888 von einem Unbekannten an ihrer Haustür angegriffen: Der Täter verlangte von der Gelegenheitsprostituierten Geld, und als Wilson sich weigerte, zog er ein Messer und stach es ihr in den Hals. Wegen ihrer Schreie, die die Nachbarn alarmierten, flüchtete der Täter - das rettete ihr vermutlich das Leben.
Interessant ist die Täterbeschreibung, die Ähnlichkeiten mit anderen Zeugenaussagen in der Mordserie von JTR aufweist: Etwa 30 Jahre, knapp 1,70 groß, heller Schnauzbart, dunkler Mantel und breiter Hut.

Zudem würde der Zeitraum dieser Taten auf den ersten Bekennerbrief vom 24. September 1888 passen (s.u.). Darin schreibt ein vermeintlicher Schlachter an Polizeichef Warren, er sei verantwortlich für "all die Morde in den letzten sechs Monaten" - die kanonischen Opfer einschließlich Tabram umfassten damals gerade einen Zeitraum von wenigen Wochen. Mit jenen früheren Überfällen wäre es tatsächlich etwa ein halbes Jahr.


24. September 1888: Der erste Bekennerbrief
Durch die Grausamkeit der Morde und die Sensationsberichterstattung der Zeitungen nahm die öffentliche Aufmerksamkeit sprunghaft zu und Hysterie breitete sich in Teilen der Bevölkerung aus.  In der Folge davon erreichten Dutzende angebliche Bekennerbriefe die Polizei und die Presse.
Der erste davon war an Polizeichef Sir Charles Warren selbst adressiert, seine Existenz wurde damals geheim gehalten. Er lautete:
"Dear Sir,
ich würde gerne aufgeben, ich befinde mich in einem Albtraum. Ich bin der Mann, der alle diese Morde in den letzten sechs Monaten begangen hat. Mein Name ist (mit der Zeichnung eines Sargs unkenntlich gemacht). Ich bin ein Schlachter und arbeite bei (mit zwei Balken unkenntlich gemacht). I have found the woman I would that is Chapman and I done what I called slautered her (?). Aber wenn jemand kommt, werde ich aufgeben. Aber ich werde nicht von selbst zur (Polizei-)Station gehen. Hochachtungsvoll (mit der Zeichnung eines Sargs unkenntlich gemacht)."
Rückseite:
"Haltet das Viertel sauber, oder ich werde ihm einen Besuch abstatten. (Zeichnung eines Messers) Dies ist das Messer, mit dem ich die Morde begangen habe. Es hat einen schmalen Griff mit einer langen Klinge, beide Seiten scharf."

Die meisten Bekennerbriefe wurden von der Polizei schon damals als geschmacklose Scherze von Trittbrettfahrern abgetan, nur wenige wurden ernst genommen. Selbst die berühmt gewordenen Briefe, in denen der Mörder sich angeblich den Namen "Jack the Ripper" gab (der "Dear Boss"-Brief und die "Saucy Jacky"-Postkarte) werden inzwischen für Fakes gehalten und sollen aus der Feder ebenjenes Sensationsreporters Thomas Bulling von der Central News Agency stammen, welche die Briefe der Polizei übergab.

Jener erste Brief aber erscheint bemerkenswert: Erstens bezeichnet sich der Autor selbst als Schlachter. Zweitens ist er nicht verhöhnend, sondern scheint der Hilferuf eines kranken Menschen zu sein, der in einer tiefen inneren Zerrissenheit gefangen ist - so wie der Zustand Jacob Levys bei der Einlieferung ins Irrenhaus von seiner Frau beschrieben wurde.
Der Satz mit Chapman ist aufgrund seiner Formulierungen und der fehlenden Satzzeichen verwirrend, aber "and I done what I called" könnte bedeuten: "und ich habe getan, was mir befohlen wurde" - was ein Hinweis auf die befehlenden Stimmen sein könnte, die ein Wahnkranker oft hört, und von denen Levys Frau sprach.
Betrachtet man sich die sargförmige Schwärzung an der Stelle, wo der Briefschreiber angeblich zum ersten Mal seinen Namen übermalt hat, so scheint darunter etwas ähnliches wie "leaffray" oder "leadfray" gestanden zu haben - und das würde von der Wortlänge sowie von den Oberlängen und  Silhouetten einiger Buchstaben passen auf unseren Metzger Jacob Levy:
l e  a  d  f r a y
l a co b  l e v y


Sonntag, 30. September 1888: Nacht des Double Event
Mord an Elizabeth Stride in der Berner Street 40/42, etwa 45 Minuten später an Catherine Eddowes auf dem Mitre Square.

Stride übernachtete bis zu ihrem Tod im Armenasyl in der Flower and Dean Street.
Zwischen 0.35 und 0.45 Uhr sahen mehrere Zeugen (Polizist William Smith, Anwohner James Brown, Zeuge Israel Schwartz) Stride mit einem Mann in der Nähe des Berner Street Clubs. Beschrieben wird er übereinstimmend als knapp 1,70 groß, etwa 30 Jahre alt, heller Teint, Schnauzbart, dunkler Mantel und Schirmmütze. Polizist Smith bemerkte zudem ein Päckchen in seiner Hand.
Der aus Norden von der Commercial Road vorbeikommende Israel Schwartz will sogar eine Auseinandersetzung wahrgenommen haben, weswegen er schnell weitergegangen sei, sagte er später der Polizei. Der Mann habe die Frau am Tor zum Dutfields Yard zu Boden geworfen, die Frau habe kurz aufgeschrien. Als er zurückgeblickt habe, sei gerade ein anderer Mann mit einer Pfeife aus dem nahen "Nelson"-Pub gekommen und es habe eine kurze verbale Auseinandersetzung mit dem Verdächtigen gegeben, bis der Verdächtige "Lipski" gerufen habe. Da sei der andere auf Schwartz zugegangen und Schwartz sei aus Angst weggelaufen.
Gegen 1 Uhr dann wurde Strides Leiche vom Verwalter des Clubs, Louis Diemschütz, im Torweg des Dutfield Yard neben dem Club gefunden. Im Gegensatz zu den anderen Opfern wurde ihr nur die Kehle durchgeschnitten, aber offenbar wegen der Störung durch die Zeugen keine Verstümmelungen des Unterleibs mehr vorgenommen.

Als plausibelste Interpretation dieser Szene scheinen Schwartz und der Mann mit der Pfeife mitten in den Angriff des Rippers hineingeplatzt zu sein. Weil Schwartz schon auf der Flucht war, als der Pfeifenraucher auf die Straße kam, tat der Mörder offenbar so, als sei er ein unschuldiger Helfer und konnte den anderen Mann mit dem Ausruf "Lipski" davon überzeugen, dass der nach Süden flüchtende Schwartz der Angreifer gewesen sei, so dass "Pipeman" die Verfolgung von Schwartz aufnahm (leider konnte "Pipeman" nie identifiziert werden).
Lipski war ein Jude aus dem Viertel, der 1887 wegen Mordes verurteilt worden war - und sein Name war in antisemitischen Kreisen zum Schimpfwort gegen Juden im allgemeinen und zum Synonym für Mörder im speziellen geworden.
Indem der Mörder den einen Zeugen so auf den anderen hetzte, konnte er vom Tatort (vermutlich über die Gasse zur Batty Street, wo später blutige Wäsche gefunden wurde) schließlich nach Norden in die Commercial Road fliehen. Er wollte angesichts der Beinahe-Entlarvung mit ziemlicher Sicherheit zu seinem Versteck zurück - und in der Richtung, die er einschlug, liegt die Middlesex Street.
Da JTR aber sein eigentliches Ziel - die Verstümmelung - bei Stride nicht mehr umsetzen konnte, suchte er, als er sich wieder sicher fühlte, schließlich ein weiteres Opfer.


Eddowes und ihr Mann John Kelly lebten überwiegend im Armenhaus "Cooney's" in der Flower und Dean Street 55.
Gegen 1 Uhr wurde Eddowes aus der Ausnüchterungszelle der Polizeistation Bishopsgate Street entlassen und ging Richtung Süden, höchstwahrscheinlich die Houndsditch entlang zurück zur Aldgate High Street, wo sie den frühen Abend verbracht hatte.
Gegen 1.30 Uhr checkte Constable Edward Watkins auf Streife den Mitre Square, ohne etwas  Verdächtiges festzustellen.
Etwa um diese Zeit verließen Joseph Lawende, Harry Harris und Joseph Hyam Levy den Imperial Club, Duke Street, schräg gegenüber der Church Passage zum Mitre Square, und sahen einen Mann und eine Frau am Eingang der Passage in einem leisen Gespräch.
Der Zeuge Lawende beschrieb den Mann wie folgt: Etwa 30 Jahre alt, knapp 1,70 Meter groß, blasser Teint, heller Schnauzbart, durchschnittlicher Körperbau, graue Jacke, graue Stoffkappe und rötliches Halstuch, sah wie ein Seemann aus (wobei aber Seemänner selten "blassen Teint" haben).
Gegen 1.35 Uhr ging Constable James Harvey durch die Church Passage und schaute in den dunklen Mitre Square, sah jedoch nichts und kehrte auf seine Runde zurück.
Gegen 1.45 Uhr kam Constable Edward Watkins von der anderen Seite (Mitre Street) wieder durch den Hauptzugang in den Mitre Square und entdeckte beim Herumleuchten mit seiner Lampe die tote Eddowes in der dunkelsten Ecke liegen, vor dem Tor zu einem kleinen Hof (vermutlich hatte der Ripper gehofft, das Tor wäre offen).
Laut Inspector Robert Sagar von der City Police soll ein Polizist kurz zuvor gesehen haben, wie ein Mann aus der Mitre Street in östliche Richtung verschwand. Aufgrund der Sichtung dieses Mannes liefen anschließend Polizisten durch Gravel Lane und Stoney Lane, um Hinweise auf den Fluchtweg des Mörders zu finden - dieser Weg führt in die Middlesex Street und weiter in die Goulston Street.
Einer davon war Detective Constable Daniel Halse, der mit zwei Kollegen gegen 1.55 Uhr an der Ecke Houndsditch bei St. Botolph's Church stand und aufgrund der Alarmierung in den Mitre Square kam. Nachdem Halse Instruktionen zur Befragung der Anwohner gegeben hatte, eilte er zuerst in die Middlesex Street und, weil er dort niemanden sah, weiter in die Wentworth Street, wo er zwei Passanten überprüfte. Gegen 2.20 Uhr checkte er die Goulston Street, um nach vergeblicher Suche zum Mitre Square zurückzukehren.
Gegen 2.55 Uhr fand Constable Alfred Long auf seiner Runde ein Stück der blutigen Schürze von Eddowes im Hauseingang der Wentworth Dwellings 108-119, Goulston Street. Darüber an der Wand stand mit Kreide der Satz: "Die Juden sind die Menschen, die nicht grundlos beschuldigt werden." Long zufolge soll die Schürze auf seiner vorherigen Runde gegen 2.25 Uhr noch nicht dort gelegen haben. Ob das antisemitische Graffiti zuvor schon da gewesen war, wusste er nicht.

War Levy der Ripper, wäre er nach der unterbrochenen Tat an Stride in Richtung der Middlesex Street geflüchtet, um schnell von der Straße verschwinden zu können, dann aber mit oder ohne einen Zwischenstopp zuhause weiter Richtung Westen gezogen, wo er in der Houndsditch oder Duke Street den Weg von Eddowes kreuzte.
Die Berner Street ist rund 700 Meter oder etwa 8-9 Minuten Fußweg von Levys Adresse in der Middlesex Street 36 entfernt.
Die Strecke zwischen Berner Street und Mitre Square beträgt rund 1000 Meter oder etwa 12-15 Minuten Fußweg.
Die Strecke zwischen Mitre Square und Middlesex Street 36 beträgt rund 300 Meter oder etwa 3-4 Minuten Fußweg.
Jacob Levy hätte auch nach dem Mord an Eddowes zuhause einen Zwischenstopp einlegen können, um Blut, Messer, Gebärmutter und Niere loszuwerden und sich umzuziehen, bevor er die Schürze platzieren ging, um eine falsche Spur zu legen - oder er zog direkt weiter, weil er nicht nach Hause zurückkehren konnte, z.B. weil ihm die Polizei zu dicht auf den Fersen war.

Die Strecke vom Mitre Square zur Goulston Street beträgt nur rund 500 Meter oder 6-7 Minuten. Entweder haben die Polizisten Halse und Long die Schürze gegen 2.25 Uhr übersehen, oder JTR hat sich zeitweise in einer Zuflucht versteckt, bevor er sie ablegte. Ein Umweg von rund einer dreiviertel Stunde durch die Straßen voller alarmierter Polizisten ist eher unwahrscheinlich - daher dürfte die Rückzugsmöglichkeit des Rippers in unmittelbarer Nähe gewesen sein. Die Ablage der Schürze könnte dann für ein Ablenkungsmanöver sprechen, das die Ermittler auf eine falsche Fährte locken sollte Richtung Osten, weg von der Umgebung Mitre Square und seiner Zuflucht.
Wenn Levy der Ripper war, hätte er damit aufgrund der Erkenntnis, zu nah an seinem Zuhause zugeschlagen zu haben, bewusst die Spur vom Grenzgebiet der City Police, wo er wohnte, weiter nach Osten in das Territorium der Metro Police gelenkt.
Vielleicht konnte er aber auch einfach nicht in die Middlesex Street 36 zurück, entweder weil er sich verfolgt fühlte, weil seine Frau noch wach oder gerade jemand in der Straße unterwegs war.
Die Strecke zwischen den Parallelstraßen Goulston Street und Middlesex Street beträgt weniger als 100 Meter oder etwa 1-2 Minuten Fußweg.

Daraus ergeben sich zwei interessante Möglichkeiten, wenn Levy der Ripper war:
Zur Zeit der Morde lebte laut Census von 1891 Jacobs Bruder Isaac Levy in der Goulston Street 130, und die Geburt seiner Tochter 1888 ist unter derselben Adresse angegeben - dies ist nur einen Häuserblock vom Schürzenfund entfernt.
Zum zweiten bleibt noch die Alternative, dass Jacob weiter zum Cigar Shop von John Levy in die Whitechapel Road 254 flüchtete, um sich dort zu verstecken - direkt nebenan vor Nr. 253 wurde am Tag darauf von Thomas Coram ein blutiges Messer gefunden (s.u.).

Bemerkenswert ist, dass es am Tatort im Mitre Square sehr dunkel war: Die Streifenpolizisten mussten ihre Lampen verwenden, um in den Ecken überhaupt etwas erkennen zu können. JTR hatte nur etwa 10 Minuten für die Verstümmelungen, die noch umfangreicher als bei den vorherigen Opfern waren. Insbesondere die Entfernung von Gebärmutter und Niere in der Dunkelheit zeugen davon, dass der Ripper offenbar Übung darin hatte, einen Körper bei schlechtem Licht schnell mit einem Messer zu zerlegen. Auch dies deutet auf einen Metzger hin, eine Ansicht, die u.a. Dr. Frederick Gordon Brown vertrat, der Eddowes Leiche untersuchte.

Merkwürdigerweise taucht in den Berichten über die Coroner-Untersuchung zu Strides Tod der wichtige Zeuge Israel Schwartz gar nicht auf.
Und bei der Coroner-Untersuchung zu Eddowes Tod wurde dem Zeugen Joseph Lawende verboten, den Verdächtigen vor dem Publikum genauer zu beschreiben - offenbar aus ermittlungstaktischen Gründen.
Dies deutet darauf hin, dass die Polizei glaubte, eine heiße Spur zu haben.
Zumal Lawendes Begleiter Joseph Hyam Levy bei der polizeilichen Vernehmung den Eindruck gemacht hatte, mehr zu wissen, als er zugeben wollte. So soll er beim Anblick von Eddowes und dem Mann zu seinen beiden Begleitern gesagt haben, wenn er solche Charaktere sehe, wolle er nicht alleine nach Hause gehen, und man solle den Hof beobachten (!). Als er beim Verhör gefragt wurde, ob er denn Angst gehabt habe, antwortete er kryptisch: nicht wirklich um sich.
Frage: "What was there terrible in their appearance?" - Antwort: "I did not say that." - Frage: "Your fear was rather about yourself?"- Antwort: "Not exactly." (!)


1. Oktober 1888: Messer-Fund in der Whitechapel Road
In der Nacht nach dem Double Event fand Thomas Coram gegen 0.30 Uhr vor der Whitechapel Road 253 ein in ein Taschentuch eingewickeltes blutiges Messer, das er der Polizei übergab - jedoch konnten die obduzierenden Ärzte nicht bestätigen, ob dies die Waffe des Rippers war.

Interessant ist in diesem Zusammenhang aber: In den 1880er Jahren hatte John Levy in der Whitechapel Road 254 einen Cigar Shop. Er war laut Census der Bruder von Fanny Levy von den Levys aus der Mitre Street 29, und sie waren Ripperologen zufolge wahrscheinlich Cousins des Zeugen Joseph Hyam Levy - somit war vermutlich auch Jacob Levy mit diesen Levys verwandt.

John und Fannys Eltern, Ann und Barnett Levy, lebten in den 1850ern in Mitre Street 29 ("Orange Market" am Mitre Square), sie waren Zigarren- und Orangenhändler und hatten vier Kinder - John, Samuel, Lewis und Fanny. Um 1888 wohnte nur noch Fanny dort.
Samuel lebte erst in den Häusern Mitre Street 17 und 23 und zog danach neben Joseph Hyam Levys Vater, Hyam Levy, in die Middlesex Street 39 (!). 1888 kehrte Samuel dann als Orangenverkäufer wieder in die Mitre Street zurück, diesmal in die Nummer 20.
Und Lewis Levy lebte in den 1860ern in Mitre Square 8 - dahinter fand man vor dem verschlossenen Hinterhoftor die Leiche von Catherine Eddowes (!).

War Jacob Levy der Ripper, kannte er sicher den Hinterhof und könnte gehofft haben, er wäre offen. Nach dem Double Event hätte er, weil er sich nicht zuhause verstecken wollte oder konnte, zuerst in Richtung seines Bruders und dann weiter zum Cigar Shop flüchten können, um sich dort relativ weit von den Tatorten weg zu verstecken, und könnte das blutige Messer davor weggeworfen haben.


Polizei-Razzia bei Metzgern im Oktober:
Die Polizei führte in den folgenden Wochen (3.-18. Oktober) in der Umgebung des Mitre Square Haus-zu-Haus-Befragungen durch. Der stellvertretende Polizeipräsident Robert Anderson schrieb, dass man alle Männer des Viertels überprüft habe, die den Zeugenaussagen entsprachen und sich blutbefleckter Kleidung entledigen konnten.
Die Polizei durchsuchte auch 76 Metzgereien und Schlachtereien im Viertel und überprüfte alle Personen, die in den letzten sechs Monaten dort beschäftigt waren, verschiedene Verdächtige wurden unter Beobachtung gestellt.

Interessanterweise folgte nach dem Double Event die längste Pause zwischen den Ripper-Morden von fast sechs Wochen. Ursache dafür könnte der Ermittlungsdruck durch die Behörden gewesen sein, was für die Annahme spricht, dass die Polizei mit der Untersuchung des Metzger-Milieus rund um Aldgate High Street dem Ripper näher kam, so dass er vorerst pausieren musste, bis die polizeilichen Aktivitäten in seinem Umfeld wieder zurückgingen.
 

Freitag, 9. November 1888: Mord an Mary Jane Kelly im Miller's Court
Kelly verließ in ihrer letzten Nacht mehrmals ihr Zimmer im Miller's Court, Dorset Street 26, und kehrte mit verschiedenen Freiern wieder dorthin zurück, nachdem sie den frühen Abend mit ihrem Exfreund Joseph Barnett verbracht hatte.
Gegen 23.45 Uhr sah ihre Nachbarin Mary Ann Cox, wie Kelly mit einem Kunden auf ihr Zimmer ging. Zwischen 0.30 Uhr und 1 Uhr hörten Cox und Nachbarin Catherine Picket sie singen.
Ihre Nachbarin Elisabeth Prater kehrte gegen ein Uhr zurück, wartete erst 20 Minuten vor dem Eingang zum Court auf ihren Freund und ging, als er nicht kam, noch für zehn Minuten in McCarthys Laden nebenan. Gegen 1.30 Uhr stieg sie die Treppen zu ihrem Zimmer direkt über Kellys hinauf, ohne dort Licht zu sehen oder etwas zu hören, und ging zu Bett.
Der Zeuge George Hutchinson, ein Bewohner des Victoria Home in der Commercial Street, ging am 12. November zur Polizei und sagte aus, dass er seine Bekannte Mary Jane Kelly am 9. November gegen 2 Uhr in der Commercial Street getroffen habe.
Kurz darauf sei sie mit einem Kunden an ihm vorbei zurück auf ihr Zimmer gegangen. Weil der Mann sein Gesicht vor ihm habe verbergen wollen, sei er beiden gefolgt und habe rund eine dreiviertel Stunde den Hof beobachtet, jedoch ohne etwas Verdächtiges wahrzunehmen. Gegen 3 Uhr sei er schließlich gegangen.
Hutchinson beschrieb den Mann als etwa Mitte 30, knapp 1,70 Meter groß, blasser Teint, dunkle Augen und Haare, dünner gezwirbelter Schnurrbart, jüdisches Erscheinungsbild, mürrisches Aussehen, dunkler Mantel, dunkler Hut, kleines Päckchen in seiner Hand.
Sarah Lewis, die gegen 2.30 Uhr zu ihrer Bekannten Mrs. Keyler im Miller's Court ging, um dort zu übernachten, sah gegenüber dem Hofeingang einen Mann stehen - dabei handelte es sich vermutlich um Hutchinson.
Zwischen 3.15 Uhr und 3.45 Uhr hörten sowohl Lewis wie auch Elizabeth Prater einen leisen, unterdrückten Schrei vom Hof her: "Mord!"
Gegen 6 Uhr hörte Nachbarin Marie Ann Cox Schritte im Hof.
Gegen 7.30 Uhr klopfte Nachbarin Catherine Picket an Kellys Tür, um sich einen Schal zu leihen, aber nichts regte sich.
Gegen 10.45 Uhr wurde Kellys Leiche von Hausverwalter Thomas Bowyer entdeckt, der die Miete eintreiben sollte.

Theoretisch könnte Hutchinson der Täter gewesen sein, der nach dem Verschwinden des Kunden gegen 3 Uhr selbst zu Kelly ging - nur: warum hätte er dann bei der Polizei auftauchen und sich mit dem Geständnis seines "Stalkings" verdächtig machen sollen? Inspektor Abberline hielt ihn für glaubwürdig.
Plausibel wäre aber, dass der von Hutchinson beschriebene Kunde nach 3 Uhr ging - und dass erst der nächste Besucher Kellys der Ripper war. Dann wäre Hutchinsons Beschreibung unbrauchbar.
Bemerkenswert ist jedoch, dass Hutchinson aussagte, er glaube denselben Mann später noch einmal gesehen zu haben, und zwar am 11. November in der Petticoat Lane / Middlesex Street - wo Levy wohnte und es den Straßenmarkt mit günstiger Second-Hand-Kleidung gab.
Wenn JTR die Person war, die von Cox gegen 6 Uhr im Hof bemerkt wurde, muss er beim Verlassen des Tatorts unter Zeitdruck gestanden haben, weil es langsam hell wurde.
Falls Levy der Ripper war: Der Tatort in der Dorset Street 26 ist rund 500 Meter oder nur etwa 5-6 Minuten Fußweg von der Middlesex Street 36 entfernt.

Ein merkwürdiger Vorfall ereignete sich etwa eine Stunde nach der Entdeckung von Kellys Leiche:
London Times, 10. November 1888:
"A Mrs Paumier, a young woman who sells roasted chestnuts at the corner of Widegate-street, a narrow thoroughfare about two minutes' walk from the scene of the murder, told a reporter yesterday afternoon a story which appears to afford a clue to the murderer. She said that about 12 o'clock that morning a man dressed like a gentleman came up to her and said, "I suppose you have heard about the murder in Dorset-street?" She replied that she had, whereupon the man grinned and said, "I know more about it than you." He then stared into her face and went down Sandy's-row, another narrow thoroughfare which cuts across Widegate-street. Whence he had got some way off, however, he vanished. Mrs Paumier said the man had a black moustache, was about 5ft 6in, high, and wore a black silk hat, a black coat, and speckled trousers. He also carried a black shiny bag about a foot in depth and a foot and a half in length."

Falls JTR so wie manch anderer Serienmörder das Bedürfnis hatte, zu den Tatorten zurückzukehren oder gar bei der Entdeckung der Morde unter den Schaulustigen zu stehen, um sich einen zusätzlichen Kick zu holen: Die Beschreibung des Mannes als knapp 1,70 groß mit Schnurrbart passt zu anderen Zeugenaussagen.
Und - interessant für die Jacob-Levy-These - der Verdächtige ging nach seiner Provokation die Sandy's Row hinab, die in die Middlesex Street mündet.

Merkwürdig war nach den Coroner-Untersuchungen zum Double-Event auch die Anhörung im Fall Kelly: Sie wurde im Distrikt Shoreditch vom dort zuständigen Richter vorgenommen und nicht in Whitechapel, mit der seltsamen Begründung, zuständig sei der Ort der Aufbahrung, nicht der Tatort. Sie wurde bereits am 12. November eröffnet, mit sich nicht zuständig fühlenden Geschworenen, in hohem Tempo durchgepeitscht und schon am selben Tag wieder abgeschlossen. Richter Roderick Macdonald sagte: "Wenn die Geschworenen allein zu der Todesursache zu einem Ergebnis kommen, so ist das alles, was sie zu tun haben."
Zeugen oder Beweismittel zur Strafverfolgung sollten nicht weiter öffentlich thematisiert werden - wahrscheinlich aus ermittlungstaktischen Gründen, weil man einen Tatverdächtigen nicht warnen wollte, während er unter Beobachtung stand, um ihn auf frischer Tat stellen zu können.
In H. L. Adam's Serie "The People on Scotland Yard and its Secrets" von 1912 zitiert der Autor  Assistant Commissioner Anderson: "Sir Robert Anderson has assured the writer that the assassin was well known to the police, but unfortunately, in the absence of sufficient legal evidence to justify an arrest, they were unable to take him. It was a case of moral versus legal proof. The only chance the police had, apparently, was to take the miscreant red-handed…"


"Butcher's Row Suspect"
Nach dem Kelly-Mord begann die City Police damit, mehrere Monate lang einen Tatverdächtigen bei der Butcher's Row zu observieren.
In einem Zeitungsinterview (City Press, 7. January 1905) sagte Robert Sagar von der City Police, dass man nach dem Kelly-Mord einen Mann unter Beobachtung gestellt habe, der in der Butcher's Row arbeite und von dem man annehme, dass er der Ripper sei, und dass dieser Mann letztendlich von seinen Leuten in ein Irrenhaus eingeliefert worden sei.

Butcher's Row war kein offizieller Straßenname, so wurde wegen der vielen Metzger und der dahinter liegenden Schlachterei jener Abschnitt der High Aldgate Street genannt, der an der Einmündung der Middlesex Street liegt, wo Jakob Levy wohnte (sie stellt die Grenze zwischen City of London und Whitechapel sowie zwischen den beiden Polizei-Distrikten dar).

Auch Detective Inspector Henry Cox (City Police) wurde ein Jahr später in einem Zeitungsartikel (Thomson’s Weekly News, 1. December 1906) zu den Observationen zitiert, ohne jedoch den genauen Ort zu nennen. Cox: "The man we suspected was about five feet six inches in height, with short, black, curly hair, and he had a habit of taking late walks abroad. He occupied several shops in the East End, but from time to time he became insane, and was forced to spend a portion of his time in an asylum in Surrey. (...) While the Whitechapel murders were being perpetrated his place of business was in a certain street, and after the last murder I was on duty in this street for nearly three months." (beim Hinweis auf Surrey könnte eine Verwechslung mit Ostrog vorliegen).
Cox erzählte auch, er habe den Verdächtigen nachts auf einem Streifzug verfolgt: Nachdem dieser sein Haus verlassen habe, sei er die Leman Street in Richtung St. Georges in the East hinab gegangen - die Straße verläuft nur etwa 100 Meter östlich von der Einmündung der Middlesex Street und der Goulston Street in die Aldgate High nach Süden (!).
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, was Detective Inspector Cox zur Überwachung des Tatverdächtigen sagte. Zur Verschleierung der Observation, die der jüdischen Gemeinde nicht verborgen blieb, behaupteten die Polizisten, die Schneider auf Beschäftigung von Minderjährigen zu überwachen: "We told them we were factory inspectors looking for tailors and capmakers who employed boys and girls under age." Dies könnte sich auf den Petticoat Lane Street Market mit seiner Bekleidungsindustrie oder den "Khazar Mark" in der Parallelstraße Goulston Street beziehen, wo Schneidermeister Arbeitskräfte rekrutierten.

Die Maßnahmen der City Police deuten darauf hin, dass die Indizien sie in dem Verdacht bekräftigten, es bei JTR mit einem einheimischen Metzger in der Umgebung von Aldgate High Street, Middlesex Street oder Goulston Street zu tun zu haben. Vielleicht war es sogar Jacob Levy, der beobachtet wurde - doch leider sind weder die genaue Adresse noch der Zeitraum der Observationen bekannt.
Allerdings schrieb das Aberdeen Weekly Journal bereits am 16. November 1888: "The Central News is enabled to state that several houses at which the murderer is believed to call on occasionally are under the closest police surveillance."

Wenn Jacob Levy der Ripper war, könnte dies bedeuten, dass er neben seiner Heimatadresse Middlesex Street 36 und seinem Bruder in der Goulston Street auch bei den Metzgern der Butcher's Row ein und aus ging. Denn sowohl Jacob Levy als auch der Zeuge und mutmaßliche Verwandte Joseph Hyam Levy sollen Geschäftsverbindungen in der Butcher's Row gehabt haben. Vermutlich kauften sie auch in der dortigen Schlachterei ein. Levy könnte sogar wegen seines ruinierten eigenen Geschäfts zeitweise dort oder in einem anderen Shop gearbeitet haben.


Nähe von mutmaßlichen Verwandten zu den Tatorten
Detective Inspector Henry Cox von der City Police schrieb über den observierten Verdächtigen: "He occupied several shops in the East End."

Zusätzlich den möglichen Verbindungen Levys mit anderen Metzgern in der Butcher's Row gab es im Eastend noch die Shops der Levy-Familie aus der Mitre Street, mit denen Jacob und Joseph Hyam Levy laut Casebook verwandt gewesen sein sollen:
Darunter der Orangenhändler Samuel Levy in der Mitre Street 20 (Tatort Mitre Square) und der Zigarrenhändler John Levy in der Whitechapel Road 254 - nahe den Tatorten Buck's Row und Berner Street sowie unmittelbar neben dem Messer-Fund von Thomas Coram nach dem Double Event vor Whitechapel Road Nr. 253.
In den 1880er Jahren hatte John Levy in der Whitechapel Road 254 einen Cigar Shop. Er war laut Census der Bruder von Fanny Levy von den Levys aus der Mitre Street 29, und sie waren wahrscheinlich Cousins des Zeugen Joseph Hyam Levy, dessen Vater vor Jacob die Metzgerei in der Middlesex Street 36 hatte - somit war vermutlich auch Jacob Levy mit diesen Levys verwandt.

John und Fannys Eltern, Ann und Barnett Levy, lebten in den 1850ern in Mitre Street 29 ("Orange Market" am Mitre Square), sie waren Zigarren- und Orangenhändler und hatten vier Kinder - John, Samuel, Lewis und Fanny. Um 1888 wohnte nur noch Fanny dort. Samuel lebte erst in Mitre Street 17 und 23 und zog danach neben Joseph Hyam Levys Vater, Hyam Levy, in die Middlesex Street 39. 1888 kehrte Samuel dann als Orangenverkäufer wieder in die Mitre Street zurück.

Nicht vergessen werden sollte schließlich noch Jacobs Bruder Isaac Levy, der zur Zeit der Morde  in der Goulston Street 130 lebte - nur einen Gebäudekomplex entfernt von dem Hauseingang, in dem das blutige Teil von Eddowes Schürze gefunden wurde.

Fazit: Waren die Levys von Mitre Street tatsächlich mit Jacob Levy verwandt, so rückt der verrückt gewordene Metzger durch die Adressen seiner Verwandten in die unmittelbare Nähe zu mehreren Tatorten und den Funden von Schürze und Messer. War Jacob Levy der Ripper, kannte er sich dort besonders gut aus, hätte für seine Anwesenheit in den Straßen eine plausible Erklärung gehabt und Möglichkeiten, nach den Taten schnell aus der Öffentlichkeit verschwinden zu können, indem er bei ihnen Unterschlupf suchte. 


Mittwoch, 17. Juli 1889: Mord an Alice McKenzie in der Castle Alley
Police Constable Walter Andrews entdeckte gegen 0.50 Uhr in der Castle Alley den leblosen Körper von Alice McKenzie, etwa eine halbe Stunde, nachdem er das letzte Mal auf seiner Runde dort gewesen war. Zeugen der Tat gab es keine. Ihre linke Halsschlagader war durchtrennt, ihr Rock war hochgeschoben und der Unterleib mit einem Messer traktiert worden, allerdings waren die Verletzungen eher oberflächlich.

Die Polizisten und die untersuchenden Ärzte waren uneinig darüber, ob es sich um ein weiteres Ripper-Opfer handelte. Einiges passte ins Schema: McKenzie übernachtete in einem Armenhaus, war rund 40 Jahre alt, Prostituierte und Trinkerin - und wurde im Zentrum von JTRs Aktivitäten getötet. Allerdings wurde ein anderes Messer benutzt, und zudem wurde sie nicht gewürgt, es gab auch keinen vollständigen Kehlenschnitt, die Wunden waren nicht so tief und der Unterleib war nicht ausgeweidet.
Der Täter hätte wahrscheinlich durchaus genug Zeit für weiterreichende Verstümmelungen gehabt, denn er war wohl diesmal nicht gestört worden. Indiz dafür: Obwohl es kurz geregnet hatte, war der Gehweg unter McKenzies Körper trocken, was bedeutet, dass sie wohl schon vor dem Schauer getötet wurde und somit einige Zeit unentdeckt dagelegen hatte. Möglicherweise war es ein Nachahmungstäter, der dem Ripper diesen Mord in die Schuhe schieben wollte.

Falls es doch JTR war, deutet alles darauf hin, dass er nicht mehr auf der Höhe seiner physischen und/oder psychischen Kräfte war - Folgen der fortschreitenden Syphilis?
Auch der große zeitliche Abstand zu den übrigen Taten fällt auf: JTR hatte eine sehr kurze Abkühlphase, so dass längere Pausen wohl nur durch widrige Umstände wie Krankheit, Einweisung oder Ermittlungsdruck der Polizei zu erklären sind.
Falls Jacob Levy der Täter war: Der Tatort ist nur 100-200 Meter oder 1-2 Minuten Gehweg von Butcher's Row und Middlesex Street entfernt.


"The crazy jewish Butcher"
Spätestens nach diesem Mord machte die Ripper-Theorie vom "verrückten jüdischen Metzger" die Runde, die von verschiedenen Presseorganen aufgegriffen wurde.

London Evening News And Post, 13. September 1889:
"The second man is now being watched. He is a resident of the East End, and has been for years. For a long time he has been acting in the most suspicious fashion. He has a business, to which he scarcely ever personally attends. He goes about drinking, and is to be met at all hours of the night in the streets all over the neighborhood. He enters his house at hours when his wife and family have long been at rest. No member of his family dare question him as to his ramblings. He knocks about among the lowest class of women at unearthly hours, although, according to general report, their very appearance is hateful in his sight. His hatred has been produced by physical suffering, for which, like most men of his class, he holds himself perfectly irresponsible. His habits are such as to give one the notion that he is not altogether in a fit position to be allowed to roam at will. Whether he has anything to do with any crime, it is, of course, impossible to say, but he is kept in view."

Offensichtlich war der Observierte ein im East End lebender Metzger, der sein Geschäft vernachlässigte, so wie auch Jacob Levys Frau beklagte. Er fing an zu trinken und streifte nachts umher, so wie Levys Frau gesagt hat. Er trieb sich bei Prostituierten herum, obwohl er sie hasste.
"His hatred has been produced by physical suffering, for which, like most men of his class, he holds himself perfectly irresponsible." - Und sein Hass kam von einer Syphilis-Infektion, wofür er die Schuld nicht bei sich, sondern bei anderen suchte.

Rochester Democrat And Chronicle, 16. September 1889:
"The London Police has a theory that Jack the Ripper is a crazy jewish butcher."

North Eastern Daily Gazette, 18. September 1889:
"A Detective's Views: We are watching now three men, besides the usual night-birds of Whitechapel. One man created some stir during the last murders under circumstances which I need not say anything about. He is a curious sort of fellow; in business, but not doing much to keep it going. His wife and daughter see to it, and he is out at all hours of the night. He says he is a member of the vigilance committee, but I can't answer as to that. No, I won't tell you his name, even if you do want to find out if he is a member or not. This man is out at all hours of the night, and he lets himself in some quietly that his wife does not know what time he really arrives home. She generally finds him in the shop when she comes down the morning. He is being watched, but we can't arrest him only on the suspicious we have. We must wait further developments."

Der Observierte vernachlässigte sein Geschäft, streifte nachts umher, und seine Frau wusste nicht, wann er zurückkam - das passt zu den Aussagen von Jacob Levys Frau bei seiner Einweisung.
"She generally finds him in the shop when she comes down the morning." - Die Erklärung dafür, warum seine Frau nichts bemerkt haben könnte: Sie schlief in der Wohnung, er im Shop. Auch das passt: Wenn JTR tatsächlich Familie hatte, dann muss er wohl woanders genächtigt haben als seine Frau, vermutlich wegen ehelicher Differenzen.
Seine Frau und Tochter kümmerten sich um das Geschäft - zwar war Levys Tochter Hannah 1889 erst vier Jahre alt, aber dafür wohnte laut Census von 1891 Sarahs jüngere Schwester Flora Abrahams mit im Haus, die vielleicht irrtümlicherweise als Tochter im Artikel auftaucht.

Sunday Chronicle, October 15, 1905:
"We found our man. He was engaged in a large way of business in the city of London, was married, had a family, and was generally respected. For some time he had been known as eccentric, and various escapades had caused his friends a good deal of anxiety.
Frequently, as we learned later, he stayed out all night about the time when these outrages were committed. His description agreed with that of a man seen in Dorset-street, Whitechapel, on the night when Mary Jane Kelly was cut to pieces, and at that time he was very near to actual arrest by a policeman."

Der Observierte war in einer großen Geschäftsstraße tätig, und zwar in der City of London, nicht in Whitechapel (!). Dies klingt nach dem Butcher's Row Suspect, denn die Butcher's Row (und auch die einmündende Middlesex Street) gehörten bereits zur City of London. Er war verheiratet und hatte Familie, wie Jacob Levy. Er wurde seltsam und seine Eskapaden bereiteten seinen Freunden Sorge - auch das erinnert an den Verfall Levys mit Diebstahl, psychischer Erkrankung, Geschäftsvernachlässigung und schließlich dem nächtlichem Umherstreifen.



Fortsetzung s.u.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 18.09.2016 11:41 Uhr
Das Ende

15. August 1890: Einlieferung ins Irrenhaus

Jacob Levy wird als geisteskrank in die Nervenheilanstalt City of London Asylum at Stone in Kent eingeliefert.
In der Krankenakte wird als Einweisungsgrund "Manie" eingetragen, an der er schon seit längerem leide. Er soll bei seiner Einlieferung noch in guter körperlicher Verfassung gewesen sein, seine Größe wird mit knapp 1,70 Meter und sein Gewicht mit 60 Kilo angegeben.
Seine Frau soll den Anstaltsakten zufolge nach der Einweisung gesagt haben, Levy habe beinahe ihr Geschäft ruiniert, früher sei er ein sehr guter Geschäftsmann gewesen. Aber er schlafe nun nachts nicht mehr, sondern wandere oft für Stunden ziellos umher. Auch befürchte er, jemandem etwas anzutun. Er höre Geräusche und Stimmen, die ihm befehlen und ihn zwingen Taten zu begehen, die er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne.
Merwürdigerweise soll Levy gesagt haben, dass schon sein Bruder Abraham Selbstmord begangen habe, indem er sich selbst die Kehle durchgeschnitten (!) habe. In den Akten steht: "Whether any near relative has been afflicted with insanity: Yes. Elder brother cut his throat." - Dabei hat er sich laut Casebook erhängt: Im Mai 1875 nahm sich Jacobs Bruder Abraham das Leben, weil er angeblich bei Pferderennen enorme Summen verloren hatte. Einem Zeitungsbericht nach fand Jacob selbst den erhängten Leichnam seines zwei Jahre älteren Bruders.
In den Akten heißt es über Jacob:
"Known patient several years: formerly shrewd business man, now quite incapable of carrying on the same, giving wrong change & money back for things bought. Says he feels a something within him impelling him to take everything he sees. Feels that if he is not restrained he will do some violence to some one. Complains of hearing strange noises.
Wife (Sarah Levy, 36 Middlesex St.) deposes that he has nearly ruined her business being quite incapable of taking care of money. Makes away with every penny he can put his hand on, orders goods indiscriminately & is continually taking other peoples goods carrying them off.
Wanders away from home for hours with out any purpose. Does not sleep at night raves and is continually fancying someone is going to do him bodily harm. (...) Has delusions as to his own importance, such as - it being in his power to give great grants of land & money."

Dass Levy sein Geschäft vernachlässigte, nachts umherstreifte und zugab, von inneren Stimmen zu Gewalttaten getrieben zu werden, ist ein gutes Indiz für eine mögliche Täterschaft. Ebenso die Größenwahnphantasien über seine eigene Bedeutung. 
Hinzu kommt die seltsame Aussage zum Tod seines Bruders: Hat Levy vielleicht in seiner psychischen Zerrüttung hier seine Vorliebe fürs Kehlenschlitzen verraten?
Dass er auch 1890 noch in guter körperlicher Verfassung war, legt jedenfalls nahe, dass er trotz seiner Erkrankung physisch zu den Morden fähig gewesen wäre.

In ihren Memoiren nannten die hochrangigen Polizeibeamten Macnaghten und Anderson beide als einen der Hauptverdächtigen im Ripper-Fall einen Juden, der in nächster Nähe zu den Opfern lebte und nach den Morden in eine Irrenanstalt eingewiesen wurde. Auch Major Arthur G.F. Griffiths schrieb in seiner Reihe "Mysteries of Police and Crime" 1898 von "a Polish Jew, a known lunatic who was at large in the district of Whitechapel at the time of the murders and who (...) was confined to an asylum" (das "polish" könnte eine Verwechslung mit Kosminski sein)
Chief Inspektor Swanson schrieb persönliche Anmerkungen in sein Exemplar von Andersons Memoiren, die den grundsätzlichen Sachverhalt bestätigten. Allerdings fügte er noch hinzu, dass der Verdächtige in einem "Seaside Home" von einem Zeugen erkannt worden sei und es ihm auch bewusst gewesen sei, dass die Polizei ihn identifiziert habe. Danach habe man ihn vorübergehend zu seinen Verwandten zurückgebracht, wo die Polizei ihn Tag und Nacht beobachtet habe, bevor er dann endgültig in eine Irrenanstalt gebracht worden sei, wo er schon bald verstorben sei.
Dies würde erklären, warum die Morde aufhörten.

Damit würde der von Ripperologen in den Akten von Colney Hatch gefundene gewalttätige Irre David Cohen als Verdächtiger ausfallen, denn nach bisherigen Erkenntnissen hatte er keine Verwandten. Eine weitere Diskrepanz: Die Zeugen beschrieben alle einen Mann mittleren Alters - David Cohen war damals aber erst 23 Jahre alt. Zudem wurde er bereits am 7. Dezember 1888 per Gerichtsbeschluss erst ins Whitechapel-Arbeiterkrankenhaus eingewiesen, und dann wegen seiner Unkontrollierbarkeit am 21. Dezember direkt weiter ins Irrenhaus Colney Hatch, wo er am 20. Oktober 1889 verstorben sein soll - die erste offiziell "Seaside Home" genannte Einrichtung wurde aber erst 1890 eröffnet.
(Allerdings vermuten einige Ripperologen, dass "David Cohen" auch ein Alias wie "John Doe" gewesen sein könnte, da es noch andere Namens-Unklarheiten in dem Fall gibt.)

Jabob Levys Einlieferungsdatum in die öffentliche Anstalt passt jedenfalls zum Zeitpunkt der angeblichen Identifikation von JTR in einem "Seaside Home" (s.u.), welche von Ripperologen auf Sommer 1890 angesetzt wird, da das Convalescent Police Seaside Home in Hove (bei Brighton) in diesem Jahr eröffnet wurde und in seinen Akten zwei Besucher ohne Namensnennung auftauchen.
Zwar wurde von Chief Inspektor Swanson als öffentliche Anstalt Colney Hatch ins Spiel gebracht, aber dies bezog er explizit auf Kosminski. Laut Researcher Steward Hicks soll Lady Anderson, die Ehefrau von Assistant Commissioner Robert Anderson, hingegen gesagt haben, der Ripper sei in einer Anstalt bei Stone gewesen.

Da Levy schon "seit längerem" an seiner Krankheit gelitten hatte, könnte er zuvor bereits in familiärer Betreuung und/oder einer privaten Einrichtung gewesen sein - so wie dies später von hochrangigen Polizisten über den Ripper-Verdächtigen erzählt wurde (s.u.).
Die Polizei soll jedenfalls schon Ende 1888 alle privaten Sanatorien überprüft haben:
"The Dublin Express London correspondent on Thursday gave as the latest police theory concerning the Whitechapel murderer, that he has fallen under the strong suspicion of his near relatives, who to avert a terribly family disgrace, may have placed him out of harm's way in safe keeping. As showing that there is a certain amount of credence attached to this story, detectives have recently visited all the registered private lunatic asylums, and made full inquiries as to the inmates recently admitted." (The Bristol Mercury, 29. Dezember 1888)

War Jacob Levy der Ripper, würde dies den Zeitraum von eineinhalb Jahren zwischen dem Kelly- Mord und seiner offiziellen Einweisung im August 1890 erklären.
Über Levy ist leider nur bekannt, dass er in Stone eingeliefert wurde, es gibt bisher keine Hinweise auf vorübergehende Unterbringungen woanders. Jedoch wäre es plausibel, dass sich zunächst seine Angehörigen um ihn kümmerten, bis sich sein Zustand so weit verschlechterte, dass er für sie nicht mehr zu bewältigen war, worauf sie ihn unter falschem Namen in ein privates Sanatorium steckten, bevor er von der Polizei entdeckt und identifiziert wurde.


Freitag, 13. Februar 1891: Mord an Frances Coles in Swallow Gardens
Gegen 1.45 Uhr traf eine Bekannte, die Prostituierte Ellen Callagher, in der Commercial Street auf Coles. Sie liefen gemeinsam Richtung Minories und begegneten einen "brutalen Mann mit einer Baskenmütze", an den Callagher sich als einen früheren Kunden erinnerte. Sie will Coles gewarnt haben, dass der Mann ihr vor einiger Zeit ein blaues Auge geschlagen habe, und sie solle sich nicht mit ihm abgeben. Coles befolgte den Rat ihrer Freundin allerdings nicht und unterbreitete dem Mann ein Angebot, worauf die beiden ohne Callagher in Richtung Minories gingen.
Carmen Friday und die Brüder Knapton gingen kurz nach 2 Uhr morgens durch die Eisenbahn-Unterführung Swallow Gardens. Sie sahen eine Frau und einen Mann, die an der Ecke der Royal Mint Street standen. Gegen 2.15 Uhr dann entdeckte Police Constable Ernest Thompson auf seiner Runde unter der Eisenbahnbrücke die Prostituierte Frances Coles mit durchschnittener Kehle.
Die Justiz klagte später Coles gewalttätigen Freund Thomas Sadler an, der jedoch freigesprochen wurde, weil er ein Alibi hatte.
Verdächtigungen wie im Automn of Terror mit den Gerüchten um "Lether Apron" verbreiteten sich unter den Bewohnern des Eastends, laut Mundpropaganda sollte ein gewisser jüdischer Metzger namens "Jacobs" (!) der Mörder gewesen sein.
Benjamin Leeson schrieb in "Lost London: The Memoirs of an East End Detective" (1934):
"... a story circulated that the Ripper was a butcher, who wore blue overalls and a leather apron, and an English Jew named Jacobs, a perfectly harmless man, somehow attracted suspicion to himself. Possibly because, working in a slaughter house, he always wore a leather apron. People would point Jacobs out in the street as a suspected man, and more than once he had to run for it. I myself was often obliged to take him to the police station for protection. The thing so preyed on the poor fellow's mind that it finally caused him to lose his reason." 

Coles war zwar auch eine Prostituierte, der die Kehle aufgeschlitzt wurde, allerdings wurde sie nicht zuvor gewürgt, sondern einfach zu Boden gerissen, das Messer soll ebenfalls ein anderes gewesen sein - der obduzierende Dr. Phillips hielt jedenfalls JTR nicht für den Täter.
Interessant ist allerdings, dass in gewissen Teilen der Bevölkerung Gerüchte über einen Metzger namens "Jacobs" die Runde machten, was doch sehr nach "Jacob" klingt.
Könnte vielleicht in bestimmten Kreisen schon länger der Verdacht bestanden haben, dass der Metzger Jacob Levy möglicherweise der Ripper war? War hier etwas durchgesickert und kursierte nun unter Leuten, die nicht wußten, dass der echte Verdächtige bereits in einer Anstalt war?


29. Juli 1891: Jacob Levys Tod
Levy stirbt an den Folgen der Syphilis in der Nervenheilanstalt Stone in Kent.
In den Akten steht als Todesursache: "General paralysis of the insane brought on by the serious sexually transmitted disease syphilis".

Macnaghten und Swanson bezeichneten ihren Verdächtigen in der Anstalt zwar als "Kosminski", jedoch enthalten die Erinnerungen der Polizisten nachgewiesenermaßen einige Ungenauigkeiten, so dass sie sich mit dem Namen geirrt haben könnten, denn der in medizinischen Akten gefundene Aaron Kosminski war damals erst 23 Jahre alt und starb erst 1919 in der Anstalt, nicht schon bald nach der Einweisung, so wie Swanson glaubte.
Zudem schrieb Robert Sagar von der City-Police von einem Metzger, der observiert worden war, und Kosminski soll Haarschneider gewesen sein.
Vermutlich wurden einfach die Namen von ein paar verdächtigen Anstaltsinsassen durcheinander geworfen. Der nie an den Ermittlungen beteiligte Mcnaghten schrieb sein internes Memorandum 1894 und veröffentlichte seine Memoiren "Days of My Years" erst 1914 - Jahre nach den Ripper-Morden. Robert Anderson veröffentlichte seine Memoiren "The Lighter Side of My Official Life", in die Swanson seine privaten Anmerkungen machte, erst 1910.

Interessanterweise hatte Jacob Levys unmittelbarer Nachbar, der Butcher Hyman Sampson (den Jacob 1886 bestohlen hatte), seit 1881 einen angestellten Metzger namens Aaron Krotoski. Der heiratete Sampsons Tochter und betrieb schließlich nach Sampsons Tod 1887 den Butcher Shop zuerst mit Sampsons Witwe Elizabeth weiter, bevor er ihn irgendwann nach 1888 ganz von der Schwiegermutter übernahm. Als Sarah Levy schließlich ihren Butcher Shop aufgab, war Aaron Krotoskis Metzgerei die einzige an der Ecke Stoney Lane.
Aaron Krotoski - Aaron Kosminski: zwei für Engländer ungewöhnliche Namen, die ähnlich klingen, könnte da etwas in den Erinnerungen unserer Polizisten durcheinander geraten sein?
Zwei jüdische Verdächtige, die kurz nacheinander im Irrenhaus landeten, der eine war ein Butcher, dem ein Aaron Krotoski nachfolgte, der andere hieß Aaron Kosminski.
Macnaghten schrieb sein Memorandum 1894 und war an den Ermittlungen im Ripper-Fall nicht beteiligt, er hatte seine Informationen also von seinen Kollegen, wahrscheinlich von Swanson, und der wiederum hatte sie vermutlich von den Kollegen der City Police, denn die Butcher's Row Observationen hatte ja die City Police betrieben.
Den Shop der Levys gab es nicht mehr, dort oben an der Ecke Stoney Lane war jetzt nur noch der Laden eines Aaron Krotoski. Könnte es bei Swanson und Macnaghten daher vielleicht zu einer Verwechslung bzw. Vermischung von Kosminski mit Levy gekommen sein?
Immerhin glaubte Swanson ja auch, der Verdächtige sei nicht lange nach seiner Einweisung verstorben, aber Kosminski lebte noch bis 1919, während Levy schon 1891 in der Anstalt starb. Dies deutet darauf hin, dass zwei Verdächtige verwechselt wurden. 

Eine weitere plausible Erklärung der Namens-Irritationen könnte im Verhalten der Verwandten des mutmaßlichen Mörders liegen: Wenn er von den Angehörigen zuerst in eine private Anstalt gesteckt wurde, als sie seinem Irrsinn und seiner Gefährlichkeit nicht mehr Herr wurden, wäre es gut nachvollziehbar, dass sie ihn unter einer falschen Identität irgendwo eingewiesen hatten, um ihn und die Familie zu schützen.
Das wäre dann so lange gut gegangen, bis es zur Überprüfung aller neuen Anstalts-Einlieferungen durch die Polizei und der erwähnten Gegenüberstellung mit Identifizierung im "Seaside Home" gekommen war. Die spätere endgültige Einweisung in ein staatliches Institut wäre dann zwar unter dem richtigen Namen erfolgt, aber die Namensverwirrung könnte immer noch in Polizeikreisen und -Berichten präsent gewesen sein und so zu den Irrtümern geführt haben.

Robert Anderson jedenfalls schrieb in seinen Memoiren: "Die einzige Person, die jemals einen guten Blick auf den Mörder werfen konnte, identifizierte ihn, aber als er erfuhr, dass der Tatverdächtige ein Glaubensbruder war, weigerte er sich, gegen ihn auszusagen."
Swanson bestätigte in seinen privaten Anmerkungen diesen Aspekt.
Bei diesem Zeugen könnte es sich somit um Joseph Hyam Levy, Joseph Lawende (beide Fall Eddowes) oder Israel Schwartz (Fall Stride) gehandelt haben.

Da Macnaghten schrieb, dass der Verdächtige der Beschreibung jener Person entsprach, die am Mitre Square gesehen wurde, dürfte der Zeuge tatsächlich entweder Joseph Hyam Levy oder Lawende gewesen sein. Joseph Hyam Levy machte bei der Befragung kaum Angaben zum Verdächtigen und gab sich verschlossen, vermittelte aber den Eindruck, als wisse er mehr als er sagen wollte, während Lavende zunächst eine detaillierte Beschreibung abgab. Lawende war ein Handelsreisender aus Dalston, kein Bewohner Whitechapels, und dürfte JTR nicht gekannt haben, so dass er vermutlich bedenkenlos eine erste Aussage machte, zumal er den Mann anfangs nicht für einen einheimischen Juden, sondern für einen Seemann gehalten hatte.
Eine Erklärung für den Rückzieher des Zeugen könnte somit sein, dass Joseph Lawende schließlich von seinem Begleiter Joseph Hyam Levy bearbeitet worden war, nicht gegen den Glaubensbruder auszusagen, um ein Pogrom gegen die jüdische Gemeinde zu verhindern.
Dass die Polizei tatsächlich die konkrete Möglichkeit sah, über die Zeugen Lawende und Joseph Hyam Levy den Ripper zu überführen, belegt auch die Vorgehsweise bei der öffentlichen Coroner-Untersuchung zu Eddowes Tod, bei der Lawende verboten wurde, den Verdächtigen vor dem Publikum genauer zu beschreiben (s.o.).


1892: Ermittlungs-Ende

Die Akte Jack the Ripper wird von der Polizei offiziell geschlossen.

Dies würde zeitlich besser zu Jacob Levy passen als zu dem in den Memoiren erwähnten Kosminski, da Aaron Kosminski erst lange nach seiner Einweisung und seiner Verlegung nach Leavesden im Jahr 1919 starb. Auch der von Ripperologen in den Akten der Colney Hatch Nervenheilanstalt gefundene mögliche Verdächtige Hyam Hyams starb erst am 22. März 1913.



Fazit

Die Theorie, dass JTR ein jüdischer Metzger war, der im Irrenhaus starb, erklärt den ansonsten merkwürdigen Schluss im Ripper-Fall: Nach dem Ende der Mordserie laufen die Ermittlungen angeblich ergebnislos aus, die Akte wird geschlossen - aber Jahre später erklären hochrangige Polizisten in ihren Memoiren oder Zeitungsartikeln, der Ripper wäre eigentlich identifiziert worden.

Nach dem Mord an Mary Ann Nichols verdichteten sich im Eastend schnell Gerüchte, dass die Morde von einem Juden mit dem Spitznamen "Leather Apron" verübt worden sein sollten, was so auch in den Zeitungen verbreitet wurde und schon zu ersten antisemitischen Aufwallungen und Kundgebungen führte.
Superintendent Thomas Arnold ordnete daher nach dem Double Event mit Erlaubnis von Polizeichef Charles Warren an, das Goulston Street Graffiti auf der Stelle zu entfernen, explizit aus dem Grund, um mögliche Pogrome gegen Juden zu verhindern. In seinem Bericht vom 9. November 1888 schreibt Arnold: "Ich bitte darum berichten zu dürfen, dass am Morgen des 30. September, dem Letzten, meine Aufmerksamkeit auf eine Aufschrift an der Wand des Eingangs zu Behausungen in der Goulston Street 108, Whitechapel gerichtet wurde, welche aus folgenden Worten bestand: 'Die Juwes sind [nicht] die Menschen, die nicht grundlos beschuldigt werden'.
Ich wusste, dass aufgrund der Verdächtigung eines Juden namens John Pizer, genannt ‚Leather Apron‘, der beschuldigt wurde, den kürzlich in der Hanbury Street verübten Mord begangen zu haben, ein starkes Gefühl gegen die Juden im Allgemeinen aufkam. Da das Gebäude, auf dem sich die Aufschrift befand, mitten in der Lokalität liegt, die hauptsächlich von dieser Religions-gemeinschaft bewohnt wird, war ich besorgt darüber, dass wenn die Aufschrift verbleibt, diese für einen Aufstand verantwortlich sein könnte. Daher habe ich erwogen, dass es wünschenswert sei, sie aufgrund der Tatsache zu entfernen, dass sie sich an einer Stelle befand, die gut von den Menschen einsehbar war, die dort hinein- und hinausgehen."

Falls man den Ripper tatsächlich durch einen Zeugen als verrückt gewordenen jüdischen Metzger identifizierte, hätte die Bekanntgabe demnach zu schrecklichen Übergriffen bis hin zum Pogrom gegen die jüdische Gemeinde in Whitechapel im Allgemeinen und seine Familie im Besonderen führen können. Denn an die Eröffnung eines Prozesses wäre schon wegen des Gesundheitszustands des Tatverdächtigen nicht zu denken gewesen. Und selbst wenn: Ob die dünnen Beweismittel für eine Verurteilung ausreichend gewesen wären, darf bezweifelt werden - ein Freispruch aus Mangel an Beweisen wäre aber verheerend gewesen.
Wegen der sowieso schon explosiven sozialen Lage, einem weitverbreiteten Antisemitismus und der aufgestauten Wut durch den Ripper-Terror wäre wohl zu erwarten gewesen, dass viele Menschen dann ihre Aggressionen an Sündenböcken ausgelassen hätten.
Die Behörden könnten daher zu dem Schluss gekommen sein, es sei angesichts der explosiven Situation im Eastend sicherer, den todkranken Irren stillschweigend in einer Anstalt verrotten zu lassen und lieber weiter zähneknirschend vor der Öffentlichkeit wie Versager in diesem Fall dazustehen, als eine Katastrophe im Viertel zu riskieren.



Geographisches Profil von Jacob Levy:
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 18.09.2016 17:28 Uhr
Ich denke, mit der endgültigen Zusammenfassung von Jacob Levy, wir sehen einen würdigen Verdächtigen, wo es sich lohnen könnte, weiterhin am Ball zu bleiben. Ich werde auf jeden Fall bei Jeff Leahy anregen, bei der Durchsuchung bestimmter Anstaltsunterlagen in Surrey, nach Jacob Levy mit zu suchen.

Im Prinzip war der bereits im Februar 2012 erschienene Artikel über Jacob Levy im Ripperologist 124 von Neil und Tracey  I´anson schon maßgebend genug und ihn erneut zu lesen bzw. die entsprechenden Fäden im Casebook oder JTRForums gründlich zu durchforsten, hätte sicherlich einiges an Arbeit erspart. Es hat aber auch etwas für sich, die bereits gemachten Erkenntnisse zu bestätigen und damit letztendlich sagen zu können: Jacob Levy könnte ein Verdächtiger bezüglich der Jack the Ripper Morde gewesen sein. Für mich persönlich war es recht spannend zu erfahren, wie über Jahre die ehemalige Petticoat Lane auf einer Hälfte zur Middlesex Street wurde und später dann nur noch Middlesex Street hieß. Auch der Umbau der Goulston Street um 1886 mit den dann neuen Wentworth Blöcken wurde mir gewahr.

Es fällt mir leichter, den von Macnaghten, Anderson und Swanson beschriebenen Kosminski auf den Verdächtigen von Cox und Sagar zu beziehen (beide könnten ja auch separate Verdächtige beschrieben haben) als Jacob Levy auf die “Kosminski“ Umstände selber. Falls Levy und Kosminski tatsächlich Verdächtige der City Police waren, würde das angebliche schnelle Dahinscheiden von Kosminski in der Tat verwechselt worden sein können mit Levy´s Tod im Juli 1891.

Was mir ebenfalls ungewöhnlich vorkommt, aus meiner Sicht der Persönlichkeit des Ripper Mörders, ist, dass Jacob Levy einst erwähnte, dass er Angst habe, Gewalt gegen andere ausüben zu können. In jenem Alter sind Gewalt- und Tötungsfantasien bereits mehr als ausgeprägt und ein potentieller Killer würde sich, rein psychologisch gesehen, eher so nicht ausdrücken. Nicht dass es unmöglich wäre aber es wäre zumindest ungewöhnlich. Außerdem war er lange verheiratet, hatte acht Kinder und schien einst auch etwas erfolgreich.  Auch scheint bei ihm ein Vater in prägender Phase und darüber hinaus vorhanden gewesen zu sein. Ein fehlender oder inaktiver Vater ist oft ein Merkmal bei Serienkillern. Man könnte jetzt sagen inaktiv aber diese Familie schien doch recht agil aber man weiß ja nie, wie die Dinge tatsächlich abliefen.

Auch wenn er aus einer Butcher Familie stammte und selber ein solcher war, er wäre damit schon recht früh in seinem Leben mit allen Fähigkeiten für dieses Handwerk ausgerüstet gewesen. Er musste sein Handwerk während der Mordserie nicht lernen und Tabram als auch Nichols wären intensiver verletzt und verstümmelt worden. Man könnte auf Störung am Tatort hinweisen aber bei Tabram hatte er genug Zeit um zahlreiche Messerstiche durchzuführen und bei Nichols sahen die Wunde so aus, als ob der Täter sich noch nicht ganz sicher war, wie er nun agieren soll. Für einen Butcher ungewöhnlich. Man könnte aber auch hier anmerken, dass es etwas anderes ist einen Menschen zu töten anstelle von Schlachtvieh. Für mich sieht es eher nach jemanden aus, der sein “Handwerk“ erst noch lernen musste, dessen Erfahrung mit solchen Dingen länger zurücklag oder er sie gerade erst frisch machte.

Cox von der City Police in die Middlesex Street zu stellen ist möglich, es bleiben jedoch noch Fragen diesbezüglich offen. Der Bericht von Cox lässt eher auf eine Straße schließen, die von tatsächlichen Schneidern und Mützenmachern geprägt war, eher im Stile größerer Produktionen. Und die gab es tatsächlich im East End Bereich. Ich vermute eher einen Shop der auch mit diesem Berufszweig verbunden war. Auch sprach Cox von einem Shop, welcher Wohnung und Laden zugleich war. In einem Schlachtershop hätte man eher nicht direkt gelebt sondern darüber, vielleicht mit einem separaten Zugang. Nun wäre es aber möglich, per Hintereingang eines Shops in die obere Etage zu gelangen, vielleicht auch in einen seitlichen Trakt. Viele Schneider u.ä., wir wissen das via Booth, nutzten ihren Wohnraum gleichzeitig als Werkstatt. Man kann, muss nicht, die Angaben von Cox auf einen Schneiderladen o.ä. beziehen. Hier sehe ich die Chance 70:30 für einen Schneidershop. Cox Größenangabe für seinen Verdächtigen von 5' 6" tall im Vergleich zu Levy´s 5' 3" tall aus der Anstalt, lasse ich mal außen vor. Da habe ich mich von Arthur überzeugen lassen, ein paar Zentimeter unterschied nicht überzubewerten.

Bei Sagar sehe ich das etwas anders. Hier ist eindeutig von einem Butcher Shop die Rede. Er erwähnt, dass die Freunde vom Verdächtigen es für ratsam hielten, den Mann in eine Anstalt zu bringen. Unter der Adresse von Freunden, z.B. Isaac Barnet, wurde Levy in Stone eingetragen. Hier machen Arthur´s Erklärungen besonders viel Sinn, dass es vielleicht für Levy wieder schwierig war, beruflich Fuß zu fassen als auch mit Frau und Kindern dauerhaft zusammen zu leben. So könnte er Jobs in der Aldgate High Street/Butchers Row als auch noch woanders angenommen haben und bei Freunden zeitweise gewohnt haben (Barnett).  Allerdings macht Sagar´s Bemerkung über eine Umsiedlung nach Australien und den dortigen Tod des Verdächtigen keinen Sinn mit Jacob Levy (aber das tut es in Fällen anderer Verdächtiger auch nicht). Eine von Sagar´s Observationen in der Butchers Row fanden im Dezember 1890 statt, als Jacob Levy schon in Stone eingewiesen war. Cox und Sagar waren bereits im Oktober/November 1890 an einer Ermittlung beteiligt, die sich auf einen Mann in der Greenfield Street bezog. Dieser lebte nur sechs Türen von Isaac Abrahams (Bruder von Aaron Kozminski) entfernt. Sagar´s Observation in der Butchers Row bezog sich auf ein Bordell. Ich sehe durchaus eine Möglichkeit bei Sagar und Cox, dass sie beide von einem Verdächtigen sprachen und bei dessen Observation auch auf weitere kriminelle Handlungen stießen, wie auf das betreiben eines Bordell (Sagar) oder auf Fälscherei (Greenfield Street). Die Greenfield Street war in der Tat eine Straße mit größer produzierenden Schneidern und dafür bekannt. Dennoch gebe hier eine 50:50 Chance für Jacob Levy als Sagar´s Verdächtigen in der Butchers Row.

Letztendlich muss ich jedoch sagen, dass Arthur´s Gedanken zu Jacob Levy mit den anderen bekannten Fakten durchaus sehr viel für sich haben und alles andere als unmöglich sind. Dem sollte man weiterhin viel Aufmerksamkeit schenken. 

Lestrade.
 
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 19.09.2016 10:33 Uhr
Hallo Lestrade,

ich weiß jetzt gar nicht, ob meine PN angekommen ist, denn ich sehe sie nicht im Postausgang... Könnte das daran liegen, dass ich NoScript verwende?


Jedenfalls bin ich dir dankbar für all die Tipps und Infos, wo dein Schwerpunkt doch Kosminski ist.
 

Allerdings sehe ich das mit Levy noch nicht als endgültige Zusammenfassung - das war nur schnell aktualisiert.

Z.B. bin ich ja der Schlachthaus-Frage in der Hanbury Street noch nicht weiter nachgegangen und habe sie im Text noch nicht geändert (hatte nur auf der Karte ein Fragezeichen dran gemacht als Gedächtnisstütze, als ich Jacob richtig positioniert habe). Darüber hinaus habe ich noch einige Holprigkeiten und Doppelungen in dem zusammengestückelten Text.

Auf jeden Fall werde ich, soweit meine Zeit es zulässt, weiter an der These feilen - und warte schon die ganze Zeit gespannt darauf, dass Tracy Ianson ihre Ergebnisse mal als Buch herausbringt.


Aber wir können uns ja demnächst, wenn wir Zeit dazu haben, mal wieder dem Verdächtigen Kosminski zuwenden.

Denn meine Idee war es ja, dass hier im Forum ein paar aktualisierte Zusammenfassungen zu den besten Kandidaten einander gegenüberstehen - so als eine Art Update und Erweiterung von Thomas Schachners Buch.


MfG, Arthur
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Phil am 19.09.2016 10:38 Uhr
Hey Arthur,

das ist eine tolle Zusammenfassung über Jacob Levy, danke dafür! Ich habe die letzten Tage immer still die Posts von Lestrade und dir verfolgt, muss aber gestehen, dass ich nicht so tief in den Details steckte (Hausnummern etc.), um mitreden zu können. Die Zusammenfassung war jetzt mehr als gelungen und hat nochmal einen guten Überblick verschafft.
Levy zählt für mich definitiv zu einem der heißesten Kandidaten, und das wird hierdurch nur wieder bestätigt. Allerdings gibt es auch immer wieder einige kleine Punkte, die meiner Meinung nach nicht zusammenpassen, aber im Großen und Ganzen werden bei Levy schon viele lose Fäden zusammengeführt. Nur ganz kurz: Ich habe mir zum Beispiel das verlinkte Youtube-Video angeschaut, in dem Levy von der FBI-Profilerin analysiert wird. Wie sie die Verletzungen in Eddowes Gesicht erklärt, finde ich ehrlich gesagt total bescheuert. Da muss man einfach nur die Akten lesen und logisch schlussfolgern können, um zu erkennen, dass die Gesichtsverletzungen NICHT daher stammten, dass sie sich auf dem Boden gewehrt hat und der Ripper mit dem Messer statt des Halses immer das Gesicht traf. Aber das nur nebenbei.
Ich habe das bestimmt schon einmal erwähnt hier, aber ich bin auf Levy durch das PC-Spiel "Sherlock Holmes jagt Jack the Ripper" gekommen. Das Spiel lohnt sich wirklich, unabhängig von der toll eingefangenen Whitechapel-Atmosphäre, wird der Fall hier sehr logisch und wissenschaftlich (mit Levy als Tatverdächtigem) bearbeitet.
Und noch etwas, das mir beim Lesen gerade auffiel: Da Levy mit Vornamen Jacob hieß, kriegt der (natürlich nicht damit zusammenhängende, unbeabsichtigte) von Bulling erfundene Name "Jack, the Ripper" eine viel persönlichere Bedeutung.
Jacob --> Jack

Das war's erstmal mit meinen Gedankengängen dazu  ;)
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 19.09.2016 11:53 Uhr
Hallo Phil,

danke für das Lob, aber im Gegensatz zu den "echten" Ripperologen und Researchern, die sich wochenlang durch Archive wühlen, um etwas Neues auszugraben, bin ich nur ein Eichhörnchen, das kreuz und quer herumläuft und einige der Nüsse aufsammelt, die andere bereits gefunden haben. ;-)

Auch wenn ich mich inzwischen auf Levy eingeschossen habe, weil ich ihn neben Kozminski als den heißesten mir bekannten Kandidaten ansehe (und bei Kozminski kann ich gegen Lestrade nicht anstinken), so sehe ich ebenfalls noch einige Punkte, die nicht passen - und manches davon wird wohl auch widersprüchlich bleiben.
Denn angesichts der großen Zahl an Verdächtigen, der Flut von Gerüchten, Vermutungen und sogar Fehlern in den erhaltenen Dokumenten ist es schwierig, die Spreu vom Weizen zu trennen.

Was die Mystery Filers Doku angeht, so stimme ich dir zu: Pat Browns Erklärungsversuch für die Gesichtsverletzungen von Eddowes überzeugen mich auch nicht. Aber derzeit kenne ich keine andere Doku, die sich so intensiv mit Jacob Levy auseinandersetzt, und das meiste andere, was die Profilerin sagt, finde ich plausibel.

Von diesem Ripper-Spiel hatte ich mir übrigens mal den Spielverlauf auf Youtube angesehen - das hatte mich u.a. darauf gebracht, dass die Bewegungsrichtungen beim Double Event einen Hinweis auf seine geographische Verortung geben. War also sehr nützlich für mich.

Wer weiß, vielleicht findet ja irgendwann noch jemand Informationen, die ein ganz neues Licht auf den Fall werfen, und dann können wir alle Theorien von früher in die Tonne treten.


MfG, Arthur Dent
 
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 19.09.2016 15:11 Uhr
Hello Arthur!

Jedenfalls bin ich dir dankbar für all die Tipps und Infos, wo dein Schwerpunkt doch Kosminski ist.

Ich danke dir, habe ´ne Menge gelernt (und gemerkt, was man alles so vergessen kann).

Allerdings sehe ich das mit Levy noch nicht als endgültige Zusammenfassung - das war nur schnell aktualisiert.

Sorry, klar! Es war mein Unterbewusstsein welches mitschrieb. Ich fand die letzte Aktualisierung einfach rund.

Auf jeden Fall werde ich, soweit meine Zeit es zulässt, weiter an der These feilen - und warte schon die ganze Zeit gespannt darauf, dass Tracy Ianson ihre Ergebnisse mal als Buch herausbringt.

Wir werden sicherlich noch Neues über Jacob Levy erfahren!

Aber wir können uns ja demnächst, wenn wir Zeit dazu haben, mal wieder dem Verdächtigen Kosminski zuwenden

Er kann eigentlich warten wohnt ja quasi hier, jetzt allerdings in einer WG mit Jacob Levy (wobei ich mir in der Tat nicht sicher bin, ob beide sich eh bereits kennen). :biggrin:

Was hälst du von Hyam Hyams? Er wohnte u.a. ja direkt hinter der Middlesex Street, falls ich mich nicht irre. Ehrlich gesagt, kann ich mir dich für ihn sehr gut vorstellen.

Da gab es einige neue Erkenntnisse vor längerer Zeit. So soll die Bezeichnung: "the terror of the City of London Police" gar nicht dem uns bekannten Hyam Hyams zuzuordnen sein. Auch fand Rob House einen anderen Hyam Hyams in einer Anstalt. Der Name war, glaube ich, garnicht so selten. Da war auch einer in der Middlesex Street, siehe mal unter unseren Sammlungen nach. Ebenso soll es mögliche familäre Verbindungen zu Joseph Hyam Levy/ Jacob gegeben haben. Ich müsste auch erst alles auffrischen aber ein neuer Faden, ähnlich wie jetzt Jacob Levy, würde Sinn machen und wir könnten uns ähnlich austauschen wie bisher. Ich denke, es würde spannend und interessant werden und Spaß machen. Was meinst du?

Heute und morgen könnte ich aber noch nicht mit einsteigen.   

Beste Grüße, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 20.09.2016 16:46 Uhr
Hallo Lestrade!


Zitat
Ich werde auf jeden Fall bei Jeff Leahy anregen, bei der Durchsuchung bestimmter Anstaltsunterlagen in Surrey, nach Jacob Levy mit zu suchen.

Das wäre wirklich toll, wenn er darauf ein Auge haben würde.


Zitat
Im Prinzip war der bereits im Februar 2012 erschienene Artikel über Jacob Levy im Ripperologist 124 von Neil und Tracey I´anson schon maßgebend genug und ihn erneut zu lesen bzw. die entsprechenden Fäden im Casebook oder JTRForums gründlich zu durchforsten, hätte sicherlich einiges an Arbeit erspart.

Den Ripperologist 124 hab ich ja als PDF vorliegen und Iansons wegweisenden Artikel hole ich mir auch immer wieder hervor - die relevanten Infos daraus dürfte ich in meinem Text wohl alle drin haben.
Mühseliger ist es, die verstreuten Infos aus den Threads der Foren zusammenzutragen, zu ordnen und zu bewerten, da sind auch auch viele Sackgassen und Irrwege mit dabei. Da nimmt man was in die These mit auf und später kommt dann der Verdacht auf, dass es scheinbar doch nicht zutreffend war, so wie die Sache mit dem Barbers Yard.


Zitat
Für mich persönlich war es recht spannend zu erfahren, wie über Jahre die ehemalige Petticoat Lane auf einer Hälfte zur Middlesex Street wurde und später dann nur noch Middlesex Street hieß. Auch der Umbau der Goulston Street um 1886 mit den dann neuen Wentworth Blöcken wurde mir gewahr.

Ja, das war auch für mich sehr interessant, denn es eröffnet für uns einen Erklärungsansatz, warum vielleicht ein paar Infos der Polizei durcheindergeraten sein könnten.
Ich stelle mir das auch für die Ermittler ziemlich chaotisch vor: Einige Daten aus den Akten stimmen auf einmal nicht mehr, es kommt zu Adresse- und Namensverwirrungen in dieser Gemeinde, in der viele mit ähnlichen Namen rumrennen, ihre Namen ändern und / oder dann auch noch öfter umziehen.

Zitat
Es fällt mir leichter, den von Macnaghten, Anderson und Swanson beschriebenen Kosminski auf den Verdächtigen von Cox und Sagar zu beziehen (beide könnten ja auch separate Verdächtige beschrieben haben) als Jacob Levy auf die “Kosminski“ Umstände selber. Falls Levy und Kosminski tatsächlich Verdächtige der City Police waren, würde das angebliche schnelle Dahinscheiden von Kosminski in der Tat verwechselt worden sein können mit Levy´s Tod im Juli 1891.

Wie herum auch immer, ich finde es einen interessanten Ansatz mit unserem Jacob Levy, seinem Nachbarn Aaron Krotoski, der Sampsons Shop übernahm, und Aaron Kosminski.
Ich spekuliere jetzt mal ganz wild:
Ab Oktober 1888 begann die Polizei alle Schlachtereien und Metzgereien des Viertels und die Beschäftigten dort zu überprüfen, mitten in den aktuellen Adress-Umstellungen. Das heißt, sowohl Jacob in Nr. 36 als auch Aaron Krotoski in Nr. 35 standen auf einer ihrer Listen, die mehrere hundert Leute umfassten. Und Aaron Kosminski stand als Verdächtiger vermutlich ebenfalls auf einer, er war zwar selber kein Butcher, allerdings hatte er als Verwandten den Butcher Jacob Cohen, der sich um ihn kümmerte.
Kurz nach der Adress-Änderung machte Sarah Levy ihren Shop zu (deren Mädchenname Abrahams übrigens auch der Nachname von Kosminskis Bruder war) und es gab dort nur noch in Nr. 134 Levy Moses, Butcher, aber keinen mehr unterhalb Stoney Lane, wo nur noch Krotoski war.
Aus dem Wust der zusammengetragenen Daten könnte dann in den Erinnerungen vermischt worden sein, dass die City Police einen Metzger in der Butcher's Row überwachte, der dann in die Irrenanstalt kam und dort starb, und dass ein überwachter Verdächtiger namens Aaron Kosminski aus einer vermeintlichen Butcher-Familie (Cohen) in die Irrenstalt kam. Irgendwie wurde wegen der Namen Krotoski und Kosminski beides irrtümlicherweise zusammengeworfen, so dass auf einmal Kosminski derjenige war, der schon bald in der Irrenanstalt starb.
Offen bleiben würde dabei natürlich immer noch die Frage, ob Jacob oder Aaron ihr "Prime suspect" war.


Zitat
Was mir ebenfalls ungewöhnlich vorkommt, aus meiner Sicht der Persönlichkeit des Ripper Mörders, ist, dass Jacob Levy einst erwähnte, dass er Angst habe, Gewalt gegen andere ausüben zu können. In jenem Alter sind Gewalt- und Tötungsfantasien bereits mehr als ausgeprägt und ein potentieller Killer würde sich, rein psychologisch gesehen, eher so nicht ausdrücken.

Ich bin ja kein ausgebildeter forensischer Psychiater, aber wenn der Täter sich in geistigem Verfall befand, würde mich die anfängliche innere Zerrissenheit zwischen den aufkommenden befehlenden mörderischen Stimmen seiner psychotischen Schübe und den Resten seiner moralischen Integretität nicht verwundern, bis der Wahnsinn dann die Oberhand gewann.


Zitat
Außerdem war er lange verheiratet, hatte acht Kinder und schien einst auch etwas erfolgreich.

Was die Fallhöhe nur größer macht.


Zitat
Auch wenn er aus einer Butcher Familie stammte und selber ein solcher war, er wäre damit schon recht früh in seinem Leben mit allen Fähigkeiten für dieses Handwerk ausgerüstet gewesen. Er musste sein Handwerk während der Mordserie nicht lernen und Tabram als auch Nichols wären intensiver verletzt und verstümmelt worden. Man könnte auf Störung am Tatort hinweisen aber bei Tabram hatte er genug Zeit um zahlreiche Messerstiche durchzuführen und bei Nichols sahen die Wunde so aus, als ob der Täter sich noch nicht ganz sicher war, wie er nun agieren soll. Für einen Butcher ungewöhnlich. Man könnte aber auch hier anmerken, dass es etwas anderes ist einen Menschen zu töten anstelle von Schlachtvieh. Für mich sieht es eher nach jemanden aus, der sein “Handwerk“ erst noch lernen musste, dessen Erfahrung mit solchen Dingen länger zurücklag oder er sie gerade erst frisch machte.

Ist ein gutes Argument. Allerdings, wie du selber schriebst: "Man könnte aber auch hier anmerken, dass es etwas anderes ist einen Menschen zu töten anstelle von Schlachtvieh."
Dadurch wäre es m.E. auch für einen Butcher etwas neues - denn es hat ja schon eine eminent  andere Qualität, in einer Schlachterei völlig legal und offen ein Tier zu zerlegen, als aus einem inneren Zwang auf offener Straße unter Zeitdruck und Entdeckungsgefahr einen anderen Menschen.
Das könnte die anfängliche "Unbeholfenheit" erklären. Auch beginnende Serientäter müssen schließlich erst mal lernen, was eigentlich der Kern ihrer Bedürfnisse bei ihren Taten ist - und der war sicher ein anderer als beim Schlachten von Tieren.


Zitat
Cox von der City Police in die Middlesex Street zu stellen ist möglich, es bleiben jedoch noch Fragen diesbezüglich offen. Der Bericht von Cox lässt eher auf eine Straße schließen, die von tatsächlichen Schneidern und Mützenmachern geprägt war, eher im Stile größerer Produktionen. Und die gab es tatsächlich im East End Bereich. Ich vermute eher einen Shop der auch mit diesem Berufszweig verbunden war.

Dass es in der beobachteten Straße eine Bekleidungsindustrie gegeben haben muss, darüber sind wir uns einig, sonst hätte die Ausrede mit den Factory Inspectors keinen Sinn gemacht.
Wie ich allerdings schon einmal als Argument anführte: Wenn man tatsächlich Schneider observiert und dabei bemerkt wird, erzählt man nicht als Ausrede, man würde Schneider beobachten, sonst könnte das den Observierten warnen, wenn es weitererzählt wird. Sinnvoller erscheint es mir hingegen, die eigentliche Zielgruppe in vermeintlicher Sicherheit zu wiegen, indem man auf die Gruppe daneben als angebliches Ziel verweist.
Zudem deutet Cox Hinweis, dass sie regelmäßig als Kunden im Shop auftraten, weniger auf Schneider hin, als auf ein Geschäft für alltägliche Einkäufe. Cox schrieb: "We had the use of a house opposite the shop of the man we suspected, and, disguised, of course, we frequently stopped across in the role of customers." Etwas essen mussten die Polizisten sowieso, daher erscheint eine Metzgerei plausibel, aber ob sie Spesen für regelmäßige Schneiderarbeiten bekommen hätten...


Zitat
Auch sprach Cox von einem Shop, welcher Wohnung und Laden zugleich war.

Levys Shop war klein, wie die Karten zeigen, und zugleich die Wohnadresse, aber wie die Zimmeraufteilung war, wissen wir leider nicht.
Bei Kosminski sehe ich jedenfalls auch ein gewisses Problem mit den Ausführungen von Cox. Denn Cox schrieb: "We had the use of a house opposite the shop of the man we suspected" - und wenn ich mich korrekt an deine Adress-Liste aus der Greenfield Street erinnere, waren gegenüber von Abrahams und Lubnowski praktisch alle Häuser von anderen Schneidern bewohnt. Welches Gebäude hätten sie nutzen können?


Zitat
Eine von Sagar´s Observationen in der Butchers Row fanden im Dezember 1890 statt, als Jacob Levy schon in Stone eingewiesen war. Cox und Sagar waren bereits im Oktober/November 1890 an einer Ermittlung beteiligt, die sich auf einen Mann in der Greenfield Street bezog. Dieser lebte nur sechs Türen von Isaac Abrahams (Bruder von Aaron Kozminski) entfernt. Sagar´s Observation in der Butchers Row bezog sich auf ein Bordell.

Das Kernproblem mit Sagar scheint mir zu sein, dass er offensichtlich regelmäßig zu Observationen in verschiedenen Fällen eingeteilt wurde, was eine Zuordnung zum Ripper-Fall schwierig macht.


Zitat
Was hälst du von Hyam Hyams? Er wohnte u.a. ja direkt hinter der Middlesex Street, falls ich mich nicht irre. Ehrlich gesagt, kann ich mir dich für ihn sehr gut vorstellen.
Da gab es einige neue Erkenntnisse vor längerer Zeit. So soll die Bezeichnung: "the terror of the City of London Police" gar nicht dem uns bekannten Hyam Hyams zuzuordnen sein. Auch fand Rob House einen anderen Hyam Hyams in einer Anstalt. Der Name war, glaube ich, garnicht so selten. Da war auch einer in der Middlesex Street, siehe mal unter unseren Sammlungen nach. Ebenso soll es mögliche familäre Verbindungen zu Joseph Hyam Levy/ Jacob gegeben haben.
Ich müsste auch erst alles auffrischen aber ein neuer Faden, ähnlich wie jetzt Jacob Levy, würde Sinn machen und wir könnten uns ähnlich austauschen wie bisher. Ich denke, es würde spannend und interessant werden und Spaß machen. Was meinst du?

Wir hatten ja schon mal die Idee, diesen Faden um Hyam Hyams aufzunehmen, sind jedoch damals so verblieben, erst mal zu warten, bis sich diese personelle Verwirrung um Hyams gelichtet hat. Wenn da inzwischen ein bisschen Licht in die Sache gekommen ist, so dass wir nicht mehr Gefahr laufen, verschiedene Hyams durcheinanderzuschmeißen, würde mir das durchaus Spaß machen, sofern meine Zeit es zulässt.
Zum Abschluss könnten wir dann die kompletten Profile der verdächtigen Anstaltsinsaassen hier einander gegenüber stellen.



MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 20.09.2016 17:05 Uhr
Hallo Lestrade!

Bei Kosminski sehe ich jedenfalls auch ein gewisses Problem mit den Ausführungen von Cox.
Denn Cox schrieb: "We had the use of a house opposite the shop of the man we suspected" - und gegenüber von Abrahams und Lubnowski waren praktisch alle Häuser von anderen Schneidern bewohnt. Welches Gebäude hätten sie nutzen können?

Ich habe mal gerade deine Adress-Liste der Greenfield Street rausgesucht - war zwar nicht vollständig, aber dennoch gut gefüllt mit Schneidern.


Gegenüber von Schwager Morris Lubnowski, 16 Greenfield Street, wohnten und arbeiteten deiner eigenen Liste zufolge folgende Schneider:

Joseph 9 Greenfield Street
Miller 11 Greenfield Street
? 13
Cohen 15 Greenfield Street
? 17
Morris 19 Greenfield Street
Kazanoski 21 Greenfield Street
? 23
Rosenbaum 25 Greenfield Street
Lazarus 25 Greenfield Street
Fifer 27 Greenfield Street

Bis auf drei Häuser, deren Bewohner ich jetzt nicht kenne, deiner eigenen Liste zufolge alles Schneider.


Ein ähnliches Bild bei Woolf Abrahams, 74 Greenfield Street:

Rosen 71 Greenfield Street
Perlmutler 73 Greenfield Street
Sleeves 75 Greenfield Street
Schiff M 77b Greenfield Street
? 79
Phillips 81 and half Greenfield Street
Solomons 83 Greenfield Street
? 85
Posner 87 Greenfield Street
Staaks 87 Greenfield Street
Dicks 89 Greenfield Street

Bis auf zwei Häuser, deren Bewohner ich nicht kenne, ebenfalls alles Schneider... Man quartiert sich ja wohl nicht bei Schneidern ein, wenn man Schneider überwachen will...

Es sei denn, eine der fünf mir unbekannten Adressen hätte einen guten Platz für eine Observation geboten. Wer bzw. was war denn dort gemeldet?


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 20.09.2016 19:12 Uhr
Hallo Arthur,

heute mal auf die Schnelle.

Vorab die Schneider der Greenfield Street 1888:

Levy 4 Greenfield Street
Joseph 9 Greenfield Street
Miller 11 Greenfield Street
Cohen 15 Greenfield Street
Morris 19 Greenfield Street
Esner 20 Greenfield Street
Kazanoski 21 Greenfield Street
Solomons 22 Greenfield Street
Hyams 22 Greenfield Street
Rosenbaum 25 Greenfield Street
Fox 26 Greenfield Street
Fifer 27 Greenfield Street
Hubriez 30 Greenfield Street
Hennessy 36 Greenfield Street
Parr 54 Greenfield Street
Cohen 58 Greenfield Street
Gold 63 Greenfield Street
Goldstein 70 Greenfield Street
Rosen 71 Greenfield Street
Lyons 72 Greenfield Street
Perlmutler 73 Greenfield Street
Abrahams 74 Greenfield Street
Sleeves 75 Greenfield Street
Schmidt 76 Greenfield Street
Girklke 78 Greenfield Street
Phillips 81 and half Greenfield Street
Solomons 83 Greenfield Street
Goldberg 84 Greenfield Street
Posner 87 Greenfield Street
Staaks 87 Greenfield Street
Dicks 89 Greenfield Street
Goldberg 86 Greenfield Street
Lazarus 25 Greenfield Street
Lohski 50 Greenfield Street
Schiff M 77b Greenfield Street
Rosenthal 5 Coker Street Greenfield Street
Harris 2 Charles Court Greenfield Street

Es gab mehrere dieser Straßen.

Matilda und Morris Lubnowski wohnten genau gegenüber von Isaac Abrahams in der Nummer 16. Eine der Adressen hätte der Observationspunkt sein können. Erinnere dich an bestimmte Presseberichte bzw. an die Crawford Letter bzw. Halifax Letter worin ein Angehöriger/ Angehörige bzw. Schwester darauf hinwies, dass ihr naher Verwandter der Ripper sein könnte. In der Theorie von Rob House (er ist der Kozminski Fachmann schlecht hin), heißt es, dass die Polizei von Matilda aus, das Haus von Isaac Abrahams observiert hatte. Isaac Abrahams führte dort im Hinterhof eine Schneiderwerkstatt.

Ich persönlich wurde in den letzten Jahren etwas skeptischer, halte das aber immer noch für eine sehr gute Idee. Vor einiger Zeit fragte ich Rob House einmal, ob er immer noch an dieser Theorie festhalte, was er bejahte. Immerhin zogen Matilda und Isaac nach der Einweisung von Aaron dort weg.

Persönlich sehe ich den Shop in meiner Theorie nördlich der High Street, also von Middlesex Street an weiter in die östliche Richtung. Auch ein Fakt, warum ich Jacob Levy so interessant als möglichen Verdächtigen finde.

Ich halte auch Smith und Tabram für mögliche Ripper Opfer. Der Tatort George Yard als auch Osborn Street liegen dicht beieinander und wir wissen ja, dass erste Verbrechen oftmals ganz nahe am Wohn- bzw. Arbeitsort des Täters stattfinden. Auch der Fluchtweg vom Tatort Berner Street via Church Lane als auch vom Tatort Mitre Square via Goulston Street führt in das Zentrum von Whitechapel. Darin lagen eben auch die Tatorte von Smith und Tabram. Ferner denke ich, dass der Ripper zur Zeit der Morde etwas unabhängiger lebte bzw. leben wollte. Ein kleiner Shop, vielleicht eigentlich von der Familie betrieben, hätte für ihn als Wohn- und Arbeitsort dienen können. Vielleicht waren während der Geschäftszeiten auch andere Familienmitglieder als auch Angestellte dort tätig. Woolf Abrahams, der Bruder, Jacob Cohen, Butcher und Cousin und ein Mann mit Namen Davies führten, wenn auch nur ganz kurz, ein Geschäft in der Carter Lane (City) in Bekleidungssachen, welches im Juli 1891 beendet wurde. Gut möglich, dass es so etwas schon 1888 bei ihnen gab und Aaron Kozminski dort angestellt war. Daher ist Greenfield Street für mich nicht unbedingt das Nonplusultra in Bezug zu Cox. 

Gruß, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 21.09.2016 00:51 Uhr
Hey Arthur!

Für 1890 habe ich noch gefunden:

Cabinet Maker Chas & Son Birks 2
Hatters´ Furrier, Fur and Skin Merchants Singer & Levy 5
Butcher Fox Lazarus 6
White Hart Pub Harry Fisher 10
Chandler Shop George Rosser 13
Chandler Shop Marcus Silberstein 28
Hair Dresser Davis Engleman 51
Diamond Cutters Morris Blaufox 61
Greengorcer William Weinrich 90

Nummer 5 ist interessant, da eine Schwester von Aaron Kozminski verheiratet Helen Singer hieß.

Es scheint, jede Straßenseite wurde fortlaufend durchnummeriert, 1-36 linke Seite, 49-90 rechte Seite.

Siehe dazu:

http://www.bl.uk/onlinegallery/onlineex/firemaps/england/london/xi/mapsu145ubu22u11u2uf337r.html
(Werkstätten links, hinter den Shops, 1899)

oder Post 47

http://forum.casebook.org/showthread.php?p=181208 (1938)

Linke Seite von Norden              Rechte Seite von Norden

??? 14                                      Schmidt 76/ Tailor
Cohen 15/ Tailor                       Sleeves 75/ Tailor
Lubnowski 16/ Bootmaker        Abrahams 74/ Tailor
??? 17                                      Perlmutler 73/ Tailor
??? 18                                      Lyons 72/ Tailor

War ja eine schmale Straße. Wenn du auf die Karte schaust, steht dort auch für 1899 ein D und ein S für die Gebäude. D (Dwelling) sollte für Wohnhaus stehen, S (Store) für (nur?) Geschäftsräume. Vermute ich... Chandler Shop George Rosser 13, sollte also nicht zum wohnen genutzt worden sein.

Schneideranzahl, 17 links, 20 rechts. 35 Schneider in der Greenfield Street (ich lasse Rosenthal und Harris raus) von rund 77 Hausnummern. Gut die Hälfte war mit Schneidern belegt. Zu der Zeit (siehe oben) gab es da aber auch einen Butcher, Hairdresser, Greengrocer, Diamond Cutter, Cabinet Maker, Furrier, zwei Chandler Shops und ein Gasthaus am White Hart Court (Durchgang zur Yalford Street). Nochmal 9 Einheiten, macht zusammen mit den Schneidern 44 von 77. Ich weiß jetzt gar nicht, ob da auch reine Wohnhäuser dabei waren. Aber sicherlich auch. Vielleicht lebten dort u.a. auch die, welche ihre Arbeitsstätten dort nicht zum bewohnen nutzen konnten. Morris Lubnowski war dort gemeldet. Er war Bootmaker und könnte natürlich dort auch gearbeitet haben. Die Nummer 16 war ein zweistöckiger Backsteinbau, unten sehr wahrscheinlich ein Shop. Viele Schneider haben ja auch "daheim" gearbeitet ohne jetzt wie Isaac Abraham und Co. aufgestellt gewesen zu sein, das gleiche gilt für ähnliche Berufe. Ich weiß nicht ganz genau, wie das alles ablief. Waren eben andere Zeiten. Ich werde mir dieser Tage den Post Office von 1888 für die Greenfield Street geben lassen, dann wissen wir alles noch genauer. Mit Lubnowski wären wir bei 45 "Shops". Knapp die Hälfte der Benutzer dieser Straße waren Schneider, im White Hart Pub von Harry Fisher, dessen Location auch den Durchgang zur Yalford Street darstellte, konnte man sicherlich auch Kaffee, Kosher Rum und sehr gute Zigaretten genießen und sich auch mal die Haare schneiden lassen oder sich ein neues Hemd besorgen. Aber wo konnte man das nicht? Links von der Greenfield Street die Yalford Street und die Plumbers Row, rechts die Settle Street, Straßen voller Schneider, die Commercial Road überquert, rein in die Berner Street, wieder 19 Schneider. Wenn nicht hier, wo sich dann als Fabrikinspektoren für das Schneiderhandwerk ausgeben? Greenfield Street ist schon im Bezug zu Cox eine sehr gute Vermutung. Inmitten all dieser Schneider arbeitete und lebte eben Aaron Kozminski´s Bruder Isaac Abrahams dauerhaft und auch der andere Bruder Woolf Abrahams bis nach Juli 1887 (62 Greenfield Street) und ab spätestens wieder Frühjahr 1889 (in der Yalford Street). Zwischendurch war letzterer in einer anderen Schneiderstraße, kurzen Spaziergang entfernt in der Berner Street/ Providence Street. Falls Aaron Kozminski jener "Kosminski" war und Cox sich auf eine Straße mit jüdischen Schneidern bezieht, dann ist es erst einmal folgerichtig ihn in diese Gegend zu setzen. Gerade im Bezug zum Schneiderhandwerk in dieser Familie. 

Observierte hier Cox von der linken Seite aus, dann sah er rechts und links gegenüber erst einmal nur Schneider. Er traf sie in dieser Ecke überall an.

Gruß, Lestrade.
 
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 21.09.2016 11:48 Uhr
Hallo Lestrade!

Also haben wir es wieder mit einer Straße zu tun, wo einfach durchgezählt wurde - ich hätte auch erst in den Firemaps suchen sollen, die sind einfach am Besten.


Zitat
Matilda und Morris Lubnowski wohnten genau gegenüber von Isaac Abrahams in der Nummer 16. Eine der Adressen hätte der Observationspunkt sein können. Erinnere dich an bestimmte Presseberichte bzw. an die Crawford Letter bzw. Halifax Letter worin ein Angehöriger/ Angehörige bzw. Schwester darauf hinwies, dass ihr naher Verwandter der Ripper sein könnte. In der Theorie von Rob House (er ist der Kozminski Fachmann schlecht hin), heißt es, dass die Polizei von Matilda aus, das Haus von Isaac Abrahams observiert hatte.

Das wäre natürlich eine elegante Erklärung, wenn die Polizei durch die Schwester nach der Messerattacke informiert worden wäre und dann von Räumen der Familie selber aus hätte observieren können.
Hat aber ebenfalls ein paar Haken, diese Theorie:
Wenn die Polizei bei Aarons eigener Familie saß, müssen die sich ja regelmäßig über den Weg gelaufen sein, das hätte bei dem Verdächtigen doch alle Alarmglocken schrillen lassen. Außerdem hätte Cox es wohl erwähnt, wenn sie bei der Familie selber untergekommen wären und die Familie ihnen quasi geholfen hätte - ist ja nicht der Normalfall einer Observation.
Darüber hinaus frage ich mich, ob die in den kleinen Häusern überhaupt Platz für weitere Personen hatten - da wurde ja von der ganzen Familie gelebt und zugleich mit den Mitarbeitern gearbeitet.
Und wie das wohl bei den anderen Schneidern angekommen wäre, wenn die Familie angebliche "Factory Inspectors" zu ihrer Überwachung beherbergt hätten...


Zitat
Ich persönlich wurde in den letzten Jahren etwas skeptischer, halte das aber immer noch für eine sehr gute Idee. Vor einiger Zeit fragte ich Rob House einmal, ob er immer noch an dieser Theorie festhalte, was er bejahte. Immerhin zogen Matilda und Isaac nach der Einweisung von Aaron dort weg.
Persönlich sehe ich den Shop in meiner Theorie nördlich der High Street, also von Middlesex Street an weiter in die östliche Richtung.

Erscheint mir persönlich auch plausibler, dass es da einen anderen Shop gab. Wie ich bereits angemerkt hatte:
Wenn man tatsächlich Schneider observiert und dabei bemerkt wird, erzählt man nicht als Ausrede, man würde Schneider beobachten, sonst könnte das den Observierten warnen. Sinnvoller erscheint es mir hingegen, die eigentliche Zielgruppe in vermeintlicher Sicherheit zu wiegen, indem man auf die Gruppe daneben als angebliches Ziel verweist.
Zudem deutet Cox Hinweis, dass sie regelmäßig als Kunden im Shop auftraten, weniger auf Schneider hin, als auf ein Geschäft für alltägliche Einkäufe. Cox schrieb: "We had the use of a house opposite the shop of the man we suspected, and, disguised, of course, we frequently stopped across in the role of customers." Etwas essen mussten die Polizisten zum Beispiel sowieso, daher erscheint u.a. eine Metzgerei plausibel, oder irgendein anderer Shop für alltägliche Einkäufe, aber ob sie Spesen für regelmäßige Schneiderarbeiten bekommen hätten...


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 21.09.2016 13:00 Uhr

P.S. Ich denke, wir sollten die weiteren Überlegungen zu Aaron Kosminski in den passenden Thread verlagern.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 21.09.2016 13:07 Uhr
Mahlzeit!

Du hast einen wichtigen Hinweis gegeben, die Attacke auf die eigene Schwester. Am morgen des 22 November 1888, nicht mal einen Tag nach Annie Farmer, gab es einen Messerangriff auf eine Frau nahe Brick Lane. Der Verdächtige wurde dann nördlich in dieser Straße nahe Hanbury Street von der Polizei gestellt. Cox sprach davon, dass man nach Kelly auf seine Spur kam. Und auch hier wieder, denke an bestimmte Presseberichte als auch an die Crawford und Halifax Letter. Den Crawford Brief hatte Anderson in seinen Unterlagen aufbewahrt. Hier hat vermutlich eher eine Frau Hilfe gesucht. Vielleicht schon vor der Messerattacke, wenn wir jetzt mal bei Aaron Kozminski bleiben. Hat Aaron Kozminski seine Schwester Matilda Lubnowski mit dem Messer bedroht, wir wissen zwar nicht wann aber nehmen wir mal dieses Datum vom November 1888, dann gibt es gute Erklärungen, warum Cox und die seinen, den Lubnowski Shop genutzt haben könnten.

Ein guter Grund ist Angst. Den vermeintlichen Jack the Ripper in seiner eigenen jüdischen Familie zu haben, muss damals als Vorstellung der Horror gewesen sein. Du musst aktiv werden, bevor alles noch schlimmer wird. Aaron Kozminski hätte sicherlich nicht mehr in das Haus der Lubnowskis gedurft. In solchen Momenten ist auch Platz in der kleinsten Hütte. Hier ging es um viel mehr als um irgendwelchen Befindlichkeiten. Hier ging es um Leben oder Tod, um Überleben und eine gesicherte Zukunft.

Was Du vielleicht nicht weißt, zu der Zeit der Morde wurde viel im "Sweating System" u.a. der Schneider ermittelt. Das erste Treffen gab es politisch gesehen im März 1888, der Endbericht muss so nach einem Jahr veröffentlicht worden sein (ich schreibe jetzt nur aus der Erinnerung). Einer der Mitglieder des Kommittees war der Earl of Crawford, James Ludovic Lindsay. Du erkennst jetzt sicherlich den Zusammenhang zur Crawford Letter bei Anderson. Dieses Kommittee hatte seine Ermittler und als diese gaben sich offensichtlich Cox und Co aus, obwohl sie Polizisten waren. Als Cox und Kollegen auftauchten, waren die Schneider auf gewisse Art und Weise schon an deren Arbeit gewöhnt, wenn auch nicht glücklich damit. Das West End ließ immer mehr im East End produzieren und die Greenfield Street Location war eine der Produktionsstandorte dort. Ich glaube, es war dann auch im März 1889, dass die Schneider mit einer Demo mobil machten. Es ging von der Berner Street bis zur Duke Street.

Desweiteren gab es von Frau Kuer in der Batty Street, bezüglich blutiger Wäsche nach dem Double Event, einen weiteren wichtigen Hinweis. Die Wäsche gehörte angeblich einem Schneider aus der Umgebung, der für ein West End Haus produzierte. Das könnte Isaac Abrahams gewesen sein. Falls Aaron Kozminski der Verdächtige war, hätte die Familie schon voller Sorge gewesen sein können, gerade auch dann, wenn gegen ihn wegen der blutigen Wäsche ermittelt wurde. Bezüglich eines der Presseberichte, wonach ein Angehöriger einer Familie bezüglich eines Mitgliedes der selben in Sorge war, könnte noch vor der Klärung zur Herkunft der blutigen Kleidung veröffentlicht worden sein. Wenn die besorgte Person dann selber noch angegriffen worden wäre, dann wäre das für diese Familie eine riesige Katastrophe gewesen. Ich stelle mir das wirklich grausam vor. Ein Kompromiss hätte gelautet haben können, dass die Polizei ihn nicht mehr aus den Augen lässt. Dabei hätte die Familie geholfen haben können. Auch in der Hoffnung, dass sich der Ripper als jemand anderes am Ende rausstellen würde. Der Verdächtige, wenn den der psychisch schwerkranke Aaron Kozminski, hätte doch garnicht mitbekommen, wenn Cox aus dem Shop seiner Schwester gegangen wäre. Cox wartete ja... wir kennen seine Schilderungen diesbezüglich... was da bei seiner Schwester abging, hätte er überhaupt nicht gewusst, gerada auch dann, wenn ihm der Zutritt verwährt worden ist. Die Straße war lang, die Polizei achtete sicherlich darauf, dass man verschiedene Punkte in der Greenfield Street nutzte, um die Ermittlungen durchzuführen. Jeder Schneider wurde zu der Zeit vom Kommittee unter die Lupe genommen. Vielleicht quartierte man sich auch per "rechtlichen Beschluss" im Lubnowski Shop ein. Offiziell hätten diese dafür garnichts gekonnt. Außerdem, so Cox, freundeten sich die Beamten nach und nach mit ihnen an. Es wurde gesellig. Warum Cox und die City Police Kosminski übernahmen, könnte auch daran liegen, dass er vielleicht von City Beamten gestellt wurde, auch wenn die Brick Lane nicht zu ihrem Bereich gehörte. Aber sie durften ja auch die Bewohner des Goulston Street Wohnhauses nach dem Mord an Eddowes befragen. Außer dieser Mord, fanden alle Morde außerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches statt, ihre Kräfte hatten sicherlich die MET Beamten und deren Polizisten unterstützt.

Lestrade.

 
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 21.09.2016 13:12 Uhr

P.S. Ich denke, wir sollten die weiteren Überlegungen zu Aaron Kosminski in den passenden Thread verlagern.

Alles schon gefühlte hundert mal durchgekaut! In enstprechenden und nichtentsprechenden Fäden. :biggrin: :flag_of_truce:

Wir können aber das Thema, bezüglich ihn, hier gerne beenden. Zu Cox machen natürlich Jacob Levy und Aaron Kozminki "Sinn". Ein Vergleich zwischen beiden bezüglich Cox, so wie stattgefunden, war aber vielleicht auch ganz nützlich.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 21.09.2016 13:30 Uhr
Hallo Lestrade!

Kopier deinen letzten Post doch einfach zu Kosminski rein, dann machen wir dort weiter (ich hab die Adress-Geschichte schon rübergehoben).

Was du hier gerade anführst, ist extrem spannend - und ich denke, es ist im Sinne der anderen Leser des Forums, wenn das bei Kosminski steht und unsere Überlegungen dort weiterlaufen.
 :good:


MfG, Arthur
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 21.09.2016 13:34 Uhr
 :good:

Erledigt!
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 05.10.2016 16:44 Uhr
Hallo zusammen,

ich hätte da mal eine Frage: Inwieweit wurden eigentlich mal mögliche Verbindungen von Bewohnern des Miller's Court bzw. von Mary Jane Kelly's Umfeld zu unseren Tatverdächtigen untersucht?


Was am Kelly-Mord auffällt ist ja die Tatsache, dass er in zwei wesentlichen Punkten von den anderen Morden abweicht:
1. Kelly war wesentlich jünger und attraktiver als die vorherigen Opfer und passte daher nicht so recht in JTRs Beuteschema.
2. Kelly hatte ein eigenes Zimmer und war das einzige Opfer, das in einem geschlossenen Raum ermordet wurde.

Wenn man nun davon ausgeht, dass der verstärkte Fahndungsdruck, die zusätzlichen PCs und die Bürgerwehr auf den Straßen und die erhöhte öffentliche Aufmerksamkeit den Ripper nötigten, sein Vorgehen zu ändern, könnte es durchaus sein, dass er sein nächstes Opfer nicht ganz so zufällig fand wie die übrigen, sondern bewusst nach einem sichereren Tatort suchte (die Nacht des Double Event wäre ja für ihn beinahe schief gegangen).
Vielleicht hatte JTR nicht einfach Glück, sondern wusste, dass Kelly ein eigenes Zimmer hatte - weil es irgendeine Verbindung zu ihr gab.
Da Joseph Barnett bis 30. Oktober 1888 mit Kelly zusammen wohnte und er dagegen war, dass sie sich prostituierte, dürfte JTR wohl nicht als früherer Freier davon gewusst haben.
Somit könnte JTR es vielleicht über gemeinsame Bekannte oder gar Verwandte erfahren haben, dass sie ein perfektes Opfer mit sicherem Tatort war. Vielleicht hörte er: "Barnett hat Mary verlassen, und jetzt muss sie wieder anschaffen gehen, um das Geld für die Miete ihres Zimmers zusammen zu bekommen."

Hier ist eine Liste der Leute vom Miller's Court mit Bitte um Vervollständigung:
John McCarthy, Hauseigentümer
Thomas Bowyer, Hausverwalter
Henry Maxwell, Nachtwächter, und Ehefrau Caroline
Mary Ann Cox, Witwe
Lizzie Albrook, eine Freundin von Kelly
Julia Venturney, eine Freundin von Kelly
Elizabeth Prater
Catherine Picket
Maria Harvey, Prostituierte und zeitweise Kellys Mitbewohnerin
Joseph Barnett, Exfreund und Ex-Mitbewohner


Bezüglich unseres Verdächtigen Jacob Levy wäre hier z.B. die Frage interessant, ob es vielleicht irgendwelche familiären Verbindungen zwischen Kellys Exfreund Joseph Barnett und Levys Schwager Isaac Barnett geben könnte.

In der Middlesex Street lebten und arbeiteten 1891 mindestens drei Barnetts:
Nr. 95 Fried Fish Shop: Samuel Barnett
Nr. 87 Dairyman: Isaac Barnett
Nr. 79 Poulterer: Emanuel Barnett

Oder: Samuel Barnett war z.B. wie Joseph Barnetts Familie im Fisch-Geschäft tätig - gabs da vielleicht eine Verbindung?
Joseph Barnett hatte zwar irische Wurzeln, aber interessanterweise gab es einige Barnetts mit jüdischen Vornamen wie Samuel oder Isaac (was ich nicht beurteilen kann: gab es damals Eheschließungen zwischen Katholiken und Juden?).

Interessant ist auch:
Als Joseph Barnett seine Arbeit als Fischträger im Billingsgate Market im Sommer 1888 verloren hatte, begann er Orangen zu verkaufen. Die Levys vom Mitre Square waren Tabak- und Orangen-Händler. Könnte es da vielleicht eine Verbindung zu den Levys vom Orange Market, den Geschwistern John, Samuel, Lewis und Fanny geben?

Bisher dachte ich übrigens, der Orangenhändler Samuel Levy, der in den 1880ern nicht weit von Joseph Hyam und Jacob Levy in der 39 Middlesex Street wohnte, wäre 1888 wieder die die Mitre Street (Nr. 20) zurückgezogen, weil das so im casebook stand.
Aber im Post Office London gibt es auch später noch einen Samuel Levy in der Middlesex Street:
1891: 47 Middlesex Street, Samuel Levy, Coffee Rooms
1895: 47 Middlesex Street, Samuel Levy, eating house
Ich weiß jetzt nicht, ob das dieselbe Person ist oder zufällig nur Namensgleichheit vorliegt - möglich wäre jedoch, dass er in der Mitre Street wohnte und in der Middlesex Street einen Shop hatte.

Das nur mal als Beispiele für mögliche Verbindungen.


Ich weiß, das ist noch äußerst dünn und erst mal nur pure Spekulation.
Aber wenn die Abweichungen im Kelly-Fall nicht einfach nur Zufall bei der Opferwahl waren, dann könnte es daran liegen, dass JTR zum ersten Mal gezielt ein passendes Opfer mit sicherem Tatort gesucht hat - und dann könnte es eine Verbindung zwischen Kellys Umfeld und dem Ripper geben.


MfG, Arthur Dent

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Phil am 06.10.2016 11:14 Uhr
Hi Arthur,

diese Art von Verbindung (Levy-Barnett) kannte ich bisher nicht, aber ich finde sie echt nicht abwegig! Ich muss gestehen, ich bin (und bleibe vorerst dabei) davon überzeugt, dass Kelly auch nur ein "Zufallsopfer" war, aber ein Szenario wie von dir beschrieben, unabhängig von Verwandtschaftsverhältnissen oder weil man sich einfach kannte, ist ebenfalls nicht unwahrscheinlich!
Es wäre sehr interessant, mehr über mögliche Verbindungen zwischen Barnett und den Levy's herauszufinden.
LG
Phil
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 06.10.2016 23:54 Uhr
Guten Abend, Arthur!

Ich denke, dass dies in der Ripperologie ein großes Thema ist. Verbindungen zwischen Personen herauszufinden. Vielleicht jetzt nicht so speziell im Falle von Jacob Levy und dem Millers Court aber dennoch finden in dem Bereich Nachforschungen statt. Es ist ja auch nicht ganz so einfach und bedarf intensiver Arbeit, um da etwas auf die Beine zu stellen. Aktiv am Ball sind dort Ripperologen wie Debra Arif, Scott Nelson oder der leider nicht mehr unter uns weilende Chris Scott und einige weitere.

Ein gutes Beispiel liefert uns eben Chris Scott im Falle von Sarah Lewis, die einiges am und im Miller´s Court wahrnehmen konnte. Hier sein Artikel aus dem Ripperologist "The Life of Sarah Lewis":

http://www.ripperologist.biz/pdf/ripperologist133.pdf

Hier ein paar Ansätze zu Maria Harvey:

http://forum.casebook.org/showthread.php?t=6839

http://www.jtrforums.com/showthread.php?t=24508

Und auch zu Joseph Barnett:

http://www.casebook.org/forum/messages/4922/13125.html

Auch für die von dir anderen genannten Personen, findet man hier und dort etwas. Vielleicht hilft das ja als Einstieg.

Meines Wissens nach, nahmen einige jüdische Einwanderer den Namen Barnett an, es entstand quasi ein Gegenpart zu dem irischstämmigen Namen Barnett. Inwieweit es eine Vermischung der jüdischen mit der nichtjüdischen Population gab, kann ich zahlenmäßig nicht sagen, weil ich keine Ahnung habe. Klar dürfte natürlich sein, dass die jüdische Bevölkerung die Prostitution nutzte und es nicht unmöglich ist, dass jüdische Freier mitunter ihre Prostituierten besser kannten. Was man darunter auch immer verstehen kann... Cox, Prater, Kelly, warum sollten sie nicht in Verbindung mit jüdischen Menschen gestanden haben, mal abgesehen, von ihren "Tätigkeiten"... Eddowes, Stride und noch ein Opfer, falls ich richtig liege, machten sich auch außerhalb der Prostitution in jüdischen Kreisen arbeitsmäßig nützlich und man weiß ja nie, wie diese Verbindungen eigentlich zustande kamen. Verbindungen wie du sie meinst, könnten vorhanden gewesen sein, sei es durch gemeinsame Bekannte oder vielleicht sogar im Kreise der Verwandten. Eine Verbindung zwischen den Bewohnern des Miller´s Court und eines Jacob Levy, wer will das wirklich ausschließen? Gerade auch im Falle der Barnetts. Es kann immer etwas auftauchen...

Zu Kelly als Opfer:

Eine markante Sache fiel mir seit jeher auf. Bis zu Kelly, konnte der Täter doch überhaupt sehr wenig besehen. Aber in meiner Vorstellung, war das eigentlich etwas sehr wichtiges für ihn. Etwas, dass er irgendwie und irgendwann ändern musste. Das dort schon eine Überlegung beim Ripper stattfand, dass er ein Opfer Indoor finden wollte und musste und Kelly weniger Zufall war, lege ich nicht allzuweit beiseite. Es wäre durchaus möglich, in meinen Überlegungen, dass er sich Kelly durchaus genauer aussuchte. Natürlich gab es auch die anderen Gründe, die Polizeipräsenz, die vorsichtiger werdenden Prostituierten, die wachsamere Bevölkerung, die Bürgerwehr aber das mit den Lichtverhältnissen könnte auch einer dieser Gründe gewesen sein. Damals gab es weit mehr dunklere Ecken als später oder heute. Kelly´s Bett war etwas verrückt, es scheint, als ob der Täter es besser ins Licht rücken wollte, also Richtung Kamin (war früher schon einmal Thema im Forum hier). Klar, dass kann ganz spontan erfolgt sein aber im Vergleich mit den vorherigen Taten, erscheint es mir ein zu großer Schritt aber ich kann mich auch täuschen. Schau dazu mal in diese Faden:

http://forum.casebook.org/showthread.php?t=9906

Ich könnte mir gut vorstellen, dass der Ripper den Tatort Miller´s Court und Kelly während des Tages oder gar 1-2 Tage vor dem Verbrechen ausspionierte oder vielleicht sogar länger. Ich sehe es so, er kannte auch die anderen Plätze, er war wie ein Jäger und mir scheint es, dass er auch den Millers Court in seinen Bewegungen kannte.

Der Miller´s Court ist auch im Falle des Seaside Home Geschichte für mich von Wichtigkeit. Der Zeuge könnte aus dem Millers Court stammen, nicht als Bewohner aber als jemand, der als Freier dort einmal war oder die Wasserstelle, vielleicht auch die vorhandenen Toiletten, nutzte. Nach Kelly stoppte die Serie, Gründe mag es einige geben aber ein Grund könnte gewesen sein, dass der Täter wirklich einmal gut gesehen wurde, auch von seinem eigenen Gefühl her. Du siehst es ja auch an Detective Cox Beschreibungen, der Mann zog sich etwas zurück, fühlte sich verfolgt, zog auch in zwei Situationen mit Prostituierten zurück. Wie jemand, der eine bestimmte Zeit abwarten möchte. Wie jemand, der auf einen Zeugen wartet, der ihn belasten könnte, welcher aber am Ende nicht auf der Bildfläche erscheint (noch nicht). Klar, auch hier kann man mit anderen Ansätzen aufwarten.

Beste Grüße, Lestrade.

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 07.10.2016 11:19 Uhr
Hallo Lestrade, hallo Phil!


Erst mal danke für die Recherche-Ansätze, Lestrade.

Zitat
Meines Wissens nach, nahmen einige jüdische Einwanderer den Namen Barnett an, es entstand quasi ein Gegenpart zu dem irischstämmigen Namen Barnett.

Dass jüdische Einwanderer aus Osteuropa aus Integrationsgründen gängige englische Namen annahmen, wäre natürlich die plausiblere Erklärung, als dass es zu Eheschließungen zwischen den verschiedenen Religionen gekommen wäre. Damals stellten die Religionen ja noch scharfe gesellschaftliche Grenzen dar, sogar zwischen Protestanten und Katholiken.
Was es allerdings sehr viel unwahrscheinlicher machen würde, dass es irgendwelche verwandschaftlichen Verhältnisse zwischen katholischen und jüdischen Barnetts gegeben haben könnte. Schade, dann würde mein Beispiel mit den Barnetts wohl eher flach fallen.

Ein weiterer Aspekt im Kelly Fall ist ja leider auch, dass das Crossingham's Lodging House in der Dorset Street (wo JTR-Opfer Annie Chapman genächtigt hatte) in unmittelbarer Nähe zum Miller's Court lag.
Vielleicht streifte JTR ja nicht nur in der Nähe des Straßenstrichs, sondern auch vor den Lodging Houses - den Schlafplätzen der Prostituierten - herum, um Opfer zu suchen. Dann hätte er etwas über Kelly auch auf diesem Weg erfahren können.
Nichols, Stride und Eddowes nächtigten ebenfalls in unmittelbarer Nachbarschaft voneinander in Lodging Houses in der Flower and Dean Street.
Das war mir früher schon aufgefallen, dass alle fünf kanonischen Opfer an nur zwei Orten übernachteten: In der Dorset Street und in der Flower and Dean Street - dabei gab es auch in anderen Straßen noch Lodging Houses. Das könnte mehr als nur Zufall sein.

Dennoch wäre es natürlich interessant zu überprüfen, ob es im Umfeld des einzigen Opfers mit festem Wohnsitz irgendwelche personelle Auffälligkeiten bzw. Verbindungen zu unseren Verdächtigen geben könnte.


Zitat
Ich könnte mir gut vorstellen, dass der Ripper den Tatort Miller´s Court und Kelly während des Tages oder gar 1-2 Tage vor dem Verbrechen ausspionierte oder vielleicht sogar länger. Ich sehe es so, er kannte auch die anderen Plätze, er war wie ein Jäger und mir scheint es, dass er auch den Millers Court in seinen Bewegungen kannte.

Dass JTR sich im Viertel genau auskannte und das Risiko an den Tatorten aus Erfahrung recht gut einschätzen konnte, glaube ich auch. Zwar halfen ihm die Prostituierten unbeabsichtigt dabei, einen ruhigeren Ort auszuwählen - aber ich denke, dass er selber entschied, ob er den vorgeschlagenen Ort als gut genug empfand oder nicht. Wenn nicht, hat er vermutlich einen anderen Ort vorgeschlagen oder einfach abgebrochen.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 07.10.2016 11:37 Uhr
Hi Arthur!

Nur ganz kurz...

Falls Du das Wochenende für deine Recherchen allgemein nutzen möchtest, Ancestry bietet kurzzeitig freien Zugang zu vielen Daten:

http://www.ancestry.co.uk/cs/free-access?o_xid=73641&o_lid=73641&o_sch=Email+Campaigns

Ich bin fürs Wochenende raus.

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 07.10.2016 15:12 Uhr
Hallo allesamt!

Ich hatte ja vorhin geschrieben:

Zitat
Vielleicht streifte JTR ja nicht nur in der Nähe des Straßenstrichs, sondern auch vor den Lodging Houses - den Schlafplätzen der Prostituierten - herum, um Opfer zu suchen. Dann hätte er etwas über Kelly auch auf diesem Weg erfahren können.
Nichols, Stride und Eddowes nächtigten ebenfalls in unmittelbarer Nachbarschaft voneinander in Lodging Houses in der Flower and Dean Street.

In diesem Zusammenhang ist mir wieder was eingefallen.

Wir hatten mal darüber diskutiert, dass JTRs kriminelle Karriere möglicherweise damit begann, dass er Prostitierte bedrohte und ausraubte, bevor er schließlich dazu überging, sie zu ermorden und zu verstümmeln. Schließlich gingen ja auch alle frühen Gerüchte über Leather Apron darauf zurück.

Es gab da diese Vorfälle bei der Crossingham's Unterkunft, von dem der Verwalter Timothy Donovan erzählt hatte: Ein paar Monate vor der Mordserie soll eine Prostituierte einen Mann mit in die Unterkunft gebracht haben, mit dem sie schließlich eine Auseinandersetzung hatte. Donovan sagte, er habe ihn daraufhin rausgeworfen. Der Mann sei öfter nochmal wieder gekommen, aber er habe ihn nicht mehr hineingelassen. Das soll der von den Frauen gefürchtete Leather Apron gewesen sein.

Im Ripperologist 130 schreibt Scott Nelson im Artikel "David Cohen: Talking Points of  a Storyline":

Zitat
As late as 19 September, Metropolitan Police Inspector Frederick Abberline reported that inquiries among prostitutes revealed that there was still a feeling of terror against Leather Apron for blackmailing and ill-using them, but the police still hadn’t heard any accounts of his having murdered anybody. If this man wasn’t Pizer, then who was he?

The next day the Echo reported that:
Inspector Reid, Detective-sergeant Enright, Sergeant Goadby, and other officers then worked upon a slight clue given them by "Pearly Poll". It was not thought much of at the time; but from what was gleaned from her, coupled with statements given by Elizabeth Allen and Eliza Cooper, of 35 Dorset-street, Spitalfields, certain of the authorities have had cause to suspect a man actually living not far from Buck’s-row. At present, however, there is only suspicion against him.

It will be recalled that 35 Dorset Street was the lodging house where Timothy Donovan threw out Leather Apron the year before and to which Leather Apron supposedly returned several times. What is also significant about the Echo story is that both Cooper and Allen, along with Mary Ann Connelly (Pearly Poll) stayed at Crossingham’s lodging house, two  doors  away  from  Miller’s  Court.  Early  on,  Connelly  gave  evidence  to  the  police  after  Martha Tabram’s  murder on 7th August, but this was before Chapman’s murder on 8th September, whom she also probably knew. One could therefore surmise that the 20th September Echo report suggesting an additional follow-up clue was given to police after September 8th. This clue could have been further corroboration by Connelly of the man who periodically terrorized their lodging house on Dorset Street.


Wenn JTR als räuberischer Erpresser angefangen hatte, könnte das passen: Dann war JTR vielleicht tatsächlich der echte Leather Apron - und er hatte sich öfter vor der Crossingham's Unterkunft beim Miller's Court herumgetrieben, wo er auch etwas über Mary Kelly aufgeschnappt haben könnte.



MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 09.10.2016 15:52 Uhr
Hallo zusammen!


Hier noch ein paar interessante Aspekte bezüglich des Miller's Court:


Ein Blick auf die Leute der Dorset Street, Miller's Court zeigt, dass die kleinen Zimmer des Miller's Court von einigen Prostituierten bewohnt wurden:

John McCarthy, Hausverwalter, und Ehefrau Elizabeth (geb. Stevens).
Thomas Bowyer, Assistent von McCarthy.
Julia Venturney, Putzfrau, 1 Miller's Court, und Freund Harry Owen.
Mrs. Keyler, 2 Miller's Court, und Bekannte Sarah Lewis.
Mary Ann Cox, 5 Miller's Court, Prostituierte.
Mary Jane Kelly, 13 Miller's Court, Prostituierte.
Elizabeth Prater, 20 Miller's Court, Prostituierte.
Catherine Pickett, Blumenverkäuferin, und Ehemann David.
Lizzie Albrook, arbeitete in einem Lodging House in der Dorset Street.
Maria Harvey, Prostituierte und zeitweise Kellys Mitbewohnerin.
Joseph Barnett, Exfreund und Ex-Mitbewohner.

Man könnte sagen, der Court war gewissermaßen ein Zwischending zwischen Straßenstrich und Bordell: Hier wohnten mehrere Prostituierte, die ihre Kunden mit nach Hause nehmen konnten.
Das dürfte wohl auch einem JTR nicht verborgen geblieben sein, wenn er in der Umgebung zuhause war und regelmäßig die Nähe von Prostituiertentreffs und Lodging Houses aufsuchte.
Er könnte also auf der Suche nach einem sichereren Tatort auf den Miller's Court und seine Bewohnerinnen gestoßen sein, und es war vielleicht nur dem Zufall der Umstände geschuldet, dass er nicht Prater oder Cox tötete, sondern Kelly.


Übrigens war John McCarthy einem Beitrag im Ripperologist 142 von Trevor Bond zufolge nicht der Eigentümer des Miller's Court, sondern offenbar eher der Verwalter des Besitzers:

"Excellent research, largely by the late Chris Scott and also by Debra Arif, has shown that while John McCarthy was treated both in the newspapers and at the inquest into Mary Kelly’s death as the de facto owner of Miller’s Court, this was not the case.
The aforementioned Abraham Barnett, in fact, held the deeds at least as far as the land tax registry was concerned."

Einem Abraham Barnett (a Jewish glass-blower) hatten die Gebäude gehört. Gab es über ihn vielleicht eine Verbindung zu den Barnetts aus der Middlesex Street - insbesondere zu Jacob Levys Schwager Isaac Barnett?



MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 12.10.2016 23:13 Uhr
Hallo allesamt!


Bisher war meine Suche nach verwandschaftlichen Verbindungen von Jacob Levy und seiner Frau Sarah, geb. Abrahams, zu anderen Personen im Fall Kelly leider vergebens.


Ich habe aber im London Jewish Chronicle Index noch Verwandte von Jacob Levys Schwager Isaac Barnett gefunden, der Jacobs Schwester Elizabeth geheiratet hatte:

16-Mar-1883   D   On 21st December 1882 at her residence, 108 Goulburn Rd., Sydney NSW, Kitty, wife of Phineas Lyons, in her 53rd year. Sister of Mr Isaac Barnett of Middlesex St., Mrs Mary Lyons of Mitre St., Aldgate, Mrs Solomon Israel of Wentworth St., Mr Symon Barnett, Pawnbroker of Holloway Rd., Abraham and Barnett Barnett of Middlesex St.

19-Feb-1886   D   On 13th February, Henry Barnett of 19 Bow St., Covent Garden. (son of the late Isaac Barnett of Middlesex St.) aged 38.

Isaacs Barnetts Verwandte:
Kitty Lyons, geb. Barnett, of 108 Goulburn Rd., Sydney, NSW - New South Wales, Australien
Mrs Mary Lyons of Mitre St., Aldgate
Mrs Solomon Israel of Wentworth St.,
Mr Symon Barnett, Pawnbroker of Holloway Rd.,
Abraham and Barnett Barnett of Middlesex St.
Henry Barnett of 19 Bow St.

Interessant daran ist, dass es offensichtlich auch Barnetts gab, die nach Australien ausgewandert sind.
Abraham und Barnett Barnett habe ich in der Middlesex Street bisher nicht gefunden, könnten Kinder von Isaac Barnett gewesen sein.
Jedenfalls war ersterer höchstwahrscheinlich leider nicht der Abraham Barnett, dem die Gebäude des Miller's Court gehörten, denn der wohnte nicht in der Middlesex Street.


Ich habe zur besseren Übersicht mal alle übrigen mir bekannten Levys, Abrahams und Barnetts in dieser Ecke aufgelistet:

Middlesex Street, 1882:

4    Levy Moses, confectioner   
15    Levy Joshua, chandler's shop
28    Abrahams Abraham, Horns
31    Abrahams John, sausage maker
46    Abrahams Solomon, grocer
49    Barnett Samuel, coffee rooms
134    Levy Moses, butcher   


Middlesex Street, 1889/90:

4   Levy Moses, confectioner
47   Levy Samuel, coffee rooms
65   Brothers Levy, greengrocers
57   Levy Henry, furniture dealer
59    Abrahams John, sausage maker


Middlesex Street, 1895:

31    Levy Joshua, grocer
33    Levy Benjamin, tailor   
47    Levy Samuel, eating house
57   Levy Henry, furniture dealer
59    Abrahams John, sausage maker


Aldgate High Street 1888/89:

79     Levy Joseph, 29-year-old tailor, born in Aldgate
   (Levy was actually listed in the 1891 census as occupying no. 1 Minories when the address changed from no. 79)

33    Abrahams Samuel, 43-year-old tobacconist, London-born.

35    Levy Henry, 37-year-old fruit dealer, London-born, and his wife. Mary.

36    Joseph Mark & Co, woollen drapers - headed by Amelia Abrahams, 44-year-old widow of the late Louis Abrahams.


Mitre Street:

Ann und Barnett Levy lebten in den 1850ern in Mitre Street 29 ("Orange Market" am Mitre Square), sie waren Zigarren- und Orangenhändler und hatten vier Kinder: John, Samuel, Lewis und Fanny. Um 1888 wohnte nur noch Fanny dort.
John Levy hatte in den 1880ern einen Cigar Shop in der Whitechapel Road 254.
Samuel lebte erst in den Häusern Mitre Street 17 und 23 und danach neben Joseph Hyam Levys Vater, Hyam Levy, in der Middlesex Street 39, soll aber 1888 wieder in die Mitre street zurück gezogen sein.
Sie sollen laut casebook mit Joseph Hyam Levy und Jacob Levy verwandt gewesen sein.

Bisher weiß ich noch nicht so recht, wie ich den Samuel Levi mit dem coffee room / eating house in 47 Middlesex street einordnen soll: Könnte das derselbe Samuel von den Levis der Mitre street sein, der in die Middlesex street gezogen war?
Vielleicht hatte er ja weiterhin einen Shop dort - wohnte aber später wieder in der Mitre street.


Was mir auch auffiel:
Joseph Hyam Levy arbeitete seit 1869 als Butcher in diesem Viertel, aber nach dem letzten Eintrag im 1891 Census  verschwindet er scheinbar aus den Adresslisten:

"And there the trail, at the moment, runs cold. I have been unable to trace any record in the 1901 census for either Joseph or Amelia, nor have I been able to find a record of the death of either partner in the period from 1891 to 1901. What happened to them we can only speculate. There may have been a change of family name for some reason, but this seems unlikely. It was not uncommon for Jewish immigrants to Anglicise their names, but Joseph was born and grew up in England and had lived with his surname for nearly 50 years up to the time of his last appearance in the census records. They may have left the country, either temporarily at the period when the census was taken, or permanently by means of emigration. But after 1891 the records on Joseph Levy fall quiet."
http://www.casebook.org/ripper_media/book_reviews/non-fiction/castofthousands.joseph-levy.html

Ein Eintrag, den ich noch gefunden habe, stand im London Jewish Chronicle Index:
4-Jan-1889   RT   Mr J H Levy of 1 Hutchison St., and sisters return thanks for mother Francis Levy, widow of the late Hyam Levy, formerly of 36 Middlesex St.

Ich hatte ganz vergessen, dass unser Zeuge im Eddowes Fall scheinbar nach der Zeit der Polizei-Observationen bzw. der möglichen Identifizierung des Verdächtigen weggezogen ist - muss ich in meine Zufassenfassung noch einfügen.



Einen interessanten Namen für unsere Verwechslungs-Spekulationen fand ich noch in Scott Nelsons "The Polish Jew Suspect":

"Interestingly, the 1891 census shows that living next door to Joseph Levy, at no. 2 Hutchinson Street, was Jacob Koski, a 48-year-old Russian-born tailor and his family.
Jacob Koski and his wife, Rachel, had come to London prior to 1870, when their daughter Leah was born. In the 1871 London census, the Koskis were listed at no. 6 Ebenezer Square, Aldgate, which was situated between Gravel and Stoney Lanes. (...)
A search of the surname ‘Koski’ in the 1891 London census records indicates that, like the name ‘Kosminski,’ Koski was very uncommon. In the 1871 census, Jacob is the only male ‘Koski’ listed in London. By the time of the 1881 census, there were five male heads of households surnamed ‘Koski.’ An additional four were listed in the 1891 census."
http://www.casebook.org/dissertations/rip-polishjew.html



Bisher noch nicht viel mehr als eine Namensliste, aber vielleicht fällt ja jemandem noch was dazu ein, während ich weiter suche...


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 13.10.2016 11:50 Uhr
Hallo Arthur,

Joseph Hyam Levy starb im Mai 1914 in Canonbury, seine Frau Amelia starb bereits im September 1912 in Brighton.

Bei der Einbürgerung eines Martin Kosminski stand Joseph Hyam Levy Pate. Es handelt sich wohlmöglich um jenen Martin Kosminski, der mit seinen Brüdern Samuel und Jacob nach London kam und zwar aus Kalisch, einer Region in Polen, zu der damals auch der Geburtsort Klodawa von Aaron Kozminski gehörte. In diesem Zusammenhang könnte man annehmen, dass Joseph Hyam Levy´s Nachbar Jacob Kosminski gewesen sein könnte.

Beste Grüße,

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 15.10.2016 12:42 Uhr
Hallo Lestrade,

vielen Dank für die Info. Mir geht es manchmal wie dir: Die Infos liegen irgwendwo zerstreut, aber man hat sie nicht gleich parat.

Daher kam ja auch meine Idee zu den aktualisierten Zusammenfassungen der Verdächtigen-Profile und ihrer Verbindungen, um das alles etwas übersichtlicher zu haben.


Im Falle Jacob Levy hatte ich z.B. bisher im Zusammenhang mit Cox Aussage "he occupied several shops in the East end" seine weitere Verwandschaft vernachlässigt.
Wir wissen, sein Bruder Isaac lebte in der Goulston Street 130, seine Schwester Elizabeth und ihr Ehemann Isaac Barnett, ein Milchmann, hatten ihren Shop in der Middlesex Street 87.
Aber da gab es auch noch einen Butcher namens Moses Levy, der seine Metzgerei in Middlesex Street 134 hatte - möglicherweise war das ja Jacobs Bruder Moss...
Und es gab diesen Samuel Levy mit seinem Coffee Shop / Eating House in Middlesex Street 47 - der möglicherweise der Samuel von den Levys aus der Mitre Street war: Zwar aus der Nachbarschaft von Hyam wieder zurückgezogen in eine Wohnung in der Mitre Street 20, aber weiter einen Shop in der Middlesex Street betreibend.

Wenn sich die Familie gemeinsam um Jacob kümmerte und man ihn abwechselnd betreute, würde das auf die Aussage von Cox gut passen.


MfG Arthur Dent

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 15.10.2016 14:21 Uhr
Hallo Arthur!

Die ganze Joseph Hyam Levy/ Jacob Levy/ Lewis/ Lyons/ Hyams/ Kosminski Verwandschaft ist schon sehr komplex. Auffallend ist im Falle des Zeugen Joseph Hyam Levy schon, dass er selbst möglicherweise Nachbar eines Jacob Kosminski war und auch dessen Brüder Martin und Samuel kannte und sein Anverwandter Lewis Levy dann selbst einmal neben Woolf Abrahams/ Aaron Kozminski im Sion Square lebte (1891). Vorher lebte Jacob Levy selber einmal nicht weit von Isaac Abrahams in der Fieldgate Street und von Lewis Bruder John Levy wissen wir ja auch etwas über das Bordell in der Whitechapel Road über einen Vorfall mit Aaron Davis/ David Cohen und dem Messerfund gleich nebenan. Lewis und John sind via ihrer Mutter Ann Levy und Joseph Hyam Levy´s Vater Hyam eben mit Joseph Hyam Levy verbunden. Und eben dieser Zeuge verschwindet dann plötzlich auch um 1891 aus dieser Gegend...

Ich persönlich finde das alles im Zusammenhang besonders wichtig im Ripper- Fall. Vier Kandidaten, Jacob Levy, Hyam Hyams, David Cohen als auch Aaron Kozminski sind in dieser Konstellation miteinander irgendwie verbunden. Alle vier zeigen sicherlich Persönlichkeitsanteile, wie wir sie beim Ripper erwarten dürften. Allerdings bin ich mir im Falle von Hyam Hyams aktuell nicht so sicher, da gab es wohl andere Entwicklungen. Trotzdem alles sehr bemerkenswert und ich frage mich manchmal, was uns da eigentlich erzählt wird...

Beste Grüße, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 15.10.2016 15:04 Uhr
Hallo Lestrade!

Es ist in der Tat ein äußerst interessanter und denkwürdiger Aspekt, dass es zwischen den vier uns bekannten einschlägig verdächtigen Anstaltsinsassen scheinbar engere Verbindungen gab - m.E. vor allem unter dem Aspekt gewisser Verwechslungen oder Verwirrungen durch die Polizei.

Einerseits hatte man es ja mit einem Einwanderer-Viertel zu tun, in dem schon länger ansässige jüdische Familien ebenso lebten wie erst kürzlich eingewanderte aus ganz Osteuropa.
Andererseits aber fügte man sich aufgrund gemeinsamer Kultur und Religion zu einer jüdischen Gemeinde zusammen, hatte diverse Geschäftsbeziehungen und heiratete wegen der damals strikteren religiösen Grenzen hauptsächlich untereinander - so dass es zu einer engeren Verflechtung in dem Viertel kommen musste. 

Und wenn man nun gezielt nach jüdischen Anstaltsinsassen aus Whitechapel sucht, weil die Polizei von einem jüdischen Verdächtigen aus dem Viertel sprach, dann erscheint es wiederum plausibel, wenn man zwischen ihnen Verbindungen findet.

Diese Verbindungen könnten dazu geführt haben, dass die Polizei den Kreis der Verdächtigen zwar auf unsere Gruppe eingrenzen konnte, dann aber letzendlich bis zum Seaside Home nicht weiter kam. Es hieß ja immer, dass sie mehrere Verdächtige unter Beobachtung hatte - wenn auch vielleicht einer davon der Hauptverdächtige war bzw. möglicherweise die einen diesen, die anderen jenen als Hauptverdächtigen sahen.
Dann kam mit der Seaside Home Identifizierung zwar die Erkenntnis, den Richtigen unter ihnen gefunden zu haben, aber weil der Zeuge zurückzog, war sie nicht verwendbar.
Die Polizeiführung könnte zu dem Schluss gekommen sein, dies geheimzuhalten. So wussten dann nur ein kleiner Kreis an der Spitze und die im Seaside Home beteiligten Beamten über die misslungene Identifizierung Bescheid - die übrigen blieben auf dem alten Stand der Ermittlungen, wie z.B. Inspector Abberline und Sergeant Godley oder Sagar und Cox. Vielleicht sickerte zwar das eine oder andere über gewisse Andeutungen durch, blieb aber vage, so dass es zu Ungereimtheiten und Verwechslungen kam.

Ich stelle mir auch immer noch die Frage, ob gewisse Ungereimtheiten in den Quellen nicht nur durch unbeabsichtigte Verwechslungen und unzureichenden Wissensstand zustande kamen, sondern ob die Polizeispitze vielleicht bewusst ein paar Nebelkerzen geworfen hatte, um die betroffenen Familien zu schützen.

Und dann Jahre später, als der Fall längst erledigt war und keine Gefahr mehr für die Angehörigen bestand, konnten es sich Anderson und Swanson nicht verkneifen, doch noch ein paar Andeutungen zu machen.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 15.10.2016 18:43 Uhr
Ja Arthur, dass würde ich so unterschreiben, weil ich es auch genauso sehe...

Neben dem, wie du es ausformuliert hast, spüre ich da noch etwas, was ich momentan noch nicht greifen kann... zwischen dem allen, könnte noch etwas sein, was eigenlich unvorstellbar sein mag...

Aber egal, ich wollte es nur einmal erwähnen...
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 16.10.2016 10:46 Uhr
Hallo Lestrade!


Zitat
Neben dem, wie du es ausformuliert hast, spüre ich da noch etwas, was ich momentan noch nicht greifen kann... zwischen dem allen, könnte noch etwas sein, was eigenlich unvorstellbar sein mag...

Hu, das klingt ja halloweenmäßig gruselig... ;-)

Hast du den Odell inzwischen gelesen?


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 16.10.2016 14:09 Uhr
Hey Arthur!

Hu, das klingt ja halloweenmäßig gruselig... ;-)

Scheiße, so sollte es nicht klingen...

Hast du den Odell inzwischen gelesen?

Nein! Immer noch nicht, nur mal angefangen. Ich pack´s aber noch... sage ich so leichtfertig...

Ich wünsche dir noch einen schönen Sonntag,

Gruß, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 16.10.2016 20:00 Uhr
Hallo Lestrade,

was erwartest du, wenn du so eine verschwörerische Andeutung von etwas "unvorstellbarem" machst... :-)


Beim nochmaligen Durchgehen der Familiendaten ist mir übrigens noch was eingefallen:

Jacobs älterer Bruder Isaac war den Census-Daten zufolge Cigar maker: Vielleicht hat er bei ihrem (mutmaßlichen) Verwandten Samuel Levy gearbeitet oder war zumindest dort in die Lehre gegangen - dies könnte dann eine weitere Verbindung von Jacob zu Samuels Cigar Shop in der Whitechapel Street 254 sein.
Jacob dürfte die Gebäude dort dann vermutlich gut genug gekannt haben, um sie - wenn er JTR war - als mögliche Zuflucht nutzen zu können.


Außerdem zerbreche ich mir derzeit den Kopf, in welchem Zusammenhang ich die Namen Joseph und Esther Shine schon mal gehört habe.
Die beiden wohnten laut Census von 1871 bei Jacobs Eltern in der Middlesex Street 111:

"At same address:
Head: Joseph Shine aged 50 born Germany - Picture dealer
Wife: Esther Shine aged 50 born Germany"

Hey Lestrade, ich erinnere mich noch, dass du mal von einer Familie Shine erzählt hast, in der es die Familiensage gab, dass ein Nathan Shine den Ripper beim Stride-Mord in der Berner Street gestört haben soll...

Frage in die Runde: Fällt jemandem zu den beiden Namen sonst noch etwas ein?


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 16.10.2016 21:23 Uhr
Hallo allesamt,

ich suche gerade nach Verbindungen zwischen den Senioren Joseph und Esther Shine, die in den 1870ern bei den Levys wohnten, und dem angeblichen JTR-Zeugen Nathan Shine.

Der Familiensage nach war der 18jährige Nathan Shine in der Nacht des Double Events im Berner Street Club und sah beim Verlassen des Clubs JTR mit einem Messer in der Hand über der Leiche von Stride stehen.
Nathan soll Angst bekommen haben und nach Hause gelaufen sein, wo er es seiner Familie erzählt haben will - aber die Familie habe beschlossen,  über den Vorfall zu schweigen, aus Angst davor Schwierigkeiten zu bekommen.

Wenn Nathan kein Wichtigtuer war, sondern die Wahrheit gesagt hat, könnten seine Eltern vielleicht in der Beschreibung von JTR jemanden wiedererkannt und deshalb der Familie Schweigen auferlegt haben.


Census 1891:
15 Tenter Street, Spitalfields
Head:
Rachel Shine - widow - aged 47 born Amsterdam - Cat's meat vendor
Children:
Barnet aged 27 - Cloth cutter
Joseph aged 22 - Riveter
Nathan aged 21 - Cats meat vendor


http://www.casebook.org/forum/messages/4926/12027.html


Vom Alter her könnten Joseph und Esther Shine Großeltern oder Großonkel von Nathan Shine gewesen sein, aber ich habe noch keine Verbindung gefunden.
Falls Nathans Familie die Levys kannte, könnten sie davon gewusst haben, dass Jacob langsam verrückt wurde und nachts durch die Straßen schlich, und in der Beschreibung eine Ähnlichkeit zu Jacob festgestellt haben.

Vielleicht war ja Nathan Shine sogar der späte Zeuge, der sich im Seaside Home weigerte, den Verdächtigen positiv zu identifizieren.



MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 16.10.2016 22:16 Uhr
Nabend Arthur,

Ich finde die Nathan Shine Geschichte irgendwie interessant obwohl seine Beschreibung der von Schwartz sehr ähnelt:

Shine:

"Age, about 30; height, approx 5 ft 6 in; of pale complexion; dark hair; small brown moustache, full roundish face, broad shouldered; dressed in a dark jacket and trousers, black cap with peak but could see hair on both sides of head and holding a long thin bladed knife in his right hand"

Schwartz:

First man: "age, about 30; ht, 5 ft 5 in; comp., fair; hair, dark; small brown moustache, full face, broad shouldered; dress, dark jacket and trousers, black cap with peak, and nothing in his hands."

Man könnte meinen, Shine schmückte die Beschreibung von Schwartz etwas aus. Doch die Sache mit den Haaren finde ich bemerkenswert. Erinnere dich an die Beschreibung von Cox, gleiche Größe und kurze lockige schwarze Haare. Lockige Haare fallen eher auf, wenn sie lang sind als es glatte Haare tun. Die Haare könnte vielleicht ein wichtiger Aspekt im Ripper Fall bei gewissen Beschreibungen gewesen sein. Cox erwähnt explizit kurz als ob er sagen wollte, eigentlich waren sie beim Täter länger... also nur von meinem Gefühl her...

Apropos Shine, da gibt es ja die Zena Shine Story, du wirst sie kennen aber es gibt keine Verbindung zur Familie von Aaron Kozminski jedoch lebten die Vorfahren von Zena Shine, Kosminskis, in einer Gegend in Whitechapel, wo viele Polen aus der Region Kalisch in Polen stammten.

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 17.10.2016 23:31 Uhr
Hallo Lestrade!


Zitat
Ich finde die Nathan Shine Geschichte irgendwie interessant obwohl seine Beschreibung der von Schwartz sehr ähnelt (...) Man könnte meinen, Shine schmückte die Beschreibung von Schwartz etwas aus.

Ja, das ist ja der Grund, warum ich sagte, ich weiß nicht, ob er nur ein Wichtigtuer war: Es sieht so aus, als hätte er oder ein Nachfahre sich mit ein paar Beschreibungen aus Zeitungen eine Geschichte ausgedacht. Welche Oral History enthält so präzise Details zur Beschreibung einer Person? Das ist eher ungewöhnlich und weckt ebenso Misstrauen wie bei einigen Ripperologen die sehr detaillierte Beschreibung von Astrachan Man durch Hutchinson - und der hat nur drei Tage später in einer offiziellen Aussage vor der Polizei erzählt, was er selber gesehen hat.

Was allerdings eher dagegen spricht, dass man sich alles nur ausgedacht hat, sind bestimmte andere Details:
Wer zum Beispiel gibt schon gerne zu, dass er einfach Schiss hatte und weggelaufen ist. Nathan hätte es ja auch umgekehrt erzählen können: Dass der Ripper zuerst weggelaufen ist, um nicht erwischt zu werden (nebenan waren ja noch Dutzende von Leuten), und dass er erst danach gemerkt habe, dass da eine Leiche lag und dann versucht habe ihn zu verfolgen, aber ihn verloren habe oder so ähnlich... so eine Version wäre weniger peinlich gewesen.
Oder dass die Familie sich aus Bequemlichkeit entschloss, alles geheim zu halten, um vielleicht möglichen Unanehmlichkeiten zu entgehen - und den Ripper dadurch einfach weitermorden ließ, statt mit einer Aussage oder gar Gegenüberstellung vielleicht helfen zu können, ihn zu schnappen. Kommt charakterlich nicht gerade gut rüber.
Ich will damit sagen: Diese Familiensage ist eher peinlich und wirft ein schlechtes Licht auf die Betreffenden, da ist nichts, womit man sich profilieren könnte. Warum sollte jemand so eine Geschichte erfinden?

Eine plausible Variante der Erfindung sehe ich aber doch: Die Story stammte vielleicht gar nicht von Nathan selbst, sondern von einem Angehörigen, der ihn nicht leiden konnte - und der hat sie zu dem ausgeschmückt, wie wir sie heute kennen. Vielleicht war Nathan einfach in der Nacht im Berner Street Club, hat aber vom Mord wie alle anderen darin nichts mitbekommen, bis schließlich Diemschütz die Leiche entdeckte und der ganze Tumult und die Polizei kam. Danach rannte er nach Hause und erzählte, direkt neben ihm sei wieder eine Frau umgebracht worden. Und jener unfreundliche Zeitgenosse drehte es später so, als wäre Nathan feige vor dem Ripper abgehauen, statt um Hilfe zu rufen, so dass man JTR hätte fangen können. Die Details der Beschreibung hätte er aus der Presse haben können.

Wie dem auch sei: Letztendlich bringt Nathans Geschichte nichts grundlegend Neues für den Fall. Dahingehend ist sie also nicht besonders nützlich.
Falls es jedoch Verbindungen der Shines zu einem unserer Verdächtigen gäbe, könnte der Entschluss der Familie, darüber zu schweigen, eine ganz andere Dimension bekommen.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 18.10.2016 15:50 Uhr
Hallo Arthur,

Wir können uns ja denken, dass es noch weitere Zeugen als die uns bekannten gab, welche eben nicht zur Polizei gingen oder von ihnen gefunden wurden. Ein Beispiel könnte der Zeuge im Seaside Home sein. Es wäre ja denkbar, dass er sich erst viel später entschloss zur Polizei zu gehen oder aber, diese kamen ihm später auf die Spur. So um den Herbst 1890 führte die Polizei erneut Befragungen durch. Bei so etwas zum Beispiel, hätten man weitere Zeugen finden können.

Ich habe jetzt nicht erneut nachgelesen aber ich meine, Nathan Shine war damals 18 Jahre jung. Das Alter, einfach Angst oder eben Angst selber verdächtigt zu werden, könnte ihn oder auch andere abgeschreckt haben. Ich sage es dir ganz ehrlich, ich möchte nicht in eine solche Situation geraten… da würde auch mir der Arsch auf Grundeis gehen…

Dennoch gefällt mir diese Shine Anekdote, wie sie nun auch immer zustande gekommen sein mag. Seine Beschreibung, welcher er von Schwartz via Zeitung gelesen haben könnte, deckte sich vielleicht mit seiner. Aber er sah noch mehr, vielleicht das Gesicht des Mannes, mit dem Messer über dem Opfer (Stride) als auch die längeren Haare. Wie dem auch sei… Falls wahr, dann können wir möglicherweise auch etwas daraus ableiten… nämlich, dass BS Man dann tatsächlich ihr Killer war und somit wahrscheinlich Jack the Ripper. Das wiederum würde uns sehr, sehr viel über die Persönlichkeit des Rippers sagen, dass er wirklich sehr risikoreich agierte und mehr Glück als Verstand hatte… vermutlich könnten wir auch sagen, dass Shine oder jemand mit ähnlicher Sichtung, eher unwahrscheinlicher der Zeuge im Seaside Home war… denn würde ein Zeuge, egal ob jüdisch oder nicht, in einem solchen Falle überhaupt zurückziehen können…? Die Polizei hätte gesagt: Sie haben einen Mord gesehen, zwischen der Tötung und ihrer Sichtung lagen vielleicht 1-2 Sekunden, da passt kein Blatt Papier mehr zwischen, überlegen sie, ob sie damit leben wollen…

Der Zeuge muss ihn irgendwo gesehen haben aber so, dass er die Möglichkeit hatte und auch für sich verantworten konnte, ihn nicht dem Galgen auszuliefern… vorausgesetzt auch immer, was der Zeuge selber über die Mordserie wusste und wie er das alles einordnen und verstehen konnte. Er hätte nicht wissen müssen, dass dieser Zeuge bereits länger ein Hauptverdächtiger war, er hätte nicht wissen müssen, dass es eine Reihe von Umständen gab, die diesen Mann schwer belasteten… dazu müssen wir auch in Betracht ziehen, dass der Verdächtige selber, bei einem willigen Zeugen, hätte zusammenbrechen können, vor der Polizei und vor dem Gericht. Dazu wäre es nicht nötig gewesen, über einer Leiche stehend gesehen worden zu sein.

Mir gefällt mein Beispiel mit dem Miller´s Court. Der Verdächtige traf auf den Zeugen im Durchgang zum Miller´s Court als er den Tatort verließ und der Zeuge zu den Klos oder zur Wasserstelle im Court wollte. Vor so einer Aussage eines Zeugen, hätte er möglicherweise kapituliert, gerade auch dann, wenn es nicht das erste Mal gewesen wäre, dass er an einem Tatort gesichtet wurde oder gesichtet worden sein könnte, siehe PC vom Mitre Square und Packer.

Was auch immer mit Shine war, die Geschichte könnte wahr sein aber beweisen werden wir es wahrscheinlich nie können. Sollten wir jedoch einmal Fotos oder unbekannte Beschreibungen des Verdächtigen sehen, dann würden wir eventuell Shine “vertrauen“, sollte derjenige lange Haare getragen haben.

Btw.:

Heute lass ich bei Pat Marshall bezüglich der Kosminskis folgendes;

I do not think he was low class as he came from a successful family both brothers being master tailors and one being a freemason.

Von einem Freimaurer wusste ich bisher nichts…

Gruß Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 29.10.2016 11:24 Uhr
Hallöle,

ich habe mal die Karte mit dem geographischen Profil Jacob Levys aktualisiert:
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 29.10.2016 17:50 Uhr
Hallo zusammen!

Nach der Karte habe ich auch noch einmal die Zusammenfassung über Jacob Levy aktualisiert.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 29.10.2016 17:52 Uhr
Jack the Ripper – Tatverdächtiger Jacob Levy



Jacob Levy
wurde 1856 als Sohn des Metzgers Joseph Levy und seiner Frau Caroline im Londoner Eastend geboren, lebte und arbeitete im Viertel und wurde 1890 aufgrund der Folgen einer fortschreitenden psychischen Erkrankung in eine Nervenheilanstalt eingewiesen, wo er 1891 starb. Als Todesursache wurde in den Akten ein fortschreitender Verfall infolge einer Syphilis angegeben.
Jacobs Frau Sarah soll den Anstaltsakten zufolge nach der Einweisung gesagt haben, Levy habe beinahe sie und ihr Geschäft ruiniert, früher sei er ein guter Geschäftsmann gewesen. Aber er schlafe nun nachts nicht mehr, sondern wandere oft für Stunden ziellos umher. Auch befürchte er, jemandem etwas anzutun. Er höre Geräusche und Stimmen, die ihm befehlen und ihn zwingen Taten zu begehen, die er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne.

Zu einem Verdächtigen im Fall der Whitechapel-Morde wurde Jacob Levy durch die Recherche zeitgenössischer Ripperologen in den Unterlagen der Nervenheilanstalten in und um London. Sie suchten darin nach jener Person, die in den Texten der hochrangigen Polizeibeamten Chief Constable Mcnaghten, Assistant Commissioner Anderson und Chief Inspector Swanson als der mutmaßliche Ripper erwähnt werden, und dessen Leben in einer Irrenanstalt geendet haben soll. Vier Verdächtige wurden gefunden: Aaron Kosminski, David Cohen, Hyam Hyams und Jacob Levy. Auf Levy treffen zahlreiche Aussagen der Polizisten und Zeugen sowie des modernen Profilings zu. 


Beruf Metzger:

Im Census und im London Business Directory ist als Beruf von Jacob Levy Metzger angegeben.

Für moderne Profiler ist das Töten von Tieren am Anfang der mörderischen Karriere typisch für die Biographie von Serienkillern, ein Metzgerjunge wächst damit auf und kann seine pathologische Veranlagung durch seine Berufswahl zugleich entwickeln, ausleben und kaschieren. 
Angesichts der Art der Verletzungen bei den Opfern gehen Gerichtsmediziner und Polizei damals wie heute davon aus, dass JTR zumindest grundlegende anatomische Kenntnisse besaß und auch bei schlechtem Lichtverhältnissen sicher mit einem Messer umgehen konnte. Kenntnisse über Anatomie und das Zerlegen von Körpern hatten damals vor allem beruflich damit beschäftigte Gruppen wie Chirurgen oder Schlachter - demnach könnte JTR also Metzger gewesen sein. Dies war z.B. die Meinung von Dr. Frederick Gordon Brown, der Catherine Eddowes untersuchte, und auch von Dr. George Bagster Phillips, der Annie Chapman obduzierte.
Die Tatwaffe soll Gerichtsmedizinern zufolge eine lange, schmale, gerade Klinge gehabt haben, wie sie typisch zum professionellen Zerlegen von Körpern ist, z.B. sog. Amputationsmesser von Chirurgen oder ähnliche Metzgerklingen wie z.B. ein Tranchiermesser.
Der Kehlenschnitt deutet ebenfalls auf einen Metzger hin, der es gewohnt ist, so das Schlachtvieh zu töten. Das Töten geschah schnell und effizient, die Verstümmelungen wurden post mortem zugefügt und von Opfer zu Opfer umfangreicher - womit das Töten vor allem Mittel zum Zweck, das eigentliche Ziel hingegen offenbar das Eröffnen und Ausweiden des Unterleibs der Opfer war. Organentfernungen unter Zeitdruck und bei sehr schlechten Lichtverhältnissen, ohne sich total mit Blut zu versauen, spricht für Erfahrungen im Schlachterhandwerk.
Ein Indiz dafür ist auch, dass der Ripper seine Opfer i.d.R. bis zur Bewusstlosigkeit bzw. zum Kreislaufkollaps würgte, bevor er das Messer ansetzte. Offenbar wusste er aus Erfahrung, dass ansonsten das Blut aus den Arterien kräftig spritzen würde, es so aber relativ langsam aus den Wunden rann. Dies verhinderte, dass er selber allzusehr vollgeblutet wurde und erleichterte die Entnahme der Organe, die ansonsten in ein Meer von Blut getaucht gewesen wären.


Motiv Syphilis:
Irgendwann vor 1886 muss sich Jacob Levy mit Syphilis angesteckt haben, die dann 1891 als Todesursache diagnostiziert wurde - vermutlich hat er sie sich wie viele Männer bei einer Prostituierten eingefangen.
Der Zeitraum ergibt sich zurückgerechnet aus dem statistischen Verlauf der Erkrankung: Da er im August 1890 in die Nervenheilanstalt City of London Asylum at Stone in Kent eingeliefert wurde, wo er ein Jahr später an den Folgen der Syphilis starb, dürfte die Krankheit spätestens im ersten Halbjahr 1890 in ihr letztes Stadium eingetreten sein, wobei Levy aber schon die beiden Jahre zuvor unter den Auswirkungen der Krankheit gelitten haben dürfte.
 
Die Infektion mit Syphilis durch eine Prostituierte wird von modernen Profilern als plausibles Motiv für die Morde von JTR angesehen: Es erklärt die Wahl der Opfer und die Verstümmelungen im Unterleib.
Darüber hinaus führte unbehandelte Syphilis zu einer chronischen Hirnentzündung. Sensitive oder psychische Veränderungen wurden von den Ärzten damals oft beschrieben, so u.a. auch Gewaltausbrüche, eine übermäßige Steigerung der Libido und verschiedene Arten von Wahrnehmungsveränderungen.
Gut möglich, dass der Ripper sich zuerst gar nicht bewusst dafür entschieden hatte, auf Prostituiertenmord zu gehen, sondern dass die erste Tat eine Affekthandlung war, als er zufällig erneut auf eine Prostituierte traf, die ihn an die Überträgerin erinnerte, und seine ganze Wut über die Infektion wieder hochkam. Weil ihm diese erste Tat Befriedigung verschaffte, zog er danach dann regelmäßig los. Somit könnte zum Beispiel Martha Tabram sein erstes Mordopfer gewesen sein, auf die "nur" eingestochen wurde, noch ohne sie auszuweiden (s.u.). 


Auswahl der Opfer:
Es gab weit über 1200 Gelegenheitsprostituierte in Whitechapel, die ohne Schutz durch einen Zuhälter nachts auf den Straßen nach Kunden suchten - und sie waren eine häufige Ansteckungsquelle für Syphilis.

JTR hatte damit nicht nur eine große Auswahl an potentiellen Opfern. Prostituierte vom Straßenstrich sind auch leichte Opfer, weil sie für das Sexgeschäft freiwillig mit fremden Männern an Orte gehen, wo sie mit ihnen allein sind, und dem Mörder damit auch noch unbeabsichtigt helfen, einen geeigneten Tatort zu finden. Eine zeitaufwendige und vor allem riskante Ausspähung und Verfolgung potentieller Opfer ist nicht notwendig, da sie in der Öffentlichkeit auf Freier warten und oft sogar selber auf potentielle Kunden zugehen.


Nähe zu Opfern:
Die Adresse von Jacob Levys Eltern lautete Middlesex Street 111, er selbst war im Jahr der Morde laut Kelly's London Business Directory von 1888 in der Middlesex Street 36 gemeldet.
Alle kanonischen fünf Opfer von JTR waren verarmte Gelegenheitsprostituierte, die alle in Armenunterkünften in einem kleinen Umkreis nur etwa 300-400 Meter nordöstlich von Levys Adresse übernachteten und in einem fußläufigen Oval um seinen Lebensmittelpunkt herum getötet wurden. Martha Tabrams letzte Adresse war Satchell's Lodging House in der George Street etwa 300 Meter östlich von der der Middlesex Street (s.u.).

Jacob Levy ist damit in der von modernen Profilern ermittelten Comfort Zone von JTRs Aktivitäten aufgewachsen und wohnte auch als Erwachsener noch dort. Er kannte sich also seit Kindertagen bestens in Whitechapel aus, fiel dort nicht auf und wusste sich angemessen zu verhalten.
Sowohl für die zeitgenössischen als auch die modernen Ermittler war JTR mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein Einheimischer mit guter Ortskenntnis, was es ihm ermöglichte, sich schnell und unauffällig zu bewegen und die Polizeistreifen zu meiden, um bei seinen Taten und auf der Flucht nicht erwischt zu werden und relativ schnell von der Straße zu verschwinden.
Als einheimischer Metzger hatte Levy nahegelegene Rückzugsmöglichkeiten, die ein Versteck für blutverschmierte Kleidung und Messer boten. Blut an seiner Kleidung und Messer waren wegen seines Berufes alltäglich und erklärbar, nicht schon per se verdächtig. Organe der Opfer konnten unter Metzgerware getarnt werden.
Außerdem gab es in der Middlesex Street den Petticoat Lane Street Market der Schneider, der eine große Auswahl an günstiger Second-Hand-Kleidung zum Wechseln bot - und genau dort will der Zeuge George Hutchinson den Verdächtigen vom Kelly-Mord erneut gesehen haben (s.u.).


Verbindung zu Zeugen:
Im Census der Jahre 1851, 1861 und 1871 ist für eben diese Middlesex Street 36 der Metzger Hyam Levy eingetragen, der dort mit seiner Frau Frances und seiner Familie wohnte, 1881 ist dann seine Witwe Frances als Haushaltsvorstand und Metzger eingetragen. Die beiden sind laut Casebook die Eltern jenes Joseph Hyam Levy, der später als Zeuge zum Mord an Catherine Eddowes vernommen wurde. Joseph Hyam Levy arbeitete 1888 selbst als Metzger kaum 50 Meter von Jacob Levy entfernt in der Hutchinson Street 1, einer Gasse, die in die Middlesex Street mündet.

Mehrere Levys, die sich nicht nur in unmittelbarer Nachbarschaft befanden und der gleichen Branche angehörten, sondern nacheinander auch dieselbe Metzgerei betrieben: Es ist so gut wie sicher, dass sie sich zumindest gekannt haben.

Laut einer Ausgabe des Ripperologist von 2012 sollen Joseph Hyam Levy und der Ripper-Verdächtige Jacob Levy sogar verwandt gewesen sein:
Isaac Ben Hyam Levy und seine Frau Sarah hatten sechs Kinder: Hyam, Esther, Elias, Moss, Joseph und Elizabeth.
Hyam heiratete eine Frances Naphtali, und sie hatten sieben Kinder: Isaac, Naphtali, Sarah, Joseph, Elias, Henry und Elizabeth. Dieser Joseph Levy sollte später ein wichtiger Zeuge im Falle Jack the Rippers werden.
Hyams Bruder Joseph heiratete 1848 Caroline Solomon. Beide hatten 8 Kinder: Jane und Rebecca (aus Carolines erster Ehe), Hannah, Elizabeth, Issac, Abraham, Jacob und Moss. Dieser Jacob Levy sollte später ein Verdächtiger im Fall Jack the Rippers werden.
Jacob Levy wurde 1856 geboren als Sohn von Joseph Levy und Caroline Levy (geb. Solomon).
Im Census 1861 sind er und seine Familie in der Middlesex Street 111 geführt.
Joseph Hyam Levy lebte zu dieser Zeit in Petticoat Lane 36 (Middlesex Street). Er heiratete 1866 Amelia Lewis und zog mit ihr in die Hutchinson Street 1. Dort hatte er seinen eigenen Laden.
Am 25. November 1872 starb Josephs Vater Hyam Levy. Sein Geschäft übernahmen seine Witwe Frances und seine Töchter Sarah und Elizabeth. Nach dem Census 1881 führte Frances auch dann noch das Geschäft weiter.
Am 23. April 1879 heiratete Jacob eine Sarah Abrahams. Laut Census von 1881 wohnte er mit ihr und seinen zwei Söhnen in der Fieldgate Street 11. Ein paar Jahre später aber übernahm er in der Middlesex Street 36 das Geschäft seiner Tante Frances, Mutter des Zeugen Joseph Hyam Levy.
Joseph Hyam Levy und Jacob Levy waren demnach Cousins.
Machte der Zeuge Joseph Levy bei der Vernehmung zum Mordfall Eddowes deshalb so merkwürdige Andeutungen und den Eindruck, er wisse mehr als er zugeben wollte (s.u.)?


Kriminelle Vorgeschichte:

Am 10. März 1886 wird Jacob Levy laut Eintrag beim Central Criminal Court zu 12 Monaten Gefängnis verurteilt, weil er zusammen mit zwei anderen Männern dem Metzgermeister Hyman Sampson Fleisch gestohlen hatte. Als Sampsons Adresse wird im Polizeibericht Middlesex Street 35 genannt, seine Metzgerei lag zwei Jahrzehnte lang in der Parallelstraße Goulston Street 58.

Eine kriminelle Vorgeschichte ist modernen Profilern zufolge typisch für Serienmörder.
Der Ort des Diebstahls liegt in JTRs Comfort Zone, zwischen den Tatorten des Double Event. Zudem wurde ein Stück von Eddowes blutverschmiertem Rock in der Tatnacht am Hauseingang des Gebäudes Wentworth Buildings 108-119, Goulston Street, gefunden, unter dem berüchtigten antisemitischen Graffiti (von dem allerdings unklar ist, ob es von JTR stammte). Falls Jacob Levy der Ripper war, so könnte die Platzierung ein Versuch gewesen sein, die Polizei in die falsche Richtung weiter nach Osten zu lenken - weg von ihm in der Middlesex Street.
Auch Rache an seiner Gemeinde, die sich wegen des Diebstahls von ihm abgewandt hatte, könnte möglich sein, denn laut Superintendent Thomas Arnold wohnten viele Juden dort.

Im Ripperologist stand einmal, dass es strenge Regeln in der jüdischen Gemeinde für den geschäftlichen Umgang miteinander gab, und dass ein solcher Diebstahl wohl dazu geführt hätte, dass ihm der Jewish Council die Lizenz entzogen hätte. Damit hätte seine Frau Sarah, um die Familie zu ernähren, auch nach Jacobs Entlassung 1887 das Geschäft allein weiterbetreiben müssen. In der Tat taucht später seine Frau als Geschäftsinhaberin im Census auf.
Für Jacob hätte das nun zur Folge gehabt, dass er gezwungen gewesen wäre, auf andere Art seinen Anteil am Familieneinkommen zu verdienen.

Wenn Jacob den Shop in der Middlesex Street 36 nicht mehr selber betreiben durfte, musste er seitdem offensichtlich bei Bekannten und Verwandten in deren Geschäften oder in den Schlachthöfen arbeiten. Dadurch konnte er seinen Teil zum Familieneinkommen beitragen und stand zugleich wegen seines immer asozialeren Verhaltens unter einer gewissen Aufsicht. Das dürfte eine ziemliche Schmach und Erniedrigung für ihn gewesen sein.

Wenn wir nun betrachten, wo diese Arbeitsplätze gewesen sein könnten, finden wir nicht nur die observierte Butcher's Row mit einem Schlachthaus dahinter in der Harrow Alley, sondern auch noch das Harrison, Barber & Co Slaughterhouse in der Winthrop Street, in der Parallelstraße vom Nichols-Tatort in der Buck´s Row nur rund 100 Meter entfernt. Dort wurde auch über Nacht gearbeitet, damit die Kunden morgens frisches Fleisch hatten. Diese Metzger zerlegten also routinemäßig Körper unter schlechten Lichtverhältnissen - so wie der Ripper.
Die angestellten Metzger hatten damals i.d.R. ihr eigenes Arbeitswerkzeug (so wie dies auch in anderen Branchen üblich war bzw. bis heute ist), nahmen es zur Arbeit mit und am Feierabend wieder mit nach Hause. Dazu würde passen, dass einige Zeugen den mutmaßlichen Ripper mit einem Päckchen in der Hand gesehen hatten (s.u.).


Anzeichen psychischer Zerrüttung:
Bereits kurz nach seiner Verurteilung begeht Levy im April 1886 einen Selbstmordversuch im Holloway Prison, der jedoch scheitert.
Am 21. Mai 1886 wird er aufgrund des Suizidversuchs und seltsamer Murmeleien für geisteskrank erklärt und in das Essex County Asylum überführt. In den Akten dort wurde festgehalten, er habe gejammert, Irresein sei in seiner Familie erblich, schon sein Bruder habe Selbstmord begangen.
Am 3. Februar 1887 wird Levy dann wieder aus der Anstalt als "geheilt" entlassen.

Offenbar war die Verurteilung so traumatisierend, dass sie zu einem Zusammenbruch führte - vermutlich weil nun sein Ruf in der Gemeinde schwer beschädigt war und die Gefängnisstrafe negative Auswirkungen auf sein Geschäft und seine sozialen Beziehungen hatte.
Diese Entwicklung ist ein deutliches Indiz der beginnenden psychischen Zerrüttung mit der Bereitschaft zu Grenzüberschreitung, kriminellem Verhalten und Gewalt (wenn auch zunächst gegen sich selbst gerichtet).


Möglicher finaler Stressauslöser:
Am 18. Mai 1888 wird Jacob Levys Mutter Caroline beerdigt.

Nachdem seine Verurteilung und Einweisung bereits seine sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen beschädigt haben dürfte, und auch seine Ehe davon und von der Syphilis belastet gewesen sein wird, stirbt nun auch noch eine der wichtigsten Bezugspersonen eines Menschen.
Für moderne Profiler ist dies ein klassischer Stressauslöser zum Start in eine mörderische Karriere. Ziel der Aggression wird diejenige Gruppe, der der Täter die Verantwortung für sein Schicksal gibt: die Prostituierten von Whitechapel, bei denen er sich mit Syphilis angesteckt hat.




Die Mordserie


Dienstag, 7. August 1888: Martha Tabram im George Yard
Tabram wurde im Treppenhaus des George Yard Buildings 37 vermutlich das erste Opfer von JTR.
Tabram war auf einer Kneipentour mit ihrer Bekannten Mary Ann Connely ("Pearly Poll") und zwei Soldaten. Gegen 0 Uhr trennten sich die Pärchen um Sex zu haben, Connely ging mit dem Corporal zur Angel Alley, und Tabram verschwand mit dem Private in den George Yard.
Gegen 1.40 Uhr stieg das Ehepaar Elizabeth und Joseph Mahoney das Treppenhaus zu ihrem Zimmer hinauf und sah nichts. Auch als Elizabeth Mahoney es kurz darauf wieder durchquerte, um in einem Shop in der Thrawl Street etwas zu Essen zu kaufen, lag Tabram noch nicht da.
Tabram wurde mit einem Stich ins Herz getötet und mit insgesamt 39 Messerstichen in Brust und vor allem Unterleib traktiert. Sie lag auf dem Rücken, ihre Kleider waren hochgeschoben und ihre Beine gespreizt, ebenso wie bei den kanonischen Ripper-Opfern.
Gefunden wurde die Leiche auf dem Absatz des ersten Stocks gegen 4.45 Uhr durch Bewohner John Saunders Reeves, nachdem bereits Bewohner Alfred George Crow gegen 3.30 Uhr Tabram für einen schlafenden Obdachlosen gehalten hatte. Damit muss die Tatzeit zwischen 1.45 Uhr und 3.30 Uhr liegen. Reeves suchte eine Polizeistreife und fand Constable Thomas Barrett auf seiner Runde.

Der Soldat dürfte wohl der Letzte gewesen sein, der Tabram lebend gesehen hat, konnte aber weder von "Pearly Poll" noch von Constable Barrett bei Gegenüberstellungen identifiziert werden, obwohl letzterer auf seiner Streife durch die Wentworth Street gegen 2 Uhr einen Private der Grenadier Guard am Nordende des George Yard stehen sah und ihn ansprach. Der Private sagte dem Polizisten, er warte auf einen Kameraden, der mit einem Mädchen unterwegs sei, darauf ging Barrett weiter seine Streife, bis er drei Stunden später von Reeves zum Tatort gerufen wurde.
Der unbekannte Soldat könnte also den Mord verübt haben, dennoch war er aber wahrscheinlich nicht der Täter: Rund zwei Stunden für Sex mit einer älteren, unattraktiven Prostituierten an einem öffentlich zugänglichen Ort erscheint doch ein ziemlich langer Zeitraum. Wenn sie so lange im Treppenhaus von Nr. 37 gewesen wären, wäre wohl auch das Ehepaar Mahoney oder ein anderer Bewohner auf beide gestoßen.
Zudem hätte ein blutbefleckter Mörder wohl kaum in unmittelbarer Nähe des Tatorts auf seinen Kameraden gewartet und so entspannt auf Polizist Barrett reagiert. Barrett jedenfalls kam nichts an ihm und seinem Verhalten verdächtig vor. Wahrscheinlicher ist, dass sich Tabram nach 1.45 Uhr noch mit einen anderen Mann - eben dem Ripper - in den George Yard zurückgezogen hat.

Erkenntnissen der modernen Kriminologie zufolge stammt das erste Opfer eines Serientäters oft aus seinem näheren räumlichen Umfeld. Tabrams letzte bekannte Adresse war Satchell's Lodging House in der George Street, und die Kneipentour endete vor den George Yard Buildings.
Jacob Levys Heim in der Middlesex Street 36 liegt nur rund 300 Meter oder etwa 3-4 Minuten Fußweg von beiden Orten entfernt.
Der Profiler William Eckert: "Nachdem der erste Mord geschehen war, in dessen Nähe der Mörder wahrscheinlich lebte, zog er weiter." In diesem Fall in die Buck's Row.


Freitag, 31. August 1888: Marie Ann Nichols in der Buck's Row
Nichols übernachtete zuletzt im White House Nachtasyl in der Flower and Dean Street 56.
Gegen 2.30 Uhr wurde Nichols zuletzt lebend gesehen von ihrer Bekannten Emily Holland an der Ecke Osborn Street / Whitechapel High Street, fast einen Kilometer vom Tatort entfernt, bevor sie betrunken auf der Whitechapel Road weiter Richtung Osten wankte.
Bis ca. 3.20 Uhr kamen nacheinander die Polizisten Neil, Thain und Kirby auf ihren Runden durch die Buck's Row, ohne etwas Verdächtiges zu sehen. Gegen 3.45 Uhr fanden dann Charles Andrew Cross und Robert Paul auf ihrem Weg zur Arbeit die Leiche von Nichols vor dem verschlossenen Tor zu Brown's Stable Yard (vermutlich hatte der Täter vergeblich versucht, mit ihr in den Hof zu gelangen). Die Tatzeit muss also zwischen 3.20 Uhr und 3.45 Uhr betragen.

Cross war als erster und allein am Tatort, bis Paul kurz darauf dazustieß. Somit könnte Cross der Täter gewesen sein, zumal alle Tatorte JTRs auf den Wegen zwischen seiner Adresse in der Doveton Street 22, seiner Arbeit als Fleisch-Auslieferer in der Broad Street und dem Wohnort seiner Mutter in der Nähe der Berner Street lagen.
Allerdings hätte Cross, als er die Schritte von Paul hörte, einfach nach Westen verschwinden können, ohne erkannt zu werden, statt auf ihn zu warten: Es sind rund 100 Meter vom östlichen Ende der Buck's Row bis zum Tatort und es war noch dunkel. Bis zu den Querstraßen im Westen als Fluchtwege sind es nur wenige Meter. Stattdessen wartete er auf Paul, wies ihn erst auf den am Straßenrand liegenden Körper hin und ging mit Paul einen Polizisten suchen. Auch wäre wohl aufgefallen, wenn Cross, der erste am Nichols-Tatort, auch an den Morgen der Morde von Annie Chapman und Mary Jane Kelly zu spät zur Arbeit gekommen wäre, denn sein Job begann bereits um vier Uhr morgens - jene Tatzeiträume liegen jedoch deutlich später (s.u.).
Außerdem war er nicht nur vor den Morden ein unbescholtener Mann, der 20 Jahre lang zuverlässig denselben Job innehatte, er lebte auch noch mehr als 30 Jahre nach dem Ende der Serie als freier und gesunder Bürger weiter, ohne irgendwie einschlägig aufzufallen. Daher war Cross wohl eher nicht der Ripper.

Was Jacob Levy betrifft: Der Tatort ist zwar rund 1300 bis 1400 Meter und damit etwa 16-18 Minuten Fußweg von Levys Adresse in der Middlesex Street 36 entfernt.
Aber Nichols übernachtete im White House Nachtasyl in der Flower and Dean Street 56, und trieb sich bis 2.30 Uhr in der Umgebung der Hauptverkehrsader Whitechapel High Street herum, beides nur rund 300 Meter von Levys Adresse entfernt.
Es ist auch kriminologisch plausibel, dass JTR auf seiner Jagd die Zentren des Straßenstrichs aufsuchte und beobachtete, ob ein potentielles Opfer in ruhigere Nebenstraßen abbog, um ihr dahin zu folgen. Einer dieser Prostituierten-Treffs war die Umgebung von Whitechapel Station / London Hospital. Zudem erscheint es vernünftig, diesmal nicht allzu nah beim eigenen Heim zuzuschlagen.

Vielleicht war JTR auch gar nicht auf seine eigenen vier Wände als sichere Zuflucht nach den Taten eingeschränkt, sondern konnte an verschiedenen Orten unauffällig von der Straße verschwinden - Detective Inspector Henry Cox von der City Police schrieb über den observierten Verdächtigen im Ripper-Fall: "He occupied several shops in the East End".
Möglicherweise konnte JTR die Straßen schnell verlassen, indem er nach der Tat in Shops von Verwandten oder Freunden verschwand.
Im Fall von Jacob Levy und der Buck's Row könnte dies der Zigarrenhändler John Levy gewesen sein, der in der Whitechapel Road 254 in den 1880ern einen Cigar Shop betrieben hatte, und neben dessen Shop nach dem Double Event ein blutiges Messer gefunden wurde (s.u.).

Ende 1888 scheint John Levy, bereits im Seniorenalter, einer Gertrude Smith einige Zimmer in seinem früheren Shop vermietet zu haben, welche die Räume als illegales Bordell nutzte, zumindest zeitweise. Es gab einen polizeilich festgehaltenen Vorfall um einen illegalen Bordellbetrieb von Gertrude Smith, in den ein N. Cohen und Aaron Davis Cohen (später David Cohen) verwickelt waren, der wohl in der 254 Whitechapel Road Ende November/Anfang Dezember 1888 stattfand.
Interessant in diesem Zusammenhang ist auch ein Bericht von Polizeichef Warren:
Home Office Report by Charles Warren dated September 19, 1888: "A brothel keeper who will not give her address or name writes to say that a man living in her house was seen with blood on him on the morning of the murderer. She described his appearence and where he might be seen - when detectives came near him he bolted, got away and there is no clue to the writer of the letter."
Die Adresse des Shops in der Whitechapel Road 254 ist nur etwa 400 Meter oder 4-5 Minuten vom Tatort Buck's Row entfernt. War Levy der Ripper, hätte er also auf dem Weg zum oder vom Shop auf Nichols treffen und sich nach der Tat dort verstecken können. 

Interessant an der Metzger-Theorie ist zudem, dass sich in der Nähe von mindestens zwei Tatorten Schlachthäuser befanden: Da in diesen auch über Nacht gearbeitet wurde, hätte ein Metzger dort als Einkäufer für sein Geschäft auftreten oder als Schlachter arbeiten können. Das Tragen seiner Arbeitsgeräte und blutverschmierter Arbeitskleidung wäre dort nicht per se verdächtig gewesen.
Das Schlachthaus in der Harrow Alley, Eingang von der Butcher's Row, lag nicht nur nahe Tatort Mitre Square, sondern passt auch auf den Butcher's Row Suspect (s.u.).
Und das Harrison, Barber & Co Slaughterhouse in der Winthrop Street lag in der Parallelstraße zum Tatort Buck´s Row.


Samstag, 8. September 1888: Annie Chapman in der Hanbury Street
Chapman verbrachte ihre letzten Nächte in der Crossingham's-Unterkunft in der Dorset Street 35.
Gegen 1.50 Uhr verließ sie das Asyl Richtung Norden in die Brushfield Street.
Gegen 5.30 Uhr am frühen Morgen wurde Chapman zum letzten Mal lebend gesehen, und zwar von der Zeugin Elizabeth Long. Unmittelbar vor dem Tatort in der Hanbury Street 29 soll sie laut Longs Aussage mit einem Freier gesprochen haben: "Willst du?" - "Ja."
Long beschreibt den Verdächtigen wie folgt: Knapp 40 Jahre alt, etwas größer als Chapman, dunkler Mantel und tief ins Gesicht gezogener dunkler Hut, fremdländisches Aussehen.
Etwa zur selben Zeit geht Albert Cadosch aus dem Nachbarhaus Nr. 27 in seinen Hinterhof zur Toilette, als er danach ins Haus zurück will, hört er vom Hof nebenan zunächst ein leises "No" und wenige Minuten später bei seinem Aufbruch zur Arbeit etwas gegen den Zaun stoßen.
Gegen 6 Uhr wurde Chapmans Leiche im Hinterhof vom Hausbewohner John Davies entdeckt.
Die Tatzeit liegt also zwischen 5.30 Uhr und 6 Uhr, und die Zeugin Long hat damit wohl den Ripper bei Chapman gesehen.

Da die Tatzeit bereits nahe der beginnenden Morgendämmerung und dem wieder einsetzenden "Berufsverkehr" in den Straßen liegt, hatte JTR nicht viel Zeit, aus der Öffentlichkeit zu verschwinden, bevor es richtig hell wurde.
Der Tatort ist rund 700 Meter oder etwa 8-9 Minuten Fußweg von Levys Adresse in der Middlesex Street 36 entfernt.

Interessant ist ein bekannt gewordener Zwischenfall im Prince Albert Pub an der Ecke Brushfield Street / Steward Street, etwa 200 Meter südwestlich vom Tatort:
Am frühen Morgen tauchte laut Aussagen der Inhaberin Mrs. Fiddymont ein Mann auf, dessen Erscheinung Mrs. Fiddymont und ihrer Kundin Mary Chappell Angst machte: Er trug einen dunklen Mantel, hatte seinen Hut tief ins Gesicht gezogen, sein Hemd war gerissen und er hatte offenbar Blutflecken auf seinem rechten Handrücken. Als er bemerkte, dass er kritisch beäugt wurde, drehte er sich weg, trank sein Bier in einem Zug aus und verließ den Pub sofort wieder. Mary Chappell folgte dem Mann in die Brushfield Street, stellte fest, dass er Richtung Bishopsgate ging und wies den Passanten Joseph Taylor auf den Mann hin.
Die drei wurden später von der Polizei zu zwei Gegenüberstellungen geladen, aber unter den vorgeführten Verdächtigen erkannten sie den Mann nicht wieder.
Bemerkenswert daran ist, dass nahe der Brushfield Street die Sandy's Row geradewegs zur Middlesex Street hinunter führt.


10. September 1888: Erster Tatverdächtiger "Leather Apron"
Bei den Befragungen der Polizei erzählten Prostituierte, dass sie Angst vor einem gewalttätigen Mann hätten, der Schutzgeld von ihnen erpresse und sie schlage, und der wegen seiner Lederschürze  den Spitznamen "Leather Apron" hätte. Die Ermittlungen führten zu einem polnischen Juden namens John Pizer, ein Schuhmacher, der jedoch für die fraglichen Tatzeiten Alibis aufweisen konnte und später von allen Anschuldigungen freigesprochen wurde.

Interessant sind bei Pizer aber die Übereinstimmungen mit späteren Zeugenaussagen: Er war Jude, mittleren Alters (38 Jahre), knapp 1,70 groß und hatte einen schmalen Oberlippenbart. Und Lederschürzen trugen nicht nur Handwerker, sondern auch Metzger.

Hinzu kommt, dass Serienmörder den Erkenntnissen der modernen Kriminologie zufolge oft schon vor ihren Morden durch andere Straftaten auffällig werden, darunter auch Raub. Es ist daher gut möglich, dass JTR vor seinen Morden bereits Prostituierte bedroht bzw. ausgeraubt hat. 
Jacob Levy war ein verurteilter Dieb, von dem seine Frau Sarah bei seiner Einweisung in die Irrenanstalt sagte, er hätte nicht nur begonnen, das Geld der Familie zu verschwenden, sondern auch fremder Leute Eigentum mitgehen zu lassen.
Zwar ist von Jacob Levy kein Übergriff auf eine Prostituierte nachgewiesen, aber es gab vor der Mordserie Überfälle auf Prostituierte, die möglicherweise frühe Taten des Rippers gewesen sein könnten: Zum Beispiel wurde Ada Wilson in der Nacht vom 27. auf den 28. März 1888 von einem Unbekannten an ihrer Haustür angegriffen: Der Täter verlangte von der Gelegenheitsprostituierten Geld, und als Wilson sich weigerte, zog er ein Messer und stach es ihr in den Hals. Wegen ihrer Schreie, die die Nachbarn alarmierten, flüchtete der Täter - das rettete ihr vermutlich das Leben.
Interessant ist die Täterbeschreibung, die Ähnlichkeiten mit anderen Zeugenaussagen in der Mordserie von JTR aufweist: Etwa 30 Jahre, knapp 1,70 groß, heller Schnauzbart, dunkler Mantel und breiter Hut.

Zudem würde der Zeitraum dieser Taten auf den ersten Bekennerbrief vom 24. September 1888 passen (s.u.). Darin schreibt ein vermeintlicher Schlachter an Polizeichef Warren, er sei verantwortlich für "all die Morde in den letzten sechs Monaten" - die kanonischen Opfer einschließlich Tabram umfassten damals aber gerade einen Zeitraum von wenigen Wochen. Mit jenen früheren Überfällen wäre es tatsächlich etwa ein halbes Jahr.


24. September 1888: Der erste Bekennerbrief
Durch die Grausamkeit der Morde und die Sensationsberichterstattung der Zeitungen nahm die öffentliche Aufmerksamkeit sprunghaft zu und Hysterie breitete sich in Teilen der Bevölkerung aus.  In der Folge davon erreichten Dutzende angebliche Bekennerbriefe die Polizei und die Presse.
Der erste davon war an Polizeichef Sir Charles Warren selbst adressiert, seine Existenz wurde damals geheim gehalten. Er lautete:

"Dear Sir,
ich würde gerne aufgeben, ich befinde mich in einem Albtraum. Ich bin der Mann, der alle diese Morde in den letzten sechs Monaten begangen hat. Mein Name ist (mit der Zeichnung eines Sargs unkenntlich gemacht). Ich bin ein Schlachter und arbeite bei (mit zwei Balken unkenntlich gemacht). I have found the woman I would that is Chapman and I done what I called slautered her (?). Aber wenn jemand kommt, werde ich aufgeben. Aber ich werde nicht von selbst zur (Polizei-)Station gehen. Hochachtungsvoll (mit der Zeichnung eines Sargs unkenntlich gemacht)."
Rückseite:
"Haltet das Viertel sauber, oder ich werde ihm einen Besuch abstatten. (Zeichnung eines Messers) Dies ist das Messer, mit dem ich die Morde begangen habe. Es hat einen schmalen Griff mit einer langen Klinge, beide Seiten scharf."

Die meisten Bekennerbriefe wurden von der Polizei schon damals als geschmacklose Scherze von Trittbrettfahrern abgetan, nur wenige wurden ernst genommen. Selbst die berühmt gewordenen Briefe, in denen der Mörder sich angeblich den Namen "Jack the Ripper" gab (der "Dear Boss"-Brief und die "Saucy Jacky"-Postkarte) werden inzwischen für Fakes gehalten und sollen aus der Feder ebenjenes Sensationsreporters Thomas Bulling von der Central News Agency stammen, welche die Briefe der Polizei übergab.

Jener erste Brief aber erscheint bemerkenswert: Erstens bezeichnet sich der Autor selbst als Schlachter. Zweitens ist er nicht verhöhnend, sondern scheint der Hilferuf eines kranken Menschen zu sein, der in einer tiefen inneren Zerrissenheit gefangen ist - so wie der Zustand Jacob Levys bei der Einlieferung ins Irrenhaus von seiner Frau beschrieben wurde.
Der Satz mit Chapman ist aufgrund seiner Formulierungen und der fehlenden Satzzeichen verwirrend, aber "and I done what I called" könnte bedeuten: "und ich habe getan, was mir befohlen wurde" - was ein Hinweis auf die befehlenden Stimmen sein könnte, die ein Wahnkranker oft hört, und von denen Levys Frau sprach.
Betrachtet man sich die sargförmige Schwärzung an der Stelle, wo der Briefschreiber angeblich zum ersten Mal seinen Namen übermalt hat, so scheint darunter etwas ähnliches wie "leaffray" oder "leadfray" gestanden zu haben - und das würde von der Wortlänge sowie von den Oberlängen und  Silhouetten einiger Buchstaben passen auf unseren Metzger Jacob Levy:
l e  a  d  f r a y
l a co b  l e v y


Sonntag, 30. September 1888: Nacht des Double Event
Mord an Elizabeth Stride in der Berner Street 40/42, und etwa 45 Minuten später an Catherine Eddowes auf dem Mitre Square.

Stride übernachtete bis zu ihrem Tod im Armenasyl in der Flower and Dean Street.
Zwischen 0.35 Uhr und 0.45 Uhr sahen mehrere Zeugen (Polizist William Smith, Anwohner James Brown, Zeuge Israel Schwartz) Stride mit einem Mann in der Nähe des Berner Street Clubs. Beschrieben wird er übereinstimmend als knapp 1,70 groß, etwa 30 Jahre alt, heller Teint, Schnauzbart, dunkler Mantel und Schirmmütze. Polizist Smith bemerkte zudem ein Päckchen in seiner Hand.
Der aus Norden von der Commercial Road vorbeikommende Israel Schwartz will sogar eine Auseinandersetzung wahrgenommen haben, weswegen er schnell weitergegangen sei, sagte er später der Polizei. Der Mann habe die Frau am Tor zum Dutfields Yard zu Boden geworfen, die Frau habe kurz aufgeschrien. Als er zurückgeblickt habe, sei gerade ein anderer Mann mit einer Pfeife aus dem nahen "Nelson"-Pub gekommen und es habe eine kurze verbale Auseinandersetzung mit dem Verdächtigen gegeben, bis der Verdächtige "Lipski" gerufen habe. Da sei der andere auf Schwartz zugegangen und Schwartz sei aus Angst weggelaufen.
Gegen 1 Uhr dann wurde Strides Leiche vom Verwalter des Clubs, Louis Diemschütz, im Torweg des Dutfield Yard neben dem Club gefunden. Im Gegensatz zu den anderen Opfern wurde ihr nur die Kehle durchgeschnitten, aber offenbar wegen der Störung durch die Zeugen keine Verstümmelungen des Unterleibs mehr vorgenommen.

Als plausibelste Interpretation dieser Szene scheinen Schwartz und der Mann mit der Pfeife mitten in den Angriff des Rippers hineingeplatzt zu sein. Weil Schwartz schon auf der Flucht war, als der Pfeifenraucher auf die Straße kam, tat der Mörder offenbar so, als sei er ein unschuldiger Helfer und konnte den anderen Mann mit dem Ausruf "Lipski" davon überzeugen, dass der nach Süden flüchtende Schwartz der Angreifer gewesen sei, so dass "Pipeman" die Verfolgung von Schwartz aufnahm (leider konnte "Pipeman" nie identifiziert werden).
Lipski war ein Jude aus dem Viertel, der 1887 wegen Mordes verurteilt worden war - und sein Name war in antisemitischen Kreisen zum Schimpfwort gegen Juden im allgemeinen und zum Synonym für Mörder im speziellen geworden.
Indem der Mörder den einen Zeugen so auf den anderen hetzte, konnte er vom Tatort (vermutlich über die Gasse zur Batty Street, wo später blutige Wäsche gefunden wurde) schließlich nach Norden in die Commercial Road fliehen. Er wollte angesichts der Beinahe-Entlarvung mit ziemlicher Sicherheit zu seinem Versteck zurück - und in der Richtung, die er einschlug, liegt die Middlesex Street.
Da JTR aber sein eigentliches Ziel - die Verstümmelung - bei Stride nicht mehr umsetzen konnte, suchte er, als er sich wieder sicher fühlte, schließlich ein weiteres Opfer.

Eddowes und ihr Mann John Kelly lebten überwiegend im Armenhaus "Cooney's" in der Flower und Dean Street 55.
Gegen 1 Uhr wurde Eddowes aus der Ausnüchterungszelle der Polizeistation Bishopsgate Street entlassen und ging Richtung Süden, höchstwahrscheinlich die Houndsditch entlang zurück zur Aldgate High Street, wo sie den frühen Abend verbracht hatte.
Gegen 1.30 Uhr checkte Constable Edward Watkins auf Streife den Mitre Square, ohne etwas  Verdächtiges festzustellen.
Etwa um diese Zeit verließen Joseph Lawende, Harry Harris und Joseph Hyam Levy den Imperial Club, Duke Street, schräg gegenüber der Church Passage zum Mitre Square, und sahen einen Mann und eine Frau am Eingang der Passage in einem leisen Gespräch.
Der Zeuge Lawende beschrieb den Mann wie folgt: Etwa 30 Jahre alt, knapp 1,70 Meter groß, blasser Teint, heller Schnauzbart, durchschnittlicher Körperbau, graue Jacke, graue Stoffkappe und rötliches Halstuch, sah wie ein Seemann aus (wobei aber Seemänner selten "blassen Teint" haben).
Gegen 1.35 Uhr ging Constable James Harvey durch die Church Passage und schaute in den dunklen Mitre Square, sah jedoch nichts und kehrte auf seine Runde zurück.
Gegen 1.45 Uhr kam Constable Edward Watkins von der anderen Seite (Mitre Street) wieder durch den Hauptzugang in den Mitre Square und entdeckte beim Herumleuchten mit seiner Lampe die tote Eddowes in der dunkelsten Ecke liegen, vor dem Tor zu einem kleinen Hof (vermutlich hatte der Ripper gehofft, das Tor wäre offen).
Laut Inspector Robert Sagar von der City Police soll ein Polizist kurz zuvor gesehen haben, wie ein Mann aus der Mitre Street in östliche Richtung verschwand. Aufgrund der Sichtung dieses Mannes liefen anschließend Polizisten durch Gravel Lane und Stoney Lane, um Hinweise auf den Fluchtweg des Mörders zu finden - dieser Weg führt in die Middlesex Street und weiter in die Goulston Street. Einer davon war Detective Constable Daniel Halse, der mit zwei Kollegen gegen an der Ecke Houndsditch bei St. Botolph's Church stand und aufgrund der Alarmierung in den Mitre Square kam. Nachdem Halse Instruktionen zur Befragung der Anwohner gegeben hatte, eilte er zuerst in die Middlesex Street und, weil er dort niemanden sah, weiter in die Wentworth Street, wo er zwei Passanten überprüfte. Gegen 2.20 Uhr checkte er die Goulston Street, um nach vergeblicher Suche zum Mitre Square zurückzukehren.
Gegen 2.55 Uhr fand Constable Alfred Long auf seiner Runde ein Stück der blutigen Schürze von Eddowes im Hauseingang der Wentworth Dwellings 108-119, Goulston Street. Darüber an der Wand stand mit Kreide der Satz: "Die Juden sind die Menschen, die nicht grundlos beschuldigt werden." Long zufolge soll die Schürze auf seiner vorherigen Runde gegen 2.25 Uhr noch nicht dort gelegen haben. Ob das antisemitische Graffiti zuvor schon da gewesen war, wusste er nicht.

War Levy der Ripper, wäre er nach der unterbrochenen Tat an Stride in Richtung der Middlesex Street geflüchtet, um schnell von der Straße verschwinden zu können, dann aber mit oder ohne einen Zwischenstopp zuhause weiter Richtung Westen gezogen, wo er in der Houndsditch oder Duke Street den Weg von Eddowes kreuzte.
Die Berner Street ist rund 700 Meter oder etwa 8-9 Minuten Fußweg von Levys Adresse in der Middlesex Street 36 entfernt.
Die Strecke zwischen Berner Street und Mitre Square beträgt rund 1000 Meter oder etwa 12-15 Minuten Fußweg.
Die Strecke zwischen Mitre Square und Middlesex Street 36 beträgt rund 300 Meter oder etwa 3-4 Minuten Fußweg.
Jacob Levy hätte auch nach dem Mord an Eddowes zuhause einen Zwischenstopp einlegen können, um Blut, Messer, Gebärmutter und Niere loszuwerden und sich umzuziehen, bevor er die Schürze platzieren ging, um eine falsche Spur zu legen - oder er zog direkt weiter, weil er nicht direkt nach Hause zurückkehren konnte, z.B. weil ihm die Polizei zu dicht auf den Fersen war.
Die Strecke vom Mitre Square zur Goulston Street beträgt nur rund 500 Meter oder 6-7 Minuten. Entweder haben die Polizisten Halse und Long die Schürze gegen 2.25 Uhr übersehen, oder JTR hat sich zeitweise in einer Zuflucht versteckt, bevor er sie ablegte. Ein Umweg von rund einer dreiviertel Stunde durch die Straßen voller alarmierter Polizisten ist eher unwahrscheinlich - daher dürfte die Rückzugsmöglichkeit des Rippers in unmittelbarer Nähe gewesen sein. Die Ablage der Schürze könnte dann für ein Ablenkungsmanöver sprechen, das die Ermittler auf eine falsche Fährte locken sollte Richtung Osten, weg von der Umgebung Mitre Square und seiner Zuflucht.
Wenn Levy der Ripper war, hätte er damit aufgrund der Erkenntnis, zu nah an seinem Zuhause zugeschlagen zu haben, bewusst die Spur vom Grenzgebiet der City Police, wo er wohnte, weiter nach Osten in das Territorium der Metro Police gelenkt.
Vielleicht konnte er aber auch einfach nicht in die Middlesex Street 36 zurück, entweder weil er sich verfolgt fühlte, weil seine Frau noch wach oder gerade jemand in der Straße unterwegs war.
Die Strecke zwischen den Parallelstraßen Goulston Street und Middlesex Street beträgt weniger als 100 Meter oder etwa 1-2 Minuten Fußweg.

Daraus ergeben sich zwei interessante Möglichkeiten, wenn Levy der Ripper war:
Zur Zeit der Morde lebte laut Census von 1891 Jacobs Bruder Isaac Levy, ein Cigar Maker, in der Goulston Street 130, und die Geburt seiner Tochter 1888 ist unter derselben Adresse angegeben - dies ist nur einen Häuserblock vom Schürzenfund entfernt.
Zum zweiten bleibt noch die Alternative, dass Jacob weiter zum Cigar Shop von John Levy in die Whitechapel Road 254 flüchtete, um sich dort zu verstecken - direkt nebenan vor Nr. 253 wurde am Tag darauf von Thomas Coram ein blutiges Messer gefunden (s.u.).

Bemerkenswert ist, dass es am Tatort im Mitre Square sehr dunkel war: Die Streifenpolizisten mussten ihre Lampen verwenden, um in den Ecken überhaupt etwas erkennen zu können. JTR hatte nur etwa 10 Minuten für die Verstümmelungen, die noch umfangreicher als bei den vorherigen Opfern waren. Insbesondere die Entfernung von Gebärmutter und Niere in der Dunkelheit zeugen davon, dass der Ripper offenbar Übung darin hatte, einen Körper bei schlechtem Licht schnell mit einem Messer zu zerlegen. Auch dies deutet auf einen Metzger hin, eine Ansicht, die u.a. Dr. Frederick Gordon Brown vertrat, der Eddowes Leiche untersuchte.

Merkwürdigerweise taucht in den Berichten über die Coroner-Untersuchung zu Strides Tod der wichtige Zeuge Israel Schwartz gar nicht auf.
Und bei der Coroner-Untersuchung zu Eddowes Tod wurde dem Zeugen Joseph Lawende verboten, den Verdächtigen öffentlich genauer zu beschreiben - offenbar aus ermittlungstaktischen Gründen.
Dies deutet darauf hin, dass die Polizei glaubte, eine heiße Spur zu haben.
Zumal Lawendes Begleiter Joseph Hyam Levy bei der polizeilichen Vernehmung und gegenüber der Presse den Eindruck gemacht hatte, mehr zu wissen, als er zugeben wollte. So soll er beim Anblick von Eddowes und dem Mann zu seinen beiden Begleitern gesagt haben, wenn er solche Charaktere sehe, wolle er nicht alleine nach Hause gehen, und man solle den Hof beobachten (!).
Als er beim Verhör gefragt wurde, ob er denn Angst gehabt habe, antwortete er kryptisch: nicht wirklich um sich. Frage: "What was there terrible in their appearance?" - Antwort: "I did not say that." - Frage: "Your fear was rather about yourself?"- Antwort: "Not exactly." (!)
Joseph Hyam Levys Verhalten könnte dadurch erklärt werden, dass er den Mann erkannt hatte und decken wollte - vielleicht war es sogar sein Verwandter Jacob Levy gewesen.


1. Oktober 1888: Messer-Fund in der Whitechapel Road
In der Nacht nach dem Double Event fand Thomas Coram gegen 0.30 Uhr vor der Whitechapel Road 253 ein in ein Taschentuch eingewickeltes blutiges Messer, das er der Polizei übergab - jedoch konnten die obduzierenden Ärzte nicht bestätigen, ob dies die Waffe des Rippers war.

Interessant ist in diesem Zusammenhang aber: Wie bereits erwähnt hatte in den 1880er Jahren John Levy in der Whitechapel Road 254 einen Cigar Shop. Er war laut Census der Bruder von Fanny, Lewis und Samuel Levy von den Levys aus der Mitre Street 29, und sie waren Ripperologen zufolge wahrscheinlich Cousins des Zeugen Joseph Hyam Levy - somit war vermutlich auch Jacob Levy mit diesen Levys verwandt (s.u.).
Und Lewis Levy hatte in den 1860ern in Mitre Square 8 gewohnt - dahinter fand man vor dem verschlossenen Hinterhoftor die Leiche von Catherine Eddowes (!).

War Jacob Levy der Ripper, kannte er sicher den Hinterhof im Mitre Square und könnte gehofft haben, er wäre offen. Nach dem Double Event hätte er, weil er sich nicht zuhause verstecken wollte oder konnte, zuerst in Richtung seines Bruders in der Goulston Street und dann weiter zum Shop von John Levy in die Whitechapel Road 254 flüchten können, um sich dort relativ weit von den Tatorten weg zu verstecken, und könnte das blutige Messer davor weggeworfen haben.


Polizei-Razzia bei Metzgern im Oktober:
Die Polizei führte in den folgenden Wochen (3.-18. Oktober) in der Umgebung des Mitre Square Haus-zu-Haus-Befragungen durch. Der stellvertretende Polizeipräsident Robert Anderson schrieb, dass man alle Männer des Viertels überprüft habe, die den Zeugenaussagen entsprachen und sich blutbefleckter Kleidung entledigen konnten.
Die Polizei durchsuchte auch 76 Metzgereien und Schlachtereien im Viertel und überprüfte alle Personen, die in den letzten sechs Monaten dort beschäftigt waren, verschiedene Verdächtige wurden unter Beobachtung gestellt.

Interessanterweise folgte nach dem Double Event die längste Pause zwischen den Ripper-Morden von fast sechs Wochen. Ursache dafür könnte der Ermittlungsdruck durch die Behörden gewesen sein, was für die Annahme spricht, dass die Polizei mit der Untersuchung des Metzger-Milieus rund um Aldgate High Street dem Ripper näher kam, so dass er vorerst pausieren musste, bis die polizeilichen Aktivitäten in seinem Umfeld wieder zurückgingen.
 

Freitag, 9. November 1888: Mord an Mary Jane Kelly im Miller's Court
Kelly verließ in ihrer letzten Nacht mehrmals ihr Zimmer im Miller's Court, Dorset Street 26, und kehrte mit verschiedenen Freiern wieder dorthin zurück, nachdem sie den frühen Abend mit ihrem Exfreund Joseph Barnett verbracht hatte.
Gegen 23.45 Uhr sah ihre Nachbarin Mary Ann Cox, wie Kelly mit einem Kunden auf ihr Zimmer ging. Zwischen 0.30 Uhr und 1 Uhr hörten Cox und Nachbarin Catherine Picket sie singen.
Ihre Nachbarin Elisabeth Prater kehrte gegen ein Uhr zurück, wartete erst 20 Minuten vor dem Eingang zum Court auf einen Mann und ging, als er nicht kam, noch für zehn Minuten in McCarthys Laden nebenan. Gegen 1.30 Uhr stieg sie die Treppen zu ihrem Zimmer direkt über Kellys hinauf, ohne dort Licht zu sehen oder etwas zu hören, und ging zu Bett.
Der Zeuge George Hutchinson, ein Bewohner des Victoria Home in der Commercial Street, ging am 12. November zur Polizei und sagte aus, dass er seine Bekannte Mary Jane Kelly am 9. November gegen 2 Uhr in der Commercial Street getroffen habe.
Kurz darauf sei sie mit einem Kunden an ihm vorbei zurück auf ihr Zimmer gegangen. Weil der Mann sein Gesicht vor ihm habe verbergen wollen, sei er beiden gefolgt und habe rund eine dreiviertel Stunde den Hof beobachtet, jedoch ohne etwas Verdächtiges wahrzunehmen. Gegen 3 Uhr sei er schließlich gegangen.
Hutchinson beschrieb den Mann als etwa Mitte 30, knapp 1,70 Meter groß, blasser Teint, dunkle Augen und Haare, dünner gezwirbelter Schnurrbart, jüdisches Erscheinungsbild, mürrisches Aussehen, dunkler Mantel, dunkler Hut, kleines Päckchen in seiner Hand.
Sarah Lewis, die gegen 2.30 Uhr zu ihrer Bekannten Mrs. Keyler im Miller's Court ging, um dort zu übernachten, sah gegenüber dem Hofeingang einen Mann stehen - dabei handelte es sich vermutlich um Hutchinson.
Zwischen 3.15 Uhr und 3.45 Uhr hörten sowohl Lewis wie auch Elizabeth Prater einen leisen, unterdrückten Schrei vom Hof her: "Mord!"
Gegen 6 Uhr hörte Nachbarin Marie Ann Cox Schritte im Hof.
Gegen 7.30 Uhr klopfte Nachbarin Catherine Picket an Kellys Tür, um sich einen Schal zu leihen, aber nichts regte sich.
Gegen 10.45 Uhr schließlich wurde Kellys Leiche von Hausverwalter Thomas Bowyer entdeckt, der die Miete eintreiben sollte.

Theoretisch könnte Hutchinson der Täter gewesen sein, der nach dem Verschwinden des Kunden gegen 3 Uhr selbst zu Kelly ging - nur: warum hätte er dann bei der Polizei auftauchen und sich mit dem Geständnis seines "Stalkings" verdächtig machen sollen? Inspektor Abberline hielt ihn für glaubwürdig.
Plausibel wäre aber, dass der von Hutchinson beschriebene Kunde nach 3 Uhr ging - und dass erst der nächste Besucher Kellys der Ripper war. Dann wäre Hutchinsons Beschreibung unbrauchbar.
Bemerkenswert ist jedoch, dass Hutchinson aussagte, er glaube denselben Mann später noch einmal gesehen zu haben, und zwar am 11. November in der Petticoat Lane / Middlesex Street - wo Levy wohnte und es den Straßenmarkt mit günstiger Second-Hand-Kleidung gab.
Wenn JTR die Person war, die von Cox gegen 6 Uhr im Hof bemerkt wurde, muss er beim Verlassen des Tatorts unter Zeitdruck gestanden haben, weil es langsam hell wurde.
Falls Levy der Ripper war: Der Tatort in der Dorset Street 26 ist rund 500 Meter oder nur etwa 5-6 Minuten Fußweg von der Middlesex Street 36 entfernt.

Ein merkwürdiger Vorfall ereignete sich etwa eine Stunde nach der Entdeckung von Kellys Leiche:
London Times, 10. November 1888:
"A Mrs Paumier, a young woman who sells roasted chestnuts at the corner of Widegate-street, a narrow thoroughfare about two minutes' walk from the scene of the murder, told a reporter yesterday afternoon a story which appears to afford a clue to the murderer. She said that about 12 o'clock that morning a man dressed like a gentleman came up to her and said, "I suppose you have heard about the murder in Dorset-street?" She replied that she had, whereupon the man grinned and said, "I know more about it than you." He then stared into her face and went down Sandy's-row, another narrow thoroughfare which cuts across Widegate-street. Whence he had got some way off, however, he vanished. Mrs Paumier said the man had a black moustache, was about 5ft 6in, high, and wore a black silk hat, a black coat, and speckled trousers. He also carried a black shiny bag about a foot in depth and a foot and a half in length."

Falls JTR so wie manch anderer Serienmörder das Bedürfnis hatte, zu den Tatorten zurückzukehren oder gar bei der Entdeckung der Morde unter den Schaulustigen zu stehen, um sich einen zusätzlichen Kick zu holen: Die Beschreibung des Mannes von Mrs. Paumier als knapp 1,70 m groß mit Schnurrbart passt zu anderen Zeugenaussagen.
Und - interessant für die Jacob-Levy-These - der Verdächtige ging nach seiner Provokation die Sandy's Row hinab, die in die Middlesex Street mündet.

Merkwürdig war nach den Coroner-Untersuchungen zum Double-Event auch die Anhörung im Fall Kelly: Sie wurde im Distrikt Shoreditch vom dort zuständigen Richter vorgenommen und nicht in Whitechapel, mit der seltsamen Begründung, zuständig sei der Ort der Aufbahrung, nicht der Tatort. Sie wurde bereits am 12. November eröffnet, mit sich nicht zuständig fühlenden Geschworenen, in hohem Tempo durchgepeitscht und schon am selben Tag wieder abgeschlossen. Richter Roderick Macdonald sagte: "Wenn die Geschworenen allein zu der Todesursache zu einem Ergebnis kommen, so ist das alles, was sie zu tun haben."
Zeugen oder Beweismittel zur Strafverfolgung sollten nicht weiter öffentlich thematisiert werden - wahrscheinlich aus ermittlungstaktischen Gründen, weil man einen Tatverdächtigen nicht warnen wollte, während er unter Beobachtung stand, um ihn auf frischer Tat stellen zu können.
In H. L. Adam's Serie "The People on Scotland Yard and its Secrets" von 1912 zitiert der Autor  Assistant Commissioner Anderson: "Sir Robert Anderson has assured the writer that the assassin was well known to the police, but unfortunately, in the absence of sufficient legal evidence to justify an arrest, they were unable to take him. It was a case of moral versus legal proof. The only chance the police had, apparently, was to take the miscreant red-handed…"


"Butcher's Row Suspect"
Nach diesem Mord begann die City Police damit, mehrere Monate lang einen Tatverdächtigen bei der Butcher's Row zu observieren.
In einem Zeitungsinterview (City Press, 7. January 1905) sagte Robert Sagar von der City Police, dass man nach dem Kelly-Mord einen Mann unter Beobachtung gestellt habe, der in der Butcher's Row arbeite und von dem man annehme, dass er der Ripper sei, und dass dieser Mann letztendlich von seinen Leuten in ein Irrenhaus eingeliefert worden sei.

Butcher's Row war kein offizieller Straßenname, so wurde wegen der vielen Metzger und der dahinter liegenden Schlachterei jener Abschnitt der High Aldgate Street genannt, der an der Einmündung der Middlesex Street liegt, wo Jakob Levy wohnte (sie stellt die Grenze zwischen City of London und Whitechapel sowie zwischen den beiden Polizei-Distrikten dar).
Auch Detective Inspector Henry Cox (City Police) wurde ein Jahr später in einem Zeitungsartikel (Thomson’s Weekly News, 1. December 1906) zu den Observationen zitiert, ohne jedoch den genauen Ort zu nennen. Cox: "The man we suspected was about five feet six inches in height, with short, black, curly hair, and he had a habit of taking late walks abroad. He occupied several shops in the East End, but from time to time he became insane, and was forced to spend a portion of his time in an asylum in Surrey. (...) While the Whitechapel murders were being perpetrated his place of business was in a certain street, and after the last murder I was on duty in this street for nearly three months." (beim Hinweis auf Surrey könnte eine Verwechslung mit dem Verdächtigen Ostrog aus Macnaghtens Memorandum vorliegen).
Cox erzählte auch, er habe den Verdächtigen nachts auf einem Streifzug verfolgt: Nachdem dieser sein Haus verlassen habe, sei er die Leman Street in Richtung St. Georges in the East hinab gegangen - die Straße verläuft nur etwa 100 Meter östlich von der Einmündung der Middlesex Street und der Goulston Street in die Aldgate High Street nach Süden (!).
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, was Detective Inspector Cox zur Überwachung des Tatverdächtigen sagte. Zur Verschleierung der Observation, die der jüdischen Gemeinde nicht verborgen blieb, behaupteten die Polizisten, die Schneider auf Beschäftigung von Minderjährigen zu überwachen: "We told them we were factory inspectors looking for tailors and capmakers who employed boys and girls under age." Dies könnte sich auf den Petticoat Lane Street Market mit seiner Bekleidungsindustrie oder den "Khazar Mark" in der Parallelstraße Goulston Street beziehen, wo Schneidermeister Arbeitskräfte rekrutierten.

Die Maßnahmen der City Police deuten darauf hin, dass die Indizien sie in dem Verdacht bekräftigten, es bei JTR mit einem einheimischen Metzger in der Umgebung von Aldgate High Street, Middlesex Street oder Goulston Street zu tun zu haben. Vielleicht war es sogar Jacob Levy, der beobachtet wurde - doch leider sind weder die genaue Adresse noch der Zeitraum der Observationen bekannt.
Allerdings schrieb das Aberdeen Weekly Journal bereits am 16. November 1888: "The Central News is enabled to state that several houses at which the murderer is believed to call on occasionally are under the closest police surveillance."

Wenn Jacob Levy der Ripper war, könnte sich dies neben seiner Schwester Elizabeth, Middlesex Street 87, und seinem Bruder in der Goulston Street auch auf die anderen Metzger der Butcher's Row beziehen. Denn sowohl Jacob Levy als auch der Zeuge und mutmaßliche Verwandte Joseph Hyam Levy sollen Geschäftsverbindungen in der Butcher's Row gehabt haben. Vermutlich kauften sie auch in der dortigen Schlachterei ein. Levy könnte sogar wegen seines ruinierten eigenen Geschäfts zeitweise dort oder in einem anderen Shop gearbeitet haben.


Nähe von mutmaßlichen Verwandten zu den Tatorten
Detective Inspector Henry Cox von der City Police schrieb über den observierten Verdächtigen: "He occupied several shops in the East End."

Jacobs Schwester Elizabeth und ihr Ehemann Isaac Barnett, ein Milchmann, hatten ihren Shop in der Middlesex Street 87. Ein Butcher namens Moses Levy hatte seine Metzgerei in Middlesex Street 134 - möglicherweise war dies Jacobs Bruder Moss.
Und Jacobs Bruder Isaac Levy lebte in der Goulston Street 130 - nur einen Gebäudekomplex entfernt von dem Hauseingang, in dem das blutige Teil von Eddowes Schürze gefunden wurde.
 
Zusätzlich den möglichen Verbindungen Levys mit anderen Metzgern in der Butcher's Row gab es in JTRs Comfort Zone auch noch die Shops der Levy-Familie aus der Mitre Street, mit denen Jacob und Joseph Hyam Levy laut Casebook verwandt gewesen sein sollen:
Die Kinder der Zigarren- und Orangenhändler Ann und Barnett Levy aus der Mitre Street 29 ("Orange Market" am Mitre Square) John, Samuel, Lewis und Fanny hatten Adressen in der Nähe von JTRs Aktivitäten - sie waren höchstwahrscheinlich Cousins des Zeugen Joseph Hyam Levy, dessen Vater vor Jacob die Metzgerei in der Middlesex Street 36 gehabt hatte - somit war vermutlich auch Jacob Levy mit diesen Levys verwandt.
Der Orangenhändler Samuel Levy lebte erst in Mitre Street 17 und 23 und zog danach neben Joseph Hyam Levys Vater, Hyam Levy, in die Middlesex Street 39. 1888 kehrte Samuel dann als Orangenverkäufer wieder in die Mitre Street 20 zurück. Seine Schwester Fanny lebte weiter in der Mitre Street 29 (beim Tatort Mitre Square). Und der Zigarrenhändler John Levy hatte in den 1880ern einen Cigar Shop in der Whitechapel Road 254 - nahe den Tatorten Buck's Row und Berner Street sowie unmittelbar neben dem Messer-Fund von Thomas Coram nach dem Double Event vor Whitechapel Road Nr. 253.
Und Lewis Levy hatte in den 1860ern in Mitre Square 8 gewohnt - dahinter fand man vor dem
verschlossenen Hinterhoftor die Leiche von Catherine Eddowes (!).

Fazit: Waren die Levys von Mitre Street tatsächlich mit Jacob Levy verwandt, so rückt der verrückt gewordene Metzger durch die Adressen seiner Verwandten in die unmittelbare Nähe zu mehreren Tatorten und den Funden von Schürze und Messer.
War Jacob Levy der Ripper, kannte er sich dort besonders gut aus, hätte für seine Anwesenheit in den Straßen eine plausible Erklärung gehabt und Möglichkeiten, nach den Taten schnell aus der Öffentlichkeit verschwinden zu können, indem er bei ihnen Unterschlupf suchte. 


(...)
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 29.10.2016 18:06 Uhr
Fortsetzung:


Mittwoch, 17. Juli 1889: Mord an Alice McKenzie in der Castle Alley
Police Constable Walter Andrews entdeckte gegen 0.50 Uhr in der Castle Alley den leblosen Körper von Alice McKenzie, etwa eine halbe Stunde, nachdem er das letzte Mal auf seiner Runde dort gewesen war. Zeugen der Tat gab es keine. Ihre linke Halsschlagader war durchtrennt, ihr Rock war hochgeschoben und der Unterleib mit einem Messer traktiert worden, allerdings waren die Verletzungen eher oberflächlich.

Die Polizisten und die Ärzte waren uneinig darüber, ob es sich um ein weiteres Ripper-Opfer handelte. Einiges passte ins Schema: McKenzie übernachtete in einem Armenhaus, war rund 40 Jahre alt, Prostituierte - und wurde im Zentrum von JTRs Morden getötet. Allerdings wurde ein anderes Messer benutzt, und zudem wurde sie nicht gewürgt, es gab auch keinen vollständigen Kehlenschnitt, die Wunden waren nicht so tief und der Unterleib war nicht ausgeweidet.
Der Täter hätte wahrscheinlich durchaus genug Zeit für weiterreichende Verstümmelungen gehabt, denn er war wohl diesmal nicht gestört worden. Indiz dafür: Obwohl es kurz geregnet hatte, war der Gehweg unter McKenzies Körper trocken, was bedeutet, dass sie wohl schon vor dem Schauer getötet wurde und somit einige Zeit unentdeckt dagelegen hatte. Möglicherweise war es ein Nachahmungstäter, der dem Ripper diesen Mord in die Schuhe schieben wollte.

Falls es doch JTR war, deutet alles darauf hin, dass er nicht mehr auf der Höhe seiner physischen und/oder psychischen Kräfte war - Folgen der fortschreitenden Syphilis?
Auch der große zeitliche Abstand zu den übrigen Taten fällt auf: JTR hatte eine sehr kurze Abkühlphase, so dass längere Pausen wohl nur durch widrige Umstände wie Krankheit, Einweisung oder Ermittlungsdruck der Polizei zu erklären sind.
Falls Jacob Levy der Täter war: Der Tatort ist nur 100-200 Meter oder 1-2 Minuten Gehweg von Butcher's Row und Middlesex Street entfernt.


"The crazy jewish Butcher"
Spätestens nach diesem Mord machte die Ripper-Theorie vom "verrückten jüdischen Metzger" die Runde, die von verschiedenen Presseorganen aufgegriffen wurde.

London Evening News And Post, 13. September 1889:
"The second man is now being watched. He is a resident of the East End, and has been for years. For a long time he has been acting in the most suspicious fashion. He has a business, to which he scarcely ever personally attends. He goes about drinking, and is to be met at all hours of the night in the streets all over the neighborhood. He enters his house at hours when his wife and family have long been at rest. No member of his family dare question him as to his ramblings. He knocks about among the lowest class of women at unearthly hours, although, according to general report, their very appearance is hateful in his sight. His hatred has been produced by physical suffering, for which, like most men of his class, he holds himself perfectly irresponsible. His habits are such as to give one the notion that he is not altogether in a fit position to be allowed to roam at will. Whether he has anything to do with any crime, it is, of course, impossible to say, but he is kept in view."

Offensichtlich war der Observierte ein im East End lebender Metzger, der sein Geschäft vernachlässigte, so wie auch Jacob Levys Frau beklagte. Er fing an zu trinken und streifte nachts umher, so wie Levys Frau gesagt hat. Er trieb sich bei Prostituierten herum, obwohl er sie hasste.
"His hatred has been produced by physical suffering, for which, like most men of his class, he holds himself perfectly irresponsible." - Und sein Hass kam von einer Syphilis-Infektion, wofür er die Schuld nicht bei sich, sondern bei anderen suchte.

Rochester Democrat And Chronicle, 16. September 1889:
"The London Police has a theory that Jack the Ripper is a crazy jewish butcher."

North Eastern Daily Gazette, 18. September 1889:
"A Detective's Views: We are watching now three men, besides the usual night-birds of Whitechapel. One man created some stir during the last murders under circumstances which I need not say anything about. He is a curious sort of fellow; in business, but not doing much to keep it going. His wife and daughter see to it, and he is out at all hours of the night. He says he is a member of the vigilance committee, but I can't answer as to that. No, I won't tell you his name, even if you do want to find out if he is a member or not. This man is out at all hours of the night, and he lets himself in some quietly that his wife does not know what time he really arrives home. She generally finds him in the shop when she comes down the morning. He is being watched, but we can't arrest him only on the suspicious we have. We must wait further developments."

Der Observierte vernachlässigte sein Geschäft, streifte nachts umher, und seine Frau wusste nicht, wann er zurückkam - das passt zu den Aussagen von Jacob Levys Frau bei seiner Einweisung.
"She generally finds him in the shop when she comes down the morning." - Die Erklärung dafür, warum seine Frau nichts bemerkt haben könnte: Sie schlief in der Wohnung, er im Shop. Auch das passt: Wenn JTR tatsächlich Familie hatte, dann muss er wohl woanders genächtigt haben als seine Frau, vermutlich wegen ehelicher Differenzen.
Seine Frau und Tochter kümmerten sich um das Geschäft - zwar war Levys Tochter Hannah 1889 erst vier Jahre alt, aber dafür wohnte laut Census von 1891 Sarahs jüngere Schwester Flora Abrahams mit im Haus, die vielleicht irrtümlicherweise als Tochter im Artikel auftaucht.

Sunday Chronicle, October 15, 1905:
"We found our man. He was engaged in a large way of business in the city of London, was married, had a family, and was generally respected. For some time he had been known as eccentric, and various escapades had caused his friends a good deal of anxiety. Frequently, as we learned later, he stayed out all night about the time when these outrages were committed. His description agreed with that of a man seen in Dorset-street, Whitechapel, on the night when Mary Jane Kelly was cut to pieces, and at that time he was very near to actual arrest by a policeman."

Der Observierte war in einer großen Geschäftsstraße tätig, und zwar in der City of London, nicht in Whitechapel (!). Dies klingt nach dem Butcher's Row Suspect, denn die Butcher's Row (und auch die einmündende Middlesex Street) gehörten bereits zur City of London. Er war verheiratet und hatte Familie, wie Jacob Levy. Er wurde seltsam und seine Eskapaden bereiteten seinen Freunden Sorge - auch das erinnert an den Verfall Levys mit Diebstahl, psychischer Erkrankung, Geschäftsvernachlässigung und schließlich dem nächtlichem Umherstreifen.



Das Ende


15. August 1890: Einlieferung ins Irrenhaus
Jacob Levy wird als geisteskrank in die Nervenheilanstalt City of London Asylum at Stone in Kent eingeliefert.
In der Krankenakte wird als Einweisungsgrund "Manie" eingetragen, an der er schon seit längerem leide. Er soll bei seiner Einlieferung noch in guter körperlicher Verfassung gewesen sein, seine Größe wird mit knapp 1,70 Meter und sein Gewicht mit 60 Kilo angegeben.
Seine Frau soll den Anstaltsakten zufolge nach der Einweisung gesagt haben, Levy habe beinahe ihr Geschäft ruiniert, früher sei er ein sehr guter Geschäftsmann gewesen. Aber er schlafe nun nachts nicht mehr, sondern wandere oft für Stunden ziellos umher. Auch befürchte er, jemandem etwas anzutun. Er höre Geräusche und Stimmen, die ihm befehlen und ihn zwingen Taten zu begehen, die er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne.
Merwürdigerweise soll Levy gesagt haben, dass schon sein Bruder Abraham Selbstmord begangen habe, indem er sich selbst die Kehle durchgeschnitten (!) habe. In den Akten steht: "Whether any near relative has been afflicted with insanity: Yes. Elder brother cut his throat." - Dabei hat er sich laut Casebook erhängt: Im Mai 1875 nahm sich Jacobs Bruder Abraham das Leben, weil er angeblich bei Pferderennen enorme Summen verloren hatte. Einem Zeitungsbericht nach fand Jacob selbst den erhängten Leichnam seines zwei Jahre älteren Bruders.
In den Akten heißt es über Jacob:
"Known patient several years: formerly shrewd business man, now quite incapable of carrying on the same, giving wrong change & money back for things bought. Says he feels a something within him impelling him to take everything he sees. Feels that if he is not restrained he will do some violence to some one. Complains of hearing strange noises.
Wife (Sarah Levy, 36 Middlesex St.) deposes that he has nearly ruined her business being quite incapable of taking care of money. Makes away with every penny he can put his hand on, orders goods indiscriminately & is continually taking other peoples goods carrying them off.
Wanders away from home for hours with out any purpose. Does not sleep at night raves and is continually fancying someone is going to do him bodily harm. (...) Has delusions as to his own importance, such as - it being in his power to give great grants of land & money."

Dass Levy sein Geschäft vernachlässigte, nachts umherstreifte und zugab, von inneren Stimmen zu Gewalttaten getrieben zu werden, ist ein gutes Indiz für eine mögliche Täterschaft. Ebenso die Größenwahnphantasien über seine eigene Bedeutung. 
Hinzu kommt die seltsame Aussage zum Tod seines Bruders: Hat Levy vielleicht in seiner psychischen Zerrüttung hier seine Vorliebe fürs Kehlenschlitzen verraten?
Dass er auch 1890 noch in guter körperlicher Verfassung war, legt jedenfalls nahe, dass er trotz seiner Erkrankung physisch zu den Morden fähig gewesen wäre.

In ihren Memoiren nannten die hochrangigen Polizeibeamten Macnaghten und Anderson beide als einen der Hauptverdächtigen im Ripper-Fall einen Juden, der in nächster Nähe zu den Opfern lebte und nach den Morden in eine Irrenanstalt eingewiesen wurde. Auch Major Arthur G.F. Griffiths schrieb in seiner Reihe "Mysteries of Police and Crime" 1898 von "a Polish Jew, a known lunatic who was at large in the district of Whitechapel at the time of the murders and who (...) was confined to an asylum" (das "polish" könnte eine Verwechslung mit Kosminski sein)
Chief Inspektor Swanson schrieb persönliche Anmerkungen in sein Exemplar von Andersons Memoiren, die den grundsätzlichen Sachverhalt bestätigten. Allerdings fügte er noch hinzu, dass der Verdächtige in einem "Seaside Home" von einem Zeugen erkannt worden sei und es ihm auch bewusst gewesen sei, dass die Polizei ihn identifiziert habe. Danach habe man ihn vorübergehend zu seinen Verwandten zurückgebracht, wo die Polizei ihn Tag und Nacht beobachtet habe, bevor er dann endgültig in eine Irrenanstalt gebracht worden sei, wo er schon bald verstorben sei.
Dies würde erklären, warum die Morde aufhörten.

Damit würde der von Ripperologen in den Akten von Colney Hatch gefundene gewalttätige Irre David Cohen als Verdächtiger ausfallen, denn nach bisherigen Erkenntnissen hatte er keine Verwandten. Eine weitere Diskrepanz: Die Zeugen beschrieben alle einen Mann mittleren Alters - David Cohen war damals aber erst 23 Jahre alt. Zudem wurde er bereits am 7. Dezember 1888 per Gerichtsbeschluss erst ins Whitechapel-Arbeiterkrankenhaus eingewiesen, und dann wegen seiner Unkontrollierbarkeit am 21. Dezember direkt weiter ins Irrenhaus Colney Hatch, wo er am 20. Oktober 1889 verstorben sein soll - die erste offiziell "Seaside Home" genannte Einrichtung wurde aber erst 1890 eröffnet.
(Allerdings vermuten einige Ripperologen, dass "David Cohen" auch ein Alias wie "John Doe" gewesen sein könnte, da es noch andere Namens-Unklarheiten in dem Fall gibt.)

Jabob Levys Einlieferungsdatum in die öffentliche Anstalt passt jedenfalls zum Zeitpunkt der angeblichen Identifikation von JTR in einem "Seaside Home" (s.u.), welche von Ripperologen auf Sommer 1890 angesetzt wird, da das Convalescent Police Seaside Home in Hove (bei Brighton) in diesem Jahr eröffnet wurde und in seinen Akten zwei Besucher ohne Namensnennung auftauchen.
Zwar wurde von Chief Inspektor Swanson als öffentliche Anstalt Colney Hatch ins Spiel gebracht, aber dies bezog er explizit auf Kosminski. Laut Researcher Steward Hicks soll Lady Anderson, die Ehefrau von Assistant Commissioner Robert Anderson, hingegen gesagt haben, der Ripper sei in einer Anstalt bei Stone gewesen.

Da Levy schon "seit längerem" an seiner Krankheit gelitten hatte, könnte er zuvor bereits in familiärer Betreuung und/oder einer privaten Einrichtung gewesen sein - so wie dies später von hochrangigen Polizisten über den Ripper-Verdächtigen erzählt wurde.
Die Polizei soll jedenfalls schon Ende 1888 alle privaten Sanatorien überprüft haben:
The Bristol Mercury, 29. Dezember 1888: "The Dublin Express London correspondent on Thursday gave as the latest police theory concerning the Whitechapel murderer, that he has fallen under the strong suspicion of his near relatives, who to avert a terribly family disgrace, may have placed him out of harm's way in safe keeping. As showing that there is a certain amount of credence attached to this story, detectives have recently visited all the registered private lunatic asylums, and made full inquiries as to the inmates recently admitted."

War Jacob Levy der Ripper, würde dies den Zeitraum von eineinhalb Jahren zwischen dem Kelly- Mord und seiner offiziellen Einweisung im August 1890 erklären.
Über Levy ist leider nur bekannt, dass er in Stone eingeliefert wurde, es gibt bisher keine Hinweise auf vorübergehende Unterbringungen woanders. Jedoch wäre es plausibel, dass sich zunächst seine Angehörigen um ihn kümmerten, bis sich sein Zustand so weit verschlechterte, dass er für sie nicht mehr zu bewältigen war, worauf sie ihn unter falschem Namen in ein privates Sanatorium steckten, bevor er von der Polizei entdeckt und identifiziert wurde.


Freitag, 13. Februar 1891: Mord an Frances Coles in Swallow Gardens
Coles traf gegen 1.45 Uhr in der Commercial Street auf ihre Bekannte, die Prostituierte Ellen Callagher. Sie liefen gemeinsam Richtung Minories und begegneten einen "brutalen Mann mit einer Baskenmütze", an den Callagher sich als einen früheren Kunden erinnerte. Sie will Coles gewarnt haben, dass der Mann ihr vor einiger Zeit ein blaues Auge geschlagen habe, und sie solle sich nicht mit ihm abgeben. Coles befolgte den Rat ihrer Freundin allerdings nicht und unterbreitete dem Mann ein Angebot, worauf die beiden ohne Callagher in Richtung Minories gingen.
Carmen Friday und die Brüder Knapton gingen kurz nach 2 Uhr morgens durch die Eisenbahn-Unterführung Swallow Gardens. Sie sahen eine Frau und einen Mann, die an der Ecke der Royal Mint Street standen. Gegen 2.15 Uhr dann entdeckte Police Constable Ernest Thompson auf seiner Runde unter der Eisenbahnbrücke die Prostituierte Frances Coles mit durchschnittener Kehle.
Die Justiz klagte später Coles gewalttätigen Freund Thomas Sadler an, der jedoch freigesprochen wurde, weil er ein Alibi hatte.
Verdächtigungen wie im Automn of Terror mit den Gerüchten um "Lether Apron" verbreiteten sich unter den Bewohnern des Eastends, laut Mundpropaganda sollte ein gewisser jüdischer Metzger namens "Jacobs" (!) der Mörder gewesen sein.
Benjamin Leeson schrieb in "Lost London: The Memoirs of an East End Detective" (1934):
"... a story circulated that the Ripper was a butcher, who wore blue overalls and a leather apron, and an English Jew named Jacobs, a perfectly harmless man, somehow attracted suspicion to himself. Possibly because, working in a slaughter house, he always wore a leather apron. People would point Jacobs out in the street as a suspected man, and more than once he had to run for it. I myself was often obliged to take him to the police station for protection. The thing so preyed on the poor fellow's mind that it finally caused him to lose his reason." 

Coles war zwar auch eine Prostituierte, der die Kehle aufgeschlitzt wurde, allerdings wurde sie nicht zuvor gewürgt, sondern einfach zu Boden gerissen, das Messer soll ebenfalls ein anderes gewesen sein - der obduzierende Dr. Phillips hielt jedenfalls JTR nicht für den Täter.
Interessant ist allerdings, dass in gewissen Teilen der Bevölkerung Gerüchte über einen Metzger namens "Jacobs" die Runde machten, was doch sehr nach "Jacob" klingt.
Könnte vielleicht in bestimmten Kreisen schon länger der Verdacht bestanden haben, dass der Metzger Jacob Levy möglicherweise der Ripper war? War hier etwas durchgesickert und kursierte nun unter Leuten, die nicht wußten, dass der echte Verdächtige bereits in einer Anstalt war?


29. Juli 1891: Jacob Levys Tod
Levy stirbt an den Folgen der Syphilis in der Nervenheilanstalt Stone in Kent.
In den Akten steht als Todesursache: "General paralysis of the insane brought on by the serious sexually transmitted disease syphilis".

Macnaghten und Swanson bezeichneten den Verdächtigen in der Anstalt in ihren Aufzeichnungen zwar als "Kosminski", jedoch enthalten die Erinnerungen der Polizisten nachgewiesenermaßen einige Ungenauigkeiten, so dass sie sich mit dem Namen geirrt haben könnten, denn der in medizinischen Akten gefundene Aaron Kosminski war damals erst 23 Jahre alt und starb erst 1919 in der Anstalt, nicht schon bald nach der Einweisung, so wie Swanson glaubte.
Zudem schrieb Robert Sagar von der City-Police von einem Metzger, der observiert worden war, und Kosminski soll Haarschneider gewesen sein.
Vermutlich wurden einfach die Namen von ein paar verdächtigen Anstaltsinsassen durcheinander geworfen. Der nie an den Ermittlungen beteiligte Mcnaghten schrieb sein internes Memorandum 1894 und veröffentlichte seine Memoiren "Days of My Years" erst 1914 - Jahre nach den Ripper-Morden. Robert Anderson veröffentlichte seine Memoiren "The Lighter Side of My Official Life", in die Swanson seine privaten Anmerkungen machte, erst 1910.

Interessanterweise hatte Jacob Levys unmittelbarer Nachbar, der Butcher Hyman Sampson (den Jacob 1886 bestohlen hatte), seit 1881 einen angestellten Metzger namens Aaron Krotoski. Der heiratete Sampsons Tochter und betrieb schließlich nach Sampsons Tod 1887 den Butcher Shop zuerst mit Sampsons Witwe Elizabeth weiter, bevor er ihn irgendwann nach 1888 ganz von der Schwiegermutter übernahm. Als Sarah Levy schließlich ihren Butcher Shop aufgab, war Aaron Krotoskis Metzgerei die einzige an der Ecke Stoney Lane.
Aaron Krotoski - Aaron Kosminski: zwei für Engländer ungewöhnliche Namen, die ähnlich klingen, könnte da etwas in den Erinnerungen unserer Polizisten durcheinander geraten sein? Zwei jüdische Verdächtige, die kurz nacheinander im Irrenhaus landeten, der eine war ein Butcher, dem ein Aaron Krotoski nachfolgte, der andere hieß Aaron Kosminski.

Macnaghten schrieb sein Memorandum 1894 und war an den Ermittlungen im Ripper-Fall nicht beteiligt, er hatte seine Informationen also von seinen Kollegen, wahrscheinlich von Swanson, und der wiederum hatte sie vermutlich von den Kollegen der City Police, denn die Butcher's Row Observationen hatte ja die City Police betrieben.
Da die Polizei nach dem Double Event die Metzgereien und Schlachtereien im Viertel überprüft hatte und alle Personen, die in den letzten sechs Monaten dort beschäftigt waren, stand Aaron Krotoski mit Sicherheit auch auf ihren Listen.
Den Shop der Levys gab es nicht mehr, dort oben an der Ecke Stoney Lane war jetzt nur noch der Laden eines Aaron Krotoski. Könnte es bei Swanson und Macnaghten daher vielleicht zu einer Verwechslung bzw. Vermischung von Kosminski mit Levy gekommen sein?
Immerhin glaubte Swanson ja auch, der Verdächtige sei nicht lange nach seiner Einweisung verstorben, aber Kosminski lebte noch bis 1919, während Levy schon 1891 in der Anstalt starb. Dies deutet darauf hin, dass zwei Verdächtige verwechselt wurden. 

Eine weitere plausible Erklärung der Namens-Irritationen könnte im Verhalten der Verwandten des mutmaßlichen Mörders liegen: Wenn er von den Angehörigen zuerst in eine private Anstalt gesteckt wurde, als sie seinem Irrsinn und seiner Gefährlichkeit nicht mehr Herr wurden, wäre es gut nachvollziehbar, dass sie ihn unter einer falschen Identität irgendwo eingewiesen hatten, um ihn und die Familie zu schützen.
Das wäre dann so lange gut gegangen, bis es zur Überprüfung aller neuen Anstalts-Einlieferungen durch die Polizei und der erwähnten Gegenüberstellung mit Identifizierung im "Seaside Home" gekommen war. Die spätere endgültige Einweisung in ein staatliches Institut wäre dann zwar unter dem richtigen Namen erfolgt, aber die Namensverwirrung könnte immer noch in Polizeikreisen und -Berichten präsent gewesen sein und so zu den Irrtümern geführt haben.

Robert Anderson jedenfalls schrieb in seinen Memoiren: "Die einzige Person, die jemals einen guten Blick auf den Mörder werfen konnte, identifizierte ihn, aber als er erfuhr, dass der Tatverdächtige ein Glaubensbruder war, weigerte er sich, gegen ihn auszusagen."
Swanson bestätigte in seinen privaten Anmerkungen diesen Aspekt.
Bei diesem Zeugen könnte es sich somit um entweder um Joseph Hyam Levy, Joseph Lawende (beide Fall Eddowes) oder Israel Schwartz (Fall Stride) gehandelt haben. Da Macnaghten schrieb, dass der Verdächtige der Beschreibung jener Person entsprach, die am Mitre Square gesehen wurde, dürfte der Zeuge tatsächlich entweder Joseph Hyam Levy oder Lawende gewesen sein. Joseph Hyam Levy machte bei der Befragung kaum Angaben zum Verdächtigen und gab sich verschlossen, vermittelte aber den Eindruck, als wisse er mehr als er sagen wollte, während Lavende zunächst eine detaillierte Beschreibung abgab. Lawende war ein Handelsreisender aus Dalston, kein Bewohner Whitechapels, und dürfte JTR nicht gekannt haben, so dass er vermutlich bedenkenlos eine erste Aussage machte, zumal er den Mann anfangs nicht für einen einheimischen Juden, sondern für einen Seemann gehalten hatte.
Eine Erklärung für den Rückzieher des Zeugen könnte somit sein, dass Joseph Lawende schließlich von seinem Begleiter Joseph Hyam Levy bearbeitet worden war, nicht gegen den Glaubensbruder auszusagen, um ein Pogrom gegen die jüdische Gemeinde zu verhindern.
Dass die Polizei tatsächlich die konkrete Möglichkeit sah, über die Zeugen Lawende und Joseph Hyam Levy den Ripper zu überführen, belegt auch die Vorgehsweise bei der öffentlichen Coroner-Untersuchung zu Eddowes Tod, bei der Lawende verboten wurde, den Verdächtigen vor dem Publikum genauer zu beschreiben (s.o.).



1892: Ermittlungs-Ende

Die Akte Jack the Ripper wird von der Polizei offiziell geschlossen.

Dies würde zeitlich besser zu Jacob Levy passen als zu dem in den Memoiren erwähnten Kosminski, da Aaron Kosminski erst lange nach seiner Einweisung und seiner Verlegung nach Leavesden im Jahr 1919 starb. Auch der von Ripperologen in den Akten der Colney Hatch Nervenheilanstalt gefundene mögliche Verdächtige Hyam Hyams starb erst am 22. März 1913.
Im Mai 1895 schrieb die Pall Mall Gazette: "Mr. Swanson believed the crimes to have been the work of a man who is now dead."



Fazit

Die Theorie, dass JTR ein jüdischer Metzger war, der im Irrenhaus starb, erklärt den ansonsten merkwürdigen Schluss im Ripper-Fall: Nach dem Ende der Mordserie laufen die Ermittlungen angeblich ergebnislos aus, die Akte wird geschlossen - aber Jahre später erklären hochrangige Polizisten in ihren Memoiren oder Zeitungsartikeln, der Ripper wäre eigentlich identifiziert worden.

Nach dem Mord an Mary Ann Nichols verdichteten sich im Eastend schnell Gerüchte, dass die Morde von einem Juden mit dem Spitznamen "Leather Apron" verübt worden sein sollten, was so auch in den Zeitungen verbreitet wurde und schon zu ersten antisemitischen Aufwallungen und Kundgebungen führte.
Superintendent Thomas Arnold ordnete daher nach dem Double Event mit Erlaubnis von Polizeichef Charles Warren an, das Goulston Street Graffiti auf der Stelle zu entfernen, explizit aus dem Grund, um mögliche Pogrome gegen Juden zu verhindern. In seinem Bericht vom 9. November 1888 schreibt Arnold: "Ich bitte darum berichten zu dürfen, dass am Morgen des 30. September, dem Letzten, meine Aufmerksamkeit auf eine Aufschrift an der Wand des Eingangs zu Behausungen in der Goulston Street 108, Whitechapel gerichtet wurde, welche aus folgenden Worten bestand: 'Die Juwes sind [nicht] die Menschen, die nicht grundlos beschuldigt werden'.
Ich wusste, dass aufgrund der Verdächtigung eines Juden namens John Pizer, genannt ‚Leather Apron‘, der beschuldigt wurde, den kürzlich in der Hanbury Street verübten Mord begangen zu haben, ein starkes Gefühl gegen die Juden im Allgemeinen aufkam. Da das Gebäude, auf dem sich die Aufschrift befand, mitten in der Lokalität liegt, die hauptsächlich von dieser Religions-gemeinschaft bewohnt wird, war ich besorgt darüber, dass wenn die Aufschrift verbleibt, diese für einen Aufstand verantwortlich sein könnte. Daher habe ich erwogen, dass es wünschenswert sei, sie aufgrund der Tatsache zu entfernen, dass sie sich an einer Stelle befand, die gut von den Menschen einsehbar war, die dort hinein- und hinausgehen."

Falls man den Ripper tatsächlich durch einen Zeugen als verrückt gewordenen jüdischen Metzger identifizierte, hätte die Bekanntgabe demnach zu schrecklichen Übergriffen bis hin zum Pogrom gegen die jüdische Gemeinde in Whitechapel im Allgemeinen und seine Familie im Besonderen führen können. Denn an die Eröffnung eines Prozesses wäre schon wegen des Gesundheitszustands des Tatverdächtigen nicht zu denken gewesen. Und selbst wenn: Ob die dünnen Beweismittel für eine Verurteilung ausreichend gewesen wären, darf bezweifelt werden - ein Freispruch aus Mangel an Beweisen wäre aber verheerend gewesen.
Wegen der sowieso schon explosiven sozialen Lage, einem weitverbreiteten Antisemitismus und der aufgestauten Wut durch den Ripper-Terror wäre wohl zu erwarten gewesen, dass viele Menschen dann ihre Aggressionen an Sündenböcken ausgelassen hätten.
Die Behörden könnten daher zu dem Schluss gekommen sein, es sei angesichts der explosiven Situation im Eastend sicherer, den todkranken Irren stillschweigend in einer Anstalt verrotten zu lassen und lieber weiter zähneknirschend vor der Öffentlichkeit wie Versager in diesem Fall dazustehen, als eine Katastrophe im Viertel zu riskieren.




Geographisches Profil von Jacob Levy:
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 03.11.2016 18:03 Uhr
Hey Arthur,

Hier ist noch ein Link zu einem Schreiben eines Pferdeschlächters an Warren im September 1888:

https://www.nationalarchives.gov.uk/documents/education/jacktheripper.pdf

Ich wurde heute darauf wieder via dem JTRForums aufmerksam. Es ist das Document 7: reference MEPO 3/ 142 (p .4 – 5) .

Im Zusammenhang zu Jacob Levy bzw. zu den Angaben von Sagar, scheint das doch interessant. Sicherlich kennst du auch diesen Brief, mir war er schlicht und einfach entfallen.

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 03.11.2016 18:41 Uhr
Hi Lestrade,

danke für den Hinweis - das ist der erste Ripper-Brief, den die Polizei erhielt. Er wurde damals geheim gehalten.

Ich habe ihn bereits in meiner Zusammenfassung, wie du oben nachlesen kannst:

Zitat
24. September 1888: Der erste Bekennerbrief
Durch die Grausamkeit der Morde und die Sensationsberichterstattung der Zeitungen nahm die öffentliche Aufmerksamkeit sprunghaft zu und Hysterie breitete sich in Teilen der Bevölkerung aus.  In der Folge davon erreichten Dutzende angebliche Bekennerbriefe die Polizei und die Presse.
Der erste davon war an Polizeichef Sir Charles Warren selbst adressiert, seine Existenz wurde damals geheim gehalten. Er lautete:

"Dear Sir,
ich würde gerne aufgeben, ich befinde mich in einem Albtraum. Ich bin der Mann, der alle diese Morde in den letzten sechs Monaten begangen hat. Mein Name ist (mit der Zeichnung eines Sargs unkenntlich gemacht). Ich bin ein Schlachter und arbeite bei (mit zwei Balken unkenntlich gemacht). I have found the woman I would that is Chapman and I done what I called slautered her (?). Aber wenn jemand kommt, werde ich aufgeben. Aber ich werde nicht von selbst zur (Polizei-)Station gehen. Hochachtungsvoll (mit der Zeichnung eines Sargs unkenntlich gemacht)."
Rückseite:
"Haltet das Viertel sauber, oder ich werde ihm einen Besuch abstatten. (Zeichnung eines Messers) Dies ist das Messer, mit dem ich die Morde begangen habe. Es hat einen schmalen Griff mit einer langen Klinge, beide Seiten scharf."

Die meisten Bekennerbriefe wurden von der Polizei schon damals als geschmacklose Scherze von Trittbrettfahrern abgetan, nur wenige wurden ernst genommen. Selbst die berühmt gewordenen Briefe, in denen der Mörder sich angeblich den Namen "Jack the Ripper" gab (der "Dear Boss"-Brief und die "Saucy Jacky"-Postkarte) werden inzwischen für Fakes gehalten und sollen aus der Feder ebenjenes Sensationsreporters Thomas Bulling von der Central News Agency stammen, welche die Briefe der Polizei übergab.

Jener erste Brief aber erscheint bemerkenswert: Erstens bezeichnet sich der Autor selbst als Schlachter. Zweitens ist er nicht verhöhnend, sondern scheint der Hilferuf eines kranken Menschen zu sein, der in einer tiefen inneren Zerrissenheit gefangen ist - so wie der Zustand Jacob Levys bei der Einlieferung ins Irrenhaus von seiner Frau beschrieben wurde.
Der Satz mit Chapman ist aufgrund seiner Formulierungen und der fehlenden Satzzeichen verwirrend, aber "and I done what I called" könnte bedeuten: "und ich habe getan, was mir befohlen wurde" - was ein Hinweis auf die befehlenden Stimmen sein könnte, die ein Wahnkranker oft hört, und von denen Levys Frau sprach.
Betrachtet man sich die sargförmige Schwärzung an der Stelle, wo der Briefschreiber angeblich zum ersten Mal seinen Namen übermalt hat, so scheint darunter etwas ähnliches wie "leaffray" oder "leadfray" gestanden zu haben - und das würde von der Wortlänge sowie von den Oberlängen und  Silhouetten einiger Buchstaben passen auf unseren Metzger Jacob Levy:
l e  a  d  f r a y
l a co b  l e v y 


Aber ich hatte vor einiger Zeit beim Stöbern im casebook noch einen interessanten Leserbrief gefunden (hatte beim C&P dummerweise den Link vergessen, muss die Quelle noch mal suchen) - kennst du den?

Hier:


Evening News
London, U.K.
9 October 1888

TO THE EDITOR OF "THE EVENING NEWS."
Sir -
Of the many theories that have been put forward as to the probable perpetrator of the East end tragedies, hardly any, to my mind, suggest the likeliest class of man to be capable of working in the silent, quick, and skilful manner that he evidently does, according to the medical evidence given at the various inquests. Having read the many letters in the "dailies" I feel that my views as to the manner of the committal and person committing them may be of some interest to you and your readers.

1. The person likely to commit an act of this description and in the peculiar manner, is a man who is thoroughly acquainted with and is practical in the Jewish method of slaughtering animals for human consumption, a business which is carried on in the immediate neighbourhood of the murders, and at the market in Deptford, which is in constant communication by rail or van with this locality at all hours day and night.
My reasons for assuming this is that only a man having a perfect knowledge of how to deliver a cut so effectually and with such certainty as in these cases must know exactly the kind of knife to use, and I know of no more suitable instrument than the knife used by a "Jewish cutter" when slaughtering sheep or oxen. These knives are from twelve to eighteen inches long in the blade, about one and a half to two inches wide, with square end, very rigid, strong back, and made of finest steel, sharpened upon a hone to a razor edge.
The mode of using it is as follows: The sheep or ox is cast turned on its back, the head drawn back to render the skin tense, the cutter is then called upon to do his work which is to cut the animal's throat with one heavy downward drawing cut, using the knife from heel to point so as to divide the whole of the vessels, windpipe and muscles, down to the vertebral column, the animal dying quickly and noiselessly from such a wound - a wound requiring to inflict upon so large an animal as an ox a perfectly suitable knife, skill and force to use it.

2. After the animal is dead the skin being removed by assistants from the abdomen of the carcass, a second person, called a "searcher," steps in and makes a longitudinal incision in the abdomen, immediately below the base of the chest, in this case a razor is used as a cutting instrument. The hand is passed through this opening, and two incisions are made in the diaphragm in order to pass the hand entirely round the cavity of the chest on either side, and feel for any attachment of the lungs to the walls of the chest. The organs of the abdominal cavity are examined by touch in a similar manner, and if it passes the examination as fit for Jewish consumption, it is marked by the searcher, and afterwards a sealer seals it with a small leaden seal.
In my opinion a man who has seen or carried out these functions has committed these crimes, from the fact of the certainty, cleanness, and depth of the cuts in the throats of the victims, the mutilations being so extensive, and evidently carried out by the sense of touch, for it is evident no light could have been used.

Should you publish this letter, I will conclude my argument in a second one tomorrow.
I am, &c.,
A Butcher.


MfG, Arthur Dent



P.S. Coole Quelle mit schönen Faksimiles der Dokumente - merci.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 03.11.2016 19:25 Uhr
Sorry Arthur,

Klaro, ich habe das bei dir gelesen, mit dem Sarg und dem Messer... und gleich wieder verdrängt... zu schnell überflogen... mir wurde der ganze Brief erst wieder bewusster, als ich ihn heute "leibhaftig" sah...

Der andere erwähnte Brief war mir auch verpufft aber der Begriff "Deptford" war mir noch gewahr. Da gab es hier mal eine Diskussion mit weiteren Anmerkungen dazu:

http://jacktheripper.de/forum/index.php?topic=1297.0

Post 8, von Shadow.

Er schreibt dort auch:

Manchester Guardian
10 September 1888
Another telegram last night states:-- A man was arrested at Deptford this afternoon on suspicion of being connected with the East End tragedy, but there is reason to believe he will be able to establish his innocence and will soon be released.


Vielleicht interessieren dich dort noch die anderen Angaben.

Und ja, es ist eine schöne Quelle mit diesen Dokumenten. Ich nutze sonst immer Anlage im Scotland Yard Investigates was Briefe anbelangt.

Lestrade.
Titel: Cutbush und die Aldgate High Street!
Beitrag von: Lestrade am 22.11.2016 16:42 Uhr
Könnte interessieren:

Debra Arif beschäftigte sich noch einmal mit der Aldgate High Street. Es wurde darüber früher diskutiert, ob es 1888 eine 29 Aldgate High Street gab. PC Robinson hat davor ja die betrunkene Eddowes aufgefunden. 28 und 30 waren bekannt. Über die Jahre gab es immer wieder kleine Nummernänderungen, mir war das auch schon einmal auf der gegenüberliegenden Seite am östlichen Ende der Butchers Row aufgefallen. Die Nummer 29 gab es aber tatächlich in 1888, belegt durch einen William Hattersley, Eisenwarenhändler. Für 1891 war bekannt, dass Hattersley die Nummer 30 besetzte. Egal, wie sich die Nummern nun "verschoben", Eddowes wurde wahrscheinlich vor dem Geschäft von Hattersley aufgegriffen.

Die zweite Sache betrifft den Verdächtigen Thomas Haynes Cutbush. Offenbar war er eine Art Cousin von einem der Venables (John Luke) aus der 34 Aldgate High Street, gegenüber der Butchers Row. Die waren dort ebenfalls schon 1888 ansässig.

Macnaghten sagte:

Cutbush was the nephew of the late Supt. Executive.

Mein aktueller Stand ist, dass dies bisher nicht wirklich nachgewiesen werden konnte, ob Thomas Haynes Cutbush der Neffe des Polizeibeamten Charles Cutbush war.

Ich kam natürlich gleich ins Grübeln und auch ins Anzweifeln bestimmter Ansichten. Thomas Cutbush war ähnlich krank wie Aaron Kozminski und Jacob Levy. Er wurde kurz nach der Einweisung von Aaron Kozminski ebenfalls weggesperrt (März 1891 oder so).

Falls ich nicht falsch liege, wurde Thomas Cutbush in einem Ort geboren, der noch zum Land Surrey gehörte und es scheint auch Angehörige gegeben zu haben, die nach Australien auswanderten.

Dazu nun eben ein neu entdeckter Verwandter gegenüber der Butchers Row und das alle zusammen, ließ mich sofort an Sagar (Butchers Row Verdächtiger/ "ging eventuell nach Australien") und Cox (Surrey) denken.

Bei Sagar halte ich mich aber gerade daran fest, dass er von einem Mann mit "jüdischer Erscheinung sprach", gesehen von einm Konstabler am Mitre Square und diesen Hinweis mit dem PC bekamen wir ja auch via Macnaghten, Griffiths und Sims bezüglich Kosminski. Die Beschreibung eines Mannes mit schwarzen, lockigen Haaren lassen auch bei Cox an einen Ausländer denken.

Dennoch finde ich, dass dies alles wenigstens ein bemerkenswerter Zufall ist, eine Cutbush Verbindung gegenüber der Butchers Row gefunden zu haben.

Die andere Sache ist die, falls über den Polizisten Charles Cutbush auch eine Verbindung zu den Venables in der 34 Aldgate High Street bestand, dann wäre deren Shop gegenüber der Butchers Row für eine Observation durch die City Police (Sagar) sicherlich gut in Frage gekommen.

Die Venables hatten wohl auch einen Stallbereich an der Ecke Backchurch Lane/ Batty Gardens. Letztere verband die Berner Street (nahe Dutfields Yard) mit der Backchurch Lane.

Es ist immer wieder erstaunlich, was so alles aufgetan werden kann.

Liest aber selbst:

http://www.jtrforums.com/showthread.php?t=26588

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 13.12.2016 22:20 Uhr
Hallo zusammen!

Ich habe zwar derzeit viel zu tun, aber einen Gedanken wollte ich noch etwas weiter ausführen:

Angesichts der ganzen Verbindungen in der jüdischen Gemeinde, der Umzüge, Änderungen von Namen, der neuen Nummerierung von Straßenzügen, der langen Verdächtigenliste, gewisser äußerlicher Ähnlichkeiten, der zahlreichen Einweisungen in Irrenhäuser sowie der Irrtümer und Widersprüche in den späteren Quellen glaube ich inzwischen, dass es bei der Nachbetrachtung des Falles bei unseren Polizisten in den folgenden Jahren zu einigen Verwechslungen zwischen Verdächtigen gekommen sein dürfte (falls sie nicht absichtlich Nebelkerzen warfen).


Macnaghten und Swanson bezeichneten den Verdächtigen in der Anstalt in ihren Aufzeichnungen zwar als "Kosminski", jedoch enthalten die Erinnerungen der Polizisten nachgewiesenermaßen einige Ungenauigkeiten, so dass sie sich mit dem Namen geirrt haben könnten, denn der in medizinischen Akten gefundene Aaron Kosminski war damals erst 23 Jahre alt und starb erst 1919 in der Anstalt, nicht schon bald nach der Einweisung, so wie Swanson glaubte.
Vermutlich wurden einfach die Namen von ein paar verdächtigen Anstaltsinsassen durcheinander geworfen. Der nie an den Ermittlungen beteiligte Mcnaghten schrieb sein internes Memorandum 1894 und veröffentlichte seine Memoiren "Days of My Years" erst 1914 - Jahre nach den Ripper-Morden. Robert Anderson veröffentlichte seine Memoiren "The Lighter Side of My Official Life", in die Swanson seine privaten Anmerkungen machte, erst 1910.

Interessanterweise hatte Jacob Levys unmittelbarer Nachbar, der Butcher Hyman Sampson (den Jacob 1886 bestohlen hatte), seit 1881 einen angestellten Metzger namens Aaron Krotoski. Der heiratete Sampsons Tochter und betrieb schließlich nach Sampsons Tod 1887 den Butcher Shop zuerst mit Sampsons Witwe Elizabeth weiter, bevor er ihn irgendwann nach 1888 ganz von der Schwiegermutter übernahm. Als Sarah Levy schließlich zwischen 1891 und 1894 ihren Butcher Shop aufgab, war Aaron Krotoskis Metzgerei die einzige an der Ecke Stoney Lane.
Aaron Krotoski - Aaron Kosminski: zwei für Engländer ungewöhnliche Namen, die ähnlich klingen, könnte da etwas in den Erinnerungen unserer Polizisten durcheinander geraten sein?
Zwei jüdische Verdächtige, die kurz nacheinander im Irrenhaus landeten, der eine war ein Butcher, dem ein Aaron Krotoski nachfolgte, der andere hieß Aaron Kosminski.

Macnaghten schrieb sein Memorandum 1894 und war an den Ermittlungen im Ripper-Fall nicht beteiligt, er hatte seine Informationen also von seinen Kollegen, wahrscheinlich von Anderson und/oder Swanson, und die wiederum hatten sie vermutlich von den Kollegen der City Police, denn die Butcher's Row Observationen hatte ja die City Police betrieben.
Da die Polizei nach dem Double Event die Metzgereien und Schlachtereien im Viertel überprüft hatte und alle Personen, die in den letzten sechs Monaten dort beschäftigt waren, stand Aaron Krotoski mit Sicherheit auch auf ihren Listen.
Den Shop der Levys gab es nicht mehr, dort oben an der Ecke Stoney Lane war jetzt nur noch der Laden eines Aaron Krotoski. In dieser Zeit wurden in der Straße übrigens die Gebäude mit neuen Hausnummern versehen, so dass z.B. aus der ehemaligen Middlesex Street 36 die Nr. 69 und aus der Nr. 35 die 67 wurde - dies dürfte in der Übergangsphase zu einigen Verwirrungen geführt haben. Könnte es bei Swanson und Macnaghten daher vielleicht zu einer Verwechslung bzw. Vermischung von Kosminski mit Levy gekommen sein?
Immerhin glaubte Swanson ja auch, der Verdächtige sei nicht lange nach seiner Einweisung verstorben, aber Kosminski lebte noch bis 1919, während Levy schon 1891 in der Anstalt starb. Dies deutet darauf hin, dass zwei Verdächtige verwechselt wurden. 

Ein weiterer Kandidat für eine Verwechslung von Jacob Levy und Aaron Kosminski könnte der Nachbar des Zeugen Joseph Hyam Levy gewesen sein: Laut Census von 1891 wohnte direkt neben Joseph Hyam Levy in der Hutchinson Street 2 ein in der Bekleidungsbranche tätiger Jacob Koski mit seiner Frau und Familie. Der Name Koski war extrem selten, und einige Ripperologen vermuten, dass er etwas mit den Kosminskis zu tun haben könnte:
Denn Koskis Nachbar Joseph Hyam Levy unterstützte 1877 die Einbürgerung eines Martin Kosminski. Dabei könnte es sich um jenen Martin Kosminski handeln, der mit seinen Brüdern Samuel und Jacob aus Kalisch eingewandert war, einer Region in Polen, zu der damals auch Klodawa, der Geburtsort von Aaron Kosminski, gehörte - und Aarons Verwandte waren ebenfalls in der Bekleidungsbranche.
Falls es also Verbindungen des Zeugen Joseph Hyam Levy zu gleich zwei Verdächtigen gab - zu Aaron Kosminski und zu Jacob Levy - hätte auch dies in den Erinnerungen der Polizisten zu Verwechslungen führen können.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 15.12.2016 20:57 Uhr
Ich stimme mir dir überein, dass Jahre nach den Ereignissen, die Erinnerungen nicht immer, wenn nicht gar stets, korrekt waren. Dazu kommen natürlich auch die Entfassungen der Presseberichte, wie z.B. im Falle von Cox und Sagar, auch da kann es wiederum von anderer Seite zu inkorrekten Wiedergaben gekommen sein. Von alledem müssen wir, logischerweise, ausgehen. Dennoch denke ich, im Falle von "Kosminski", dass er DER Hauptverdächtige gewesen war. Sehr gut möglich, dass man ihm jedoch bestimmte Dinge im Nachhinein anhängte, welche nicht ganz der Wahrheit entsprachen. Die Anmerkungen von Swanson in den Memoiren sehe ich vielleicht auch als mögliche Korrekturen von Andersons Glaube.

Mein Eindruck ist, dass Swanson der erste war, der die Information über Kosminskis "Tod" erfuhr. Lady Anderson, die Frau von Robert Anderson bemerkte einmal, dass der Ripper in einer Anstalt in Stone, Kent eingeliefert worden ist. Sein Sohn Arthur Anderson gab einmal an:

"the man was an alien from Eastern Europe, and believed that he had died in an asylum"

Man kann sich natürlich eigentlich schwer vorstellen, dass Anderson nicht genau wusste, wo Kosminski gestorben ist, in Stone oder Colney Hatch. Dennoch könnte es möglich sein, dass Anderson bestimmten Leuten berichtetet, wider besseren Wissens:

"he was sent to Stepney Workhouse and then to Stone, Kent and I believe he died there"

Über so etwas hätte Swanson Kenntnis gehabt haben können und "verbesserte" Anderson dahingehend, dass er schrieb:

"he was sent to Stepney Workhouse and then to Colney Hatch and died shortly afterwards" 

Das gleiche mit:

"...because the suspect was also a Jew"

Wäre ja denkbar, dass Anderson nicht ganz sicher war, ob der Zeuge wirklich ein Jude war. Vielleicht irritierte ihn ein nichtjüdischer Name, wie ich das mit Frank Ruffel einmal erläuterte. Seine Mutter war zumindest eine jüdische Witwe und der Name könnte aus Holland stammen, wo es möglich war, eher als Nichtjude einen Jude oder Judin zu heiraten. Als Swanson "also" unterstrich, könnte er damit darauf aufmerksam gemacht haben. Wir wissen ja überhaupt nicht, was Swanson mit seiner Kopie der Anderson Memoiren vorhatte. Vielleicht wollte er es ja Anderson mit den Anmerkungen wieder zukommen lassen und das, obwohl es offenbar ein Geschenk von Abberline war. Vielleicht behauptete aber auch Abberline etwas anderes über Kosminski, was Swanson aber besser wusste, auch wenn der Tod im Falle von Kosminski, falls Aaron Kozminski, ein Fehlinformation war.

Ich bin gerade im Austausch mit Pat Marshall, du erinnerst dich vielleicht, dass Cox ein Bruder ihres Uropas war. Durch sie weiß ich z.B., dass Isaac Abrahams, Aaron´s Bruder, ein Freimaurer war und konnte einen Bericht lesen, der von Helen Singer, einer Schwester von Aaron, handelte. Helen Singer gab an, dass sie "viele Angehörige" in London hatten. Die Familie wanderte also in größeren Ausmaßen nach London mit der Zeit aus. Auch kam die Mutter, Golda, wohl mit der Mutter von Israel Lubnowski, dem Rabbi, nach London.

Wichtiger ist jedoch die Information, dass ihr Familienmitglied Cox einen Informanten im Ripper Fall hatte. Darüber hat Pat eine sichere Angabe. Die Adresse lautete 81 Greenfield Street, eine jüdische Herberge. Diese Adresse wurde kurze Zeit später eine Synagoge. Da wir ja wissen, dass die Kozminski Familie eng mit der Greenfield Street und der gegenüberliegenden Yalford Street verbunden waren, müssen wir in Betracht ziehen, dass Cox tatsächlich Aaron Kozminski observierte. Gegenüber der 81 Greenfield Street lag der Pub von Harry Fisher. Erinnern wir uns, was Cox bemerkte:

Day after day we used to sit and chat with them, drinking their coffee, smoking their excellent cigarettes, and partaking of Kosher rum.

Es ist bekannt, dass es ab September 1890 bis zum Ende von 1890, kurz vor Aaron´s Einweisung, ein gewisser Joseph Tragheim ein Informant der Polizei unter der Adresse der jüdischen Herberge in der 81 Greenfield Street gewesen war. In diesem Fall war einer der Ermittler unser Harry Cox. Pat ist der Meinung, dass die Observation von Harry vielleicht doch später stattfand, als wir stets annehmen. Ich weiß jedoch nicht, ob eben jener Tragheim dieser Informant für den Ripper Fall war. Das alles zusammen, lässt jedoch eher in die Richtung denken, dass Cox tatsächlich Aaron Kozminski meinte und weniger jemand anderes. Bei der oben angeführten Aussage bezüglich Anderson, halte ich es jedoch auch für möglich, dass Jacob Levy auch auf den Zetteln der Ermittler stand und Anderson deswegen Stone und Colney Hatch durcheinander brachte. Das würde aber nichts daran ändern, dass er Kosminski meinte.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 23.12.2016 21:11 Uhr
Hallo zusammen!


Ich habe da noch etwas Interessantes bezüglich Jacob Levy und der Middlesex Street gefunden:

Der Professor für Forensische Psychologie und Geographic Profiling David Canter vom International Centre for Investigative Psychology at The University of Liverpool erstellte für JTR ein geographisches Profil, in dem er zu dem Schluss kommt, dass JTRs Ausgangspunkt höchstwahrscheinlich in der Nähe der Middlesex Street lag.

Dazu sagte er z.B. 2013 in einem Interview:

"Die Morde wurden im Londoner Bezirk Whitechapel im East End begangen. Wenn man die Tatorte auf der Karte markiert, erkennt man, dass es ein Zentrum gibt, von dem aus der Mann operiert haben könnte. Dieses Zentrum ist nur ein paar Schritte entfernt von der Middlesex Street, wo der Kaufmann James Maybrick angeblich ein Apartment gemietet haben soll. Maybrick ist einer der Verdächtigen, da später ein Tagebuch gefunden wurde, das ihm gehört haben soll, und darin steht diese Adresse. Wenn das Tagebuch eine Fälschung ist, so war die angegebene Adresse sehr gut gewählt. "
https://www.brandeins.de/archiv/2013/privat/der-faehrtenleser/


http://www.davidcanter.com/


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 23.12.2016 21:38 Uhr
Ich habe auch mal die Karte mit meinem geographischen Profil aktualisiert.


Unter der Prämisse, dass Jacob Levy JTR war, und er nach dem Mord an Eddowes aus gewissen Gründen nicht zurück in die Middlesex Street 36 konnte, ergibt sich die plausible Möglichkeit, dass er stattdessen erst weiter in Richtung seines Bruders in die Goulston Street und dann weiter in Richtung seines früheren Lebensmittelpunktes floh: Richtung Fieldgate Street bzw. in Richtung des Hauses seines mutmaßlichen Verwandten John Levy, Whitechapel Road 254.

Es gibt gleich mehrere Gründe, warum er an seinem Butcher Shop in der Middlesex Street vorbeigerannt sein könnte:
- Ihm könnte klar geworden sein, dass er zu nahe an seinem Zuhause zugeschlagen hatte.
- Die Polizei könnte ihm zu dicht auf den Fersen gewesen sein, so dass er es für zu gefährlich gehalten hätte.
- Es war erst kurz vor zwei Uhr nachts - wesentlich früher als bei den anderen Taten: Seine Frau Sarah könnte noch wach gewesen sein, was er vielleicht am Licht im Haus sah.
- Es könnte jemand in der Straße unterwegs gewesen sein, der ihn kannte (eventuell sogar Joseph Hyam Levy?)

Hier die Karte:
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 24.12.2016 11:58 Uhr
Der Professor für Forensische Psychologie und Geographic Profiling David Canter vom International Centre for Investigative Psychology at The University of Liverpool erstellte für JTR ein geographisches Profil, in dem er zu dem Schluss kommt, dass JTRs Ausgangspunkt höchstwahrscheinlich in der Nähe der Middlesex Street lag.

Dazu sagte er z.B. 2013 in einem Interview:

"Die Morde wurden im Londoner Bezirk Whitechapel im East End begangen. Wenn man die Tatorte auf der Karte markiert, erkennt man, dass es ein Zentrum gibt, von dem aus der Mann operiert haben könnte. Dieses Zentrum ist nur ein paar Schritte entfernt von der Middlesex Street, wo der Kaufmann James Maybrick angeblich ein Apartment gemietet haben soll. Maybrick ist einer der Verdächtigen, da später ein Tagebuch gefunden wurde, das ihm gehört haben soll, und darin steht diese Adresse. Wenn das Tagebuch eine Fälschung ist, so war die angegebene Adresse sehr gut gewählt. "

David Canter, als ein führender Profiler in England, hat einen anderen Ansatz bezüglich solcher Dinge als seine amerikanischen Kollegen! Der Kanandier Dr. Kim Rossmo sieht Jack the Ripper eher in der Flower and Dean Street, Canter die Basis eher in Middlesex Street. Die Nennung dieser Straßen ist aber eher als eine Art von Orientierung anzusehen, da die Bereiche natürlich mehrere Straßen bzw. ein kleines Gebiet umfassen. Wertigkeit erfährt die Middlesex Street aber eben auch durch James Maybrick, der mit dieser Straße in Verbindung gebracht wurde. Canter: It is the only reference in the diary to any specific location in the Whitechapel area, and, would you believe it, Middlesex Street is exactly in that area of Whitechapel that I mentioned, as shown in Figure 9.

Hier noch ein Video mit Canter:

https://www.youtube.com/watch?v=QCdskRH-B6s

Folgend noch ein Post, welches panopticon vor nahezu 6,5 Jahren erstellt hatte (der letzte Link funktioniert nicht mehr) :

Hallo zusammen!

(1) Ich weiß nicht, wer es schon kennt und habe auch noch keinen Link dazu im Forum gefunden (Sorry, wenn´s schon mal gepostet wurde!). Der Link unten führt direkt zu einem geographischen Profil von ´Jack the Ripper´, erstellt von Wesley English mit einer von ihm selbst erstellten Applikation für geographisches Profiling von Serienverbrechern. Infos über den Autor, seinen Background, seine Vorgehensweise und Software ist ohnedies der Seite zu entnehmen. Generell hat er, der zwar forensischer Psychologe ist, aber explizit darauf hinweist, kein Ripperologe zu sein, die Goulston Street nicht mit einbezogen, freundlicherweise aber unter der Anleitung einiger aus dem Casebook-Forum weitere Szenarien erstellt, die ich im Anschluss auch anfüge: 

Zunächst der Link zum klassischen Profil mit den Tatorten der kanonischen Fünf:
http://www.wesleyenglish.com/geoprofile/infamous-cases/jack-the-ripper

Hier findet sich ein Profil ohne Liz Stride:
http://www.wesleyenglish.com/wp-content/uploads/2010/02/Jack-the-Ripper-Alt-Geographic-Profile.png

Und hier eines der kanonischen Fünf inklusive Martha Tabram:
http://www.wesleyenglish.com/wp-content/uploads/2010/03/Jack-the-Ripper-Updated-6-Victims.png



(2) Hier ein weiteres geographisches Profil von ´Jack the Ripper´, erstellt  von D. Kim Rossmo, das in seinen Ergebnissen in etwa auch dem obigen ähnelt (Bild rechts zum Vergrößern klicken!): http://www.txstate.edu/gii/geographicprofiling.html

David Canter verweist aber auch auf andere Experten, die behaupten, dass je später es in der Nacht wird, desto weiter entfernt sich der Täter von seinem Wohnort. Wir wissen ja, dass Nichols, Chapman und Kelly "spät in der Nacht", fast im Morgengrauen (Chapman), ermordet wurden. Stride und Eddowes aber viel früher. Also im Falle von Stride, wäre der Täter nicht weit von seinem Wohnsitz entfernt gewesen. Bei solch einem Ansatz, wäre Jacob Levy aus der Middlesex Street als Täter in der Berner Street eher außen vor. In diesem Zusammenhang wären vielleicht auch die Tatorte, Eddowes, Kelly und Tabram zu dicht dran, weil er sich bereits zu diesen Zeitpunkten mit seinen Opfern weiter entfernt hätte. Ausnahme wäre hier Mackenzie.

Hier auch noch geographische Profilansichten, die bekannt sein dürften:

http://www.casebook.org/dissertations/robhouse-kosminski.html

(Sion Square ist aber verkehrt, wie Rob House schon vor einiger Zeit selber herausfand)

Im Falle von Aaron Kozminski ist die Theorie des sich von seinem Wohnsitz immer weiter entfernenden Täters, desto später es des Nachts wird, viel interessanter. Stride wurde viel früher als andere Opfer attackiert und die Wohnsitze seiner Geschwister Woolf, Isaac und Matilda lagen vom Dutfields Yard nur maximal 2-4 Minuten zu Fuss entfernt. Alle anderen Opfer dann doch ein Stückchen weiter.

Die frühe Attacke auf Stride ist schon ein bemerkenswerter Umstand, der besondere Beachtung finden sollte, wie ich finde. Das der Täter sich Nachts auf die Lauer legte ist klar und auch, dass er irgendwo einen Ausgangspunkt hatte, von dem er startete. Es liegt, glaube ich, in der Natur der Sache, im Laufe der Zeit in einer Nacht, sich stetig immer etwas weiter zu bewegen. Bei Stride schlug er recht früh zu, ein Indiz, dass er sich nicht weit von seinem Wohnort befand? Ich denke, dass ist gut möglich und macht Sinn. Für Jacob Levy, wenn er kurz nach Mitternacht sein Haus verlassen hätte, ist die Berner Street in St.George in the east vielleicht zu weit weg. In diesen genannten Zusammenhängen versteht sich.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 25.12.2016 11:50 Uhr
Hallo Lestrade.

Erstmal: Frohe Weihnachten!


Zitat
Die Nennung dieser Straßen ist aber eher als eine Art von Orientierung anzusehen, da die Bereiche natürlich mehrere Straßen bzw. ein kleines Gebiet umfassen.

Darüber waren wir uns ja bereits in einer früheren Diskussion über das Geographic Profiling einig. Ich hatte damals ja selbst die Ergebnisse des Geoprofiling Programms gepostet, mit dem Wesley English gearbeitet hat, wie du dich vielleicht erinnerst.

JTRs Wirkungskreis ist mit weniger als einer Quadratmeile sehr klein und die Wege sind kurz - JTR konnte zu Fuß innerhalb weniger Minuten an jeden Punkt seines Wirkungskreises gelangen, daher zeigt so eine Wahrscheinlichkeitsverteilung bestenfalls einen Umkreis von vielleicht einem Hektar an, und damit mehrere Straßen und Häuserblöcke, an dem die Wahrscheinlichkeit für JTRs "Operationsbasis" besonders hoch ist.

Das Programm, mit dem English arbeitete, kam - wenig überraschend - zu dem Schluss, dass die Wahrscheinlichkeit rund um die wichtigste Kreuzung im Viertel, die im inneren Bereich von JTRs Wirkungskreis liegt, besonders hoch ist:
Der Bereich rund um die zentrale Kreuzung Whitechapel High Street / Whitechapel Road / Leman Street / Commercial Street / Commercial Road.
In diesem Umkreis liegen Butcher's Row, Middlesex Street und Goulston Street.

Ich habe Canter jetzt angeführt, weil er diese Einschätzung bestätigt: Auch für ihn liegt das Zentrum in dieser Ecke des Viertels - und zwar unabhängig davon, ob Maybrick nun JTR war oder nicht: "Dieses Zentrum ist nur ein paar Schritte entfernt von der Middlesex Street."
Er schrieb explizit, als er noch nicht wusste, dass das Tagebuch eine Fälschung war:
"Wenn das Tagebuch eine Fälschung ist, so war die angegebene Adresse sehr gut gewählt."

Das Geoprofiling Programm von English zeigt zusätzlich noch einen recht breiten Bereich hoher Wahrscheinlichkeit entlang des Verlaufs der Whitechapel Road nach Osten und nach Norden rund um die Old Montague Street. Dieser Bereich ist dem Nichols-Mord in der Buck's Row geschuldet.
Bedenkt man nun "He occupied several Shops in the East End", und dass Levys alte Adresse die Fieldgate Street war und es John Levys Shop in der Whitechapel Road 254 gab, so würde diese Wahrscheinlichkeitsverteilung entlang der Whitechapel Road gut zu einem zweiten Zentrum, einer zweiten möglichen Zuflucht rund um seinen früheren Lebensmittelpunkt passen (daher die Aktualisierung meiner Karte mit den entsprechenden Punkten).


Zitat
David Canter verweist aber auch auf andere Experten, die behaupten, dass je später es in der Nacht wird, desto weiter entfernt sich der Täter von seinem Wohnort. Wir wissen ja, dass Nichols, Chapman und Kelly "spät in der Nacht", fast im Morgengrauen (Chapman), ermordet wurden. Stride und Eddowes aber viel früher. Also im Falle von Stride, wäre der Täter nicht weit von seinem Wohnsitz entfernt gewesen.

Angesichts der kurzen Wege im Viertel halte ich diese These für wenig plausibel. Sie passt vielleicht auf Täter, die einen größeren Wirkungskreis von vielen Kilometern und deutlich längere Wege im Stundenbereich haben - aber nicht auf einen Täter, der zu Fuß in wenigen Minuten an jedem Punkt seiner Aktivitäten sein konnte.
Da dürften die Faktoren, um wieviel Uhr konnte JTR in der konkreten Nacht zur Jagd aufbrechen sowie wieviel Glück oder Pech hatte er beim Suchen und Finden passender Opfer und Situationen, wesentlich mehr Einfluss auf die Tatzeit gehabt haben als die Länge des Weges zu den Tatorten: Wir reden hier von Differenzen in der Tatzeit von fast fünf Stunden im Vergleich zu Fußwegen von unter fünf bis zu zwanzig Minuten.
Hier eine Korrelation zwischen Tatzeit und Nähe des Tatorts zu JTRs Lebensmittelpunkt zu postulieren, ist m.E. Bad Science - reine Kaffeesatzleserei. Es gibt in diesem kleinen Wirkungskreis zahlreiche mögliche Faktoren, die einen wesentlich größeren Einfluss auf die Tatzeiten hatten als die viel zu kurzen Wegstrecken.


Zitat
Die frühe Attacke auf Stride ist schon ein bemerkenswerter Umstand, der besondere Beachtung finden sollte, wie ich finde. Das der Täter sich Nachts auf die Lauer legte ist klar und auch, dass er irgendwo einen Ausgangspunkt hatte, von dem er startete. Es liegt, glaube ich, in der Natur der Sache, im Laufe der Zeit in einer Nacht, sich stetig immer etwas weiter zu bewegen. Bei Stride schlug er recht früh zu, ein Indiz, dass er sich nicht weit von seinem Wohnort befand? 

Für mich gar nicht:
Es wäre psychologisch eher plausibel, dass er - solange er genug Zeit hat - nicht direkt vor seiner Haustür nach einem Opfer sucht, weil dann die Polizei in seiner unmittelbaren Nähe ermitteln würde, sondern dass er sich zuerst mal etwas von seinem Zuhause entfernt. Angesichts der kurzen Strecken war dies ja auch kein Problem.
Ausnahme ist laut Erkenntnissen der Kriminologie lediglich das erste Opfer eines Serientäters, das oft in der näheren Umgebung des Täters gefunden wird, wie du ja sicher weißt. Danach sorgt der Täter im Allgemeinen erstmal für etwas Abstand.
(Vielleicht war JTR aber an diesem Abend einfach ein Besucher des Berner Street Clubs - was eine simple Erklärung der früheren Tatzeit wäre. Auch über diese Möglichkeit hatten wir bereits gesprochen.)

Umgekehrt wird für mich daher ein Schuh daraus:
JTR sorgte vor den Morden erst für etwas Abstand von Zuhause - aber weil er bei Stride gestört wurde, flüchtete er zunächst in Richtung seiner Zuflucht.
Als er sich dann wieder etwas sicherer fühlte, gewann das Bedürfnis Oberhand, auch zum Abschluss zu bringen, was er angefangen hatte. Da das Bedürfnis durch die halbfertige Tat extrem hoch war und er auch wegen der drohenden Entdeckung der ersten Leiche weniger Zeit hatte, nutzte er höchstwahrscheinlich die nächstbeste Gelegenheit - und die dürfte dann näher an seiner Zuflucht gelegen haben als die erste.
Wenn der Druck hoch und die Zeit knapp ist, geht ein Täter i.d.R. höhere Risiken ein, als wenn er Zeit und noch relative Sicherheit hat.


MfG Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 25.12.2016 14:33 Uhr
Erstmal: Frohe Weihnachten!

Danke Arthur, dir auch ein frohes Weihnachtsfest! Ich hoffe, der Gabentisch war reichlich gedeckt.

Ich hatte damals ja selbst die Ergebnisse des Geoprofiling Programms gepostet, mit dem Wesley English gearbeitet hat, wie du dich vielleicht erinnerst.

Mir ging es eher darum, Mitlesern hier einen Vergleich anzubieten, wenn man denn davon so sprechen kann. Letztendlich meinen diese Profile einen Täter in einem ohnenhin kleinen Bereich. Es wäre ja fast egal, in welcher dieser Straßen er nun tatsächlich lebte, jedes diese Profile läge richtig. Es ist ja sogar für die meisten Laien sinnig, dass Jack the Ripper irgendwo aus der Nähe der Tatorte stammen sollte. Diese geographischen Profile sind sehr komplex und berechnen am Ende aufgrund von Erfahrungswerten bestimmte Hotspots, je nachdem was man eingibt. Dies ist auch abhängig von vielleicht anderen Opfern, wie Millwood, Smith, Tabram, Mackenzie oder Coles oder anderen Attacken bzw. garnicht bekannten Angriffen und vielleicht auch abhängig davon, wo Opfer zuletzt gesehen wurden. Oder auch die Frage, ob Stride dazu gehörte? Oder die Sache mit der Goulston Street. Dazu auch die Frage, wo wurden sie attackiert oder wo zuerst? Genaueres ist da nicht immer bekannt, siehe Smith oder Millwood. Millwood aus der Whites Row, wurde offenbar aber auch in der Nähe dieser Straße angegriffen. Ich denke, es ist Rob Clack, der dort näheres herausgefunden haben könnte. Sicherlich werden wir in absehbarer Zeit davon noch hören. Dennoch passt das ganze Opferprofil eindeutig zu jemanden, der mittig irgendwo im geographischen Profil gelebt haben sollte. Du sagst es ja auch selbst:

Das Programm, mit dem English arbeitete, kam - wenig überraschend - zu dem Schluss, dass die Wahrscheinlichkeit rund um die wichtigste Kreuzung im Viertel, die im inneren Bereich von JTRs Wirkungskreis liegt, besonders hoch ist:
Der Bereich rund um die zentrale Kreuzung Whitechapel High Street / Whitechapel Road / Leman Street / Commercial Street / Commercial Road.


Angesichts der kurzen Wege im Viertel halte ich diese These für wenig plausibel. Sie passt vielleicht auf Täter, die einen größeren Wirkungskreis von vielen Kilometern und deutlich längere Wege im Stundenbereich haben - aber nicht auf einen Täter, der zu Fuß in wenigen Minuten an jedem Punkt seiner Aktivitäten sein konnte.


Na ich denke, dass sind Erfahrungen, die auf allen Tätertypen beruhen.

ist m.E. Bad Science - reine Kaffeesatzleserei.


Da verstehe ich dich nicht! Einerseits sind Canter und Co. für dich wichtig aber bei andere Experten, auf die sich auch berufen wird, wird es dann plötzlich zur Kaffeesatzleserei.

JTRs Wirkungskreis ist mit weniger als einer Quadratmeile sehr klein und die Wege sind kurz - JTR konnte zu Fuß innerhalb weniger Minuten an jeden Punkt seines Wirkungskreises gelangen, daher zeigt so eine Wahrscheinlichkeitsverteilung bestenfalls einen Umkreis von vielleicht einem Hektar an, und damit mehrere Straßen und Häuserblöcke, an dem die Wahrscheinlichkeit für JTRs "Operationsbasis" besonders hoch ist.

Wir reden hier von Differenzen in der Tatzeit von fast fünf Stunden im Vergleich zu Fußwegen von unter fünf bis zu zwanzig Minuten.

Wir reden ja nicht von einer Olympiade. Der Täter ist ja nicht aus seinem Haus gerannt und schnell ab in die Buck´s Row. Bedenke Arthur, dass der Ripper ein unorganisierter Täter war und er schlug zu, wann er es für richtig hielt und er sich, auf seine Art, sicher fühlte. Die früheren Taten, Smith und Tabram, könnten sehr nahe an seinem Wohnsitz gelegen haben und Taten in Nähe des Wohnortes können sich wiederholen, gerade bei dieser Art Täter. Er machte sich sicherlich Gedanken und musste auf Umstände reagieren aber doch sicherlich nicht so, wie ein gesünderer Täter, ich denke, da traust du ihm zuviel zu. Dieser Mann durchstreifte stundenlang die Straßen eines bestimmten Gebietes und wer weiß, welche Dinge er noch zu erledigen hatte. Cox sagte: He occupied several shops in the East End und Sims gab an: was the sole occupant of certain premises in Whitechapel after night-fall. Von Cox wissen wir, dass sein Mann recht schnell im Shop in der Leman Street landete und sich dort für ca. 15 Minuten aufhielt. Waren all diese "Shops" und "Premises" so nahe, könnte es schon länger gedauert haben, sich aus einem relativ engen Gebiet zu entfernen. Vor allem denke ich, dass er selten den Mut aufbrachte, relativ schnell zuzuschlagen, was er hätte können, und das Morden hinauszögerte. Einfach auch deshalb, weil es später des Nachts auch ruhiger wurde, wie man das auch immer für die Lebensumstände damals beschreiben möchte. In diesen Köpfen laufen Filme ab und es ist gut möglich, dass er sich zumindest in erster Zeit nach dem Verlassen seines Wohnsitzes, nahe an dessen auch aufhielt, vielleicht zusätzlich gebunden durch bestimmte, ihm übertragende Aufgaben. Es war vielleicht auch eine Art Ritual, ein Mutsammeln, sich erst einmal nicht allzu weit zu entfernen. In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch einmal darauf hinweisen, dass bis auf Stride, alle anderen Opfer, ich bleibe mal bei Tabram bis Kelly, oberhalb (nördlich) der großen Haupstraße aufgefunden wurden. Der Stride- Tatort, eine zeitlich frühe Attacke, als auch der Cox Hinweis auf die Leman Street (schnell erreichbar), beschreiben Orte unterhalb (südlich) der Whitechapel Hauptstraße. Da kann man schon in Betracht ziehen, dass der Täter eben südlich der Haupstraße zu finden war und das Stride ein Opfer war, was sich ebenfalls dicht an seinen Wohnort befand, wie vielleicht schon vorher mit Smith und Tabram, die aber auf jeden Fall nicht so weit entfernt lagen wie Nichols, Chapman, Eddowes und Kelly.

Die Opfer wurden meist spät ermordet, Stride viel früher. Das ist schon irgendwie ungewöhnlich in der Serie der K5. Und ein Ansatz könnte sein, dass der Täter nicht allzu weit von seiner Basis entfernt war. Zählt man Smith und Tabram dazu, besteht die Möglichkeit, dass er schon vorher in der Nähe seiner Basis agierte aber schon etwas weiter entfernt und im Falle von Smith, gar schon auf dem Rückweg zu seiner Basis gewesen war. Aber all diese Profile, egal ob psychologisch, geographisch oder zeitlich, sind sehr komplex und keine exakte Wissenschaft, wie bereits treffend von den Experten selber formuliert wurde. Es sind in erster Linie Hilfsmittel, die es bestmöglich zu nutzen gilt.

Ich will dir deine Idee mit Cox und Levy nicht nehmen, denke aber, da ist diesbezüglich einiges in der Pipeline, was darauf hindeuten wird, dass auch Cox über Kosminski sprach. In seinem Falle wird dann auch Aaron Kozminski als jener Mann deutlicher, denn offenbar soll es wirklich so sein, dass Cox einen wichtigen Informanten in der Greenfield Street hatte, nur 5 Türen entfernt von Isaac Abrahams und Matilda Lubnowski. Das angesprochene zeitliche Profil wird dabei aber dann auch interessanter, weil Stride, als zeitlich frühes Opfer, in unmittelbarer Nähe zu finden ist, an einem Ort, an dem Woolf Abrahams zur Zeit des Mordes lebte (Providence Street) bzw. gar einmal direkt lebte (1882 neben dem Dutfields Yard) und die Greenfield Street nur 3-4 Minuten davon entfernt lag. Erste, mutmaßliche Opfer wie Smith und Tabram, kommen der Greenfield Street dann am nächsten aber dann entfernen sich die Tatorte Nichols, Chapman, Eddowes und Kelly immer weiter.

Der Ripper lebte in einer sehr kleinen Welt, gedanklich als auch geographisch, im Gegensatz zu vielen anderen Serientätern. Aber wie so oft in dieser Welt, ist es im Kleinen nicht anders als im Großen und ich denke, so sollte man auch die verschiedenen Profile betrachten.

Ich bekomme schon mit, dass dort einiges an neuen Informationen vorhanden sein wird und muss aber auch gestehen, dass ich nicht alles erfahren soll, so mein Eindruck. Das ist auch okay. Da muss ich mich, wie jeder andere auch, gedulden.

Ich will dir da nichts wegnehmen, es soll eben nur ein Hinweis darauf sein, mit Cox in deinen Berechnungen etwas offener zu sein. Es könnte eben gut sein oder besser denn je, dass er nicht über Levy sprach.

Hoffe, du nimmst mir das nicht übel, ich bin ja auch in der Situation eher abwarten zu müssen.

Für mich war stets die Idee mit seiner Flucht in der Nacht des Double Events besonders interessant. Via Church Lane und Goulston Street sah ich ihn eher im Bereich der Osborn Street bzw. nahe des George Yard, den mutmaßlichen frühen Opfern Smith und Tabram. Ich halte das für gut aber es ist wohl eher wertlos.

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 25.12.2016 17:48 Uhr
Hallo Lestrade!

War bisher ein besinnliches Weihnachten, wir machen uns keine großen Geschenke.
Allerdings werde ich mir im neuen Jahr die Neuauflage von Schachners Buch gönnen. Bin mal auf die Aktualisierung gespannt.


Was das geographische Profil angeht:

Zitat
Der Täter ist ja nicht aus seinem Haus gerannt und schnell ab in die Buck´s Row. Bedenke Arthur, dass der Ripper ein unorganisierter Täter war und er schlug zu, wann er es für richtig hielt und er sich, auf seine Art, sicher fühlte. (...)
Dieser Mann durchstreifte stundenlang die Straßen eines bestimmten Gebietes und wer weiß, welche Dinge er noch zu erledigen hatte. 

Damit beschreibst du ja genau das, was ich meinte, als ich sagte: Wir können von der Uhrzeit der Taten keine plausible Korrelation zur Nähe seiner "Operationszentrale" ableiten.
Du widerspricht doch damit selbst der These, dass eine frühere Tatzeit eine größere Nähe zu seiner Zuflucht vermuten lässt.
Vielmehr bestätigt das doch meine Ansicht, dass in einem so kleinen, fußläufigen Wirkungsbereich es viel stärker von anderen Faktoren (z.B. Glück bei der Opfersuche) abhängt, wann er zugeschlagen hat, als von der Länge des Weges zum Tatort.
Nochmal zur Veranschaulichung der Größenordnung: Die Tatzeiträume differieren um rund fünf Stunden - die Unterschiede der Wegzeiten in seinem Wirkungsbereich machen nur wenige Minuten aus.


Zitat
Da verstehe ich dich nicht! Einerseits sind Canter und Co. für dich wichtig aber bei andere Experten, auf die sich auch berufen wird, wird es dann plötzlich zur Kaffeesatzleserei. 

Ich sage ja nicht, dass sie m.E. grundsätzlich falsch liegen mit der These von der Korrelation Tatzeit-Täternähe.
Ich bin lediglich der Ansicht, dass sie in diesem speziellen Fall nicht anwendbar ist.

Im Allgemeinen ist der Wirkungskreis von Serienmördern spätestens ab der Jahrhundertwende - insbesondere dank moderner Verkehrsmittel - doch viel größer als damals bei JTR. Man kann sagen, dass JTR in dieser Hinsicht eher untypisch ist.
Wenn man mehrere oder gar viele Kilometer und damit Zeiträume im Stundenbereich zwischen den Tatorten hat, dann stellt die notwendige "An- und Abreise-Zeit" tatsächlich einen wichtigen Faktor dar, um Korrelationen mit den Tatzeiten und Zeitfenster zu erstellen, um plausible Weg-Zeit-Relationen für den Täter zu ermitteln: Ginge das noch zeitlich, wenn er am anderen Ende seines Wirkungsbereichs angesiedelt wäre oder müsste er doch eher näher an Tatort X wohnen? Müsste er für Tatort X nicht früher aufbrechen, als wegen bestimmter Restriktionen möglich wäre? Müsste seine Zuflucht nicht näher sein, um rechtzeitig aus der Öffentlichkeit verschwinden zu können usw.?

Aber innerhalb dieser knappen Quadratmeile mit seinen paar hundert Metern bzw. wenigen Minuten Fußmarsch wäre es rein zeitlich betrachtet von praktisch jedem Ort innerhalb seines Wirkungskreises aus zu bewältigen gewesen. Daher lässt sich m.E. aus der frühen Uhrzeit der Tat keine größere Nähe zum Täter vermuten.

Von dem bereits erwähnten Problem einmal ganz abgesehen, das im Falle JTR eher das umgekehrte plausibel erscheinen lässt: Solange der Täter genug Zeit hat, kann er sich zu Fuß weiter weg bewegen - aber sobald es eng wird mit der Zeit, muss er was in seiner Nähe finden oder abbrechen.

Je früher die Morgenstunden bereits vorangeschritten waren, desto weniger Zeit blieb ihm, noch ein Opfer zu finden, die Tat zu begehen und wieder sicher zurückzukehren.
Wenn JTR erst spät los konnte, oder er lange herumgestreift war, ohne ein passendes Opfer zu finden, musste er sich beeilen: Dann gehen Täter i.d.R. an die Orte, die sie am besten kennen, und von denen sie schnell wieder zurück sind.
Dasselbe gilt für das knappe Zeitfenster beim Eddowes-Mord.


Zitat
Für mich war stets die Idee mit seiner Flucht in der Nacht des Double Events besonders interessant. 

Für mich auch - so bin ich ja zu ein paar wichtigen Aspekten seines geographischen Profils gekommen.
 
Gehen wir das Double Event nochmal durch:
JTR wird beim Stride-Mord kurz vor ein Uhr gestört und er flüchtet. Die Minuten seiner Flucht sind der Zeitraum, den er hatte, um sich wieder zu sammeln, zu entscheiden ob er abbrechen sollte oder es noch einmal probieren und sich für das nächste Jagdgebiet zu entscheiden.
Er läuft dabei höchstwahrscheinlich erst einmal in Richtung seiner Zuflucht - dies ist psychologisch plausibel: Was machen wir, wenn wir unter hohem Druck stehen? Wir begeben uns wieder auf sicheres Terrain, um den Druck zu verringern und die Kontrolle wieder zu erringen.
Er weiß, er hat jetzt nicht mehr viel Zeit: Wenn Strides Leiche gefunden wird, ist das East End wieder im Aufruhr, die Polizei und die Vigilanten werden durch die Straßen hetzen und jeden kontrollieren, die Bevölkerung wird auf jede verdächtige Erscheinung besonders sensibel reagieren.
 Er will weitermachen, muss also schnell ein neues Opfer finden. JTR entscheidet sich in der Kürze der Zeit für die Umgebung des Prostituiertentreffs bei St. Botolphs Church - warum? Vermutlich, weil er sich dort besonders gut auskannte und es ihm ermöglichen würde, hinterher schnell unterzutauchen. Wahrscheinlich hat er die Gegend deshalb bisher gemieden: Zu viele Leute dort, die ihn wiedererkennen könnten, zu nahe bei ihm. Aber jetzt ist der Drang, die Tat zu vollenden, größer als die Sorge vor dem Erwischtwerden.
Der Weg bis zur Umgebung Mitre Square dauert mindestens rund ein Viertelstunde (ohne Zwischenstopp in seiner Zuflucht), wenn er ein paar Haken schlägt, vielleicht zwanzig Minuten. Damit hatte JTR rund 10 Minuten, um ein Opfer zu finden und klar zu machen. Das ist ein knappes Zeitfenster - aber es hat geklappt. Daher liegt die Vermutung nahe, er wusste genau, wohin er ging und dass er dort wahrscheinlich schnell erfolgreich sein würde. Er hat es auch geschafft, die Beats der PCs abzupassen und die Tat zu vollenden - aber es war verdammt knapp, und jetzt müsste er von der Straße weg.
Er flieht in Richtung seiner Zuflucht, doch er hört die Pfeifen und Stiefel der Polizisten hinter sich. Es ist jetzt zu riskant, nach Hause zurückzukehren, also muss er weiter...

Ich würde mal sagen, das Geschehen beim Double Event zeugt von einem hohen Zeitdruck, unter dem JTR gestanden haben muss. Und wie ich bereits angeführt habe: Wohin begibt man sich, wenn man unter hohem Druck steht? Auf bekanntes Terrain.
Daher halte ich die geographischen Profile für plausibel und auch den Butcher's Row Suspect für bedeutend.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 25.12.2016 19:44 Uhr
War bisher ein besinnliches Weihnachten, wir machen uns keine großen Geschenke.
Allerdings werde ich mir im neuen Jahr die Neuauflage von Schachners Buch gönnen. Bin mal auf die Aktualisierung gespannt.

Oh, das kann ich nur empfehlen! Freue mich mit dir.

Was das geographische Profil angeht:

Damit beschreibst du ja genau das, was ich meinte, als ich sagte: Wir können von der Uhrzeit der Taten keine plausible Korrelation zur Nähe seiner "Operationszentrale" ableiten.
Du widerspricht doch damit selbst der These, dass eine frühere Tatzeit eine größere Nähe zu seiner Zuflucht vermuten lässt.

Wie genau beschreibe ich das und widerspreche der These?

Ich denke, man sollte nicht sicher in der Annahme sein, dass der Täter bewusst ganz logisch agierte. Denke, wir sind uns einig, dass es sich um einen Mann handelte, der psychisch sehr krank und sicherlich nur in minimaler Ausrichtung normales Verhalten gegenüber eines gesunden Menschen zeigte. Täter verraten sich durch unbewusste Handlungen, genau wie wir als nicht kriminelle Personen. Unbewusst wird Jack the Ripper sich bemüht haben, ich schreibe "bemüht", sich von seiner Basis von Tat zu Tat etwas weiter zu entfernen. Bei dem, was er für seine Taten hielt. Das könnte so sein, wenn Smith und Tabram zu seinen Opfern zählte. Nach ihnen, oder zumindest Tabram, wurden die Entfernungen etwas weiter und auch etwas später, Nichols und Chapman. Plötzlich nähert der Tatort sich wieder etwas dem Tabram Tatort und das wieder zu einem früheren Zeitpunkt, um sich dann wieder zu entfernen, Eddowes und Kelly. Da könnte durchaus ein Zusammenspiel zwischen Uhrzeiten und Entfernung der Tatorte von der Basis aus gesehen, eine Rolle spielen. Nehme doch das Beispiel von Cox:

Der Mann verlässt nach Einsetzen der Dunkelheit seinen Shop und ist zügig in der Leman Street und geht dann weiter runter nach St. George in the east, was sich an der Leman Street anschloß. Dort sprach er eine betrunkene Frau an. Danach ging es wieder hoch Richtung eines Model Lodging Houses und da es so geschrieben ist, dass man davon ausgehen kann, dass damit ein bekanntes gemeint sein könnte, war das entweder George Building in George Yard oder das in der Goulston Street. Wieder sprach er eine Prostituierte an und ging diesmal sogar ein Stück mit ihr. Dieser Verdächtige sprach kurz nach dem Dunkelwerden in ziemlicher Nähe seiner Basis eine Frau an. Etwas später und etwas weiter weg, ging er sogar mit der anderen Frau und wurde am Ende handgreiflich indem er sie wegstieß. Auch wenn dies nur eine kurze Sequence ist, könnte sie bedeuten, dass er zu einer frühen Uhrzeit eine Frau in seiner wohnlichen Umgebung ansprach. Und hier können wir das mit dem Double Event vergleichen. Denke wir uns Cox weg und sehen diese erste Frau als Opfer an, dann wäre sie räumlich und uhrzeitlich näher an seiner Behausung als die zweite Frau, die er weiter entfernt und zu einem späteren Zeitpunkt ansprach und die hätte zum Opfer werden können und in unserer Überlegung nun auch ist. Es wäre der Double Event noch einmal gewesen. Dieses Szenario schließt aber Jacob Levy erst einmal nicht aus, zumindest zu Beginn der Erfahrung jener Nacht, von der uns Cox mitteilte. Allerdings wären die Locations dieser Model Lodging Häuser, ein Tick zu dicht an Levys Adresse in der Middlesex Street. Der Verdächtige von Cox sollte etwas weiter davon, wenn vielleicht auch nicht viel, entfernt gewohnt haben. Andere Adressen von Levy passen da nicht, da Cox ja von "seinem Shop" sprach. Leider wissen wir ja auch nicht, wie weit er mit der zweiten Frau ging. Aber gut möglich, dass es der äußere Radius war, den wir mit Nichols, Chpaman und Kelly erkennen. Dann wurde es immer später und weiter. Ich kann mir gut vorstellen, dass er sich zunächst, zu frühere Stunde, in seiner Umgebung aufwärmte und dann, mit mehr Mut, sich von seiner Basis entfernte. Was es auch immer im Stride Szenario gewesen war, irgendetwas hat ihn dazu hinreißen lassen, zuzuschlagen, was ihn am Ende auch nicht wirklich erfolgreich sein ließ. Ein geistig gesünderer Täter hätte darauf verzichtet, wohlmöglich, aber ihn könnte das sogar "verraten" haben. 

Je früher die Morgenstunden bereits vorangeschritten waren, desto weniger Zeit blieb ihm, noch ein Opfer zu finden, die Tat zu begehen und wieder sicher zurückzukehren.
Wenn JTR erst spät los konnte, oder er lange herumgestreift war, ohne ein passendes Opfer zu finden, musste er sich beeilen: Dann gehen Täter i.d.R. an die Orte, die sie am besten kennen, und von denen sie schnell wieder zurück sind.
Dasselbe gilt für das knappe Zeitfenster beim Eddowes-Mord.

Aber Arthur, wir gehen doch davon aus, dass er das ganze Gebiet, dass relavant ist, in- und auswendig kannte oder nicht? Um ca. 3.45 Uhr fand man Nichols in der Buck´s Row. Bis zu Levys Adresse in der Middlesex Street, von der Bucks Row aus, ist es, im Vergleich zu Kosminski, die weiteste Entfernung aller K5. So schnell war er da nicht daheim und es war schon spät. Und er wird ja kaum danach in den Puff, der bei John Levy in der Whitechapel Road lief, gegangen sein, jedenfalls nicht unmittelbar. Also schnell und sicher zurücksein, in diesem Falle? Oder verstehe ich das falsch?


Gehen wir das Double Event nochmal durch:
JTR wird beim Stride-Mord kurz vor ein Uhr gestört und er flüchtet. Die Minuten seiner Flucht sind der Zeitraum, den er hatte, um sich wieder zu sammeln, zu entscheiden ob er abbrechen sollte oder es noch einmal probieren und sich für das nächste Jagdgebiet zu entscheiden.
Er läuft dabei höchstwahrscheinlich erst einmal in Richtung seiner Zuflucht - dies ist psychologisch plausibel: Was machen wir, wenn wir unter hohem Druck stehen? Wir begeben uns wieder auf sicheres Terrain, um den Druck zu verringern und die Kontrolle wieder zu erringen.
Er weiß, er hat jetzt nicht mehr viel Zeit: Wenn Strides Leiche gefunden wird, ist das East End wieder im Aufruhr, die Polizei und die Vigilanten werden durch die Straßen hetzen und jeden kontrollieren, die Bevölkerung wird auf jede verdächtige Erscheinung besonders sensibel reagieren.
 Er will weitermachen, muss also schnell ein neues Opfer finden. JTR entscheidet sich in der Kürze der Zeit für die Umgebung des Prostituiertentreffs bei St. Botolphs Church - warum? Vermutlich, weil er sich dort besonders gut auskannte und es ihm ermöglichen würde, hinterher schnell unterzutauchen. Wahrscheinlich hat er die Gegend deshalb bisher gemieden: Zu viele Leute dort, die ihn wiedererkennen könnten, zu nahe bei ihm. Aber jetzt ist der Drang, die Tat zu vollenden, größer als die Sorge vor dem Erwischtwerden.
Der Weg bis zur Umgebung Mitre Square dauert mindestens rund ein Viertelstunde (ohne Zwischenstopp in seiner Zuflucht), wenn er ein paar Haken schlägt, vielleicht zwanzig Minuten. Damit hatte JTR rund 10 Minuten, um ein Opfer zu finden und klar zu machen. Das ist ein knappes Zeitfenster - aber es hat geklappt. Daher liegt die Vermutung nahe, er wusste genau, wohin er ging und dass er dort wahrscheinlich schnell erfolgreich sein würde. Er hat es auch geschafft, die Beats der PCs abzupassen und die Tat zu vollenden - aber es war verdammt knapp, und jetzt müsste er von der Straße weg.
Er flieht in Richtung seiner Zuflucht, doch er hört die Pfeifen und Stiefel der Polizisten hinter sich. Es ist jetzt zu riskant, nach Hause zurückzukehren, also muss er weiter...

Ich würde mal sagen, das Geschehen beim Double Event zeugt von einem hohen Zeitdruck, unter dem JTR gestanden haben muss. Und wie ich bereits angeführt habe: Wohin begibt man sich, wenn man unter hohem Druck steht? Auf bekanntes Terrain.
Daher halte ich die geographischen Profile für plausibel und auch den Butcher's Row Suspect für bedeutend.

Den Zeitdruck kann man sicherlich unterschiedlich bewerten. Wir sprechen hier von einem zwanghaften und in kurzen Abständen mordenden Serienkiller auf kleinem Gebiet. Dieser Mann sollte ohnehin paranoid gewesen sein. Zeit hatte er sicherlich keine mehr, sonst wäre sein Radius auch größer gewesen. Ich denke, es fiel ihm ohnehin schwer, sich im Zaum zu halten. Er fühlte sich gehetzt, auch durch unterschiedliche gefühle wie Lust, Freude aber eben auch Angst und das galt es auch noch vor allen anderen zu verbergen. Und hier noch einmal, dass war für ihn alles bekanntes Terrain. Die Entscheidung wohin es nun geht, mit dieser Mordlust, hängt sicherlich nicht nur mit einer sicheren Adresse zusammen. Tabram war mittig, Nichols im Osten, Chapman im Norden und nun Stride im Süden. Eine Option wäre auch, dahin zu gehen, wo er noch nicht agiert hatte und das war der Westen, der Tatort von Eddowes. Nehme Kosminski als einen der Hauptverdächtigen. Der Mord fand in unmittelbarer Nähe seines Bruders Woolf statt. Hinter dem Dutfields Yard wohnten eventuell andere Angehörige (Lubnwoskis in Batty Gardens). War er der Täter, entfernte er sich aus gutem Grunde aus der Gegend, gerade dann, wenn er bei Woolf wohnte. Hier ging der Täter nicht nach Hause sondern entfernte sich weiter und ging auch nicht unmittelbar nach der Tat im Mitre Square heim, was wir an der Goulston Street erkennen. Er hätte wissen können, dass die Polizei unmittelbar Befragungen in der Gegend durchführen wird und dazu gehörte auch der Haushalt seines Bruders Woolf. Das alles wäre auch eine Form von Zeitdruck im Zusammenspiel mit anderen Konstellationen. Ich verstehe schon was du meinst, aber nach Stride in Richtung Heim zurückzukehren und dann die Middlesex Street mit einem Tatort (Eddowes) und einem Schürzenteil (in der Nachbarstraße) einzukreisen wäre ja auch nicht sinnig. Aber es könnte eine Spur oder eine Überlegung gewesen sein, ganz klar.

Ich versuche diese Dinge ja auch nur zu verstehen, mit einer kräftigen Portion Ehrlichkeit zu mir selbst. Bei solchen Profilen und Ansichten liegt die Wahrheit immer im Detail. Swanson hatte immerhin auch Smith und Tabram als mögliche Opfer angesehen. Sie lagen im Zentrum des Opferprofils. Betrachte ich die Greenfield Street als jene Straße, in der Cox observierte, nähert sich der Tatort Stride dem wieder etwas an und das zu einer früheren Uhrzeit. Nichols, Chapman, Eddowes, Kelly lagen etwas entfernter, wenn man das so sagen kann. Die Flucht vom Mitre Square führt via Goulston Street wieder in dieses Zentrum zurück. Das lässt für mich erkennen, dass dabei die Middlesex Street etwas aus dem Fokus gerät. Dieses Zusammenspiel, auch zeitlich plus der Bericht von Cox, lässt vermuten, dass die Basis des Rippers eher nord- bzw. südöstlich der Leman Street lag. Letztendlich reden wir hier nur von wenigen Straßen die es zu überwinden galt und müssen davon ausgehen, dass der Ripper Zugang zu den verschiedensten Lokalitäten während der Nacht in diesem Gebiet hatte. Das könnte auch Einfluss auf die Zeitthese bzw. auf das geographische Profil gehabt haben. Dazu kommt nun, dass Cox auch später observiert haben könnte als "drei Monate nach Kelly" und das nicht nur, weil er davon sprach, dass der Verdächtige "größere Zeiten in einer Anstalt in Surrey verbrachte", was wiederum nach März 1889 stattgefunden haben sollte. Möglicherweise gibt es Indizien, dass Cox in der Greenfield Street bezüglich des Ripper Falles war, als Jacob Levy bereits in Stone war. Das muss ich auch in meine Levy- Überlegungen mit einbinden aber da bin ich momentan genauso schlau wie du. Es gilt abzuwarten. Für mich ist auf den ersten Blick das geographische Profil von Jacob Levy auch interessant auch wenn ich finde, dass die Tatorte Chapman, Eddowes, Kelly und die "Goulston Street" (aber nicht Tabram) zu eng um ihn herumgeschnitten sind, etwas zu eng.

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 26.12.2016 11:46 Uhr
Hallo Lestrade!


Zitat
Wie genau beschreibe ich das und widerspreche der These?   

Du hast zurecht geschrieben, dass JTR ein unorganisierter Täter war, der "stundenlang die Straßen eines bestimmten Gebietes durchstreifte" und "zuschlug, wann er es für richtig hielt und er sich, auf seine Art, sicher fühlte". Und du hast zurecht angeführt: "wer weiß, welche Dinge er noch zu erledigen hatte".

Kurz, du hast damit klar gesagt:
Wir wissen nicht, wann er loszog. Wir wissen nicht, ob er jedes mal zur gleichen Zeit loszog. Wir wissen nicht, wie lange er in den einzelnen Tatnächten jeweils schon durch die Straßen gezogen war, bevor er ein passendes Opfer in einer passenden Situation fand... Das kann alles sehr stark zeitlich schwanken - und zwar um Stunden.
Daher gibt es keinerlei Anhaltspunkte über eine mögliche Korrelation zwischen Uhrzeit und Tatortnähe.

Zumal JTR ja in einem kleinen Gebiet unterwegs war, dass in knapp einer halben Stunde durchschritten werden konnte. Er lief also nicht stundenlang in eine Richtung, dann hätte er schnell die Grenzen des East Ends erreicht. Was bedeutet, dass er bei längeren Touren kreuz und quer oder gar im Kreis lief (und zudem irgendwann den Heimweg antrat): Aus diesem trivialen Grund kann er auch zu einer späteren Tatzeit näher an seinem Ausgangspunkt gewesen sein als zu einer früheren...


Zitat
Ich denke, man sollte nicht sicher in der Annahme sein, dass der Täter bewusst ganz logisch agierte. 

Nun, ich habe ja auch mehr pragmatisch und psychologisch argumentiert. Für meine These zum Double Event braucht ein Täter nicht auf höherem Niveau abstrakt logisch zu denken, dazu genügt einfach ein bisschen Instinkt und ein gewisses Talent für pragmatisches Handeln.


Zitat
Dieser Verdächtige sprach kurz nach dem Dunkelwerden in ziemlicher Nähe seiner Basis eine Frau an. Etwas später und etwas weiter weg, ging er sogar mit der anderen Frau und wurde am Ende handgreiflich indem er sie wegstieß. Auch wenn dies nur eine kurze Sequence ist, könnte sie bedeuten, dass er zu einer frühen Uhrzeit eine Frau in seiner wohnlichen Umgebung ansprach. Und hier können wir das mit dem Double Event vergleichen. Denke wir uns Cox weg und sehen diese erste Frau als Opfer an, dann wäre sie räumlich und uhrzeitlich näher an seiner Behausung als die zweite Frau, die er weiter entfernt und zu einem späteren Zeitpunkt ansprach und die hätte zum Opfer werden können und in unserer Überlegung nun auch ist. Es wäre der Double Event noch einmal gewesen. 

Also erstens wissen wir nicht genau, wie weit der Verdächtige schon gegangen war, bevor er die erste Frau ansprach - also ist es nur eine Vermutung, dass es auch noch in seiner "wohnlichen Umgebung" geschehen sein könnte. Ich halte es nach dem Bericht von Cox für eher unwahrscheinlich.
Außerdem ist das mit Analogien so eine Sache: Cox beschreibt eine einzige nächtliche Tour - ob und inwiefern diese typisch für den Verdächtigen war oder ob sie von den Tatnächten abwich, wissen wir nicht. Jedenfalls führt sie bereits in eine andere Richtung als sonst: die Leman Street hatte JTR zuvor noch nicht als Hauptachse genutzt, und er war zuvor auch noch nicht in Richtung der Docks gezogen.
Zweitens stellt diese Tour eine völlig andere psychologische Situation dar, denn beim Double-Event hatte JTR bereits einen Mord begangen, der bald für Aufruhr sorgen würde. Sich in dieser Lage noch weiter von seiner Zuflucht wegzubewegen, statt wieder darauf zu, ist psychologisch extrem unwahrscheinlich.


Zitat
Aber Arthur, wir gehen doch davon aus, dass er das ganze Gebiet, dass relavant ist, in- und auswendig kannte oder nicht? 

Selbst wenn man in einem Stadtviertel aufgewachsen ist, gibt es dort immer Ecken, die man besser kennt als andere und die man aus bestimmten Gründen bevorzugt oder lieber meidet.


Zitat
Um ca. 3.45 Uhr fand man Nichols in der Buck´s Row. Bis zu Levys Adresse in der Middlesex Street, von der Bucks Row aus, ist es, im Vergleich zu Kosminski, die weiteste Entfernung aller K5. So schnell war er da nicht daheim und es war schon spät. Und er wird ja kaum danach in den Puff, der bei John Levy in der Whitechapel Road lief, gegangen sein, jedenfalls nicht unmittelbar. Also schnell und sicher zurücksein, in diesem Falle? Oder verstehe ich das falsch?   

Nun ja, erstens war es noch nicht so spät, dass es auf dem Rückweg bereits hell geworden wäre - es sind weniger als 20 Minuten bis zum westlichen Hotspot des GeoProfils. Jedoch könnte JTR in dieser Nacht durchaus zu dem Entschluss gekommen sein: So weit bis zum Strich am London Hospital laufe ich nicht wieder... Danach verlagerte er seine Aktivitäten ja auch mehr Richtung Westen.

Zweitens: Falls Levy JTR war, so kannte er die Ecke rund um seine alte Adresse in der Fieldgate Street und um John Levys Shop besonders gut - selbst wenn er keine Möglichkeit gehabt haben sollte, irgendwie, irgendwo in der Nr. 254 Unterschlupf zu finden, könnte er um ein Versteck in diesen Häuserblöcken gewusst haben.
Wenn man den Wirkungsbereich JTRs geometrisch betrachtet, so sieht er wie eine Ellipse aus mit ihren zwei Brennpunkten F1 in der Nähe der Middlesex Street und F2 an der Whitechapel Road etwas östlich der Fieldgate Street. Daher vermute ich, JTR hatte diese zwei Zentren als Ausgangspunkte bzw. Operationsbasen.


Zitat
Letztendlich reden wir hier nur von wenigen Straßen die es zu überwinden galt und müssen davon ausgehen, dass der Ripper Zugang zu den verschiedensten Lokalitäten während der Nacht in diesem Gebiet hatte.

Da stimme ich dir zu, s.o. Zweitens.


Zitat
Den Zeitdruck kann man sicherlich unterschiedlich bewerten. Wir sprechen hier von einem zwanghaften und in kurzen Abständen mordenden Serienkiller auf kleinem Gebiet. Dieser Mann sollte ohnehin paranoid gewesen sein. Zeit hatte er sicherlich keine mehr, sonst wäre sein Radius auch größer gewesen. 

Wieso hätte JTR seinen Radius größer anlegen sollen? Seine bevorzugten Opfer waren alle direkt vor seiner Haustür, hier kannte er sich aus und war schnell wieder von der Straße.
Und genau dies meine ich mit Zeitdruck: Nach der Tat so schnell wie möglich, insbesondere aber vor der aufgescheuchten Polizei, vor Sonnenaufgang bzw. vor dem Start des Berufsverkehrs wieder von der Straße in Sicherheit zu sein.


Zitat
Für mich ist auf den ersten Blick das geographische Profil von Jacob Levy auch interessant auch wenn ich finde, dass die Tatorte Chapman, Eddowes, Kelly und die "Goulston Street" (aber nicht Tabram) zu eng um ihn herumgeschnitten sind, etwas zu eng. 

Also, erst ist dir der Nichols-Tatort zu weit weg, und jetzt sind dir die anderen zu eng, zu nah zusammen... du musst dich schon mal entscheiden.
Außerdem dachte ich, JTR hätte keine Zeit und agiere sowieso irrational. ;-)

Scherz beiseite:
Meine These ist ja, dass JTR gar nicht so planlos umherirrte. Er kannte das Viertel, also kannte er auch die Zentren des Straßenstrichs und wird sie vermutlich nacheinander abgeklappert haben, bis er ein passendes Opfer in einer passenden Situation fand.
Nichols traf er in der Nähe des Prostituiertentreffs London Hospital / Whitechapel Station, Chapman in der Nähe Christ Church / Ten Bells Pub, Eddowes in der Nähe von St. Botolphs und Kelly war ebenfalls in der Nähe Christ Church.
Im Falle Stride könnte er einfach vor seiner "Jagdzeit" beim Berner Street Club gewesen sein und sie zufällig dort getroffen haben - dann wäre die frühe Tatzeit reiner Zufall.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 26.12.2016 17:35 Uhr
Hallo Arthur!

Vorab, es ist mit mehr Risiko verbunden, Jacob Levy mit dem Mann in Verbindung zu bringen, den Cox observierte als ihn mit Kosminski zu vergleichen. Cox sprach von einem Mann, der bestimmte Zeiten in einer Anstalt in Surrey verbrachte und der verschiedene Shops im East End besetzte. In seiner Beschreibung einer Nacht, war das erste Ziel nach der Leman Street der Bereich St. George in the east. Dieser Bereich schließt sich an die Leman Street an und war der Bereich in dem die Familie von Aaron Kozminski lebte. Er beschreibt seine Straße als eine Straße mit Schneidern und Hutmachern. Diese sollten aufgrund seiner Aussagen hauptsächlich mit jenen besetzt gewesen sein. Middlesex Street war keine solche Straße. Die Straße von Isaac Abrahams und Matilda Lubnowski war eine solche Straße, die Greenfield Street. Zu diesem Bereich St. George in the east gehörte u.a. die Greenfield Street (Isaac & Matilda), die Providence Street und die Yalford Street (jeweils Woolf Abrahams), die Batty Street (blutige Wäsche) sowie der Tatort Stride/ Dutfields Yard in der Berner Street. Stride wurde im Bereich St. George in the east ermordet und die erste Frau, die der Verdächtige von Cox ansprach finden wir eben in St. George in the east. Erst danach ging er weiter in Richtung eines Model Lodging Houses, welches es auch nun immer war. Es ist vollkommen egal, wie lange er nun brauchte, um diese Frau anzusprechen, nach dem Shop in der Leman Street brauchte er nur eine Straße weitergehen, um in St. George in the east zu sein. Da er aber offenbar sehr schnell in der Leman Street war, lag sein Shop nicht weit davon entfernt. Zu seinem Wohnsitz sollte es von St. George in the east nicht weit gewesen sein. Er war immer noch in dem Radius in dem er wohnhaft war. Cox sprach davon, dass er wartete, bis der Verdächtige seinen Shop verlassen hatte und ihm dann folgte und zwar von seinem Observationspunkt gegenüber des Shops des Verdächtigen aus. Aber, wie oft erwähnt, die Middlesex Street war eben keine typische Straße mit Schneidern. Cox verschiedene Shops passen eben auch zu Sims, via Macnaghten, dass der Ripper Verdächtige Kosminski der einzige Anwesende bestimmter Räume nach Einbruch der Dunkelheit war. Cox sprach von einer Anstalt in Surrey und wir wissen, dass Kosminski ca. März 1889 in eine Anstalt kam und von Anderson wissen wir, dass er identifiziert wurde, während er in einer Anstalt war und Swanson bestätigt uns, dass die City Police Kosminski überwachte, zu der Einheit zählen eben auch Cox und Sagar. Außerdem wissen wir ,via der Swanson Familie, dass Kosminski außerhalb Londons untergebracht wurde und das passt zur Cox´ Surrey Bemerkung. Zusätzlich gibt es keinen Grund, Aussagen von Macnaghten, Anderson und Swanson auf Levy zu beziehen, noch gibt es irgendein Indiz, dass Cox über Levy sprach. Die aufgeführten Dinge gehen eher in die Richtung von Kosminski, wobei wir auch da nicht wissen, ob Kosminski gemeint ist. Ohne nun etwaige neue Erkenntnisse mit einzubeziehen, war ein Informant für Cox in einem Fall, verbunden mit der Greenfield Street, ein gewisser Joseph Tragheim, fünf Türen von den Geschwistern von Aaron Kozminski entfernt wohnend. Dieser wurde auch von Sagar einmal verhaftet. Sagar selbst befand sich im Dezember 1890 bei einer Observation gegenüber der Butchers Row. Die Angelegenheit bei Cox fand auch Ende 1890 statt. Beides Zeitpunkte, an denen Jacob Levy bereits in Stone war aber jener Aaron Kozminski kurz vor seiner Einweisung in Colney Hatch stand und auch ein Zeitpunkt, der nahe an der Seaside Home Identifikation stand. Es ist aufgrund dieser Dinge wahrscheinlicher, dass Cox über Kosminski sprach und nicht über Jacob Levy, welcher niemals, offiziell bekannt, Erwähnung findet.

Nun haben wir bereits oft über diese Dinge diskutiert und müssen aber auch differenzieren zwischen den bekannten Information über Kosminski/ Aaron Kozminski, Jacob Levy, von Cox, Sagar, Macnaghten, Anderson, Swanson, Sims und Griffiths usw. Ich denke, die Aussagen von Macnaghten, Anderson, Swanson, Sims und Griffiths haben nichts mit Jacob Levy zu tun, dass sind Angaben, die man eher, wenn nicht ganz klar, für Kosminski verwenden kann. Es bleiben die Beamten Cox und Sagar. Da haben wir zumindest die Information, dass Sagar im Dezember 1890 gegenüber der Butchers Row war und die Information von Cox, der von Schneidern sprach, vor denen er sich zum Anfang in acht nehmen musste. Und die Möglichkeit, dass es die Middlesex Street war, ist eher geringer. Wir sehen auch bei Cox, wie bei Sagar, dass er kurz vor der Einweisung von Aaron Kozminski nach Colney Hatch mit einem Fall in der Greenfield Street verbunden war und wir wissen, dass City Beamte dort observierten. Es fällt eben auf, dass Sagar über Jack the Ripper in der Butchers Row sprach. Er war auch einmal dort aber eben im Dezember 1890. Es fällt auf, dass Cox mit der Greenfield Street verbunden war, zusammen mit Sagar, wohl kurz vor der Observierung in der Butchers Row. Aber eben alles zu Zeitpunkten, an denen Levy bereits in Stone war. Wenn wir hier bei unseren Verdächtigen, Levy und Kosminski, jeweils Cox und Sagar ins Spiel bringen, ist das alles dichter an das dran, was wir über Kosminski wissen als das, was Levy betrifft. Mein Interesse an Levy bezieht sich auf seinen Beruf, auf Stone, die Goulston Street und auf den Zeugen Joseph Hyam Levy, welcher jedoch auch mit einem Kozminski verbunden war. Es bezieht sich auch auf seinen Wohnsitz, der noch im geographischen Profil liegt und auf seine Psyche. Auch schätze ich, irgendwie, dass er auf den Zetteln der Beamten stand. Dennoch muss ich, aus meiner Sicht, trotz aller Verlockungen bei Sagar und Cox, zugestehen, dass es mehr in Richtung Kosminski geht als Levy, nachdem, was ich weiß. Die Angaben der weiteren Beamten bzw. Personen, haben wohl kaum etwas mit Levy zu tun. Da sehe ich Levy mit den eben angegebenen Dingen zwar interessant an aber ich kann ihn Cox und Sagar nicht so aufs Auge drücken, wie Kosminski. Aber es ist legitim darüber zu spekulieren. Ich denke, du wirst das noch so oft wiederholen können, wie du magst aber es wird keine Bestätung geben, dass Cox über Levy und die Middlesex Street sprach. Vielleicht liegen die Chancen bei Sagar aber etwas höher, was eben auch ein großer Erfolg wäre. Levy ist ein weitaus würdigerer Verdächtiger als die meisten anderen aber es lag auch auf der Hand, dass man einen solchen finden würde. Ich sehe das Problem darin, Arthur, dass dies der Status Quo bei Levy bleiben wird. Ein Problem in der Ripperologie, dass nur wenig Änderung erfährt. Ich denke, du hast das gut durchdacht, wie ich selbst oder andere vor uns. Aber was ist das wert, wenn nichts passiert oder etwas anderes gefunden wird? Was kannst du selbst tun? Immer wieder eine Karte posten und krampfhaft daran festhalten? Immer wieder die Szenarien durchspielen und hoffen, dass dies alles passt? Bei mir entsteht gerade der Eindruck, dass dich die Zeitthese sehr verunsichert, weil es gegen Levy geht. Die Idee, dass je früher ein Mord stattfindet, desto näher der Wohnort liegt wäre ein schlechter Unterstützer der Levy Theorie, da Chapman, Kelly als auch Eddowes recht nahe an seiner Adresse lagen und Kelly als auch Chapman recht spät den Tod fanden. Ein Täter, der mehr als einmal auf dem Weg nach Hause mordet klingt nicht wirklich logisch. Das kann sicherlich einmal passieren, klar. Dazu, dass er das Schürzenteil zurückließ oder als Ablenkung legte, wie auch immer, obwohl er damit rechnen musste, dass man auch nach dessen Fund, in seinen Shop um die Ecke kommt und Fragen stellt, alles in diesen Zusammenhängen ist zumindest fragwürdig. Das kann man alles wahrnehmen und interessant finden (tue ich auch) aber meine Frage ist, was willst du in Zukunft tun? Was möchtest du noch herausfinden und wie? Was wird passieren? Ich stecke ja in einer ähnlichen Situation wie du aber ich weiß, dass eine Menge Leute an der Kosminski Sache arbeiten und es wird in Zukunft, wie auch in der Vergangenheit wieder Neuigkeiten geben. Ohne dich hier, hätte ich in den letzten Monaten viel, viel weniger geschrieben, weil durch das ständige Wiederholen der gleichen Sachen, das ganze nicht besser wird. Leider sind wir ja auch kein vielfältiges Forum. Und du siehst ja auch, wer antwortet denn auf unsere Post außer wir gegenseitig? Dein "Hallo an alle" ohne nennenswerte Reaktionen, ist dir das nicht mittlerweile auch zuviel? Vielleicht liege ich falsch, aber Levy und Kosminski in ihren ständigen Wiederholungen durch uns beide, ist fatal für etwaige Forumsinteressenten. Es ist ja kaum noch Raum für anderes. Außerdem wissen wir immer alles besser, wenn auch mit guter Absicht ausgestattet. Nimm mir das nicht übel Arthur, aber du wirkst mit der Zeit immer verkrampfter auf mich und ich bin ehrlich, dass ich dir meistens nur antworte, weil ich dein Engagement, deine Denkweise, dein Thema Levy und deine Fähigkeit zu verzeihen, wenn es mal nicht so gut lief, wirklich sehr schätze aber vor allem, weil ich dich nicht alleine stehen lassen will und nicht, weil ich dazu von mir selbst aus Lust habe. Klar, war das natürlich auch inspirierend und somit auch lohnenswert. Ich muss mich aber selber fragen, ob das der Weg ist, den ich benötige. Ich habe, denke ich, schon andere gefunden. Außerdem fühle ich mich schon so tief in der Ripperologie, dass es mir, man mag es glauben oder nicht, schon vollkommen egal ist, wer der Ripper war. Andere Interessierte werden es nachvollziehen können. Ich wünsche mir für dich, dass du mit anderen ins Gespräch kämst, nicht nur meistens mit mir. Vermutlich stecken wir in unterschiedliche Stadien und das kann zu einer Atmosphäre führen, die verdrossen wirken kann und das möchte ich nicht. Ich denke, wir haben es auch beide nicht nötig, kleinliche Diskussionen zu führen. Wir haben Weihnachten und ich frage mich, was ich gerade hier mache. Ich antworte dir, weil du mir irgendwie leid tust, im positiven Sinne. Ich bräuchte das garnicht. Deshalb ist das auch nicht wirklich richtig. Aber da ich denke, dass du ein feiner Kerl bist...

Ich hoffe, du schätzt meine Ehrlichkeit und weißt, dass dies nichts persönliches ist. Es liegt mir fern, deine Gefühle zu verletzten. Du hast meine Hochachtung. Ich denke, es war Isdrasil hier im Forum, mit dem ich mal die Absprache hatte, "Stop" zu sagen, wenn eine Diskussion, wie soll ich sagen, zu versacken beginnt. Für mich wird das gerade hier zu sehr ein "sich verteidigen". Ich denke, alles was hier steht, hat seine Berechtigung, egal um was es geht. Vielleicht finden wir einen guten Abschluss?

Nun aber zu meinen Antworten:

Zitat
Für mich ist auf den ersten Blick das geographische Profil von Jacob Levy auch interessant auch wenn ich finde, dass die Tatorte Chapman, Eddowes, Kelly und die "Goulston Street" (aber nicht Tabram) zu eng um ihn herumgeschnitten sind, etwas zu eng. 

Also, erst ist dir der Nichols-Tatort zu weit weg, und jetzt sind dir die anderen zu eng, zu nah zusammen... du musst dich schon mal entscheiden.
Außerdem dachte ich, JTR hätte keine Zeit und agiere sowieso irrational. ;-)

Du schriebst vorher, siehe unten, " sobald es eng wird mit der Zeit, muss er was in seiner Nähe finden...", Nichols war nicht in seiner Nähe, sie war am weitesten entfernt und die Straßen erwachten bereits...

Die Theorie, dass ein Jacob Levy auf dem Weg zurück nach Haus eher, aufgrund deiner These, seine Opfer ermordete, weil es nun spät wurde und er schnell nach Hause musste passt dort nicht.

Von dem bereits erwähnten Problem einmal ganz abgesehen, das im Falle JTR eher das umgekehrte plausibel erscheinen lässt: Solange der Täter genug Zeit hat, kann er sich zu Fuß weiter weg bewegen - aber sobald es eng wird mit der Zeit, muss er was in seiner Nähe finden oder abbrechen.

Du hast zurecht geschrieben, dass JTR ein unorganisierter Täter war, der "stundenlang die Straßen eines bestimmten Gebietes durchstreifte" und "zuschlug, wann er es für richtig hielt und er sich, auf seine Art, sicher fühlte". Und du hast zurecht angeführt: "wer weiß, welche Dinge er noch zu erledigen hatte".

Kurz, du hast damit klar gesagt:
Wir wissen nicht, wann er loszog. Wir wissen nicht, ob er jedes mal zur gleichen Zeit loszog. Wir wissen nicht, wie lange er in den einzelnen Tatnächten jeweils schon durch die Straßen gezogen war, bevor er ein passendes Opfer in einer passenden Situation fand... Das kann alles sehr stark zeitlich schwanken - und zwar um Stunden.
Daher gibt es keinerlei Anhaltspunkte über eine mögliche Korrelation zwischen Uhrzeit und Tatortnähe.

Zumal JTR ja in einem kleinen Gebiet unterwegs war, dass in knapp einer halben Stunde durchschritten werden konnte. Er lief also nicht stundenlang in eine Richtung, dann hätte er schnell die Grenzen des East Ends erreicht. Was bedeutet, dass er bei längeren Touren kreuz und quer oder gar im Kreis lief (und zudem irgendwann den Heimweg antrat): Aus diesem trivialen Grund kann er auch zu einer späteren Tatzeit näher an seinem Ausgangspunkt gewesen sein als zu einer früheren...

Er wird ganz klar seine Routen gehabt haben, seine Pausen, seine Gespräche sein Stalken, sein Beobachten und er musste auf der Hut sein, nicht aufzufallen. Sein Jagdgebiet, dass sehen wir an den Opfern, war eindeutig oberhalb der Hauptstraße und dieses hätte er studenlang durchstreifen können, d.h. nicht, dass er permanent in Richtung seiner Basis nahe St. George in the east zurückging, geschweige denn bis vor die Haustür. Zu seinem modus operandi gehörte das Töten von Prostituierten in den frühen Morgenstunden in einem Gebiet oberhalb der Haupstraße. Stride fand man unterhalb darunter, eben zu einem früheren Zeitpunkt. Zu seinem m.o. gehörte das stundenlange nächtliche durchstreifen des Gebietes oberhalb von St. George in the east. Eine frühere Attacke, wie an Stride, eben in St. George in the east, lässt vermuten, dass er sich noch nicht allzuweit von seiner Basis entfernt hatte. St. George in the east war nicht sein primäres Jagdgebiet, eindeutig am geographischen Profil der Opfer zu erkennen.


Außerdem ist das mit Analogien so eine Sache: Cox beschreibt eine einzige nächtliche Tour - ob und inwiefern diese typisch für den Verdächtigen war oder ob sie von den Tatnächten abwich, wissen wir nicht. Jedenfalls führt sie bereits in eine andere Richtung als sonst: die Leman Street hatte JTR zuvor noch nicht als Hauptachse genutzt, und er war zuvor auch noch nicht in Richtung der Docks gezogen.
Zweitens stellt diese Tour eine völlig andere psychologische Situation dar, denn beim Double-Event hatte JTR bereits einen Mord begangen, der bald für Aufruhr sorgen würde. Sich in dieser Lage noch weiter von seiner Zuflucht wegzubewegen, statt wieder darauf zu, ist psychologisch extrem unwahrscheinlich.

Cox gab seine Beschreibung jener Nacht besondere Bedeutung, weil er folgendes beobachtete: "it suddenly struck me that there was a wilder look than usual on his evil countenance, and I felt that something was about to happen." Außerdem sprach Cox davon, dass dieser Mann für gewöhnlich des Nachts Spaziergänge unternahm, bis er sie letztendlich einstellte. Er war drei Monate mit ihm beschäftigt, da dürfte es zahlreiche dieser Spaziergänge gegeben haben. Aber in jener Nacht war dieser Mann verändert und verhielt sich auch anders. Das heißt nicht, dass er das erste Mal durch die Leman Street und dann noch weiter nach St. George in the east ging. Cox sprach auch davon, dass der Verdächtige sicherlich mitbekam, beobachtete zu werden.

Zitat
Den Zeitdruck kann man sicherlich unterschiedlich bewerten. Wir sprechen hier von einem zwanghaften und in kurzen Abständen mordenden Serienkiller auf kleinem Gebiet. Dieser Mann sollte ohnehin paranoid gewesen sein. Zeit hatte er sicherlich keine mehr, sonst wäre sein Radius auch größer gewesen. 

Wieso hätte JTR seinen Radius größer anlegen sollen? Seine bevorzugten Opfer waren alle direkt vor seiner Haustür, hier kannte er sich aus und war schnell wieder von der Straße.
Und genau dies meine ich mit Zeitdruck: Nach der Tat so schnell wie möglich, insbesondere aber vor der aufgescheuchten Polizei, vor Sonnenaufgang bzw. vor dem Start des Berufsverkehrs wieder von der Straße in Sicherheit zu sein.

Warum stellst du diese Frage mit dem Radius? Wir waren uns doch einig, dass er unter dringenden Bedürfnissen litt und sein Jagdgebiet, auch aufgrund seines Zustandes, relativ klein war. Sein Jagdgebiet waren Prostituierte und es gab reichlich davon zu finden in jener Gegend. Ich gab das an im Vergleich zu einem gesünderen Täter, der sich sicherlich nicht so auf einem kleinen Gebiet zu schaffen gemacht hätte. Die Frage war schon vorher beantwortet. Ich gehe bei einem "Zeitdruck" nicht davon aus, als ob jemand seine Bahn noch erreichen will. Bei Nichols gingen schon die ersten Passanten durch die Bucks Row, Chapman verstümmelte er im Morgengrauen, er lief während des Hellwerdens nach Hause, bei Eddowes musste er schauen, dass er den PC nicht in die Arme läuft,... bei allem nähte er auf Kante... obwohl er schon zeitlich in Nöten war, verstümmelte er... also so eilig kann er es nicht gehabt haben... der Mann war voller Risiko... er hatte Glück, da nicht erwischt zu werden... deine Interpretation von Zeitdruck ist nicht sinnig... "es wird spät, ich gehe Richtung Heim, spreche im Hellwerden aber noch Chapman an, ermorde und verstümmel sie im Hinterhof, bei gutem Licht und gehe dann blutbeschmiert bis zur Middlesex Street während es immer heller wird, auch wenn es nicht weit ist..." Sorry Arthur, aber das kannst du mir nicht verkaufen... erst minmiert er das Risiko, indem er sich seiner Basis nähert und dann erhöht er es wieder... Der Mann war krank und das Risiko war ihm egaler als sonstwen, auch wenn er das in seiner geistigen Welt anders sah...

Ich denke, du verennst dich in deinem Levy Konstrukt aber das kennt jeder von uns in seinen Vorstellungen der Ripper Morde. Das Ergebnis ist meistens das gleiche, man liegt falsch. Es gilt dann andere Alternativen zu finden, die ja durchaus existieren können. Kenne das alles auch selbst.

Beste Grüße,

Lestrade. 
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 28.12.2016 22:07 Uhr
Hallo Lestrade!

Also zunächst einmal: Das Ganze hier ist für mich keine Passion, sondern eine Freizeitbeschäftigung, der ich nachgehe, wenn ich Zeit und Lust dazu habe, etwas rumzuspekulieren, Theorien aufzustellen und rumzudiskutieren, weil mich das Thema interessiert.
Ich glaube und erwarte nicht, dass ich mit dem Verwursten jener von anderen hart recherchierten Informationen den Durchbruch in diesem seit über 125 Jahren ungelösten Fall schaffen werde - wenn der Fall jemals gelöst werden sollte, dann vermutlich von einem jener passionierten Ripperologen, die wochen- oder monatelang die Archive durchstöbern.
Meine Ziel ist lediglich das Aufstellen von Hypothesen. Daher erwarte ich auch von niemand anderem, dass er meine Rumspekuliererei als "the final solution" anerkennt.
Also immer locker bleiben. :-)


Zitat
Bei mir entsteht gerade der Eindruck, dass dich die Zeitthese sehr verunsichert, weil es gegen Levy geht. Die Idee, dass je früher ein Mord stattfindet, desto näher der Wohnort liegt wäre ein schlechter Unterstützer der Levy Theorie, da Chapman, Kelly als auch Eddowes recht nahe an seiner Adresse lagen und Kelly als auch Chapman recht spät den Tod fanden.

Das ist eine Fehlinterpretation:
Ich habe mir die Zeit-Hypothese angesehen, darüber nachgedacht und sie verworfen, weil sie mathematisch gesehen nicht schlüssig ist.

1) Auf der Seite der Wegzeiten haben wir Unterschiede im Minuten-Bereich, auf der Seite der Tatzeiten Unterschiede im Stunden-Bereich - die Größenordnungen differieren zu stark.
Das ist in etwa so, als würde jemand fragen: "Wie lange brauchst du dazu?" Und der andere würde antworten: "Etwa zehn Minuten - plus / minus zwei Stunden."

2) Wir wissen, dass JTR in einem kleinen Gebiet unterwegs war, welches in knapp einer halben Stunde durchschritten werden konnte. Also lief er nicht stundenlang in eine Richtung, dann hätte er schnell die Grenzen des East Ends überschritten. Was bedeutet, dass er bei längeren Touren kreuz und quer oder gar im Kreis durch das Viertel lief (ein Zusammentreffen mit einem Opfer bereits auf dem Nachhauseweg wäre davon nur der Extremfall) - und damit konnte er zu einer späteren Tatzeit auch durchaus näher an seinem Heim sein als zu einer früheren. Das ist einfache Geometrie bzw. Geographie.

3) Wir haben für diese These zu viele Unbekannte:
- Wir wissen nicht, wann er loszog.
- Wir wissen nicht, ob er jedes mal zur gleichen Zeit loszog.
- Wir wissen nicht, wie lange er in den einzelnen Tatnächten jeweils schon durch die Straßen gezogen war, bevor er ein passendes Opfer in einer passenden Situation fand...
Ohne dieses Wissen kann eine entsprechende Korrelation nicht erstellt werden.
Das alles kann sehr stark zeitlich schwanken - und zwar um Stunden, die Wege unterscheiden sich aber nur um Minuten.
Damit sind die unbekannten äußeren Störfaktoren so groß, dass aus den Uhrzeiten kein Hinweis auf die Nähe zu seinem Heim abgeleitet werden kann.

Daher gibt es keinerlei Anhaltspunkte über eine mögliche Korrelation zwischen früherer Tatzeit und Nähe seines Heims zum Tatort. So einfach ist das.


Zitat
...meine Frage ist, was willst du in Zukunft tun? Was möchtest du noch herausfinden und wie? Was wird passieren? Ich stecke ja in einer ähnlichen Situation wie du aber ich weiß, dass eine Menge Leute an der Kosminski Sache arbeiten und es wird in Zukunft, wie auch in der Vergangenheit wieder Neuigkeiten geben. 

Nun, ich werde so lange an dem Thema JTR dranbleiben bzw. wieder dazu zurückkehren, wie ich Zeit und Lust dazu habe und solange ich noch etwas für mich neues dabei entdecke.
Vielleicht fördert irgendwann jemand mal wieder etwas Interessantes zutage, was den Fall weiterbringt oder einen neuen spannenden Aspekt eröffnet, mal sehen. 


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Ohne dich hier, hätte ich in den letzten Monaten viel, viel weniger geschrieben, weil durch das ständige Wiederholen der gleichen Sachen, das ganze nicht besser wird. Leider sind wir ja auch kein vielfältiges Forum. Und du siehst ja auch, wer antwortet denn auf unsere Post außer wir gegenseitig? Dein "Hallo an alle" ohne nennenswerte Reaktionen, ist dir das nicht mittlerweile auch zuviel? Vielleicht liege ich falsch, aber Levy und Kosminski in ihren ständigen Wiederholungen durch uns beide, ist fatal für etwaige Forumsinteressenten. Es ist ja kaum noch Raum für anderes. Außerdem wissen wir immer alles besser, wenn auch mit guter Absicht ausgestattet. 

Auch ich finde es schade, dass wir hier so auf einsamer Flur sind - es wäre spannender und würde mehr Spaß machen, wenn hier mehr Betrieb wäre, so wie auf casebook oder jtrforum.
Daher hatte ich ja auch versucht, ein paar andere Threads wiederzubeleben bzw. zu eröffnen, z.B. mit Francis Thompson. Aber wenn keiner mitspielen will, liegt das sicher nicht daran, dass wir beide nur über Levy und Kosminski diskutieren - könnte ja jeder, der Lust hat, auch ein anderes Thema eröffnen, genug Möglichkeiten gäbe es schließlich.
Vielleicht wird das Forum ab Mitte Januar wieder etwas belebter, wenn Schachners überarbeitete Neuauflage raus ist.


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Nimm mir das nicht übel Arthur, aber du wirkst mit der Zeit immer verkrampfter auf mich und ich bin ehrlich, dass ich dir meistens nur antworte, weil ich dein Engagement, deine Denkweise, dein Thema Levy und deine Fähigkeit zu verzeihen, wenn es mal nicht so gut lief, wirklich sehr schätze aber vor allem, weil ich dich nicht alleine stehen lassen will und nicht, weil ich dazu von mir selbst aus Lust habe.   

Das ist eine Fehlinterpretation: Ich mache das hier zur Entspannung und als intellektuelle Fingerübung - und bin bisher eigentlich davon ausgegangen, du machst das auch nur, wenn du Zeit und Lust dazu hast.
Falls du dich unter Druck gesetzt fühlst zu antworten, wenn ich mich gerade in einer manischen Phase mit ausnahmsweise mal zuviel Freizeit in das Thema reingekniet habe: Das tut mir leid, ich möchte niemandem irgendwie ein schlechtes Gewissen machen und die gute Erziehung anderer ausnutzen. Ich kenne das Problem, als Kind des analogen Zeitalters empfinde ich auch immer noch regelmäßig das schlechte Gewissen, wenn ich Beiträge in Foren oder im Social Network mal nicht beantworte, obwohl das im Internet oft gar nicht mehr wirklich erwartet wird. Aber "dank" meines Arbeitspensums komme ich nicht mehr so oft dazu, daher fällt es mir immer leichter, Dinge im Internet einfach so stehen zu lassen. Also nichts für ungut, fühl dich nicht genötigt. :-)


Zitat
der Mann war voller Risiko... er hatte Glück, da nicht erwischt zu werden... deine Interpretation von Zeitdruck ist nicht sinnig... "es wird spät, ich gehe Richtung Heim, spreche im Hellwerden aber noch Chapman an, ermorde und verstümmel sie im Hinterhof, bei gutem Licht und gehe dann blutbeschmiert bis zur Middlesex Street während es immer heller wird, auch wenn es nicht weit ist..." Sorry Arthur, aber das kannst du mir nicht verkaufen... erst minmiert er das Risiko, indem er sich seiner Basis nähert und dann erhöht er es wieder... Der Mann war krank und das Risiko war ihm egaler als sonstwen, auch wenn er das in seiner geistigen Welt anders sah...

Da ist was dran, vermutlich habe ich sein Verhalten "zu vernünftig" betrachtet, immerhin gehen wir beide davon aus, dass JTR ziemlich krank im Kopf war. Muss mich bei dem Ganzen wohl mehr auf die kranke Perspektive einlassen.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 29.12.2016 00:35 Uhr
Hallo Arthur,

Danke erst einmal für deine Beantwortung bestimmter Fragen oder Annahmen!

Noch einmal, es geht mir nicht so sehr um Levy als möglichen Täter (da sind wir uns einig), sondern vielmehr um deine Ablehnung gegenüber der Zeitthese. Deine selbst angesprochene mögliche Unterkunft von Levy in der Fieldgate Street, welche sich nördlich an die Greenfield Street anschloss und unterhalb der großen Hauptstraße lag, würde dann ja auch Sinn machen, wenn er in der Nacht des Double Events dort nächtigte. Auch der Tatort von Tabram, als möglicher erster Mord, gar auch Nichols, wäre nicht allzu weit weg davon. Desto weiter er sich jedoch davon entfernte, desto später wäre es geworden. Das wäre dann das gleiche wie bei Kosminski. Auch wäre er dann mit seiner Flucht Richtung Mitre Square eben nicht zu seiner Basis zurückgegangen, auch wenn seine reguläre Adresse dort in der Nähe lag. Du sagtest ja selbst einmal, dass er vielleicht gar nicht mehr bei seiner Frau lebte, zumindest zeitweise und andere Unterkünfte hatte, wie eben Fieldgate Street oder Whitechapel Road. Das würde ja auch weitere Ansätze von dir zunichtemachen, wenn die Middlesex Street eben nicht seine Basis in den Mordnächten war. Bei solch einer Feststellung, könnten wir sie beweisen, würde ich dann sagen, okay, die Zeitthese passt auch hier. Sie unterscheidet sich dann überhaupt nicht von Kosminski. Ich vermute, du hättest das dann auch für deine These verwendet. Wäre das so?

Für mich sind die Tatorte bei den Morden an Chapman, Eddowes und Kelly, wie ich erwähnte, zu sehr an der Adresse Middlesex Street gelegen, bezüglich natürlich auch an den Zeitpunkten, wo sie geschahen. Der ohnehin kleine Radius macht es bei diesem, eher seltenen Tätertyp, auch nicht einfacher. Dennoch, auch für sie gelten die meisten Regeln, die die Profiler anwenden. Und da ist mir, in deiner Theorie, eine wirklich zu kleine “Pufferzone“, von seinem Wohnsitz aus, zu verdächtig. Du wirst wissen, dass eine Serientäter seine primäre Comfort Zone hat, in, oder nahe bei dieser, findet oftmals der erste Mord statt. Die sekundäre Comfort Zone ist oftmals sein wirkliches Jagdgebiet. Es ist ja, in meinen Augen, eindeutig zu erkennen, dass diese sekundäre Zone oberhalb der Hauptstraße lag. Auch sind bestimmte Barrieren für diese Täter wichtig. Eine Barriere wäre oder könnte eben diese Hauptstraße gewesen sein. Ein Mord fand unterhalb dieser Hauptstraße statt, nach dessen sich der Täter wieder in die sekundäre Zone begab und zwar unmittelbar. Das, und der frühe Tatzeitpunkt im Falle Stride, kann darauf schließen lassen, dass der Täter eben jene Tat in dem Bereich ausführte, indem er beheimatet war, seiner primären Zone und das wäre dann, St. George in the east gewesen. Welcher auch immer der erste Mord war, Tabram oder Nichols, beide Tatorte lagen dicht an diesem Bereich mit der Barriere “Hauptstraße“. Drei weitere, Chapman, Eddowes und Kelly entfernen sich auffällig von dieser Barriere. Vollkommen abgesehen von Kosminski, dass Jack the Ripper seine Basis unterhalb dieser Straße, in St. George in the east hatte, ist nicht so unwahrscheinlich. Diese Straßen dort waren eben bekannt für produzierende Schneider und Cox sagt es selbst: Tailors und St. George in the east! Die Chance dass er dort in der Nähe einen ernsthaften Ripper- Verdächtigen observierte, ist m.E. in der Tat sehr hoch. War es Kosminski, konnte dieser die Greenfield Street verlassen und zwar via Fieldgate Street und der Hauptstraße, welche zu Whitechapel gehörten und in die Leman Street einbiegen, keine weiter Weg. Danach ging es von da aus in das Herz von St. George in the east. Das nun neben dem Mord in der Berner Street eben auch in der Batty Street blutige Wäsche gefunden wurde, erhärtet diese These. Die Adressen der Kosminskis, Greenfield Street und Providence Street, wurden nun einmal verbunden durch die Berner Street und die Batty Street. Und das ganz wörtlich. Weiterhin fällt auf, dass Cox und Sagar etwas mit der Greenfield Street zu tun hatten und zwar nicht allzu lange vor der Einweisung von Kozminski nach Colney Hatch. Unmittelbar nach dieser Sache in der Greenfield Street, hatte Sagar tatsächlich Dienst in der Butchers Row. Beide City Beamte sprachen davon, dass ihr jeweiliger Mann, etwas mit den Morden zu tun hatte bzw. er tatsächlich der Ripper war. Meine Frage ist, wie wahrscheinlich ist es, dass diese beiden Beamten, in diesen beiden wichtigen Straßen, Butchers Row und Greenfield Street, aufgrund unseres Wissens, dass sie dort waren, innerhalb zweier Jahre (1889/1890) mehrmals mit ihnen zu tun hatten? Das ist sehr unwahrscheinlich, wahrscheinlicher ist, dass zumindest die Greenfield Street länger in dieser Zeit von der City Police beansprucht wurde und in dieser Zeit andere Aktivtäten krimineller Art auffielen, ähnlich wie auch in der Butchers Row. Aber diese Straßen waren noch aktuell, als Jacob Levy nicht mehr auf freiem Fuß war, sondern in Stone. Das lässt auch erahnen, dass Levy auch vorher keine Rolle bei ihnen spielte. Interessant bliebe dennoch, dass Levy Kontakt gehabt haben könnte mit seiner “alten“ Fieldgate Street bzw. der Adresse in der Whitechapel High Street. Diese Adressen lagen ja an der Greenfield Street und würden dann zu dem geographischen Profil passen, welches ich eben beschrieb. Levy und Kosminski würden sich nichts nehmen. Hierbei allerdings wieder Levy zu unterstellen, dass er verschiedene Shops belegte, um das Profil zurechtzurücken,  wäre schwierig. Das ist eine Sache, die eindeutig Kosminski zugewiesen werden kann (Sims). Levys Adresse war eben Middlesex Street, der Mann der Kosminski war, war flexibler. Inwieweit das alles wirklich dieses Profil beeinflusst, bleibt Spekulation, da seine Shops alle in St. George in the east oder nahe an diesem beheimatet gewesen sein können. Von mir, als Levy Interessierten, bekommt man den Rat, Cox und Sagar, aufgrund meiner Erwähnungen, nicht allzu stark auf Levy zu münzen. Es ist nicht unmöglich aber viel weniger wahrscheinlich. Canter wird kontrovers diskutiert, gerade in der Ripperologie und seine Profile unterscheiden sich von anderen, wenn auch nicht massiv. Genau wie andere, hat er Erfolg damit, es scheinen viele Wege nach Rom zu führen und kleine Unterschiede nicht unbedingt ausschlaggebend zu sein. Dafür sind diese Dinge einfach zu komplex. Ich bin mir auch nicht sicher, ob wir beide gänzlich mit dem psychologischen Profil, das Canter über JtR im Auge hat, übereinstimmen. Ich müsste auch noch einmal nachlesen. Dieser geisteskranke Täter, könnte noch mehr an Funktionstüchtigkeit und Organisation besessen haben, als wir annehmen. Nicht viel mehr aber in den entsprechenden Profilen, kann ein Detail zu etwas anderen Ansichten führen. Levy war etwas älter als Kosminski und ich kann mir vorstellen, dass Levy etwas früher geistig diese Welt verließ als sein “Gegenspieler“. Letztendlich wissen wir beide nicht, als auch alle anderen, wie weit beide, Levy und Kosminski, wirklich im Herbst 1888 drauf waren. Ich möchte nur, dass Du weißt, dass ich, was Cox und Sagar betrifft, weniger auf Levy setze als auf Kosminski. Wahrscheinlich bedeutend weniger. Das wäre für zukünftige Diskussionen vielleicht wichtig. Ich hatte vor kurzem die Möglichkeit, Einsicht in gewisse Unterlagen zu nehmen, was meine Recherchen betrifft. Dabei hatte und werde ich auch in Zukunft haben, Augen für Levy, weil er mich fasziniert. Ich würde mir wünschen, dass du mich da mehr als Partner, denn als Kritiker siehst. Aber vielleicht ist das auch so und ich interpretiere das falsch.

Wie gesagt, ich sehe die Tatorte um Levys Adresse in der Middlesex Street in der sekundären Comfort Zone des Rippers. Für Levy, wäre es die primäre gewesen, mit Tabram als typisches erstes Opfer in der Nähe. Da würde dann Nichols, als auch sicher Stride gut passen. Aber Chapman, Eddowes, Kelly und die Goulston Street, wären dann in seiner primären Comfort Zone und nicht wie Nichols und Stride in der sekundären Zone. Das ein Täter so agiert, halte ich für sehr unwahrscheinlich. Diese Rückkehr in die offensichtlich sekundäre Zone (Levys primäre), sehe ich in deinen Ansichten als Schwachstelle an, nicht Levy selber. Wenn Levy der Täter war, dann war seine Basis nicht die Middlesex Street, sondern eine andere Straße, wie z.B. seine alte Adresse Fieldgate Street oder die Adresse in der Whitechapel Hauptstraße. Aufgrund der Tatorte, ist es doch auch sehr logisch, die sekundäre Comfort Zone oberhalb der Hauptstraße zu sehen. Die Middlesex Street wäre interessanter für einen Täter, der dort nur temporär, wie als Gast, ansässig gewesen wäre. Natürlich gehört sie mit zur geographischen Zone, wenn ich sie auch nicht als Hotspot ansehe. Zur Barriere der Hauptstraße war es ja auch nur ein Katzensprung, auch darunter könnte man die Basis von JtR sehen, wenn auch soweit wie möglich an Tatort Tabram gelegen.       

Zu den Kreis oder Dreiecks Theorien in den geograpischen Profilen, ist auch die Tatsache interessant, dass, bezüglich der Dreieckstheorie, erneut die Adresse Greenfield Street ins Visier gerät. Geht man vom Tatort Nichols als ersten Mord aus und verbindet die weiteren Morde in ihrer Reihenfolge, dann entsteht eine Art Dreieck, dass man als sekundäre Komfortzone des Rippers erkennen kann. Das ist ein Muster, das man bei Serientätern oftmals bestätigt fand. Die Greenfield Street befindet sich noch im Bereich der sekundären Zone, jedoch sehr dicht an einer Geraden des Dreiecks, eben nicht weit entfernt vom angenommen ersten Mord in der Bucks Row. Die von mir beschriebene Teilung dieser Zonen durch die Hauptstraße und die oftmals wiedergefundene Figur des Dreiecks bei Serienkillern belastet in beiden Fällen klar die Kosminski Adresse in der Greenfield Street. Abgesehen von Namen, ich bin der festen Überzeugung, dass Jack the Ripper seine Basis in St. George in the east hatte oder sehr, sehr nahe daran. Zu Sagars Stellung in der Butchers Row, City Bereich, sei noch gesagt, dass Kosminski auch eine Verbindung dahin hatte. Es betrifft den Hundevorfall aus dem Jahr 1889 im Bereich der City.

Ich denke, dass der Ripper in fast allen Fällen einige Stunden im East End verbrachte, ehe er zuschlug. Wenn er Prostituierte traf, wie Nichols oder Chapman, die alkoholkrank und auch gesundheitlich sehr krank waren, dann war das vielleicht gar nicht so einfach, den geeigneten Ort zu finden, wollte er sich von seiner Basis entfernen. Traf er diese Personen in der Osborn Street, Nichols wurde da tatsächlich gegen 2.30 Uhr das letzte Mal gesehen (gefunden dann um 3.30 uhr), kann es unter Umständen schon länger gedauert haben, bis er die, für ihn, geeigneten und “sicheren“ Plätze, Bucks Row und Hanbury Street, gefunden hatte. Im Falle von Eddowes, gibt es einen Zeugen, der sie noch mit einem Mann an der Aldgate Station gesehen haben wollte. Richtung Mitre Square gehend. Von Lawende und Co.wissen wir auch, dass sie nicht gleich den Church Passage enterten, sondern davor stehen blieben. Auch Kelly hielt sich mit ihrem Freier noch einige Zeit vor dem Court auf. Das alles kostete Zeit und es mögen 3-4 Stunden für den Ripper vergangen sein, eher er wieder zur Basis zurückging. Auch das Hinterhergehen, das Stalken von Prostituierten nahm Zeit in Anspruch. Verfolgte er offensichtlich geschwächte Personen, wie Nichols und Chapman, die auch Pausen benötigten, mal ein Nickerchen machten, mit anderen Freiern sprachen, dann war da viel Zeit von Nöten, gerade wenn sich diese Beobachtungen wiederholten. Nicht jedes Opfer ging in solchen Fällen die von ihm erhofften Richtungen. Es ist überhaupt nicht gesagt, dass alle Opfer einfach da schon standen, wo sie letztendlich Opfer wurden. In den Fällen von Nichols, Chapman, Eddowes und Kelly, gibt es keine Sicherheit, dass sie schon am Ort waren. Er hätte durchaus, eine bestimmte Strecke, wie auch bei Cox mit der zweiten Frau beschrieben, mit den Opfern gegangen sein können und zwar Richtung äußere Ring der bekannten Tatorte, weiter weg von seiner Basis. Ich vermute im Fall der zweiten Frau bei Cox, dass es Richtung dieses äußeren Ringes ging. Solch ein Täter, mag auch einmal bei einer bestimmten Zahl von Opfern schneller zuschlagen, egal ob er das Haus um 1.00 Uhr oder 4.00 Uhr verlassen hätte. Aber die Wahrscheinlichkeit, das ist ein Erfahrungswert, ist, dass diese Täter meisten Stunden benötigt, um ein Opfer zu finden und zu töten. Jacob Levy in der Middlessex Street, wäre nicht eine halbe Stunde vor der Ermordung von Chapman oder Kelly aus dem Haus gegangen, hätte sie ermordet und wäre zur Basis zurückgekehrt. So etwas wäre bei 15 Opfern wahrscheinlicher. Und das Arthur, habe ich mir nicht ausgedacht, sondern dass sind die Dinge, wie sie wirklich passieren. 

Deine Überlegungen in allen Ehren, sie sind nicht gänzlich unmöglich aber wie hoch sind die Wahrscheinlichkeiten mit der wiederkehrenden Rückkehr in die primäre Comfort Zone und dann stattfindenden Morden und ein wiederholtes Verlassen der Basis 30 Minuten vor einem Mord und das bei 5-6 Opfern in einer kurzen Zeitspanne?  10,15, 20 %?

Wahrscheinlich ist das bei 5-6 Opfern einmal, so wie man das Kosminski unterstellt, der, wohlmöglich einmal kurz nach Verlassen seiner Basis zuschlug (Stride), so wie es Cox bei dieser bestimmten einen Nacht bemerkte, als sein Mann überraschend eine Frau in St. George in the east ansprach.

Wenn Levy JtR war, dann hatte er eine andere Basis als die Middlesex Street. Und deine Bemerkung, dass er aufgrund von Eheproblemen, die garantiert vorhanden waren, woanders lebte, ist eine gute Überlegung. Gerade dann, falls es die Fieldgate Street gewesen war.

Hab dich wohl,

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 30.12.2016 21:52 Uhr
Hallo Lestrade!

Zitat
Für mich sind die Tatorte bei den Morden an Chapman, Eddowes und Kelly, wie ich erwähnte, zu sehr an der Adresse Middlesex Street gelegen, bezüglich natürlich auch an den Zeitpunkten, wo sie geschahen. Der ohnehin kleine Radius macht es bei diesem, eher seltenen Tätertyp, auch nicht einfacher. Dennoch, auch für sie gelten die meisten Regeln, die die Profiler anwenden. Und da ist mir, in deiner Theorie, eine wirklich zu kleine “Pufferzone“, von seinem Wohnsitz aus, zu verdächtig.

Da JTR einen extrem kleinen Wirkungskreis hatte, dürfte auch die Pufferzone entsprechend klein gewesen sein. Wenn wir das geographische Profil von Weshley English betrachten, sind da in der knappen Quadratmeile mit den Tatorten die entsprechenden Pufferzonen durchaus vorhanden, aber eben logischerweise sehr schmal - und auch die Middlesex Street liegt schon außerhalb dieser Zone.
Wie du selbst schriebst:  "der Mann war voller Risiko... er hatte Glück, da nicht erwischt zu werden..." und er war "krank und das Risiko war ihm egaler als sonstwen".

Darüber hinaus hatte ich mein geographisches Profil ja - in Übereinstimmung mit Wesley Englishs Profil - um ein zweites Zentrum, eine zweite mögliche Operationsbasis bei seiner früheren Adresse erweitert.
Wenn man den Wirkungsbereich JTRs geometrisch betrachtet, so sieht er wie eine Ellipse aus mit ihren zwei Brennpunkten F1 in der Nähe der Middlesex Street und F2 an der Whitechapel Road bei der Fieldgate Street.


Da du dich mit den Distanzen nicht so recht anfreunden kannst, betrachten wir aber mal die Entfernungen in Relation zu JTRs Wirkungsradius:

- Der Tabram-Tatort war in den George Yard Buildings. Jacob Levys Heim in der Middlesex Street 36 liegt rund 300 Meter oder etwa 3-4 Minuten Fußweg davon entfernt.

- Der Nichols-Tatort in der Buck's Row ist rund 1300 Meter und damit etwa 16-18 Minuten Fußweg von Levys Adresse in der Middlesex Street 36 entfernt, oder etwa 400 Meter bzw. 4-5 Minuten von Levys alter Adresse.

- Der Chapman-Tatort in der Hanbury Street ist rund 700 Meter oder etwa 8-9 Minuten Fußweg von Levys Adresse in der Middlesex Street 36 entfernt.

- Der Stride-Tatort Berner Street ist ebenfalls rund 700 Meter oder etwa 8-9 Minuten Fußweg von Levys Adresse in der Middlesex Street 36 entfernt.

- Die Strecke zwischen dem Eddowes-Tatort Mitre Square und der Middlesex Street 36 beträgt rund 300 Meter oder etwa 3-4 Minuten Fußweg.

- Der Kelly-Tatort in der Dorset Street 26 ist rund 500 Meter oder etwa 5-6 Minuten Fußweg von der Middlesex Street 36 entfernt.


JTRs Wirkungsbereich war ungefähr elliptisch und hatte einen langen Durchmesser von West nach Ost von rund 1400 Metern und einen kurzen Durchmesser von Süd nach Nord von etwa 700 Metern.

Setzen wir eine Pufferzone mit dem Durchmesser von rund 600 Metern - das ist immerhin mehr als ein Drittel des langen Durchmessers seines Wirkungsbereichs.

- Wäre JTR nun etwa mittig angesiedelt gewesen, wäre der längste Weg rund 700 Meter gewesen, die mittleren Wege in einer Größenordnung von 400 bis 600 Meter, und die kurzen von rund 300 Metern...

- Wäre er eher am Rande angesiedelt gewesen, wäre der längste Weg rund 1400 Meter, die mittleren vielleicht 600 bis 1000 Meter und die kurzen rund 300 bis 500 Meter...


Vergleichen wir diese Entfernungen mit jenen von Jacob Levy... Und ehrlich gesagt, ich sehe in dem kleinen Wirkungsbereich keinen großen Unterschied bei den Distanzen, egal wo wir JTR in dem Gebiet verorten.


Aber zurück zu deinen Ausführungen:

Zitat
Wenn Levy der Täter war, dann war seine Basis nicht die Middlesex Street, sondern eine andere Straße, wie z.B. seine alte Adresse Fieldgate Street oder die Adresse in der Whitechapel Hauptstraße. Aufgrund der Tatorte, ist es doch auch sehr logisch, die sekundäre Comfort Zone oberhalb der Hauptstraße zu sehen. Die Middlesex Street wäre interessanter für einen Täter, der dort nur temporär, wie als Gast, ansässig gewesen wäre. 

Entsprechend sehe ich das ja mit den möglichen Ausgangspunkten bzw. Zufluchten: nicht "entweder - oder", sondern vielmehr "sowohl als auch".
Bekanntlich schrieb Cox: "He occupied several shops in the East End." Und das Aberdeen Weekly Journal, 16. November 1888: "The Central News is enabled to state that several houses at which the murderer is believed to call on occasionally are under the closest police surveillance."
 
Beides hatte ich in meinen früheren Überlegungen ja eher stiefmütterlich behandelt - obwohl ich selbst schon vor einiger Zeit die These aufgestellt hatte, dass er wegen nachvollziehbarer ehelicher Differenzen aufgrund seines immer asozialer werdenden Verhaltens nicht mehr wirklich fest in der gemeinsamen Wohnung lebte bzw. schlief, sondern zeitweise woanders verbrachte.

Ich denke da auch an die Zeitungsartikel über den "crazy jewish butcher":
London Evening News And Post, 13. September 1889: "The second man is now being watched. He is a resident of the East End, and has been for years. For a long time he has been acting in the most suspicious fashion. He has a business, to which he scarcely ever personally attends."
North Eastern Daily Gazette, 18. September 1889: "We are watching now three men, besides the usual night-birds of Whitechapel. One man created some stir during the last murders under circumstances which I need not say anything about. He is a curious sort of fellow; in business, but not doing much to keep it going. His wife and daughter see to it, and he is out at all hours of the night."


Zitat
Auch sind bestimmte Barrieren für diese Täter wichtig. Eine Barriere wäre oder könnte eben diese Hauptstraße gewesen sein.

Da sind wir unterschiedlicher Meinung: Ich sehe als Barriere eher die Außengrenzen des East Ends an und das Kreuz der Hauptverkehrsachsen West-Ost (Whitechapel Road) und Nord-Süd (Commercial Street-Leman Street-Commercial Road) weniger als psychologische Barrieren, sondern vielmehr als mögliche "Ausfallstraßen", entlang derer JTR schnell und unauffällig zu seinen engeren Jagdgebieten rund um die Prostituiertentreffs gelangen konnte. Dort dürfte immer ausreichender Verkehr gewesen sein, um in der Menge mitzuschwimmen und nicht aufzufallen.
Ich gehe ja davon aus, dass er nicht einfach planlos durch das Viertel strich, sondern sich bewusst in die Umgebung seiner potentiellen Opfer begab.
Vielleicht liegt die Orientierung nördlich der Whitechapel Road einfach daran, dass die für ihn wichtigen Prostituiertentreffs auf der Nordseite dieser Achse lagen: Christ Church, St. Botolphs, Whitechapel Station...


Zitat
Ich denke, dass der Ripper in fast allen Fällen einige Stunden im East End verbrachte, ehe er zuschlug. (...) Es ist überhaupt nicht gesagt, dass alle Opfer einfach da schon standen, wo sie letztendlich Opfer wurden.

Das habe ich ja nie behauptet - vielmehr habe ich im Gegenteil gerade darauf hingewiesen, dass man auch deshalb keine Korrelation zwischen Tatzeit und der Entfernung Ausgangspunkt-Tatort aufstellen kann.


Zitat
Deine Überlegungen in allen Ehren, sie sind nicht gänzlich unmöglich aber wie hoch sind die Wahrscheinlichkeiten mit der wiederkehrenden Rückkehr in die primäre Comfort Zone und dann stattfindenden Morden und ein wiederholtes Verlassen der Basis 30 Minuten vor einem Mord und das bei 5-6 Opfern in einer kurzen Zeitspanne? 10,15, 20 %? 

Ehrlich gesagt verstehe ich diese Ausführungen nicht: Ich habe die Größenordnungen der Verhältnisse oben mit einer Pufferzone von 600 Metern dargestellt, das wäre rund ein Drittel seines Wirkungsbereiches. Das dürfte ja wohl eine ausreichende primäre Comfort Zone sein, oder?


Für mich sieht JTRs Vorgehen einfach so aus:
Er brach auf, sobald er das Bedürfnis verspürte und er sich von seinen Verpflichtungen und seinem sozialen Umfeld absetzen konnte - das konnte zeitlich durchaus schwanken.
Er suchte vor seiner Jagd vermutlich noch das eine oder andere Pub auf, um sich einen anzutrinken, und zog dann irgendwann weiter in Richtung einer der Prostituiertentreffs.
Wie bereits erwähnt: Nichols traf er in der Nähe des Prostituiertentreffs Whitechapel Station, Chapman und Kelly in der Nähe von Christ Church, Eddowes in der Nähe von St. Botolphs.
Diese Treffs lagen nun mal da, wo sie lagen, darauf hatte er keinen Einfluss.
Aber dort an den Zentren des Straßen-Strichs war die Wahrscheinlichkeit am größten, ein passendes Opfer zu finden - möglichst betrunken.
Und durch die Beobachtung der Umgebung dieser Treffs hatte er auch bald ein recht genaues Bild der Beats der Polizei.
Er drehte also seine Runden kreuz und quer durch die Straßen um diese Treffs wie Whitechapel Station oder Christ Church, bis er ein passendes Opfer sah, das allein unterwegs war oder sich etwas von der "Herde" entfernt hatte, so dass er sie möglichst unbemerkt ansprechen konnte.
Falls ihm etwas an den Umständen überhaupt nicht passte, zog er einfach weiter zum nächsten Prostituiertentreff, und wenn der Berufsverkehr einsetzte bzw. es hell wurde, bevor er erfolgreich war, machte er sich auf den Heimweg - irgendwann musste er ja wieder zurück.
Lief die Kontaktaufnahme mit einem potentiellen Opfer hingegen nach seinen Vorstellungen, suchte er mit ihr eine ruhige Ecke für das vermeintliche Geschäft und schlug zu.

Meiner These zufolge könnte JTR den Prostituiertentreff von Botolphs u.U. zunächst gemieden haben, weil er selbst ihm, dem keineswegs Risikoscheuen, zu nahe an der Butcher's Row und zudem bereits auf dem Gebiet der City Police lag.
Als er aber bei Stride nicht zum Abschluss kam, könnte er aus seinem inneren Drang heraus auch diesen minimalen Sicherheitsabstand aufgegeben haben.

So sehe ich das.



MfG, Arthur Dent



P.S. Guten Rutsch ins Neue Jahr!
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 30.12.2016 23:10 Uhr
Hallo Arthur!

Ich antworte jetzt einmal nicht bezüglich Zitate sondern in einem kompletten Text.

Vorab möchte ich mich noch bei dir bedanken, dass es zwischen uns im vergangenen Jahr zu einem intensiven und regen Austausch hier kam. Obwohl es für mich ein Jahr war, indem ich eigentlich so wenig Zeit wie noch nie für dieses Thema hatte, war es dennoch sehr erfolgreich und letztendlich kam es doch noch zu einer hohen Aktivität, wie ich das auch immer geschafft haben mag. Wie bereits erwähnt, wollte ich dir etwas zur Seite stehen und war auch froh, dass wir doch zum Teil ähnliche Vorstellungen haben und ich mich besser denn je verstanden fühlte. Darin lag ja ebenfalls meine Intention immer wieder mit dir in Kontakt zu kommen. Auch wenn man es manchmal nicht wahr haben möchte, war das alles sehr inspirierend und half auch weiter. Meistens war ich in der Lage, dass ich Postings innerhalb weniger Minuten verfassen musste, was dazu führte, dass manches einfach nur aufführend war und das hier und da eine Zwischenformulierung flöten ging, was so manche Kommunikation sanfter und verständlicher gemacht hätte. In der Regel antworte ich ja auch innerhalb kurzer Zeit, weil mit bei deinen Postings immer gleich 20 Sachen durch den Kopf gehen. Würde ich mir mehr Zeit nehmen, bin ich ein Typ, der dann gar nicht mehr antwortet. Das wollte ich vermeiden. Die meisten Dinge, wie auch jetzt, habe ich schon gefühlte einhundertmal erwähnt aber ich muss mir natürlich eingestehen, dass das niemand auf den Schirm haben kann. Das ist unmöglich und ehrlich gesagt, geht mir das auch ja so. Warte ich zu lange mit der Antwort, dann käme mir in den Sinn: “Oh, alles schon mal geschrieben, ich lass es“. Also wiederhole ich mich (lieber schnell) immer wieder. Dieses Jahr musste ich mehr oder weniger, ganz allgemein, vieles einfach abhaken, wollte aber so wenig wie möglich dabei schludern. Falls du dich da eventuell überrascht gefühlt hattest, es war mir meistens nicht anders möglich. Aber um diesbezüglich hier mal abzukürzen: Es war mir eine Ehre.

Dass man einer bestimmten Theorie verfolgt, ist ja legitim. Ich tue nichts anderes. Mein Thema dieses Jahr war ja auch, Kosminski mit dem Zentrum von Whitechapel zu verbinden. Dafür gab es m.E. auch gute Gründe. Ich wurde nicht fündig, was nicht heißt, dass es was gäbe, und ging einfach zu den Wurzeln zurück. Ging noch einmal in die geographischen und psychologischen Profile und durch die Vielzahl anderer Daten die wir zur Verfügung haben. Ehrlicherweise musste ich mir, den Umständen entsprechend, eingestehen, dass es wohlmöglich der falsche Weg ist. Ich habe ja mit den Profilern aller Art oder mit der Polizeiarbeit so viel zu tun, wie manche Länder mit den Menschrechten. Auf einem amateurhaften Wege, versuche ich all diese Dinge zu verstehen. Sie sind sehr komplex und nur wirklich von Leuten zu verstehen, die tatsächlich wissen, aus gutem Grunde, was dahintersteckt. Ich denke, da geht es uns allen ebenso. Der Prozess des Verstehens ist bei mir immerwährend, weil ich denke, dass ich nicht die Fähigkeiten besitze, dass alles in seiner Komplexität zu verstehen. Aber was ich verstehe, gebe ich gerne weiter, gerade an Menschen wie dich, weil ich weiß, was dahinter für harte Arbeit steckt. Aber ganz natürlich, kann das auch alles falsch sein, was ich so von mir gebe.

Dennoch komme ich dabei gerne auf das Beispiel der der Ornithologie zurück. Hierbei ist es den Profis besonders wichtig, was die Amateure alles so beobachten. Ich wünschte mir das ähnlich für und in der Ripperologie.   

Vielleicht kannst du das alles als einen versöhnlich Abschluss betrachten, ich würde es mir wünschen.

Comfort Zone ist Comfort Zone, egal ob primär oder sekundär! Dort finden die Verbrechen statt aber das erste Opfer, mit einem kleinen Puffer, wenn die primäre nicht sowieso der Puffer ist, befindet sich meist sehr dicht an der Basis des Täters. Unterschädliche Tätertypen und der Radius der Aktionen beeinflussen das Ganze.

Ein einfacher Absatz aber was könnte dahinterstecken und jetzt kommt meine Antwort zu deinem letzten Post:

Es kommt eben darauf an, was ein geographisches Profil noch alles mit sich bringt, was es vorab zeigt oder zeigen kann. Dr. Stuart Kind, im Falle Sutcliffe, nahm an, dass je früher ein Verbrechen stattfand, desto weiter war Sutcliffe von seiner Basis entfernt. Der Grund, Sutcliffe musste größere Distanzen zurücklegen und somit mit mehr Zeit für die Rückkehr rechnen, einer sicheren Rückkehr. Also, desto später die Tat stattfand, desto dichter war er an seiner Basis. Damit hatte Kind Erfolg. Das klingt auch logisch. Im Falle vom Ripper schlug er vor, weil die meisten Verbrechen sehr spät stattfanden, Tabram, Nichols, Chapmann, Kelly, dass es möglich wäre, dass der Ripper im Falle Stride noch nicht allzu weit von seiner Basis entfernt lag und Eddowes wiederum in der Zeitmitte lag, sehr sinnig zu den bereits erwähnten uhrzeitlich späten Opfern. Also weil diese Tat früh stattfand, war der Täter noch nahe an seiner Basis. Es ist eben wichtig, wie man die Spuren liest und interpretiert, welche Art von Verbrechen es ist und welche Täterpersönlichkeit zu erwarten ist. Sutcliffe war zu organisiert, um ein desorganisierter Täter zu sein, ohne vielleicht gleich den klassischen organisierten Täter zu mimen. Jack the Ripper war eindeutig die Kategorie desorganisiert, mit einem weitaus geringeren Maß an Planung. Dazu kommt, dass JtR in jedem Falle schnell seine Basis erreicht hätte, egal von welchem Tatort aus. Der Grund, sein Radius war minimal. Für ihn war die Zeitsache nicht zu vergleichen mit dem Radius von Sutcliffe, der erheblich mehr damit rechnen musste. Ein Weg zur Basis zurück, von 10-20 km, ist eben anders anzusehen, als eine Rückkehr zur Basis von 800-900m. Weiterhin kommt es darauf an, welche Parameter man für ein solches Profil verwenden möchte. Dazu gehören die Orte, an denen die Opfer zuletzt gesehen wurden, welche Opfer man mit aufnimmt, Smith und/ oder Tabram, die Goulston Street mit dem Schürzenteil oder die Batty Street mit der blutigen Wäsche usw.

Für Jack the Ripper war es nicht so wichtig, in Richtung Basis zu gehen, weil er sich stets in unmittelbarer Nähe befand. Außerdem neigen schizophrene Täter dazu, auch mal auszuscheren und direkt vor der Haustüre zuzuschlagen, weil ihr Risikoempfinden ein anderes ist. Aber immer im Zusammenhang mit den anderen Tatorten gesehen und damit, dass es eine Ausnahme gewesen sein könnte.

Ich glaube, es war die Kreistheorie von Canter, die besagte, dass im schmalsten Kreis, das Zentrum des Mörders war, 80m nördlich entfernt von der St. Mary Matfelon Church auf der Whitechapel High Street. Knapp 250m davon entfernt, wurde Tabram ermordet. Zu diesem Zentrum gehörte die Osborn Street, der Ort, an dem an der Kreuzung zur Whitechapel High Street, Nichols das letzte Mal gesehen wurde und in die Straße ging Emma Smith bevor sie attackiert wurde, verfolgt von eben jener Kirche dort aus. Zu der Kirche gehörte auch die Church Lane, wo ein Mann nach der Stride Attacke gesehen wurde, wie er sich die Hände reinigte. Das Problem mit dieser Kreistheorie ist, dass man zu sehr auf die Informationen der ersten beiden Verbrechen einer Serie aufbaut, wie Dr. Karen Shalev heraushebt. Joshua David Kent oder Colin Roberts weisen ebenfalls da noch auf weitere Probleme hin und machen andere Vorschläge. Man kann das alles im “Prime Suspect“ von Rob House nachlesen, auch die Theorien von Canter mit seinen “marauder“ und “commuter“ Modellen im Kreis. Weitere Information von D. Kim Rossmo sind dort ebenfalls zu finden, Harbort oder Douglas/ Ressler kann man diesbezüglich auch noch aufsuchen. Mir gefällt die Theorie mit der Barriere Aldgate/ Whitechapel High Street/ Road am besten, gemeinsam mit der Dreieckstheorie (Douglas/ Ressler). Ich glaube es war Rossmo, oder abgeleitet von ihm, die die Flower and Dean Street als Zentrum angibt, nicht weit von der Osborn Street entfernt und ganz nahe mit den Tatorten Kelly und Chapman verbunden. Da sind wir ja in ähnlicher Konstellation wie bei Levy in der Middlesex Street. Aber wie erwähnt, diese Modelle sind, jedes auf seine Art, erfolgreich, sind aber, eben auch unter den Experten selber, kontrovers diskutiert und abhängig davon, wie man die vorhanden Umstände interpretiert oder gar mit aufführt. Und hierbei ist dieses winzige Gebiet des Rippers schon ein Problem. Wir wissen, dass er irgendwo dort lebte und ob man nun die Flower and Dean Street benennt oder die Osborn Street, beide miteinander mit einem Katzensprung zu erreichen, ist vollkommen egal. Ich denke, es geht darum, keine bestimmte Straße ganz genau vorherzusagen, was wohl unmöglich ist, sondern einen bestimmten Bereich Drumherum zu bezeichnen, indem der Täter zu Hause sein muss. Dafür ist diese Art Profiling, meines Erachtens, viel zu komplex. Du kannst sagen, Middlesex Street, ich Greenfield Street, ein andere Flower and Dean Street, ein anderer noch die Osborn Street oder die Wentworth Street, von mir aus noch die Little Alie Street, wir werden alle recht haben, denn der Ripper lebte davon maximal 5 Minuten entfernt, wir befinden uns in jedem Falle in seiner Zone, so bizarr das auch klingen mag. Wie gesagt, ich glaube an jene Barriere der Hauptstraße und das Dreieck. Die meisten Prostituierten waren zu finden im nördlichen Bereich über der Hauptstraße, Thrawl Street, Dorset Street, Flower and Dean Street usw. Hierher ging er primär, dass waren auch die Orte, wo Smith, Tabram, Nichols, Chapman, Stride, Eddowes und Kelly “zu Hause“ waren, auch, wenn er sie letztendlich in der Bucks Row, auf dem Gebiet der City oder in St. George in the east ermordete. Sein Zentrum war um die Kirche St. Matfelon gelegen, an der Barriere Hauptstraße. Wenn sie diese Barriere war, dann lebte er eben südlich davon, dort, wo St. George in the east seinen Anfang nahm. Ich finde, dass uns das auch Cox erzählt, dass es eben auch in Richtung blutige Wäsche ging, in Richtung Batty Street. Anderson sagte, der Täter konnte einen Ort aufsuchen, kommen und wieder gehen und seine Blutflecken unbemerkt entfernen. Landeten sie in der Batty Street gegenüber des Dutfields Yard in der Berner Street, dann kann nur St.George in the east der Wohnsitz des Rippers gewesen sein, nicht weit von diesen Straßen entfernt. Die Greenfield Street lag noch in der Comfort Zone des Rippers, nur 500 m vom Zentrum der Kreistheorie entfernt. Es ist natürlich klar, dass dies passen würde und wird bestätigt auch durch die Dreiecks- als auch durch die sekundäre Zone nördlich der Hauptstraße. In meinen Augen ist das nicht mal eine Kunst, gegeben durch die Umstände. Vielleicht ist es einfach auch so, Arthur, dass das geographische zwar wichtig ist aber aufgrund bestimmter Konstellationen gar nicht SO wichtig. Wir wissen, dass er jemand war, der in dem Bereich lebte.

Macnaghten in der Aberconway Version:

  "No 2. Kosminski, a Polish Jew, who lived in the very heart of the district where the murders were committed.

Das passt zur Canters Kreistheorie, zur Greenfield Street und auch zu den Schilderungen von Cox.

Viel wichtiger wäre es, in meiner Überlegung eines geographischen Profils, die blutige Wäsche in der Batty Street als auch die Sichtung eines Mannes in der Church Lane mit einzubeziehen. Dann würde sich die Basis des Täters sicherlich in St. George in the east zu erkennen geben. Dass er die indirekte Fluchtroute via Goulston Street nahm, könnte daran gelegen haben, dass ihm DC Daniel Halse und zwei seiner City Police Kollegen auf der Aldgate High Street, an der Ecke Houndsditch, St. Botolph´s Kirche, den Weg blockierten. 

Nun gut…

Howard Brown hat einen Artikel ins JTRForums gestellt, der wie folgt zu lesen ist:

http://www.jtrforums.com/showthread.php?t=26780

Mich erinnert das an Cox Bemerkung mit der zweiten Frau in seinen Schilderungen, die nach einer gewissen Distanz von Verdächtigen einfach weggestoßen wurde. Die Größe, als auch die dunklen Haare werden von Cox ja ebenfalls erwähnt. Ich frage mich immer, was an Konversation zwischen dem Ripper und den Opfern bzw. potentiellen Opfer stattgefunden hatte. Einmal, in Cox seinen Memoiren, lacht die erste Frau und schreit dem Mann nach, im zweiten Falle, wie auch im Zeitungsartikel, kommt es zu einer überraschenden Attacke des Mannes. Auch von Stride wissen wir, dass sie nach einem Augenblick plötzlich attackiert wurde, dann aber auch eher leise schrie. Sie wollte sich von ihm nicht in den Yard drücken lassen. Was erzählte er ihnen, war es jemand der Lächerlich wirkte? Cox sagte auch, dass sein Blick auf seinem ohnehin üblen Antlitz irrer als gewöhnlich in jener Nacht ausfiel. Es könnte ja sein, dass das Gesicht des Mannes, durch eine Entstellung oder durch Akne oder andere Hautkrankheiten kein schöner Anblick war. 

Aber das ist wohl ein anderes Thema…

Ich wünsche dir und deiner Familie ebenfalls einen guten Rutsch und bedanke mich herzlich für deinen Wunsch. Kommt gut rüber.

Beste Grüße, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 01.01.2017 12:20 Uhr
Hallo und ein frohes neues Jahr!


Ich habe einmal zwei neue Karten angelegt:

Die erste Karte zeigt allgemein die Tatorte und Tatzeiten in Beziehung zu den Hauptverkehrsachsen und den Prostituiertentreffpunkten, von denen ich weiß.

Ich nehme mal an, in der Nähe der zentralen Kreuzung Whitechapel High / Commercial bzw. bei St. Mary Matfelon gab es auch noch einen Strich.
Falls jemand noch weitere Zentren des Straßenstrichs kennt, wäre ich über die Info sehr dankbar

Diese Karte zeigt m.E. recht deutlich, dass sich JTR vermutlich entlang der beiden Hauptachsen zu den an ihnen gelegenen Prostitiertentreffs als seinen eigentlichen "Jagdgebieten" orientiert haben dürfte.

Für mich sieht das, was die Karte zeigt, keineswegs so aus, als sei die Whitechapel Road eine Art psychologische Barriere für JTR gewesen, denn die Prostituiertentreffs bei St. Botolphs, an der Whitechapel High bzw. St. Mary Matfelon und London Hospital / Whitechapel Station liegen genau auf dieser angeblichen Barriere.

 

Die zweite Karte zeigt zudem hinsichtlich der Levy-These noch seine beiden bekannten Lebensmittelpunkte mit grünen Pufferzonen von jeweils rund 600 Metern Durchmesser darum.

Dabei fällt auf, dass diese zwei Punkte in der Nähe der beiden Brennpunkte der Ellipse von etwa 1400 Metern Breite und 700 Metern Höhe liegen, welche JTRs Wirkungsbereich ausmachte, und dass die Tatorte ungefähr in Äquidistanz um diese beiden Brennpunkte angeordnet sind.

Aber selbst wenn man Levys alte Adresse weglässt, ändert sich nicht allzuviel an der Geometrie, da Nichols ja als einzige nicht zuletzt in unmittelbarer Tatortnähe, sondern an der Ecke Whitechapel High / Osborn Street gesehen wurde, wie sie Richtung Osten wankte und JTR ihr einfach gefolgt sein kann.
Ebenso muss Stride irgendwann auf dem Weg nach Süden die Whitechapel High Street überquert haben.



P.S. Alternativ ließe sich als Nord-Süd-Achse auch noch Brick Lane / Osborn Street / Church Street ansetzen - ich habe Commercial Street gewählt, weil direkt daran Christ Church und die Zugänge zu Hanbury Street und Dorset Street liegen und sie die Hauptkreuzung mit der Whitechapel Road ist. Darüber hinaus sagte Hutchinson ja, dass Kelly dort den Astrachan Man traf.



Soviel zur Verfeinerung meines geographischen Profils.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 01.01.2017 14:15 Uhr
Frohes neues Jahr!

Gibt es einen bestimmten Grund, warum Du dich für einen Durchmesser von 600m Durchmesser, mit Levys Adressen (nicht eines Tatortes) in der Mitte entschieden hast? Ich bin mir nicht ganz sicher, denke, dass es sich dabei jeweils um ca. 450m handelte. Es scheint, dass Du bewusst Tabram, Eddowes und Kelly aus der "grünen Zone" herausgelassen hast, wobei es sich dabei wohl stets nur, durchschnittlich, um rund 50m handelte. Chapman erscheint dadurch auch etwas herausgedrückt. Es kommt mir so vor, als ob du eine Art Basis für Levy schaffen wolltest, zu der nicht direkt jene Tatorte gehörten, falls sie bei tatsächlich 600m nicht ohnehin dazugehören würden. Wo liegt die Ursache, bei so wenig Metern, sie nicht in diese Zone aufzunehmen?
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 01.01.2017 16:15 Uhr
Hallo Lestrade, frohes neues Jahr!



Zitat
Gibt es einen bestimmten Grund, warum Du dich für einen Durchmesser von 600m Durchmesser, mit Levys Adressen (nicht eines Tatortes) in der Mitte entschieden hast?

In Wesley Englishs GeoProfiling Programm fängt die Rote Zone von JTRs wahrscheinlicher Ausgangsbasis bei etwa 300 Metern Abstand zu den Tatorten an. (Die gelbe Übergangszone geringerer Wahrscheinlichkeit habe ich sogar ignoriert, das wären noch mal 50-100 Meter weniger Distanz gewesen.)
Er setzt also eine Pufferzone von rund 300 Metern um JTRs Basis in jede Richtung - das macht rund 600 Meter Durchmesser um diese Basis aus.
Das ist eine Pufferzone, die über ein Drittel der Länge und fast die gesamte Höhe von JTRs Wirkungskreis ausmacht - das erscheint auch mir eine plausible Größenordnung.

Selbstverständlich sind die Kreise eine Vereinfachung im Vergleich zu Englishs professioneller Software, die eine kontinuierliche Steigerung der Wahrscheinlichkeit farblich von Grün über Gelb bis Rot anzeigt.
Präziser wäre es gewesen, meine Kreise von ganz hellgrün am Rand bis zu kräftig grün zum Zentrum hin anzulegen, aber ehrlich gesagt war ich für die Einrichtung eines konzentrischen Farbverlaufs zu faul.

Ich habe die Kreise etwas geändert, um zu hervorzuheben, dass eine solche Pufferzone natürlich ein Kontinuum der Wahrscheinlichkeiten darstellt und keine scharf umrissene Grenze. Sind noch nicht perfekt, aber zumindest nicht mehr so scharf umrandet wie zuvor.


Zitat
Ich bin mir nicht ganz sicher, denke, dass es sich dabei jeweils um ca. 450m handelte. 

Und von wem stammt diese Zahl?



MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 01.01.2017 19:50 Uhr
Danke Arthur!

Ich versuche mal zu verstehen:

Wesley (bin auf seiner Seite) arbeitete doch mit keinem vollkommenden Kreis, wie du es tust, was sein Rot angeht! Der rote Bereich von ca. den Minories bis zur Vallance Road ist doch ca. 1km bei ihm, auf der Hauptstraße gehend. Von der Thrawl Street bis zur Plumpers Row sind es Luftlinie 300m im anderen Durchmesser. Nehme ich selbst davon den Durchschnitt, liege ich bei 650m. Die Middlesex Street Adresse von Levy liegt bei ihm doch schon fast im grünen Bereich. Ich verstehe dich da jetzt nicht ganz. Wesley erschaffte das Profil des Rippers aufgrund der Tatorte, und du möchtest das Profil aufgrund von Levys Adresse darum aufbauen? Damit lägen doch die Tatorte Chapman, Eddowes und Kelly, schiebst du sein Profil, Levys Adresse inmitten der roten Markierung, auf deines, eben im roten Bereich, nicht mehr im Grünen. Dein linker Kreis steht doch in keinem Verhältnis zu allen Tatorten, so wie bei ihm.

Wesley setzte folgendes Verhalten voraus:

Jack would not kill right outside his home.

The probability of Jack killing would increase with distance from his home until it peaked at some point.

The probability Jack killing would then decrease with further distance from his home.

Das heißt, Jack tötete nie direkt in seiner Basis (rot) sondern außerhalb davon (grün). Die Tatorte laufen nicht von Grün in Rot über. Tabram würde direkt inmitten vom Rot ermordet worden sein. Du hast sie in deinem Profil, er nicht. Alle seine Tatort der K5 miteinander verbunden, ein Kreis, sind der äußere Bereich, wo sein Jagdgebiet endete. Darüber hinaus würde er nicht viel weiter zuschlagen. Du übernimmst gewisse Annahmen von ihm im Bezug der Tatort der K5 auf dein Profil der K 6 aber im Bezug zur Levy Adresse als Mittelpunkt. In Wesleys Profil, umschließt der rote Bereich doch gar nicht die nördliche Middlesex Adresse von Levy. Sie liegt doch an einem gelblich-grünen Bereich. Wie sähe denn Wesleys Profil mit Tabram aus? Du schreibst: “In Wesley Englishs GeoProfiling Programm fängt die Rote Zone von JTRs wahrscheinlicher Ausgangsbasis bei etwa 300 Metern Abstand zu den Tatorten an.“ Aber was hätte das mit deinem grünen Kreis im Falle von Stride und Nichols zu tun? Im Falle von Nichols, liegt dein grüner Rand selber ja schon knapp einen Kilometer von der Bucks Row entfernt. Bei Stride ist es ja genauso, gar vom Kreiszentrum entfernt. Vom roten Mittelpunkt bei Wesley liegen die Tatorte Eddowes und Nichols doch weit über 300m entfernt, über doppelt soweit weg, Nichols weiter als Eddowes. Solch ein Profil zeigt doch auch nicht direkt eine Straße an, sondern nur einen Bereich mit mehreren Straßen, dass man dabei einen direkten Punkt angegeben kann, der dann tatsächlich der Tatsache entspricht, habe ich noch nie gehört. Die roteste Stelle entsteht doch nur aufgrund mathematischer Berechnungen. Das tiefere Rot bei ihm, entsteht doch gleich hinter den Minories bis fast an die Vallance Road bzw. beginnt an der Thrawl Street und endet auf Höhe Plumbers Row. Wenn man das Profil eines solchen Profilers annimmt, kann man nur auf sein Ergebnis kommen. Man muss wissen, dass er nur von den K5 ausging und ich weiß nicht wirklich, wie sein Profil mit Tabram aussieht. Wenn er sagt, dass Jack nicht vor seiner Haustüre tötete, dann würde sein roter Bereich doch überhaupt nicht mehr so Rot sein, sondern an der Stelle von Tabram, grün, wie bei allen anderen Opfern. Wenn wir auf deinem Profil den Tabram Tatortbereich grün machen, was er ja im Prinzip ist, sowie auch Eddowes, Kelly und Chapman, dann würde sich der ganze Bereich um Levys Adresse dort aufhellen und Wesleys roter Bereich sich östlicher und südlicher darstellen. Ganz klar liegt Levys Adresse auch ohne Tabram bei Wesley noch gerade so am roten Bereich. Haarfeiner, aber schon rot, lägen noch die Greenfield Street und die Fieldgate Street darin. Mit Tabram würde die Middlesex Street grün erscheinen bei ihm. Sich auf Wesley zu beziehen und dabei Tabram einzubauen, damit machst Du dir ja selber die Levy Adresse in der Middlesex Street kaputt. In Wesleys Annahmen, welche u.a. auf die Tatorte beruht, ist eben das rot was rot ist, und die nördliche Middlesex Street Adresse ist es nun mal nicht. Da kann man doch nicht um die Adresse von Levy einen Kreis ziehen und es darstellen als sei es Wesleys roter Bereich. Das ist doch keine Lösung. Aufgrund des kleinen Gebietes, bleibt die Middlesex Street, gerade der südliche Bereich, absolut interessant hat aber nichts mit Wesleys gänzlich roten Bereiches zu tun.

Was du gemacht hast ist, einen Kreis um Levys Adresse gezogen und dabei die Tatorte Eddowes und Kelly wie auch Tabram und Chapman grün erscheinen lassen (im Vergleich mit Wesleys grünen Bereichen). Deine 300m als Ausgangsbasis, vom Mittelpunkt an ausgesehen, plus noch einmal 300m, was haben diese 600m mit den Tatorten Nichols und Stride zu tun? Die musst du auch in deine 600m mit aufnehmen um dich auf Wesleys Profil Ansichten zu beziehen.

Kurz mal das, bevor ich es vergesse:

Vorausgesetzt, dass seine Basis die Fieldgate Street war, dann ist der Stride Tatort, unterhalb der Hauptstraße, der Tatort, wo am frühesten in einer Nacht ein Opfer getötet wurde. Deiner Ansicht nach zu schlussfolgern, wäre der Täter wieder nach der Stride Attacke in Richtung Basis gegangen, also Fieldgate Street. Ging er aber nicht, sondern weiter Richtung Mitre Square. Angenommen, Levy ging nach den beiden Morden wieder plötzlich nach Hause, zu seiner alten Adresse, wie hätte seine Frau reagiert, wenn sie mitbekommen hätte, dass ihr Mann plötzlich wieder daheim ist, nachdem nahe seiner alten neuen Adresse bzw. an der normalen, plötzlich zwei Mordopfer gefunden wurden und unweit ihrer regulären Adresse, um die Ecke, auch noch ein Schürzenteil auftaucht, welches einem der Opfer gehörte? Lebt Levy in der Fieldgate Street, ging er eben nicht Richtung Basis. Weitere Morde, Chapman und Kelly, auch Nichols, fanden später des Nachts statt. Hier würde man wieder sehen, desto früher ein Mord, desto dichter an der Basis.

Dein linker Kreis bezieht sich doch eher auf die Tatorte Tabram, Chapman, Eddowes und Kelly. Und ob da die angenommenen 600m stimmen, ich schaue einfach auf Karten mit Maßstab, bin ich mir nicht sicher. Und Nichols und Stride lagen weiter von Levys Adresse in der Middlesex Street entfernt. Man fährt ja heute noch relativ gerade um die 1,5 km von der Bucks Row bis zur Middlesex Street. Und wie gesagt, Wesley bezog sich auf alle Tatorte der K5.

Du würdest ja selber erkennen, wenn das bei Wesley so stimmt mit den von dir vermuteten Angaben, dass sein roter Bereich auf Levs Adresse gelegt, den Tatort Nichols weit über die angenommen 300 bzw. 600m erscheinen lässt. Ein Oval, wie bei Wesley, hat ja auch eine Mitte, die Tatorte können nicht alle gleich entfernt gelegen haben. Gehe ich vom äußeren Rand des roten Bereiches aus, dann liegt z.B. der Nichols Tatort nur knapp 80 m von der Vallance Road entfernt, dort wo eben der rote Bereich endet.

Noch einmal, ich finde Wesleys Profil Klasse. Aber es würde sich verändern, wenn er Tabram mit aufnehmen würde. Vermutlich rutscht bei ihm dann die Levy Adresse weiter in den grünen Bereich. Einem Bereich in dem Jack eher mordete anstatt zu leben. Roter würde es dann werden in Richtung Osten und Süden. Richtig Rot wären dann wohl auch die Fieldgate als auch die Greenfield Street.

Tabram hin-oder her, Wesleys Profil zeigt m.E. an, wo der Ripper zu finden war. Er kann überall im rötlichen Bereich zu finden gewesen sein oder ganz dicht dabei. Wo es roter wird, da wahrscheinlicher aber nicht absolut sicher. Aber Levys Adresse roter zu machen als sie bei Wesley ist (Wesley Basis/rot bei dir/grün), aufgrund einer Verdächtigen Adresse anstelle einer vollkommenen Tatortkarte, auch gerade durch die Aufnahme von Tabram, erscheint mir ungünstig und auch unnötig. Auch deshalb, weil sie Levy grüner macht auf Wesleys Karte und er noch "weniger in Frage" käme. War allerdings Tabram wirklich ein Ripper Opfer, dann wird seine Adresse bei Wesley tatsächlich auch grüner, weil Jack in solchen Bereichen eher tötete als gelebt hätte. Im Falle von Tabram und Kosminski in der Greenfield Street, müssten wir das wohl auf seiner (mit Tabram) Karte auch anerkennen. Die Ecke Levy wäre da Opfer, nicht Wohngebiet gewesen.

Beste Grüße,

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 02.01.2017 19:51 Uhr
Hallo Lestrade!


Die Sache mit der zweiten Karte ist eigentlich ganz einfach:
Ich wollte damit zeigen, dass die von Wesley Englishs Programm für JTR angenommenen Pufferzonen um seine Basis auch für den Tatverdächtigen Jacob Levy gültig sind.

Du darfst dich nicht davon verwirren lassen, dass das Programm von English das mögliche Wohngebiet in Rot-Tönen darstellt und die Tatorte im Grünen liegen.
Ich habe es umgekehrt gemacht, sowohl vom Ansatz her als auch von den Farben und für die Pufferzone um die konkreten Adressen deshalb Grün gewählt, weil auf der Karte schon die Tatorte rot sind - und Grün als dessen Gegenteil gut auf die Zone passt, in der JTR nicht zuschlagen würde. So nach dem Motto: Rot = tot, Grün = sicher.

Ich habe also aus dem GeoProfiling Programm die Werte über die Breite des Pufferbereichs zu den Tatorten genommen - die rund 300 Meter Abstand bis zu Englishs Roter Zone - und diese konkret auf die Adressen von Jacob Levy angewandt.
Dabei entsteht logischerweise ein Kreis von rund 600 Metern Durchmesser um die jeweilige Adresse, innerhalb dessen JTR - in diesem Falle also Levy - höchstwahrscheinlich nicht zuschlagen würde, weil es zu nahe bei ihm gewesen wäre.
(In der Realität wird JTR sich natürlich an Häuserblocks und Straßenzügen orientiert haben, und nicht mit einem Zirkel einen Kreis um seine Basis gezogen haben.)

Mehr steckt da nicht dahinter: Es ging mir darum zu zeigen, dass auch bei der Annahme, dass Levy JTR war, die postulierten Pufferzonen eingehalten werden.

P.S.
Zitat
Tabram hin-oder her, Wesleys Profil zeigt m.E. an, wo der Ripper zu finden war.

Ähm, nicht ganz: Es zeigt ein Kontinuum von Wahrscheinlichkeiten für die mögliche Position von JTRs Basis an: Von Grün (Wahrscheinlichkeit sehr gering) über Gelb (Wahrscheinlichkeit höher) bis zu Rot (Wahrscheinlichkeit hoch). Das ist ein Unterschied.
Und nebenbei: Das funktioniert auch unter der Prämisse "He occupied several shops in the East End" und unabhängig davon, ob man Tabram mit einbezieht oder nicht (English hat beide Versionen erstellt).


Wichtiger war mir aber, mit den Karten einmal den Blick auf die Geometrie von JTRs Wirkungsbereich zu schärfen:
Es ist ein Kreuz entlang der beiden Hauptachsen mit jeweils einem Prostituiertentreff an drei der Enden - nur von der Umgebung der Berner Street ist mir bisher nicht bekannt, dass dort irgendwo ein Strich war.
Diese Symmetrie finde ich interessant - ob sie eine tiefere Bedeutung hat oder nur aus den Zufällen der Stadtentwicklung resultiert, weiß ich nicht. Jedenfalls würden in diese Geometrie auch gut mehrere Basen passen ("he occupied several shops").
Aber die Karte macht m.E. vor allem deutlich, dass die beiden großen Verkehrsachsen für JTR wohl keine psychologischen Barrieren darstellten, sondern vielmehr die Highways to Hell.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 02.01.2017 23:08 Uhr
Guten Abend Arthur!

Das soll jetzt nicht kleinlich sein, nur der Korrektheit halber:

Du darfst dich nicht davon verwirren lassen, dass das Programm von English das mögliche Wohngebiet in Rot-Tönen darstellt und die Tatorte im Grünen liegen.Ich habe es umgekehrt gemacht

Das habe ich schon bemerkt, war ja auch offensichtlich, siehe hier: (Wesley Basis/rot bei dir/grün)

Zitat
Tabram hin-oder her, Wesleys Profil zeigt m.E. an, wo der Ripper zu finden war.

Ähm, nicht ganz: Es zeigt ein Kontinuum von Wahrscheinlichkeiten für die mögliche Position von JTRs Basis an: Von Grün (Wahrscheinlichkeit sehr gering) über Gelb (Wahrscheinlichkeit höher) bis zu Rot (Wahrscheinlichkeit hoch). Das ist ein Unterschied.

Wesleys roter Kreis ist ja nur ein Teil des Gebietes. Ich meinte dabei das gesamte Gebiet, ging dann etwas genauer auf den roten Bereich ein. Es handelt sich ja um Wahrscheinlichkeitsrechnungen. Gebe zu, dass dies unglücklich formuliert war. Mein "Wesleys Profil zeigt m.E." bezog sich auf das gesamte Gebiet, nicht einzig um den roten Bereich. Sieh es mir nach...

Dein rechter Kreis, bezüglich der Fieldgate Street, passt zu den bekannten Profilen. Das fand ich gut. Er entsprach noch den Bereich, wo es mehr Sinn macht, diese Kreise des Profilings leicht zu verschieben. Diese Profile sind ja nur eine unterstützende Berechnung, die man flexibler betrachten kann. Desto weiter man jedoch diese Kreise verschiebt, ab einem bestimmten Punkt, gehen die Relationen zu den Tatorten immer mehr flöten. Das heißt nicht, dass der Täter woanders zu finden war. Diese Kreise sind nur ein Ausgangspunkt, eine Orientierung, die man auch verschieben kann. Irgendwann hört diese Kreistheorie dann auf, wenn man diese Kreise zu weit von den Grundlagen, auf welche sie aufbauen, entfernt. Diese Grundlagen und Theorien beruhen ja auf Erfahrungen, genug Fälle scheren davon mehr oder weniger aus. Aber ein Beweis, dass diese Profile ein Anfang sind auf dem man aufbauen kann.

Dein linker Kreis, so sah ich es, stand nicht mehr gänzlich in den Annahmen, die diese Kreistheorie eröffnete. Ich hätte es besser gefunden, wenn du etwas ovaler die Theorie von Wesley übernommen und nicht die Middlesex Adresse als Mittelpunkt genommen hättest. Wenn du nicht ganz so weit nach links gerückt wärst, diese Adresse dann dennoch schon im Rot, hätte das für mich sinniger und erklärender gewirkt, weil du dann wie im rechten Kreises, nicht allzuweit vom angenommen Mittelpunkt der Kreistheorie entfernt gewesen wärest. So wie eben beim rechten Kreis. Rob House hat das ja auch mal gemacht, allerdings noch mit der Sion Square Adresse von Kozminski, bevor er wusste, dass sie für 1888 falsch war. Die Greenfield Street/ Yalford Street, nicht weit weg, passte aber ja auch noch. Diese Verschiebungen der Kreise war da noch vertretbar, bei der Providence Street wäre das dann nicht mehr ganz so klar gewesen.

Wann wird der innere Kreis, die primäre Zone, bezüglich der Kreistheorie, nicht mehr richtig tragbar? Die Comfort Zone besteht aus primärer und sekundärer Zone. Beide stehen in Abhängigkeit zueinander und müssen, so meine Bobachtung, gleichzeitig miteinander verschoben werden. Denn der Gesamtkreis wurde um den Bereich der Tatorte gezogen und diese ergeben ja auch tatsächliche eine Art von Kreis. Der Durchmesser des Kreises selber, liegt bei ca. 1000m und etwas imaginär darüber hinaus (wegen Eddowes). Der innere Kreis, die primäre Zone, die Basis also, hat einen Durchmesser von 500m und der Mittelpunkt von ihm liegt mittig im Gesamtkreis. Der äußere Bereich um die innere, primäre Zone, ist die sekundäre Zone und der gänzlich äußere Rand die Begrenzung derselben. Nun kann man den Gesamtkreis so verschieben, dass sich die Tatorte der K5 immer noch um diesen Kreis bewegen, wie bei deiner Fieldgate Street Adresse und bei Rob´s Sion Square/ Greenfield Street Adressen. Alle drei lagen dicht zusammen.

Bei deinem Kreis, mit Levys Adresse als Mittelpunkt in der Middlesex Street, wird diese Kreisannahme so weit nach links verschoben, dass sich Nichols als auch Stride von diesem äußeren Kreisrand entfernen und man keinen sinnigen Tatortkreis mehr ziehen kann. Es sind ja allein von Levys Adresse dort, bis zum Mittelpunkt der bekannten Kreistheorie, schon 500m, so ja schon der Durchmesser des inneren Kreises. Neben Wesley´s Oval, wäre auch eine ähnliche Kreisverschiebung, wie du sie bei der Fieldgate Street sehr sinnig angewandt hast, auch links günstiger gewesen. Levy als Mittelpunkt in der Middlesex Street war m.M. nach nicht nötig. Ich fand das zu sehr aufs Auge gedrückt. Auch wäre Wesleys "Oval", nicht ganz so weit links passender gewesen, sie drücken die "nahen Tatorte" noch etwas weiter weg, als es ein nicht so weiter Kreis auch ohnehin schon getan hätte. Diese Tatorte hätten dann nicht so "primärzonig" gewirkt. Und Tabram wäre, als mögliches erstes Opfer, auch gut gelegen. Ich glaube, kein Profiler würde einen Täter genau im Mittelpunkt des inneren Kreises erwarten. Eine leichte Kreisverschiebung, zum Ort eines Verdächtigen hin, macht da mehr Sinn, denke ich. Im Falle von der Fieldgate Street und Kozminskis Straßen, kann man das allerdings auch punktgenau verschieben, im Falle von der Middlesex Street wäre Levy aber deutlich roter geworden ohne ihn Punkt auf Punkt zu legen. Der Gesamtkreis wäre erhalten geblieben. Natürlich macht der Kreis um die Levy Adresse als Mittelpunkt, die sehr nahen späteren Opfer drumherum, Levy etwas zunichte aber nur Aufgrund von Erfahrungen, es muss in seinem Falle (als JtR) sich eben nicht mit den Erfahrungen decken. Wir sind uns einig, denke ich, dass diese Profile ein Modell sind aber wenn wir sie anwenden, müssen wir sie auch immer so betrachten, wie sie angelegt wurden, auch wenn die Realität in einigen Fällen nicht ganz mit dem hinkommt. Das könnte so im Falle von JtR auch gewesen sein. Davon abgesehen, Levy lebte im Bereich der Ripper Morde und käme ohnehin in Frage, Geographie und psychologisches Profil passen. Ich wollte dir nur darauf hinweisen, diese Profile bei Verschiebungen von deren Kreisen etwas vorsicht walten zu lassen. Laut diese Profilen liegt der Mittelpunkt eben da wo er liegt aber es war nicht die Middlesex Street, in keinem Falle. Das zu diesen Profilen, das bedeutet ja nicht, dass Levy als Jack the Ripper nicht in der Middlesex Street gelebt haben könnte. Dann war das eben nicht der Mittelpunkt, der wahrscheinliche, sondern eben 500m davon entfernt. Immer noch eine tolle Arbeit der Profiler. Ich wollte nicht, dass dein Kreis um Levy in der linken Darstellung so aussieht, für Mitleser, als ob Levy´s Adresse der Mittelpunkt der primären angenommenen Zone war. Dafür liegt sie bezüglich dieser Kreise zu weit links. Ich denke auch, dass dein linker Kreis nur knapp 500m erreicht. 600m erscheinen mir zuviel. Hast du noch einmal selbst nachgeschaut? Ich vermute, bei genau 500m, liegen Eddowes als auch Kelly noch auf dem Kreisrand des inneren Kreises und Chapman relativ dicht dran aber ich kann mich auch täuschen. Vielleicht täuscht mich aber auch nur mein tausendfacher Blick auf Karten dieser Zeit. Du siehst, wir berechnen hier einen so kleinen Bereich, man muss sich fragen, ob wir das wirklich müssen. Mein Eindruck war, dass du den linken Kreis zu weit überzogen hattest, im rechten hast du das aber klasse gemacht. Ich wollte deine Arbeit und deinen Fleiß nicht schmälern, sondern nur behilflich sein. Anstelle den Kreis um 500m, mit Levy als Mittelpunkt nach links gezogen, hätte eine Annäherung von 250m zu dieser Adresse ein "perfektes" Profil ergeben. Ich denke, dass ist der Sinn um ein Ausgangsprofil richtiger zu nutzen zu können und dann passen zu Levy auch deine "Fluchtgedanken" Richtung Mitre Square bzw. auch der nahe Tatort Kelly (er entfernte sich nach dem Double Event nicht mehr weit weg) bzw. auch die Goulston Street passt dann. Für nahe Tatorte an der Basis kann es eben jene Gründe gegeben haben. Passen nicht gänzlich zu den Erfahrungen oder Erwartungen können aber dennoch absolut richtig sein.

Noch einmal zu den anderen Profilen:

Sei es Dr. Rossmo oder Wesley English, in ihren geographischen Profilen sehen wir innerhalb einer Art Kreises, einer primären Zone, den wohlmöglichen Wohnsitz des Rippers. Wesley Mittelpunkt in seinem roten Bereich stellt die Umgebung um die Kreuzung Osborn Street/ Brick Lane dar. Rossmo sieht es offenbar ähnlich, hebt jedoch die Flower and Dean Street bzw. deren nahe Umgebung hervor, weil er es als wichtig betrachtet, dass alle Opfer der K5 mit dieser Straße oder deren unmittelbaren Umgebung zu tun hatten. Er erweitert damit die Annahmen von Wesley. Dessen roter Bereich verändert sich damit ein paar Metern nach Norden, vorher kratzt er nur an der Flower and Dean Street. Beide erstellten Profile mit den K5, wie ich aber nur zunächst dachte. Canters Profil, so wie ich es verstehe, schließt die Möglichkeit von Tabram mit ein. Er hat eine klare Kreistheorie, welche die Comfort Zone des Rippers definiert, mit einer primären und sekundären Zone, natürlich jeweils ein Kreis. Aus der primären Zone würde sich der Täter nach der ersten Tat zurückziehen. Diese Comfort Zonen sehen Rossmo und Wesley ebenfalls so. Wesley markiert die primäre rot. Canters Zentrum (Mittelpunkt) ist das gleiche wie bei Wesley. Für alle ist klar, dass die gesamte Comfort Zone, die ist, welche alle Tatorte umkreist. Im sekundären Bereich, finden fast alle Morde statt. Es könnte sein, dass Canter Tabram als erstes Opfer ansieht und sie im primären Bereich des Rippers vermutet. Für die anderen beiden, scheint der erste Tatort weniger interessant, sie sehen das Ganze eher unabhängig davon. Wenn man Tabram bei Rossmo und Wesley mit eingibt, kann das wiederum zu unterschiedlichen Bildern kommen, bei Rossmo muss sich nicht viel ändern, aufgrund seiner Sichtweise, bei Wesley kann das jedoch anders aussehen. Dazu weiter unten mehr. Nimmt man noch Douglas/ Resslers Dreieckstheorie, stellt sich das so dar, dass sich nach dem ersten Mord (Nichols) ein Dreieck bilden lässt, Chapman, Stride, Eddowes und  Kelly nacheinander miteinander verbunden. Dort wäre dann die sekundäre Zone. Wäre jedoch Tabram das erste Opfer, dann bildet sich ein Dreieck in die andere Richtung, wird aber zunichte gemacht, mit den Taten an Eddowes und Kelly. Dass dabei Eddowes aber direkt auf Stride folgte, kann man wohl vernachlässigen. Verbindet man Kelly dann aber wieder mit Stride und Chapman ergibt sich eine Art zweites Dreieck. Beide Dreiecke miteinander verbunden, ergeben dann wieder auf der mittleren Geraden ungefähr den Tabram Tatort. Diese Figur passt dann wieder in eine Art Kreis. Aber das ist nur meine Beobachtung. Das alles so zusammen gesehen, schafft immer eine Art Mittelpunkt, sowie von Canter und Wesley beschrieben und auch ähnlich von Rossmo angenommen. Ich denke, so gesehen, ist dass alles richtig und auch sinnig und ich glaube das. Bei Wesley war ich mir zunächst nicht ganz sicher, ob er mit Tabram nicht weiter östlich/südlich gewandert wäre. Wie bei der ersten Dreieckstheorie und vielleicht auch bei Wesley mit Tabram, wäre für Levy in der Middlesex Street, dass alles zu sehr "sekundäre" Zone. Aber egal wie man es dreht, er bleibt dennoch in der Gesamtzone, mal mehr drin, mal weniger, mal primärer, mal sekundärer.

Hier Wesley die Karte ohne Tabram:

http://www.wesleyenglish.com/geoprofile/infamous-cases/jack-the-ripper/

Hier mit Tabram, Wesley selber:

http://forum.casebook.org/showthread.php?p=125114#post125114

Dieser letzte Faden, wird eröffnet mit Colin Roberts, erwähnte ihn hier in unserer Diskussion bereits:

http://forum.casebook.org/showthread.php?t=2904

Der Faden war etwas früher:

http://forum.casebook.org/showthread.php?t=2473

Es sind interessante Fäden und man sieht, welche Arbeit dahintersteckt. Bei Wesley scheint sich der Bereich nordwestlich der Osborn Street mit Tabram etwas aufzuhellen, ohne sie wirkt er dunkler. Er scheint da nur etwas an Farbe herausgenommen zu haben.

Beste Grüße,

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Shadow Ghost am 03.01.2017 15:02 Uhr
Ein Frohes Neues Jahr an Euch alle!

Eine interessante Diskussion. Ich weiß nicht, ob Ihr die Arbeit von Stephan Harbort über geographisches Verhalten schon kennt, hier aber mal der Link:

http://www.der-serienmoerder.de/scripts_de/forschung/forschung01.html (http://www.der-serienmoerder.de/scripts_de/forschung/forschung01.html)

Viele Grüße,
Shadow Ghost
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 03.01.2017 16:24 Uhr
Frohes neues Jahr auch dir, Shadow!

Mensch, warst ja ewig nicht hier.

Ja, ich kenne das von Harbort und habe hier in unserer Diskussion schon auf ihn hingewiesen ohne jetzt spezielle Links anzufügen.

Ich finde, dass er unheimlich spannend ist, jedenfalls das, was ich von ihm kenne. War ja auch mal hier im Forum, auf Isdrasil´s Initiative hin, du wirst dich erinnern:

http://jacktheripper.de/forum/index.php?topic=1377.0

Vor Jahren soll er ja mal gesagt haben: "Jack the Ripper war kein "Triebtäter", er war ein emotionaler Amokläufer.“, dass er eben kein typischer Sexualmörder war, sagte auch, dass sich die Methoden des FBI nicht ohne weiteres auf deutsche Verhältnisse übertragen lassen, was Tathergang und Motiv angeht. Weiß jetzt nicht, wie er heute dazu steht.

2010, Harbort:

https://www.youtube.com/watch?v=7ikzwi45HDs

Nun hat er ja für den deutschen Raum die Serienkiller seit 1945 unter die Lupe genommen und sich dann für den Zeitraum 1965-2005 entschieden, was diese geographische Studie angeht, Deutschland bezogen. 

Nun ist es natürlich so, dass man sich mit modernen Erkenntnissen, sei es psychologisch und geographisch, dem Ripper Fall von 1888 nähern muss. Vielleicht muss man all diese Dinge, mit diesen mittlerweile weit entfernten Taten, etwas anders betrachten. Gerade dieser kleine Bereich indem Jack the Ripper agierte, lässt mich manchmal loslassen von all den geographischen Erkenntnissen. Ohne ein Zone besonders darin hervorzuheben, denke ich, dass er in jeder Straße dort, gut und gerne seine Basis gehabt haben könnte.

Beste Grüße,

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Shadow Ghost am 03.01.2017 17:03 Uhr
Ja, es ist schön, mal wieder hier zu sein. Leider war ich im letzten halben Jahr beruflich stark eingebunden und in Folge dessen gesundheitlich etwas angeschlagen; aber ich hoffe heuer wird es besser. Aber zumindest habe ich wieder ein paar deutsche Zeitungen nach Artikeln durchforstet und mich auch ein wenig mit den oft zitierten Morden in Austin, Texas, beschäftigt.

Dachte ich mir fast schon, dass die Harbort-Studie bekannt ist, aber ich fand es heute recht interessant, darin zu schmökern.

Nun ist es natürlich so, dass man sich mit modernen Erkenntnissen, sei es psychologisch und geographisch, dem Ripper Fall von 1888 nähern muss. Vielleicht muss man all diese Dinge, mit diesen mittlerweile weit entfernten Taten, etwas anders betrachten. Gerade dieser kleine Bereich indem Jack the Ripper agierte, lässt mich manchmal loslassen von all den geographischen Erkenntnissen. Ohne ein Zone besonders darin hervorzuheben, denke ich, dass er in jeder Straße dort, gut und gerne seine Basis gehabt haben könnte.

Darin sehe ich auch das Problem, wenn mit der Software, die auf moderne Serienmörder ausgerichtet ist (und wahrscheinlich auch daran "geeicht" wurden), auf historische Fälle losgegangen wird. Ein wichtiger Punkt allein ist, dass heute die Mobilität ganz anders möglich ist. Daher könnten die modernen Raster zu grob sein für historische Fälle. Vielleicht, dass es eine Möglichkeit gibt, die Software an historische Fällen neu zu kalibrieren.

Am besten dürfte es aber sein, wenn wir uns die wichtigen Prinzipien, die sich aus der Forschung an geographischen Profilen bislang ergeben haben, auf unseren Fall anzuwenden versuchen. Und da kann die Harbort-Studie vielleicht doch recht hilfreich sein, z.B. im Hinblick auf die eher geringe Bedeutung einer Sicherheitszone, oder dass der Kontaktort wichtiger sein soll als der eigentliche Tatort.

Viele Grüße,
Shadow
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 03.01.2017 17:53 Uhr
Ja, es ist schön, mal wieder hier zu sein. Leider war ich im letzten halben Jahr beruflich stark eingebunden und in Folge dessen gesundheitlich etwas angeschlagen; aber ich hoffe heuer wird es besser. Aber zumindest habe ich wieder ein paar deutsche Zeitungen nach Artikeln durchforstet und mich auch ein wenig mit den oft zitierten Morden in Austin, Texas, beschäftigt.

Oh je, dann wünsche ich die weiter gute Besserung! Hört man leider sehr oft, diese Erfahrung habe ich auch schon gemacht. Bist Du fündig geworden? Howard im JTRForums postet immer sehr viel Zeitungsartikel, heute begann wieder eine Serie mit Berichten nach dem Double Event. Ich finde das immer sehr spannend und interessant.

Darin sehe ich auch das Problem, wenn mit der Software, die auf moderne Serienmörder ausgerichtet ist (und wahrscheinlich auch daran "geeicht" wurden), auf historische Fälle losgegangen wird. Ein wichtiger Punkt allein ist, dass heute die Mobilität ganz anders möglich ist. Daher könnten die modernen Raster zu grob sein für historische Fälle. Vielleicht, dass es eine Möglichkeit gibt, die Software an historische Fällen neu zu kalibrieren.

Ja, denke auch, dass es wert wäre, das zu kalibrieren.

Am besten dürfte es aber sein, wenn wir uns die wichtigen Prinzipien, die sich aus der Forschung an geographischen Profilen bislang ergeben haben, auf unseren Fall anzuwenden versuchen. Und da kann die Harbort-Studie vielleicht doch recht hilfreich sein, z.B. im Hinblick auf die eher geringe Bedeutung einer Sicherheitszone, oder dass der Kontaktort wichtiger sein soll als der eigentliche Tatort.

Ja, ein Grund meiner "Barrieren-Theorie", dass Jack oberhalb der Hauptstraße seine Kontaktorte hatte. Dort waren die Straßenstriche, unterhalb war das bedeuten weniger. Dass heißt ja nicht, dass er nicht oberhalb auch gelebt haben könnte. War dem so, dann wäre eben aus anderer Richtung die Hauptstraße die Grenze gewesen.

Für mich ist im Falle von Kosminski, du kennst meine Passion, eine eventuell wenigere Bedeutung der Sicherheitszone auch von Wichtigkeit.

Harbort:

Wohnort des Probanden,
Ehemaliger Wohnort des Probanden,
Arbeitsstelle des Probanden,
Wohnort der Primärfamilie (Eltern, Geschwister, Kinder),
andere Orte, an denen der Proband sich längerfristig und bekanntermaßen aufhält (z. B. Ferienhaus).

Providence Street/ Yalford Street/ Greenfield Street, 38 Berner Street in 1882, neben dem Dutfields Yard (eine frühere Adresse, genau wie die Fieldgate Street von Isaac Abrahams), wohlmöglich Batty Gardens, alles Adressen aus dieser Familie und die bestimmten Einrichtungen bei Nacht (Sims) plus Cox Hinweis auf die Leman Street stehen für ein solche, vielleicht garnicht vorhandene Sicherheitszone im Falle von Stride in der Berner Street. Die geringe Größe des Gebietes, mit Smith und Tabram im Zentrum, gibt es da überhaupt einen Raum für eine Sicherheitszone? Für Levy können wir das ebenso anwenden. Ich habe zwar immer nicht alles auf dem Schirm, was ich je gelesen habe aber bei einigen Serienmörder, so meine Erinnerung, trifft eine Sicherheitszone auch nicht immer so zu.

Mir gefällt die Theorie, in der ich jeweils Dreiecke ziehen kann, drei insgesamt (die Gründe beschrieb ich, abhängig ob der erste Mord nun Tabram oder Nichols war). Ist ja keine Kunst. Eine Gerade ist ja stets die Verbindung von Chapman und Stride, zufälligerweise der auf die Uhrzeit bezogene späteste und früheste Mord. Da dabei die Uhrzeit Richtung Zentrum der Verbrechen abnimmt und ich die Kontaktzone oberhalb der Hauptstraße sehe, kam mir in den Sinn, da auch nur ein Mord unterhalb stattfand, ob der Ripper nicht knapp südlich der Hauptstraße zu Hause war. Diese Linie zwischen Chapman und Stride trifft dort sehr genau auf den Sion Square, zwischen Church Lane und Greenfield Street. Auch ein Grund für meine Zeitthese, welche ja nicht meine ist.

Aber wie Du treffend sagst, wir sollten so gut wie möglich, die modernen Prinzipien anwenden.

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 03.01.2017 20:32 Uhr
Kurz mal eine Info:

Habe gerade auf der Facebook Seite von Adam Wood (Swanson-Buch) gesehen, dass er sein Titelbild geändert hat. Dort ist eine Akte an das Home Office in London mit dem Titel "Kosminski" zu sehen. Unterzeichnet wohl von J. Monro. Auch ist dort etwas mit Re: Kosminski zu sehen. Ich weiß nichts und kann jetzt nichts weiter dazu sagen aber eine solche Akte ist bisher ja nicht bekannt. Keine Ahnung, was er da gefunden hat. Wenn es die Akte Kosminski ist, na dann Glückwunsch.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 06.01.2017 13:07 Uhr
Wir haben hier auch Jacob Koski erwähnt, den Nachbarn von Joseph Hyam Levy! Es stand die Spekulation im Raum, dass es sich dabei um Jacob Kosminski, den Bruder von Martin & Samuel Kosminski handeln könnte. Dem war offensichtlich nicht so.

Einen interessanten Namen für unsere Verwechslungs-Spekulationen fand ich noch in Scott Nelsons "The Polish Jew Suspect":

"Interestingly, the 1891 census shows that living next door to Joseph Levy, at no. 2 Hutchinson Street, was Jacob Koski, a 48-year-old Russian-born tailor and his family.
Jacob Koski and his wife, Rachel, had come to London prior to 1870, when their daughter Leah was born. In the 1871 London census, the Koskis were listed at no. 6 Ebenezer Square, Aldgate, which was situated between Gravel and Stoney Lanes. (...)
A search of the surname ‘Koski’ in the 1891 London census records indicates that, like the name ‘Kosminski,’ Koski was very uncommon. In the 1871 census, Jacob is the only male ‘Koski’ listed in London. By the time of the 1881 census, there were five male heads of households surnamed ‘Koski.’ An additional four were listed in the 1891 census."
http://www.casebook.org/dissertations/rip-polishjew.html

Bei der Einbürgerung eines Martin Kosminski stand Joseph Hyam Levy Pate. Es handelt sich wohlmöglich um jenen Martin Kosminski, der mit seinen Brüdern Samuel und Jacob nach London kam und zwar aus Kalisch, einer Region in Polen, zu der damals auch der Geburtsort Klodawa von Aaron Kozminski gehörte. In diesem Zusammenhang könnte man annehmen, dass Joseph Hyam Levy´s Nachbar Jacob Kosminski gewesen sein könnte.

Pat Marshall fand heraus, dass es sich bei ihm um Jacob Kotsolkowski handelte, geboren in Sieradz, Lodz. Er hatte einen Bruder mit dem Namen Charles Koski. Man findet über sie auch etwas im Oldbailey:

https://www.oldbaileyonline.org/browse.jsp?id=t18710501-385&div=t18710501-385&terms=Koski#highlight

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 07.01.2017 14:27 Uhr
Hallo Lestrade, Hallo Shadow Ghost!


Wenn die Ergebnisse von Harbort auch auf Serien-Sexualmörder im England des 19. Jahrhunderts übertragbar sind, dann müssen wir das Thema einer Schutzzone um seine Basis wohl etwas niedriger hängen.
Obwohl ich mir immer noch nicht vorstellen kann, dass ein Täter direkt in seiner eigenen Straße mit einem Opfer Kontakt aufnehmen würde... Zumindest nicht einer von der Sorte, beim dem Tatort und Ablageort identisch sind und der seine Opfer offen am Tatort liegen lässt.
Vielleicht gibt es diese (möglicherweise unbewusst eingehaltene) Schutzzone solcher Täter, die im extrem kleinen Radius aktiv sind, ja durchaus auch, nur ist sie möglicherweise eben genauso extrem klein: Ein paar hundert Meter vielleicht.
In Harborts Fällen waren es ja immer noch Distanzen von ein paar Kilometern, zwar oft nur wenige Kilometer, aber immer noch Kilometer.

Dennoch bestätigt seine Studie unsere Erkenntnis, die wir schon mehrfach frustriert festgehalten haben: JTR konnte seine Taten theoretisch von jedem Punkt seines Wirkungsbereiches aus angetreten haben.


Zumindest stützt Harborts Studie meinen aktuellen Ansatz, mal genauer die Kontaktorte zu den Opfern in den Fokus zu rücken.
Wobei mir derzeit aber noch nicht klar ist, ob das irgendwie weiter führt: Denn nach unserem bisherigen Wissen waren die meisten Kontaktorte einfach verschiedene Zentren des Straßenstrichs.
Da bleibt als Ort, der aus dem Raster fällt, nur die Berner Street - weshalb Lestrade ja auch zurecht darauf pocht, dass hier wohl ein besonderer Fall vorliegt.

 
Zitat
Wir haben hier auch Jacob Koski erwähnt, den Nachbarn von Joseph Hyam Levy! Es stand die Spekulation im Raum, dass es sich dabei um Jacob Kosminski, den Bruder von Martin & Samuel Kosminski handeln könnte. Dem war offensichtlich nicht so.
(...)
Pat Marshall fand heraus, dass es sich bei ihm um Jacob Kotsolkowski handelte, geboren in Sieradz, Lodz. Er hatte einen Bruder mit dem Namen Charles Koski.

Vielen Dank für die Info, Lestrade.



MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 07.01.2017 16:12 Uhr
Gerne Arthur!

Ich weiß nun auch, was sich hinter Adam Woods Posting verbirgt. Ich konnte das an andere Stelle begutachten. Selbstverständlich weiß ich nicht, in welcher Verbindung es zu sehen sein könnte. Bis zur Veröffentlichung dauert es noch ein bisschen und ich denke, man kann einfach ganz normal fortfahren. Aber auf jeden Fall freue ich mich riesig auf sein Werk über Swanson.

Ich fand das vor Jahren, mit weniger Erkenntissen über das geographische Profiling, auch interessant, Jacks Basis um die Middlesex Street herum zu sehen. Auch weil ich dachte, dass dieser Typ von Täter, sich weniger um seine Sicherheitzone kümmert, als das es im Durchschnitt andere Täter tun. Tabram, Chapman, Eddowes und Kelly um jene Straße herum, hätten auch ein Zeichen sein können, dass Jack eher dort lebte als anderswo. Ich beugte mich dann jenen Profilen, denen ich auch vertraue. Was mir daran weniger gefällt, ist die Tatsache, dass er in einem sehr kleinen Kreis agierte, 1km im Durchmesser in der Gesamtzone, was man ja beim "einfachsten" Täter schon als Sicherheitszone ansehen muss. Die 500m, die man Jack so als Sicherheitszone zutraute, waren mir immer etwas zuviel. Wenn er so etwas hatte, dann würde ich eher die Hälfte davon, also 250m, annehmen, aber auch nur, weil ich denke, dass er zumindest ein paar Schritte gehen wollte. Im Falle von Kosminski, bezüglich eines ehemaligen Wohnortes, erwähnt von Harbort, fällt natürlich auch auf, dass wir ihn ziemlich sicher in 1882 am Dutfields Yard wohnen sehen können, da sein Bruder Woolf dort, kurz nach seiner Ankunft in London, in der Berner Street lebte. Für ein geographisches Profiling im Falle von Kozminski sicherlich sehr interessant. Auch wenn die Berner Street kein wirklicher Straßenstrich war, gab es da wohl, ich sah das in Diskussionen im Casebook oder JTRforums, eine recht große Anzahl Bordelle. Auch in den umliegenden Straßen. Die Prostitution gab es dort mehr als reichlich, wen wunderts, im ganzen Gebiet, egal ob Strich oder Bordelle. Wie diese Bordelle auch immer ausgesehen haben, die meisten waren sicherlich illegal und gut getarnt, wie man es ja auch bei dem Levy auf der Hauptstraße sah. Für Jack war natürlich der Straßenstrich interessant. Kontaktort, Tatort und Ablageort, bei diesen Begriffen sehe ich Jack tatsächlich als Sonderfall. Welche Möglichkeiten hatte dieser Typ schon zum agieren? In allem war er gebunden an einer sehr kleinen Fläch dazu Tabram im Treppenhaus, Nichols auf dem Gehweg, Chapman an einer Treppe im Hinterhof, Stride vor einem noch gut besetzten Club und wenn er der BS Man war, dann sogar noch mit Zuschauern, Eddowes auf einem Platz, von wo er schon alsbald die Schritte eines Konstabler schallen hören musste, welch ein Risiko das alles war, wieviel Glück er hatte. Er musste es ja quasi alles nehmen wie es kam. Ich denke, für alles andere fehlten ihm die Möglichkeiten und auch die Fähigkeiten. Mit eine möglichen Ausnahme bei Stride, ging er mit den anderen Opfern sicherlich noch ein kleines Stück aber das auch mit einem wirklichen Ziel? Er schaute dann einfach, ob es für ihn "passte" oder nicht. In seinen Maßstäben natürlich gedacht. Nach dem Double Event, muss es für ihn doch kaum noch erträglich gewesen sein, sich halbwegs auf der Straße sicher zu fühlen. So wie er war, musste er sich einfach selbst einengen. Bei diesem kleinen Durchschnitt, könnte er direkt an einem Strich gewohnt haben oder eben 500m weiter weg. Welchen Unterschied hätte das gemacht? Wie du treffend sagst, normalerweise redet man von Kilometern, wir können grob gesagt nur über einen reden. Klar, ist es sinnig und richtig, all diese Erkenntnisse anzuwenden und ich denke, das haben wir und auch andere gründlich getan. Die Größe seines Gebietes in dem er morden konnte und wollte, ist klar. Aber in diesem Maßstab die Sicherheitszone bestimmen zu wollen, ein schwieriges Unterfangen. Es gab sie aber wie wichtig war sie ihm wirklich? Die Zeitpunkte an denen die Taten an Eddowes und Kelly stattfanden und auch wo, warum Levy deshalb für weniger wahrscheinlich halten? Im großen Maßstab ja aber auch im Kleinen? War Kosminski der Ripper und seine Adresse die Greenfield Street, dann passen diese Erkenntnisse natürlich. Hätte er aber nicht genauso gut in der östlichen Hanbury Street leben können? Ich bleibe auch dabei, dass Jack überall in jener Gesamtzone hätten leben können, keine Adresse würde mich wirklich überraschen, selbst wenn ich zunächst "Oh" sagen würde. Genauso wenig wäre ich überrascht, wenn ich wüsste, welche Shops bei Nacht gemeint waren. Bevor ich mich jetzt selber im Kreis drehe, wünsche ich dir noch einen schönen Samstag.

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 21.02.2017 13:50 Uhr
Hallo zusammen!


Hier ein paar Überlegungen zu einer Bemerkung, die Benjamin Leeson in "Lost London" (1934) gemacht hat:
"...amongst the police who were most concerned in the case there was a general feeling that a certain doctor, known to me, could have thrown quite a lot of light on the subject ."

Eins dürfte wohl unstreitig sein: Wenn entsprechende Aussagen der Ermittler zutreffen, dass ihr Hauptverdächtiger in eine Irrenanstalt eingewiesen wurde, so musste es einen Arzt geben, der ihn untersucht und eingewiesen hat, und so tatsächlich mehr Licht in die Angelegenheit hätte bringen können.

Dr. George William Sequeria, Chirurg aus der 34 Jewry Street, wurde in der Nacht des Double Event, 30. September, von der Polizei zum Eddowes-Tatort im Mitre Square gerufen.
Er untersuchte Eddowes vor Ort eher oberflächlich und stellte ihren Tod infolge der durchtrennten Kehle fest.
Im Inquest am 11. Oktober 1888 stimmte er mit den Obduktionsergebnissen von Dr. Frederick Gordon Brown überein - nicht aber mit dessen Schlussfolgerung, der Mörder müsse für die Tat zumindest grundlegende anatomische Kenntnisse gehabt haben (wie sie zum Beispiel ein Metzger hat). Und das, obwohl er wusste, wie dunkel es am Tatort gewesen war und dass Eddowes unter anderem eine Niere entfernt worden war.

Interessanterweise wurde unser Metzger Jacob Levy am 15. August 1890 von George William Sequerias Bruder, Dr. Henry James Sequeira (ebenfalls 34 Jewry Street) ärztlich untersucht und ins Irrenhaus nach Stone in Kent eingewiesen.
George William Sequeria (geb. 1859) und Henry James Sequeira (geb. 1857) waren zwei Kinder von Henry Little Sequeira, Chirurg, und seiner Frau Amelia (geb. Brook), die seit über drei Jahrzehnten in der Jewry Street, Aldgate, unweit der Butcher's Row lebten (vgl. Census-Daten). Ihre Kinder wurden dort geboren und wuchsen dort auf. Die Sequeiras dürften das Metzger-Milieu in Aldgate also recht gut gekannt und auch viele Patienten daraus gehabt haben.

Mit dem Mord an Eddowes zeigte sich eine Tendenz, auf den öffentlichen Inquests bestimmte Informationen und Zeugen zurückzuhalten, so durfte Joseph Lawende den Verdächtigen nicht näher öffentlich beschreiben, Harry Harris und Israel Schwartz wurden nicht einmal vorgeladen.
Nach dem Mord an Kelly wurde der Inquest sogar in einem anderen Bezirk vor sich nicht zuständig fühlenden Geschworenen mit hoher Geschwindigkeit durchgepeitscht, bevor alle Ermittlungen abgeschlossen sein konnten.
Offenbar nahmen es die Behörden mit den Verfahrensvorschriften gegenüber der Öffentlichkeit nicht mehr so genau, um zu verhindern, dass JTR genauere Kenntnis über den Ermittlungsstand erlangte und dadurch gewarnt wurde, oder sich ein Lynchmob in eine bestimmte Richtung aufmachte.

Könnte es womöglich sein, dass Dr. George William Sequeria deshalb die Schlussfolgerung seines Kollegen Brown nicht öffentlich teilte? Vielleicht wollte Brown das Spielchen nicht mitspielen und stellte seine Ergebnisse und Schlussfolgerungen vorschriftsmäßig weitgehend ungeschönt beim Inquest vor, so dass Sequeira versuchte, das Metzger-Milieu - vielleicht sogar speziell die Patienten seiner Familie - etwas aus dem Focus zu nehmen? Sei es nun, um die Ermittlungen der Polizei nicht zu gefährden - und/oder um die Patienten seiner Familie zu schützen?

Der Metzger Jacob Levy war jedenfalls nachgewiesenermaßen Patient mindestens eines Sequeiras - wenn sie gegenseitig ihre Vertretung übernahmen, kannten ihn vielleicht sogar beide. Und bei Levys Einweisung wurde festgehalten, dass er nachts umherstreifte und Stimmen ihn zwangen, Dinge zu tun, die er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne.
Könnte Sequeira vielleicht der Arzt gewesen sein, den Leeson meinte?


MfG, Arthur Dent

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 21.02.2017 19:03 Uhr
Hallo Arthur!

Nur ganz kurz, diesmal hält mich der Job auf Trapp...

Dieses Zitat von Leeson ging doch noch weiter, oder? Sagte er nicht, dass dieser Arzt jedesmal nie weit entfernt war, wenn einer dieser Morde stattfand? Er meinte doch damit einen Verdächtigen, keinen Arzt der hätte helfen können, oder?

Ich bin mir auch nicht sicher, ob beide Brüder waren. Vor Jahren gab es mal in einem der Foren einen Faden mit sehr viele Informationen darüber (ich finde ihn nicht auf die Schnelle). Das war doch eine weitverzweigte Familie mit vielen Ärzten, verstreut in alle Welt. Die Namen ähnelten sich oft und auch lebten manche eben unter dem Dach des anderen. Es schien da eher, dass sie Cousins waren oder Onkel/ Neffe. Sicher bin ich mir allerdings nicht. Meine mich zu erinnern, dass bei den Eltern von George auch ein Henry/ James auftauchte und dann wieder verschwand, um woanders wieder aufzutauchen. Nagel mich darauf aber nicht fest. Weiß jetzt auch nicht, ob man das zwischendurch jetzt klären konnte. Es schien aber sehr verzwickt mit diesen Sequerias.

Vielleicht findest du dazu noch etwas.

Beste Grüße,

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 21.02.2017 20:18 Uhr
Hallo Lestrade!

Also, folgenden Daten nach waren George William Sequeria und Henry James Sequeira ganz offensichtlich Brüder, beider gemeinsame Adresse war Ende der 1880er, Anfang der 1890er  34 Jewry Street - sie hatten dort wohl beide eine gemeinsame Praxis, und ihre Eltern waren Henry Little Sequeira und Amelia (geb. Brook), in den 1860ern und 1870ern wohnhaft in 1 Jewry Street.

Thomas Schachner schreibt, dass Constable Holland Dr. George William Sequeria in der 34 Jewry Street alarmierte - und die Einweisungspapiere von Jacob Levy sind von Dr. Henry James Sequeira, 34 Jewry Street, ausgestellt.



Hier die Daten aus casebook und jtr-forum zu den Sequeiras:


CERTIFICATE OF MEDICAL PRACTITIONER
In the matter of Jacob Levy
of 36 Middlesex Street Aldgate E.
in the City of London
Butcher
an alleged lunatic.
I the undersigned Henry James Sequeira
do hereby certify ...
On the 14th day of August 1890
at 36 Middlesex Street, Aldgate E.
in the City of London
I personally examined Jacob Levy
and came to the conclusion that he is person of unsound mind
and a proper person to be taken charge of and detailed under care and treatment.
3. I formed this conclusion on the following grounds, viz.:-
(a) Facts indicating insanity observed by myself at the time of examination viz.
Known patient several years, formerly shrewd business man, now quite
incapable of carrying on same, giving wrong change & money back for things
bought. Says he feels a something within him, impelling him to take every
thing he sees. Feels that if he is not restrained he will do some violence to some one
Complains of hearing strange noises.
(b) Facts communicated by others viz.:-
Wife (Sarah Levy 36 Middlesex St
Deposes:- That he has nearly ruined her business, being quite incapable of
taking care of money. Makes away with every penny he can put his hands on.
Orders goods indiscriminately & is continually taking other peoples goods, carrying
them off. Wanders away from home for hours without any purpose. Does not sleep at
night, raves & is continually fancying someone is going to do him bodily harm.
[He] appeared to me to be in a fit condition ... to be removed to an asylum ...
14th August 1890
H. J. Sequeira
of 34 Jewry Street Aldgate London E.

CITY OF LONDON UNION.
61, BARTHOLOMEW CLOSE, E.C.
16th day of Augt 1890



Marriage Notes for HENRY SEQUEIRA and AMELIA BROOK:
GRO ref for marriage Clerkenwell December 1853 qtr 1b 735

Children of HENRY SEQUEIRA and AMELIA BROOK are:
4. i. AMELIA LOUISA3 SEQUEIRA, b. 1855, City, London.
5. ii. HENRY JAMES SEQUEIRA, b. 1857, City of London.
6. iii. GEORGE WILLIAM SEQUEIRA, b. Abt. 1859, City of London; d. 14 October 1926, 72 Wellington Rd Bush Hill Park Enfield Middx.
iv. FRANCIS ROBERT CHARLES SEQUEIRA, b. Abt. 1860, City of London; d. 1862.



George Wm Sequeira died 14 October 1926 The Index to his will states:
George William Sequeira 34 Jewry Street Aldgate London died 14th October 1926 at 72 Wellington Rd Bush Hill Park Enfield Middx Probate London 21st December 1926 to Henry James Sequeira surgeon Effects 3854 pounds-6s-1d



Notes for HENRY LITTLE SEQUEIRA:
Baptised St Mary Whitechapel (from Family search.org) 30 July 1834

In 1861 census for 1 Jewry Street, Tower Hamlets
Henry L Sequeira Head mar 35 surgeon Middlesex London
Amelia do wife mar 31 surgeon's wife Surrey Peckham
Amelia L do daug 5 surgeon's daug scholar London City
Henry J do son 3 surgeon's son scholar do
George E do son 2 surgeon's son do
Francis R C do son 5mths surgeon's son do
Louisa do sister unmar 37 occupation nurse or none Middlesex London
Martha C Brook sister in law unmar 15 scholar Surrey Camberwell
Cornelius Bennett Surgeon's assistant unmar 23 surgeon's assistant Salop Shipnall?
Rosina Wide? servant unmar 22 house servant Hants Therfield

In 1871 census for 1 Jewry Street, St Katherine Cree, City of London
Henry Little Sequeira Head mar 45 surgeon MRCS LAS LOS 132 Whitechapel Street
Amelia do wife mar 41 Peckham
Amelia Louisa do daug unmar 15 Jewry St City
George William do son unmar 12 scholar do
John Bailey do son 4 Jewry St City
Alfred Edmund do son 1 do
Charles Hard Hale? assistant unmar 28 surgeon's assistant Shaftesbury ?
Mary Sophia Miller? servant unmar 18 domestic servant Whitechapel
Elizabeth Eleanora Mary Harker? unmar 20 domestic servant Lambeth


Was wäre, wenn Leeson meinte, der Arzt wüsste deshalb mehr und sei in der Nähe gewesen, weil er der behandelnde Arzt des Verdächtigen war?


MfG, Arthur Dent

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 21.02.2017 20:39 Uhr
Danke, Arthur!

Ich fand den Faden:

From his age, I think it most likely that this James Sequeira was Henry's brother, and thus George's uncle, but that is not yet proven.

http://www.casebook.org/forum/messages/4920/15977.html

Das ist allerdings schon 12 Jahre her...

Also da schien es, dass der Bruder von George´s Vater jener James Sequiera war. Also sein Onkel.

Neil Bell sprach dann später von einem Cousin, glaube ich. Ich frage ihn einfach, er weiß ja sehr viel... warte...

Fand auch das Zitat von Leeson:

I am afraid I cannot throw any light on the problem of the " Ripper's " identity, but one thing I do know, and that is that amongst the police who were most concerned in the case there was a general feeling that a certain doctor, known to nee, could have thrown quite a lot of light on the subject. This particular doctor was never far away when the crimes were committed, and it is certain that the injuries inflicted on the victims could only have been done by one skilled in the use of the knife.

http://www.casebook.org/ripper_media/rps.lostlondon.html

Das Problem ist, dass mein Laptop momentan kaputt ist, Netzteil und Akku im Arsch. Ich kann auf keine meiner Daten zugreifen. Nutze meinen neuen Laptop, den ich schon zwei Jahre habe aber nicht bisher wirklich nutzte.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 21.02.2017 21:03 Uhr
Hallo Lestrade!

Zitat
I am afraid I cannot throw any light on the problem of the " Ripper's " identity, but one thing I do know, and that is that amongst the police who were most concerned in the case there was a general feeling that a certain doctor, known to nee, could have thrown quite a lot of light on the subject. This particular doctor was never far away when the crimes were committed, and it is certain that the injuries inflicted on the victims could only have been done by one skilled in the use of the knife.

Das klingt für mich nicht so, als wolle Leeson den Arzt als möglichen JTR verdächtigen. Im ersten Satz sagt Leeson, er selbst könne kein Licht auf die Identität des Rippers werfen - also er wisse nichts näheres zum Verdächtigen. Angesichts der Aussage, dass ihm jener gewisse Arzt aber bekannt war, kann er also ihn nicht als Verdächtigen gemeint haben.
Aber unter den in den Fall involvierten Polizisten würde vermutet, dass jener Arzt, der ihm bekannt sei, offenbar mehr über JTR wusste, denn der Arzt sei in der Nähe des Geschehens gewesen - dies deutet m.E. klar darauf hin, dass Leeson jenen Arzt für einen Zeugen oder Eingeweihten hielt.
Und der Nachsatz, dass die Verletzungen der Opfer sicher von jemandem zugefügt worden waren, der geübt im Umgang mit einem Messer war - das klingt für mich wie ein Seitenhieb auf Sequeiras Weigerung, vermutlich wider besseres Wissen die Schlussfolgerung von Dr. Brown mitzutragen.


MfG, Arthur Dent

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 21.02.2017 21:19 Uhr
Hallo Lestrade:

ganz am Ende des Threads, den du verlinkt hast, hat eine Nachfahrin der Sequeiras bestätigt, dass die beiden Brüder waren:


Zitat
SmadaGer
Unregistered guest
Posted on Sunday, November 13, 2005 - 6:21 pm:

Beatrice Sarah, my father's cousin, married into the Sequeira family on 1 June 1904. Her husband was Ernest Rackwitz Sequeira, a cousin of George William Sequeira and of Henry James Sequeira. Yes, Chris, I am afraid they were not one and the same person! Amelia was living under the same roof as one brother (George) in 1871 and under the same roof as the other brother (Henry) in 1881.

http://www.casebook.org/forum/messages/4920/15977.html



MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 21.02.2017 21:44 Uhr
Bestätigt dich eher...

Neil:

Brother I believe. This may help:

https://www.jtrforums.com/showthread.php?t=7961

Da war ja dieser Arzt James Sequeira in 38 Jewry Street Aldgate in 1846. Er muss ja steinalt oder schon tot gewesen sein in 1888:

https://books.google.de/books?id=4-wNAAAAQAAJ&pg=PA136&lpg=PA136&dq=dr.+HENRY+JAMES+SEQUEIRA+surgeon&source=bl&ots=2KsnFwyTUN&sig=ju8e_SzRZZ6l1O0RJ3bJrKCtra0&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwjTnPvW_aHSAhWDFSwKHSrqD8QQ6AEIVzAH#v=onepage&q=dr.%20HENRY%20JAMES%20SEQUEIRA%20surgeon&f=false

Der hatte ja auch zwei Söhne, Henry und James, siehe Census 1841.

http://forum.casebook.org/showthread.php?t=451

George William´s Vater, auch ein Henry, hatte wiederum einen Henry James als Sohn.

Vielleicht stammte daher die Verwirrung, ist auch lange her. Sei´s drum, nahe verwandt waren sie ja eh.

Zitat
SmadaGer
Unregistered guest
Posted on Sunday, November 13, 2005 - 6:21 pm:

Beatrice Sarah, my father's cousin, married into the Sequeira family on 1 June 1904. Her husband was Ernest Rackwitz Sequeira, a cousin of George William Sequeira and of Henry James Sequeira. Yes, Chris, I am afraid they were not one and the same person! Amelia was living under the same roof as one brother (George) in 1871 and under the same roof as the other brother (Henry) in 1881.

http://www.casebook.org/forum/messages/4920/15977.html

Mir fehlt heute die Denke, aber wenn George und Henry auch Cousins gewesen wären und nicht Brüder, dann wärne Ernest und sie doch trotzdem Cousins?

Ich wusste nur, dass es da hin- und wieder Unsicherheiten gab. Aber wahrscheinlich handelte es sich wirklich um Brüder. Hätte ich mir vielleicht sparen können, das hier einzuwerfen.

Das klingt für mich nicht so, als wolle Leeson den Arzt als möglichen JTR verdächtigen. Im ersten Satz sagt Leeson, er selbst könne kein Licht auf die Identität des Rippers werfen - also er wisse nichts näheres zum Verdächtigen. Angesichts der Aussage, dass ihm jener gewisse Arzt aber bekannt war, kann er also ihn nicht als Verdächtigen gemeint haben.
Aber unter den in den Fall involvierten Polizisten würde vermutet, dass jener Arzt, der ihm bekannt sei, offenbar mehr über JTR wusste, denn der Arzt sei in der Nähe des Geschehens gewesen - dies deutet m.E. klar darauf hin, dass Leeson jenen Arzt für einen Zeugen oder Eingeweihten hielt.
Und der Nachsatz, dass die Verletzungen der Opfer sicher von jemandem zugefügt worden waren, der geübt im Umgang mit einem Messer war - das klingt für mich wie ein Seitenhieb auf Sequeiras Weigerung, vermutlich wider besseres Wissen die Schlussfolgerung von Dr. Brown mitzutragen.

Ich kann das nachvollziehen aber soweit ich weiß, sieht das keiner von den bekannteren Ripperologen genauso (mag mich irren). Sie verweisen dabei auch, glaube ich, auf Inspector Keaton, der einiges zwar durcheinanderbrachte aber einen Dr. Cohn oder Koch erwähnte. Unter den Aussagen aus Polizeikreisen, bezog man sich ja gerne auf Doktoren. Sims sagte ja auch etwas über "Worked in a Hospital in Poland" bzw. man bezeichnete Druitt ja auch als Doktor.

Druitt oder Kosminski (Hospital in Poland) waren vielleicht in Polizeikreisen als "Doktoren" bezeichnet worden, warum auch immer dann. Als Verdächtige, hätten sie durchaus immer in der Nähe der Verbechen vermutet worden sein können. So würde ich Leeson auch verstehen aber deine These kann man ja durchaus vertreten. Im Falle von Leeson und Keaton, die ja erst später auf der Bühne erschienen, wäre Druitt aber kaum einer gewesen, den sie kennengelernt hätten, weil schon tot. Außer, eher ja im Falle von Leeson, dass er ihn vorher bereits kannte.

Ich stimme auch zu, dass es etwas merkwürdig von Leeson formuliert wurde aber wie gesagt, man kann ja deine Ansicht durchaus verstehen. Ich tendiere in die andere Richtung, sicher bin ich aber nicht.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 21.02.2017 22:27 Uhr
Hab hier noch etwas:

Lewis Henry Keaton

Keaton was born in 1870, joined the Met. in August 1891 (warrant Number 77010) and retired with the rank of Inspector in 1917. He died in 1970 and in 1969 gave a taped interview in which he said that he believed that the Ripper was a doctor who was collecting wombs infected with veneral disease and that he used strychnine (this could be confusing the Ripper with Thomas Neil Cream). He named the doctor but there was a lot of background noise and the name could have been "Cohn", "Koch" or something else.

Benjamin Leeson

In his memoirs "Lost London" (1934) Leeson wrote that "...amongst the police who were most concerned in the case there was a general feeling that a certain doctor, known to me, could have thrown quite a lot of light on the subject". There is considerable reason to doubt Leeson's reliability, Donald Rumbelow when researching the Siege of Sidney Street found that Leeson was often wrong about events even though he was very much involved in them. As Leason did not join the police until October 1890 and was not posted to Whitechapel until 1891 he is even more likely to be wrong about things in which his involment was much more peripheral and at a more junior level. However, in spite of this Leeson's and Keaton's views may reflect a widespread belief amongst the lower ranks of the police that the Ripper was a doctor.


http://www.casebook.org/dissertations/dst-mysteryplay.html

In this, his book of memoirs, former Detective-sergeant Benjamin C. Leeson states that he thought that the Ripper was George Chapman. He vaguely remembered Chapman going to America where more Ripper-like murders occurred. The highly respected and authoritative author/researcher Donald Rumbelow has stated that he found Leeson's memoirs to be very inaccurate and virtually useless for a researcher. They published these memoirs in 1934.

http://www.casebook.org/dissertations/dst-carrieb.html

Hier erwähnt, Du kennst es ja, Leeson "Jacobs":

http://www.casebook.org/ripper_media/rps.lostlondon.html

After this a story circulated that the " Ripper " was a butcher, who wore blue overalls and a leather apron, and an English Jew named Jacobs, a perfectly harmless man, somehow attracted suspicion to himself. Possibly because, working in a slaughter-house, lie always wore a leather apron.

Aber er selber schien wohl George Chapman (Klosowski) zu bevorzugen:

Many stories and theories have been put forward, but, with one exception, I doubt if any one of them had the slightest foundation in fact. The exception to which I refer was that of George Klosowski, alias Chapman, the South London wife murderer.

Chapman war ja auch einmal angestellt in einem Krankenhaus in Prag bzw. galt als "Feldscher", wenn ich da jetzt richtig liege. Also auch ein "Doktor", wie eben auch Cream oder Tumbelty, die Keaton wohl bei seinem Dr. Cohn ins Spiel brachte. Ich sehe das jetzt nicht ganz so, dass Lesson via eines Arztes auf einen anderen Arzt schloss. Erst "certain", dann "particular" und wenn ohnehin Chapman sein "Arzt" gewesen sein könnte... ganz sicher war da auch sein Butcher "Jacobs", den er aber für harmlos hielt. Das passt dann nicht so zu dem Mann seines vermeintlichen Arztes, finde ich.

Aber man kann das ja sehen, wie man will. Ich verbleibe aber etwas verunsichert, Leeson war offenbar auch nicht ganz so genau bzw. das alles etwas schwerer einzuordnen...

Ich verabschied mich für heute, bin knülle.

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: CRoW am 22.02.2017 07:38 Uhr
Hi leute!

Hab mich jetzt kurz mal rein gelesen ok das englische ist jetzt nicht so meins, viele wörter bei die ich leider nicht kenne.

Kurz dazu was genau sagt es jetzt aus das einer der Brüder der Täter sein könnte oder ein sohn davon?
danke für eure mühe
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 22.02.2017 10:38 Uhr
Hallo zusammen, hallo Crow, hallo Lestrade!
 
Was die Zuverlässigkeit vieler unserer Quellen angeht: Dass die oft mau sind, wissen wir beide, Lestrade, du vermutlich noch besser als ich.

Aber Leeson hat hier keinen komplizierten Sachverhalt beschrieben, sondern eine einfache Aussage gemacht: Gewisse Ermittler glaubten, dass ein bestimmter Arzt, den er kennt, mehr Licht in den Fall bringen könnte.
Ob Leeson nun selber glaubte, JTR sei möglicherweise eine Art Doktor gewesen, macht da wenig Unterschied: Entweder wußte jener bestimmte Arzt dann etwas über einen Patienten oder eben über einen Kollegen - das passt sowohl auf die Doktor- wie auf die Metzger-These.

Auch G.W. Sequeiras Weigerung, Dr. Browns Schlussfolgerung anzuerkennen, dass der Täter gewisse Kenntnisse in Anatomie und dem Umgang mit dem Messer gehabt haben muss, würde auf beide Verdächtigen-Gruppen passen.

Aber Leesons Aussage war für mich ja nur der Anlass und Ausgangspunkt für die Frage:
Wenn JTR tatsächlich im Irrenhaus landete, muss es zuvor einen behandelnden und einweisenden Arzt gegeben haben - und der hätte wohl tatsächlich mehr Licht in die Angelegenheit bringen können.
Konkret: Wieviel wusste JTRs Arzt, hatte er am Ende selbst einen Verdacht oder war er vielleicht von den Ermittlern eingeweiht in ihren Verdacht?

Ob die Sequeiras jetzt Brüder, Cousins oder Onkel und Neffe waren, ist da nur ein Detail, das wenig Unterschied macht (den Personenstandsdaten nach waren sie Brüder) - wesentlich ist: Da waren Familienbande und eine gemeinsame Praxisadresse in 34 Jewry Street, was ein gemeinsames Wissen über bestimmte Dinge wahrscheinlich macht.
Und da die Sequeiras seit Jahrzehnten als Ärzte in der Jewry Street angesiedelt waren, dürften sie viele Leute in Aldgate gekannt haben, und nicht wenige dürften sogar ihre Patienten gewesen sein.

Henry James Sequeira schrieb jedenfalls in der Einweisung von Levy, er kenne den Patienten bereits seit mehreren Jahren und begründete sie u.a. damit: "Feels that if he is not restrained he will do some violence to some one."

Für mich sind die Sequeiras einfach ein Puzzlestück, das sowohl in die Levy-Hypothese passt, als auch in andere Richtung weiterführen könnte.


MfG, Arthur Dent


Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: CRoW am 22.02.2017 11:17 Uhr
'Danke für die schnelle anwort.

also geht es hier nur um ein weiteres puzzelstück? Das JTR ein Arzt haben müsste/könnte? Wenn er aber jetzt mal angenommen selbst Arzt war oder eine Ausbildung hatte, wieso sollte er dann zu einem anderen gehen? Er würde sich ja nicht als Krank einstufen oder?

bin etwas verwirrt
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 22.02.2017 11:24 Uhr
Hallo Crow!

Vielleicht hätte ich es etwas präziser formulieren sollen:

Für mich sind die Sequeiras einfach ein Puzzlestück, das sowohl in die Jacob-Levy-Hypothese passt, als auch in andere Richtung im Zusammenhang mit dem "Butcher's Row Suspect" weiterführen könnte.


Von der Hypothese, dass JTR ein Arzt gewesen sein könnte, halte ich persönlich nicht allzuviel - auch wenn man es natürlich nicht vollständig ausschließen kann.
Unabhängig davon: Auch Ärzte können sich nicht immer selbst behandeln, sondern brauchen mal Hilfe von Kollegen, die z.B. von ihrer Familie zu Hilfe gerufen wurden. Und da sich Ärzte selber im Ärzte-Milieu bewegen, wissen Ärzte auch oft über andere Ärzte eine ganze Menge Dinge, die Außenstehende nicht wissen.



MfG, Arthur Dent

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: CRoW am 22.02.2017 12:00 Uhr
Das stimmt da gebe ich dir recht.

Ok dann ist ja alles klar. danke dir
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 22.02.2017 19:01 Uhr
Hallo Arthur!

Ich verstehe absolut deine Interpretation des Leeson Zitates. In erster Linie verstand ich das auch immer so. Aber wie gesagt, ich verblieb da immer etwas unsicher. Das Zitat verstand ich folgendermaßen:

Ich fürchte, ich kann nicht viel zur Aufklärung der Ripper Identität beitragen, doch eines weiß ich und das ist, dass bei der Polizei, die tiefst besorgt in dem Fall war, die allgemeine Auffassung vorherrschte, dass ein bestimmter Arzt, mir bekannt, ziemlich viel zum Verständnis darüber beigetragen haben könnte. Dieser spezielle Arzt war nie weit entfernt, wenn die Verbrechen verübt wurden und es gilt als sicher, dass die den Opfern zugefügten Verletzungen nur durch einen Spezialisten im Umgang mit dem Messer ausgeführt werden konnten.

Der erste Teil sagt zunächst, dass der den Polizisten bekannte Arzt "viel Licht in die ganze Angelegenheit brachte", also ein Helfer war. Im zweiten Teil, war er dann immer in der Nähe der Verbrechen und die Opfer zeigten eben Zeichen eines Täters vom Fach. Es schien mir stets, dass der Arzt plötzlich verdächtig wurde.

Für mich im Hinterkopf blieb dabei immer Dr. Forbes Winslow, der ja eifrig im Ripper Fall bei der Sache war, der Polizei Hilfe anbot dann aber plötzlich selbst kurzzeitig verdächtigt wurde.

http://www.casebook.org/ripper_media/book_reviews/non-fiction/cjmorley/200.html

Beim Lesen des ersten Teiles war ich mir nie sicher, ob dieser Arzt von den Polizisten so verstanden wurde, dass sie darüber, über Leeson´s "Hilflosigkeit bei der Benennung der Ripper Identität", mehr beitragen konnten, indem sie sich von ihm, diesen Arzt, ein Bild formen konnten, dass ihnen etwas Erleuchtung in der Nennung der Identität des Rippers brachte, nämlich dieser Arzt selber. Wenn so, dann fand ich Dr. Winslow eben aufgrund seines Verhaltens passend.

Aber ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Wenn es für dich klar ist, was gemeint war, muss ich an der Stelle passen. Vielleicht übersetze ich mir das irgendwie falsch oder zumindest fehlerhaft. Die Formulierung von Leeson bleibt für mich leicht rätselhaft. Ich möchte dem auch nicht weiter nachgehen, ebenso die Verwandschaftsbeziehungen der Sequeiras, eher aus Zeitgründen. Ich vertraue dir da einfach. Wollte einfach nur meine Gedanken einwerfen, so ein Austausch macht einen ja immer schlauer.

Wenn Jacob Levy ein Ripper- Verdächtiger war, dann könnten die Sequeiras eine Menge über ihn gewusst haben, auf sogar vielfältige Weise. Ob einer davon nun Leeson´s Doktor war...? Selbst wenn nicht, könnte es dennoch so gewesen sein.

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 22.02.2017 20:17 Uhr
Hallo Lestrade!

Wie gesagt: Das Zitat von Leeson hat mich einfach nur auf die Idee gebracht, mal den Blick auf die Ärzte im East End zu richten, denn wenn wir davon ausgehen, dass JTR im Irrenhaus landete, muss es da einen Arzt gegeben haben, der ihn behandelt und schließlich eingewiesen hat.
Um diese Idee konsequent weiterzuverfolgen, sollte man natürlich  nicht bei Leesons Bemerkungen stehenbleiben, sondern bei allen uns bekannten Ärzten nach irgendwelchen Hinweisen suchen.

Die Sequeiras waren für mich als erste naheliegend wegen der Verbindungen zu Eddowes und Levys Einlieferung und weil sie nahe des Butcher's Row Suspect praktzierten.

Vielleicht gibt es aber auch noch was Interessantes z.B. über Dr. Llewellyn in der Whitechapel Road, sein Verhalten, seine Patienten, sein Verhältnis zur Polizei usw. Irgendwas, das ähnliche Fragen aufwirft wie die Verbindungen und das Verhalten von Sequeira.



MfG, Arthur Dent


Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 22.02.2017 20:33 Uhr
Um diese Idee konsequent weiterzuverfolgen, sollte man natürlich  nicht bei Leesons Bemerkungen stehenbleiben, sondern bei allen uns bekannten Ärzten nach irgendwelchen Hinweisen suchen.

Richtig, Arthur! Und vielleicht auch Hinweise bei Medizinern finden, die eher unbekannt sind. Keaton erwähnte ja auch zwei Namen, diese gab es tatsächlich auch als Ärzte in London, Jaques Cohn und Wilfred Koch. Auch durch sie, könnte man vielleicht Verbindungen zu den Sequeiras aufdecken.

Bin für heute raus, schönen Abend noch,

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 22.02.2017 20:39 Uhr
Hallo Lestrade!


Und vor allem auch: Welcher Arzt hat Kosminski eingewiesen, oder Hyam Hyams und David Cohen? Und welche Verbindungen von denen zu Whitechapels Bewohnern und der Polizei gab es da? Gibt es da irgendwelche Auffälligkeiten, die uns nützliche Hinweise in dem Fall geben könnten?


MfG, Arthur Dent

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 22.02.2017 20:44 Uhr
Dem könnte man sich einmal widmen...

Bei Kozminski war das Dr. Houchin und falls ich mich nicht in meiner Erinnerung täusche, hätte dieser Arzt garnicht dasein dürfen... ich schreib´die Tage mal darüber...
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 22.02.2017 20:47 Uhr
Die Überweisung Kosminskis vom Arbeitshaus nach Colney Hatch soll Thomas Schachner zufolge ein Maurice Whitfield ausgestellt haben.

Richtig spannend wäre es, wenn es einen Doktor mit Verbindungen zu einem Seaside Home gäbe...

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 22.02.2017 21:03 Uhr
Whitfield nahm ihn auf der Mile End Krankenstadion auf, dafür war er einer der Veranwortlichen, Houchin untersuchte ihn und bescheinigte ihm die Reife für die Klapsmühle... ich schreibe darüber die Tage mal genauer... wenn mein Erstläppi wieder funktioniert...
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: CRoW am 23.02.2017 12:28 Uhr
Hi,

sagmal gibt es keine Beweise oder Aufzeichnungen wer nach dem letzten Mord eingewiesen wurde in Krankhäuser oder Irrensanstalten wäre doch eine spur?
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 23.02.2017 17:24 Uhr
Hi Crow!

Diese Männer gab es! David Cohen, Hyam Hyams, “Kosminski“ und möglicherweise Jacob Levy z.B., sie landeten in Krankenhäusern bzw. Anstalten. Laut Macnaghten, ging “Kosminski“ ca. März 1889 in eine Anstalt, Jacob Levy zwar erst am 15. August 1890, man kann jedoch nicht sicher sein, ob er bereits vorher in einer privaten Anstalt untergebracht worden ist. Man muss dabei ganz klar zwischen privaten und staatlichen Anstalten unterscheiden. Und man muss auf dem Zettel haben, dass die Familien bzw. Angehörige oder Freunde eines solchen Verdächtigen zunächst eher, wenn denn möglich, den Weg einer privaten Einrichtung gegangen wären. Im Falle von Aaron Kozminski müssen wir auch davon ausgehen, dass er vor seiner Einweisung in Colney Hatch im Februar 1891 in einer privaten Anstalt gewesen war. Erstens spricht Macnaghten´s erwähnte Äußerung dabei eine Rolle, sowie auch ein Statement Andersons, dass dieser Verdächtige durch einen Zeugen identifiziert wurde, während er Insasse einer Anstalt war. Das eben alles vor seiner Einweisung nach Colney Hatch. In der Regel lassen sich heute die Daten von staatlichen Einrichtungen eher finden als die von privaten. Ähnliches wie im Falle von “Kosminski“, könnte aber eben auch auf Jacob Levy zutreffen, wir wissen es leider nicht, können nur spekulieren. In öffentlichen Anstalten (Colney Hatch), fand sich ein Aaron Kozminski, den man eigentlich diesem “Kosminski“ zuordnen muss. Dessen Bruder Woolf Abrahams lebte nach seiner Imigration aus Polen (ca. 1882), direkt neben dem späteren Tatort “Dutfields Yard“ (der Fall Liz Stride) und zur Zeit dieses Mordes in einer kleinen Nebenstraße dort, der Providence Street 25, 1-2 Minuten vom Tatort entfernt. Nach diesem Mord, bzw. dem Double Event in jener Nacht, dem Fund von blutiger Wäsche in der Parallelstraße dort (Batty Street) zog dieser Bruder da weg. Es ist davon auszugehen, dass Aaron Kozminski bei diesem Bruder lebte. Die Wäscherin behauptete, dass die Kleidung zu einem Schneider dort in der Gegend gehörte. Der Bruder Woolf, als auch der ältere Bruder Isaac Abrahams waren Schneider von Beruf. Interessant ist jedoch auch dieser David Cohen über dem allerdings weniger bekannt ist. Cohen war ein Name, der gerne von Einwanderern angenommen wurde. Auch in der Familie von Aaron Kozminski gab es das. Seine Schwester Matilda Lubnowski wurde zu Matilda Cohen, sein Cousin Jacob Kozminski zu Jacob Cohen. Dieser machte auch Angaben bei Aaron Kozminski´s Einweisung. Dennoch besteht die Chance, dass dieser David Cohen ein “Kosminski“ war. Ein Problem ist dabei jedoch die Aussage von Sims, eine Art Freund von Macnaghten und Anderson. Er erwähnte, dass dieser Verdächtige (“Kosminski“) nach den Morden immer wieder mal auf freiem Fuss war, das trifft aber nicht auf David Cohen zu. Aaron Kozminski musste sich jedoch noch im Dezember 1889 wegen eines kleinen Vergehens verantworten und wurde dabei als Aaron Abrahams (den neuen Zunamen seiner Brüder) erwähnt, sagte jedoch auch, dass er eigentlich ein Kozminski ist. Er würde eher zu der Sims Aussage passen. David Cohen verließ nämlich nie wieder die Anstalt und starb dort auch alsbald. David Cohen wurde ursprünglich als Aaron Davis Cohen bei einer Bordellrazzia erfasst, später der Name in David Cohen geändert. Ich halte es für gut möglich, dass neben “Kosminski“, alle anderen, also Cohen, Hyams und Levy, als mögliche Verdächtige bei der Polizei gehandelt wurden. Aufgrund des Vornames Aaron bei Cohen und Kozminski, möchte ich dabei auch nicht ausschließen, dass es zwischen ihnen zu Verwechslungen kam. Ich bin auch der Meinung, dass diese vier Männer genau das verkörperten, was wir vom Ripper erwarten müssen. Experten sind der Meinung, dass der Ripper, ein Mann des Types dieser vier, nach dem Kelly Mord einen Zusammenbruch erlebt haben könnte, der sich nicht mehr auskurieren ließ und ihn eher handlungsunfähig dieser Taten machte. Eine Einweisung des wahren Jack the Rippers liegt nahe. Für das Ende der Mordserie, könnten aber auch Observationen, der Tod des Verdächtigen bzw. eine Verurteilung wegen anderer Delikte verantwortlich sein. All diese Männer waren schwer geisteskrank und eine solche Erkrankung ist bei dem Mann der Jack the Ripper war sehr wahrscheinlich zu finden gewesen. 

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 23.02.2017 17:35 Uhr
Ups, da warst du einen Tick schneller, Lestrade!   :pardon:

Da hätte ich mir das hier ja sparen können:



Zitat
Hallo Crow!


Zitat
sagmal gibt es keine Beweise oder Aufzeichnungen wer nach dem letzten Mord eingewiesen wurde in Krankhäuser oder Irrensanstalten wäre doch eine spur?

Aufgrund des Macnaghten Memorandums, in den steht, ein Hauptverdächtiger namens Kosminski sei irgendwann im März 1889 in eine Anstalt eingewiesen worden, durchsuchten einige Ripperologen in der Tat die noch vorhandenen Archive der alten Anstalten rund um London, um nach diesem Kosminski und anderen verdächtigen Einweisungen  zu suchen.
Sie fanden zwar keine entsprechende Einweisung für März 1889, aber immerhin einen Aaron Kozminski 1891 und drei weitere interessante Gestalten, einen David Cohen, einen Hyam Hyams und einen Jacob Levy, die alle zwischen 1889 und 1891 eingewiesen wurden und auffällige Krankenberichte aufzuweisen hatten.

Aber zu dem Thema wäre Lestrade der bessere Ansprechpartner, der kennt sich da richtig gut aus.


MfG, Arthur Dent   8)



P.S. @Lestrade: Ich habe da einen neuen Thread zu unsrem Thema Ärzte aufgemacht: http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1754.msg26570/topicseen.html#msg26570
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 23.02.2017 18:11 Uhr
Hi Arthur,

P.S. @Lestrade: Ich habe da einen neuen Thread zu unsrem Thema Ärzte aufgemacht: http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1754.msg26570/topicseen.html#msg26570

hab es schon gesehen. Aber es war ja klar, wenn ich mal keine Zeit habe, geht hier die Luzie ab...

Ich bin mir sicher, wenn der Ripper- Fall mal gelöst wird, liege ich irgendwo auf einer einsamen Insel... und du erzählst mir dann drei Wochen später, was in der Zwischenzeit alles so passiert ist... Murphy´s Gesetz... :biggrin:

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 23.02.2017 18:23 Uhr
Hi Lestrade!

Tja, da hab ich wohl etwas mehr Glück, dass ich mir nach ein einigen arbeitsreichen Wochen gerade jetzt mal ein paar Tage freigenommen und endlich wieder etwas Zeit habe.  :blum1:


MfG, Arthur
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 23.02.2017 18:30 Uhr
 :shout:
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: CRoW am 24.02.2017 07:22 Uhr
Hi Leute,

Ja also muss sagen da sind einige Sachen die sehr sehr gut zusmamen passen.

1.Arzt oder Arzt Familie. (Kenntnisse über den Körper)
2. Nach Kelly Mordserien endet (Ein Serienmörder würde nicht einfach aufhören)
3. Nach Kelly Einweisung in eine Anstalt. (Das würde das ende erklären)

es wird vll noch andere Paralellen geben. So einer wäre vll nicht so verdächtig wie andere Personen die bekannt waren also die anderen Verdächtigen!

sehr Interessant
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 24.02.2017 15:19 Uhr
Hallo zusammen!


Aus aktuellem Anlass hier noch mal meine Zusammenfassung über Jacob Levy:
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 24.02.2017 15:20 Uhr
Jack the Ripper – Tatverdächtiger Jacob Levy



Jacob Levy wurde 1856 als Sohn des Metzgers Joseph Levy und seiner Frau Caroline im Londoner Eastend geboren, lebte und arbeitete im Viertel und wurde 1890 aufgrund der Folgen einer fortschreitenden psychischen Erkrankung in eine Nervenheilanstalt eingewiesen, wo er 1891 starb. Als Todesursache wurde in den Akten ein fortschreitender Verfall infolge einer Syphilis angegeben.
Jacobs Frau Sarah soll den Anstaltsakten zufolge nach der Einweisung gesagt haben, Levy habe beinahe sie und ihr Geschäft ruiniert, früher sei er ein guter Geschäftsmann gewesen. Aber er schlafe nun nachts nicht mehr, sondern wandere oft für Stunden ziellos umher. Auch befürchte er, jemandem Gewalt anzutun. Er höre Geräusche und Stimmen, die ihm befehlen und ihn zwingen Taten zu begehen, die er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne.

Zu einem Verdächtigen im Fall der Whitechapel-Morde wurde Jacob Levy durch die Recherche zeitgenössischer Ripperologen in den Unterlagen der Nervenheilanstalten in und um London. Sie suchten darin nach jener Person, die in den Texten der hochrangigen Polizeibeamten Chief Constable Macnaghten, Assistant Commissioner Anderson und Chief Inspector Swanson als der mutmaßliche Ripper erwähnt werden, und dessen Leben in einer Irrenanstalt geendet haben soll. Vier Verdächtige wurden gefunden: Aaron Kosminski, David Cohen, Hyam Hyams und Jacob Levy. Auf Levy treffen zahlreiche Aussagen der Polizisten und Zeugen sowie des modernen Profilings zu. 


Beruf Metzger:

Im Census und im London Business Directory ist als Beruf von Jacob Levy Metzger angegeben.

Für moderne Profiler ist das Töten von Tieren am Anfang der mörderischen Karriere typisch für die Biographie von Serienkillern, ein Metzgerjunge wächst damit auf und kann seine pathologische Veranlagung durch seine Berufswahl zugleich entwickeln, ausleben und kaschieren. 
Angesichts der Art der Verletzungen bei den Opfern gehen Gerichtsmediziner und Polizei damals wie heute davon aus, dass JTR zumindest grundlegende anatomische Kenntnisse besaß und auch bei schlechtem Lichtverhältnissen sicher mit einem Messer umgehen konnte. Kenntnisse über Anatomie und das Zerlegen von Körpern hatten damals vor allem beruflich damit beschäftigte Gruppen wie Chirurgen oder Schlachter - demnach könnte JTR also Metzger gewesen sein. Dies war z.B. die Meinung von Dr. Frederick Gordon Brown, der Catherine Eddowes untersuchte, und auch von Dr. George Bagster Phillips, der Annie Chapman obduzierte.
Die Tatwaffe soll Gerichtsmedizinern zufolge eine lange, schmale, gerade Klinge gehabt haben, wie sie typisch zum professionellen Zerlegen von Körpern ist, z.B. sog. Amputationsmesser von Chirurgen oder ähnliche Metzgerklingen wie z.B. ein Tranchiermesser.
Der Kehlenschnitt deutet ebenfalls auf einen Metzger hin, der es gewohnt ist, so das Schlachtvieh zu töten. Das Töten geschah schnell und effizient, die Verstümmelungen wurden post mortem zugefügt und von Opfer zu Opfer umfangreicher - womit das Töten vor allem Mittel zum Zweck, das eigentliche Ziel hingegen offenbar das Eröffnen und Ausweiden des Unterleibs der Opfer war. Organentfernungen unter Zeitdruck und bei sehr schlechten Lichtverhältnissen, ohne sich total mit Blut zu versauen, spricht für Erfahrungen im Schlachterhandwerk.
Ein Indiz dafür ist auch, dass der Ripper seine Opfer i.d.R. bis zur Bewusstlosigkeit bzw. zum Kreislaufkollaps würgte, bevor er das Messer ansetzte. Offenbar wusste er aus Erfahrung, dass ansonsten das Blut aus den Arterien kräftig spritzen würde, es so aber relativ langsam aus den Wunden rann. Dies verhinderte, dass er selber allzusehr vollgeblutet wurde und erleichterte die Entnahme der Organe, die ansonsten in ein Meer von Blut getaucht gewesen wären.


Motiv Syphilis:

Irgendwann vor 1886 muss sich Jacob Levy mit Syphilis angesteckt haben, die dann 1891 als Todesursache diagnostiziert wurde - vermutlich hat er sie sich wie viele Männer bei einer Prostituierten eingefangen.
Der Zeitraum ergibt sich zurückgerechnet aus dem statistischen Verlauf der Erkrankung: Da er im August 1890 in die Nervenheilanstalt City of London Asylum at Stone in Kent eingeliefert wurde, wo er ein Jahr später an den Folgen der Syphilis starb, dürfte die Krankheit spätestens im ersten Halbjahr 1890 in ihr letztes Stadium eingetreten sein, wobei Levy aber schon die beiden Jahre zuvor unter den Auswirkungen der Krankheit gelitten haben dürfte.
 
Die Infektion mit Syphilis durch eine Prostituierte wird von modernen Profilern als plausibles Motiv für die Morde von JTR angesehen: Es erklärt die Wahl der Opfer und die Verstümmelungen im Unterleib.
Darüber hinaus führte unbehandelte Syphilis zu einer chronischen Hirnentzündung. Sensitive oder psychische Veränderungen wurden von den Ärzten damals oft beschrieben, so u.a. auch Gewaltausbrüche, eine übermäßige Steigerung der Libido und verschiedene Arten von Wahrnehmungsveränderungen.
Gut möglich, dass der Ripper sich zuerst gar nicht bewusst dafür entschieden hatte, auf Prostituiertenmord zu gehen, sondern dass die erste Tat eine Affekthandlung war, als er zufällig erneut auf eine Prostituierte traf, die ihn an die Überträgerin erinnerte, und seine ganze Wut über die Infektion wieder hochkam. Weil ihm diese erste Tat Befriedigung verschaffte, zog er danach dann regelmäßig los. Somit könnte zum Beispiel Martha Tabram sein erstes Mordopfer gewesen sein, auf die "nur" eingestochen wurde, noch ohne sie auszuweiden (s.u.). 


Auswahl der Opfer:
Es gab weit über 1200 Gelegenheitsprostituierte in Whitechapel, die ohne Schutz durch einen Zuhälter nachts auf den Straßen nach Kunden suchten - und sie waren eine häufige Ansteckungsquelle für Syphilis.

JTR hatte damit nicht nur eine große Auswahl an potentiellen Opfern. Prostituierte vom Straßenstrich sind auch leichte Opfer, weil sie für das Sexgeschäft freiwillig mit fremden Männern an Orte gehen, wo sie mit ihnen allein sind, und dem Mörder damit auch noch unbeabsichtigt helfen, einen geeigneten Tatort zu finden. Eine zeitaufwendige und vor allem riskante Ausspähung und Verfolgung potentieller Opfer ist nicht notwendig, da sie in der Öffentlichkeit auf Freier warten und oft sogar selber auf potentielle Kunden zugehen.


Nähe zu Opfern:
Die Adresse von Jacob Levys Eltern lautete Middlesex Street 111, er selbst war im Jahr der Morde laut Kelly's London Business Directory von 1888 in der Middlesex Street 36 gemeldet. Zuvor hatte er einige Jahre in der Fieldgate Street gewohnt.
Alle kanonischen fünf Opfer von JTR waren verarmte Gelegenheitsprostituierte, die alle in Armenunterkünften in einem kleinen Umkreis nur etwa 300-400 Meter nordöstlich von Levys Adresse übernachteten und in einem fußläufigen Oval um seinen Lebensmittelpunkt herum getötet wurden. Martha Tabrams letzte Adresse war Satchell's Lodging House in der George Street etwa 300 Meter östlich von der der Middlesex Street (s.u.).

Jacob Levy ist in der von modernen Profilern ermittelten Comfort Zone von JTRs Aktivitäten aufgewachsen und wohnte auch als Erwachsener noch dort. Er kannte sich also seit Kindertagen bestens in Whitechapel aus, fiel dort nicht auf und wusste sich angemessen zu verhalten.
Sowohl für die zeitgenössischen als auch die modernen Ermittler war JTR mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein Einheimischer mit guter Ortskenntnis, was es ihm ermöglichte, sich schnell und unauffällig zu bewegen und die Polizeistreifen zu meiden, um bei seinen Taten und auf der Flucht nicht erwischt zu werden und relativ schnell von der Straße zu verschwinden.
Als einheimischer Metzger hatte Levy nahegelegene Rückzugsmöglichkeiten, die ein Versteck für blutverschmierte Kleidung und Messer boten. Blut an seiner Kleidung und Messer waren wegen seines Berufes alltäglich und erklärbar, nicht schon per se verdächtig. Organe der Opfer konnten unter Metzgerware getarnt werden.
Außerdem gab es in der Middlesex Street den Petticoat Lane Street Market der Schneider, der eine große Auswahl an günstiger Second-Hand-Kleidung zum Wechseln bot - und genau dort will der Zeuge George Hutchinson den Verdächtigen vom Kelly-Mord erneut gesehen haben (s.u.).


Verbindung zu Zeugen:

Im Census der Jahre 1851, 1861 und 1871 ist für eben diese Middlesex Street 36 der Metzger Hyam Levy eingetragen, der dort mit seiner Frau Frances und seiner Familie wohnte, 1881 ist dann seine Witwe Frances als Haushaltsvorstand und Metzger eingetragen. Die beiden sind laut Casebook die Eltern jenes Joseph Hyam Levy, der später als Zeuge zum Mord an Catherine Eddowes vernommen wurde. Joseph Hyam Levy arbeitete 1888 selbst als Metzger kaum 50 Meter von Jacob Levy entfernt in der Hutchinson Street 1, einer Gasse, die in die Middlesex Street mündet.

Mehrere Levys, die sich nicht nur in unmittelbarer Nachbarschaft befanden und der gleichen Branche angehörten, sondern nacheinander auch dieselbe Metzgerei betrieben: Es ist so gut wie sicher, dass sie sich zumindest gekannt haben.

Laut einer Ausgabe des Ripperologist von 2012 sollen Joseph Hyam Levy und der Ripper-Verdächtige Jacob Levy sogar verwandt gewesen sein:
Isaac Ben Hyam Levy und seine Frau Sarah hatten sechs Kinder: Hyam, Esther, Elias, Moss, Joseph und Elizabeth.
Hyam heiratete eine Frances Naphtali, und sie hatten sieben Kinder: Isaac, Naphtali, Sarah, Joseph, Elias, Henry und Elizabeth. Dieser Joseph Levy sollte später ein wichtiger Zeuge im Falle Jack the Rippers werden.
Hyams Bruder Joseph heiratete 1848 Caroline Solomon. Beide hatten 8 Kinder: Jane und Rebecca (aus Carolines erster Ehe), Hannah, Elizabeth, Issac, Abraham, Jacob und Moss. Dieser Jacob Levy sollte später ein Verdächtiger im Fall Jack the Rippers werden.
Jacob Levy wurde 1856 geboren als Sohn von Joseph Levy und Caroline Levy (geb. Solomon).
Im Census 1861 sind er und seine Familie in der Middlesex Street 111 geführt.
Joseph Hyam Levy lebte zu dieser Zeit in Petticoat Lane 36 (Middlesex Street). Er heiratete 1866 Amelia Lewis und zog mit ihr in die Hutchinson Street 1. Dort hatte er seinen eigenen Laden.
Am 25. November 1872 starb Josephs Vater Hyam Levy. Sein Geschäft übernahmen seine Witwe Frances und seine Töchter Sarah und Elizabeth. Nach dem Census 1881 führte Frances auch dann noch das Geschäft weiter.
Am 23. April 1879 heiratete Jacob eine Sarah Abrahams. Laut Census von 1881 wohnte er mit ihr und seinen zwei Söhnen in der Fieldgate Street 11. Ein paar Jahre später aber übernahm er in der Middlesex Street 36 das Geschäft seiner Tante Frances, Mutter des Zeugen Joseph Hyam Levy.

Joseph Hyam Levy und Jacob Levy waren demnach Cousins.
Machte der Zeuge Joseph Levy bei der Vernehmung zum Mordfall Eddowes deshalb so merkwürdige Andeutungen und den Eindruck, er wisse mehr als er zugeben wollte (s.u.)?


Kriminelle Vorgeschichte:
Am 10. März 1886 wird Jacob Levy laut Eintrag beim Central Criminal Court zu 12 Monaten Gefängnis verurteilt, weil er zusammen mit zwei anderen Männern dem Metzgermeister Hyman Sampson Fleisch gestohlen hatte. Als Sampsons Adresse wird im Polizeibericht Middlesex Street 35 genannt, seine Metzgerei lag zwei Jahrzehnte lang in der Parallelstraße Goulston Street 58.

Eine kriminelle Vorgeschichte ist modernen Profilern zufolge typisch für Serienmörder.
Der Ort des Diebstahls liegt in JTRs Comfort Zone, zwischen den Tatorten des Double Event.
Zudem wurde ein Stück von Eddowes blutverschmiertem Rock in der Tatnacht am Hauseingang des Gebäudes Wentworth Buildings 108-119, Goulston Street, gefunden, unter dem berüchtigten antisemitischen Graffiti (von dem allerdings unklar ist, ob es von JTR stammte).
Falls Jacob Levy der Ripper war, so könnte die Platzierung ein Versuch gewesen sein, die Polizei in die falsche Richtung weiter nach Osten zu lenken - weg von ihm in der Middlesex Street.
Auch Rache an seiner Gemeinde, die sich wegen des Diebstahls von ihm abgewandt hatte, könnte möglich sein, denn laut Superintendent Thomas Arnold wohnten viele Juden dort.

Im Ripperologist stand einmal, dass es strenge Regeln in der jüdischen Gemeinde für den geschäftlichen Umgang miteinander gab, und dass ein solcher Diebstahl wohl dazu geführt hätte, dass ihm der Jewish Council die Lizenz entzogen hätte. Damit hätte seine Frau Sarah, um die Familie zu ernähren, auch nach Jacobs Entlassung 1887 das Geschäft allein weiterbetreiben müssen. In der Tat taucht später seine Frau als Geschäftsinhaberin im Census auf.
Für Jacob hätte das nun zur Folge gehabt, dass er gezwungen gewesen wäre, auf andere Art seinen Anteil am Familieneinkommen zu verdienen.

Wenn Jacob den Shop in der Middlesex Street 36 nicht mehr selber betreiben durfte, musste er seitdem offensichtlich bei Bekannten und Verwandten in deren Geschäften oder in den Schlachthöfen arbeiten. Dadurch konnte er seinen Teil zum Familieneinkommen beitragen und stand zugleich wegen seines immer asozialeren Verhaltens unter einer gewissen Aufsicht. Das dürfte eine ziemliche Schmach und Erniedrigung für ihn gewesen sein.

Wenn wir nun betrachten, wo diese Arbeitsplätze gewesen sein könnten, finden wir nicht nur die observierte Butcher's Row mit einem Schlachthaus dahinter in der Harrow Alley, sondern auch noch das Harrison, Barber & Co Slaughterhouse in der Winthrop Street, in der Parallelstraße vom Nichols-Tatort in der Buck´s Row nur rund 100 Meter entfernt. Dort wurde auch über Nacht gearbeitet, damit die Kunden morgens frisches Fleisch hatten. Diese Metzger zerlegten also routinemäßig Körper unter schlechten Lichtverhältnissen - so wie der Ripper.
Die angestellten Metzger hatten damals i.d.R. ihr eigenes Arbeitswerkzeug (so wie dies auch in anderen Branchen üblich war bzw. bis heute ist), nahmen es zur Arbeit mit und am Feierabend wieder mit nach Hause. Dazu würde passen, dass einige Zeugen den mutmaßlichen Ripper mit einem Päckchen in der Hand gesehen hatten (s.u.).


Anzeichen psychischer Zerrüttung:
Bereits kurz nach seiner Verurteilung begeht Levy im April 1886 einen Selbstmordversuch im Holloway Prison, der jedoch scheitert.
Am 21. Mai 1886 wird er aufgrund des Suizidversuchs und seltsamer Murmeleien für geisteskrank erklärt und in das Essex County Asylum überführt. In den Akten dort wurde festgehalten, er habe gejammert, Irresein sei in seiner Familie erblich, schon sein Bruder habe Selbstmord begangen.
Am 3. Februar 1887 wird Levy dann wieder aus der Anstalt als "geheilt" entlassen.

Offenbar war die Verurteilung so traumatisierend, dass sie zu einem Zusammenbruch führte - vermutlich weil nun sein Ruf in der Gemeinde schwer beschädigt war und die Gefängnisstrafe negative Auswirkungen auf sein Geschäft und seine sozialen Beziehungen hatte.
Diese Entwicklung ist ein deutliches Indiz der beginnenden psychischen Zerrüttung mit der Bereitschaft zu Grenzüberschreitung, kriminellem Verhalten und Gewalt (wenn auch zunächst gegen sich selbst gerichtet).


Möglicher finaler Stressauslöser:

Am 18. Mai 1888 wird Jacob Levys Mutter Caroline beerdigt.

Nachdem seine Verurteilung und Einweisung bereits seine sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen beschädigt haben dürfte, und auch seine Ehe davon und von der Syphilis belastet gewesen sein wird, stirbt nun auch noch eine der wichtigsten Bezugspersonen eines Menschen.
Für moderne Profiler ist dies ein klassischer Stressauslöser zum Start in eine mörderische Karriere. Ziel der Aggression wird diejenige Gruppe, der der Täter die Verantwortung für sein Schicksal gibt: die Prostituierten von Whitechapel, bei denen er sich mit Syphilis angesteckt hat.




Die Mordserie

Dienstag, 7. August 1888: Martha Tabram im George Yard
Tabram wurde im Treppenhaus des George Yard Buildings 37 vermutlich das erste Opfer von JTR.
Tabram war auf einer Kneipentour mit ihrer Bekannten Mary Ann Connely ("Pearly Poll") und zwei Soldaten. Gegen 0 Uhr trennten sich die Pärchen um Sex zu haben, Connely ging mit dem Corporal zur Angel Alley, und Tabram verschwand mit dem Private in den George Yard.
Gegen 1.40 Uhr stieg das Ehepaar Elizabeth und Joseph Mahoney das Treppenhaus zu ihrem Zimmer hinauf und sah nichts. Auch als Elizabeth Mahoney es kurz darauf wieder durchquerte, um in einem Shop in der Thrawl Street etwas zu Essen zu kaufen, lag Tabram noch nicht da.
Tabram wurde mit einem Stich ins Herz getötet und mit insgesamt 39 Messerstichen in Brust und vor allem Unterleib traktiert. Sie lag auf dem Rücken, ihre Kleider waren hochgeschoben und ihre Beine gespreizt, ebenso wie bei den kanonischen Ripper-Opfern.
Gefunden wurde die Leiche auf dem Absatz des ersten Stocks gegen 4.45 Uhr durch Bewohner John Saunders Reeves, nachdem bereits Bewohner Alfred George Crow gegen 3.30 Uhr Tabram für einen schlafenden Obdachlosen gehalten hatte. Damit muss die Tatzeit zwischen 1.45 Uhr und 3.30 Uhr liegen. Reeves suchte eine Polizeistreife und fand Constable Thomas Barrett auf seiner Runde.

Der Soldat dürfte wohl der Letzte gewesen sein, der Tabram lebend gesehen hat, konnte aber weder von "Pearly Poll" noch von Constable Barrett bei Gegenüberstellungen identifiziert werden, obwohl letzterer auf seiner Streife durch die Wentworth Street gegen 2 Uhr einen Private der Grenadier Guard am Nordende des George Yard stehen sah und ihn ansprach. Der Private sagte dem Polizisten, er warte auf einen Kameraden, der mit einem Mädchen unterwegs sei, darauf ging Barrett weiter seine Streife, bis er drei Stunden später von Reeves zum Tatort gerufen wurde.
Der unbekannte Soldat könnte also den Mord verübt haben, dennoch war er aber wahrscheinlich nicht der Täter: Rund zwei Stunden für Sex mit einer älteren, unattraktiven Prostituierten an einem öffentlich zugänglichen Ort erscheint doch ein ziemlich langer Zeitraum. Wenn sie so lange im Treppenhaus von Nr. 37 gewesen wären, wäre wohl auch das Ehepaar Mahoney oder ein anderer Bewohner auf beide gestoßen.
Zudem hätte ein blutbefleckter Mörder wohl kaum in unmittelbarer Nähe des Tatorts auf seinen Kameraden gewartet und so entspannt auf Polizist Barrett reagiert. Barrett jedenfalls kam nichts an ihm und seinem Verhalten verdächtig vor. Wahrscheinlicher ist, dass sich Tabram nach 1.45 Uhr noch mit einen anderen Mann - eben dem Ripper - in den George Yard zurückgezogen hat.

Erkenntnissen der modernen Kriminologie zufolge stammt das erste Opfer eines Serientäters oft aus seinem näheren räumlichen Umfeld. Tabrams letzte bekannte Adresse war Satchell's Lodging House in der George Street, und die Kneipentour endete vor den George Yard Buildings.
Jacob Levys Heim in der Middlesex Street 36 liegt nur rund 300 Meter oder etwa 3-4 Minuten Fußweg von beiden Orten entfernt.
Der Profiler William Eckert: "Nachdem der erste Mord geschehen war, in dessen Nähe der Mörder wahrscheinlich lebte, zog er weiter." In diesem Fall in die Buck's Row.


Freitag, 31. August 1888: Marie Ann Nichols in der Buck's Row
Nichols übernachtete zuletzt im White House Nachtasyl in der Flower and Dean Street 56.
Gegen 2.30 Uhr wurde Nichols zuletzt lebend gesehen von ihrer Bekannten Emily Holland an der Ecke Osborn Street / Whitechapel High Street, fast einen Kilometer vom Tatort entfernt, bevor sie betrunken auf der Whitechapel Road weiter Richtung Osten wankte.
Bis ca. 3.20 Uhr kamen nacheinander die Polizisten Neil, Thain und Kirby auf ihren Runden durch die Buck's Row, ohne etwas Verdächtiges zu sehen. Gegen 3.45 Uhr fanden dann Charles Andrew Cross und Robert Paul auf ihrem Weg zur Arbeit die Leiche von Nichols vor dem verschlossenen Tor zu Brown's Stable Yard (vermutlich hatte der Täter vergeblich versucht, mit ihr in den Hof zu gelangen). Die Tatzeit muss also zwischen 3.20 Uhr und 3.45 Uhr betragen.

Cross war als erster und allein am Tatort, bis Paul kurz darauf dazustieß. Somit könnte Cross der Täter gewesen sein, zumal alle Tatorte JTRs auf den Wegen zwischen seiner Adresse in der Doveton Street 22, seiner Arbeit als Fleisch-Auslieferer in der Broad Street und dem Wohnort seiner Mutter in der Nähe der Berner Street lagen.
Allerdings hätte Cross, als er die Schritte von Paul hörte, einfach nach Westen verschwinden können, ohne erkannt zu werden, statt auf ihn zu warten: Es sind rund 100 Meter vom östlichen Ende der Buck's Row bis zum Tatort und es war noch dunkel. Bis zu den Querstraßen im Westen als Fluchtwege sind es nur wenige Meter. Stattdessen wartete er auf Paul, wies ihn erst auf den am Straßenrand liegenden Körper hin und ging mit Paul einen Polizisten suchen. Auch wäre wohl aufgefallen, wenn Cross, der erste am Nichols-Tatort, auch an den Morgen der Morde von Annie Chapman und Mary Jane Kelly zu spät zur Arbeit gekommen wäre, denn sein Job begann bereits um vier Uhr morgens - jene Tatzeiträume liegen jedoch deutlich später (s.u.).
Außerdem war er nicht nur vor den Morden ein unbescholtener Mann, der 20 Jahre lang zuverlässig denselben Job innehatte, er lebte auch noch mehr als 30 Jahre nach dem Ende der Serie als freier und gesunder Bürger weiter, ohne irgendwie einschlägig aufzufallen. Daher war Cross wohl eher nicht der Ripper.

Was Jacob Levy betrifft: Der Tatort ist zwar rund 1300 bis 1400 Meter und damit etwa 16-18 Minuten Fußweg von Levys Adresse in der Middlesex Street 36 entfernt.
Aber Nichols übernachtete im White House Nachtasyl in der Flower and Dean Street 56, und trieb sich bis 2.30 Uhr in der Umgebung der Hauptverkehrsader Whitechapel High Street herum, beides nur rund 300 Meter von Levys Adresse entfernt.
Es ist auch kriminologisch plausibel, dass JTR auf seiner Jagd die Zentren des Straßenstrichs aufsuchte und beobachtete, ob ein potentielles Opfer in ruhigere Nebenstraßen abbog, um ihr dahin zu folgen. Einer dieser Prostituierten-Treffs war die Umgebung von Whitechapel Station / London Hospital. Zudem erscheint es vernünftig, diesmal nicht allzu nah beim eigenen Heim zuzuschlagen.

Vielleicht war JTR auch gar nicht auf seine eigenen vier Wände als sichere Zuflucht nach den Taten eingeschränkt, sondern konnte an verschiedenen Orten unauffällig von der Straße verschwinden - Detective Inspector Henry Cox von der City Police schrieb über den observierten Verdächtigen im Ripper-Fall: "He occupied several shops in the East End".
Möglicherweise konnte JTR die Straßen schnell verlassen, indem er nach der Tat in Shops von Verwandten oder Freunden verschwand.
Im Fall von Jacob Levy und der Buck's Row könnte dies der Zigarrenhändler John Levy gewesen sein, der in der Whitechapel Road 254 in den 1880ern einen Cigar Shop betrieben hatte, und neben dessen Shop nach dem Double Event ein blutiges Messer gefunden wurde (s.u.).

Ende 1888 scheint John Levy, bereits im Seniorenalter, einer Gertrude Smith einige Zimmer in seinem früheren Shop vermietet zu haben, welche die Räume als illegales Bordell nutzte, zumindest zeitweise. Es gab einen polizeilich festgehaltenen Vorfall um einen illegalen Bordellbetrieb von Gertrude Smith, in den ein N. Cohen und Aaron Davis Cohen (später David Cohen) verwickelt waren, der wohl in der 254 Whitechapel Road Ende November/Anfang Dezember 1888 stattfand.
Interessant in diesem Zusammenhang ist ein Bericht von Polizeichef Warren:
Home Office Report by Charles Warren dated September 19, 1888: "A brothel keeper who will not give her address or name writes to say that a man living in her house was seen with blood on him on the morning of the murderer. She described his appearence and where he might be seen - when detectives came near him he bolted, got away and there is no clue to the writer of the letter."
Die Adresse des Shops in der Whitechapel Road 254 ist nur etwa 400 Meter oder 4-5 Minuten vom Tatort Buck's Row entfernt. War Levy der Ripper, hätte er also auf dem Weg zum oder vom Shop auf Nichols treffen und sich nach der Tat dort verstecken können. 

Interessant an der Metzger-Theorie ist zudem, dass sich in der Nähe von mindestens zwei Tatorten Schlachthäuser befanden: Da in diesen auch über Nacht gearbeitet wurde, hätte ein Metzger dort als Einkäufer für sein Geschäft auftreten oder als Schlachter arbeiten können. Das Tragen seiner Arbeitsgeräte und blutverschmierter Arbeitskleidung wäre dort nicht per se verdächtig gewesen.
Das Schlachthaus in der Harrow Alley, Eingang von der Butcher's Row, lag nicht nur nahe Tatort Mitre Square, sondern passt auch auf den Butcher's Row Suspect (s.u.).
Und das Harrison, Barber & Co Slaughterhouse in der Winthrop Street lag in der Parallelstraße zum Tatort Buck´s Row.


Samstag, 8. September 1888: Annie Chapman in der Hanbury Street
Chapman verbrachte ihre letzten Nächte in der Crossingham's-Unterkunft in der Dorset Street 35.
Gegen 1.50 Uhr verließ sie das Asyl Richtung Norden in die Brushfield Street.
Gegen 5.30 Uhr am frühen Morgen wurde Chapman zum letzten Mal lebend gesehen, und zwar von der Zeugin Elizabeth Long. Unmittelbar vor dem Tatort in der Hanbury Street 29 soll sie laut Longs Aussage mit einem Freier gesprochen haben: "Willst du?" - "Ja."
Long beschreibt den Verdächtigen wie folgt: Knapp 40 Jahre alt, etwas größer als Chapman, dunkler Mantel und tief ins Gesicht gezogener dunkler Hut, fremdländisches Aussehen.
Etwa zur selben Zeit geht Albert Cadosch aus dem Nachbarhaus Nr. 27 in seinen Hinterhof zur Toilette, als er danach ins Haus zurück will, hört er vom Hof nebenan zunächst ein leises "No" und wenige Minuten später bei seinem Aufbruch zur Arbeit etwas gegen den Zaun stoßen.
Gegen 6 Uhr wurde Chapmans Leiche im Hinterhof vom Hausbewohner John Davies entdeckt.
Die Tatzeit liegt also zwischen 5.30 Uhr und 6 Uhr, und die Zeugin Long hat damit wohl den Ripper bei Chapman gesehen.

Da die Tatzeit bereits nahe der beginnenden Morgendämmerung und dem wieder einsetzenden "Berufsverkehr" in den Straßen liegt, hatte JTR nicht viel Zeit, aus der Öffentlichkeit zu verschwinden, bevor es richtig hell wurde.
Der Tatort ist rund 700 Meter oder etwa 8-9 Minuten Fußweg von Levys Adresse in der Middlesex Street 36 entfernt.

Interessant ist ein bekannt gewordener Zwischenfall im Prince Albert Pub an der Ecke Brushfield Street / Steward Street, etwa 200 Meter südwestlich vom Tatort:
Am frühen Morgen tauchte laut Aussagen der Inhaberin Mrs. Fiddymont ein Mann auf, dessen Erscheinung Mrs. Fiddymont und ihrer Kundin Mary Chappell Angst machte: Er trug einen dunklen Mantel, hatte seinen Hut tief ins Gesicht gezogen, sein Hemd war gerissen und er hatte offenbar Blutflecken auf seinem rechten Handrücken. Als er bemerkte, dass er kritisch beäugt wurde, drehte er sich weg, trank sein Bier in einem Zug aus und verließ den Pub sofort wieder. Mary Chappell folgte dem Mann in die Brushfield Street, stellte fest, dass er Richtung Bishopsgate ging und wies den Passanten Joseph Taylor auf den Mann hin.
Die drei wurden später von der Polizei zu zwei Gegenüberstellungen geladen, aber unter den vorgeführten Verdächtigen erkannten sie den Mann nicht wieder.
Bemerkenswert daran ist, dass nahe der Brushfield Street die Sandy's Row geradewegs zur Middlesex Street hinunter führt.


Montag, 10. September 1888: Erster Tatverdächtiger "Leather Apron"
Bei den Befragungen der Polizei erzählten Prostituierte, dass sie Angst vor einem gewalttätigen Mann hätten, der Schutzgeld von ihnen erpresse und sie schlage, und der wegen seiner Lederschürze  den Spitznamen "Leather Apron" hätte. Die Ermittlungen führten zu einem polnischen Juden namens John Pizer, ein Schuhmacher, der jedoch für die fraglichen Tatzeiten Alibis aufweisen konnte und später von allen Anschuldigungen freigesprochen wurde.

Interessant sind bei Pizer aber die Übereinstimmungen mit späteren Zeugenaussagen: Er war Jude, mittleren Alters (38 Jahre), knapp 1,70 groß und hatte einen schmalen Oberlippenbart.
Und Lederschürzen trugen nicht nur Handwerker, sondern auch Metzger.

Hinzu kommt, dass Serienmörder den Erkenntnissen der modernen Kriminologie zufolge oft schon vor ihren Morden durch andere Straftaten auffällig werden, darunter auch Raub. Es ist daher gut möglich, dass JTR vor seinen Morden bereits Prostituierte bedroht bzw. ausgeraubt hat. 
Jacob Levy war ein verurteilter Dieb, von dem seine Frau Sarah bei seiner Einweisung in die Irrenanstalt sagte, er hätte nicht nur begonnen, das Geld der Familie zu verschwenden, sondern auch fremder Leute Eigentum mitgehen zu lassen.
Zwar ist von Jacob Levy kein Übergriff auf eine Prostituierte nachgewiesen, aber es gab vor der Mordserie Überfälle auf Prostituierte, die möglicherweise frühe Taten des Rippers gewesen sein könnten: Zum Beispiel wurde Ada Wilson in der Nacht vom 27. auf den 28. März 1888 von einem Unbekannten an ihrer Haustür angegriffen: Der Täter verlangte von der Gelegenheitsprostituierten Geld, und als Wilson sich weigerte, zog er ein Messer und stach es ihr in den Hals. Wegen ihrer Schreie, die die Nachbarn alarmierten, flüchtete der Täter - das rettete ihr vermutlich das Leben.
Interessant ist die Täterbeschreibung, die Ähnlichkeiten mit anderen Zeugenaussagen in der Mordserie von JTR aufweist: Etwa 30 Jahre, knapp 1,70 groß, heller Schnauzbart, dunkler Mantel und breiter Hut.

Zudem würde der Zeitraum dieser Taten auf den ersten Bekennerbrief vom 24. September 1888 passen (s.u.). Darin schreibt ein vermeintlicher Schlachter an Polizeichef Warren, er sei verantwortlich für "all die Morde in den letzten sechs Monaten" - die kanonischen Opfer einschließlich Tabram umfassten damals aber gerade einen Zeitraum von wenigen Wochen. Mit jenen früheren Überfällen wäre es tatsächlich etwa ein halbes Jahr.


24. September 1888: Der erste Bekennerbrief
Durch die Grausamkeit der Morde und die Sensationsberichterstattung der Zeitungen nahm die öffentliche Aufmerksamkeit sprunghaft zu und Hysterie breitete sich in Teilen der Bevölkerung aus.  In der Folge davon erreichten Dutzende angebliche Bekennerbriefe die Polizei und die Presse.
Der erste davon war an Polizeichef Sir Charles Warren selbst adressiert, seine Existenz wurde damals geheim gehalten. Er lautete:

"Dear Sir,
ich würde gerne aufgeben, ich befinde mich in einem Albtraum. Ich bin der Mann, der alle diese Morde in den letzten sechs Monaten begangen hat. Mein Name ist (mit der Zeichnung eines Sargs unkenntlich gemacht). Ich bin ein Schlachter und arbeite bei (mit zwei Balken unkenntlich gemacht). I have found the woman I would that is Chapman and I done what I called slautered her (?). Aber wenn jemand kommt, werde ich aufgeben. Aber ich werde nicht von selbst zur (Polizei-)Station gehen. Hochachtungsvoll (mit der Zeichnung eines Sargs unkenntlich gemacht)."
Rückseite:
"Haltet das Viertel sauber, oder ich werde ihm einen Besuch abstatten. (Zeichnung eines Messers) Dies ist das Messer, mit dem ich die Morde begangen habe. Es hat einen schmalen Griff mit einer langen Klinge, beide Seiten scharf."

Die meisten Bekennerbriefe wurden von der Polizei schon damals als geschmacklose Scherze von Trittbrettfahrern abgetan, nur wenige wurden ernst genommen. Selbst die berühmt gewordenen Briefe, in denen der Mörder sich angeblich den Namen "Jack the Ripper" gab (der "Dear Boss"-Brief und die "Saucy Jacky"-Postkarte) werden inzwischen für Fakes gehalten und sollen aus der Feder ebenjenes Sensationsreporters Thomas Bulling von der Central News Agency stammen, welche die Briefe der Polizei übergab.

Jener erste Brief aber erscheint bemerkenswert: Erstens bezeichnet sich der Autor selbst als Schlachter. Zweitens ist er nicht verhöhnend, sondern scheint der Hilferuf eines kranken Menschen zu sein, der in einer tiefen inneren Zerrissenheit gefangen ist - so wie der Zustand Jacob Levys bei der Einlieferung ins Irrenhaus von seiner Frau beschrieben wurde.
Der Satz mit Chapman ist aufgrund seiner Formulierungen und der fehlenden Satzzeichen verwirrend, aber "and I done what I called" könnte bedeuten: "und ich habe getan, was mir befohlen wurde" - was ein Hinweis auf die befehlenden Stimmen sein könnte, die ein Wahnkranker oft hört, und von denen Levys Frau sprach.
Betrachtet man sich die sargförmige Schwärzung an der Stelle, wo der Briefschreiber angeblich zum ersten Mal seinen Namen übermalt hat, so scheint darunter etwas ähnliches wie "leaffray" oder "leadfray" gestanden zu haben - und das würde von der Wortlänge sowie von den Oberlängen und  Silhouetten einiger Buchstaben passen auf unseren Metzger Jacob Levy:
l e  a  d  f r a y
l a co b  l e v y


Sonntag, 30. September 1888: Nacht des Double Event
Mord an Elizabeth Stride in der Berner Street 40/42, und etwa 45 Minuten später an Catherine Eddowes auf dem Mitre Square.

Stride
übernachtete bis zu ihrem Tod im Armenasyl in der Flower and Dean Street.
Zwischen 0.35 Uhr und 0.45 Uhr sahen mehrere Zeugen (Polizist William Smith, Anwohner James Brown, Zeuge Israel Schwartz) Stride mit einem Mann in der Nähe des Berner Street Clubs. Beschrieben wird er übereinstimmend als knapp 1,70 groß, etwa 30 Jahre alt, heller Teint, Schnauzbart, dunkler Mantel und Schirmmütze. Polizist Smith bemerkte zudem ein Päckchen in seiner Hand.
Der aus Norden von der Commercial Road vorbeikommende Israel Schwartz will sogar eine Auseinandersetzung wahrgenommen haben, weswegen er schnell weitergegangen sei, sagte er später der Polizei. Der Mann habe die Frau am Tor zum Dutfields Yard zu Boden geworfen, die Frau habe kurz aufgeschrien. Als er zurückgeblickt habe, sei gerade ein anderer Mann mit einer Pfeife aus dem nahen "Nelson"-Pub gekommen und es habe eine kurze verbale Auseinandersetzung mit dem Verdächtigen gegeben, bis der Verdächtige "Lipski" gerufen habe. Da sei der andere auf Schwartz zugegangen und Schwartz sei aus Angst weggelaufen.
Gegen 1 Uhr dann wurde Strides Leiche vom Verwalter des Clubs, Louis Diemschütz, im Torweg des Dutfield Yard neben dem Club gefunden. Im Gegensatz zu den anderen Opfern wurde ihr nur die Kehle durchgeschnitten, aber offenbar wegen der Störung durch die Zeugen keine Verstümmelungen des Unterleibs mehr vorgenommen.

Als plausibelste Interpretation dieser Szene scheinen Schwartz und der Mann mit der Pfeife mitten in den Angriff des Rippers hineingeplatzt zu sein. Weil Schwartz schon auf der Flucht war, als der Pfeifenraucher auf die Straße kam, tat der Mörder offenbar so, als sei er ein unschuldiger Helfer und konnte den anderen Mann mit dem Ausruf "Lipski" davon überzeugen, dass der nach Süden flüchtende Schwartz der Angreifer gewesen sei, so dass "Pipeman" die Verfolgung von Schwartz aufnahm (leider konnte "Pipeman" nie identifiziert werden).
Lipski war ein Jude aus dem Viertel, der 1887 wegen Mordes verurteilt worden war - und sein Name war in antisemitischen Kreisen zum Schimpfwort gegen Juden im allgemeinen und zum Synonym für Mörder im speziellen geworden.
Indem der Mörder den einen Zeugen so auf den anderen hetzte, konnte er vom Tatort (vermutlich über die Gasse zur Batty Street, wo später blutige Wäsche gefunden wurde) schließlich nach Norden in die Commercial Road fliehen. Er wollte angesichts der Beinahe-Entlarvung mit ziemlicher Sicherheit zu seinem Versteck zurück - und in der Richtung, die er einschlug, liegt die Middlesex Street.
Da JTR aber sein eigentliches Ziel - die Verstümmelung - bei Stride nicht mehr umsetzen konnte, suchte er, als er sich wieder sicher fühlte, schließlich ein weiteres Opfer.

Eddowes und ihr Mann John Kelly lebten überwiegend im Armenhaus "Cooney's" in der Flower und Dean Street 55.
Gegen 1 Uhr wurde Eddowes aus der Ausnüchterungszelle der Polizeistation Bishopsgate Street entlassen und ging Richtung Süden, höchstwahrscheinlich die Houndsditch entlang zurück zur Aldgate High Street, wo sie den frühen Abend verbracht hatte.
Gegen 1.30 Uhr checkte Constable Edward Watkins auf Streife den Mitre Square, ohne etwas  Verdächtiges festzustellen.
Etwa um diese Zeit verließen Joseph Lawende, Harry Harris und Joseph Hyam Levy den Imperial Club, Duke Street, schräg gegenüber der Church Passage zum Mitre Square, und sahen einen Mann und eine Frau am Eingang der Passage in einem leisen Gespräch.
Der Zeuge Lawende beschrieb den Mann wie folgt: Etwa 30 Jahre alt, knapp 1,70 Meter groß, blasser Teint, heller Schnauzbart, durchschnittlicher Körperbau, graue Jacke, graue Stoffkappe und rötliches Halstuch, sah wie ein Seemann aus (wobei aber Seemänner selten "blassen Teint" haben).
Gegen 1.35 Uhr ging Constable James Harvey durch die Church Passage und schaute in den dunklen Mitre Square, sah jedoch nichts und kehrte auf seine Runde zurück.
Gegen 1.45 Uhr kam Constable Edward Watkins von der anderen Seite (Mitre Street) wieder durch den Hauptzugang in den Mitre Square und entdeckte beim Herumleuchten mit seiner Lampe die tote Eddowes in der dunkelsten Ecke liegen, vor dem Tor zu einem kleinen Hof (vermutlich hatte der Ripper gehofft, das Tor wäre offen).
Laut Inspector Robert Sagar von der City Police soll ein Polizist kurz zuvor gesehen haben, wie ein Mann aus der Mitre Street in östliche Richtung verschwand. Aufgrund der Sichtung dieses Mannes liefen anschließend Polizisten durch Gravel Lane und Stoney Lane, um Hinweise auf den Fluchtweg des Mörders zu finden - dieser Weg führt in die Middlesex Street und weiter in die Goulston Street. Einer davon war Detective Constable Daniel Halse, der mit zwei Kollegen an der Ecke Houndsditch bei St. Botolph's Church stand und aufgrund der Alarmierung in den Mitre Square kam. Nachdem Halse Instruktionen zur Befragung der Anwohner gegeben hatte, eilte er zuerst in die Middlesex Street und, weil er dort niemanden sah, weiter in die Wentworth Street, wo er zwei Passanten überprüfte. Gegen 2.20 Uhr checkte er die Goulston Street, um nach vergeblicher Suche zum Mitre Square zurückzukehren.
Gegen 2.55 Uhr fand Constable Alfred Long auf seiner Runde ein Stück der blutigen Schürze von Eddowes im Hauseingang der Wentworth Dwellings 108-119, Goulston Street. Darüber an der Wand stand mit Kreide der Satz: "Die Juden sind die Menschen, die nicht grundlos beschuldigt werden." Long zufolge soll die Schürze auf seiner vorherigen Runde gegen 2.25 Uhr noch nicht dort gelegen haben. Ob das antisemitische Graffiti zuvor schon da gewesen war, wusste er nicht.

War Levy der Ripper, wäre er nach der unterbrochenen Tat an Stride in Richtung der Middlesex Street geflüchtet, um schnell von der Straße verschwinden zu können, dann aber mit oder ohne einen Zwischenstopp zuhause weiter Richtung Westen gezogen, wo er in der Houndsditch oder Duke Street den Weg von Eddowes kreuzte.
Die Berner Street ist rund 700 Meter oder etwa 8-9 Minuten Fußweg von Levys Adresse in der Middlesex Street 36 entfernt.
Die Strecke zwischen Berner Street und Mitre Square beträgt rund 1000 Meter oder etwa 12-15 Minuten Fußweg.
Die Strecke zwischen Mitre Square und Middlesex Street 36 beträgt rund 300 Meter oder etwa 3-4 Minuten Fußweg.
Jacob Levy hätte auch nach dem Mord an Eddowes zuhause einen Zwischenstopp einlegen können, um Blut, Messer, Gebärmutter und Niere loszuwerden und sich umzuziehen, bevor er die Schürze platzieren ging, um eine falsche Spur zu legen - oder er zog direkt weiter, weil er nicht direkt nach Hause zurückkehren konnte, z.B. weil ihm die Polizei zu dicht auf den Fersen war.
Die Strecke vom Mitre Square zur Goulston Street beträgt nur rund 500 Meter oder 6-7 Minuten. Entweder haben die Polizisten Halse und Long die Schürze gegen 2.25 Uhr übersehen, oder JTR hat sich zeitweise in einer Zuflucht versteckt, bevor er sie ablegte. Ein Umweg von rund einer dreiviertel Stunde durch die Straßen voller alarmierter Polizisten ist eher unwahrscheinlich - daher dürfte die Rückzugsmöglichkeit des Rippers in unmittelbarer Nähe gewesen sein. Die Ablage der Schürze könnte dann für ein Ablenkungsmanöver sprechen, das die Ermittler auf eine falsche Fährte locken sollte Richtung Osten, weg von der Umgebung Mitre Square und seiner Zuflucht.
Wenn Levy der Ripper war, hätte er damit aufgrund der Erkenntnis, zu nah an seinem Zuhause zugeschlagen zu haben, bewusst die Spur vom Grenzgebiet der City Police, wo er wohnte, weiter nach Osten in das Territorium der Metro Police gelenkt.
Vielleicht konnte er aber auch einfach nicht in die Middlesex Street 36 zurück, entweder weil er sich verfolgt fühlte, weil seine Frau noch wach oder gerade jemand in der Straße unterwegs war.
Die Strecke zwischen den Parallelstraßen Goulston Street und Middlesex Street beträgt weniger als 100 Meter oder etwa 1-2 Minuten Fußweg.

Daraus ergeben sich zwei interessante Möglichkeiten, wenn Levy der Ripper war:
Zur Zeit der Morde lebte laut Census von 1891 Jacobs Bruder Isaac Levy, ein Cigar Maker, in der Goulston Street 130, und die Geburt seiner Tochter 1888 ist unter derselben Adresse angegeben - dies ist nur einen Häuserblock vom Schürzenfund entfernt.
Zum zweiten bleibt noch die Alternative, dass Jacob weiter zum Cigar Shop von John Levy in die Whitechapel Road 254 flüchtete, um sich dort zu verstecken - direkt nebenan vor Nr. 253 wurde am Tag darauf von Thomas Coram ein blutiges Messer gefunden (s.u.).

Bemerkenswert ist, dass es am Tatort im Mitre Square sehr dunkel war: Die Streifenpolizisten mussten ihre Lampen verwenden, um in den Ecken überhaupt etwas erkennen zu können. JTR hatte nur etwa 10 Minuten für die Verstümmelungen, die noch umfangreicher als bei den vorherigen Opfern waren. Insbesondere die Entfernung von Gebärmutter und Niere in der Dunkelheit zeugen davon, dass der Ripper offenbar Übung darin hatte, einen Körper bei schlechtem Licht schnell mit einem Messer zu zerlegen. Auch dies deutet auf einen Metzger hin, eine Ansicht, die u.a. Dr. Frederick Gordon Brown vertrat, der Eddowes Leiche untersuchte.

Merkwürdigerweise taucht in den Berichten über die Coroner-Untersuchung zu Strides Tod der wichtige Zeuge Israel Schwartz gar nicht auf.
Und bei der Coroner-Untersuchung zu Eddowes Tod wurde dem Zeugen Joseph Lawende verboten, den Verdächtigen öffentlich genauer zu beschreiben - offenbar aus ermittlungstaktischen Gründen.
Dies deutet darauf hin, dass die Polizei glaubte, eine heiße Spur zu haben.
Zumal Lawendes Begleiter Joseph Hyam Levy bei der polizeilichen Vernehmung und gegenüber der Presse den Eindruck gemacht hatte, mehr zu wissen, als er zugeben wollte. So soll er beim Anblick von Eddowes und dem Mann zu seinen beiden Begleitern gesagt haben, wenn er solche Charaktere sehe, wolle er nicht alleine nach Hause gehen, und man solle den Hof beobachten (!).
Als er beim Verhör gefragt wurde, ob er denn Angst gehabt habe, antwortete er kryptisch: nicht wirklich um sich. Frage: "What was there terrible in their appearance?" - Antwort: "I did not say that." - Frage: "Your fear was rather about yourself?"- Antwort: "Not exactly." (!)
Joseph Hyam Levys Verhalten könnte dadurch erklärt werden, dass er den Mann erkannt hatte und decken wollte - vielleicht war es sogar sein Verwandter Jacob Levy gewesen.


1. Oktober 1888: Messer-Fund in der Whitechapel Road
In der Nacht nach dem Double Event fand Thomas Coram gegen 0.30 Uhr vor der Whitechapel Road 253 ein in ein Taschentuch eingewickeltes blutiges Messer, das er der Polizei übergab - jedoch konnten die obduzierenden Ärzte nicht bestätigen, ob dies die Waffe des Rippers war.

Interessant ist in diesem Zusammenhang aber: Wie bereits erwähnt hatte in den 1880er Jahren John Levy in der Whitechapel Road 254 einen Cigar Shop. Er war laut Census der Bruder von Fanny, Lewis und Samuel Levy von den Levys aus der Mitre Street 29, und sie waren Ripperologen zufolge wahrscheinlich Cousins des Zeugen Joseph Hyam Levy - somit war vermutlich auch Jacob Levy mit diesen Levys verwandt (s.u.).
Und Lewis Levy hatte in den 1860ern in Mitre Square 8 gewohnt - dahinter fand man vor dem verschlossenen Hinterhoftor die Leiche von Catherine Eddowes (!).

War Jacob Levy der Ripper, kannte er sicher den Hinterhof im Mitre Square und könnte gehofft haben, er wäre offen. Nach dem Double Event hätte er, weil er sich nicht zuhause verstecken wollte oder konnte, zuerst in Richtung seines Bruders in der Goulston Street und dann weiter zum Shop von John Levy in die Whitechapel Road 254 flüchten können, um sich dort relativ weit von den Tatorten weg zu verstecken, und könnte das blutige Messer davor weggeworfen haben.


Polizei-Razzia bei Metzgern im Oktober:
Die Polizei führte in den folgenden Wochen (3.-18. Oktober) in der Umgebung des Mitre Square Haus-zu-Haus-Befragungen durch. Der stellvertretende Polizeipräsident Robert Anderson schrieb, dass man alle Männer des Viertels überprüft habe, die den Zeugenaussagen entsprachen und sich blutbefleckter Kleidung entledigen konnten.
Die Polizei durchsuchte auch 76 Metzgereien und Schlachtereien im Viertel und überprüfte alle Personen, die in den letzten sechs Monaten dort beschäftigt waren, verschiedene Verdächtige wurden unter Beobachtung gestellt.

Interessanterweise folgte nach dem Double Event die längste Pause zwischen den Ripper-Morden von fast sechs Wochen. Ursache dafür könnte der Ermittlungsdruck durch die Behörden gewesen sein, was für die Annahme spricht, dass die Polizei mit der Untersuchung des Metzger-Milieus rund um Aldgate High Street dem Ripper näher kam, so dass er vorerst pausieren musste, bis die polizeilichen Aktivitäten in seinem Umfeld wieder zurückgingen.
 

Freitag, 9. November 1888: Mord an Mary Jane Kelly im Miller's Court
Kelly verließ in ihrer letzten Nacht mehrmals ihr Zimmer im Miller's Court, Dorset Street 26, und kehrte mit verschiedenen Freiern wieder dorthin zurück, nachdem sie den frühen Abend mit ihrem Exfreund Joseph Barnett verbracht hatte.
Gegen 23.45 Uhr sah ihre Nachbarin Mary Ann Cox, wie Kelly mit einem Kunden auf ihr Zimmer ging. Zwischen 0.30 Uhr und 1 Uhr hörten Cox und Nachbarin Catherine Picket sie singen.
Ihre Nachbarin Elisabeth Prater kehrte gegen ein Uhr zurück, wartete erst 20 Minuten vor dem Eingang zum Court auf einen Mann und ging, als er nicht kam, noch für zehn Minuten in McCarthys Laden nebenan. Gegen 1.30 Uhr stieg sie die Treppen zu ihrem Zimmer direkt über Kellys hinauf, ohne dort Licht zu sehen oder etwas zu hören, und ging zu Bett.
Der Zeuge George Hutchinson, ein Bewohner des Victoria Home in der Commercial Street, ging am 12. November zur Polizei und sagte aus, dass er seine Bekannte Mary Jane Kelly am 9. November gegen 2 Uhr in der Commercial Street getroffen habe.
Kurz darauf sei sie mit einem Kunden an ihm vorbei zurück auf ihr Zimmer gegangen. Weil der Mann sein Gesicht vor ihm habe verbergen wollen, sei er beiden gefolgt und habe rund eine dreiviertel Stunde den Hof beobachtet, jedoch ohne etwas Verdächtiges wahrzunehmen. Gegen 3 Uhr sei er schließlich gegangen.
Hutchinson beschrieb den Mann als etwa Mitte 30, knapp 1,70 Meter groß, blasser Teint, dunkle Augen und Haare, dünner gezwirbelter Schnurrbart, jüdisches Erscheinungsbild, mürrisches Aussehen, dunkler Mantel, dunkler Hut, kleines Päckchen in seiner Hand.
Sarah Lewis, die gegen 2.30 Uhr zu ihrer Bekannten Mrs. Keyler im Miller's Court ging, um dort zu übernachten, sah gegenüber dem Hofeingang einen Mann stehen - dabei handelte es sich vermutlich um Hutchinson.
Zwischen 3.15 Uhr und 3.45 Uhr hörten sowohl Lewis wie auch Elizabeth Prater einen leisen, unterdrückten Schrei vom Hof her: "Mord!"
Gegen 6 Uhr hörte Nachbarin Marie Ann Cox Schritte im Hof.
Gegen 7.30 Uhr klopfte Nachbarin Catherine Picket an Kellys Tür, um sich einen Schal zu leihen, aber nichts regte sich.
Gegen 10.45 Uhr schließlich wurde Kellys Leiche von Hausverwalter Thomas Bowyer entdeckt, der die Miete eintreiben sollte.

Theoretisch könnte Hutchinson der Täter gewesen sein, der nach dem Verschwinden des Kunden gegen 3 Uhr selbst zu Kelly ging - nur: warum hätte er dann bei der Polizei auftauchen und sich mit dem Geständnis seines "Stalkings" verdächtig machen sollen? Inspektor Abberline hielt ihn für glaubwürdig.
Plausibel wäre aber, dass der von Hutchinson beschriebene Kunde nach 3 Uhr ging - und dass erst der nächste Besucher Kellys der Ripper war. Dann wäre Hutchinsons Beschreibung unbrauchbar.
Bemerkenswert ist jedoch, dass Hutchinson aussagte, er glaube denselben Mann später noch einmal gesehen zu haben, und zwar am 11. November in der Petticoat Lane / Middlesex Street - wo Levy wohnte und es den Straßenmarkt mit günstiger Second-Hand-Kleidung gab.
Wenn JTR die Person war, die von Cox gegen 6 Uhr im Hof bemerkt wurde, muss er beim Verlassen des Tatorts unter Zeitdruck gestanden haben, weil es langsam hell wurde.
Falls Levy der Ripper war: Der Tatort in der Dorset Street 26 ist rund 500 Meter oder nur etwa 5-6 Minuten Fußweg von der Middlesex Street 36 entfernt.

Ein merkwürdiger Vorfall ereignete sich etwa eine Stunde nach der Entdeckung von Kellys Leiche:
London Times, 10. November 1888:
"A Mrs Paumier, a young woman who sells roasted chestnuts at the corner of Widegate-street, a narrow thoroughfare about two minutes' walk from the scene of the murder, told a reporter yesterday afternoon a story which appears to afford a clue to the murderer. She said that about 12 o'clock that morning a man dressed like a gentleman came up to her and said, "I suppose you have heard about the murder in Dorset-street?" She replied that she had, whereupon the man grinned and said, "I know more about it than you." He then stared into her face and went down Sandy's-row, another narrow thoroughfare which cuts across Widegate-street. Whence he had got some way off, however, he vanished. Mrs Paumier said the man had a black moustache, was about 5ft 6in, high, and wore a black silk hat, a black coat, and speckled trousers. He also carried a black shiny bag about a foot in depth and a foot and a half in length."

Falls JTR so wie manch anderer Serienmörder das Bedürfnis hatte, zu den Tatorten zurückzukehren oder gar bei der Entdeckung der Morde unter den Schaulustigen zu stehen, um sich einen zusätzlichen Kick zu holen: Die Beschreibung des Mannes von Mrs. Paumier als knapp 1,70 m groß mit Schnurrbart passt zu anderen Zeugenaussagen.
Und - interessant für die Jacob-Levy-These - der Verdächtige ging nach seiner Provokation die Sandy's Row hinab, die in die Middlesex Street mündet.

Merkwürdig war nach den Coroner-Untersuchungen zum Double-Event auch die Anhörung im Fall Kelly: Sie wurde im Distrikt Shoreditch vom dort zuständigen Richter vorgenommen und nicht in Whitechapel, mit der seltsamen Begründung, zuständig sei der Ort der Aufbahrung, nicht der Tatort. Sie wurde bereits am 12. November eröffnet, mit sich nicht zuständig fühlenden Geschworenen, in hohem Tempo durchgepeitscht und schon am selben Tag wieder abgeschlossen. Richter Roderick Macdonald sagte: "Wenn die Geschworenen allein zu der Todesursache zu einem Ergebnis kommen, so ist das alles, was sie zu tun haben."
Zeugen oder Beweismittel zur Strafverfolgung sollten nicht weiter öffentlich thematisiert werden - wahrscheinlich aus ermittlungstaktischen Gründen, weil man einen Tatverdächtigen nicht warnen wollte, während er unter Beobachtung stand, um ihn auf frischer Tat stellen zu können.
In H. L. Adam's Serie "The People on Scotland Yard and its Secrets" von 1912 zitiert der Autor  Assistant Commissioner Anderson: "Sir Robert Anderson has assured the writer that the assassin was well known to the police, but unfortunately, in the absence of sufficient legal evidence to justify an arrest, they were unable to take him. It was a case of moral versus legal proof. The only chance the police had, apparently, was to take the miscreant red-handed…"


"Butcher's Row Suspect"
Nach diesem Mord begann die City Police damit, mehrere Monate lang einen Tatverdächtigen bei der Butcher's Row zu observieren.
In einem Zeitungsinterview (City Press, 7. January 1905) sagte Robert Sagar von der City Police, dass man nach dem Kelly-Mord einen Mann unter Beobachtung gestellt habe, der in der Butcher's Row arbeite und von dem man annehme, dass er der Ripper sei, und dass dieser Mann letztendlich von seinen Leuten in ein Irrenhaus eingeliefert worden sei.

Butcher's Row war kein offizieller Straßenname, so wurde wegen der vielen Metzger und der dahinter liegenden Schlachterei jener Abschnitt der Aldgate High Street genannt, der an der Einmündung der Middlesex Street liegt, wo Jakob Levy wohnte (sie stellt die Grenze zwischen City of London und Whitechapel sowie zwischen den beiden Polizei-Distrikten dar).
Auch Detective Inspector Henry Cox (City Police) wurde ein Jahr später in einem Zeitungsartikel (Thomson’s Weekly News, 1. December 1906) zu den Observationen zitiert, ohne jedoch den genauen Ort zu nennen. Cox: "The man we suspected was about five feet six inches in height, with short, black, curly hair, and he had a habit of taking late walks abroad. He occupied several shops in the East End, but from time to time he became insane, and was forced to spend a portion of his time in an asylum in Surrey. (...) While the Whitechapel murders were being perpetrated his place of business was in a certain street, and after the last murder I was on duty in this street for nearly three months." (beim Hinweis auf Surrey könnte eine Verwechslung mit dem Verdächtigen Ostrog aus Macnaghtens Memorandum vorliegen).
Cox erzählte auch, er habe den Verdächtigen nachts auf einem Streifzug verfolgt: Nachdem dieser sein Haus verlassen habe, sei er die Leman Street in Richtung St. Georges in the East hinab gegangen - die Straße verläuft nur etwa 100 Meter östlich von der Einmündung der Middlesex Street und der Goulston Street in die Aldgate High Street nach Süden (!).
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, was Detective Inspector Cox zur Überwachung des Tatverdächtigen sagte. Zur Verschleierung der Observation, die der jüdischen Gemeinde nicht verborgen blieb, behaupteten die Polizisten, die Schneider auf Beschäftigung von Minderjährigen zu überwachen: "We told them we were factory inspectors looking for tailors and capmakers who employed boys and girls under age." Dies könnte sich auf den Petticoat Lane Street Market mit seiner Bekleidungsindustrie oder den "Khazar Mark" in der Parallelstraße Goulston Street beziehen, wo Schneidermeister Arbeitskräfte rekrutierten.

Die Maßnahmen der City Police deuten darauf hin, dass die Indizien sie in dem Verdacht bekräftigten, es bei JTR mit einem einheimischen Metzger in der Umgebung von Aldgate High Street, Middlesex Street oder Goulston Street zu tun zu haben. Vielleicht war es sogar Jacob Levy, der beobachtet wurde - doch leider sind weder die genaue Adresse noch der Zeitraum der Observationen bekannt.
Allerdings schrieb das Aberdeen Weekly Journal bereits am 16. November 1888: "The Central News is enabled to state that several houses at which the murderer is believed to call on occasionally are under the closest police surveillance."

Wenn Jacob Levy der Ripper war, könnte sich dies neben seiner Schwester Elizabeth, Middlesex Street 87, und seinem Bruder in der Goulston Street auch auf die anderen Metzger der Butcher's Row beziehen. Denn sowohl Jacob Levy als auch der Zeuge und mutmaßliche Verwandte Joseph Hyam Levy sollen Geschäftsverbindungen in der Butcher's Row gehabt haben. Vermutlich kauften sie auch in der dortigen Schlachterei ein. Levy könnte sogar wegen seines ruinierten eigenen Geschäfts zeitweise dort oder in einem anderen Shop gearbeitet haben.


Nähe von mutmaßlichen Verwandten zu den Tatorten
Detective Inspector Henry Cox von der City Police schrieb über den observierten Verdächtigen: "He occupied several shops in the East End."

Jacobs Schwester Elizabeth und ihr Ehemann Isaac Barnett, ein Milchmann, hatten ihren Shop in der Middlesex Street 87. Ein Butcher namens Moses Levy hatte seine Metzgerei in Middlesex Street 134 - möglicherweise war dies Jacobs Bruder Moss.
Und Jacobs Bruder Isaac Levy lebte in der Goulston Street 130 - nur einen Gebäudekomplex entfernt von dem Hauseingang, in dem das blutige Teil von Eddowes Schürze gefunden wurde.
 
Zusätzlich den möglichen Verbindungen Levys mit anderen Metzgern in der Butcher's Row gab es in JTRs Comfort Zone auch noch die Shops der Levy-Familie aus der Mitre Street, mit denen Jacob und Joseph Hyam Levy laut Casebook verwandt gewesen sein sollen:
Die Kinder der Zigarren- und Orangenhändler Ann und Barnett Levy aus der Mitre Street 29 ("Orange Market" am Mitre Square) John, Samuel, Lewis und Fanny hatten Adressen in der Nähe von JTRs Aktivitäten - sie waren höchstwahrscheinlich Cousins des Zeugen Joseph Hyam Levy, dessen Vater vor Jacob die Metzgerei in der Middlesex Street 36 gehabt hatte - somit war vermutlich auch Jacob Levy mit diesen Levys verwandt.
Der Orangenhändler Samuel Levy lebte erst in Mitre Street 17 und 23 und zog danach neben Joseph Hyam Levys Vater, Hyam Levy, in die Middlesex Street 39. 1888 kehrte Samuel dann als Orangenverkäufer wieder in die Mitre Street 20 zurück. Seine Schwester Fanny lebte weiter in der Mitre Street 29 (beim Tatort Mitre Square). Und der Zigarrenhändler John Levy hatte in den 1880ern einen Cigar Shop in der Whitechapel Road 254 - nahe den Tatorten Buck's Row und Berner Street sowie unmittelbar neben dem Messer-Fund von Thomas Coram nach dem Double Event vor Whitechapel Road Nr. 253.
Und Lewis Levy hatte in den 1860ern in Mitre Square 8 gewohnt - dahinter fand man vor dem
verschlossenen Hinterhoftor die Leiche von Catherine Eddowes (!).

Fazit: Waren die Levys von Mitre Street tatsächlich mit Jacob Levy verwandt, so rückt der verrückt gewordene Metzger durch die Adressen seiner Verwandten in die unmittelbare Nähe zu mehreren Tatorten und den Funden von Schürze und Messer. War Jacob Levy der Ripper, kannte er sich dort besonders gut aus, hätte für seine Anwesenheit in den Straßen eine plausible Erklärung gehabt und Möglichkeiten, nach den Taten schnell aus der Öffentlichkeit verschwinden zu können, indem er bei ihnen Unterschlupf suchte. 

(...)
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 24.02.2017 15:33 Uhr
Fortsetzung:


Mittwoch, 17. Juli 1889: Mord an Alice McKenzie in der Castle Alley
McKenzies Leiche wurde von Police Constable Walter Andrews gegen 0.50 Uhr in der Castle Alley entdeckt, etwa eine halbe Stunde, nachdem er das letzte Mal auf seiner Runde dort gewesen war. Zeugen der Tat gab es keine. Ihre linke Halsschlagader war durchtrennt, ihr Rock war hochgeschoben und der Unterleib mit einem Messer traktiert worden, allerdings waren die Verletzungen eher oberflächlich.

Die Polizisten und die Ärzte waren uneinig darüber, ob es sich um ein weiteres Ripper-Opfer handelte. Einiges passte ins Schema: McKenzie übernachtete in einem Armenhaus, war rund 40 Jahre alt, Prostituierte - und wurde im Zentrum von JTRs Morden getötet. Allerdings wurde ein anderes Messer benutzt, und zudem wurde sie nicht gewürgt, es gab auch keinen vollständigen Kehlenschnitt, die Wunden waren nicht so tief und der Unterleib war nicht ausgeweidet.
Der Täter hätte wahrscheinlich durchaus genug Zeit für weiterreichende Verstümmelungen gehabt, denn er war wohl diesmal nicht gestört worden. Indiz dafür: Obwohl es kurz geregnet hatte, war der Gehweg unter McKenzies Körper trocken, was bedeutet, dass sie wohl schon vor dem Schauer getötet wurde und somit einige Zeit unentdeckt dagelegen hatte. Möglicherweise war es ein Nachahmungstäter, der dem Ripper diesen Mord in die Schuhe schieben wollte.

Falls es doch JTR war, deutet alles darauf hin, dass er nicht mehr auf der Höhe seiner physischen und/oder psychischen Kräfte war - Folgen der fortschreitenden Syphilis?
Auch der große zeitliche Abstand zu den übrigen Taten fällt auf: JTR hatte eine sehr kurze Abkühlphase, so dass längere Pausen wohl nur durch widrige Umstände wie Krankheit, Einweisung oder Ermittlungsdruck der Polizei zu erklären sind.
Falls Jacob Levy der Täter war: Der Tatort ist nur 100-200 Meter oder 1-2 Minuten Gehweg von Butcher's Row und Middlesex Street entfernt.


"The crazy jewish Butcher"

Spätestens nach diesem Mord machte die Ripper-Theorie vom "verrückten jüdischen Metzger" die Runde, die von verschiedenen Presseorganen aufgegriffen wurde.

London Evening News And Post, 13. September 1889:
"The second man is now being watched. He is a resident of the East End, and has been for years. For a long time he has been acting in the most suspicious fashion. He has a business, to which he scarcely ever personally attends. He goes about drinking, and is to be met at all hours of the night in the streets all over the neighborhood. He enters his house at hours when his wife and family have long been at rest. No member of his family dare question him as to his ramblings. He knocks about among the lowest class of women at unearthly hours, although, according to general report, their very appearance is hateful in his sight. His hatred has been produced by physical suffering, for which, like most men of his class, he holds himself perfectly irresponsible. His habits are such as to give one the notion that he is not altogether in a fit position to be allowed to roam at will. Whether he has anything to do with any crime, it is, of course, impossible to say, but he is kept in view."

Offensichtlich war der Observierte ein im East End lebender Metzger, der sein Geschäft vernachlässigte, so wie auch Jacob Levys Frau beklagte. Er fing an zu trinken und streifte nachts umher, so wie Levys Frau gesagt hat. Er trieb sich bei Prostituierten herum, obwohl er sie hasste.
"His hatred has been produced by physical suffering, for which, like most men of his class, he holds himself perfectly irresponsible." - Und sein Hass kam von einer Syphilis-Infektion, wofür er die Schuld nicht bei sich, sondern bei anderen suchte.

Rochester Democrat And Chronicle, 16. September 1889:
"The London Police has a theory that Jack the Ripper is a crazy jewish butcher."

North Eastern Daily Gazette, 18. September 1889:
"A Detective's Views: We are watching now three men, besides the usual night-birds of Whitechapel. One man created some stir during the last murders under circumstances which I need not say anything about. He is a curious sort of fellow; in business, but not doing much to keep it going. His wife and daughter see to it, and he is out at all hours of the night. He says he is a member of the vigilance committee, but I can't answer as to that. No, I won't tell you his name, even if you do want to find out if he is a member or not. This man is out at all hours of the night, and he lets himself in some quietly that his wife does not know what time he really arrives home. She generally finds him in the shop when she comes down the morning. He is being watched, but we can't arrest him only on the suspicious we have. We must wait further developments."

Der Observierte vernachlässigte sein Geschäft, streifte nachts umher, und seine Frau wusste nicht, wann er zurückkam - das passt zu den Aussagen von Jacob Levys Frau bei seiner Einweisung.
"She generally finds him in the shop when she comes down the morning." - Die Erklärung dafür, warum seine Frau nichts bemerkt haben könnte: Sie schlief in der Wohnung, er im Shop. Auch das passt: Wenn JTR tatsächlich Familie hatte, dann muss er wohl woanders genächtigt haben als seine Frau, vermutlich wegen ehelicher Differenzen.
Seine Frau und Tochter kümmerten sich um das Geschäft - zwar war Levys Tochter Hannah 1889 erst vier Jahre alt, aber dafür wohnte laut Census von 1891 Sarahs jüngere Schwester Flora Abrahams mit im Haus, die vielleicht irrtümlicherweise als Tochter im Artikel auftaucht.

Sunday Chronicle, October 15, 1905:
"We found our man. He was engaged in a large way of business in the city of London, was married, had a family, and was generally respected. For some time he had been known as eccentric, and various escapades had caused his friends a good deal of anxiety. Frequently, as we learned later, he stayed out all night about the time when these outrages were committed. His description agreed with that of a man seen in Dorset-street, Whitechapel, on the night when Mary Jane Kelly was cut to pieces, and at that time he was very near to actual arrest by a policeman."

Der Observierte war in einer großen Geschäftsstraße tätig, und zwar in der City of London, nicht in Whitechapel (!). Dies klingt nach dem Butcher's Row Suspect, denn die Butcher's Row (und auch die einmündende Middlesex Street) gehörten bereits zur City of London. Er war verheiratet und hatte Familie, wie Jacob Levy. Er wurde seltsam und seine Eskapaden bereiteten seinen Freunden Sorge - auch das erinnert an den Verfall Levys mit Diebstahl, psychischer Erkrankung, Geschäftsvernachlässigung und schließlich dem nächtlichem Umherstreifen.



Das Ende


15. August 1890: Einlieferung ins Irrenhaus

Jacob Levy wird als geisteskrank in die Nervenheilanstalt City of London Asylum at Stone in Kent eingeliefert.
In der Krankenakte wird als Einweisungsgrund "Manie" eingetragen, an der er schon seit längerem leide. Er soll bei seiner Einlieferung noch in guter körperlicher Verfassung gewesen sein, seine Größe wird mit knapp 1,70 Meter und sein Gewicht mit 60 Kilo angegeben.
Seine Frau soll den Anstaltsakten zufolge nach der Einweisung gesagt haben, Levy habe beinahe ihr Geschäft ruiniert, früher sei er ein sehr guter Geschäftsmann gewesen. Aber er schlafe nun nachts nicht mehr, sondern wandere oft für Stunden ziellos umher. Auch befürchte er, jemandem Gewalt anzutun. Er höre Geräusche und Stimmen, die ihm befehlen und ihn zwingen Taten zu begehen, die er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne.
Merwürdigerweise soll Levy gesagt haben, dass schon sein Bruder Abraham Selbstmord begangen habe, indem er sich selbst die Kehle durchgeschnitten (!) habe. In den Akten steht: "Whether any near relative has been afflicted with insanity: Yes. Elder brother cut his throat." - Dabei hat er sich laut Casebook erhängt: Im Mai 1875 nahm sich Jacobs Bruder Abraham das Leben, weil er angeblich bei Pferderennen enorme Summen verloren hatte. Einem Zeitungsbericht nach fand Jacob selbst den erhängten Leichnam seines zwei Jahre älteren Bruders.
In den Akten heißt es über Jacob:
"Known patient several years: formerly shrewd business man, now quite incapable of carrying on the same, giving wrong change & money back for things bought. Says he feels a something within him impelling him to take everything he sees. Feels that if he is not restrained he will do some violence to some one. Complains of hearing strange noises.
Wife (Sarah Levy, 36 Middlesex St.) deposes that he has nearly ruined her business being quite incapable of taking care of money. Makes away with every penny he can put his hand on, orders goods indiscriminately & is continually taking other peoples goods carrying them off.
Wanders away from home for hours with out any purpose. Does not sleep at night raves and is continually fancying someone is going to do him bodily harm. (...) Has delusions as to his own importance, such as - it being in his power to give great grants of land & money."

Dass Levy sein Geschäft vernachlässigte, nachts umherstreifte und zugab, von inneren Stimmen zu Gewalttaten getrieben zu werden, ist ein gutes Indiz für eine mögliche Täterschaft. Ebenso die Größenwahnphantasien über seine eigene Bedeutung. 
Hinzu kommt die seltsame Aussage zum Tod seines Bruders: Hat Levy vielleicht in seiner psychischen Zerrüttung hier seine Vorliebe fürs Kehlenschlitzen verraten?
Dass er auch 1890 noch in guter körperlicher Verfassung war, legt jedenfalls nahe, dass er trotz seiner Erkrankung physisch zu den Morden fähig gewesen wäre.

In ihren Memoiren nannten die hochrangigen Polizeibeamten Macnaghten und Anderson beide als einen der Hauptverdächtigen im Ripper-Fall einen Juden, der in nächster Nähe zu den Opfern lebte und nach den Morden in eine Irrenanstalt eingewiesen wurde. Auch Major Arthur G.F. Griffiths schrieb in seiner Reihe "Mysteries of Police and Crime" 1898 von "a Polish Jew, a known lunatic who was at large in the district of Whitechapel at the time of the murders and who (...) was confined to an asylum" (das "polish" könnte eine Verwechslung mit Kosminski sein)
Chief Inspektor Swanson schrieb persönliche Anmerkungen in sein Exemplar von Andersons Memoiren, die den grundsätzlichen Sachverhalt bestätigten. Allerdings fügte er noch hinzu, dass der Verdächtige in einem "Seaside Home" von einem Zeugen erkannt worden sei und es ihm auch bewusst gewesen sei, dass die Polizei ihn identifiziert habe. Danach habe man ihn vorübergehend zu seinen Verwandten zurückgebracht, wo die Polizei ihn Tag und Nacht beobachtet habe, bevor er dann endgültig in eine Irrenanstalt gebracht worden sei, wo er schon bald verstorben sei.
Dies würde erklären, warum die Morde aufhörten.

Damit würde der von Ripperologen in den Akten von Colney Hatch gefundene gewalttätige Irre David Cohen als Verdächtiger ausfallen, denn nach bisherigen Erkenntnissen hatte er keine Verwandten. Eine weitere Diskrepanz: Die Zeugen beschrieben alle einen Mann mittleren Alters - David Cohen war damals aber erst 23 Jahre alt. Zudem wurde er bereits am 7. Dezember 1888 per Gerichtsbeschluss erst ins Whitechapel-Arbeiterkrankenhaus eingewiesen, und dann wegen seiner Unkontrollierbarkeit am 21. Dezember direkt weiter ins Irrenhaus Colney Hatch, wo er am 20. Oktober 1889 verstorben sein soll - die erste offiziell "Seaside Home" genannte Einrichtung wurde aber erst 1890 eröffnet.
(Allerdings vermuten einige Ripperologen, dass "David Cohen" auch ein Alias wie "John Doe" gewesen sein könnte, da es noch andere Namens-Unklarheiten in dem Fall gibt.)

Jabob Levys Einlieferungsdatum in die öffentliche Anstalt passt jedenfalls zum Zeitpunkt der angeblichen Identifikation von JTR in einem "Seaside Home" (s.u.), welche von Ripperologen auf  Sommer 1890 angesetzt wird, da das Convalescent Police Seaside Home in Hove (bei Brighton) in diesem Jahr eröffnet wurde und in seinen Akten zwei Besucher ohne Namensnennung auftauchen.
Zwar wurde von Chief Inspektor Swanson als öffentliche Anstalt Colney Hatch ins Spiel gebracht, aber dies bezog er explizit auf Kosminski. Laut Researcher Steward Hicks soll Lady Anderson, die Ehefrau von Assistant Commissioner Robert Anderson, hingegen gesagt haben, der Ripper sei in einer Anstalt bei Stone gewesen.

Da Levy schon "seit längerem" an seiner Krankheit gelitten hatte, könnte er zuvor bereits in familiärer Betreuung und/oder einer privaten Einrichtung gewesen sein - so wie dies später von hochrangigen Polizisten über den Ripper-Verdächtigen erzählt wurde.
Die Polizei soll jedenfalls schon Ende 1888 alle privaten Sanatorien überprüft haben:
The Bristol Mercury, 29. Dezember 1888: "The Dublin Express London correspondent on Thursday gave as the latest police theory concerning the Whitechapel murderer, that he has fallen under the strong suspicion of his near relatives, who to avert a terribly family disgrace, may have placed him out of harm's way in safe keeping. As showing that there is a certain amount of credence attached to this story, detectives have recently visited all the registered private lunatic asylums, and made full inquiries as to the inmates recently admitted."

War Jacob Levy der Ripper, würde dies den Zeitraum von eineinhalb Jahren zwischen dem Kelly- Mord und seiner offiziellen Einweisung im August 1890 erklären.
Über Levy ist leider nur bekannt, dass er in Stone eingeliefert wurde, es gibt bisher keine Hinweise auf vorübergehende Unterbringungen woanders. Jedoch wäre es plausibel, dass sich zunächst seine Angehörigen um ihn kümmerten, bis sich sein Zustand so weit verschlechterte, dass er für sie nicht mehr zu bewältigen war, worauf sie ihn unter falschem Namen in ein privates Sanatorium steckten, bevor er von der Polizei entdeckt und identifiziert wurde.


Freitag, 13. Februar 1891: Mord an Frances Coles in Swallow Gardens
Coles traf gegen 1.45 Uhr in der Commercial Street auf ihre Bekannte, die Prostituierte Ellen Callagher. Sie liefen gemeinsam Richtung Minories und begegneten einen "brutalen Mann mit einer Baskenmütze", an den Callagher sich als einen früheren Kunden erinnerte. Sie will Coles gewarnt haben, dass der Mann ihr vor einiger Zeit ein blaues Auge geschlagen habe, und sie solle sich nicht mit ihm abgeben. Coles befolgte den Rat ihrer Freundin allerdings nicht und unterbreitete dem Mann ein Angebot, worauf die beiden ohne Callagher in Richtung Minories gingen.
Carmen Friday und die Brüder Knapton gingen kurz nach 2 Uhr morgens durch die Eisenbahn-Unterführung Swallow Gardens. Sie sahen eine Frau und einen Mann, die an der Ecke der Royal Mint Street standen. Gegen 2.15 Uhr dann entdeckte Police Constable Ernest Thompson auf seiner Runde unter der Eisenbahnbrücke die Prostituierte Frances Coles mit durchschnittener Kehle.
Die Justiz klagte später Coles gewalttätigen Freund Thomas Sadler an, der jedoch freigesprochen wurde, weil er ein Alibi hatte.
Verdächtigungen wie im Automn of Terror mit den Gerüchten um "Lether Apron" verbreiteten sich unter den Bewohnern des Eastends, laut Mundpropaganda sollte ein gewisser jüdischer Metzger namens "Jacobs" (!) der Mörder gewesen sein.
Benjamin Leeson schrieb in "Lost London: The Memoirs of an East End Detective" (1934):
"... a story circulated that the Ripper was a butcher, who wore blue overalls and a leather apron, and an English Jew named Jacobs, a perfectly harmless man, somehow attracted suspicion to himself. Possibly because, working in a slaughter house, he always wore a leather apron. People would point Jacobs out in the street as a suspected man, and more than once he had to run for it. I myself was often obliged to take him to the police station for protection. The thing so preyed on the poor fellow's mind that it finally caused him to lose his reason." 

Coles war zwar auch eine Prostituierte, der die Kehle aufgeschlitzt wurde, allerdings wurde sie nicht zuvor gewürgt, sondern einfach zu Boden gerissen, das Messer soll ebenfalls ein anderes gewesen sein - der obduzierende Dr. Phillips hielt jedenfalls JTR nicht für den Täter.
Interessant ist allerdings, dass in gewissen Teilen der Bevölkerung Gerüchte über einen Metzger namens "Jacobs" die Runde machten, was doch sehr nach "Jacob" klingt.
Könnte vielleicht in bestimmten Kreisen schon länger der Verdacht bestanden haben, dass der Metzger Jacob Levy möglicherweise der Ripper war? War hier etwas durchgesickert und kursierte nun unter Leuten, die nicht wußten, dass der echte Verdächtige bereits in einer Anstalt war?


29. Juli 1891: Jacob Levys Tod
Levy stirbt an den Folgen der Syphilis in der Nervenheilanstalt Stone in Kent.
In den Akten steht als Todesursache: "General paralysis of the insane brought on by the serious sexually transmitted disease syphilis".

Macnaghten und Swanson bezeichneten den Verdächtigen in der Anstalt in ihren Aufzeichnungen zwar als "Kosminski", jedoch enthalten die Erinnerungen der Polizisten nachgewiesenermaßen einige Ungenauigkeiten, so dass sie sich mit dem Namen geirrt haben könnten, denn der in medizinischen Akten gefundene Aaron Kosminski war damals erst 23 Jahre alt und starb erst 1919 in der Anstalt, nicht schon bald nach der Einweisung, so wie Swanson glaubte.
Zudem schrieb Robert Sagar von der City-Police von einem Metzger, der observiert worden war, und Kosminski soll vor seinem Wahnsinn Haarschneider gewesen sein.
Vermutlich wurden einfach die Namen von ein paar verdächtigen Anstaltsinsassen durcheinander geworfen. Der nie an den Ermittlungen beteiligte Mcnaghten schrieb sein internes Memorandum 1894 und veröffentlichte seine Memoiren "Days of My Years" erst 1914 - Jahre nach den Ripper-Morden. Robert Anderson veröffentlichte seine Memoiren "The Lighter Side of My Official Life", in die Swanson seine privaten Anmerkungen machte, erst 1910.

Interessanterweise hatte Jacob Levys unmittelbarer Nachbar, der Butcher Hyman Sampson (den Jacob 1886 bestohlen hatte), seit 1881 einen angestellten Metzger namens Aaron Krotoski. Der heiratete Sampsons Tochter und betrieb schließlich nach Sampsons Tod 1887 den Butcher Shop zuerst mit Sampsons Witwe Elizabeth weiter, bevor er ihn irgendwann nach 1888 ganz von der Schwiegermutter übernahm. Als Sarah Levy schließlich zwischen 1891 und 1894 ihren Butcher Shop aufgab, mit der Familie in die New Street 7 umzog und ihren Lebensunterhalt fortan als "Street seller of dress material" bestritt (Census 1901), war Aaron Krotoskis Metzgerei die einzige an der Ecke Stoney Lane.
In dieser Zeit wurden in der Straße übrigens die Gebäude mit neuen Hausnummern versehen, so dass z.B. aus der ehemaligen Middlesex Street 36 die Nr. 69 und aus der Nr. 35 die 67 wurde - dies dürfte in der Übergangsphase zu einigen Verwirrungen geführt haben.
Aaron Krotoski - Aaron Kosminski: zwei für Engländer ungewöhnliche Namen, die ähnlich klingen, könnte da etwas in den Erinnerungen unserer Polizisten durcheinander geraten sein?
Zwei jüdische Verdächtige, die kurz nacheinander im Irrenhaus landeten, der eine war ein Butcher, dem ein Aaron Krotoski nachfolgte, der andere hieß Aaron Kosminski.

Macnaghten schrieb sein Memorandum 1894 und war an den Ermittlungen im Ripper-Fall nicht beteiligt, er hatte seine Informationen also von seinen Kollegen, wahrscheinlich von Anderson und/oder Swanson, und die wiederum hatten sie vermutlich von den Kollegen der City Police, denn die Butcher's Row Observationen hatte ja die City Police betrieben.
Da die Polizei nach dem Double Event die Metzgereien und Schlachtereien im Viertel überprüft hatte und alle Personen, die in den letzten sechs Monaten dort beschäftigt waren, stand Aaron Krotoski mit Sicherheit auch auf ihren Listen.
Den Shop der Levys gab es nicht mehr, dort oben an der Ecke Stoney Lane war jetzt nur noch der Laden eines Aaron Krotoski. Könnte es bei Swanson und Macnaghten daher vielleicht zu einer Verwechslung bzw. Vermischung von Kosminski mit Levy gekommen sein?
Immerhin glaubte Swanson ja auch, der Verdächtige sei nicht lange nach seiner Einweisung verstorben, aber Kosminski lebte noch bis 1919, während Levy schon 1891 in der Anstalt starb. Dies deutet darauf hin, dass zwei Verdächtige verwechselt wurden. 

Eine andere plausible Erklärung der Namens-Irritationen könnte im Verhalten der Verwandten des mutmaßlichen Mörders liegen: Wenn er von den Angehörigen zuerst in eine private Anstalt gesteckt wurde, als sie seinem Irrsinn und seiner Gefährlichkeit nicht mehr Herr wurden, wäre es gut nachvollziehbar, dass sie ihn unter einer falschen Identität irgendwo eingewiesen hatten, um ihn und die Familie zu schützen.
Das wäre dann so lange gut gegangen, bis es zur Überprüfung aller neuen Anstalts-Einlieferungen durch die Polizei und der erwähnten Gegenüberstellung mit Identifizierung im "Seaside Home" gekommen war. Die spätere endgültige Einweisung in ein staatliches Institut wäre dann zwar unter dem richtigen Namen erfolgt, aber die Namensverwirrung könnte immer noch in Polizeikreisen und -Berichten präsent gewesen sein und so zu den Irrtümern geführt haben.

Robert Anderson jedenfalls schrieb in seinen Memoiren: "Die einzige Person, die jemals einen guten Blick auf den Mörder werfen konnte, identifizierte ihn, aber als er erfuhr, dass der Tatverdächtige ein Glaubensbruder war, weigerte er sich, gegen ihn auszusagen."
Swanson bestätigte in seinen privaten Anmerkungen diesen Aspekt.
Bei diesem Zeugen könnte es sich somit um entweder um Joseph Hyam Levy, Joseph Lawende (beide Fall Eddowes) oder Israel Schwartz (Fall Stride) gehandelt haben. Da Macnaghten schrieb, dass der Verdächtige der Beschreibung jener Person entsprach, die am Mitre Square gesehen wurde, dürfte der Zeuge tatsächlich entweder Joseph Hyam Levy oder Lawende gewesen sein. Joseph Hyam Levy machte bei der Befragung kaum Angaben zum Verdächtigen und gab sich verschlossen, vermittelte aber den Eindruck, als wisse er mehr als er sagen wollte, während Lavende zunächst eine detaillierte Beschreibung abgab. Lawende war ein Handelsreisender aus Dalston, kein Bewohner Whitechapels, und dürfte JTR nicht gekannt haben, so dass er vermutlich bedenkenlos eine erste Aussage machte, zumal er den Mann anfangs nicht für einen einheimischen Juden, sondern für einen Seemann gehalten hatte.
Eine Erklärung für den Rückzieher des Zeugen könnte somit sein, dass Joseph Lawende schließlich von seinem Begleiter Joseph Hyam Levy bearbeitet worden war, nicht gegen den Glaubensbruder auszusagen, um ein Pogrom gegen die jüdische Gemeinde zu verhindern.
Dass die Polizei tatsächlich die konkrete Möglichkeit sah, über die Zeugen Lawende und Joseph Hyam Levy den Ripper zu überführen, belegt auch die Vorgehsweise bei der öffentlichen Coroner-Untersuchung zu Eddowes Tod, bei der Lawende verboten wurde, den Verdächtigen vor dem Publikum genauer zu beschreiben (s.o.).



1892: Ermittlungs-Ende

Die Akte Jack the Ripper wird von der Polizei offiziell geschlossen.

Dies würde zeitlich besser zu Jacob Levy passen als zu dem in den Memoiren erwähnten Kosminski, da Aaron Kosminski erst lange nach seiner Einweisung und seiner Verlegung nach Leavesden im Jahr 1919 starb. Auch der von Ripperologen in den Akten der Colney Hatch Nervenheilanstalt gefundene mögliche Verdächtige Hyam Hyams starb erst am 22. März 1913.
Im Mai 1895 schrieb die Pall Mall Gazette: "Mr. Swanson believed the crimes to have been the work of a man who is now dead."


(...)
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 24.02.2017 15:38 Uhr
Fortsetzung:



Fazit


Die Theorie, dass JTR ein jüdischer Metzger war, der im Irrenhaus starb, erklärt den ansonsten merkwürdigen Schluss im Ripper-Fall: Nach dem Ende der Mordserie laufen die Ermittlungen angeblich ergebnislos aus, die Akte wird geschlossen - aber Jahre später erklären hochrangige Polizisten in ihren Memoiren oder Zeitungsartikeln, der Ripper wäre eigentlich identifiziert worden.

Nach dem Mord an Mary Ann Nichols verdichteten sich im Eastend schnell Gerüchte, dass die Morde von einem Juden mit dem Spitznamen "Leather Apron" verübt worden sein sollten, was so auch in den Zeitungen verbreitet wurde und schon zu ersten antisemitischen Aufwallungen und Kundgebungen führte.
Superintendent Thomas Arnold ordnete daher nach dem Double Event mit Erlaubnis von Polizeichef Charles Warren an, das Goulston Street Graffiti auf der Stelle zu entfernen, explizit aus dem Grund, um mögliche Pogrome gegen Juden zu verhindern. In seinem Bericht vom 9. November 1888 schreibt Arnold: "Ich bitte darum berichten zu dürfen, dass am Morgen des 30. September, dem Letzten, meine Aufmerksamkeit auf eine Aufschrift an der Wand des Eingangs zu Behausungen in der Goulston Street 108, Whitechapel gerichtet wurde, welche aus folgenden Worten bestand: 'Die Juwes sind [nicht] die Menschen, die nicht grundlos beschuldigt werden'.
Ich wusste, dass aufgrund der Verdächtigung eines Juden namens John Pizer, genannt ‚Leather Apron‘, der beschuldigt wurde, den kürzlich in der Hanbury Street verübten Mord begangen zu haben, ein starkes Gefühl gegen die Juden im Allgemeinen aufkam. Da das Gebäude, auf dem sich die Aufschrift befand, mitten in der Lokalität liegt, die hauptsächlich von dieser Religions-gemeinschaft bewohnt wird, war ich besorgt darüber, dass wenn die Aufschrift verbleibt, diese für einen Aufstand verantwortlich sein könnte. Daher habe ich erwogen, dass es wünschenswert sei, sie aufgrund der Tatsache zu entfernen, dass sie sich an einer Stelle befand, die gut von den Menschen einsehbar war, die dort hinein- und hinausgehen."

Falls man den Ripper tatsächlich durch einen Zeugen als verrückt gewordenen jüdischen Metzger identifizierte, hätte die Bekanntgabe demnach zu schrecklichen Übergriffen bis hin zum Pogrom gegen die jüdische Gemeinde in Whitechapel im Allgemeinen und seine Familie im Besonderen führen können. Denn an die Eröffnung eines Prozesses wäre schon wegen des Gesundheitszustands des Tatverdächtigen nicht zu denken gewesen. Und selbst wenn: Ob die dünnen Beweismittel für eine Verurteilung ausreichend gewesen wären, darf bezweifelt werden - ein Freispruch aus Mangel an Beweisen wäre aber verheerend gewesen.
Wegen der sowieso schon explosiven sozialen Lage, einem weitverbreiteten Antisemitismus und der aufgestauten Wut durch den Ripper-Terror wäre wohl zu erwarten gewesen, dass viele Menschen dann ihre Aggressionen an Sündenböcken ausgelassen hätten.
Die Behörden könnten daher zu dem Schluss gekommen sein, es sei angesichts der explosiven Situation im Eastend sicherer, den todkranken Irren stillschweigend in einer Anstalt verrotten zu lassen und lieber weiter zähneknirschend vor der Öffentlichkeit wie Versager in diesem Fall dazustehen, als eine Katastrophe im Viertel zu riskieren.



Anbei noch ein graphisches Profil zu Jacob Levy:
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 26.02.2017 12:31 Uhr
Ach Mist, jetzt habe ich vergessen, in die obige Zusammenfassung die Verbindung von Dr. Sequeira mit Jacob Levy mit einzufügen.  :pardon:

Das Folgende gehört noch zum Text "Tatverdächtiger Jacob Levy":



Benjamin Leeson schrieb in "Lost London" (1934):
"...amongst the police who were most concerned in the case there was a general feeling that a certain doctor, known to me, could have thrown quite a lot of light on the subject ."

Eins dürfte wohl unstreitig sein: Wenn entsprechende Aussagen der Ermittler zutreffen, dass ihr Hauptverdächtiger in eine Irrenanstalt eingewiesen wurde, so musste es einen Arzt geben, der ihn untersucht und eingewiesen hat, und so tatsächlich mehr Licht in die Angelegenheit hätte bringen können.

Dr. George William Sequeria, Chirurg aus der 34 Jewery Street, wurde in der Nacht des Double Event, 30. September, von der Polizei zum Eddowes-Tatort im Mitre Square gerufen.
Er untersuchte Eddowes vor Ort eher oberflächlich und stellte ihren Tod infolge der durchtrennten Kehle fest.
Im Inquest am 11. Oktober 1888 stimmte er mit den Obduktionsergebnissen von Dr. Frederick Gordon Brown überein - nicht aber mit dessen Schlussfolgerung, der Mörder müsse für die Tat zumindest grundlegende anatomische Kenntnisse gehabt haben (wie sie zum Beispiel ein Metzger hat). Und das, obwohl er wusste, wie dunkel es am Tatort gewesen war und dass Eddowes unter anderem eine Niere entfernt worden war.

Interessanterweise wurde unser Metzger Jacob Levy am 15. August 1890 von George William Sequerias Bruder, Dr. Henry James Sequeira (ebenfalls 34 Jewery Street) ärztlich untersucht und ins Irrenhaus nach Stone in Kent eingewiesen, der dabei angab, den Patienten seit Jahren zu kennen.
George William Sequeria (geb. 1859) und Henry James Sequeira (geb. 1857) waren zwei Kinder von Henry Little Sequeira, Chirurg, und seiner Frau Amelia (geb. Brook), die seit über drei Jahrzehnten in der Jewery Street, Aldgate, unweit der Butcher's Row lebten (vgl. Census-Daten). Ihre Kinder wurden dort geboren und wuchsen dort auf. Die Sequeiras dürften das Metzger-Milieu in Aldgate also recht gut gekannt und auch viele Patienten daraus gehabt haben.

Mit dem Mord an Eddowes zeigte sich eine Tendenz, auf den öffentlichen Inquests bestimmte Informationen und Zeugen zurückzuhalten, so durfte Joseph Lawende den Verdächtigen nicht näher öffentlich beschreiben, Harry Harris und Israel Schwartz wurden nicht einmal vorgeladen.
Nach dem Mord an Kelly wurde der Inquest sogar in einem anderen Bezirk vor sich nicht zuständig fühlenden Geschworenen mit hoher Geschwindigkeit durchgepeitscht, bevor alle Ermittlungen abgeschlossen sein konnten.
Offenbar nahmen es die Behörden mit den Verfahrensvorschriften gegenüber der Öffentlichkeit nicht mehr so genau, um zu verhindern, dass JTR genauere Kenntnis über den Ermittlungsstand erlangte und dadurch gewarnt wurde, oder sich ein Lynchmob in eine bestimmte Richtung aufmachte.

Könnte es womöglich sein, dass Dr. George William Sequeria deshalb die Schlussfolgerung seines Kollegen Brown nicht öffentlich teilte? Vielleicht wollte Brown das Spielchen nicht mitspielen und stellte seine Ergebnisse und Schlussfolgerungen vorschriftsmäßig weitgehend ungeschönt beim Inquest vor, so dass Sequeira versuchte, das Metzger-Milieu - vielleicht sogar speziell die Patienten seiner Familie - etwas aus dem Focus zu nehmen? Sei es nun, um die Ermittlungen der Polizei nicht zu gefährden - und/oder um die Patienten seiner Familie zu schützen?

Der Metzger Jacob Levy war jedenfalls nachgewiesenermaßen bereits "seit Jahren" Patient mindestens eines Sequeiras - wenn sie gegenseitig ihre Vertretung übernahmen, kannten ihn vielleicht sogar beide. Und in Levys Einweisung schrieb Henry James Sequeira, dass Levy nachts umherstreifte und Stimmen ihn zwangen, Dinge zu tun, die er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne. Zumindest einer der Sequeiras dürfte also schon länger vom psychischen Verfall des langjährigen Patienten Levy gewusst haben.
Könnte Sequeira vielleicht der Arzt gewesen sein, den Leeson meinte?



MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: CRoW am 27.02.2017 07:02 Uhr
Moin

also ihr beide Lestrade und du wollen mich verarschen oder?

Nun weiß ich überhaupt nicht wer von beiden es sein könnte auch auf ihn passt es sehr sehr gut.
Was soll man damit nur machen, wenn jetzt der 3 auch so ins Täterprofil passt na dann halelula.

Man kann sagen es gibt 2 Männer die das Nohau hatten, ein Motive und auch zu allen Morden zugang hatten und schnell wieder verschwinden konnten.

Eine frage wurden diese beiden schon Präsentiert oder wie kann man das öffetnlich machen und so das es auch nochmal Untersucht wird von den richtigen Behörden, weil angst wegen Juden usw das es eine Revolution gibt, gibt es ja  nicht mehr.

mfg
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 27.02.2017 07:57 Uhr
Moin Crow,

das hat mit verarschen nichts zu tun. So ist das eben, wenn man mehrere Dutzend Verdächtige und verschiedene Indizien hat, aber keinen eindeutigen Beweis: Auf jeden der Verdächtigen passen ein paar Indizien.
Und jetzt rat mal, warum die Leute seit Jahrzehnten drüber diskutieren, wer JTR wohl gewesen sein könnte, und sich nicht einigen können.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: CRoW am 27.02.2017 09:00 Uhr
Ja also das Verarschen war nicht böse gemeint eha positive.

Das sagt man so bei uns in der Nähe wenn man e snicht fassen kann und Faziniert ist und beeindruckt.


Ja ok das es gibt dann logischerweiser sinn wenn alles auf jeden der 3 anzuwenden ist.
Irgndwie muss man doch den letzten Beweis bekommen, was wäre denn ein eindeutiger Beweis, zugeben kann er das ja nicht mehr.

was meinst du
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 27.02.2017 19:42 Uhr
Hallo Crow


Zitat
Ja ok das es gibt dann logischerweiser sinn wenn alles auf jeden der 3 anzuwenden ist.
Irgndwie muss man doch den letzten Beweis bekommen, was wäre denn ein eindeutiger Beweis, zugeben kann er das ja nicht mehr.

Es gibt Mordserien, die werden mangels hinreichender Beweise nie aufgeklärt. Zum Beispiel wurde der Zodiac-Killer bis heute nicht erwischt.
Und bei einen Mordfall, der 120 Jahre zurückliegt, und zu dem nicht mal mehr alle Ermittlungsakten vorhanden sind, stehen die Chancen - das muss man ganz ehrlich sagen - eher schlecht, dass die Täterschaft heutzutage noch unwiderlegbar bewiesen wird.

Darüber hinaus: Wieso drei? Macnaghten nannte zwar in seinem Memorandum drei Verdächtige - aber das waren nur Beispiele von "besseren" Verdächtigen als Cutbush.

Damals hat die Polizei über 1400 Verdächtige genauer unter die Lupe genommen, wir kennen sie nur heute nicht mehr alle, weil die Akten nicht mehr vollständig sind.
Guckst du hier: http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,1745.0.html


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: CRoW am 28.02.2017 07:47 Uhr
Ja ist das einzige Problem das es ca 120 Jahre zurück liegt und schon 2 Kriege überstehen musste.
Ja der wurde auch nie Überführt aber man hatte ein Man in verdacht den sie auch befragt hatten doch man konnte ihn nie mit dem letzten wichtigen beweis in verbindung bringen, TäterProfil stimmte ja und dann gab es später noch die _Zeugenaussage von seiner Tochter das Ihr Vater der Killer war. Für viele war er das auch.
Aber der hatte ja wenigstens Briefe geschrieben und ein auf the Ridler gemacht.

mfg
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 04.03.2017 11:37 Uhr
Hallo zusammen!


Hier noch mal der Link zu der Mystery Files Doku mit der Profilerin Pat Brown und dem Verdächtigen Jacob Levy:

https://www.youtube.com/watch?v=T4W-a7rAoN4


Pat Brown vermutet, dass JTR vor dem Double Event auf der Veranstaltung im Berner Street Club war - was erklären würde, warum der Stride-Mord im Gegensatz zu den anderen Taten so früh in der Nacht geschah.



MfG, Arthur Dent

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 04.03.2017 14:03 Uhr
Was sagste zu den Gesichtsverletzungen ab Minute 9?

Mitre Square wird gerade mal wieder umgestaltet...
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 04.03.2017 16:51 Uhr
Hallo Lestrade!


Hatten wir da nicht schon mal in der Diskussion über die Doku darüber gesprochen? Ich finde nur gerade den Thread nicht.
Ich hielt und halte Pat Browns These zur Herkunft von Eddowes Gesichtsverletzungen für eher schwach und war davon schon damals nicht überzeugt. Meiner Ansicht nach hat JTR die Verletzungen bewusst zugefügt und sich bei Kelly nochmal gesteigert. Aber Pat Brown neigt ja auch dazu MJK nicht zu den Ripper-Opfern zu zählen (der zweite Punkt, in dem ich nicht mit ihr einer Meinung bin).


Aber darum ging es mir eigentlich nicht, sondern vielmehr um den Punkt, dass JTR ein Besucher der Versammlung im Berner Street Club gewesen sein könnte.

Das Thema von Morris Eagle an diesem Abend war "Warum Juden Sozialisten sein sollten" - ein Thema, das einen im sozialen und wirtschaftlichen Untergang befindlichen Ripper interessiert haben könnte. Nach der Diskussion blieben noch rund die Hälfte der über 100 Besucher im Club, um zu trinken, zu singen und zu tanzen.
JTR hätte einfach nur zufällig durch die Hintertür zum Dutfield's Yard rausgehen müssen, sei es um mal Luft zu schnappen oder um heimzugehen, als gerade vor dem Tor die Auseinandersetzung von Stride mit ihrem Begleiter stattgefunden hat. Er hätte dies aus dem Dunkeln heraus beobachten und dann zuschlagen können, nachdem BS-Man gegangen war.
Das wäre eine plausible Erklärung dafür, warum der Double Event so früh in der Nacht stattfand: JTR hatte ursprünglich noch gar nicht vor gehabt, schon auf Jagd zu gehen, sondern war in den Club gegangen und hatte eine sich ihm bietende Möglichkeit genutzt.


Übrigens ist mir da gerade was aufgefallen, als ich den Stride-Mord in Schachners Buch jetzt nochmal nachgelesen habe. Er schreibt auf Seite 70 (Neuauflage 2017):
"Diemschütz, Kozebrodsky, Eagle und ein Mann namens Jacobs rannten sofort los, um einen Polizisten auf Streife zu finden."

Beim Namen "Jacobs" klingelten mir die Ohren, denn ich konnte mich an keinen solchen Zeugen erinnern - und wie hätte ich das angesichts der ganzen "Jacobs" in der Geschichte vergessen können?
Ich habe noch mal auf casebook nachgesehen und dort bisher nichts dazu gefunden, dass zusammen mit Eagle ein Zeuge namens "Jacobs" losgerannt sein soll, ich dachte das wäre Kozebrodsky gewesen. Er steht auch nicht auf der Zeugen-Liste im casebook http://www.casebook.org/witnesses/
 
Weiß irgendjemand, wer dieser geheimnisvolle "Jacobs" gewesen sein soll, von dem Thomas Schachner schreibt?



MfG, Arthur Dent




Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 04.03.2017 17:18 Uhr
Ja, dann hatten wir wohl diese Diskussion...

Gut möglich, dass der Ripper an jener Diskussion teilnahm. West sagte ja, dass die meisten der 90- 100 Teilnehmer gegen 22.30 Uhr den Club verlassen hatten und 20-30 noch zum weiterquatschen blieben bzw. sangen. Gehörte der Ripper zu denen, die gegen 22.30 Uhr gingen, hätte er sich, vielleicht aufgebracht, in dieser Gegend aufgehalten haben können, gerade dann, wenn ihm Stride ohnehin ein Dorn im Auge war. Vielleicht war es auch stets der selbe Mann, den Marshall, Smith und Schwartz (und später Lawende?) während jener Zeitspanne bemerkten. Gerade Marshalls "like a sailor", finde ich stets etwas unterschätzt. Wenn in diesem Club heiß diskutiert wurde und er sich ermutigt gefühlt hatte bestimmte Dinge zu tun, könnte das auch den Goulston Street Schriftzug erklären.

Im A-Z wegen Jacobs:

https://books.google.de/books?id=KLoRBwAAQBAJ&pg=PT301&lpg=PT301&dq=jacobs+berner+street+club+jack+the+ripper&source=bl&ots=KoWt8ojx5p&sig=HgWdscbXBwsmqG2siVaBrCSh414&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwj-48uqnL3SAhWSbZoKHfduACkQ6AEISDAG#v=onepage&q=jacobs%20berner%20street%20club%20jack%20the%20ripper&f=false
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 04.03.2017 17:30 Uhr
Hallo Lestrade!

Danke für die schnelle Antwort. Also weiß niemand, wer dieser "Jacobs" war, der zusammen mit einem anderen Clubmitglied (vermutlich Diemschütz) nach Süden rannte, um einen Polizisten zu finden?

Leider gab es ja in diesem Fall viele ähnliche Namen, aber interessant finde ich das schon, dass da im Berner Street Club ein "Jacobs" auftaucht, der dann aber nicht mehr auf der Zeugen-Liste auftaucht und von dem man sonst nichts mehr weiß.
Da muss ich gleich an Kosminskis zwei Jacobs denken: Seinen Schwager Cohen und den Nachbarn, den Metzger, und dass Aaron manchmal Namen von Verwandten benutzte. Und natürlich auch an Leesons armen Metzger "Jacobs", der unschuldig verdächtigt wurde, und an das Gerücht um "Jacobs" im Coles-Fall. Und Jacob Levy...

Zufällige Namensgleichheit? Oder war JTR vielleicht so dreist, in den Club zurückzugehen und dann mitzuhelfen einen Polizisten zu suchen, bevor er im Trubel um den Opferfund weitergezogen ist?
Wäre dann zwar etwas knapp geworden mit Eddowes, aber wohl noch möglich...


MfG, Arthur Dent



Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 04.03.2017 17:38 Uhr
Klar, ich finde die Erwähnung eines Jacobs auch sehr spannend. Aber man weiß wohl offensichtlich so ziemlich nichts von diesem Jacobs im Berner Street Club. Das WVC hatte dann auch noch einen Jacobs. Aber ich habe schon so viele mit den Namen Jacobs in diesem Falle gelesen... aber mit der Zeit, kann sich das ja auch noch aufklären...
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 04.03.2017 17:45 Uhr
Hi Lestrade!

Bei Schachner heißt es, Jacobs lief mit dem anderen - vermutlich Diemschütz - nur wenige Meter in die Fairclough Street, wo sie Spooner trafen und mit ihm zum Tatort zurückkehrten, wo sich bereits eine Traube von Menschen um Strides Leiche gebildet hatte. Danach hört man von Jacobs nichts mehr - er scheint auch nicht von den Polizisten, die Eagle und Kozedrodsky in der Commercial Road gefunden hatten, befragt worden zu sein.

Das heißt, Jacobs Beteiligung an der Suchaktion hat wohl nur wenige Minuten gedauert - danach war er offenbar verschwunden. Das finde ich nicht uninteressant.


MfG, Arthur Dent
 
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 04.03.2017 17:58 Uhr
Das fällt natürlich auf... ich müsste aber wirklich noch einmal nachlesen... Diemschütz, wenn ich korrekt bin, sprach von sich als Einzelperson... heißt aber nicht, dass er noch ein paar Schritte mit Jacobs ging, eher dieser sich verabschiedet haben könnte... Aber ich bin mir sicher, dass die Polizei alle Beteiligten befragte und auch den Jacobs noch einmal sprach... mit welchem Ergebnis auch immer...
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 04.03.2017 18:21 Uhr
Hi Lestrade!

Ich dachte immer es wären zwei nach Norden in die Commercial Road und zwei nach Süden in die Fairclough Street gerannt, um Polizisten zu suchen - aber offensichtlich war das etwas komplizierter...


Im casebook heißt es bei Spooner, dass zwei jüdisch aussehende Männer herbeigelaufen wären und nach der Polizei gerufen hätten:

"Stated that between 12.30am and 1.00am, 30th September 1888, he was standing with a young woman outside the Beehive public house on the corner of Christian Street and Fairclough Street. After talking for about 25 minutes, he saw two Jewish men running up the street shouting 'murder' and 'police'. He saw them run as far as Grove Street and then turn back. When he asked them what was the matter, they explained that a woman had been murdered, so he accompanied them back the Dutfield's Yard. He saw the body of Stride in the yard and estimated that there was about fifteen people standing around it."


Wer die beiden waren, da bin ich nun verwirrt, denn bei Kozebrodsky heißt es:

"I went to look for a policeman at the request of Diemschitz or some other member of the club, but I took the direction towards Grove-street and could not find one. I afterwards went into the Commercial-road along with Eagle, and found two officers."

Bei Eagle heißt es:

"...he quickly ran to find a police officer, heading north up Berner Street onto Commercial Road, shouting for help at the top of his voice. At the corner with Grove Street he met PC's Henry Lamb and Edward Collins who accompanied him back to Dutfield's Yard. PC Lamb then sent Eagle to fetch an inspector from Leman Street Police Station."


Also scheint Eagle zuerst nach Norden in die Commercial Road und dann nach Osten gerannt zu sein, während Kozebrodsky scheinbar zuerst nach Süden in die Fairclough Street, dann nach Osten in die Grove Street und diese nach Norden in die Commercial Street gerannt zu sein, wo er bei der Kreuzung Grove Street / Commercial Road wieder auf Eagle stieß und mit ihm die beiden PCs traf (oder umgekehrt?).
Aber Spooner behauptete, er wäre mit den Männern, die in die Fairclough Street kamen, zum Tatort gegangen... Die Männer seien zwar bis zur Grove Street gerannt, jedoch offenbar weil sie keine Polizisten sahen, wieder zurückgekehrt.


Wie war das nun tatsächlich?


MfG, Arthur Dent


Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 04.03.2017 18:51 Uhr
Ich verstehe das so:

Diemschütz und Eagle gingen zunächst alleine los. Kozebrodsky vermutlich Diemschütz hinterher und dann ging jener Kozebrodsky halt zu Eagle. Wahrscheinlich sollte Jacobs mit Diemschütz mit aber das funktionierte nicht.

Diemschütz ging Richtung Grove Street und wurde dort gesehen von Spooner. Kozebrodsky und Diemschütz trafen erst in der Grove Street aufeinander.

Eagle ging in Richtung Commercial Road und auf dem Wege dahin traf er dann ebenfalls Kozebrodsky, der von Diemschütz kam. Sie fanden die beiden PCs, u.a. PC Lamb.

Chaos dort, allen waren durcheinander. Jacobs und Kozebrodsky wussten offenbar nicht, wem sie sich anschließen sollten.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 04.03.2017 19:07 Uhr
Isaac Kozebrodsky:

"I was in this club last night. I came in about half-past six in the evening. About twenty minutes to one this morning Mr. Diemschitz called me out to the yard. He told me there was something in the yard, and told me to come and see what it was. When we had got outside he struck a match, and when we looked down on the ground we could see a long stream of blood. It was running down the gutter from the direction of the gate, and reached to the back door of the club. I should think there was blood in the gutter for a distance of five or six yards. I went to look for a policeman at the request of Diemschitz or some other member of the club, but I took the direction towards Grove-street and could not find one. I afterwards went into the Commercial-road along with Eagle, and found two officers. The officers did not touch the body, but sent for a doctor. A doctor came, and an inspector arrived just afterwards. While the doctor was examining the body, I noticed that she had some grapes in her right hand and some sweets in her left. I saw a little bunch of flowers stuck above her right bosom"

http://www.casebook.org/witnesses/w/Isaac_Kozebrodsky.html

Kozebrodsky traf dann wohl eher zufällig Diemschütz in der Grove Street, auch er ging wohl zunächst alleine los. Danach traf er dann eben auf Eagle.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 04.03.2017 21:02 Uhr
Mag sein - aber wohin und mit wem lief dann unser Jacobs? Machte er sich möglicherweise auf und davon?
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 04.03.2017 21:27 Uhr
Vielleicht dachte jeder vom anderen zu wissen was er tat... ich denke schon, dass sie alle recht durcheinander waren... alle vier meinten vielleicht hilfreich sein zu können, Eagle, Diemschütz, Jacobs und Kozebrodsky aber wohin sollten sie gehen? Berner Street, Fairclough Street, Grove Street und Commercial Road, da konnte man doch nur im Kreis laufen, kein Wunder, wenn Diemschütz und Eagle auf Kozebrodsky getroffen sind... wer weiß, ob dieser Jacobs nicht völlig daneben war... als Lamb eintraf, standen ca. 15 Leute in diesem Yard herum, das reinste Wirrwarr dort... aber der Jacobs schien dann irgendwie von (unserer) der Bildfläche verschwunden zu sein...

Ich weiß von Pat Marshall und anderen, dass es detailierte Aufzeichnungen über das jüdische Leben dort gab und das man das auch in Jewish Bords nachlesen könnte. Mit hoher Wahrscheinlichkeit, würde wir dort erfahren, wer denn nun dieser Jacobs gewesen war... leider ist der Zugang zu solchen Aufzeichnungen verbaut... irgendwie verständlich, meine ich...

Apropos Chaos:

Kozebrodsky:

"she had some grapes in her right hand and some sweets in her left"

Der Arzt bemerkte nur die Sweets in ihrer linken Hand. Wenn da solch ein Chaos herrschte, könnte die Weintrauben in ihrer rechten, in dieser Zeit abhanden gekommen sein...

Packer würde das ja auch bestätigen, da er sagte, er hätte dem Begleiter von Stride Weintrauben verkauft, an einem Mann, der in der nächsten Straße lebte... Weintraubenstengel wurden später ja auch doch noch gefunden, jedoch keine Reste von Trauben in Stride´s Magen aber es dauerte ja etwas bis zur Obduktion und die Magensäure tut ihren Dienst ja auch nach dem Tode weiter...

Rätselhaft ist und bleibt für mich, dass sie weder die Drops, noch die Weintrauben hat fallengelassen, während sie attackiert wurde... mit dem Kehlschnitt, würde er sie total überrascht haben... ist das BS Man? Oder aber kannte sie diesen Mann, BS Man oder einen anderen, und dachte sie, ihr könne nichts passieren, ein Spinner halt? Ein Angreifer aus der Dunkelheit hätte sie doch erschrecken lassen, sie hätte alles fallengelassen haben müssen... möglicherweise wurde sie etwas geschleift und dennoch ließ sie nichts los... das spräche durchaus für BS Man...
 
Sie kannten ihren Mörder aber sah ihn nicht als potentiellen Mörder und auch nicht als Kandidaten für die Whitechapel Morde bis dahin...
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Stordfield am 04.03.2017 23:47 Uhr
Hallo Lestrade!

Sie kannten ihren Mörder aber sah ihn nicht als potentiellen Mörder und auch nicht als Kandidaten für die Whitechapel Morde bis dahin...

Nein. Lizzy hat dort niemanden erkannt. Sie wurde in diesem Tohuwabohu hin- und hergeworfen wie ein Flummy. Bepöbelt, geschlagen, geknechtet, erniedrigt und letztendlich von einem der vielen dort anwesenden Männern getötet.
Sie war kein Ripper- Opfer.
Dies ist meine Meinung, mehr ein Gefühl.

Gruß Stordfield
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 05.03.2017 09:56 Uhr
Hallo Stordfield, hallo Lestrade!


Meiner Ansicht nach gibt es keinen Hinweis darauf, dass Stride ihren Mörder gekannt haben muss. Sie wurde offensichtlich mit einem Blitzangriff getötet, der Täter überrumpelte sie total und schnitt ihr die Kehle durch, bevor sie überhaupt etwas bemerkt hatte oder gar irgendwie darauf reagieren konnte. Das kann sowohl jemand gewesen sein, den sie kannte und von dem sie es nicht erwartete, als auch ein plötzlicher Überfall von einem Fremden, der ihr unvermittelt hinterrücks die Kehle durchschnitt.
Die blauen Flecken an ihren Schultern stammten offensichtlich daher, dass BS-Man sie geschubst hat, so wie Schwartz beobachtete. Ansonsten gibt es keine Anzeichen eines Kampfes, und auch die Cachous, die sie immer noch in ihrer Hand hatte, deuten auf einen solchen Blitzangriff hin.
Ob es nun BS-Man war (den sie offensichtlich trotz des Schubsens nicht gefürchtet hat), der ihr hinterrücks die Kehle durchschnitt, oder jemand der hinter ihr aus dem Dunkel des Yard trat, ist für mich völlig offen.

Aber eines ist für mich sehr wahrscheinlich: Dass dies doch JTR war.
Denn ein solch schneller und effizienter Messerangriff, der klar auf das schnelle lautlose Töten ausgerichtet war, deutet darauf hin, dass dies nicht das erste Mal für den Täter war und dass hier eine bereits bestehende Mordabsicht skrupellos umgesetzt wurde. Da ist kein Streit eskaliert, sondern es hat schon vorher einen Vorsatz gegeben.
Darüber hinaus wäre es ein sehr unwahrscheinlicher Zufall, dass zufällig zwei skrupellose und erfahrene Kehlenschlitzer innerhalb einer dreiviertel Stunde innerhalb eines so kleinen Gebietes zuschlugen. Auch das Opferprofil passt. Viel plausibler erscheint mir, dass ein Triebtäter, der bei Stride gestört wurde, so unter emotionalen Druck stand, seine Phantasie unbedingt zum Abschluss bringen zu müssen, dass er es nach erfolgreicher Flucht vom ersten Tatort kurz darauf beim Mitre Square ein zweites Mal versuchte.


MfG, Arthur Dent

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 05.03.2017 13:25 Uhr
Nein, da gebe ich euch recht, das Stride ihren Mörder nicht gekannt haben muss! Nicht zwingend. Ich will dazu gleich noch ein paar Gedanken einbringen.

Was fällt mir auf? Ich vernachlässige jetzt einmal die Genauigkeit der Zeugenbeschreibungen, der Uhrzeiten als auch die Frage, ob eine Person innerhalb kurzer Zeit zweimal am gleichen Spot attackiert werden kann. Beim letzteren, klar, das ist ein Erfahrungswert aber es kann dennoch passieren.

Für mich eher vorstellbar ist, dass der Stride Mörder die Person war, mit der sie von PC Smith gesehen wurde. Um 00.35 ist dieser Mann noch da, um 00.45 Uhr, als Schwartz und BS Man sowie Pipeman auftauchten, ist er unsichtbar. Hatten Stride und dieser Mann ausgemacht, im Yard aktiv zu werden, könnte er um 00.45 Uhr bereits im Yard gestanden haben, unsichtbar, während diese drei genannten Personen auftauchten. Möglicherweise stand Stride nur am Eingang, um zu schauen, ob die Luft rein ist. Das war sie nicht.

Als sie von BS Man, offensichtlich grundlos, angegriffen wurde (was jedoch auch zum Ripper passen sollte), er sie zu Boden warf, sie leise mehrmals schrie, scheint es mir unmöglich, dass Sie etwas in der Hand oder den Händen hätte halten können. Gefunden wurde dort nichts, was sie hätte verlieren können. Für mich scheint es gut möglich, dass BS Man die Szene einfach verließ, so wie Schwartz als auch Pipeman. Gefunden wurde sie jedoch mit diesen Minzbonbons im Papier in einer ihrer Hände. Sollte da tatsächlich ein Weinstrung in der anderen gewesen sein (Kozebrodsky), hätte sie quasi nach der Attacke von BS Man beide Hände voll gehabt. Zwischen der Attacke von BS Man und ihrer Tötung, gab es also etwas Zeit, diese Dinge in die Hände zu nehmen. Weintraubenstengel wurden tatsächlich noch später entdeckt und sie hatte auch Fruchtflecken auf ihrem Schal. Und es scheint ganz klar, dass Packer ihrem Begleiter welche verkauft hatte. Ich spinne mir jetzt aus, dass sie nach der ersten Attacke, die Bonbons aus einer Tasche holte und ihr Mörder ihr die Weintrauben gab oder wiedergab. Alles vielleicht um sich zu beruhigen oder sich beruhigen zu lassen. Die tödliche Attacke war ganz klar ein schneller und effektiver Blitzangriff. Zeit zum reagieren blieb nicht. An einem Handrücken von ihr, fand man getrocknetes Blut. Gut möglich, dass sie dennoch während dieses schnellen Blitzangriffes, eine Hand Richtung ihres Halses bewegte, ohne jedoch irgendetwas noch abwehren zu können. Nun reagieren wir alle wohl unterschiedlich in solchen Situationen. War sie so schockiert von der vorherigen Attacke und unfähig etwas fallenzulassen? Ging das einfach viel zu schnell dafür? Wie würdet ihr oder ich denn reagieren? Ich denke, meine Reaktion nach solch einem Vorfall wäre, dass ich, gerade eben schon Richtung Hals angegriffen worden, alles fallenlassen würde. Das bedeutet nicht, dass ich das überleben würde aber ich würde wohl so handeln. Aber das würde wohl nur bei jemand sein, der mir absolut fremd wäre. Würde das ein Freund oder Bekannter tun, wäre ich mir nicht sicher, diese Dinge fallenzulassen. Mit diesem Freier, der unsichtbar im Yard stand, muss sie sich auch nach dieser Attacke sicher gefühlt haben, obwohl er ihr vorher nicht zur Hilfe kam.  Dazu kommt noch, dass Packer sagte, dass er Sie als auch ihren Begleiter vom Sehen her kannte, er hatte sie schon mehrmals vorher in der Straße bemerkt.

Die Polizei suchte später immer noch nach BS Man und den Mann, den PC Smith sah. Nach Pipeman wurde wahrscheinlich gar nicht mehr gesucht. Es ist möglich, dass Pipeman gefunden wurde, dass liest man auch in Berichten. Schwartz wurde zwar ernst genommen, es könnte jedoch sein, dass seine als auch eventuelle Piepman Aussagen nicht ganz identisch waren.

Aber wie oft erwähnt, die Geschehnisse in der Berner Street bleiben sehr rätselhaft. Auch gut möglich, dass der Ripper diese Location doch nicht ganz so sicher fand, nachdem er Stride getötet hatte. Vielleicht fiel ihm einfach ein, dass die eben in der Straße aufgetauchten Männer, wieder auftauchen könnten, vielleicht sogar mit der Polizei. Also sah er von Verstümmelungen ab.

Zwingend gekannt haben muss sie ihren Mörder nicht aber ich möchte das einfach nicht gänzlich ausschließen. Und Stordfield schrieb auch noch ein wichtiges Wort: Lizzy! Hätte jemand wie Schwartz Lipski statt Lizzy verstanden haben können? So etwas könnte implizieren, dass BS Man, wenn auch nicht als Mörder, sie gekannt haben könnte. Und wenn sie ihn kannte, sich trotz seiner Attacke nicht in Gefahr sah, dann könnte das auch auf jemand anderen zugetroffen haben.

@Stordfield:

Ich sehe nichts in den polizeilichen, gerichtlichen oder gerichtsmedizinischen Untersuchungen, dass darauf hindeutet, dass Stride dermaßen behandelt worden wäre. In einem solchen Falle, hätte sie auch nun wirklich nichts in den Händen halten können.

Lestrade.

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 31.03.2017 23:57 Uhr
Hallo zusammen!


Hier meine Kurzfassung, warum ich Jacob Levy für einen guten Verdächtigen halte:

1. Er lebte innerhalb von JTRs Aktionsradius und nur etwa 300-400 Meter von den Schlafplätzen der Opfer entfernt - Stichworte Ortskenntnis, schnelle Flucht- und Rückzugsmöglichkeit.
2. Er war Metzger - grundlegende Kenntnisse in Anatomie und Umgang mit Messern, Kehlschnitt wie beim Schlachten, Schnelligkeit des Ausweidens unter Zeitdruck und bei wenig Licht, blutige Kleidung und Organe nicht per se verdächtig.
3. Seine Beschreibung passt auf Zeugenaussagen: jüdisch, passendes Alter und Größe.
4. Er zog sich Syphilis zu - vermutlich bei einer Prostituierten: Erklärung für Motiv und Opferauswahl.
5. Er stürzte wirtschaftlich und sozial ab, wurde straffällig und schließlich psychisch krank.
6. Seine Mutter starb kurz vor der Mordserie - möglicher finaler Stressauslöser.
7. Die Wege von Verdächtigen führten Richtung Middlesex Street / Butcher's Row und die Polizei beobachtete einen Verdächtigen in der Butcher's Row.
8. Eddowes Schürze wurde in der Nähe der Wohnung seines Bruders gefunden.
9. Er wurde in die Psychiatrie eingewiesen mit der Begründung, er schlafe nachts nicht mehr, sondern wandere oft für Stunden ziellos umher. Er befürchte, jemandem Gewalt anzutun, wenn man ihn nicht aufhalte. Er höre Geräusche und Stimmen, die ihm befehlen und ihn zwingen Taten zu begehen, die er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne.
10. Er behauptete, sein Bruder hätte sich selbst die Kehle aufgeschlitzt - dabei hat er sich erhängt.
11. Es bestand eine familiäre Verbindung zum Zeugen Joseph Hyam Levy, der sich seltsam verhielt, als wisse er mehr, als er zugeben wollte.
12. Führende Polizeibeamte schrieben über ihren  Hauptverdächtigen, dass er ein Jude war, der in  nächster Nähe zu seinen Opfern lebte und schließlich in eine Irrenanstalt eingewiesen wurde.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 22.05.2017 11:28 Uhr
Hallo zusammen!


Hatte mal wieder etwas Zeit, ein bisschen rumzustöbern. Dabei fand ich eine Notiz aus Jacob Levys Asylum-Akten wieder, die in etwa die Zeit dokumentiert, wann Jacobs Frau Sarah den Butcher Shop in der Middlesex Street aufgegeben haben muss:



Note 31st July 1891 informing her that her husband died at the Asylum on the 29th July 1891.
F. W. Crane

With envelope addressed to Mrs Sarah Levy 36 Middlesex Street Aldgate E, marked Gone Away.

August 4th 1891
re Jacob Levy deceased
Sir
I saw the widow Mrs. Levy yesterday she is staying with her sister in law Mrs Barnett, 87 Middlesex St. she was aware of the death.
...
[?]J A Chapman R [?]O
[to F. W. Crane, Clerk]


------------------


1891 Census:
City of London Lunatic asylum, Stone, Kent
Patient:
Jacob Levy (Married) aged 35 born City of London - Butcher - Lunatic
Family:
69 Middlesex Street
Head: Sarah Levy (Married) aged 34 born Spitalfields - Butcher
Children:
Joseph aged 11 born Whitechapel
Isaac aged 10 born Spitalfields
Lewis aged 7 born Spitalfields
Anna aged 6 born Spitalfields
Nathan aged 4 born Spitalfields
John aged 3 born Spitalfields
Caroline aged 2 born Spitalfields
Moss aged 8 months born Aldgate
Sister:
Flora Abrahams aged 23 born Whitechapel - Tailoress


---------------


Sarah Levy hatte also den Shop zur Zeit der Erhebung des 1891er Census (Ende 1890 / Anfang 1891) noch, gab ihn dann aber schon kurz vor dem Tode Jacobs Ende Juli 1891 auf.

In diesem Zeitraum liegt übrigens der Mord an Frances Coles in Swallow Gardens am 13. Februar 1891 - und es kamen danach bekanntlich wieder Verdächtigungen auf, dass der Mörder ein jüdischer Metzger namens "Jacobs" gewesen sein sollte.



MfG, Arthur Dent

 
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 11.06.2017 16:15 Uhr
Hallo zusammen!


Bei meinen Überlegungen zum Butcher's Row Suspect und "he occupied several shops in the east end" hatte ich mich in der Vergangenheit hauptsächlich auf Jacob Levys Verwandtschaft konzentriert - und dabei die seiner Frau Sarah, geb. Abrahams, außen vor gelassen.
Das war u.a. dem Umstand geschuldet, dass mir nur begrenzte Möglichkeiten über das Internet zur Verfügung stehen, um Familienstammbäume zu recherchieren - und leider auch die nötige Zeit dazu fehlt.

Allerdings wäre es ja gut möglich, dass Jacob auch bei der Familie seiner Frau aus und ein ging oder dort vielleicht sogar mitgearbeitet hat.
Gut möglich, dass es sich dabei auch um eine Familie mit Metzger-Tradition handelte - man heiratete schließlich gern untereinander, und Sarah klagte ja bei Jacobs Einlieferung: "Er hat fast MEIN Geschäft ruiniert" und sie führte danach noch eine Zeitlang den Shop als "butcher by trade" weiter.

Hat irgendein Ripperologe schon mal die Verwandschaft von Sarah Levy geb. Abrahams recherchiert, ältere Schwester von Flora Abrahams, tailoress?


Ich habe bisher nur ein paar weitere Abrahams in dieser Ecke, aber noch keine Verbindungen zu Sarah:

Es gab da z.B. in der 31 Middlesex Street einen Abrahams John, sausage maker.

Und dann noch einen Abrahams Samuel Gluckstein, der zusammen mit seinem Vater Abraham Abrahams, sausage maker, in der 59 Middlesex Street lebte, und mit Morris Bosman einen Shop in der Butcher's Row, 62 Aldgate High Street betrieb.
"Evidently the business was carried on in his name by other family members after his death. The partnership between [Samuel's siblings] John Abrahams, Barnett Abrahams, Maurice Abrahams and Montague Gluckstein Abrahams, carrying on business as sausage manufacturers, provision dealers, and wholesale butchers, at 59 Middlesex Street, under the style of A. Abrahams, and at 58 Aldgate High Street and at 122, E. Avenue, Central Meat Market, under the style of S. G. Abrahams, was dissolved on 11 November 1899 [London Gazette, 9 January 1900]. "
http://wiki.casebook.org/index.php/Butchers%27_Row_and_its_Residents_-_People

Ein (oder derselbe) Abrahams Abraham hatte auch das Pub Horns in der 28 Middlesex Street.
Und es gab einen Abrahams, Samuel, tobacconist, in 33 Aldgate High Street.
Sowie einen Abrahams Solomon, grocer, 46 Middlesex Street.

36 Aldgate High Street gab es das Unternehmen Joseph Mark & Co, woollen drapers - geleitet von Amelia Abrahams (widow of the late Louis Abrahams).

Es gab da übrigens im London Jewish Chronicle Index noch eine andere Amelia Abrahams, geb. Levy, Frau eines (oder desselben) Solomon Abrahams:
ABRAHAMS      25-Oct-1889      Died   
On 18th October at 19 Great Prescott St., Amelia, aged 30, wife of Solomon Abrahams and sister of Moses and Mark Levy, Mrs J Zeffert and Mrs S Cohen.



Vielleicht kann ja jemand noch etwas zu den Abrahams und ihren Verwandschaftsverhältnissen beitragen - insbesondere was den Bezug zu Sarah angeht.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 14.06.2017 15:53 Uhr
Hallo zusammen!


Also, online komme ich derzeit mit dem Auffinden von Sarah Levys Familie nicht weiter...
Ich habe auch nach ihrer jüngeren Schwester Flora gesucht, aber das einzige, was ich bisher gefunden habe, ist ein rudimentärer Eintrag im MyHeritage Family Trees:

Flora Abrahams,
born between 1867 and 1868
Parents:  -----
Siblings: Sarah Levy (born Abrahams) 
Partner:  -----
Children: Sadie

Name, Geburtsjahr und Schwester passen - aber bis auf die Tochter Sadie keine zusätzliche Information - und auch keine weiteren Daten, welche die Vermutung erhärten würden, dass dies tatsächlich die Schwester von Jacobs Sarah ist...


Etwas frustriert,
euer Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 14.06.2017 17:01 Uhr
Ich finde leider auch nur den 1891er Census Eintrag mit Sarah und Florence in der Middlesex Street! Ob diese Florence mit Sadie nun tatsächlich Sarahs Schwester war, kann ich nicht sagen. Wann wurde Sadie geboren?
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 14.06.2017 17:31 Uhr
Hallo Lestrade!

Zitat
Ich finde leider auch nur den 1891er Census Eintrag mit Sarah und Florence in der Middlesex Street! Ob diese Florence mit Sadie nun tatsächlich Sarahs Schwester war, kann ich nicht sagen. Wann wurde Sadie geboren?

Keine Ahnung, steht da nicht - das oben ist der komplette Eintrag. Ich sagte ja, er ist nur rudimentär.

Das einzige, was ich über Sarahs Familie weiß, steht im 1891er Census:

Sarah Levy (geb. Abrahams), 34 Jahre (also geboren 1856 oder 1857), geboren in Spitalfields - Butcher.
Schwester: Flora Abrahams, 23 Jahre (also geboren 1867 oder 1868), geboren in Whitechapel - Tailoress.

Wir können also annehmen, dass Sadie erst nach dem Census 1891 geboren wurde - wenn es denn die richtige Flora ist.

Leider stehen die Jewish Chronicle Records vor 1880 nicht online, dass hätte vielleicht helfen können. Auf den Seiten der 1880er bis 1895 er habe ich jedenfalls nichts passendes gefunden - weder Hochzeit von Flo noch die Geburt von Sadie. Sie sind ja leider nicht vollständig online.

Kannst aber gern selber mal durchgucken - vier Augen sehen mehr als zwei:
http://www.jeffreymaynard.com/



MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 14.06.2017 18:32 Uhr
Sadie ist zumindest eine Form von Sarah und so wäre es möglich, dass Flora Abrahams ihre Tochter eben nach ihrer eigenen Schwester, Sarah Levy, benannt hatte! Nur eben in einer anderen Form. Eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht schon, dass du dort die richtige Schwester von Sarah erwischt hast.

Leider ist es so eine Sache mit den Namen. Flora hätte geheiratet haben können, dass ergibt schon einmal einen anderen Zunamen und manchmal hieß man dann eben nicht mehr Flora sondern Florence. Dann findet man irgendwann eben einen Eintrag wie den, den du gefunden hast, der jedoch nicht bedeutet, dass in den Jahren daswischen, eben irgendwo eine Flora Abrahams aufgetaucht sein muss. Das könnte dann eben eine Flora/ Florence Cohen, Goldstein oder Isaacs gewesen sein. Man trennt sich, der Partner stirbt und man ist plötzlich wieder Flora Abrahams. Offiziell hätte Flora auch Sarah statt Sadie angegeben haben können obwohl man diese privat Sadie nannte.

Man findet schon mal unter der gleichen Adresse die gleiche Familie, die Jahre zuvor noch etwas anders hieß, Alter und Berufe stimmen aber schon mal. Manchmal ist das reinste Detektivarbeit. Manchmal wurden auch der richtige Geburtsort angegeben und zwischendurch machte man dazu andere Angaben. Zunamen wechseln dann auch, Abrahams, Abrams, Abramson, Abrahms usw. Eine Florence Cohen mit einer Tochter Sarah könnte man finden, die in Wirklichkeit dann Flora und Sadie Abrahams waren.

Es gibt Leute, ich habe jemanden an der Hand, die auf solche Dinge spezialisiert sind. Ich könnte fragen aber momentan habe ich so wenig Zeit wie noch nie für das JtR Thema, behalte es aber auf dem Schirm. Andere Dinge haben in der Zusammenarbeit gerade höhere Priorität. Persönlich wäre ich aber auch daran interessiert, was aus Flora Abrahams und Co. geworden ist. 
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 14.06.2017 18:55 Uhr
Hallo Lestrade!


Ja, insbesondere die Namenswechsel durch Heirat und die Veränderung der Schreibweisen (Abrahams, Abraham, Abram usw.) können einen zur Verzweiflung treiben - und wenn dann noch ein Fehler im Eintrag passiert... Das wächst sich zur echten Detektivarbeit aus. Hab ich auf den verschiedenen genealogischen Seiten feststellen müssen.

Das wird heute nichts mehr. Alles, was ich noch gefunden habe, ist das hier:


Sarah Abrahams
Born 1856 in Southwark, London
Daughter of David Abrahams and Elizabeth (Unknown) Abrahams
Sister of Kate (Abrahams) Braham, Abraham Abrahams and Fanny Abrahams
https://www.wikitree.com/wiki/Abrahams-323


Alter stimmt, aber der Geburtsort ist knapp daneben südlich der Themse, und leider keine Schwester Flora oder Florence, sondern nur Fanny, die zudem schon 1858 geboren wurde...

Allerdings ist zumindest der Vater in Spitalfields geboren:

David Abrahams
Born about 1821 in Spitalfields
Son of [father unknown] and [mother unknown]
[sibling(s) unknown]
Husband of Elizabeth (Unknown) Abrahams — married [date unknown] [location unknown]
Descendants
Father of Kate (Abrahams) Braham, Abraham Abrahams, Sarah Abrahams and Fanny Abrahams   
https://www.wikitree.com/wiki/Abrahams-311


Jedoch endet hier der Pfad Richtung Spitalfields. Satz mit X: Das war wohl nix. Vielleicht sollte ich das wirklich jenen Leuten überlassen, die auf solche Dinge spezialisiert sind...


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 15.06.2017 01:42 Uhr
Hallo zusammen!

Ich habe jetzt mal für eine bessere Übersicht alles zusammengetragen, was ich an biographischen Daten von Jacob Levys Frau Sarah habe:



Sarah Levy (geb. Abrahams), geboren 1856 oder 1857 in Spitalfields - Butcher.

Schwester: Flora Abrahams, geboren 1867 oder 1868 in Whitechapel - Tailoress.

Hochzeit von Sarah Abrahams mit Jacob Levy am 23. April 1879 (Quelle?), zunächst wohnhaft 11 Fieldgate Street.

1881 Census:
11 Fieldgate Street, Whitechapel
Head: Joseph (sic) Levy aged 26 born London - Butcher
Wife: Sarah Levy aged 24 born London
Children:
Joseph aged 20 months
Isaac aged 3 months
Both born in London

Zwischen 1881 und 1886 übernahmen Jacob und Sarah den Butcher Shop von Jacobs Tante Frances Levy in 36 Middlesex Street.
Quellen: Prozessakten beim Central Criminal Court vom März/April 1886 gegen Jacob Levy wegen Fleisch-Diebstahls beim Nachbar Sampson, sowie Kelly's London Business Directory 1888.

Die Hausnummern in der Middlesex Street wurden zwischen Sommer 1890 und dem Census 1891 geändert, und Levys Shop von Nr. 36 in 69 Middlesex Street umadressiert. (vgl. Patientakten von Jacob mit dem 1891 Census)

1891 Census:
City of London Lunatic asylum, Stone, Kent
Patient:
Jacob Levy (Married) aged 35 born City of London - Butcher - Lunatic
Family:
69 Middlesex Street
Head: Sarah Levy (Married) aged 34 born Spitalfields - Butcher
Children:
Joseph aged 11 born Whitechapel
Isaac aged 10 born Spitalfields
Lewis aged 7 born Spitalfields
Anna aged 6 born Spitalfields
Nathan aged 4 born Spitalfields
John aged 3 born Spitalfields
Caroline aged 2 born Spitalfields
Moss aged 8 months born Aldgate
Sister:
Flora Abrahams aged 23 born Whitechapel - Tailoress

Sarah Levy hatte den Shop zur Zeit der Erhebung des 1891er Census (Ende 1890 / Anfang 1891) noch, gab ihn dann aber offenbar beim Tod Jacobs Ende Juli 1891 auf, denn in Jacobs Patientenakte steht der Eintrag:  "envelope addressed to Mrs Sarah Levy 36 Middlesex Street Aldgate E, marked Gone Away", und sie ist vorübergehend bei ihrer Schwägerin Elizabeth Barnett, 87 Middlesex Street:
"Note 31st July 1891 informing her that her husband died at the Asylum on the 29th July 1891.
F. W. Crane
With envelope addressed to Mrs Sarah Levy 36 Middlesex Street Aldgate E, marked Gone Away.
August 4th 1891
re Jacob Levy deceased
Sir
I saw the widow Mrs. Levy yesterday she is staying with her sister in law Mrs Barnett, 87 Middlesex St. she was aware of the death.
[?]J A Chapman R [?]O
[to F. W. Crane, Clerk]"

Nach Jacobs Tod zieht Sarah schließlich ganz aus der Middlesex Street weg, gibt die Metzger-Arbeit auf und wohnt 1901 mit ihren Kindern ein paar Blocks weiter westlich in 7 New Street, Aldgate:

1901 Census:
7 New Street, Aldgate
Head: Sarah Levy aged 43 (Widow) born Spitalfields - Street seller of dress material
Children:
Joseph aged 21 - Cigar maker
Isaac aged 20 - Cabinet maker
Lewis aged 17 - Cigar maker
Hannah aged 16 - House worker
Nathan aged 14 - Grocer's errand boy
Jacob aged 13
Moss aged 10
Boarder:
Esther Levy aged 70 born London

Interessant ist, dass die Familie Levy das Metzger-Business ganz aufgegeben hat: Keines von Jacobs Kindern ist Butcher geworden. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt...



So, das wäre alles, was ich von Sarah Levy weiß.

Allerdings musste ich leider feststellen, dass ich die Quelle des Hochzeitstermins derzeit nicht mehr finde - auch nicht auf casebook oder in jtrforums...
Irgendjemand muss den entsprechenden Eintrag in den Unterlagen der jüdischen Gemeinde oder der Synagoge gefunden und irgendwo gepostet haben. Und da in einem solchen Eintrag auch Angaben zur Abstammung stehen, wäre das eine große Hilfe, Sarahs Verwandte zu finden.

Ich bitte um Mithilfe: Falls jemand über Sarahs und Jacobs Hochzeitseintrag stolpert, möge er ihn bitte hier posten. Im Voraus vielen Dank.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 15.06.2017 13:20 Uhr
Hallo zusammen!


Hier noch ein paar interessante Details zum Schicksal der Levy-Familie:


In den Asylum Records von Stone wird Jacob als "Pauper" (Almosenempfänger / Sozialhilfeempfänger) geführt, und es wurde z.B. ein Antrag bei der City of London Poor Law Union zur Übernahme von Kosten gestellt:

"18 AUG 90
To the Guardians of the Poor of the City of London Union ...
Whereas Jacob Levy a Pauper chargeable to the City of London Poor Law Union, and deemed to be person of unsound mind was this day brought before me [etc] and I thereupon called to my assistance Henry James Sequera [Sequeira] a Surgeon, who has personally examined [him] and has certified that [he] is person of unsound mind [etc I have by an Order caused him] to be conveyed by (b) W. Bosher relieving officer [etc] to the Lunatic Asylum ... at Stone ...
This is ... to require and order you ... to pay ... unto the said Henry James Sequeira the Sum of one Guinea ... and the Sum of one pound eight shillings & ten pence unto the said Walter Bosher ...
... 15th August 1890 at the Guildhall Justice Rooms ...
Geo Rot Tyler"

Da hat Sarah wohl etwas untertrieben, als sie sagte, Jacob habe ihr Geschäft "beinahe" ruiniert.
Ein knappes Jahr später zu Jacobs Tod ist sie vorübergehend bei ihrer Schwägerin Elizabeth und deren Mann Isaac Barnett untergekommen.
Zwischen 1891 und 1894 übernahm laut Post Office Directory 1895 ein Daniel Bodgerhart die einstige Metzgerei der Levys in der 69 Middlesex Street und betrieb dort einen Fried Fish Shop.

Nach dem Census 1901 wohnte Sarah schließlich mit allen ihren Kindern sowie der alten Esther Levy als Untermieterin zu zehnt in einer Wohnung in der New Street und verdiente ihren Lebensunterhalt als Straßenhändlerin (Street seller of dress material). Das dürfte ein ziemlich mikriges Einkommen gewesen sein mit dem, was man im East End so aus einem Bauchladen oder Karren heraus verkaufen konnte.
Dass Sarah Kleiderstoff verkaufte, könnte darauf hindeuten, dass ihre jüngere Schwester, die Schneiderin Flora, ihr geholfen hat eine neue Einkommensquelle zu finden.

Sarah hat - obwohl erst im mittleren Alter - nicht mehr geheiratet, sondern ist Witwe geblieben. Das könnte entweder an ihren unangenhmen Erfahrungen mit Jacob liegen - wahrscheinlicher ist m.E. aber, dass sie einfach keine gute Partie mehr war: verarmt und mit dem schlechten Ruf Jacobs behaftet.
Auffällig ist, dass auch ihre erwachsenen Söhne noch bei ihr wohnten, offenbar noch ohne feste Partnerinnen waren, und keines der Kinder die Familientradition des Metzgerhandwerks fortgeführt hat. Stattdessen wurden zwei von ihnen cigar maker wie Jacobs Bruder Isaac.

Ach ja: Und die kleine Caroline war 1901 nicht mehr da, sie könnte nach 1891 gestorben zu sein, wenn sie nicht bereits mit 12 Jahren irgendwo eine Lehre angefangen hatte und dort auch wohnte.

 

MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 15.06.2017 13:43 Uhr
Hallo Arthur!

Chris Scott schrieb einmal:

"Jacob married Sarah Abrahams in 1879 (Quarter 2)"

https://www.jtrforums.com/showthread.php?t=10512

Auch Tracy Ianson sprach mal von:

"By now - 1880's, Jacob has married Sarah Abraham's and moved to 36 Middlesex Street"

Da ging es also Anfang der 1880er von der Fieldgate Street in die Middlesex Street. Das erste Kind, Joseph, war 1881 20 Monate alt. Eine Hochzeit im zweiten Quartal 1879 macht wirklich Sinn.

Mark King, u.a., könnte die Heiratsurkunde hier gefunden haben:

https://www.gov.uk/research-family-history

Sehr wahrscheinlich wirst du hier das Original ordern können.

Möglicherweise gibt es die auch auf Ancestry, ich weiß es nicht. Da bin ich aber nicht mehr bzw. habe mein Abo nicht mehr verlängert. Manchmal haben sie dort aber auch mal für ein Wochenende freien Zugang. Per E-Mail, nach Registration, würdest du dann darüber informiert werden und könntest nach bestimmten Dingen suchen. Wo ich sonst noch suche, ist vieles nicht vollständig. So etwas ist, ich erwähnte es schon, eine Sache für wirkliche Cracks.

Konnte jetzt auch nicht relevantes zu einer Sarah Abrahams bzw.ihrer Schwester Flora finden. Die Angaben zu Sarah lauten ja born in London bzw. Spitalfields. Ich finde 144 Einträge zum Namen Sarah Abrahams im Census 1861 und 1871 bzw. unter Geburt etc. Altersmäßig kann ich unser Sarah nicht zuordnen aber das muss nichts heißen.

Gruß, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 15.06.2017 20:46 Uhr
Hi Lestrade!

Ja, ich weiß, in den Foren wird es hier und da erwähnt - aber immer ohne das genaue Datum, und ich weiß nicht mehr, wo ich das her habe.
Ich hatte es vor langer Zeit in meine Datei mit Jacobs Bio-Daten eingefügt, dummerweise ohne einen Link zur Quelle, weil ich es damals für den Fall wohl nicht so wichtig hielt... ziemlich dämlich im Nachhinein, Sarahs Seite der Familie zu vernachlässigen.

Meine Vermutung ist, das Hochzeitsdatum stammte aus einem Beitrag, in dem Joseph Hyams Levys Verwandtschaftsverhältnisse vorgestellt werden. 


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 15.06.2017 21:10 Uhr
Eine andere Variante wäre, die Frage nach der Heiratsurkunde von Jacob und Sarah Levy in einen der beiden großen Foren zu stellen. Einige werden da eine Kopie haben. Ein wenig Glück braucht man aber, da nicht jeder stets auf den Plattformen aktiv ist.

Aber mit fiel gerade ein, ob ich nicht einfach Scott Nelson frage. Daher schrieb ich ihn gerade an, hoffe, es ist okay für dich.

Müssen vielleicht etwas warten.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 15.06.2017 21:33 Uhr
Hi Lestrade!

Klar ist das mehr als ok für mich, vielen Dank dafür!


MfG, Arthur
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 15.06.2017 23:52 Uhr
Scott hat sie auch nicht! Er riet mir Tracy Ianson anzuschreiben. Das tat ich eben. Kenne Sie zwar nicht aber vielleicht antwortet sie ja. Scott erinnerte mich aber an ihren Ripperologist Artikel in Nummer 124 von Februar 2012. Darin steht 23. April 1879 als Heiratsdatum, wie ich eben las. Auch enthalten sind viele Dokumente über Jacob Levy. Habe dir die Ausgabe per Facebook geschickt. Schaue bitte in deine Nachrichten. Wird dich interessieren.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 16.06.2017 01:20 Uhr
Hi Lestrade!


Danke für die Mühe, den Ripperologist mit Tracy Iansons Levy-Artikel habe ich natürlich: Vermutlich hatte ich das Heiratsdatum damals auch tatsächlich aus diesem Artikel rausgeschrieben und habs nur vergessen...
Dann bestehen ja gute Chancen, dass sie auch die übrigen Daten des Hochzeitseintrags hat, das wäre super. Vielen Dank für deine Anfrage.


MfG, Arthur
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 16.06.2017 10:40 Uhr
 :good:

Tracy war das letzte Mal vor knapp vier Wochen online, wie ich gerade sah. Üben wir uns in Geduld...
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 16.06.2017 12:30 Uhr
Hi Lestrade!

Wir haben ja Zeit - JTR läuft uns nicht mehr weg. Danke nochmal für die Hilfe.



MfG, Arthur
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 26.06.2017 15:02 Uhr
Hallo zusammen!


Ich bin auf einen interessanten Text gestoßen, der sich mit der Frage über JTRs anatomische Kenntnisse und seinen Umgang mit dem Messer befasst:

Auf der Seite des MDPI (Multidisciplinary Digital Publishing Institute) ist im April ein Artikel von Andrew Knight und Katherine D. Watson erschienen mit dem Titel:

"Was Jack the Ripper a Slaughterman?
Human-Animal Violence and the World’s Most Infamous Serial Killer"
http://www.mdpi.com/2076-2615/7/4/30/htm

Andrew Knight arbeitet am Centre for Animal Welfare, Faculty of Humanities and Social Sciences, University of Winchester, Sparkford Road, Winchester SO22 4NR, UK
Katherine D. Watson an der School of History, Philosophy and Culture, Oxford Brookes University, Tonge Building, Gipsy Lane, Oxford OX3 0BP, UK


Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass JTR höchstwahrscheinlich ein Schlachter war - und vermutlich sogar ein jüdischer.


Hier ein paar Zitate mit zentralen Aussagen daraus:

"Hundreds of theories exist concerning the identity of “Jack the Ripper”. His propensity for anatomical dissection with a knife—and in particular the rapid location and removal of specific organs—led some to speculate that he must have been surgically trained. However, re-examination of a mortuary sketch of one of his victims has revealed several aspects of incisional technique highly inconsistent with professional surgical training.
The techniques he used to dispatch his victims and retrieve their organs were, however, highly consistent with techniques used within the slaughterhouses of the day.
(...)
5. Might Jack Have Been a Shochet?
Odell continued that, “If throat-cutting was Jack the Ripper’s hallmark, there was one particular kind of slaughterman whose calling required perfection in this special skill. That was the Jewish ritual slaughterman, or shochet” [21] (p. 103).
(...)
As described by Shechita UK, “Shechita is performed by a highly trained shochet. The procedure consists of a rapid and expert transverse incision with an instrument of surgical sharpness (a chalaf), which severs the major structures and vessels at the neck… The frontal structures including the trachea, oesophagus, the carotid arteries and jugular veins are severed in a rapid and uninterrupted action” [24] (pp. 3, 5). Velarde et al. provided further details: “During religious slaughter, animals are killed…by a transverse incision across the neck that is cutting the skin, muscles (brachiocephalic, sternocephalic, sternohyoid, and sternothyroid), trachea, esophagus, carotid arteries, jugular veins and the major, superficial and deep nerves of the cervical plexus” [25] (p. 278).
Such an incision is highly consistent with the neck incisions found on Jack’s victims.
(...)
Additionally, as reported by Shechita UK, the shochet’s duties do not end there: “He examines the organs and vessels immediately after severance by the shechita incision, to ascertain that the shechita was properly performed, this examination is visual and tactile (b’dikath ha’simanim). This integral part of the shechita process is required by Halacha (Y.D. 25:1). The shochet also examines the internal organs and lungs (b’dikath ha’reyah) of an animal in order to ascertain whether there are any abnormalities or defects disqualifying the animal from being kosher (Y.D. 29-60)” [24] (p. 7).
(...)
Hence, any experienced shochet is likely to be highly skilled at the type of neck incisions found on Jack’s victims. They are also likely to be highly skilled at visual and tactile examination of internal organs. This familiarity—and in particular, tactile familiarity—would have been extremely helpful to an assailant seeking to rapidly locate and remove specific organs from the bodies of his victims, in poor lighting.
(...)
But of course Jack was not necessarily a shochet. As Odell neatly surmised, “an ordinary slaughterman possessed all the skills demonstrated by the Ripper’s knife work”, although, “the Shochet had the edge when it came to throat-cutting” [21] (p. 106).
(...)
13. Conclusions
(...)
Jack’s ability to rapidly locate and remove specific organs from several of his victims, in conditions of haste and very poor light, led to theories that he must have been surgically trained. However, re-examination of a mortuary sketch of one of his victims has revealed key aspects of the incisional technique used that are highly inconsistent with professional surgical training.
(...)
Furthermore, the throat-cutting technique used to kill his victims, combined with Jack’s undoubted propensity for anatomical dissection with a knife, were highly consistent with the skillset of slaughterers of the times."



MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 02.07.2017 15:32 Uhr
Hallo Arthur!

Das ist in der Tat eine sehr interessante Arbeit.

Die Zahlen unterstützen diese Annahme.

Gerade Sagar´s Verdächtiger Butcher in der Butchers Row, den er ohne Zweifel als den Mörder bezeichnete, wer immer er auch war, könnte möglicherweise Jack the Ripper gewesen sein.

Gruß, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 03.07.2017 13:51 Uhr
Hi Lestrade!


Apropos Buthcher's Row:
Ich hatte zwar wenig Zeit und noch keine Verbindungen zu Sarah Levy (geb. Abrahams) gefunden, aber es würde mich nicht wundern, wenn sie mit der Familie von Abraham Abrahams (Butcher und Sausage maker), 59 Middlesex Street, und dessen Sohn Samuel Gluckstein Abrahams, Geschäftspartner des Butchers Morris Bosman in der 62 Aldgate High Street, verwandt gewesen wäre.
Da man früher oft innerhalb der eigenen Branche heiratete und Sarah nach Jacobs Verurteilung ihren Shop als butcher by trade fortführte, wäre es plausibel, dass sie selbst aus einer Metzger-Familie stammte.
Eine solche familiäre Verbindung wäre natürlich ein gutes Indiz in Richtung Butcher's Row Suspect, denn dann hätte der angeheiratete Jacob bei Samuel Abrahams und Morris Bosman in der Butcher's Row mitarbeiten können.


Vielleicht bezieht sich Tracy Iansons Bemerkung über neue Informationen ja sogar auf eine solche Verbindung von Jacob zur Butcher's Row.
Ich bin jedenfalls schon so gespannt wie ein Flitzebogen und freue mich auf das Buch, an dem sie arbeitet.


MfG, Arthur Dent

 
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 03.07.2017 15:10 Uhr
Hallo Arthur,

Vor ca. zwei Jahren oder so, hatte ich einiges über den Gluckstein zusammengetragen, im Austausch mit Jeff Leahy. Ich müsste nachschauen aber in dieser Ecke hatte, bildlich gesprochen, jeder etwas mit dem anderen zu tun, egal auf welche Weise. Man findet dort die kuriosesten Zusammenhänge. Falls ich richtig liege, dann gab es dort zu Eileen Luscombes Costavinki, der eigentlich ein Wolf Kosminski war, Zusammenhänge zur Butchers Row und eben auch zu Gluckstein mit verschiedenen Butchern und anverwandten Personen, die dort in der Ecke Vermieter/ Eigentümer waren (Aldgate High Street/ Whitechapel Road/ Church Lane). Weitere Verwandte "pflegten Kontakte" zu einem Bereich, wo viele Leute ursprünglich aus Kalisz stammten. Gluckstein selber, war wohl auch auf der Abschiedsparty von Abberline auf der Aldgate High Street. Wie gesagt, ich schreibe jetzt aus der Erinnerung, ein sehr aufwendiges Thema, das ich etwas vernachlässigen muss. Aber nichts scheint dort unmöglich. Mal sehen, wohin das führt. Im Laufe der Zeit, werden sicherlich noch andere Leute ein klareres Bild herstellen können. Für den Moment, bin ich da überfordert. Falls es dir hilft, zu jener Zeit war ich mal auf einer Seite, Geni oder so, wo man recht gut recherchieren konnte, also für unsere Verhältnisse. Vielleicht kannst du da mal auch noch nachschauen.

Tracy hatte sich gestern noch einmal gemeldet. Sie hat uns nicht vergessen, was die Infos über Sarah bzw. die Heiratsurkunde angeht. Aber wie bei vielen von uns, man hat halt viel um die Ohren. Sie sagt zwar selber, es gibt keine "entscheidenen Beweise" bei den neuen Informationen aber sie wären auf jeden Fall interessant. Vielleicht sind eben solche Verbindungen mit dabei. Es wird sicherlich spannend werden...

Habe ihr als auch Scott mal deinen gefundene Artikel geschickt. Mal sehen, was sie dazu sagen, falls nicht ohnehin schon damit vertraut.

Gruß, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 06.07.2017 10:45 Uhr
So Arthur!

Vielleicht kommst Du jetzt weiter:

Habe von Pat etwas Hilfe bekommen. Die Eltern von Sarah Abrahams/Levy sind mit Isaac und Phoebe Abrahams angegeben.

Was ich jetzt selbst im 1881er Census fand und was passen könnte, sind Isaac und Phoebe Abrahams in der 21 Grey Eagle Street/ Spitalfields. Diese Straße liegt etwas nördlich über der Kreuzung Commercial Street/ Hanbury Street. Hier gibt es eine Tochter, Flora Abrahams, 13 Jahre alt. Flora würde dann also zum 1891 Eintrag altersmäßig passen. Sarah war ja bereits verheiratet und taucht im 1881er Census der Familie nicht mehr auf.

Der Geburtsort von Mutter Phoebe fehlt aber der von Vater Isaac wird mit Germany angegeben. Berufe sind Tailor. Seine Mutter, also Sarah´s Oma, scheint bei ihnen zu wohnen, heißt Miene Abrahams, 78 Jahre alt zu jener Zeit, geboren in Deutschland.

Wahrscheinlich war Sarah das älteste Kind. Das zweitälteste wären dann Nathan gewesen (23, Tailor), allerdings geboren in Birmingham, als einziger dort. Danach kamen Rachel (18, Tailor) und Myer (15, Wood Carvers), Flora (13), Abraham (12), Michael und Mark (beide 8 ), Rebeekes und Philipp (beide 4) und zuletzt Harter (2).

Isaac und Phoebe Abrahams hätten einschließlich Sarah, bis 1881, 11 Kinder gehabt, 5 Töchter, 6 Söhne. Sarah´s väterliche Seite stammt dann aus Deutschland, sie waren Schneider. Von den Kinder wurde Sarah eben Butcher, Myer ein Holzschnitzer, Nathan und Rachel blieben im Schneiderhandwerk. Offenbar zwei mal Zwillinge geboren.

Das ist alles, was ich jetzt schreiben kann. Mehr schaffe ich gerade auch nicht. Ich fand noch eine Witwe Phoebe Abrahams mit einer Tochter Sarah aber beide viel zu alt. Aber da wir mit Sarah´s Schwester Flora, die altersmäßig passen würde, eben Eltern finden die Isaac und Phoebe heißen und diese eben auch für Sarah angegeben werden, sollte das passen.

Mach was daraus,

Beste Grüße,

Lestrade.   
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 06.07.2017 16:16 Uhr
Habe eben noch überlegt, ob vielleicht Mutter Phoebe aus Birmingham stammen könnte, da Nathan dort geboren wurde. Habe auf die Schnelle eine Phoebe Abrahams hier gefunden, die Seite, die ich neulich schon ansprach:

https://www.geni.com/people/Phoebe-Abrahams/6000000007014365070

Das Alter würde passen und eben in Birmingham geboren. Hat Geschwister mit den Namen Sarah und Abraham, wie eben die Mutter von Sarah Levy und Abraham Abrahams, man gab ja solche Namen gerne an die eigenen Kindern weiter. Wenn, dann war Sie bereits eine geborene Abrahams aber dieser Name war eh weit verbreitet.

Das ist alles mit Vorsicht zu geniessen, ich mache das nur schnell nebenher. Gerade das hier, soll eine Überlegung sein, bezüglich der Dinge, auf die bei weiteren Nachforschungen geachtet werden müsste. Der Eintrag hier ist alles andere als vollständig.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 06.07.2017 16:26 Uhr
Hallo Lestrade!


Vielen Dank an Pat und Dich für die Mühe und die Informationen. Ich habe mich mal gleich auf die Suche gemacht.


Interessant erscheint mir bisher, dass es sich bei den Abrahams um eine Schneider-Familie handelte - das Schneider-Milieu würde zu den Aussagen der Überwachung von Cox passen: "We told them we were factory inspectors looking for tailors and capmakers who employed boys and girls under age."

Außerdem würde es gut ins Profil passen, wo Jacob Levys Schwiegereltern Anfang der 1880er wohnten:
Auf dem Weg zu ihrer Adresse 21 Grey Eagle Street wäre Jacob regelmäßig an den Tatorten Hanbury Street und Dorset Street vorbeigekommen - falls sie noch dort wohnten, als Jacob und Sarah bereits den Shop in der Middlesex Street übernommen hatten.

Leider wohnten die Abrahams dem Census 1891 zufolge aber nicht mehr in 21 Grey Eagle Street - sondern inzwischen ein Marks Gelman (45, Wood Carver) mit Familie - und wann sie wohl umzogen und wohin, konnte ich bisher nicht rausfinden. Habe die Familie im Census noch nicht wiedergefunden.

Auch meine Stammbaumsuche der Familienmitglieder in www.wikitree.com/genealogy/ und www.geni.com blieb bisher leider erfolglos.
Keine zusammen passenden Profile, weder bei den Vornamen Isaac, Phoebe, Nathan oder Rachel...

In Kelly's London Business Directory 1891 habe ich bisher zwei mögliche neue Adressen gefunden:
- Abrahams lsaac, 3 Steward Street
- Isaac Abrahams, 21 Church Street

Und im Post Office London Directory, 1895:
- Abrahams Hyman & Isaac, tailors, in 91 Commercial Road (North Side zwischen Greenfield Street und Settles Street)
-  Abrahams Rachel & Co., 25 Great Prescot Street (zwischen Leman Street und Mansell Street)


Das ist bisher leider alles - noch nichts Brauchbares darunter.



MfG, Arthur Dent




P.S. Diese Phoebe Abrahams auf www.geni.com hatte ich auch gesehen - aber das wäre dann schon ein Zufall, dass eine Abrahams einen anderen Abrahams geheiratet hat, daher glaub ich auch eher nicht, dass dies Sarahs Mutter war.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 06.07.2017 17:27 Uhr
Gerne, Arthur!

Die Metzger/ Schneider Konstellation finden wir auch bei anderen, mich hat es jetzt weniger überrascht. Du weißt ja, es gab dort eine große Anzahl Schlachter und einige Straßen, die für das Schneiderhandwerk sehr bekannt waren. Beide Geschäftsbereiche dort, waren für London von Wichtigkeit. Meine mich zu erinnern, dass, wenn man die Butchers Row, als auch andere Schlachter dort genauer untersucht, sprich Familie, dann treffen beide Berufe immer wieder aufeinander. Deswegen hielt sich meine Überraschung in Grenzen. Es verwundert mich überhaupt nicht, dass Cox und Sagar genau an diesen Berufen "dran waren". Aber ganz klar, wenn wir Jack the Ripper suchen, dann kommen wir an beiden Berufen nicht vorbei, er muss ja quasi mit beiden irgendwie verbunden gewesen sein, auf welche Art auch immer. Siehe Kosminski oder eben Levy (wo sich die Kosminski Situation jetzt widerspiegelt) und vielleicht selbst bei David Cohen, einen Schneider, der laut Scott, eventuell der Verdächtige in der Butchers Row gewesen sein könnte.   

Konnte Isaac und Phoebe auch nicht wiederfinden. Es gab sie noch einmal in 1891 aber beide etwas älter und mit einer anderen Familie und sicherlich nicht identisch mit Sarah´s Eltern. Aber vielleicht bestand dort eine Verbindung nach Birmingham, sowie mit Woolf Abrahams mit Manchester, wo Jacob Cohen herkam, er zog dort dann ja auch hin.

Für genauere Suchen, brauche ich mehr Musestunden.

Was Pat mir noch mitteilte:

Ein Jacob Levy kam Mitte Oktober oder irgendwann im Dezember 1888 in ein jüdisches Krankenhaus. Adresse war 36 Heneage Street/ Brick Lane. Ich weiß aber, dass es zwischen 1881 und 1891 wenigstens 40 Jacob Levy in dieser Gegend gab, also auf engsten Raum. Für Heneage Street fand sie im Wählerverzeichnis von 1884 einen Jacob Levy unter der 23 Heneage Street und einen Joseph Levy 1885 unter 35 Heneage Street. Vielleicht schafft Sie es noch, mir genauere Informationen über dessen Krankenhaus Aufenthalt zu senden aber ich will sie auch nicht nerven, sie ist ohnehin schon sehr gefällig. Und wie gesagt, ich bräuchte mehr Zeit, gebe dir das mit soviel Zusatzinfos weiter, wie mir möglich. 
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 06.07.2017 20:29 Uhr
Hallo allesamt!


Suche nach Sarahs Abrahams Familie blieb weiter erfolglos. Suchergebnisse nach Familienmitgliedern im 1891er Census:


Suche nach Myer ergab folgende Adresse:

21, Charlotte Street, Whitechapel,
Myer    Abrahams    25 M    Tailor's Presser   London, Whitechapel

Kann er aber nicht sein, denn das ist seine Familie:

Simmons    Abrahams    H    M    49 M    Tailor    Er    Russia, Poland    
Anne    Abrahams    W    M    58 F          Germany, Berlin    
Myer    Abrahams    So    S    25 M    Tailor's Presser    Ed    London, Whitechapel    
Polly    Abrahams    Da    S    18 F    Button Hole Maker    Ed    London, Whitechapel    
Woolf    Abrahams    So    S    17 M    Boot Riveter    Ed    London, Whitechapel    
Morris    Abrahams    So    S    16 M    French Polisher    Ed    London, Whitechapel    
Isaac    Abrahams    So       14 M    Boot Riveter    Ed    London, Whitechapel

 - NO -


Suche nach Abraham ergab folgendes Ergebnis:

265, Brunswick Buildings, New Goulston St, Whitechapel,
Abraham Abrahams    So    S    21 M    Boot Maker    Ed    London, City 

Kann er aber auch nicht sein, denn das ist seine Familie:

65 Brunswick Buildings, New Goulston St, Whitechapel,
Hannah    Abrahams    H    Wi    45 F          London, City    
Abraham    Abrahams    So    S    21 M    Boot Maker    Ed    London, City    
Joseph    Abrahams    So    S    20 M    Boot Maker    Ed    London, City    
Rachel    Abrahams    Da    S    17 F    Cigar Maker    Ed    London, City    
Betsy    Abrahams    Da    S    13 F    Scholar       London, City    
Jane    Abrahams    Da    S    10 F    Scholar       London, City

- NO -


Suche nach Rachel - wg Heirat vielleicht mit anderem Nachnamen:
Keine Ergebnisse für eine 27/28jährige Rachel, die Tailoress ist und in London geboren wurde - sondern hauptsächlich in Osteuropa geborene Rachels.

Am nächsten kommen folgende Einträge:

151, Brunswick Buildings, Goulston St, Whitechapel,
147       Rachel    Jacobs    W    M    27 F          London, Spitalfields

151 Brunswick Buildings, Goulston St, Whitechapel,
Joseph    Jacobs    H    M    30 M    Fruiterer    Ne    London, Spitalfields    
Rachel    Jacobs    W    M    27 F          London, Spitalfields    
Mark    Jacobs    So    S    11 M          London, Spitalfields    
Aaron    Jacobs    So    S    9 M          London, Spitalfields    
Abraham    Jacobs    So    S    7 M          London, Spitalfields    
Blanche    Jacobs    Da    S    4 F          London, Spitalfields    
Isaac    Jacobs    So    S    6m M          London, Whitechapel    
Polly    Wagner    Se    S    15 F    Domestic Servant    Ed    Notts, Nottingham

Kann aber nicht sein, denn ältester Sohn Mark ist 11: Sie hat mit 16 ihr erstes Kind bekommen, das muss also 1875 gewesen sein - noch vor dem 1881er Census.

- NO -


Zweite Möglichkeit:

207, Brunswick Buildings, Goulston St, Whitechapel,
Rachel    Benausen    Da    S    26 F    Tailoress    Ed    London, Spitalfields

207 Brunswick Buildings, Goulston St, Whitechapel,
Phoebe    Benausen    H    Wi    68 F          London, City    
Rebecca    Benausen    Da    S    29 F    Feather Curler    Ed    London, City    
David    Benausen    So    S    27 M    Boot Laster    Ed    London, Spitalfields    
Rachel    Benausen    Da    S    26 F    Tailoress    Ed    London, Spitalfields

Falls Mutter Phoebe wieder geheiratet hatte, und zwar einen Benausen, und Rebecca und David Kinder dieses Mannes waren, könnte die u.U. passen.

- MAYBE -



Kurz und gut: Bisher nichts, das wirklich passen würde...


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 07.07.2017 13:37 Uhr
Hallo zusammen!


Im Post Office London Trades Directory 1891 habe ich unter der Rubrik "Clothiers und Tailors" nochmal den Abrahams lsaac in 3 Steward Street gefunden.
Das macht es wahrscheinlicher, dass dies möglicherweise "unser" Abrahams ist.

Dummerweise finde ich die Steward Street nicht im Online-Census von 1891, so dass ich die übrigen Bewohner nicht überprüfen kann.

Im Trades Directory steht über Isaac noch der Eintrag: Abrahams Abraham, 63 Hackney Road E.
Eine kleine Mutmaßung mit Fragezeichen dazu: Isaacs Sohn Abraham war 1891 inzwischen 22 Jahre alt und könnte u.U. bereits sein eigenes Geschäft betrieben haben, ist aber nur Spekulation...

Der einzige Nathan Abrahams, den ich im Trade Directory gefunden habe, steht unter Boot & Shoe Makers - nicht unter Tailor oder Clothier und sitzt im Westend: Abrahams Nathan, 11 Westbourne Grove W. Das ist wohl nicht Isaacs Sohn. War also nix.


Beim zweiten Isaac habe ich übrigens anscheinend einen Flüchtigkeitsfehler gemacht - es ist die Adresse des Pubs Horse & Groom, Inh. Isaac Abrahams, 21 Church Lane (nicht Church Street).


Soweit, so unbefriedigend. Bisher habe ich also nur die Vermutung, dass die neue Adresse "unseres" Tailors Isaac Abrahams jene in 3 Steward Street ist (geht man von der Middlesex Street über die Sandy's Row nach Norden, stößt man darauf, sie kreuzt die Brushfield Street und liegt in der Nähe der beiden Tatorte Dorset Street und Hanbury Street).



MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 07.07.2017 16:44 Uhr
Im Post Office London Trades Directory 1891 habe ich unter der Rubrik "Clothiers und Tailors" nochmal den Abrahams lsaac in 3 Steward Street gefunden.
Das macht es wahrscheinlicher, dass dies möglicherweise "unser" Abrahams ist.

Dummerweise finde ich die Steward Street nicht im Online-Census von 1891, so dass ich die übrigen Bewohner nicht überprüfen kann.

Eine Geschäftsadresse wie die 3 Steward Street, muss nicht zwangsläufig mit der Wohnadresse übereinstimmen. Ich habe hier 15/16 Isaac Abrahams mit entsprechenden Alter, die mir im Census 1891 angezeigt werden und es sieht so aus, als wäre dieser nicht einmal vollständig (oder es wird nicht alles angezeigt). Darunter finde ich zwei Tailor und keinen Clothier. Die beiden Tailor sind nicht der gesuchte Isaac Abrahams aber einer von beiden könnte sein Geschäft in der Steward Street gehabt haben, ohne dort selbst zu wohnen. Vielleicht spielen auch unterschiedliche Schreibweisen eine Rolle, wie Isaak, Iciek, Isak oder Itzek und das auch beim Zunamen wie Abrahams, Abraham der Abrams usw., darunter müsste ich noch einmal nachschauen. Es gibt, wie ich ja selbst erfahren konnte, bessere Quellen oder eben auch Leute, die spezialisierter sind und geschickter vorgehen. Deshalb bat ich Pat noch einmal, nach diesen Abrahams zu suchen.

Sarah Levy hätte ja durchaus mehr Hilfe durch ihre eigene große Familie erhalten haben können während es mit Jacob nicht so gut lief. Sehen tun wir nur ihre Schwester Flora. Es muss in Betracht gezogen werden, dass ihre Eltern plus die meisten Kinder das Land zwischen 1881 und 1891 wieder verlassen hatten, dann können wir lange im britischen Census und anderen relevanten Aufzeichnungen suchen.

Laut Pat, handelt es sich bei dem von mir erwähnten Jacob Levy (36 Heneage Street) in einem jüdischen Krankenhaus, um den ebenfalls erwähnten Joseph Levy aus der 35 Heneage Street. Die Hausnummer hatte sich im Laufe der Zeit um eine Nummer verschoben. Er war 74 Jahre alt in 1891 und seine Frau hieß Esther. Diese Levy konnte ich in meinem Census nicht finden. Warum er 1888 Jacob genannt wurde, darüber kann man nur spekulieren. Vielleicht hieß sein Vater Jacob und man nannte Joseph einfach so oder er hieß Joseph Jacob aber das spekuliere ich auch nur. Mich nannte man als Kind und Jugendlicher auch manchmal Bruno, weil es der Name meins Vaters war aber eben nicht meiner, habe auch keinen Zweitnamen.

Wir können nur dranbleiben, oft finden man etwas später noch neue Infos. Außerdem können wir wahrscheinlich auch von Tracy neue Informationen dieser Art erwarten.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 07.07.2017 22:56 Uhr
Pat war mal wieder so nett! Sie dachte erst, dass Isaac und Phoebe in der Zwischenzeit verstorben waren aber das war nicht an dem:

Census 1891, 5 Montague Street

Auf die Schnelle entziffert, ist im Original:

Isaac, Retired Tailor, könnte erblindet sein, jetzt England geboren, Parish unknown, nicht mehr Germany
Phoebe, born Austria
Nathan, Tailor, auch irgendein Handicap- könnte Krüppel heißen, born Birmingham
Rachel, Servant
Abraham, Cabinet Maker
Michael, Boot Laster
Mark, Butcher
Rebecca, Cigar Maker
Phlilip, Clicker- Boot
Esther, Scholar

Myer fehlt, lebte vielleicht schon alleine? Das mit den Geburtsorten findet man so häufiger in den Angaben über die Jahre gesehen.

Phoebe Abrahams starb 1910.

Ich war gerade dabei das Dokument zu schließen als ich noch, beinahe abgeschnitten, folgendes las:

Philip Krotoski, Butcher, 4 Montague Street, Russia aber wohl eingebürgert. Ich glaube 60 Jahre alt.

Das war alles, was ich von diesem Nachbarn noch ergattern konnte.

Aaron Krotoski als Butcher ist dir sicherlich noch ein Begriff also via Sampson und den späteren Shop etc.

Wieder einmal sieht man, wie man dort vernetzt war. Aaron war vielleicht ein Angehöriger dieses Philip Krotoski und dieser nun mit Sarahs Eltern Nachbarn. Mark Abrahams nun selber Butcher. Für Fleisch und Kleidung war das dort der reinste Schmelztigel.

Genau wie für Aaron Kozminski, könnte auch Jacob Levy mit diesen Zusammenhängen als Tailor oder auch weiterhin als Butcher gearbeitet haben können, wo immer man Männer mit diesen Problemen unterbringen konnte.

Ich denke darüber nach, mich wieder bei Ancestry und findmypast anzumelden und meinen Obolus dafür zu entrichten. Die Suchen gestalten sich dort ergiebiger.

Was mir bei Jacob Levys Schwiegereltern auffällt ist, dass Isaac als auch Nathan größere gesundheitliche Probleme hatten und hier ein Jacob, wenn auch selbst angeschlagen, durchaus nützlich gewesen sein könnte, gerade auch dann, wenn er seinen Ruf als Butcher etwas ramponiert hatte. Aber machen wir uns nichts vor, dass hat kein Alleinstellungsmerkmal, solche Konstellationen gab es sicherlich mehrere aber es ist zumindest bemerkenswert. Ich weiß jetzt natürlich nicht, was Tracy so zu bieten hat aber ich werde sie einfach mal auf diese Daten hier aufmerksam machen, falls ihr nicht ohnehin, auch in diesen Überlegungen, bereits gewahr. Immerhin ist sie die Fachfrau.

Also auf die Schnelle ging es hier dieser Tage ganz gut, mir gefällt diese Teamarbeit. Das zeigt sich auch gerade bei meinem Thema und man sieht, was sich da immer wieder auftun kann. Ich denke, wir können guter Dinge sein. 
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 08.07.2017 13:20 Uhr
Wahrscheinlich fand Pat noch Sarahs Geburtsurkunde, der Mädchenname der Mutter wird dort mit Levy angegeben. Also heiratete in einem solchen Fall ihre Mutter Phoebe Levy einen Abrahams und Sarah Abrahams als Tochter wieder einen Levy, nämlich Jacob. Gut möglich, dass Mutter Phoebe verwandt mit dem Jacob Levy Zweig war, nichts ungewöhnliches für diese Zeit.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 08.07.2017 15:42 Uhr
Hallo Lestrade!

Nochmal vielen Dank an Pat und dich für die Mühe!



5 Montague Street, das ist ja bei Jacob und Sarah direkt um die Ecke: nördlich der Wentworth Street, zwischen Middlesex Street/Sandy's Row und Bell Lane - nur ein wenig südlicher von der alten Adresse 21 Grey Eagle Street und auch wieder in Richtung der Schlafplätze der Opfer und der Tatorte Dorset Street und Hanbury Street.

Was mir an der Familie Abrahams auffällt: Sie scheint zum ärmeren Teil der jüdischen Gemeinde zu gehören.
Denn auch 1891 wohnen die erwachsenen Kinder noch bei den Eltern Isaac und Phoebe - obwohl sie bis auf Nathan andere Jobs haben. Wenn sie alle im Schneidergeschäft der Eltern gearbeitet hätten, wäre das ja nachvollziehbar gewesen, aber so deutet es auf Armut hin. Auch dass sie nicht verheiratet sind (und dann ausgezogen, um eigene Familien zu gründen) lässt darauf schließen, dass sie eine schlechte Partie waren.
Das passt zur Situation von Sarah nach Jacobs Tod: Sie muss ihr Einkommen als Straßenhändlerin verdienen, hat nicht wieder geheiratet, und auch bei ihr leben ihre schon erwachsenen Kinder noch mit in der Wohnung in der New Street. Außerdem wäre wohl zu erwarten gewesen, dass Sarahs Familie sie stärker unterstützt hätte, als ihr lediglich irgendwelches "dress material" für den Straßenverkauf zu organisieren.

Vermutlich war die Armut ihrer Familie auch ein Grund, warum Sarah so lange zu Jacob hielt, obwohl er immer problematischer wurde und immer mehr Ärger machte, und sie den Butcher Shop am Laufen zu halten versuchte.
Allzu gut schien das Verhältnis mit ihren Eltern am Ende auch nicht mehr zu sein, sonst wäre sie nach Jacobs Tod wohl zu ihnen gegangen und nicht zu ihrer Schwägerin Elizabeth Barnett, wo man sie antraf, als man ihr das Anstaltsschreiben über Jacobs Tod zu übergeben wollte.


Ich finde das äußerst spannend, was sich da so alles andeutet. Und mir hat die Teamarbeit auch viel Spaß gemacht, obwohl ja streng genommen Pat und du das meiste beigesteuert haben.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 08.07.2017 17:13 Uhr
Es sieht jetzt nicht so aus, als ob Isaac Abrahams ein eigenes Geschäft betrieben hätte. Beide Einträge, 1881 (Grey Eagle Street) und 1891 (Montague Street) sind Bürgerzählungen mit den Wohnadressen. Klar, können Wohnadressen identisch mit einem Geschäft sein aber als Unternehmer kann ich ihn momentan nicht entdecken. Es scheint, dass ein Schuhmacher die 5 Montague Street Adresse als Geschäft betrieb und die Abrahams (und offenbar noch eine andere Familie) hier nur zur Miete wohnten. War vielleicht im unteren Bereich das Geschäft und oben Wohnungen. Vater Isaac und Sohn Nathan hatten wohl Behinderungen, bei Nathan könnte das schon von Geburt an so gewesen sein, beim Vater vielleicht mit dem Alter. Wahrscheinlich waren sie alle nur angestellt gewesen, Isaac 1891 wohl nicht mehr. Es ist davon auszugehen, dass solche Mieter auch in ihren Unterkünften Aufträge, wie von einem Schneider, ausführten, gerade bei Armut oder wenn es die Gesundheit nicht zugelassen hat. Nicht weit von der 1891 Adresse, gab es einen Treffpunkt, wo sich täglich arbeitssuchende Schneider bei Schneiderunternehmen anbieten konnten, um ein bisschen Geld zu verdienen. Ich muss gestehen, dass ich mir gerade im Textilhandwerk überhaupt nicht sicher bin, ob all diese Unternehmen oder Produzenten ganz akribisch aufgeführt wurden, schien ein eigener Kosmos gewesen zu sein, in diesen uns Booth etwas Licht brachte. Aber sei´s drum, wir haben was wir haben...

Es ist schön, nun etwas mehr über Jacob Levy und seiner Familie zu wissen. Das alles kenne wir ja von Aaron Kozminski auch und es zeigt mir, dass wir einen solchen Mann, mit solcher Erkrankung und solchen Background, erwarten dürfen. So funktionierte es im East End, hier konnte er wenig auffallen, zwischen all den Schneidern und Butchern, hier wurde er aufgefangen, durch das alles geschützt, weil er vielen anderen glich. Hier konnte er Aufenthaltsorte, Tätigkeiten oder Arbeitsplätze wechseln. 
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 08.07.2017 17:59 Uhr
Hallo Lestrade!

Vermutlich habe ich mich etwas unglücklich ausgedrückt: Ich meinte mit "Schneider-Geschäft" nicht speziell einen richtigen Shop mit einer richtigen Schneiderei darin, sondern eher ein gemeinsames Schneidern in den eigenen vier Wänden - gewissermaßen gemeinsame Heimarbeit. So wie du schon früher das Schneider-Milieu beschrieben hast, würde das ja gut auf ärmere Schneider-Familien passen. Aber selbst dazu hat es wohl nicht gereicht, damit alle daran hätten mitarbeiten können, hätte es ja zumindest ein entsprechendes Auftragsvolumen geben müssen, um alle einzubinden. Und da die Kinder andere Berufe gelernt haben, gab es wohl nicht genug Schneider-Aufträge für Isaac Abrahams und seine Familie. 


MfG, Arthur Dent
 
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 08.07.2017 18:03 Uhr
Hallo zusammen!


And now for something completely different, wie John Cleese zu sagen pflegte. Ich hatte mir mal ein paar Gedanken zum Höhepunkt des Ripper-Terrors gemacht:

War Jacob Levy der Ripper, so bietet dies m.E. eine schlüssige Interpretation zum Verhalten von JTR in der Nacht des Double Event und danach.


Hier meine These:

Nachdem JTR beim Stride-Mord in der Berner Street gestört worden war, flüchtet er zunächst in Richtung Middlesex Street/Butcher's Row, um schnell von der Straße zu verschwinden. Aber durch die unvollendete erste Tat hat er das dringende Bedürfnis, seine Phantasien an einem zweiten Opfer ganz umzusetzen. Sobald er weit genug weg von der Berner Street ist und sich wieder sicher genug fühlt, gewinnt sein Blutdurst wieder die Oberhand. Bisher hat er es vermieden, rund um die Prostituiertenkirche St. Botolphs zuzuschlagen, obwohl er sich dort bestens auskennt, denn sie ist zu nah an Middlesex Street und Butcher's Row, sie liegt mitten in seinem sozialen Umfeld, hier war sogar ihm bisher das Risiko zu hoch, dass er wiedererkannt werden könnte. Aber jetzt im Blutrausch ist ihm auch das egal: Er muss wieder zuschlagen, und will und kann dazu keine allzu weiten Wege mehr auf sich nehmen, denn schon bald wird das Viertel wegen des Stride-Mordes in Aufruhr sein. Wenn er in dieser Nacht noch Befriedigung seines Triebes erfahren will, muss es jetzt gleich und in unmittelbarer Nähe geschehen.

Also schaut er sich in der Umgebung von St. Botolphs nach einem Opfer um - und wird bei seinem Gespräch mit Eddowes vor der Passage zum Mitre Square prompt von seinem Cousin Joseph Hyam Levy gesehen, als dieser mit Harris und Lawende den Imperial Club verlässt. Dummerweise bemerkt JTR das nicht, weil er gerade ganz auf Eddowes konzentriert ist.

Er geht mit Eddowes in den Mitre Square, nachdem PC Watkins ihn wieder verlassen hat. Er weiß aufgrund seiner Verwandtschaft zu den Obsthändler-Levys vom Mitre Square, da gibt es in der Ecke das Tor zu dem kleinen Hinterhof, dort wäre er relativ ungestört und die Leiche würde erst später entdeckt werden, so dass er genug Zeit zum Entkommen hätte. Aber leider ist das Tor verschlossen, und JTR kann sich nicht mehr zurückhalten.
Er schafft es gerade noch, dem auf seiner Runde in den Square zurückkehrenden PC Watkins zu entwischen, aber es sind wegen der massiven Aufstockung der Polizeipräsenz inzwischen zuviele Beamte in der Nähe, und durch die Alarmierung laufen sie alle konzentrisch zusammen in seine Richtung, wie ein Netz, das sich zuzieht. Einer davon hat gesehen, wie eine Gestalt Richtung Osten gerannt ist, und so hängen sich einige Beamte, darunter Detective Inspector Halse, an seine Fersen.

Während JTR Richtung Middlesex Street läuft, um schnell von der Straße zu verschwinden, hört er bereits die Polizeipfeifen und schwere Stiefel hinter sich durch Stoney Lane und Gravel Lane hallen. JTR wird klar: Das war zu knapp, das war zu nah.
Schon bald könnten Polizisten an seine Tür klopfen, besser wäre es also, er wäre gar nicht da. Und noch besser wäre es, wenn er die Polizei auf eine falsche Fährte locken könnte, an seinem Haus vorbei. Zum Glück hat er noch das Stück von Eddowes Schürze, das er benutzt hat, um die Organe zu transportieren, das muss er sowieso noch loswerden. Also versteckt JTR die Organe, läuft mit dem Tuch eine Straße weiter in die Goulston Street und wirft es dort sichtbar in einen Hauseingang, bevor er sich nach Osten aufmacht, um die Nacht weit weg vom Tatort in einem Versteck in der Nähe seiner alten Adresse Fieldgate Street zu verbringen, wo er sich natürlich auch gut auskennt.

Das Versteck könnte z.B. in dem Gebäude des ehemaligen Shops eines Verwandten, des Zigarrenhändlers John Levy, gewesen sein, der in der Whitechapel Road 254 in den 1880ern einen Zigarrenladen betrieben hatte (Ende 1888 scheint John Levy, bereits im Seniorenalter, einer Gertrude Smith einige Zimmer in seinem früheren Shop vermietet zu haben, welche die Räume als illegales Bordell nutzte, zumindest zeitweise).
Denn interessanterweise wurde vom Zeugen Thomas Coram in der Nacht nach dem Double Event neben dem Shop ein Tuch mit einem Messer darin gefunden. In seiner Paranoia hatte JTR sich vermutlich zunächst nicht von seinem Messer trennen können, doch nachdem er in seinem Versteck zur Ruhe gekommen ist, wird ihm klar, dass er es auch loswerden muss, bevor er wieder den Heimweg antritt. Außerdem könnte es so die Polizei mit ihren Ermittlungen vielleicht noch weiter Richtung Osten locken.

Doch leider: Pech gehabt. Die Polizei, die aufgrund der Verletzungen der Opfer inzwischen sowieso die Theorie verfolgt, der Täter könnte ein Metzger sein, macht gründliche Arbeit und durchforstet in den folgenden Wochen das ganze Butcher-Milieu von Aldgate und Whitechapel. Auch er und seine Familie werden befragt, und dann erfährt er zudem, dass sein Cousin ein Zeuge im Eddowes-Fall ist. JTR muss nun erst einmal ein paar Wochen still halten und kann nicht mehr auf die Jagd gehen, so kommt es zur längsten Pause in der Mordserie von rund sechs Wochen.

Während er immer unruhiger wird, überlegt er, ob er nicht vielleicht seine Strategie ändern muss: Auf der Straße ist es wegen der hohen Polizeipräsenz und der Bürgerwehr inzwischen sogar ihm zu riskant, beim Double Event wäre es fast schief gegangen.
Also besorgt JTR sich auf dem Petticoat Street Market in seiner Straße günstig etwas feiner aussehende Kleidung (die dem Zeugen George Hutchinson später auffallen wird) und sucht sich schließlich eine erkennbar besser gestellte Prostituierte, die zwar nicht mehr seinem bevorzugten Beuteschema entspricht, aber über ein eigenes Zimmer verfügt: Mary Jane Kelly.



Soweit meine These. Was haltet ihr davon?


MfG, Arthur Dent


Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 08.07.2017 19:11 Uhr
Ich denke Arthur, dass insbesondere das East End ein Billiglohnsektor war, eine ohnehin überbevölkerte Gegend, durch Einwanderung geprägt, Arbeitslosigkeit, da musste man sich breiter aufstellen, als Angestellter wurde man da so oder so nicht reich.

Ich bin in der DDR groß geworden, mit meinen 6 Geschwistern, waren wir vier, die Verkäufer gelernt haben, eine weitere Schwester wurde später noch zur Verkäuferin. Das hatte vorallem einen Grund, die Versorgungslage. Zwei Schwestern lernten in Lebensmittel, eine arbeitete dann später im Verkauf für Baustoffe, mein Bruder weiße Ware und ich Rundfunk-TV-Hifi. Mein Vater war fast sein ganzes Leben lang Kraftfahrer für Brennstoffe, was ihm, durch das Trinkgeld (Termine absprechen, Kohle in den Keller verfrachten) ein zweites Gehalt einbrachte und zahlreiche andere Dinge, wie Westwaren, Westgeld bzw. Forumschecks sowie auch dadurch nützliche Kontakte. Meine Mutter arbeitet nebenher bzw. schneiderte und nähte privat. Reich geworden sind wir nicht aber wir saßen immer an der Quelle bei allen wichtigen Dingen. Der Schneiderberuf war vielleicht, durch seine Häufigkeit, irgendwann nicht mehr ganz so lukrativ, so wird sich eine Familie daran gemacht haben, sich in einigen Richtungen aufzustellen. Ich bin für solche Fragen aber alles andere als ein Fachmann. Wenn die Eltern oder ein älteres Geschwisterteil nicht ganz gesund war, dann kann das durchaus für andere Geschwister nicht gerade als der Wunschberuf angesehen worden sein, wie dem auch sei bzw. war... ist ja auch nicht ganz so wichtig für uns...

Deine Theorie, nun ja, da gibt es schlimmere und deine ist alles andere als schlimm. Eine Sache könnte das alles etwas weniger schlüssig erscheinen lassen, etwas, was leicht übersehen wird.

Folgt man den Angaben aller Polizisten um den Mitre Square, dann sieht es so aus, dass sich der Ripper noch etwas länger dort aufhielt. Der untere Bereich war zu was Beamte anging. Nördlich wäre er in Windeseile daheim gewesen. Ich müsste genau nachlesen aber ca. 15-20 Minuten nach Eddowes hörte man noch seine Schritte. Warum? Irgendetwas war, er könnte in der Falle gesessen haben, weil er eigentlich südlich hinaus wollte. Vielleicht schaffte er es aber auch noch südlich aus der Mitre Street und dann war Schluss. Dann ging es aber wieder hoch Richtung Norden und auch weiter Richtung Goulston Street. Die Polizei ging wohl davon aus, dass er Richtung Whitechapel am Ende floh, eher zurück Richtung ersten Tatort. Nun mag man das interpretieren, wie man mag und das ist legitim, wer weiß, welche anderen Umstände sich dort noch für ihn ergaben. Im Prinzip entkam der Ripper wohl immer sehr schnell, könnte man zumindest vermuten. Aber nach zwei Morden sich dann noch länger am Mitre Square auzuhalten, am Ende noch, wenn auch nicht allzuweit von daheim, in der Goulston Street zu landen, passt nicht ganz so gut. Bevor Watkins und Morris wirklich tätig werden konnten, hätte er schon lange sein Zuhause erreicht haben können aber das geschah offenbar nicht.

Ich weiß von Ripperologen, die ihn auch eher noch deswegen ausschließen, weil er einst Angaben machte, er hätte Angst anderen Menschen etwas anzutun. Ich habe eine nicht so hohe Wertigkeit dafür und du auch nicht, falls ich mich richtig an frühere Diskussionen erinnere. Aber es ist, wie soll ich sagen, vielleicht etwas ungewöhnlich für einen Serienkiller dieser Art. Doch auszuschließen ist ein solches Statement nicht gänzlich für den wahren Ripper.

Ich versuche mir immer einen klaren Kopf zu bewahren auch wenn Levy ein guter Kandidat ist aber ich versuche auch die Schwächen in solchen Szenarien zu erkennen. Bei Levy gibt es vielleicht nicht wirklich viele oder gar gewaltige, im Gegenteil (mal abgesehen davon, dass wir wohlmöglich über einen vollkommen unschuldigen Menschen sprechen, der einfach schwer erkrankte) doch wir können das eben nur so gut darlegen wie möglich.

Wer weiß, inwieweit unsere Darlegungen mit den neuen Informationen von Tracy korrespondieren. Da gilt es nun abzuwarten. Ich lebe mit dem Gedanken, dass Levy und dieses Szenario eine gute Überlegung ist, keine sehr gute aber eine gute. Und das ist in der Ripperologie bereits sehr viel wert. Ich habe einfach zu viele Zweifel, ob Cox und/oder Sagar über Levy sprachen. Da sehe ich, aufgrund von Angaben, eher eine Verbindung zu den Aussagen von Anderson, Swanson, Macnaghten, Sims und Griffiths aber selbst da, zögere ich etwas mit dem Unterschreiben. Warum? Weil ich vermute, nach all der Zeit, dass sich einiges sehr gleichen konnte und man vor Überraschungen einfach nicht sicher sein kann. Vielleicht ist es auch ungewöhnlich, dass jemand wie Levy, der bereits 9 Jahre in 1888 verheiratet war und viele Kinder hatte, solch ein Mörder hätte werden können. Aber lasse dich nicht von deinen Überlegungen abbringen, ich versuche nur ein fairer Partner zu sein und dabei vielleicht eben all die Fragen beantworten zu können, die diesbezüglich irgendwie im Raum stehen.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 09.07.2017 12:35 Uhr
Hallo Lestrade!

Zitat
Folgt man den Angaben aller Polizisten um den Mitre Square, dann sieht es so aus, dass sich der Ripper noch etwas länger dort aufhielt. Der untere Bereich war zu was Beamte anging. Nördlich wäre er in Windeseile daheim gewesen. Ich müsste genau nachlesen aber ca. 15-20 Minuten nach Eddowes hörte man noch seine Schritte. Warum? Irgendetwas war, er könnte in der Falle gesessen haben, weil er eigentlich südlich hinaus wollte. Vielleicht schaffte er es aber auch noch südlich aus der Mitre Street und dann war Schluss. Dann ging es aber wieder hoch Richtung Norden und auch weiter Richtung Goulston Street. Die Polizei ging wohl davon aus, dass er Richtung Whitechapel am Ende floh, eher zurück Richtung ersten Tatort. Nun mag man das interpretieren, wie man mag und das ist legitim, wer weiß, welche anderen Umstände sich dort noch für ihn ergaben. Im Prinzip entkam der Ripper wohl immer sehr schnell, könnte man zumindest vermuten. Aber nach zwei Morden sich dann noch länger am Mitre Square auzuhalten, am Ende noch, wenn auch nicht allzuweit von daheim, in der Goulston Street zu landen, passt nicht ganz so gut. Bevor Watkins und Morris wirklich tätig werden konnten, hätte er schon lange sein Zuhause erreicht haben können aber das geschah offenbar nicht.

Nun ja, wenn die Zeitangaben der Polizisten stimmen (wir wissen ja, genaue Zeitangaben sind aus technischen Gründen ein großes Problem in dem Fall) und es tatsächlich lange dauerte, bis sie die Verfolgung aufnahmen, hätte auch jeder andere schon längst die nähere Umgebung des Tatorts verlassen haben können - das ist ja völlig unabhängig davon, wer JTR war und wo letztendlich sein Zuhause oder Versteck war. Da lautet die Devise für jeden möglichen Täter: Erst mal so viel Abstand wie möglich zum Tatort schaffen.
Eine mögliche Erklärung habe ich ja erwähnt und du auch selbst angeführt: Vielleicht saß er vorübergehend in der Falle, musste zunächst Haken schlagen oder sich zeitweise verstecken (möglicherweise gar in der Synagoge - der Frevler). Das können wir nicht wissen.
Was wir wissen ist nur, dass sich da ein Verdächtiger in Richtung Osten vom Acker machte, als die Polizei bereits in Alarmzustand war und die Verfolgung aufnehmen konnte.

Und für das mit der Goulston Street hatte ich ja eine These geliefert: JTR wollte vielleicht nicht nur die Schürze als Beweisstück loswerden, sondern die Polizei auch weg von seinem Heim tiefer nach Whitechapel hinein locken. Von Jacobs Shop aus sind es durch die New Goulston Street nur wenige Meter bis zu jenem Hauseingang, das wäre schnell gegangen, die Schürze loszuwerden.
Oder vielleicht war einfach seine Frau noch wach, er war für seine Verhältnisse ja noch relativ früh dran. Das hätte ein Problem werden können: Seine Frau könnte ihn gerade zur Rede stellen, wo er sich wieder rumgetrieben hat, als plötzlich von draußen die Polizeiaktivitäten zu vernehmen sind oder sie gar an die Tür klopfen...
Nein, da macht er sich lieber auf zu einem anderen Versteck und kann vielleicht auch noch die Cops von seinem Heim weglocken - aber allzulange darf er den verhängnisvollen Beweis seiner Tat nicht mitschleppen, also entsorgt er ihn zügig.

Wie schon gesagt: Das ist selbstverständlich nur ein Szenario, aber ich finde es plausibel.


Man kann die These auch noch ausbauen:

Ich war ja bisher eher skeptisch, was die Urheberschaft des Goulston Street Gaffiti angeht.
Allerdings ergibt sich, wenn man den verrückten Butcher Jacob Levy als Tatverdächtigen nimmt, eine plausible Erklärung für die Schrift an der Wand:

Man könnte JTRs Taten als doppelte Rache ansehen: einerseits an den Prostituierten, die ihn mit Syphilis ansteckten, und andererseits an der jüdischen Gemeinde, die ihm wegen des Diebstahls die Butcher-Lizenz entzogen hatte und wegen seiner zunehmenden Verrücktheit vermutlich immer mehr auf Distanz zu ihm ging.

Die Art, wie JTR tötete und ausweidete, erinnerte zunehmend an die Methode des koscheren Schlachtens - und vielleicht war es nicht nur die Gewohnheit, die den Metzger so töten ließ, sondern er könnte diesen Eindruck auch absichtlich verstärkt haben als er merkte, dass die Morde den Antisemitismus anheizten: Wenn er schon leiden sollte, dann sollten die anderen es auch, denen er die Schuld an seinem Niedergang gab.

Zwar waren bereits die Gelegenheitsprostituierten in Angst und Schrecken - und JTR genoss es sicher, dies zu beobachten, wenn er durch die Straßen zog. Es machten aber noch zuviele Täter-Hypothesen die Runde: Von Leather Apron über den gutsituierten Arzt bzw. Medizinstudent bis hin zum Seemann reichten die Verdächtigungen, und die "crazy jewish butcher"-These war nur eine davon.

Warum also nicht etwas nachhelfen mit einem Menetekel an der Wand?

Falls Levy JTR war und er in seinem Wahnsinn dachte, er habe sowieso nichts mehr zu verlieren, könnte es ihn auch nicht gestört haben, dass antisemitische Aufwallungen vielleicht auch ihn selbst betreffen könnten.

Was dafür spricht, dass das Graffiti noch nicht lange dort stand, ist jedenfalls die Tatsache, dass viele jüdische Familien in dem Haus wohnten - jemand von ihnen hätte die antisemitische Schmiererei mit Sicherheit schon weggewischt, wenn es sich bereits seit längerem dort direkt am Eingang befunden hätte. Kreideschrift ist leicht und schnell zu entfernen.
So gesehen ist sehr wahrscheinlich, dass der Satz erst in der Nacht des Double Event geschrieben wurde, und damit könnte das Graffiti in der Tat von JTR gestammt haben.


MfG, Arthur Dent



P.S.

Zitat
Die Polizei ging wohl davon aus, dass er Richtung Whitechapel am Ende floh, eher zurück Richtung ersten Tatort.

Also das halte ich für extrem unwahrscheinlich: Welcher Täter - egal wie verrückt - der bisher immer nachweislich schnell vom Tatort verschwunden ist, sollte so kurz darauf wieder genau dorthin zurückkehren, wo es doch noch von Polizei und möglichen Zeugen wimmelte?

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 09.07.2017 14:27 Uhr
Hallo Arthur!

Also das halte ich für extrem unwahrscheinlich: Welcher Täter - egal wie verrückt - der bisher immer nachweislich schnell vom Tatort verschwunden ist, sollte so kurz darauf wieder genau dorthin zurückkehren, wo es doch noch von Polizei und möglichen Zeugen wimmelte?

Wenn ich schreibe er ging eher zurück Richtung ersten Tatort, dann bedeutet das nicht, dass er unmittelbar in die Berner Street zurückging. Die Polizei musste, als ein Szenario, davon ausgehen, dass der Täter via Goulston Street zurückfloh, also Richtung Whitechapel. Das schrieb ich ja auch so. Das war für die Polizei erst einmal eine logische Annahme. Auch heute wird das von anerkannte Ripperologen und Profilern so angenommen.

Letztendlich wäre ja auch Levy, als JtR, in deinem Szenario in Richtung des zweiten Tatortes zurückgekehrt. Warum also nicht im Falle des ersten Tatortes? Nehmen wir Aaron Kozminski als Beispiel für den möglichen JtR, dann hätte er bis zu seinen Geschwistern in die Greenfield Street zurückkehren können. Bis zum Tatort Berner Street wäre es ungefähr die gleiche Entfernung vom Wohnort Greenfield Street gewesen, wie der Mitre Square Tatort von Levy´s Adresse entfernt lag.

Das Schürzenteil hätte Levy hinter jeder Tür, hinter jeden Zaun usw. wegwerfen können, warum also bis zur Goulston Street damit laufen? Um 2.20 Uhr war am Eingang der Goulston Street immer noch nichts. Du vermutest, dass er eine falsche Spur legen wollte. Um 1.44 Uhr fand PC Watkins die Leiche bis 2.20 Uhr sind das ca. 35 Minuten. Um 2.55 Uhr fand PC Long das Schürzenteil. Der Täter trug das Schürzenteil zwischen ca. 35 und 110 Minuten mit sich herum, für was es auch immer herhalten musste. Gehen wir mal davon aus, dass es nicht genau nach 2.20 Uhr wegwarf und auch nicht um kurz vor 2.55 Uhr, dann könnte er grob gesagt eine gute Stunde dieses Schürzenteil mit sich herumgetragen haben. Das hat bei diesen Typ von Täter nichts mit falschen Fährten zu tun. Er floh vom Tatort Mitre Square weg, vermutlich nicht ohne Probleme und auf seiner Flucht pausierte er im Eingang dieses Hauses in der Goulston Street. Es muss angenommen werden, dass es noch ein Stück weiterging, weiter in die Whitechapel Gegend. Das bedeutet nicht zurück bis in die Berner Street Gegend sondern bis in Straßen wie östliche Wentworth Street, Old Montague Street oder Osborn Street, vielleicht irgendwo in der Mitte zwischen diesen beiden Tatorten, dies sollte die Annahme der Polizei gewesen sein. Aber es ging eben in die Richtung zurück aus der er kam, in die Gegend, wo er sich auch wieder dem ersten Tatort näherte. In meinem Levyy Szenario ging er eben nicht nach Hause in die Middlesex Street zurück und legte auch keine Fährte in die falsche Richtung. War er JtR dann flüchtete er in die Whitechapel Gegend. Ob er da nun ein gutes Versteck hatte oder eine Unterkunft, sei dahingestellt. Er hätte in den Morgenstunden dann ja bequem nach Hause in die Middlesex Street zurückkehren können, sagen wir 5-6 Uhr, vielleicht etwas später. Ein Täter kann immer in die Nähe eines Tatortes zurückkehren, sei es nun an einem ersten oder zweiten Tatort. Die Behauptung ist etwas strange, wenn man sagt, Levy kehrte dann in die Nähe des zweiten Tatortes zurück aber ein anderer möglicher Täter nicht mit derselben Entfernung in die Nähe des ersten Tatortes. Das klingt nicht schlüssig.

Fakt ist, Levy hätte mit einem normalen Gang 4 Minuten bis nach Hause gebraucht, dass waren 320/330m. PC Watkins fand die Leiche um 1.44 Uhr. Um 1.48 Uhr hätte Levy zu Hause sein können. Er, als JtR, als Doppelmörder in jener Nacht, sich im zweiten Falle seinem Haus nähernd, wäre unmittelbar nach dem Eddowes Mord heimgekehrt aber eben in jener Zeit. Oder aber, er ging zurück in das Herz von Whitechapel, wenn seine ursprüngliche Adresse nicht sein Ziel war.

DC Halse und Co. erfuhren um 1.58 Uhr von dem Mord im Square und gingen unmittelbar dahin. Lass sie zwei Minuten dafür gebraucht haben und noch einmal 2 um zu realisieren was geschehen ist. Um ca. 2.02 sollte die Suche in der Gegend begonnen haben und sie hörten Schritte eines Mannes, den es offenbar lohnte zu verfolgen und dessen Spuren sich in Stoney Lane verloren. War Jacob Levy der Täter, befand er sich noch knappe 20 Minuten ganz nahe am Tatort. Die Frage lautet warum? Zu seiner Adresse hätte er es in dieser Zeit locker fünfmal hingeschafft (einfache Strecke). Es sieht eher so aus, als ob der Täter auf die Whitechapel Road (oder deren nahe Umgebung) wollte aber das nicht auf dem südlichen Wege schaffte sondern einen nördlichen Umweg wählen musste, eben auch via Goulston Street. Man kann eben auch annehmen, dass der Täter tatsächlich eher südlich der Whitechapel Road wollte, eben Richtung ersten Tatort. Nördlich dieser Straße, hätte er ja dennoch bequem via Stoney Lane und Goulston Street fliehen können, tat er offenbar aber auch nicht. Meiner Ansicht nach, steckte er nördlich irgendwie fest, obwohl er, wie in den meisten Fällen aber schnell nach Hause wollte und musste. Die Polizei, die plötzlich präsent auf der Hauptstraße wurde, hätte ihm ganz schön zugesetzt haben können. Für Levy hätte das, bei seiner Adresse in der Middlesex Street, überhaupt kein Problem dargestellt.

Das einzige was für mich Sinn machen würde wäre, wenn Levy sich bei dem Mord an Eddowes verletzt hätte. Das hätte ihn irritiert haben können. Somit hätte er sich nicht gleich vom Tatort entfernen können, wenn sein Ziel seine Adresse in der Middlesex Street gewesen wäre. Das hätte natürlich ein großes Risiko dargestellt. Mit einer solchen Wunde hätte er daheim vielleicht Argwohn wecken können. Gut möglich ,dass er dann vom Mitre Square verschwand aber auch noch nicht nach Hause konnte und es somit in die Goulston Street schaffte. Hörte die Wunde dann auf zu bluten, hätte er seinen Weg nach Hause antreten können ohne aber ein falsche Fährt bewusst zu legen.

Wenn Levy der Ripper war, dann war sein Domizil in jener Nacht nicht seine bekannte Adresse und er legte auch keine falsche Fährte. Diese wäre nur zustande gekommen, wenn er sich verletzt hätte und in diesem Falle hätte er auch eben zu jener Adresse zurückkehren können.

Das er Eddowes ermordete, die Polizei sofort hinter ihm her war und er via Stoney Lane bis in die Goulston Street flüchtete, dort bewusst eine falsche Fährte legte, um dann nach Hause zurückzukehren, das sollte so niemals passiert sein. Im Zusammenhang mit der Polizeipräsenz auf der Hauptstraße, seinem Verharren am Mitre Square und der letztendliche Fluchtbewegung, ist es eher wahrscheinlicher, dass JtR in jener Nacht in den Bereich Fieldgate Street zurückwollte bzw. gegenüber zu den nördlichen Eingängen auf der Whitechapel Road, die zu den dortigen Nebenstraßen führten.

Im Laufschritt hätte Levy es in 2-3 Minuten nach Hause geschafft, Gründe hätte er dazu genug gehabt, zwei Morde, Blut an seinen Händen und eben auch Körperteile, die er mitnahm. Warum dann am Mitre Square verharren? Entweder war sein Shop in der Middlesex Street nicht seine Unterkunft in jener Nacht oder etwas anderes passierte mit ihm und er konnte nicht direkt zurück. Oder aber, er war nicht der verfolgte Mann.

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 09.07.2017 18:36 Uhr
Hi Lestrade!


Zitat
Wenn ich schreibe er ging eher zurück Richtung ersten Tatort, dann bedeutet das nicht, dass er unmittelbar in die Berner Street zurückging. Die Polizei musste, als ein Szenario, davon ausgehen, dass der Täter via Goulston Street zurückfloh, also Richtung Whitechapel.

Ach so, du meintest damit nur Whitechapel - dann war das ein Missverständnis: Ich dachte, weil du "Richtung Tatort" geschrieben hast, du meinst die unmittelbare Umgebung der Berner Street.
Für mich ist der Begriff "Tatort" angesichts von JTRs kleinem Wirkungskreis schon ziemlich speziell und nicht eine ungefähre Himmelsrichtung oder lediglich der Wechsel von Aldgate zu Whitechapel...

Und was die Umstände und Uhrzeiten seiner Flucht und der Ablage des Schürzenteils angeht, so müssen wir doch zugeben, dass wir lediglich Vermutungen anstellen, denn wir haben zu wenig konkrete Informationen:

Die Polizei hatte relativ spät eine verdächtige Person Richtung Osten verschwinden bemerkt und folgte ihren Schritten durch Stoney Lane und Gravel Lane bis in die Wentworth Street. Das müsste wegen der Ankunft von Halse und Kollegen nach 2 Uhr gewesen sein, rund eine Viertelstunde nach Entdeckung der Leiche. Wenn das JTR war, kann er - wie wir zuvor schon mutmaßten - offenbar nicht früher aus dem näheren Tatortumfeld herausgekommen sein und wird sich wohl vorübergehend irgendwo versteckt haben.
Falls das nicht JTR war, sondern irgendeine andere zwielichtige Gestalt, die aus welchen Gründen auch immer die Polizei meiden wollte, oder vielleicht sogar nur ein unbescholtener Bürger, der es eilig hatte, kann das einfach Zufall gewesen sein, dass dies die Polizei in die richtige Richtung lockte - und JTR kann bereits viel früher weg gewesen sein.
Wir wissen es einfach nicht, wir erstellen lediglich Szenarien anhand der wenigen Infos, die wir haben.

Auch wann genau die Schürze in der Goulston Street abgelegt wurde, ist pure Spekulation: Long und Halse könnten sie anfangs schlicht übersehen haben - es war nur ein Stofffetzen in einem dunklen Getto voller Unrat, und sie hielten ja vor allem Ausschau nach Personen, die ihnen verdächtig vorkamen.


Zitat
Das einzige was für mich Sinn machen würde wäre, wenn Levy sich bei dem Mord an Eddowes verletzt hätte. Das hätte ihn irritiert haben können. Somit hätte er sich nicht gleich vom Tatort entfernen können, wenn sein Ziel seine Adresse in der Middlesex Street gewesen wäre. Das hätte natürlich ein großes Risiko dargestellt. Mit einer solchen Wunde hätte er daheim vielleicht Argwohn wecken können.

Eine sehr gute Überlegung. Vielleicht hat JTR sich ja im Dunkeln und der Hektik selbst geschnitten und sich das Schürzenteil als provisorischen Verband mitgenommen. Das wäre ein plausibler Grund, sich nicht zu Hause zu verstecken.


Zitat
Im Zusammenhang mit der Polizeipräsenz auf der Hauptstraße, seinem Verharren am Mitre Square und der letztendliche Fluchtbewegung, ist es eher wahrscheinlicher, dass JtR in jener Nacht in den Bereich Fieldgate Street zurückwollte bzw. gegenüber zu den nördlichen Eingängen auf der Whitechapel Road, die zu den dortigen Nebenstraßen führten.

Das würde ich auch so sehen: Wie gesagt, er konnte oder wollte vielleicht aus irgendeinem Grund nicht in seinen Shop in der Middlesex Street zurück - sondern machte sich vermutlich über die nördliche Route auf in Richtung Osten zu einem anderen Versteck, das in der Nähe seiner früheren Wohnung war.


Soweit mein Szenario zu Jacob als Ripper.



MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 09.07.2017 20:51 Uhr
DC Halse war um 2.20 Uhr ebenfalls in der Goulston Street und zu jener Zeit sah er ebenfalls das Schürzenteil nicht. Beide, Halse und Long, wollten aber nicht bestätigen, dass es dennoch schon um diese Zeit dagewesen sein könnte. Man kann annehmen, dass Halse Long in der Goulston Street über den Mord informierte, denn Long gab wohl an, davon erfahren zu haben, bevor er auf seiner Route in die Commercial Street einbog. Vielleicht passierte das auch auf dem kleinen Stück Wentworth Street, das zwischen der Goulston Street und der Commercial Street lag. Long ging aber auch in die Commercial Street zur Polizeistation, nachdem er um 2.55 Uhr das Schürzenteil fand und gab an, dann erst von dem Mord erfahren zu haben. Andere Quellen sagen, dass er vom Mord hörte bevor er das Schürzenteil fand (hier könnte also tatsächlich Halse der Informant gewesen sein). Fakt ist jedoch, dass beide um 2.20 Uhr in der Goulston Street waren. Es mag möglich sein, dass sich tatsächlich beide um 2.20 Uhr trafen aber Halse nichts sagte, vielleicht, weil beide unterschiedlichen Einheiten angehörten. Oder aber, sie verpassten sich um wenige Augenblicke, Zeiten wurden schon einmal leicht aufgerundet. Gesehen haben beide um 2.20 Uhr dennoch nichts. Halse ging vorher, bis in die Goulston Street via Middlesex Street und Wentworth Street und erreichte diese um 2.20 Uhr. Vielleicht müssen wir annehmen, dass Halse nicht der war oder zu denen gehörte, die bis zu den Wohnblöcken in Stoney Lane gingen. Wir können nicht sagen, wann genau die Spur in Stoney Lane endete. Es wäre möglich, dass der Ripper in die Goulston Street einbog, bevor Long und Halse diese Straße enterten. Befand er sich dann versteckt in jenem Hauseingang? War er schon wieder weg? Aber keiner von beiden Polizisten sah dann das Schürzenteil. Wann verschwand die Spur in Stoney Lane? Man weiß es natürlich nicht aber es ist eine gute Annahme zu sagen, er kam nach beiden in die Goulston Street. Gehen wir einmal von der geringsten Zeit aus, und setzen ihn um 2.10 Uhr in die Goulston Street. Er hätte sich dann innerhalb von 26 Minuten, einer knappen halben Stunde, nur knapp 500m vom Tatort Mitre Square entfernt, immer noch blutige Kleidung, ein blutiges Schürzenteil und Körperteile von Eddowes mit sich tragend. Wenn Halse hinter ihm war, Levy gerade (verfolgt) aus Stoney Lane entkam, war das ein großes Risiko genau in diese Richtung zurückzukehren, Stoney Lane lag an seiner Wohnung. Selbst Levy musste dann damit rechnen, dass sich seine Verfolger immer noch in Stoney Lane befanden. Halse selber ging ja gerade an seiner Wohnung vorbei und sprach danach zwei Männer in der Wentworth Street an. Ich denke, dass Schürzenteil war tatsächlich erst nach 2.20 Uhr da, das muss nicht heißen, dass er sich nicht schon um diese Zeit dort versteckt (und nicht entdeckt) hielt als Long und Halse vorbeimarschierten. In solche einem Szenario wäre der Täter als auch Levy selber, als Täter, nimmer unmittelbar in sein Haus zurückgekehrt. Und für Levy sehen wir keine Grund, warum er das nicht gleich getan hat. Eine Sache ganz weniger Minuten.

Es erscheint eher wahrscheinlich, dass der Ripper, wer er auch immer war, nach dem Double Event nicht dahin konnte, wohin er wollte. Man muss wohl mit wenigstens einer Stunde nach dem Eddowes Mord rechnen. Wir wissen nicht, wie es nach Nichols, Chapman oder Kelly war aber nach Eddowes hatte er Probleme. Aber wir wissen auch, laut Sagar und vielleicht auch anderen, dass man ihm nach dem Mitre Square Mord dicht auf den Fersen war. Die Polizei könnte tatsächlich das Problem bei ihm gewesen sein. Fakt ist auch, dass Halse erst um 2 Uhr herum die Anweisung gab, mit der Suche zu beginnen. Und das waren knappe 20 Minuten nach dem Leichenfund durch PC Watkins. Nach diesem Mord, konnte er nicht dahin, wohin er wollte und das sollte eben eher der südliche Bereich gewesen sein und nicht die Adresse von Levy. Nun kann man alles Mögliche in solche Szenarien einbauen aber es erscheint mir, dass er nach seinem Verstecken in der Goulston Street, mit dem Wegwerfen des Schürzenteils, sicher war in ruhiges Fahrwasser zu kommen.

Im Falle von Levy, sehe ich keinen Grund, sich 20 Minuten am Mitre Square aufzuhalten und dann eine falsche Fährte in der Goulston Street zu legen. Das schließt jedoch Levy als Täter nicht aus. Irgendetwas müsste ihm zugestoßen sein, um so lange nahe des Tatortes zu bleiben. Danach waren ihm Polizisten auf der Spur, sodass er sich verstecken musste. Das Schürzenteil hätte er eher dann verloren oder vergessen aber in solch einer Situation an eine falsche Fährte zu denken, ein Mann wie Levy, in seinem Zustand, als solcher Tätertyp? Das passt nicht wirklich. So schnell wäre er dann wohl nicht dorthin zurückgekehrt, zu seinem Heim, denn dort in der Nähe hätte er ja quasi seine letzte Spur vor der Goulston Street hinterlassen. Das macht man nur, wenn diese Straße, auch in der Nähe, nicht unmittelbar im Zusammenhang gesehen wird.

Deine Theorie, Arthur, in alle Ehren (und eine mögliche Verletzung von Levy mit einrechnend) aber sie ist, wenn ich sie lese, einfach zu simpel (was nichts schlechtes bedeutet), zu schön, um so wahr zu sein. Levy musste nur schnellen Schrittes, ungestört, sein Heim in 3-4 Minuten erreichen, was für den Ripper, nach dieser Art Mord, sehr wichtig war aber das geschah nicht. Er setzte sich unnötig einer Entdeckung aus, wartete quasi auf die Polizei. Das passt nicht, auch wenn wir Erklärungen dafür finden können. Seien wir ehrlich, mit einer Verletzung hätte er eine andere Richtung gewählt und wäre da nicht sitzen geblieben.

Es ist, wie schon in meiner ersten Reaktion auf deine Theorie, die wahrscheinliche Zeitspanne zwischen der Entdeckung der Leiche und der Aufnahme seiner Verfolgung, die letztendlich ziemlich nah an seiner Haustür in Stoney Lane endete, welche deine Theorie schwächt. Er hätte nicht an die 20 Minuten am Square gewartet, um dann in Richtung eigene Haustür zu flüchten (was wahrscheinlich auch noch ein paar Minuten dauerte) und dann daran vorbei, um eine falsche Fährte in der Goulston Street zu legen. Das ist nicht wirklich plausibel.

Wir sollten abwarten, was Tracy noch bringen wird. Ich denke (oder hoffe), dass wir dann dieses ganze Szenario
verfeinern können. Es sind, wie ich bereits schrieb, bestimmte Fragen im Raum, die es gilt, als nicht beantwortet oder klar anzusehen. Es geht ja nicht darum, Levy abzuschwächen sondern ein immer besseres Bild aufzubauen, auch wenn man dabei mal einen Schritt zurückmachen muss, das kann am Ende auch einen nach vorne bedeuten.

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 10.07.2017 14:15 Uhr
Ich nutze noch einmal die Chance, bestimmte Bewegungen in jener Nacht zu erwähnen. Es ist klar, dass wir das alles in seiner Korrektheit nicht ganz so wörtlich nehmen dürfen aber wir können das vielleicht interpretieren, auch wenn es dafür einige Varianten gibt.

Alle Angaben zum PC vom Mitre Square dürften bekannt sein, ich erwähne diese jetzt nicht. Klar sollte sein, dass es sehr wahrscheinlich eine Person (im Dienst) gab (außer Lawende), der jemanden in Körperbau und Größe beschreiben konnte und am Tatort sah. 

Cox:

“It was not easy to forget that already one of them had taken place at the very moment when one of our smartest colleagues was passing the top of the dimly lit street”

Sagar:

“but I believe he came the nearest to being captured after the murder of the woman Kelly in Mitre-square. A police officer met a well-known man of Jewish appearance coming out of the court near the square, and a few moments after fell over the body. He blew his whistle, and other officers running up, they set off in pursuit of the man who had just left. The officers were wearing indiarubber boots, and the retreating footsteps of a man could be clearly heard. The sounds were followed to King's-block in the model dwellings in Stoney-lane, but we did not see the man again that night.”

“A police officer met a well dressed man of Jewish appearance coming out of the court. Continuing on his patrol he came across the woman's body. He blew his whistle, and sent the other officers who rushed up in pursuit, the only thing to guide them being the sound of retreating footsteps. The sounds were followed to King's Block in the model dwellings in Stoney Lane, but the search got no further.”


Einen ersten Hinweis gab es am 1. Oktober 1888 im Star:

“James Blenkingsop, who was on duty as a watchman in St. James's-place (leading to the square), where some street improvements are taking place, states that about half-past one a respectably-dressed man came up to him and said, "Have you seen a man and a woman go through here?" "I didn't take any notice," returned Blenkingsop. "I have seen some people pass." The murdered woman was found lying on her back, and presented”

Einen zweiten gab es am 2. Oktober in der New York Times:

"The only trace considered of any value is the story of a watchboy who saw a man and woman leave Aldgate station, going towards Mitre-square. The man returned shortly afterward alone. The police have a good decription of him."

Der dritte Hinweis, Daily Telegraph, 13. November 1888:

“About ten minutes before the body of Catherine Eddowes was found in Mitre Square, a man about thirty years of age, of fair complexion, and with a fair moustache, was said to have been seen talking to her in the covered passage leading to the square. [The description] was given by two persons who were in the Orange Market and closely observed the man. The City police have been making inquiries for this man for weeks past, but without success, and they do not believe that he is the individual described by Cox.” (Mary Ann Cox war hier gemeint)

PC Watkins, fand die Leiche, ging zum Nachtwächter Morris, einem ehemaligen Polizisten. Der ging Richtung Aldgate, wo er PC Harvey traf. Der kam gerade aus der Houndsditch und war gegenüber der Duke Street. PC Harvey sah dann PC Holland und nahm ihn mit. Morris muss die beiden PCs getroffen haben, als PC Harvey gerade DC Halse, DC Marriott und DS Outram (wahrscheinlich stieß Outram etwas später zu Halse and Marriott) hinter sich gelassen hatte. Und zwar aus naher Sicht, denn DC Halse und Co. standen an der Ecke St. Botolphs Kirche. Laut DC Halse hatte er einige Männer in Zivil in jener Nacht zu lenken. Diese Beamten in Zivil trugen leise Schuhe und das passt zu den Aussagen von Sagar.

Oft wird angenommen, dass sich James Blenkingsop in der Zeit geirrt hatte. Aber im Telegraph vom 13. November 1888 lesen wir wieder von 10. Minuten, bevor die Leiche entdeckt wurde. Neben Blenkingsop, könnten also noch zwei weitere Männer im Orange Market (eigentlich St. James Place) gewesen sein, die dort Beobachtungen durchgeführt haben. Einer davon, könnte Blenkingsop angesprochen haben. Das alles eben 10. Minuten, bevor man Eddowes fand. Nun wissen wir natürlich, dass Lawende und Co. Eddowes und ihren Freier am Eingang der Church Passage sahen. Die Orange Market Beschreibung sollte aber eher von dessen Zugang zum Mitre Square sprechen. Die Frage ist natürlich, ob der Watchboy nicht ein Zivilpolizist war, der dieses Pärchen von der Aldgate Station, nahe dem Ort wo DC Halse und Co. standen, bis zum Mitre Square gefolgt war und dann ihn alleine hat den Square verlassen sehen, eben durch den Durchgang Orange Market, da geht es in die nördliche Richtung. Ich kann mir gut vorstellen, dass er das Pärchen am Eingang der Church Lane hinter sich gelassen hatte, dort wo unmittelbar danach Lawende und Co. ihre Beobachtungen machten und er dann, kurze Zeit später, Blenkingsop im Orange Market fragte, ob er ein Pärchen hat dort durch die Passage gehen sehen, was dieser aber nicht sah aber andere Personen erwähnte, die er bemerkt hatte.

PC Watkins muss den Ripper um Sekunden verpasst haben, so viel ist sicher. Watkins Route umfasste auch den Orange Market, wo er aber eben, beim Fund der Leiche nicht, anwesend sein konnte. Er ging sofort zu Morris Richtung Church Passage. War der Ripper und das darf man nicht ausschließen, noch im Mitre Square, irgendwo versteckt, dann war für ihn auch der Fluchtweg Church Passage verbaut, weil Morris aktiv wurde und dort durch nun bald Verstärkung eintreffen würde. Watkins hatte gerade durch die Mitre Street den Durchgang betreten, der Ripper hätte sich, wollte er nach Norden, leicht durch die St. James Passage am Orange Market entfernen können.

Frederick Foster, eine Art Landvermesser, stellte im Eddowes Inquest die mögliche Fluchtroute des Rippers dar:

"I have made the plans produced - I have them in three sections one 8 feet to an inch, another 200 feet to an inch from an Ordnance map of the City - I have marked on an Ordnance Map of the same scale from Berner Street to Mitre Square - that would be 1144 yards about 3/4 of a mile - it would take about 12 minutes to walk it from one to another".

"It is the nearest route that anyone unaccustomed to it would take it - There are 2 routes to Goulstone Street one from Church Passage through Duke Street crossing Houndsditch through Gravel Lane, Stoney Lane crossing Petticoat Lane (Middlesex Street) and through to Goulstone Street. A person going from Mitre Square to Flower and Dean Street would go as the most direct route across Goulstone Street - it would take within 1/4 of an hour to get there"


Hierbei kann man ganz einfach Church Passage durch St. James Passage/Place ersetzen und die beschriebene, schnellste Fluchtroute wie beschrieben nutzen, Blenkingsop war kein Hindernis.

Der Ripper hätte im Mitre Square festsitzen können, wollte er via Mitre Street bzw. Church Passage südlich fliehen. Watkins blieb im Square präsent, in Leichennähe am Ausgang Mitre Street, Morris kehrte alsbald mit PC Harvey und PC Holland zurück, eben aus südlicher Richtung. Auf der südlichen Hauptstraße standen DC Halse, DC Marriott und DS Outram, zwar in Zivil aber sie griffen dann auch irgendwann ein und Halse gab die Anweisungen. Während des ganzen Trubels, hätte der Ripper die Szenerie verlassen können, durch den Durchgang zum Orange Market und dann eben allein von einem der Zivilpolizisten gesehen worden sein. Das hätte passieren können, als der Ripper bemerkte, dass er nicht mehr südlich fliehen kann. Während Halse die Leiche besichtigte, hätte ihn jener Kollege darauf aufmerksam gemacht haben können, was er beobachtet hatte unter anderem halt eben das vor einigen Augenblicken stattgefundene Verlassen des Bereiches durch einen Mann, den er auch mit einer Frau gesehen hatte, vermutlich in Absicht, den Square durch die Church Passage zu betreten.

Das alles ist natürlich nur eine Interpretation der Ereignisse, der Ripper hätte, beim hören der Schritte von Watkins, den Square noch durch die Mitre Street oder Church Passage verlassen können, auch durch die St. James Passage. Wenn die Verfolgung jedoch mit DC Halse zusammenhing, dann war er immer noch irgendwie in Tatortnähe. Dieser Täter hatte bereits in jener Nacht einmal gemordet, wurde wahrscheinlich gesehen und gestört, jetzt wollte er sein Werk aber vollenden, vielleicht reizte er das ganze aus und der Ausgang Mitre Street war zu. Die nächste Chance wäre der Weg gewesen, den er hineinkam, die Church Passage aber wer weiß, vielleicht knarrte Morris seine Tür. Ein Mann, der dort festsaß, mit blutigen Händen und Kleidung, mit einem Schürzenteil und den Körperteilen, der war erledigt. Watkins an der Leiche, Morris konnte jeden Augenblick zurückkommen. Warum dann nicht die Flucht via Orange Market wählen? PC Harvey würde, falls er das nicht mitbekommen hätte, die Houndsditch wieder hochgehen. Meines Erachtens wollte der Täter zurück in die Richtung und zwar so schnell wie möglich, aus Gründen, aus der er kam. Das war nicht möglich. Am Ende blieb ihm nichts anderes übrig.

Für Levy wäre eine solche Situation aber perfekt gewesen. PC Watkins war gerade nicht im Orange Market, Levy hätte die beschrieben Route, eine schnelle, sofort nehmen können, um seine Adresse in der Middlesex Street zu erreichen.

War Levy nicht der Ripper, dann nahm der wahre Täter jedoch die beste Route, an Levy´s Adresse vorbei, die dann in die Goulston Street führte. Er bewegte sich erst nördlich, um sich dann vermutlich wieder, durch das Betreten der Goulston Street, südlich zu bewegen. 

Nun gibt es keinerlei Beweise, dass dies alles so geschah. Es ist reine Interpretation, wie so vieles im Fall. Hing jedoch die Verfolgung eines Mannes bis Stoney Lane mit DC Halse zusammen, dann war dieser Mann noch länger am Tatort. Ich will nur eine Möglichkeit erläutern, warum das so gewesen sein könnte. Es gab auch gute Möglichkeiten, sich auf dem Orange Market zu verstecken oder auch in einem Yard hinter dem Square. Wie sehr der Ripper mit Risiko agierte, dass sehen wir neben Eddowes auch noch besonders im Falle von Chapman und Stride, natürlich auch in anderen. Am Kings Block in Stoney Lane verlor sich seine Spur. Da gab es aber insgesamt 5 Blöcke. Ein einzelner Beamter, was soll er in einer solchen Situation ausrichten, wenn die Schritte plötzlich verstummten? Nicht viel. Welche Route Halse nahm, ich weiß es nicht. Vielleicht ging er mit diesem Kollegen bis Stoney Lane, ließ diesen dort weitersuchen und machte sich mit dem Überqueren der Middlesex Street weiter auf in Richtung Wentworth Street/ Goulston Street oder er betrat die Middlesex Street via Ellison oder Hutchinson Street und dann eben weiter. Wenn plötzlich Schritte verstummen, ist das meist ein Zeichen von Ruhe. Gut möglich, dass er sich in Stoney Lane kurz verstecken konnte und dann weiterging, Richtung Goulston Street, als Long und Halse dort durchgegangen waren. Ich weiß es nicht. Wenn er um 2.20 Uhr noch nicht da war und um 2.55 Uhr nicht mehr, dann bleibt eine größere Zeitspanne, in der er sich dort versteckt hatte. Er befand sich dann schon wieder in Whitechapel. Fühlte er sich weiterhin verfolgt, was anzunehmen ist, dann konnte das nur ein Zwischenstopp auf seiner Flucht sein. Die Störungen am ersten Tatort, die Ereignisse am Mitre Square, das muss eine unvorstellbarer Stress für diesen Mann gewesen sein. Auch am Eingang in der Goulston Street war er nicht sicher. Ob er die Muse hatte, dort noch etwas an die Wand zu schreiben? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Das einzige Ziel sollte nur noch gelautet haben: Ab in meine Unterkunft. Fakt scheint zu sein, dass Sagar diesen verfolgten Mann mit der Butchers Row in Verbindung brachte. Stimmt das mit der Aldgate Station, dann gingen Eddowes und er an der Butchers Row vorbei zum Mitre Square. Also ist es möglich, dass der Täter im Mitre Square eine Verbindung zur südlich gelegenen Butchers Row hatte und er auch dahin oder daran vorbei auf seiner Flucht wollte, ursprünglich. Hier macht Levy dann wieder mehr Sinn, wenn er einen Job dort hatte oder sogar einen nächtlichen Zugang. Dieses Szenario stelle ich mir eher für ihn vor.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 10.07.2017 21:52 Uhr
Ich habe eben noch einmal bei PC Harvey nachgeschaut, weil ich mir nicht mehr sicher war, wie sein Beat verlief. Er kam nie südlich aus dem Houndsditch. Südlich ging er dort nur hinein. Die Duke Street verließ er immer südlich, nachdem er bis zum Ende der Church Lane dort gegangen war. Danach ging es auf die Aldgate, ein Stück westlich, bis dahin, wo Watkins aus der Leadenhall Street kam. Dort machte er wieder kehrt, Richtung Duke Street, um südlich in der folgenden Straße, Houndsditch, einzubiegen. Auf diesem Wege bemerkte er dann Morris. Zwischen den Eingängen Duke Street und Houndsditch lagen nur ein paar Meter. Er sollte also auf Höhe Duke Street gewesen sein, mit Blick auf den südlichen Eingang der Houndsditch und St. Botolphs mit DC Halse und Co. Gegenüber sah er dann PC Holland, ich vermute, der kam aus der Jewry Street gegenüber der Duke Street.

PC Harvey gab 1.40 Uhr für die Church Lane an. Es war allerdings nur ein kurzes Stück von dort bis zum Ende seines Beats westlich auf der Aldgate und dort drehte er um. Das genaue Timing kann ich nicht bestimmen aber es könnte sein, dass PC Watkins gerade die Mitre Street enterte (er tat das immer südlich), kurz bevor Harvey an diesem Eingang vorbeilief. Watkins Anweisungen an Morris und dessen Aufbruch zur Hilfesuche, könnte zeitlich mit dem Wiedererscheinen von Harvey auf Höhe des Eingangs Duke Street passen. Das könnte bedeuten, dass der Täter noch bei Eddowes war, als Harvey bis zum Ende der Church Lane lief und das er gerade weg war, als Watkins die Leiche fand. Kannte der Täter die Beats (sah und hörte die PCs), dann wusste er, dass zu diesem Zeitpunkt kein PC im Orange Market war (Watkins) und auch keiner in der Duke Street oder der Little Duke Street, welche die Duke Street mit der Houndsditch verband (Harvey). Er wusste dann auch, dass sich Harvey alsbald wieder dem Eingang der Duke Street nähern würde. Der Täter hätte wissen können, dass er den Mitre Square via Mitre Street nördlich als auch via Orange Market nördlich ungestört verlassen kann, tat dies aber offenbar nicht, wenn die Polizei einige Zeit später immer noch seine Fährte aufnehmen konnten. Das könnte möglicherweise seine Absicht umterstreichen, südlich fliehen zu wollen. Floh er tatsächlich via Stoney Lane (notgedrungen), dann bog er in südlicher Richtung in die Goulston Street ein und wir müssen annehmen, dass er, nach kurzer Pause dort, diese Richtung weiter verfolgte und sich in Sicherheit brachte.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 11.07.2017 10:01 Uhr
Church Lane ist natürlich die Church Passage... sah eben, dass ich mich diesmal verschrieben hatte...

Church Lane spielte natürlich in jener Nacht auch eine Rolle, allerdings zeitlich vor dem zweiten und nach dem ersten Mord:

Star, 1. Oktober 1888:

"From two different sources we have the story that a man, when passing through Church Lane at about half past one, saw a man sitting on a doorstep and wiping his hands. As everyone is on the look-out for the murderer the man looked at the stranger with a certain amount of suspicion, whereupon he tried to conceal his face. He is described as a man who wore a short jacket and sailor's hat".


Church Lane mündete an der St. Mary Matfelon Kirche in die Whitechapel Road. Vom Eingang des Hauses in der Goulston Street bis zur Church Lane waren es knappe 500m. Vom Tatort Berner Street in jener Nacht lag die Church Lane ca. 300m entfernt.

Bei diesen Daten, hätte die Polizei annehmen können, wahrscheinlich müssen, Flucht von St. George in the east (Berner Street) und von Aldgate/City of London (Mitre Square) jeweils nach Whitechapel.

Die Leman Street, von der Detektiv Cox sprach und wohin er seinen Verdächtigten in einer der Nächte folgte, lag zwischen der Goulston Street und der Church Lane.

Auch sprach Cox, genau wie Sims, von verschiedenen Räumlichkeiten, in denen sich der Verdächtige des Nachts befand. Die Church Lane, die Leman Street als auch die Butchers Row auf dem südlichem Abschnitt der Aldgate High Street, befanden sich immer in südlicher Richtung vom Tatort Mitre Square aus gesehen.

Der Ripper schlug in jener Nacht so früh zu, wie nie zuvor oder danach. Berner Street war der südlichste und früheste Tatort. Er wurde vermutlich in der Church Lane gesehen, südlicher Abschnitt der Whitechapel Road. Die Leman Street (Cox) lag südlich der Whitechapel High Street. Die Butchers Row (Sagar) lag südlich auf der Aldgate High Street. Das können alles Indizien dafür sein, dass der Ripper nach Eddowes in südliche Richtung wollte. Die Hauptstraße Aldgate High Street/ Whitechapel High Street/ Whitechapel Road galt es zu betreten oder zu überqueren, um nach Hause zu gelangen. Die Fluchtwege zeigen immer nach Whitechapel direkt. Gut möglich, dass seine Zuflucht irgendwo nahe der Whitechapel High Street/ Whitechapel Road zu finden war, an den angrenzenden Straßen dort, ober- oder unterhalb dieser Hauptstraße.

Kurz gesagt, sollte sein Ziel südöstlicher vom Mitre Square aus betrachtet werden.

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 11.07.2017 11:41 Uhr
Das Versteck könnte z.B. in dem Gebäude des ehemaligen Shops eines Verwandten, des Zigarrenhändlers John Levy, gewesen sein, der in der Whitechapel Road 254 in den 1880ern einen Zigarrenladen betrieben hatte (Ende 1888 scheint John Levy, bereits im Seniorenalter, einer Gertrude Smith einige Zimmer in seinem früheren Shop vermietet zu haben, welche die Räume als illegales Bordell nutzte, zumindest zeitweise).
Denn interessanterweise wurde vom Zeugen Thomas Coram in der Nacht nach dem Double Event neben dem Shop ein Tuch mit einem Messer darin gefunden. In seiner Paranoia hatte JTR sich vermutlich zunächst nicht von seinem Messer trennen können, doch nachdem er in seinem Versteck zur Ruhe gekommen ist, wird ihm klar, dass er es auch loswerden muss, bevor er wieder den Heimweg antritt. Außerdem könnte es so die Polizei mit ihren Ermittlungen vielleicht noch weiter Richtung Osten locken.

Zu meinen Beschreibungen eben, passt natürlich die Adresse von John Levy in der 254 Whitechapel Road. Das Messer wurde vor der Nummer 253 gefunden. Coram fand das Messer um 0.30 Uhr Montagmorgen. Es war deutlich zu sehen.

PC Drage, der den Fund mitbekam, sagte, dass er 15 Minuten vorher an dieser Stelle vorbeiging und nichts sah. Sicher konnte er jedoch nicht sein. Ca. eine Stunde vorher, sah er die Dame des Hauses, aus der Nummer 253, wie sie Frauen aus der Haustür ließ und dort war definitiv kein Messer. Irgendwann dazwischen, riss es ein Pferd vor dieser Nummer auf den Boden. PC Drage half dabei, es aufzurichten. Drage meinte, dass irgendwer der Beteiligten das Messer während dieses Vorganges dort auch abgelegt haben könnte.

Lange sollte es dort nicht gelegen haben, laut Coram war es gut sichtbar und wenigstens eine Stunde vorher, laut Drage, auch nicht da. Vielleicht wurde es tatsächlich während des Pferdevorfalls dort abgelegt und Drage sah es einfach nicht, als er danach noch einmal vorbeiging. Nach den Ereignissen der Nacht zuvor, da konnte ein Messer nicht lange unbemerkt bleiben.

In unserem Falle würde es bedeuten, dass Levy von gegen 2.30 Uhr der vergangenen Nacht, bis Mitternacht des folgenden Tages, in seinem "Versteck" in der 254 Whitechapel Road verbracht hätte. Das würde ich nicht einmal ausschließen. Er hätte, bei seiner sehr verspäteten Ankunft daheim, das seiner Frau erklären müssen, gerade nachdem, was geschehen war. Und warum sollte er sein Messer, als falsche Fährte, direkt an seinem Versteck ablegen? Wohin wollte er die Polizei damit locken? Zu seinem eigenen Versteck? Wenn Verdacht auf ihn gefallen wäre, hätte die Polizei herausbekommen können, dass er da, wo man ein Messer fand, Verwandtschaft hat. Das macht nicht wirklich Sinn.

Dieser Vorfall mit dem Pferd, das kurz vor dem Fund verunfallte, könnte im Zusammenhang mit dem Messer stehen. Dazu kommen auch noch Meinungen über das Messer, siehe hier, wenn auch nicht ganz vollständig:

https://www.casebook.org/dissertations/ws-reinvestigating-murder.html

Es ist halt schon merkwürdig, dass kurz vor dem Fund dort ein Unfall passierte.

Andererseits, kann ich absolut nachvollziehen, wie verlockend es ist, Levy als kranken Butcher mit seiner Adresse Middlesex Street (Stoney Lane) und der Adresse seiner Verwandtschaft am Ort des Messerfundes im Zusammenhang mit Jack the Ripper zu sehen. Es ist wäre ja auch ein unglaublicher Zufall, wenn der Ripper quasi auf der Flucht an seiner Haustür vorbeilief und dann noch sein Messer bei John Levy ablegt. Es erinnert mich an Charles Cross, der als Ripper herhalten muss, weil seine mögliche Route zur Arbeit an den Tatorten vorbeiführte bzw. seine Mutter in der Nähe des Stride Tatortes lebte.

Dennoch, der Ripper hätte am Mitre Square kurze Zeit in der Falle gesessen und dann, notgedrungen, die schnellste Strecke nördlich Richtung Whitechapel gewählt haben und die führte nun einmal nahe an Levys Shop vorbei. Und wir wissen nicht, was mit dem Pferd vor der 253 geschah, ob es einen Wagen zog oder nicht und wer der Eigentümer oder Führer/ Kutscher war und ob er eventuell der Besitzer dieses Messer war oder auch, ob Kollegen dabei waren oder weitere Helfer, die dafür ein Messer ablegen mussten. Aber es scheint erst dagewesen zu sein, nachdem dieser Unfall passiert war.     

Nun sei´s drum, Arthur! Wir können die Dinge immer nur gegeneinander abwägen und sehen, wie es sich weiterentwickeln wird. 
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 11.07.2017 14:13 Uhr
Hi Lestrade!


Ich versuche die Situation aus der Perspektive des Täters zu betrachten: Rund um den Prostituiertentreff St. Botolphs gab es logischerweise verstärkte Polizeipräsenz, außerdem waren auf der Aldgate High Street als Hauptverkehrsstraße mehr Menschen unterwegs als in den Nebenstraßen, und auch die Beleuchtung dürfte besser gewesen sein.
Wenn JTR dann noch die Beats der PCs durch seine Beobachtungen kannte, dann dürfte ihm klar gewesen sein: Ein Versuch, vom Mitre Square nach Süden zu entwischen, wäre ziemlich riskant.
Daher halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass er nach Norden über den Orange Market flüchten wollte, er aber zunächst daran gehindert wurde (z.B. wegen Blenkinsop) und sich ein paar Minuten verstecken musste, bevor er wegkonnte. Ich denke, darauf können wir uns einigen.

Was das Messer vor der 253 Whitechapel Road angeht, so muss ich dir recht geben: Es wäre wohl von Jacob ziemlich dumm gewesen, es absichtlich als falsche Fährte direkt bei Johns Anwesen abzulegen.

Allerdings hast du einen möglichen Grund für die Messer-Entsorgung genannt:
Stell dir vor, JTR hat sich einen ganzen Tag in diesem Versteck verkrochen, um erst mal wieder runterzukommen von jener Nacht, seine Schnittverletzung zu versorgen und den Polizeiaktivitäten rund in Aldgate aus dem Weg zu gehen. Seine Frau kennt das von ihm inzwischen ja, dass er sich herumtreibt und oft nicht nach Hause kommt ("he occupied several shops in the east end"), der kann er vorlügen, er hätte wieder gesoffen und irgendwo (fernab von den Tatorten) seinen Rausch ausgeschlafen. In der nächsten Nacht will er das Versteck verlassen, und stolpert dabei unglücklicherweise mitten in den Zwischenfall mit dem Pferd hinein. Die Leute auf der Straße bleiben stehen und gaffen, Polizei kommt angerannt. Seine Paranoia erwacht wieder, er löst sein Verbandstuch, greift damit in die Tasche, stülpt es über das Messer und wirft beides weg, bevor er sich aus dem Staub macht.

Soviel zu meinem Szenario (ich glaub, ich schreib mal einen Krimi darüber ;-) )



MfG, Arthur Dent




P.S. Was mögliche Verbindungen von Sarahs Familie zur Butcher's Row angeht, bin ich leider trotz der neuen Infos noch immer nicht weiter gekommen.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 11.07.2017 17:18 Uhr
Hallo Arthur!

Das Taschentuch wurde gefaltet und um den Messergriff herum gelegt. Ich kann mir das nicht vorstellen, dass dann jemand gegenwärtig dafür noch die Zeit hat, den Verband abzumachen und ihn so sorgfältig um den Griff zu legen. Wenn, dann muss es bereits vorher um den Griff gebunden worden sein. Außerdem war es getrocknetes Blut am Taschentuch. Eine mögliche Wunde, hätte gar nicht mehr geblutet, schon länger, ein solcher Täter hätte darauf geachtet und es bereits früher entfernt, vermute ich, was ja auch hier der Fall gewesen sein könnte. Das Messer wurde, laut Dr. Phillips, kürzlich stumpfer gemacht, vorher war es definitiv ein scharfes Messer. Wir sind uns wohl alle einig, dass die Opfer einem sehr scharfen Messer ausgesetzt waren, siehe auch Eddowes´ Gesichtsverletzungen.

Die Frage lautet natürlich, warum jemand ein blutiges Taschentuch so sorgfältig um den Griff legt? War es menschliches oder tierisches Blut? Wurde es mit Blut vor oder nach dem Anbringen benetzt? Warum macht es jemand stumpf? Galt das Taschentuch nur als besserer Griff? Wie wurde es stumpf? Vorsätzlich oder durch bestimmte Arbeiten? Hätte ein Butcher wie Levy ein scharfes Messer abgestumpft (seine Berufserfahrung hätte ihn die richtige Schärfe wissen lassen müssen)? Wir werden es nie erfahren.

Hätte der Ripper überhaupt ein solch blutiges Tuch an den Griff seiner Tatwaffe angebracht? Messer bei überprüften Personen wurde immer nach Blut abgesucht. Ein Täter würde Griff und Klinge immer reinigen, das dürfen wir dann auch von Jack the Ripper erwarten. Warum dann also ein blutiges Taschentuch um den Griff wickeln? Das ganze Messer, Klinge und Griff zeigte Blut. Das Stumpfmachen sollte schon etwas länger her gewesen sein, sonst wäre die Klinge nicht so beschmutzt gewesen, denke ich. Ergo, Jack the Ripper agierte in der Nacht des Double Events mit einer scharfen Klinge und dies stumpfer gemachte Messer verliert an Wahrscheinlichkeit und das gaben auch die Ärzte damals an ohne es aber 100%ig auszuschließen aber eben weniger wahrscheinlich. Jack the Ripper oder eben Jacob Levy, hätte sein Versteck wohl nicht mit einem derartigen blutigen Messer in seiner Gesamtheit verlassen. Hätte er es, aufgrund einer Verletzung, unmittelbar abgestumpft, wäre die Klinge wohl sauberer gewesen. Außer, er führte diese Arbeit aus, als er noch blutete, dass halte ich sogar für möglich beim Ripper, weil wir nicht wissen, ob er sich verletzt haben könnte, siehe eben auch das Schürzenteil. Aber Jacob Levy wäre wohl nicht mit einem solchen Messer, von der 254 Whitechapel Road bis zur Middlesex Street, nachts nach Hause gegangen, nachdem, was in der Nacht zuvor passiert war, nicht bis nahe Stoney Lane, wo man seine Spur verlor.

Zur Hauptstraße:

Es bedeutet nicht, dass der Täter diese Straße komplett entlang ging, kurze Abschnitte wären immer möglich gewesen und wohl auch nötig. Er mordete an einem Club in der Berner Street, der gut besetzt war, er ließ sich wahrscheinlich von Schwartz und Pipeman nicht abbringen, da musste erst Diemschütz angefahren kommen, er floh bis St. Botolphs und die lag nun mal an der Aldgate und irgendwie musste er von der Church Lane bis da ja auch hinkommen und wurde vielleicht gesehen, wie er von der Aldgate Station mit Eddwoes bis zum Mitre Square ging. Die Hanbury Street war früh morgens auch keine Ruhe Oase und den Hinterhof, wird er genauso verlassen haben, wir er reinkam, durch den Vordereingang an dem er kurz vorher noch von Mrs. Long gesehen wurde, es war schon recht hell und ich denke nicht, dass ein solcher Täter sich davon hat abhalten lassen, 40-50m auf jener Hauptstraße zu gehen. 

Bei dem allen, sollte Blenkinksop, der Baustellen im Orange Market bewachte, welcher doppelt so groß war wie der Mitre Square, keine größere Hürde darstellen. Der Täter marschierte wahrscheinlich eiskalt von der Berner Street, via Church Lane, in Richtung Aldgate Station/ St. Botolphs auf der Aldgate Street und dann weiter bis zum Mitre Square, wo noch mit Lawende und Co. drei Leute Zeugen wurden. Welche große Rolle sollte ein Nachtwächter auf einem großen Platz für ihn spielen, der Ort lud förmlich zum durchspazieren ein?

Wahrscheinlich ist wohl eher, dass der Täter PC Harvey am Ende der Church Passage mitbekam und kurz darauf schon PC Watkins bemerkte. Kannte er die Beats, dann wusste er, dass PC Harvey auch gleich wieder am Ende der Duke Street auftauchen würde und dann kam Morris auch noch ins Spiel. Wenn er Watkins rechtzeitig gehört hätte, dann hätte er immer noch nördlich aus der Mitre Street fliehen können, Watkins kam ja aus südlicher Richtung, er hätte, wenn es zu spät dafür war, via Orange Market fliehen können. Beides schien nicht geschehen zu sein und irgendwo dort verharrte er, wenn man doch eine recht stattliche Anzahl Minuten später, seine Spur noch aufnehmen konnte. Plötzlich konnte er dann fliehen, warum vorher nicht. Wir können immer noch sagen, dass der wahre Täter schon lange weg war aber da die Nähe zur Goulston Street unbestritten auf dieser Fluchtroute lag, sollte der verfolgte Mann tatsächlich Jack the Ripper gewesen sein. Beide Streifenpolizisten, Harvey und Watkins, sollten ihm, aus zwei Richtungen, sehr nahegekommen sein. Harveys Beat war so, dass er innerhalb ganz kurzer Zeit, am Ausgang der Duke Street war. Das könnte der Täter gewusst haben. Morris lief aus der Mitre Street auf die Aldgate und sah zunächst niemanden. Dem Timing zu folge, könnte er ein paar Schritte nach links aus der Mitre Street gemacht haben. Der Abstand zwischen dem Eingang Mitre Street und Duke Street betrug nur so um vielleicht 20-25m (?). Gut möglich, dass Harvey da gerade seine Biege am Ende der Aldgate machen wollte, als er Morris wedeln sah. Die ganze Kehrtwende von Harvey dauerte nicht lange, hier ging es um wenige Minuten. Ein Täter, der sich noch an der Leiche zu schaffen machte, während Watkins schon zu dicht dran war, der konnte vielleicht nicht wirklich einschätzen, wo Harvey nun gerade wirklich ist. Nimmt er die Church Passage als Fluchtweg, schreit Watkins sofort “Mord“, hätte er beim Verlassen der Duke Street, Harvey in die Arme laufen können, der dann auch den Ruf von Watkins hätte vernehmen können.

Süden war zu, Norden war frei. Der Täter verharrt um dann doch nördlich zu fliehen und zeigt uns in der Goulston Street wieder den südlichen Weg. Wir können uns nicht einigen, dass er via Orange Market flüchten wollte. Die Tatsache ist, er tat das, unbestritten. Er tat es aber nicht gleich und das könnte bedeuten, er musste via Orange Market flüchten.

Wir werden das nicht abschließend beantworten können. Wichtig ist, finde ich, die Möglichkeiten zu prüfen, sich gewahr zu sein, dass vieles offen bleiben muss. Uns werden nur neue Entdeckungen helfen aber diesbezüglich ist die Ripperologie immer sehr bemüht.

Wichtig ist, finde ich, anzuerkennen, dass andere, wie ich finde auch kuriose Zusammenhänge existieren. Für Jacob Levy haben wir seinen Cousin Joseph Hyam Levy, einen, sehr ausweichenden, Zeugen aus der Duke Street, wir haben seine Adresse auf der Fluchtroute des Rippers, wir haben John Levy in der 254 Whitechapel Road. Wir haben aber auch Aaron Davis Cohen/ David Cohen im Zusammenhang mit der Adresse 254 Whitechapel Road, dem Bordell dort, wir haben mit Joseph Hyam Levy aber auch jemanden, der mit einem Kosminski zusammenhing, Martin Kosminski (ich versuche gerade die Geburtsurkunde von Martin Kosminski und die Heiratsurkunde seiner Eltern übersetzen zu lassen, dass Polnisch kann kaum jemand lesen). Er erscheint in den Papieren zu Martin Kosminski´s Einbürgerung. Bebachtungen bezüglich Levys Adresse, habe ich hier reichlich aufgeführt. Das sollte man alles mit auf dem Schirm haben. Auch wenn es oft nicht so aussieht, ich lasse gerne etwas Luft zwischen diesen Dingen. Es ist natürlich auch immer alles schwer zu beurteilen. Eben auch ein Mann wie Joseph Hyam Levy. Wir wissen nicht ob er seinen Cousin sah, oder einen aus dem Umfeld von Martin Kosminski (außer Herkunft aus der gleichen Region, ist nichts bekannt, was Martin und Aaron Kosminski verbindet und ein “Kosminski“ war ein realer Hauptverdächtiger) oder überhaupt gar keinen erkannte. Wir wissen nicht, warum J.H. Levy so verschlossen war. Er war jemand, der nachts nicht gerne alleine unterwegs war und am liebsten um 23 Uhr daheim. Vielleicht hatte er nur Schiss, vor der Anhörung auszusagen, so etwas gibt es. Andererseits hätte er genug Scham und Angst zeigen können, denn die Geschichte von Jacob, seinem Cousin, wird ihm wohl gewahr gewesen sein. Und was wussten Lawende und Harris darüber, kannten sie Jacob? Hätten sie einen Mann geschützt, der so viele Kinder daheim hatte, die zwischen 1 und 8 Jahre alt waren, selbst als Angehörige und Freunde? In welche Schwierigkeiten hätte J.H. Levy und die anderen beiden sich gebracht, hätte man Jacob als Ripper überführt?

Wäre ein Mann wie Jack the Ripper überhaupt in der Lage, normale Sexualität auszuüben? Da waren noch die letzten zwei Kinder. Vermutlich gezeugt 1888 und 1889. Jack the Ripper war ein Mann mit unvorstellbarer abnormer Sexualität. Man könnte sagen, die Kinder stammen nicht alle von ihm aber wie sinnig wäre das?


Was mögliche Verbindungen von Sarahs Familie zur Butcher's Row angeht, bin ich leider trotz der neuen Infos noch immer nicht weiter gekommen.

Eine gute Idee wäre vielleicht, die Stammbäume der Butchers Row Metzger anzugehen. Ohne die Hilfe von Scott und Pat könnte es schwieriger werden. Was ich da mal hatte, wies nicht auf diese Familie hin, habe allerdings damals auch nicht explizit danach gesucht. Listen von Angestellten, wo auch nicht Verwandte auftauchen, können wir wohl vergessen. Scott könnte vielleicht was haben aber ich weiß es nicht genau. Konnte damals auch keine Hinweise zu Deutschland/ Österreich finden und da scheint ja Sarahs Familie herzustammen. Jacob stammt, korrigiere mich, eher aus der Holländischen Richtung. Sagar´s Observation Ende 1890 (passt zu Levy nicht aber Sagar kann ja auch schon mal früher dagewesen sein) fand gegenüber eines Shops statt, in dem ein Bosman der Chef war und das klingt holländisch. Wäre zumindest ein sinniger Einstieg. Ich frage da mal nach aber diesmal geht das nicht so schnell, diesmal brauchen wir mehr Zeit und Geduld.

Ich habe hier Neil Bells Police Code und meinte neulich darin gelesen zu haben, dass die Polizei ohne großes drumherum, Plätze, seien es Shops oder Wohnungen, für Observationen leicht nutzen konnte und durfte. Ich glaube, die Eigentümer hatten nicht viel dabei zu melden. Ich müsste noch einmal nachlesen. Was ich sagen will, eine schon einmal genutzte Unterkunft, konnte man vielleicht leichter erneut nutzen, solange sie für die Ermittlungen sinnig erschien. Man muss sich da an Sagar´s Observation im Dezember 1890 nicht festmachen. Er hätte dort bereits früher schon einmal "Gast" gewesen sein können.

Beste Grüße, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 11.07.2017 21:26 Uhr
Hi Lestrade!


Unsere Diskussion bietet mir interessante Ansätze für weitere Überlegungen, aber da ich gleich noch was vorhabe, hier nur ein paar davon:


Zitat
Das Taschentuch wurde gefaltet und um den Messergriff herum gelegt. Ich kann mir das nicht vorstellen, dass dann jemand gegenwärtig dafür noch die Zeit hat, den Verband abzumachen und ihn so sorgfältig um den Griff zu legen. Wenn, dann muss es bereits vorher um den Griff gebunden worden sein.

Nun ja, es war nur ein Szenario. Ich wusste bisher nur, dass es um das Messer gewickelt war, von akurat auf Kante zusammengelegt hatte ich bisher nichts gelesen. Dann hat er es eben bereits eingewickelt weggeworfen, geht sowieso schneller und unauffälliger.


Zitat
Das Messer wurde, laut Dr. Phillips, kürzlich stumpfer gemacht, vorher war es definitiv ein scharfes Messer. Wir sind uns wohl alle einig, dass die Opfer einem sehr scharfen Messer ausgesetzt waren, siehe auch Eddowes´ Gesichtsverletzungen.

Ein Metzger, der ein Lieblingsmesser hat, würde es vielleicht nicht gerne wegwerfen wollen, auch wenn er damit gerade ein Verbrechen begangen hat (und schon gar nicht einer, der sowieso schon knapp bei Kasse ist). Also macht er die Klinge vorübergehend stumpf, denn dann kann er behaupten: "Mit dem Messer hätte ich niemanden aufschlitzen können, gucken Sie mal, das schneidet gar nicht mehr richtig." Später hätte er es ja wieder schärfen können. Und etwas dreckig zu bekommen, damit es unbenutzt aussieht, ist ja auch kein Problem.


Zitat
Zur Hauptstraße:
Es bedeutet nicht, dass der Täter diese Straße komplett entlang ging, kurze Abschnitte wären immer möglich gewesen und wohl auch nötig. Er mordete an einem Club in der Berner Street, der gut besetzt war, er ließ sich wahrscheinlich von Schwartz und Pipeman nicht abbringen, da musste erst Diemschütz angefahren kommen, er floh bis St. Botolphs und die lag nun mal an der Aldgate und irgendwie musste er von der Church Lane bis da ja auch hinkommen und wurde vielleicht gesehen, wie er von der Aldgate Station mit Eddwoes bis zum Mitre Square ging. Die Hanbury Street war früh morgens auch keine Ruhe Oase und den Hinterhof, wird er genauso verlassen haben, wir er reinkam, durch den Vordereingang an dem er kurz vorher noch von Mrs. Long gesehen wurde, es war schon recht hell und ich denke nicht, dass ein solcher Täter sich davon hat abhalten lassen, 40-50m auf jener Hauptstraße zu gehen.

Ich habe ja auch nie behauptet, dass er die Hauptstraßen immer gemieden hätte. Ich hatte lediglich für die konkrete Situation angemerkt, dass er wohl auf dem Hinweg die verstärkte Polizeipräsenz gesehen haben könnte, und ihn das dazu brachte, über eine ungefährlichere nördliche Route abzuhauen, anstatt direkt auf die Polizisten zu.


Zitat
Bei dem allen, sollte Blenkinksop, der Baustellen im Orange Market bewachte, welcher doppelt so groß war wie der Mitre Square, keine größere Hürde darstellen. 

Blenkinsop war ja nur ein Beispiel. Wer kann schon wissen, wen JTR da noch sah, der ihm vorerst den Weg über den St. James Place versperrte? Über eines sind wir doch einig: Wenn der nördliche Weg frei gewesen wäre, wäre JTR wohl sofort darüber verschwunden. Aber wenn die Person, die erst nach Ankunft der Polizei über die nördliche Route Richtung Osten verschwand, JTR war, dürfte er vorübergehend festgesessen haben.


Zitat
Der Täter verharrt um dann doch nördlich zu fliehen und zeigt uns in der Goulston Street wieder den südlichen Weg.

Ja, er flüchtete definitiv über die nördliche Route nach Osten - aber wie du darauf kommst, dass er danach in der Goulston Street eine südliche Richtung einschlug, erschließt sich mir nicht.
Es gab mehrere Möglichkeiten für JTR, in die Goulston Street zu kommen und die Schürze abzulegen: Er konnte nach Norden über die Wentworth Street oder aber ein Stück weiter südlich durch die New Goulston Street laufen. Von der Einmündung Stoney Lane aus war beides gleich weit - eine 1:1 Wahrscheinlichkeit. Wenn JTR südlicher durch die Gravel Lane, Ellison Street und New Street (dieses Häusergewirr zwischen Stoney Lane und Hutchinson Street) in die Middlesex Street rannte, war New Goulston Street näher, und er lief dann auch nicht an der Stoney Lane vorbei, wo eventuelle Verfolger ihn schon von weiten hätten sehen können. Macht für mich zusammen eine 2:1 Wahrscheinlichkeit für New Goulston Street.
Und nur wenn er von der Wentworth Street kam, lief er durch die Goulston Street in südliche Richtung. Wenn er aber über die New Goulston Street kam, lief er dem Ablageort der Schürze zufolge nach Norden.
Letzeres erscheint mir logischer, weil dies wegen der Seitenstraßen JTR die Möglichkeit eröffnete Haken zu schlagen - während eine Flucht durch die Goulston Street nach Süden für ihn eine lange gerade Strecke ohne Abzweigungen bedeutet hätte: Verfolger hätten ihn auch auf größere Distanz sehen können, und es hätte die Gefahr bestanden, dass von der Whitechapel Road Polizisten  gekommen wären, denen er nicht ausweichen konnte.


Zitat
Man könnte sagen, die Kinder stammen nicht alle von ihm aber wie sinnig wäre das?

Dank moderner Gentests wissen wir heute, dass Kuckuckskinder gar nicht so selten sind. Jacob fing  an zu saufen und sich nächtelang rumzutreiben sowie sein Geschäft (und vermutlich auch seine Familie) zu vernachlässigen - ich habe schon unwahrscheinlichere Konstellationen für Seitensprünge erlebt. Und sie bräuchte ja nur zu behaupten, er hätte vor Wochen mal wieder im Suff Sex mit ihr gehabt...


Soweit erst mal meine Überlegungen.



MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 12.07.2017 01:47 Uhr
Nun ja, es war nur ein Szenario. Ich wusste bisher nur, dass es um das Messer gewickelt war, von akurat auf Kante zusammengelegt hatte ich bisher nichts gelesen. Dann hat er es eben bereits eingewickelt weggeworfen, geht sowieso schneller und unauffälliger.

Noch einmal, Arthur. Das Messer war fast einen Tag lang noch voller Blut. Ein Täter würde es unverzüglich reinigen. Er würde auch darauf achten, dass es nicht direkt vor seinem Versteck liegt. Er würde es selbst bei einem Unfallszenario dort, nicht bewusst ablegen. Nur aus einem Versehen heraus und dann wäre es vermutlich sauber gewesen, verschmutz wäre er damit nicht noch durch die Gegend gerannt. Er hätte es eher im Versteck gelassen, genau wie die Organe. Er wurde die Nacht vorher gesehen und wusste sicherlich, dass er unter Umständen identifiziert worden wäre und das es Beschreibungen von ihm gab. Selbst wenn er sich in jener Nacht schwer verletzt hätte, die Klinge wäre wohl sauber gewesen, nicht unbedingt der Griff mit dem Tuch. Wäre es nach dem Double Event gleich in den Morgenstunden gefunden worden, sähe das alles anders aus. Es lag aber erst gegen Mitternacht des folgenden Tages dort. Selbst wenn er vorhatte, es verschmutzt zu entsorgen, hätte er damit ein Stück laufen müssen, soweit wie möglich von dieser Nummer weg, so weit wie möglich vom Versteck entfernt. Vielleicht war das auch so aber das minimiert Levy, er würde es nicht vor Johns Tür ablegen. Irgendein unmögliches Szenario ist immer möglich, selbstverständlich aber desto mehr man auf diese Art formuliert, umso schwächer in der Wahrscheinlichkeit. 

Ein Metzger, der ein Lieblingsmesser hat, würde es vielleicht nicht gerne wegwerfen wollen, auch wenn er damit gerade ein Verbrechen begangen hat (und schon gar nicht einer, der sowieso schon knapp bei Kasse ist). Also macht er die Klinge vorübergehend stumpf, denn dann kann er behaupten: "Mit dem Messer hätte ich niemanden aufschlitzen können, gucken Sie mal, das schneidet gar nicht mehr richtig." Später hätte er es ja wieder schärfen können. Und etwas dreckig zu bekommen, damit es unbenutzt aussieht, ist ja auch kein Problem.

Das Messer war nicht nur einfach dreckig, sondern voller Blut. Die Klinge zeigte Blut, es wäre aufgefallen, wenn nur die Schneide frisch geschliffen worden wäre. Das er nun noch die stumpfer gemachte Schneide wieder mit Blut beschmiert, nun, da wollen wir diesen Tätertyp nicht allzu viel Geist zuordnen. Genauso wusste er nicht, ob er identifiziert werden kann, da nützt es auch nichts, wenn er sich hinstellt und sagt: Schaut mal, viel zu stumpf! Es wurde nur stumpfer gemacht, nicht vollkommen stumpf. Du unterstellst diesen Tätertyp als jemanden, der absichtlich Haken schlägt, falsche Fährten legt und sich überlegt, sein Messer nach den Taten des Double Events stumpfer zu machen, als jemanden, der überlegt denkt. So war Jack the Ripper aber nicht. Wenn die Ärzte meinten kürzlich stumpfer gemacht, dann meinten sie sicherlich nicht nach 2.30 Uhr in der Nacht des Double Events. So etwas hätte wohl jeder erkannt.

Ich habe ja auch nie behauptet, dass er die Hauptstraßen immer gemieden hätte. Ich hatte lediglich für die konkrete Situation angemerkt, dass er wohl auf dem Hinweg die verstärkte Polizeipräsenz gesehen haben könnte, und ihn das dazu brachte, über eine ungefährlichere nördliche Route abzuhauen, anstatt direkt auf die Polizisten zu.

Arthur, PC Harvey war das letzte Mal um 1.20 Uhr an der Ecke, PC Watkins um 1.30 Uhr im Mitre Square. Auf PC Holland muss das gleiche zugetroffen haben (ca. 1.20-1.30 Uhr), die Beats dauerten in der Regel 20-30 Minuten. In der Zwischenzeit enterte Eddowes mit dem Ripper den Mitre Square. Halse und Co. waren in Zivil unterwegs, es war der Sinn, nicht sofort erkannt zu werden. Über bleibt evtl. ein PC auf der Aldgate High Street in östlicher Richtung. Er konnte nicht viel Polizei auf dem Hinweg gesehen haben. Er wusste mit Sicherheit, dass er nur ca. 20 Minuten hatte, (und das maximal) bis beide PC wieder erscheinen würde, Watkins am Eingang Mitre Square, Harvey über die Church Passage. Er würde sie hören, wegen ihrer schweren Stiefel. Von Lawende und Co., wurde Eddowes und ihr Begleiter am Eingang zur Church Passage um ca. 1.30 Uhr gesehen. Zeitdruck war sicherlich da, bis er Eddowes in der Ecke hatte, es musste schnell gehen, wie immer. PC Harvey hätte ihm weniger gestört, er mordete dort, wo Watkins hätte ihm gleich greifen können. Auf die Minute genau, konnte der Ripper die Bewegungen der PC sicherlich nicht einschätzen, aber da er weder Watkins, Harvey noch Holland gleichzeitig gesehen haben konnte, hoffte er wahrscheinlich, dass sie gerade alle weg waren. Wenn er ca. 10 Minuten für alles brauchte, musste er aber auch damit rechnen, dass Watkins und Harvey gerade nördlich routieren. Als er sie dann hörte, hören musste, Harvey zuerst, konnte er annehmen, dass auch Watkins bald wieder im Square erscheint. Das heißt, er wusste, nördlich ist nun frei. Er hätte dann schnell die Mitre Street hochmachen können oder eben durch die Church Passage, denn da war Harvey gerade mit durch, Orange Market sowieso. Nördlich war weiterhin frei, Church Passage war nun wieder frei, da hätte er, wäre etwas am Eingang zum Orange Market gewesen, auch hoch in den Norden gehen können. Das passierte aber alles nicht unmittelbar, er reizte es dort aus und kam nicht weg aus der Ecke. Dann kam Morris noch ins Spiel, der stand alsbald auf der Aldgate und trillerte mit seiner Pfeife was das Zeug hielt und schwang dazu seine Lampe, Harvey und Holland kamen ihm zur Hilfe, Watkins war im Square und dennoch wartete der Ripper dort irgendwo, wo auch immer, bis Halse kam bzw. kurz vorher. Diese Aktion auf der Aldgate ist ein Fakt. Er könnte als Grund angenommen werden, warum es zur Verzögerung seiner Flucht kam. Der Mann hatte ein Messer bei sich, blutverschmierte Kleidung, ein Schürzenteil des Opfers und Organe. Sein Ziel konnte nur sein: Ab nach Hause! Der Weg hätte ihn versperrt sein können und ein Grund wäre der gewesen, dass es in seine Richtung gerade hektisch wurde. Die Ursache könnte er selber gewesen sein in seiner Rage in jener Nacht, eine chaotische Situation gab es für ihn schon einmal in jener Nacht, nämlich die in der Berner Street. Er hätte es noch mehr ausgereizt haben können als bei Stride. Diesmal wieder nur Kehlschnitt? Ich denke, dass wollte er nicht.   

Blenkinsop war ja nur ein Beispiel. Wer kann schon wissen, wen JTR da noch sah, der ihm vorerst den Weg über den St. James Place versperrte? Über eines sind wir doch einig: Wenn der nördliche Weg frei gewesen wäre, wäre JTR wohl sofort darüber verschwunden. Aber wenn die Person, die erst nach Ankunft der Polizei über die nördliche Route Richtung Osten verschwand, doch JTR war, dürfte er vorübergehend festgesessen haben.

Wir erkennen nichts nördlich an Schwierigkeiten, was nicht heißt, dass es nicht welche gab.

Ja, er flüchtete definitiv über die nördliche Route nach Osten - aber wie du darauf kommst, dass er danach in der Goulston Street eine südliche Richtung einschlug, erschließt sich mir nicht.
Es gab mehrere Möglichkeiten für JTR, in die Goulston Street zu kommen und die Schürze abzulegen: Er konnte nach Norden über die Wentworth Street oder aber ein Stück weiter südlich durch die New Goulston Street laufen. Von der Einmündung Stoney Lane aus war beides gleich weit - eine 1:1 Wahrscheinlichkeit. Wenn JTR südlicher durch die Gravel Lane, Ellison Street und New Street (dieses Häusergewirr zwischen Stoney Lane und Hutchinson Street) in die Middlesex Street rannte, war New Goulston Street näher, und er lief dann auch nicht an der Stoney Lane vorbei, wo eventuelle Verfolger ihn schon von weiten hätten sehen können. Macht für mich zusammen eine 2:1 Wahrscheinlichkeit für New Goulston Street.
Und nur wenn er von der Wentworth Street kam, lief er durch die Goulston Street in südliche Richtung. Wenn er aber über die New Goulston Street kam, lief er dem Ablageort der Schürze zufolge nach Norden.
Letzeres erscheint mir logischer, weil dies wegen der Seitenstraßen JTR die Möglichkeit eröffnete Haken zu schlagen - während eine Flucht durch die Goulston Street nach Süden für ihn eine lange gerade Strecke ohne Abzweigungen bedeutet hätte: Verfolger hätten ihn auch auf größere Distanz sehen können, und es hätte die Gefahr bestanden, dass von der Whitechapel Road Polizisten  gekommen wären, denen er nicht ausweichen konnte.

Nun, welche Richtung aus der Goulston Street nahm den Jacob Levy, wenn er zum Shop von John auf der Whitechapel Road wollte? Irgendwann musste in diesem Szenario auch Levy in Richtung Süden. Wo sind die Anzeiger für Levys erneuter Bewegung nach Westen, wenn er zurück in die Middlesex Street wollte? Der Täter verlor knapp 500m entfernt vom Tatort das Schürzenteil. Das zeigt erst einmal einen flüchtenden Täter, jemand der sich entfernt. Solches Verhalten bindet niemanden an die Adresse um Levys Shop herum. Wenn Levy durch die New Goulston Street lief und runter in die Whitechapel Road wollte, warum ging er dann erst wieder Richtung Norden?

Laut Sagar, hörte man seine Schritte bis zum Kings Block in Stoney Lane. Wir müssen annehmen, dass er durch Stoney Lane lief. Sagar sprach auch in der Mehrzahl über die gummibesohlten Beamten. Nun werden diese Beamten nicht im Rudel gerannt sein, sondern eher, wie Halse, alleine. Vielleicht auch mit der Absicht, ihn irgendwie einzukreisen oder abzufangen.

Es ist aber in der Tat so, du wirst es bemerkt haben, dass Foster im Inquest die Wentworth Street, bei seiner Karte der schnellsten Route, ausgelassen hatte:

"It is the nearest route that anyone unaccustomed to it would take it - There are 2 routes to Goulstone Street one from Church Passage through Duke Street crossing Houndsditch through Gravel Lane, Stoney Lane crossing Petticoat Lane (Middlesex Street) and through to Goulstone Street."

New Goulston Street wird ebenfalls nicht erwähnt, wurde aber zeitweise nur als Goulston Street (nördliche Verlängerung jener Straße) beschrieben. So könnte es auch für 1888 gegolten haben. Dann beschrieb Foster die kürzeste Route eben einschließlich jener "New" Goulsten Street. Und das ist was ich immer zusammenfassend meine, dass der Täter Stoney Lane verließ, um in die New Goulston Street/ Goulston Street einzubiegen, dazu musste er sich südlich halten, entweder via Middlesex Street in die Goulston Street oder auch von der Wentworth Street in diese Straße. Falls er dann durch die New Goulston Street ging, gab es natürlich noch einen kurzen Schwenger in die nördliche Richtung, lag vielleicht an PC Long. Sie verloren seine Spur in Stoney Lane, bis dahin verfolgten sie ihn ausschließlich nördlich. Plötzlich, nachdem in Stoney Lane Schluss ist, gibt es eine Wende Richtung Süden, 7,8 Hausnummer in der Middlesex Street vorbei in die New Goulston Street hinein oder aber das Einbiegen via Wentworth Street in die Goulston Street. Halse enterte die Goulston Street über die Route Middlesex Street/ Wentworth Street. In der Wentworth Street sprach er noch zwei Männer an. Seine ganz genauen Bewegungen und die seiner Kollegen kennen wir nicht. Aber es sollte klar sein, dass der Ripper nahe Stoney Lane einen Schweng nach Süden machte, entweder die Middlesex Street runter bis zur New Goulston Street oder von der Wentworth Street rein in die Goulston Street und das offenbar bei Verfolgung. Er flüchtete nicht weiter geradeaus oder weiter nördlich. Wir wissen nicht, ob er ursprünglich die Middlesex Street weiter herunter wollte, vieleicht bemerkte er jemanden wie Halse und ging durch die New Goulston Street und traf dann auf PC Long, der vielleicht aus südlicher Richtung kam. Von Halse und Long wissen wir, dass sie beide ziemlich gleichzeitig in der Goulston Street waren. War ihm in der Goulston Street der südliche Weg versperrt, hätte er eben wieder in die nächste Straße, der Old Castle Street/ Castle Alley eingebogen sein, um diese Richtung Süden abzugehen. Dieser Täter war auf der Flucht, wir sehen ihn nordöstlich fliehen, wir sehen Tendenzen in die südliche Richtung als er aus Stoney Lane kam. Dazu eben auch, dass er aus südlicher Richtung zum Tatort Mitre Square kam, und noch südlicher, der erste Tatort aus jener Nacht in der Berner Street.

So interpretiere ich die gesamten Ereignisse der Nacht, trenne den ersten Mord in der Berner Street nicht vollständig vom zweiten im Mitre Square. Für beide Morde brauchte er keine Stunde und er legte auch dabei keine riesigen Distanzen zurück. Er kam aus südöstlicher Richtung und verschwand in nordöstlicher Richtung. Irgendwo dazwischen könnte seine Unterkunft gewesen sein. Das zielt erst einmal nicht auf Levys Adresse in der Middlesex Street hin. Gut in das Szenario passt allerdings John Levys Adresse. Das gefundene Messer ist spannend, wirft aber auch Fragen auf.

Ich wiederhole mich da, es geht mir nicht darum, Levy herauszuboxen, dafür ist er viel zu passend im Gegensatz zu den meisten anderen. Meine Ansichten, Beurteilungen und Beobachtungen sind in den meisten Fällen meine Interpretationen, sie haben keinen Anspruch auf Richtigkeit. So verlockend es auch ist, man kann nicht sagen: Jacob Levy-Butcher- Butchers Row- Sagar- Cox- Stone- von der Berner Street eher in Richtung Adresse in der Middlesex Street-Mitre Square und dann ab in seinen Shop- kann nicht nördlich fliehen- schlägt Haken, legt falsche Fährten- nach der Goulston Street zurück in die Middlesex Street- als Alternative ab in das Versteck bei John Levy- stumpft Messer und legt es nahe des Verstecks ab= Jack the Ripper, ohne das alles genau zu hinterfragen und dabei möchte ich allgemein behilflich sein. So geht es mir mit Levy aber eben auch mit anderen, vor allem mit Kosminski. Theorien, Hypothesen und Szenarien, muss man dazu entwickeln, sonst kann man das nicht vestehen, das ist klar.

Mir fällt es aber schwer zu verstehen, warum Du Levy unbedingt nördlich fliehen sehen willst. Einerseits siehst Du ihn möglicherweise in der Adresse von John Levy, Shops des Nachts besetzend, Sauftouren machen, nicht daheim wohnend und in der Butchers Row aber dabei, im Mitre Square, soll er unbedingt in die Richtung seines eigenen Shops vorsätzlich geflohen sein und das mit Verzögerung und keinen bekannten Störungen, obwohl die Musike diesbezüglich südlich auf der Aldgate spielte, aus der Richtung, aus der er kam. Klar ging die schnellste Route in seine Richtung aber eben auch daran vorbei, bis wenigstens in die Goulston Street. Was, wenn wir morgen herausfinden, dass Levy im September/ Oktober 1888 bei Bosman in der Butchers Row angestellt war und dort auch wohnte? Wollte er dann immer noch nördlich fliehen oder musste er dann? Foster schlägt sogar die Church Passage als ersten Fluchtweg vor. Auch hier hätte der "PC am Mitre Square", seine Beobachtung an einer "schwach beleuchteten Straße" gemacht haben können. Dieser Eingang ist sehr nahe an der Aldgate, führt aber auch hoch in die nördliche Richtung. Die hätte er dann auch nehmen können, falls ihm jemand entgegenkam und er nicht auf die Aldgate gelangte. Somit wäre auch der Orange Market ein Ort gewesen, an dem er sich hätte verstecken können, bis er bemerkt worden ist und die Flucht ihren Lauf nahm. Was ich sagen will ist, dass es doch einige Möglichkeiten gab, dort nicht wegzukommen, im Square, in den Straßen drumherum, im Orange Market oder einem Yard oder in einer Abfolge all dieser und das es am Ende nur Roulette war, wohin es ging.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 12.07.2017 12:55 Uhr
Hallo Arthur!

Der Zufall half. Gerade wurde Foster´s Karte diskutiert und ein Ausschnitt daraus (Bereich des Wohnhauses) gezeigt. Ich fand die komplette Karte.

Auf dieser Karte, wurde die kürzeste Fluchtroute bis zur Goulston Street beschrieben. Es ist die dicke Linie. Sie führte durch Stoney Lane. Die dünne Linie, so vermute ich, zeigt die zweite kürzeste Route in die Goulston Street aber wahrscheinlich, wegen den Aussagen über Stoney Lane, war diese weitaus weniger relevant.

Interessant ist, dass die dicke Linie in der Duke Street noch nach Süden zeigt, kurz bevor sie in die Aldgate münden würde. Ich weiß es natürlich nicht aber hier, an dieser Stelle, könnte die Sichtung des PC am Mitre Square eine Rolle spielen, natürlich auch die Aussagen von Cox ("It was not easy to forget that already one of them had taken place at the very moment when one of our smartest colleagues was passing the top of the dimly lit street"/ PC Harvey war ein Streifenpolizist und wurde im Juli 1889 entlassen, er war sicherlich nicht einer der klügsten Kollegen) und Sagar ("A police officer met a well-known man of Jewish appearance coming out of the court near the square" und "and just before her body was discovered a police-constable met a man of Jewish appearance hurrying out of the court").

Die erste Route führt durch die New Goulston Street, dafür entschied man sich, obwohl DC Halse via Wentworth Street in die Goulston Street einbog.

Für die Erstellung, wurde eine Karte von 1873 genutzt, die Wentworth Wohnblöcke waren da noch nicht errichtet. Bei einer Vergrößerung, würde man in der Nähe des Eingangs mit dem Schürzenteil eine Lampe erkennen. Es wurde so markiert. Sie muss 1873 noch nicht dagewesen sein aber auf jedenfall 1888. Diese Lampe brachte etwas Licht in den Eingang, wo man das Schürzenteil und die Schrift fand. Dennoch gehe ich davon aus, dass die Polizei dachte, der Täter hätte sich aus der Stoney Lane südlich verabschiedet, in die New Goulston und Goulston Street hinein. Die Lampe dort, hätte dazu geführt haben können, dass er einen Eingang wählte, zum Verstecken, in dem auch etwas Licht einfiel, wenn auch nicht viel.

Es könnte implizieren, dass Jack the Ripper, via Church Passage, auf die Aldgate wollte aber kehrt machte und die Duke Street nach Norden hinaufging. Vielleicht war der Grund der "one of our smartest colleagues" also einer der Leute von Halse, ein Polizist in Zivil, wann auch immer das geschah. Ging der Ripper nördlich die Duke Street hoch, dann war er am "Orange Market", dem St. James Place. Auch hier gab es Sichtungen bzw. jene zwei Zeugen. Auch würde das zu den "Watchboy" Aussagen passen (alles noch einmal in ein paar Posts zurück nachzulesen).

Ich sehe die Wahrscheinlichkeit nicht als gering an, dass einer der Zivilpolizisten das Pärchen vor dem Mord auf dem Weg zum Mitre Square beobachtet hatte, vielleicht auch mit Abstand gefolgt war, sie am Eingang zur Church Passage hinter sich ließ, wo dann Lawende und Co. Augenblicke später ihre Sichtung machten und dieser Zivilpolizist dann Blenkinksop im Orange Market fragte, ob er hat einen Mann und eine Frau durchkommen gesehen hat. Dieser Zivilpolizist hätte danach wieder die Duke Street hinuntergehen können, bis an die Ecke zur Aldgate und dem Täter wäre dann der Weg auf die Aldgate verbaut gewesen. Sie hätten sich bemerkt und der Täter machte kehrt. Er hätte vom Zivilpolizisten verfolgt worden sein können, bis zum Orange Market, vielleicht war er einer der beiden "Zeugen" dort. In den folgenden Minuten, passierte eben alles das was passierte und dieser Zivilpolizist bekam es mit und er wusste, sein Mann enterte den Square und kam auch wieder heraus und war immer noch in der Nähe, er war in seinen Schritten auch hörbar. Jetzt war es an der Zeit ihn festzusetzen und die Jagd began.

Bei allem sollten wir auf dem Schirm haben, dass Sagar uns eigentlich über die verzögerte Flucht berichtet, denn es waren Halse und Co., die offenbar die Vefolgung aufnahmen. Sagar gab zwar einmal einen Police Constable und dann aber auch wieder einen Police Officer an, davon sollten wir uns also nicht abbringen lassen.

Aber Sagar setzt uns den verfolgten Mann auch in die Butchers Row und die war via des Duke Street Ausganges in wenigen Augenblicken erreichbar. Sieht man ja auch auf der Karte, den diese Butchers Row war an der roten Linie am Ende der Aldgate schon wieder zu Ende. Wäre der Täter nicht in die New Goulston Street eingebogen, dann hätte er nur die Middlessex Street weitergehen müssen, um den ersten Shop der Butchers Row zu erreichen. Fast genauso gilt das für die Goulston Street.

Für Sagar braucht man keinen Namen, keinen Levy und keinen Kosminski. Sein Verdächtiger war in der Butchers Row, direkt erreichbar über den Ausgang Duke Street oder via Umweg über die Middlessex Street/ Goulston Street. Das sein Täter auch südlich weg wollte, das sollte man mit einer 50:50 Chance wenigstens auf dem Schirm haben, meine ich.

Beste Grüße, Lestrade.   
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 13.07.2017 10:46 Uhr
Hi Lestrade!


Nun hast du mich mit deinem enzyklopädischen Wissen zum Fall fast erschlagen. :-)

Da ich ja die Theorie vom "Crazy Jewish Butcher" für die plausibelste halte und daher den Butcher's Row Suspect sehr ernst nehme, könnte ich die These von der verhinderten direkten Flucht nach Süden Richtung Butcher's Row und dem Umweg über die Goulston Street zurück zu seinem Refugium bei der Aldgate High Street ja eigentlich einfach begrüßen, weil sie genau zu dieser Theorie passt.

Dass ich mich dennoch innerlich etwas dagegen sträube, liegt einfach darin begründet, dass es mir aus psychologischer Perspektive nicht ganz schlüssig erscheint:
Die Vorstellung, dass JTR genau diesen Weg am Prostituiertentreff um St. Botolphs vorbei einschlagen würde, den er gekommen war, um eine Zuflucht in einer belebten Zone in unmittelbarer Tatortnähe aufzusuchen, widerstrebt mir - er hätte sich damit genau jenen potentiellen Zeugen wieder ausgesetzt, die seine Ankunft und seine Kontaktaufnahme mit Eddowes gesehen haben könnten, Leute, die ihn kannten hätten Fragen stellen können, wo er gerade herkomme oder wie er denn aussehe. Wenn er wirklich der Butcher's Row Suspect war, wäre die Wahrscheinlichkeit ausgerechnet auf diesem Weg sehr hoch gewesen, dass er von Zeugen wiedererkannt worden wäre, dass er von Bekannten angesprochen worden wäre bzw. dass er sofort in die Ermittlungen der Polizei geraten wäre.
Er wurde erst bei Stride fast erwischt, und dann wurde es bei Eddowes auch wieder verdammt knapp und er saß sogar vermutlich eine zeitlang fest, bevor er etwas Abstand zum Tatort gewinnen konnte - da scheint mir ein starker Fluchtreflex für möglichst großem Abstand zu den beiden Tatorten plausibler als eine Runde zurück in Tatortnähe.
Da wir ja von "he occupied several shops in the east end" ausgehen, habe ich daher bisher immer die These bevorzugt, dass die Flucht nach dem Eddowes-Mord tatsächlich über eine nördliche Route Richtung Osten war, raus aus Aldgate, weg vom Mitre Square und mit genug Abstand zur Berner Street, weil  er dort im Osten - auch wegen des Nichols-Mords - eine weitere Zuflucht hatte (du bist ja auch mal von einem Shop in der Nähe Brick Lane ausgegangen, wenn ich mich recht erinnere).
Ich versuche mir das psychologisch vorzustellen, dieses extreme Wechselbad der Gefühle in dieser Nacht, zwischen Allmachtsphantasien und dem Umschlag in Paranoia, als er fürchten musste, sich selber in eine Mausefalle manövriert zu haben. JTR war sicher kein mutiger Kämpfer, er überwältigte betrunkene, kränkliche ältere Frauen in einem Blitzangriff, er war eher ein Fluchttier. Und bestimmt hatte er das Bedürfnis, nach dieser Nacht erst einmal wieder zur Ruhe zu kommen - ich glaube nicht, dass er wie ein eiskalter Psychopath einfach von einem Moment zum anderen wieder auf "normal" hätte umschalten können.

Daher habe ich bisher immer die These von der nordöstlichen Fluchtroute in ein ruhiges, abgelegeneres Versteck im Osten Whitechapels bevorzugt, obwohl ich seinem Lebensmittelpunkt um die Aldgate High Street ansehe. Für mich sah die Sache bisher immer so aus: Er wollte zwar ursprünglich einfach "nach Hause" zurück, entschied sich dann aber wegen des Verfolgungsdrucks anders.

Naja, ist wie gesagt nur ein Szenario, und das Brainstorming hier bringt mir immer wieder neue Details und interessante neue Ideen.


Die These mit dem Zivilpolizisten finde ich übrigens gut, sie würde einige Dinge erklären, z.B. den Typ, der Blenkinsop nach dem Pärchen gefragt hat, und die Andeutung, dass JTR fast erwischt worden wäre.


MfG, Arthur Dent

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 13.07.2017 13:28 Uhr
Hallo Arthur!

Ein Problem an der Sagar Theorie bezüglich Levy ist das, dass er den fliehenden Täter, mit dem Verdächtgen in der Butchers Row zusammenbringt. In seinen Ausführungen sagte er:

a police-constable met a man of Jewish appearance hurrying out of the court
A police officer met a well-known man of Jewish appearance coming out of the court near the square
A police officer met a well dressed man of Jewish appearance coming out of the court


Der “Police officer near the square”, könnte der “PC vom Mitre Square“ gewesen sein. Wir müssen uns aber der Realität stellen, dass dieser “PC“ einen Mann identifizierte, der als “Kosminski“ bezeichnet wurde. Er wollte ihn anhand der Größe und des Körperbaus wiedererkannt haben. Dieser “Kosminski“ war jüdisch. Dann wurde dieser “Kosminski“ auch noch von einem weiteren Zeugen, offensichtlich, zweifelsfrei im Seaside Home identifiziert. Die Angaben bei einem Aaron Kozminski, während dessen Einweisung, wurden von einem Jacob Cohen gemacht, einem Butcher. Kurz vor der Einweisung dieses Aaron Kozminski, war Sagar mit einer Observation in der Butchers Row, bzw. gegenüber, beschäftigt. Zu diesem Zeitpunkt war Levy bereits in Stone. Natürlich haben wir viele Fragenzeichen hinter Aaron Kozminski aber es erscheint sehr plausibel, dass Sagars Mann, der vom Mitre Square aus verfolgt wurde, jener “Kosminski“ gewesen zu sein schien, da Sagar eben sagte: A police officer met a well-known man of Jewish appearance coming out of the court near the square und das passt einfach zu allem, was wir über den PC vom Mitre Square wissen. Das müssen wir so in etwa anerkennen, hier bleibt kaum Raum für Levy.

Bei der Beurteilung der Fluchtroute, gehe ich von zwei Punkten aus, an denen der Ripper sehr wahrscheinlich Pausen einlegte. Der erste ist die Church Lane, der zweite die Goulston Street. In beiden Fällen, müssen wir davon ausgehen, dass der Ripper zunächst Richtung Unterkunft marschiert ist. Der Mittelpunkt zwischen diesen beiden Punkten, könnte das Zentrum sein, um den die meisten Morde stattfanden. Nahe an diesem Zentrum liegt der Tatort von Tabram. Die Kreuzung Wentworth Street/Old Montague Street/Osborne Street/Brick Lane wäre das Zentrum. Im Falle von “Kosminski“, könnte da einer der bestimmten Räumlichkeiten gelegen haben, die er, laut Angaben, nach Einbruch der Nacht nutzte. Der Rückzug in seine wahrscheinlichste Hauptadresse, die Greenfield Street, wäre des kommenden Morgens ohne weiteres möglich gewesen. Aber um ihn, soll es hier weniger gehen (auch wenn ich noch nicht ganz abbrechen kann) aber die Wahrscheinlichkeit, dass Sagar ihn meinte, ist alles andere als gering.  Als “gut bekannter Mann“, hätte er die Aufmerksamkeit eines Zivilpolizisten durchaus auf sich gelenkt haben können. Erinnere dich an Cox, der seinen Verdächtigen in Zusammenhang mit einem Kriminellentreff in der Leman Street brachte. Jack the Ripper wurde vielleicht beinahe am Mitre Square gefasst, weil er Kontakte zu einer Gruppe hatte, die wohlmöglich krumme Geschäfte machten. Da Cox explizit den Leman Street Shop erwähnt, hätte auch dieser in jener Nacht der Doppelmorde als Versteck für ihn hergehalten haben können. Er lag, wenn auch südlich, zwischen der Goulston Street und der Church Lane. Dazu kommt eben auch noch Joseph Hyam Levy´s Kontakte zu Martin Kosminski und wir wissen ja, es gab, bildlich gesprochen, nur eine Handvoll Kosminskis, die sich eben auch so nannten. Tracy hat sich gestern Abend noch gemeldet, wir haben länger gechattet, dazu gleich mehr. Aber vielleicht für dich gut zu wissen, Tracy tippt im Falle von Sagar und Cox auch mehr auf “Kosminski“. Ich habe ihr auch über unsere momentane Diskussion berichtet. Vielleicht sind unsere Beobachtungen hier für sie wichtig. Sie sagt, dass sie z.B. über die Polizeibewegungen nicht besonders im Bilde ist. Es ist mehr das Thema ihres Partners.

Du sprichst oft von einer belebten Szenerie auf der Aldgate. Ich meine, es war auch schon 1.30 Uhr des Nachts. Morris ging auf die Aldgate und sah niemanden, deswegen machte er ja so einen Terz. PC Watkins und PC Harvey erwähnten nicht, dass sie zum gleichen Zeitpunkt jemanden auf der Aldgate sahen, nur dann eben alsbald beide den Morris. Die Aldgate Station hatte schon geschlossen, DC Halse und Co., da wissen wir nicht, ob sie bereits um 1.45 Uhr da gestanden haben, wo sie um 1.58 Uhr gestanden haben. Natürlich hatte der Ripper Blut an sich, dass hatte er auch, als er den Hinterhof in der Hanbury Street verlassen hatte, beim Hellwerden. Am Mitre Square war es noch dunkel. Und wenn sein Ziel die Butchers Row war oder die Leman Street, die paar Meter auf der Aldgate hätten diesem Mann nichts ausgemacht. Ich erinnere noch einmal an die Berner Street in derselben Nacht. PC Smith war gerade vorbei, dann war Schwartz hinter und neben ihm, dann Pipeman vor ihm, von Diemschütz will ich gar nicht reden und dann lässt er sich danach noch wahrscheinlich in der Church Lane beobachten, wie er sich die Hände säubert. Man sollte das alles nicht unterschätzen, wenn man ihn weg von der Aldgate halten will, dafür gibt es vermutlich kaum Gründe.

Hängt Sagars Mann mit der Sichtung des PC vom Mitre Square zusammen, und das könnten wir begründen, dann ist Levy raus, außer, er war dieser “Kosminski“. Aber auch hier wieder das Problem, dieser “Kosminski“ war ein Ausländer, der aus Polen stammte. Das trifft auf Levy nicht zu. Ein mögliches Szenario ist das, dass dieser “Kosminski“ am Shop von Levy in jener Nacht vorbeilief und vielleicht auch, ein regelmäßiger Besucher des Bordelles bei John Levy in der 254 Whitechapel Road war. Hier könnten wir wieder Zusammenhänge zu den erwähnten, möglichen kriminellen Aktivitäten sehen. Wir dürfen nicht vergessen, dass diese ganze Area Mitre Square als auch die Middlesex Street der gesamten Levy Familie war. Der wahre Täter lief in jener Nacht sehr wahrscheinlich an eine Menge Adressen dieser Familie vorbei aber dazu auch noch gleich mehr. Für Jacob Levy, den wir später als Butcher und in Stone finden, vorbestraft, mit seinem Cousin Jospeh Hyam Levy, mag das ein unglaubliches Pech sein aber vollkommen unmöglich? Auch zu Joseph Levy gleich noch mehr. Ich komme noch einmal auf das Messer zurück, zu dem ich ja viele Fragen stellte. Ich dachte, du hättest folgende Antwort parat: Der Täter könnte mehr als ein Messer gehabt haben! Ich persönlich halte das für sehr wahrscheinlich. Jemand der zufällig zum Aufrichten des Pferdes vor der 253 Whitechapel Road aufgefordert wird, hätte es, unbemerkt, verlieren können.

Ich denke, für uns ist es wichtig, dass wir uns nicht nur in der Breite aufstellen. Wir wollen doch kein Trevor Marriott sein, der, sobald es in die Tiefe geht, keine logischen Antworten geben kann. Im Falle von Jacob Levy, der schwierig zu beweisen ist, sollte Christer Holmgren uns Vorbild sein, nämlich auf weniger wahrscheinliche Verdächtige, gründliche Antworten in der Tiefe zu geben. Selbstverständlich gilt das auch für “reale“ Verdächtige, wie “Kosminski“.

Tracy hat noch Informationen, die Jacob Levy ganz direkt betreffen. Diese spart sie sich natürlich für das Buch auf. Ich nutzte die Gelegenheit und sprach sie auf die Familien der Butchers Row Metzger an. Diesen ist sie noch nie nachgegangen. Wir haben uns geeinigt, dass sie uns, mit Bosman beginnend, helfen wird. Da das auch für sie zeitlich knapp ist, müssen wir etwas Geduld an den Tag legen.

Folgende Informationen, darf ich mit Tracy I´anson´s Erlaubnis weitergeben:

Flora Abrahams, geb. gegen Ende 1867. Sie heiratete Lazarus Harris im Jahre 1898. Beide hatten mindestens 5 Kinder:

1911, 73 Ely Terrace

Barnett Harris geb. 1899
Abraham Harris - 1900
Deborah Harris -1904
Mark Harris - 1905
Simmy Harris -1910

Vater Isaac lebte als Witwer bei ihnen.

Sie starb am 6. April 1937 in Bancroft Lodge. Sie hinterließ alles Harris Abrahams (vermutlich der Sohn). Das waren u.a. £188 15s 6d.

1871, 4 Bull Court

Isaac Abrahams 45 years old (he's actually stated as General dealer here) born Prussia
Phoebe Abrahams 34 born Austria
Sarah - 14
Ancestry has transcribed this as Mathew but it's actually Nathan - 13
Samuel - 7
Rachel - 9
Myer - 5
Flora - 4
Abraham - 2
Michael - 6 months

All the children were born in Spitalfields Middlesex.

1901, 1 Ely Terrace Mile End Old Town

Isaac Abrahams 68 Tailor born London Parish unknown and blind
Phoebe Abrahams 65 Austria b.s (notice how her age fluctuates through the years!)
Nathan 42 Tailor born Birmingham
Phillip 22 Boot clicker born Spitalfields london
Caroline Levy Grandaughter (Jacob and Sarahs daughter) 12 born Spitalfields London.

Die Census Einträge von 1881/1891 haben wir ja bereits.

Schulanmeldung Flora (Geburtsdatum und Eintrittsdatum wurden offenbar verdreht)

Left 02/1880

Flora Abrahams born 23/05/1887 father Isaac Abrahams
admitted 05/1873 4 Ball court
left 05/1875 - reason another school

Schulanmeldung Myer:

Myer Abrahams born 29/04/1872 father Isaac Abrahams
admitted 05/11/1878
4 Bull Court pl
left 03/11/1874 cause illegible

Tracy war der Geburtsname Levy, von Sarahs Mutter, bisher auch nicht bekannt. Darüber hat sie sich sehr gefreut.

Nun noch einmal zurück zu Joseph Hyam Levy:

Scott Nelson, u.a., fand folgendes heraus (hoffe es ist korrekt und immer noch aktuell)

Joseph Hyam Levy hatte eine Menge Angehörige von Mitte der 1800er Jahre an, die in der Mitre Street, im Orange Market (St. James Place), der Duke Street, der King Street und der Bury Street sowie der ganzen Gegend dort lebten. Der waren außerdem eine Menge Obsthändler mit Namen Levy in den Nummern 3, 8, 16, 17, 21, 23, 24 und 29 der Mitre Street. Im Orange Market waren fast alle der Orangenhändler Leyys.  Im Laufe der 1880er, gab es Levys auch immer noch in den Nummern 2, 2 1/2, 4 und 7. In der Nummer 4, war Esther Levy (geborene Green) Joseph Hyam Levy´s Schwägerin, eine Textilhändlerin. 1889 ging Sie von dort weg, sie teilten bereits vorher die Räumlichkeiten mit Krämern. In der Mitre Street gab es in den 1840/1850ern noch einen Onkel von ihm, Samuel Levy. Der war Orangenhändler in der 17 & 23 Mitre Street und zog danach in die 39 Middlesex Street zu Hyam Levy (Joseph Hyam Levys Vater)/ 36 Middlesex Street. Von 1888 an, war Samuel Levy wieder zurück in der Mitre Street, Nummer 20, als Orangenverkäufer. Vielleicht gab es da noch zwei weitere Onkels von ihm, Nathan und Moses Levy, die zu jener Zeit dort als Orangenhändler arbeiteten. Besetzt hatten sie die Nummern 16, 17 und 23 Mitre Street. Die Räumlichkeit in Nummer 17, wurde dann geteilt mit Samuel Levy. Die Eltern dieses Samuel Levy hießen Ann und Barnet Levy. Da waren noch die Geschwister John, Lewis und Fanny. Mitte der 1880er, lebten alle noch, mit Samuel, in der 29 Mitre Street, die Eltern waren Zigarren und Orangehändler. Bis auf Fanny, die kurzzeitig in der 24 Mitre Street lebte, waren 1888 alle Kinder ausgezogen. Lewis Levy lebte 1891 in 5 Sion Square (und war somit Nachbar von Woolf Abrahams, Aaron Kozminskis Bruder). In den 1860er lebte er noch in der Nummer 8 Mitre Street. Dahinter wurde Eddowes ja gefunden. Der John Levy von Ann und Barnet Levy ist ja unser Mann in der 254 Whitechapel Road, zur Zeit der Morde lebte seine Schwester immer noch in der 29 Mitre Street, wo er ja auch früher lebte. Samuel Levy war 1888 dann wohl auch wieder zurück, wie erwähnt, in der Nummer 20. In den 1870/1880ern, gab es einige Hyams, Lyons and Lewis dort, alle Obsthändler. Sie nutzen die Räumlichkeiten in den Nummern  17, 19, 21, 24, 25, 29, 30 und 34 Mitre Street. Die waren alle verwandt mit Amelia Levy (geborene Lewis), der Frau von Joseph Hyam Levy. Ihre Opa, Vater und Onkel, Henry Lyons, Phillip Lewis und Isaac Lyons, waren Orangenhändler in der 19, 21 und 24 Mitre Street. Ihre Mutter Nancy Lewis, findet man im 1881er Census in der Nummer 17 zusammen mit ihren Söhnen Henry und Moss Levy, Juwelier und Fruchthändler. Moss Lewis, Bruder von Amelia, lebte dort auch noch in der 17 Mitre Square in 1891. Er hatte die Tochter eines Orangenverkäufers aus dem Orange Market geheiratet, Rachel Joseph. Henry Lyons, ein weitere Onkel von ihr, arbeitete bis 1889 als Orangenverkäufer in der Nummer 24. Diese wurde dann von einer Fanny Hyams, mit ihren zwei Söhnen Barney und George Hyams, sowie von ihrem Schwiegersohn John Abrahams und dessen Familie übernommen. Amelia hatte noch zwei Tanten, Mary (Frau von Amelias Onkel Nathan Lyons) und Amelia Lyons, sie arbeiteten als Orangenhändler in den Nummern 30 und 34 in den 1880/1890ern. Diese Mitre Street Häuser standen alle auf der Südwestseite dieser Straße.

Jacob Levy, hätte beim Verlassen des Mitre Squares, via Mitre Street, auf das Haus von Amelia Lyons geschaut und evtl. wäre er auch am Haus von Mary Lyons vorbeigegangen, beides Verwandtschaft. Dazu kommt in dieser Straße noch weitere erwähnte Verwandtschaft.   

Wir können direkt Jacob Levys Familie verfolgen, wir haben neue Erkenntnisse über die Familie seiner Frau Sarah (und gerade wieder neue). Wir haben Kenntnisse über Joseph Hyam Levys Familie und die seiner Frau Amelia.

Das ganze Areal Mitre Square war Levy Gebiet! Hätte Jacob Levy als Ripper so gehandelt? Vor den Wohnungen seiner Familie gemordet, sich bis vor seiner Wohnungstür verfolgen lassen und dann noch seine Spur bei John Levy in der Whitechapel Road hinterlassen, egal ob vorsätzlich oder nicht?

Ich sage ja, hätte er als Ripper!

Eine andere Frage lautet aber auch: War es dem Ripper überhaupt möglich, nicht nicht irgendwo bei einem der Familienmitglieder vorbeizugehen?

Hätte schwierig werden können!

Er hätte das ganze Areal sehr gut gekannt haben können, nein, müssen. Wenn nicht Jacob Levy, wer dann, hätte sich hier eine Weile so gut verstecken können?

Nun, jeder der das Gebiet einigermaßen kannte. Für den Ripper sollte alles um die Tatorte herum, vertraut gewesen sein. Jacob wäre allerdings Kategorie 1A.

Warum war der Zeuge Joseph Hyam Levy so zurückhaltend? Weil er seinen Cousin Jacob sah, oder jemanden aus der Familie seines mutmaßlichen Freundes Martin Kosminski?

Nicht beides auszuschließen!

Eine weitere Antwort wäre:

Dieses Gebiet, Mitre Square und Umgebung, war ihnen, Joseph und Amelia, aufgrund ihrer Familiengeschichte, mehr als vertraut. Es bedeutete Heimat. Einige aus der Familie waren direkt vom Mord dort betroffen, die Leiche lag nur wenige Meter von ihnen entfernt. Sie werden befragt worden sein. Joseph bemerkte sogar den Mann, den mutmaßlichen Mörder, als er an dieser so vertrauten Stelle vorbeiging. Zu seiner Verwandtschaft hätte er sagen können, dass er den Mörder sah, auch er war involviert. Das ihn diese Ereignisse mitgenommen haben könnten, weil er zu weit damit persönlich in Berührung kam, könnte auch erklären, warum er am Ende damit nichts zu tun gehabt haben wollte und vermeiden wollte, nun auch noch vor der Anhörung auszusagen. Theoretisch hätte der Ripper auch noch an seinem Wohnort in der Hutchinson Street vorbeigegangen sein können, denn der lag an der Middlesex Street, gerade dann, wenn der Täter in die Butchers Row wollte und es schaffte, nach der Goulston Street, wieder auf die Middlesex Street zu gelangen. So verrückt es klingt aber auf diese Weise wäre Joseph Levy sogar zweimal in dieser Nacht mit dem Ripper in Berührung gekommen und dazu noch einmal zu meiner Frage, konnte der Ripper Levys überhaupt ausweichen auch wenn er selber keiner war?

Lief er vielleicht nicht schon an der Adresse von John Levy in der 254 Whitechapel Road vorbei, nachdem er Nichols ermordet hatte? Lief er nicht schon Sarah Levys Eltern an der 5 Old Montague Street vorbei, als er Chapman ermordet hatte? War dann die Middlesex Street bei Jacob Levy nicht dann schon "logisch" nach den Morden an Stride und Eddowes?

Jeder mögliche Mörder, hätte an diesen Adressen wahrscheinlich vorbeigemusst, nicht nur Jacob Levy!

Vieles hängt hierbei vom Sagar Verdächtigen ab! Aber seine Schilderungen am Mitre Square, müssen wir mit dem PC vom Mitre Square in Verbindung sehen und der wollte zumindest Kosminski als den Mann wiedererkannt haben, äußerlich, den er am Mitre Square sah.   

Wir lesen hier ja auch den Namen Hyams. Tracy gab mir noch Infos, die wohl einst über Rob Clack und Debra Arif kamen. Dabei geht es um Hyam Hyams, als Verdächtiger auch schon bearbeitet. Der Hyam Hyams, welcher in eine Anstalt kam, hatte nichts mit dem aus der Mitre Street zu tun (und somit nichts mit der Levy Familie). Der Hyams aus der Anstalt, wurde als “the terror of the City of London Police” beschrieben. Das ist auch nicht richtig, richtig war: “in terror of the City of London Police”. Ich finde dennoch, dass dieser Hyam Hyams, der nicht aus der Mitre Street kam und nicht mit den Levys verwandt war, ein interessanter Typ ist. Wir haben da ja zwei Officers der City Police, Sagar und Cox und man weiß ja nie. Man müsste ihn sich noch einmal neu nähern.

Es ist überhaupt nicht meine Absicht, dich mit den Dingen zu erschlagen Arthur! Genau wie du, bin ich daran interessiert, die Dinge zu verstehen, die einzelnen Verdächtigen einzuordnen. Jacob Levy ist ein ernsthafter Kandidat, den es sich lohnt, auf Herz und Nieren zu prüfen. Ohne tiefers Wissen darunter, ist er für normal Interessierte einfach gut annehmbar. Hinterfragt man das gründlicher, dann wackelt so ein Kandidat auch schnell aber wo ist das nicht so? Wichtig ist, ihn nie aus den Augen zu verlieren, erfahren wir eines Tages, wen Sagar meinte (oder ähnlich relevante Dinge), dann wird entweder die Akte Jacob Levy geschlossen, falls er es nicht war oder aber, er geht in die Geschichte dieser Mordserie unauslöschbar ein. An diesem Punkt sind wir aber noch nicht.

Beste Grüße,

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 14.07.2017 13:32 Uhr
Vielleicht noch ein paar Anmerkungen zu meinem letzten Post:

Sagar:

"A police officer met a well-known man of Jewish appearance coming out of the court near the square"

Major Griffiths:

“A Polish Jew, a known lunatic who was at large in the district of Whitechapel at the time of the murders”

Es ist klar, dass Griffiths von Kosminski sprach.

Zu PC Watkins gebe es noch folgendes zu sagen:

“Earlier in the night of the 29th, PC 881 Edward Watkins of the City Police had just been informed by his beat Sergeant to work left handed. With 17 years experience Watkins would fully understand this request. In order to throw criminals and prostitutes who may have been timing and watching a Policeman’s beat, beat constables were sometimes ordered to work left handed. This meant that instead of his usual right turns“

Vielleicht hängt diese Anweisung eben mit DC Halse und seinen Kollegen zusammen. Da gab es mit Sicherheit in dieser Nacht eine Polizeiaktion und Halse koordinierte die Dinge. Gut möglich, dass er einen seiner Leute losschickte, als PC Watkins, Harvey und Holland gerade die Szenerie verlassen hatten und zwar Richtung Mitre Square. Es sollte klar sein, dass der Ripper zu jener Zeit mit Eddowes diesen Bereich betrat. Deswegen passt das auch zu den Beschreibungen über den “Watchboy“. Waren die PCs weg, dann hätte einer von Halse Leuten die Verfolgung dieses Pärchens aufgenommen haben können. Der Rest ist bereits geschrieben. Die Verfolgung erfolgte sicherlich in gebührenden Abstand ohne diesen Verdächtigen in das Gesicht schauen zu können und auch als dieser Verdächtige den Square wieder verlassen hatte, konnte der DC/DS diesen wieder nicht in das Gesicht schauen, aufgrund der Lichtverhältnisse. Ich kann mir gut vorstellen, dass man eventuelle Kriminelle in jener Nacht irritieren und sie zu Aktionen zwingen wollte, bei leicht veränderten Beats der PC, um dann inkognito zu agieren.

Ich hatte Scott Nelson mal vor einiger Zeit gefragt, wie er sich eigentlich den Shop in der Leman Street bezüglich Kriminalität vorstellt. Er sah zwei Möglichkeiten, einmal einen Schneidershop mit ein paar Angestellten oder aber einen Straßenhändlerladen mit einem Chemiker sprich Opiumproduktion. Cox sagte ja über diesen Shop, dass er bekannt war als Kriminellentreff und die Leman Street war nicht weit weg vom Mitre Square und der Butchers Row.

Unserem Tätertyp unterstellt man immer den Missbrauch von Alkohol und Drogen. Opium wäre natürlich in diesem Zusammenhang interessant.

Der Polizei hätte natürlich der mutmaßliche Ripper bereits bekannt gewesen sein können. Wenn wir uns nun einen Mann vorstellen, der etwas mit Opium zu tun hatte, wie kann man damit einen Zusammenhang zu den Shops oder Geschäftsräumen sehen, die er nachts oder nach Einsetzen der Dunkelheit, wohlmöglich alleine besetzte? War er an der Herstellung von Opium beteiligt? War das des Nachts seine Tätigkeit neben seiner normalen Arbeit? Falls er selbst Konsument war, wie wirkte sich dieser Konsum bezüglich seiner Taten aus? Wenn wir Jack the Ripper nach dem Herbst 1888 in einer Anstalt suchen, müssten wir dann nicht auch nach Einrichtungen schauen, die speziell solche Abhängigkeiten behandelte?

Wenn die Polizei nun einen Verdacht gegen bestimmte Männer hatte, die mit Opium zu tun hatten, hätte Jack the Ripper dazugehört haben können. Einen Mann, der ihnen gut bekannt war, auch als verrückt. Vielleicht tauchte genau jener Mann an der Szenerie Mitre Square auf, ohne ihn, aufgrund von Distanzen und Lichtverhältnissen, eindeutig identifizieren zu können aber von der Größe und Körperbau her, hätte er einer der bekannten Verdächtigen sein können. Vom PC am Mitre Square sagte man, dass er diesen Mann aufgrund dieser Beobachtungen danach wieder zu Gesicht bekam. Wir wissen ja, von einer Observation im Oktober 1888, die möglicherweise erst ein East End Krankenhaus betraf und dann noch einer Privatadresse. Das im Zusammenhang mit der Batty Street Lodger Geschichte. Hier könnte die City Police ihre Männer darauf angesetzt haben, wie dann auch später nach Kelly? Es gab keinen Mord mehr im Oktober und keinen mehr in dieser Art, nachdem Cox nach Kelly zur Observation angesetzt worden war. Die erste Observation im Oktober brach man alsbald ab. Aber genau zwischen beiden, fand der Mord, wahrscheinlich der letzte des Rippers, an Kelly statt.

Ich habe mir mal die Mühe gemacht, die Wohnorte zu rekonstruieren, in denen meine Familie in meiner kleinen Heimatstadt wohnte bzw. wohnt. Wir sind eine ungewöhnlich große Familie. Der Ort entspricht in etwa von der Größe der Fläche, in denen der Ripper seine Taten ausübte. Meine Erkenntnis ist die, dass man in diesem Modell nicht agieren konnte, ohne an die Wohnungen (auch Arbeitsstellen) meiner Familie ein oder mehrmals vorbeizugehen und das bei jeder Tat. Es ist im Prinzip unmöglich.

Wenn wir also die Levys sehen, Mitre Street, Orange Market, die Adressen von Jacob und Joseph in der Middlesex Street, die Adresse von John in der Whitechapel Road oder die der Schwiegereltern in der Montague Street, dann kann ich das so auf meine Familie umlegen. Ähnlich ist das bei den Kosminskis mit der Greenfield Street, der Providence Street, der Yalford Street, der alten Adresse am Dutfields Yard in der Berner Street als auch, obwohl Verbindungen nicht bekannt, mit Isaac Kosminski in der Goulston Street oder dem Friseur Daniel Kosminski auf der Houndsditch. Vielleicht kann man hier auch noch J.H. Levys Martin Kozminski erwähnen.

Ich habe das bei Aaron Kozminski immer als ungewöhnlich betrachtet und mich mit der Zeit auch bei Jacob Levy darüber gewundert. Nun würde ich das auch so bei meiner eigenen Familie anerkennen müssen, lege ich meinen Heimatort mit den Adressen über die Whitechapel Karte. Vielleicht finden wir solche Konstellationen viel, viel mehr vor als wir das vermutet hätten. Das könnte nicht unbedingt ein seltener Zustand sein, wenn natürlich im Zuge von Ermittlungen sehr interessant.

Aber vielleicht kam man Jack the Ripper erst auf die Spur, als der Zufall half und man eigentlich wegen etwas anderem im polizeilichen Einsatz war und man überhaupt nicht daran dachte einen der diesbezüglichen Verdächtigen, der Ripper- Morde zu beschuldigen.     


Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 14.07.2017 18:42 Uhr
Hi Lestrade!

Zitat
Wenn wir uns nun einen Mann vorstellen, der etwas mit Opium zu tun hatte, wie kann man damit einen Zusammenhang zu den Shops oder Geschäftsräumen sehen, die er nachts oder nach Einsetzen der Dunkelheit, wohlmöglich alleine besetzte? War er an der Herstellung von Opium beteiligt? War das des Nachts seine Tätigkeit neben seiner normalen Arbeit? Falls er selbst Konsument war, wie wirkte sich dieser Konsum bezüglich seiner Taten aus?

Ich kann mir zwar gut vorstellen, dass JTR dem Alkohol gefrönt hat, bevor er seine Opfer suchte, weil Alkohol enthemmt und Aggressionen freie Bahn gibt.
Allerdings halte ich Opiumkonsum für unwahrscheinlich, denn Opiate sind klassische Betäubungsmittel, sie machen neben dem Wohlgefühl des High-Seins apathisch und antriebslos. Hätte JTR den Drachen geritten, wäre er vermutlich nicht ruhelos nächtelang durchs East End gezogen und hätte nicht die armen Frauen getötet, sondern wohl eher teilnahmslos in einer Opiumhöhle gelegen und an der Pfeife gezogen.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 14.07.2017 19:55 Uhr
Hallo Arthur,

Ich kenne mich zugegebenermaßen damit nicht aus. Was ich fand, listet u.a.: Euphorie, Lebhaftigkeit, Verwirrtheit und
Schlaflosigkeit aus aber das nur Anfangs. Desweiteren zeigen sich bei Halluzinationen erotische Phantasien. Jemand mit Verstümmelungsfantasien, könnte solche Droge zusätzlich stimmulieren, diese Gedanken auch umzusetzten. Könnte man sich zumindest vorstellen.

Richard Trenton Chase, ein paranoider schizophrener Serienmörder der seine Opfer grausam verstümmelt zurückließ, war auch abhängig vom Drogen, das findet man allerdings bei vielen Serientätern. Profiler Ressler war damals der Meinung, dass er nicht wegen der Drogen zum Mörder wurde. Drogen sind allgemein ohnehin nicht der auslösende Faktor. Diese Drogen hätte lediglich dazu geführt, dass er noch weiter in seine geistige Umnachtung abdriftete. Am Ende wäre er auch ohnehin zum Mörder geworden. Ich sah das eher im Zusammenhang mit seinem risikoreichen Verhalten und der Tatorte, die er "unordentlich" zurückgelassen hatte. Das spricht aber ohnehin für einen geistesgestörten Mann, auch ohne Drogen.

Ein möglicher Täter, wie wir ihn ja beschrieben bekamen, könnte durchaus während des Tages und der Nacht unterwegs gewesen sein, viel gearbeitet haben. Das bedeutet, er war auf seine Art, egal aus welchen Gründen, sehr leistungsfähig. Zumindest bis zum Ende der Morderie. Psychische Erkrankungen und auch Drogen- oder Alkoholmißbrauch hätten zu einem Zusammenbruch führen können, von dem er sich nicht mehr erholte. Aber allein schon die Geisteskrankheit, hätte dazu führen können, in Schüben kommend, bis sie dauerhaft wurde.

Man könnte aber auch schlußfolgern, dass Alkohol ebenfalls nicht der auslösende Faktor war, sondern ebenfalls nur dazu führte, sich noch weiter von der Realität zu entfernen und besoffener noch risikoreicher zu agieren, als ohnehin schon, der Tatort in der Berner Street könnte durchaus darauf hinweisen, dass da jemand, BS Man, gerade aus der Kneipe kam, siehe die Beschreibungen von Schwartz. Es gab wohl 1872 eine Verordnung, dass Pubs zwischen 23.00 und 00.00 Uhr zu schließen haben oder zumindest keinen Alkohol mehr auszuschenken. Ich müsste recherchieren... Bei Morden in den frühen Morgenstunden (Nichols, Chapman), hätte der Täter schon wieder nüchterner sein können, als gegen 1.00 Uhr bei Liz Stride. Außer er hatte einen Flachmann dabei oder Alkohol daheim...

Es ging mir ja auch eher darum, den Ripper mit kriminellen Aktivitäten in Verbindung zu bringen, außerhalb der Mordserie. Das Thema ist ja Jacob Levy und u.a. seine Bewegungen in den Mordnächten. Diesem Thema sollten wir uns weiterhin widmen. Ob er der Mann war, der in Richtung des Shops von Jacob Levy flüchtete, muss weiterhin kritisch betrachtet werden.

Lestrade.   
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 15.07.2017 10:45 Uhr
Ich bin fündig geworden in Capturing Jack the Ripper: In the Boots of a Bobby in Victorian London
von Neil R. A. Bell
, was ebenso wie sein und Adam Woods Sir Howard Vincent´s Police Code 1889 in keiner Sammlung fehlen sollte.

Pubs Öffnungszeiten während der Woche

City Bereich und Ausnahmen: 5.00 Uhr – 00.30 Uhr
Metropolitan Bereich: 6.00 Uhr – 23.00 Uhr

Samstags:

City Bereich Samstags: 5.00 Uhr – 00.00 Uhr
Metropolitan Bereich: 6.00 Uhr – 23.00 Uhr

Sonntags Öffnungszeiten waren verbunden mit Feiertagen und Weihnachten

City Bereich: 13.00 Uhr – 15.00 Uhr sowie 18.00 Uhr – 23.00 Uhr
Metropolitan Bereich:  12.30 Uhr – 14.30 Uhr sowie 18.00 – 22.00 Uhr

Ich erinnerte mich zwar daran, dass der Pub in der Berner Street gegen 1.00 Uhr bereits geschlossen hatte als auch an PC Hutt, der zu Eddowes sagte, um 1.00 Uhr, dass es zu spät ist, um noch etwas zu trinken zu bekommen aber die genauen Zeiten waren mir nicht wirklich vertraut. In der Regel lag die Sperrstunde für die Pubs also zwischen 23.00 Uhr und 00.30 Uhr. Nichols wurde um 00.30 gesehen, wie sie den Frying Pan Pub auf dem MET Gebiet verlassen hatte. Dieser Pub hatte also auf dem MET Gebiet eine Ausnahme.

Ansonsten war ich mir unsicher, wenn man so durch die Angaben der Opfer geht, wie lange es etwas zu trinken gab. Um 23.45 Uhr wurde Kelly mit einem Mann gesehen, der eine Art Kännchen Bier mit sich herumtrug. Nun mögen die Pubs zwar schon geschlossen haben und ich weiß nicht, wie lange bestimmte Läden aufhaben durften und ob es da auch Alkohol gab aber es wäre ja möglich, dass Prostituierte und eigentlich jeder, immer noch an Alkohol kam oder “Vorräte“ anlegen konnte. Bleiben wir aber mal nur bei den Pubs, dann lag da schon eine gewisse Zeitspanne für den Ripper vor den Taten an Nichols und Chapman und möglicherweise auch Kelly, wo bereits Stunden die Sperrstunde her gewesen war (Tabram könnte man auch noch hinzuzählen). Die Ausnahme wären dann Stride und Eddowes beim Double Event. BS Man, welchen Schwartz sah, hätte also angetrunken aus einem Pub gekommen sein können, der Frying Pan, wie alle anderen dort, schloss zwar von Samstag auf Sonntag auch schon um 23.00 Uhr (Nichols war von Do. zu Fr. dort, da gab es offenbar 1,5h länger) aber die in der City erst um 00.00 Uhr, halbe Stunde früher als in der Woche. Betrachtet man nur den Ripper in einem Pub trinkend aber noch sichtlich schwankend (Schwartz), dann kann er von der City bis in die Berner Street gewandert sein. Ist ja problemlos möglich. Schaffte er bekanntlich ja noch (wieder?) umgekehrt in jener Nacht. Um 00.45 Uhr soll, laut Schwartz, der Angriff auf Stride erfolgt sein. Um 00.35 Uhr sah PC Smith noch ein Pärchen. Zeitlich ist das alles möglich. Betrachtet man andere Zeugenaussagen, z.B. Marshall, dann sah auch er ein Pärchen aber bereits um 23.45 Uhr. Dann hätte der Ripper so gegen 23.15 Uhr die City verlassen oder aber natürlich einen Pub in der Nähe bereits um 23 Uhr. Um diese Zeit verließ Stride ja auch den Bricklayers Arms Pub in der Settle Street. Letztes Bier bis zum Angriff ca. 1h 45 min her oder aber max. 20-25 (?) min. Sturzbetrunken kann der Ripper nicht bei Stride angekommen sein (PC Smith sprach ja auch von einem Mann, der ihm nüchtern erschien), weil er ja noch zweimal in jener Nacht entkommen konnte. Um 23 Uhr kann so ein Mann noch einen Pub angetütert verlassen haben, um dann um 00.35 Uhr im Stehen nüchtern zu wirken. Aber schwankt man, wenn es erst 25min her ist, nicht noch etwas, auch wenn ein 1,5km Spaziergang einen etwas nüchtern machte? Es kommt natürlich darauf an, wer wann wen nun tatsächlich gesehen hatte. Um 23 Uhr hatte Stride den Pub verlassen, um diese Zeit, als auch danach sah Packer Stride (um 23.30 Uhr stand das Pärchen noch in der Nähe, Packers Zeitangaben müsste ich noch einmal nachlesen) und um 23.45 Uhr sah Marshall ein Pärchen, später dann PC Smith und Schwartz. Würde der Ripper sich zwischen 23.00 Uhr und 01.00 Uhr um ein so kleines Gebiet bewegen? Hätte er Stride immer wieder mal verlassen, um dann wiederzukommen? Spielten dabei unterschiedliche Räumlichkeiten eine Rolle, die er zwischendurch aufsuchen konnte? Die Zeugenaussagen von PC Smith, Marshall und Schwartz, könnten darauf hindeuten, dass dieser Mann keinen Pub mehr nach 23 Uhr von innen gesehen hatte. Also kam er nicht aus einem City Pub oder ausgerechnet dann um diese Zeit, als die MET Pubs schlossen? Spielte also viel Alkohol überhaupt eine Rolle? Oder hat er sich in dieses Opfer so hineingesteigert, dass es innerlich zu einer Reaktion führte, die ihn in seinen Bewegungen beeinflusst hat? Rob House beschreibt in seinem Buch den Fall Andrew Goldstein. Ich schreibe aus der Erinnerung: Zeugen sahen in der U Bahn Station, wie er vor sich hinmurmelte, abwechselnd auf den Zehenspitzen stand und hin- und herlief. Er sprach eine Frau an, die ihn aber zurückwies, er wandte sich an eine zweite Frau, die gab ihm aber eine vernünftige Antwort. Als die Bahn einfuhr, stieß er die erste Frau vor die Bahn. Goldstein war paranoid schizophren. Ich frage mich, ob ähnliches im Falle Stride passiert sein könnte. Das er, aus welchen Gründen auch immer, von ihr, vielleicht mehrmals abgewiesen worden war er aber dann einen Impuls bekam und sie erneut ansteuerte und attackierte. Wie Goldstein, hätten ihn Zeugen nicht gestört oder er nahm sie nicht richtig wahr. So ein Moment muss vielleicht nicht lange andauern und hätte, durch ein forsches Auftreten von Pipeman, durchaus wieder einen Gegenimpuls erfahren haben können und er sammelte sich und wollte die Chance nutzen, seiner eigentlich “Passion“ nachzugehen, so dass diese Attacke nur eine kurze Ausnahmesituation darstellte, in der Art und Weise und unter den besonders risikoreichen Agieren in diesem Moment. Goldstein sprach davon, dass es einen Augenblick da ist und im anderen sofort wieder weg. Er meinte damit etwas, was plötzlich von ihm Besitz ergriff. Vielleicht wäre er in der Lage gewesen, Stride genauso “sicher“ zu ermorden, wenn er es einige Minuten früher arrangiert bekommen hätte, so wie dann bei Eddowes. Bei den Leather Apron Attacken, vor der Mordserie, hätten solche Attacken durchaus beigewesen sein können, denn der Ripper war definitiv ein Typ wie Goldstein von der Krankheit her. Möglicherweise zeigte sich bei Stride seine eigentliche Grunderkrankung, die ja nicht Ursache seiner Morde war, sondern sich nur in der Art und Weise des Ablaufs und des Tatortverhaltens widerspiegelte. Was aber Schwartz gesehen haben könnte, hätte auch ein kurzzeitiger Impuls gewesen sein können, der zu eigenartigen Bewegungen geführt hatte und was er als angetrunken bewertete. Das er in jener Nacht lallend aus einem Pub kam und sehr zeitnah Stride attackierte ist vielleicht überhaupt nicht sicher, was nicht heißt, dass er einen besucht hatte, das glaube ich nämlich so oder so. Die Frage ist, wie lange er in den Pubs war oder überhaupt sein konnte.

Die Todeszeitpunkte der Opfer im Groben:

Tabram: ca.2.00 Uhr (?) – Es war Bank Holiday Nacht, Sperrstunde: 22 Uhr MET/ 23 Uhr City

(Letztes Sehen und das Auffinden: 23.45 Uhr -04.45 Uhr, laut Zeuge, lag um 01.50 Uhr noch keine Leiche da. Und laut Dr. Killeen war sie bei seinem Eintreffen schon ca. drei Stunden tot.)

Nichols ca.03.30 Uhr – Sperrstunde 00.30 Uhr
Chapman ab 05.30 Uhr – Sperrstunde 23.00 Uhr MET, 00.30 Uhr City

(Die City Pubs öffneten allerdings bereits wieder um 5 Uhr, die MET Pubs um 6 Uhr, siehe auch Mrs. Fiddymont Prince Albert Pub Brushfield Street. Ich weiß nicht, ob das zeitlich Sinn macht, einen Pub in der City gleich wieder nach 5 Uhr zu verlassen, um dann in der Hanbury Street zu sein)

Stride ca. 01.00 Uhr – Sperrstunde MET 23.00 Uhr/ Sperrstunde City 00.00 Uhr
Eddowes ca. 01.45 Uhr – Sperrstunde City 00.00 Uhr/ Sperrstunde MET 23.00 Uhr

Kelly ca. 04.00 Uhr (?), es wurden Schreie gehört – Sperrstunde 23 Uhr MET/ City 00.30 Uhr

Der Todeszeitpunkt bleibt jedoch irgendwie ein Rätsel. Freitag war aber Lord Mayor Show Procession und die Pubs hätten erst frühestens um 12.30/13.00 Uhr geöffnet, wenn es denn auch ein Feiertag war.

Wenn ich alles richtig erfasst habe und wir uns nur an die Sperrstunden der Pubs halten, dann kommt Stride natürlich einer Pubschließung am nächsten, nämlich der in der City um 00.00 Uhr. Bis zur Attacke um 00.45 Uhr sind es 45 Minuten also absolut möglich. Es wäre sogar PC Smith Sichtung um 00.35 Uhr möglich. Zwischen Marshalls Sichtung und der von Schwartz lag ein Stunde, auch hier hätte dieser Mann in einer Stunde die Chance gehabt zum nächsten Pub in die City zu gehen und auch zurückzukehren aber wohl nur 10 Minuten saufen können.

Es scheint jedoch nicht möglich gewesen zu sein, in den Fällen Tabram, Nichols, Chapman und Kelly, einen Pub zu verlassen und sich den Opfern unmittelbar zu nähern, da diese Pubs dann schon 3-5 Stunden geschlossen hatten.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 16.07.2017 13:18 Uhr
Hallo Lestrade!


Wir haben ja keinen konkreten Anhaltspunkt, dass JTR tatsächlich vor seinen Morden durch die Pubs streifte und trank - es ist nur ein plausible Vermutung.
Erstens weil es im East End sonst nicht viel gab, was man des abends tun konnte, und der Konsum des billigen Alkohols weit verbreitet war, um sich das Elend etwas erträglicher zu trinken. Zweitens weil auch Profiler dies aus ihren Erfahrungen heraus für plausibel halten. Drittens weil JTR in den Pubs vielleicht potentielle Opfer ausspähen konnte, denen er dann folgte. Viertens weil JTR sich so etwas "Mut antrinken" konnte und fünftens, weil Alkohol sich negativ auf bereits bestehende psychische Probleme auswirkt.
Wobei ein Vollrausch selbstverständlich kontraproduktiv für seine späteren Pläne gewesen wäre, aber angetrunken würden die Hemmschwellen herabgesetzt, ohne dass die Fähigkeit schnell zu töten und auszuweiden verloren ginge - jedenfalls bei einem Profi, einem Metzger.

Ich weiß jetzt nicht, wie streng das Ende des 19. Jahrhunderts (und dann auch noch in einem Getto) mit den Sperrstunden überprüft wurde, aber wenn die Engländer ihre Traditionen zwischen dem viktorianischen Zeitalter und dem 20. Jahrhundert nicht grundsätzlich geändert hatten, dann bedeutete selbst bei strenger Auslegung die Uhrzeit der Sperrstunde lediglich: "Last orders, please!" Die letzte Runde war zumindest im 20. Jahrhundert nicht identisch mit dem sofortigen Rauskehren der Gäste und dem Abschließen des Pubs - im Gegenteil. Bestellungen durften bis zur gesetzlichen Aufhebung der Sperrstunde vor ein paar Jahren zwar nur bis 23 Uhr entgegengenommen werden, danach war Ende des Ausschanks durch den Wirt. Die Gäste durften allerdings weiter im Pub sitzen bleiben und ihre letzten Bestellungen gemütlich austrinken. Geöffnet waren die Pubs damit wesentlich länger, zumal da die Gäste die Gelegenheit der "last order" häufig nutzten, sich zuvor nochmal kräftig mit einem ganzen Arm voller Getränke einzudecken.
Ich habe das selber in den 1980ern in englischen Pubs miterlebt: Um 23 Uhr läutete der Wirt die Glocke und rief: "Last Orders, please!" Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die meisten, die noch länger bleiben wollten, aber in der Regel schon ein halbes Dutzend Pints auf Vorrat bestellt und an ihren Tisch gebracht, um den Ansturm an die Zapfhähne zum Zeitpunkt der "Last Order" etwas zu entzerren, nur die Nachzügler stürzten wirklich erst zum Glockenschlag an den Tresen und bestellten noch soviel, wie der Wirt zapfen konnte. So ging das Trinken dann noch fröhlich gut zwei Stunden weiter. Man konnte also noch bis weit nach Mitternacht trinkend im Pub verbringen.
Und für Clubs schienen auch schon im 19. Jahrhundert andere Regeln zu gelten - wir wissen ja, dass Joseph Hyam Levy und seine Begleiter den Imperial Club gegen halb Zwei verließen.

Darüber hinaus können wir ja nicht wissen, wie lange JTR nach einem Pub-Besuch noch herumgelaufen ist, bevor er auf der Straße tatsächlich ein passendes Opfer in einer passenden Situation fand (allein und mit etwas Abstand zu möglichen Zeugen) -  er wird zu seinen Opfern wohl kaum im Kreise ihrer Bekannten in einem Pub Kontakt aufgenommen haben. Wir gehen ja auch davon aus, dass er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit so manche Nacht umherzog, ohne irgendein passendes Opfer zu finden und dann unverrichteter Dinge wieder heimkehrte.

Insofern bietet die Sperrstunde in den Pubs m.E. nur recht begrenzten Erkenntnisgewinn für den Fall.
Zwar gab es da Zeugen, die Stride zusammen mit einem Mann einen Pub verlassen sahen, aber erstens glaube ich nicht, dass JTR seine potentiellen Opfer schon in einem Pub angesprochen hätte - zuviele Zeugen, die ihn hätten wiedererkennen können - und es war m.E. auch zeitlich etwas zu weit vor dem Mord in der Berner Street.

Ob JTR nun tatsächlich trank oder nicht - wer weiß. Aber Alkohol war das verbreiteste und günstigste Rauschmittel, in mittleren Mengen enthemmt es und gibt Aggressionen freien Lauf, und Menschen mit Problemen greifen oft zu diesem Mittel. Daher ist es m.E. das wahrscheinlichste, dass auch JTR nachts durch die Pubs zog.
Vielleicht hat es ihn noch zusätzlich in Rage versetzt, wenn er irgendwo allein in seiner Ecke vor seinem Getränk saß, und all die betrunkenen Leute um ihn rum lachten und anzüglich mit den Frauen schwatzten.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 16.07.2017 15:54 Uhr
Hallo Arthur!

Mal kurz vorweg, via Tracy konnte ich noch einmal Daten bezüglich der Levy Familie liefern und berichtete auch über ihre Bereitschaft, uns mit den Butchern der Row behilflich zu sein, mit Bosman beginnend. Darauf sah ich jetzt keine Reaktion deinerseits. Auch die Angaben, die ich zum Joseph Hyam Levy Familiezweig machte sind ja von Wichtigkeit und ich war mir nicht sicher, inwieweit dir das bereits gewahr gewesen ist, erfuhren keine Reaktion. Ich würde schon gerne wissen, wo du stehst, solange wir uns diesem Thema widmen, auch deshalb, weil wir hier nur zu zweit sind.

Es wäre ungünstig für mich, wenn hier ein Bild entsteht als ob man dir zuarbeiten würde. Ich denke nicht, dass du in der Position dafür bist. Das soll nicht unhöflich klingen und du hattest dich bereits für andere Dinge bedankt aber die Wertschätzung dafür sollte erhalten bleiben. Es ist keine Selbstverständlichkeit.

Es gibt eine Unmenge an Dingen, die man zum Thema JtR aufführen kann. Aufgrund dieses recht kleinen aktiven Forum, kann nur ein kleiner Teil abgearbeitet werden. Dazu gebe ich mein bestes, auch dir zuliebe. Eine wichtige Sache dabei ist, auch zu wissen, unter welchen Umständen sich der Ripper des Nachts bewegte. Das möglicherweise die Aldgate keine High Life Szene um die Tatzeitpunkte herum darstellte als auch die Pubs ihre Sperrstunden hatten, sind schon wichtige Informationen und vielleicht auch die Verteilung der gesamten Levy Familie. Dabei möchte ich auch dir behilflich sein, lerne aber auch selber dabei noch hinzu. Ich machte deutlich darauf aufmerksam, dass Sagar uns wohlmöglich eine Verbindung zum PC am Mitre Square offeriert und dieser bekanntlich "Kosminski" wiedererkannt haben wollte. Somit könnte jener "Kosminski" auch der Mann in der Butchers Row gewesen sein. Gestern gab ich das Beispiel von Andrew Goldstein an, das eine bemerkenswerte Aktion seinerseits aufzeigte und vielleicht mit der von BS Man zu vergleichen wäre. Auch Cox berichtete über einen Mann, der eines Nachts plötzlich sehr verändert seine Unterkunft verließ und urplötzlich eine Prostituierte wegstieß. BS Man hatte auch Stride in einer schnellen Aktion zu Boden geworfen. Möglicherweise kann hierbei eine Verbindung zwischen dem Mann von Cox und BS Man hergestellt werden. Und dieser BS Man könnte der Ripper gewesen sein und auch der, der nach dem Mitre Square verfolgt wurde. So würde sich der Kreis zu Sagar schließen und wir wären am Ende wieder bei jenem "Kosminski" mit der Schlußfolgerung, dass auch Cox ihn beobachtet hatte. Wissen tun wir das alles nicht mit absoluter Sicherheit (und ich bin nicht sicher oder gar überzeugt) aber um Jacob Levy als Verdächtigen zu betrachten, sind solche Stellen schon eines Meinungsaustausches wert. Wenn du dann nur mit Reaktionen zum Opium kommst oder zum Verhalten in den Pubs, dann klingt es für mich ein wenig nach Ablenkung von anderen Themen bzw. als Abwertung meiner Vorschläge durch das nicht darauf eingehen. Es wäre schön, mir das irgendwie mitzuteilen, wie du dazu stehst oder ob du einfach mehr Zeit brauchst, darüber nachzudenken, um deine These zu aktualisieren oder zu verfeinern.

Wie gesagt, betrachte das nicht als unhöflich aber ich möchte meine Mühen (oder die anderer) auch nur mit entsprechenden Reaktionen gewürdigt sehen, dazu bedarf es keiner Zustimmung meiner Ansichten sondern nur eines fairen Austausches. Ich habe hier wirklich eine kleine Bibliothek und suche gerne Informationen heraus, die der Diskussion zwischen uns dient, wie auch jetzt wieder zu den Pubs:

Es war verboten (und stand unter Strafe, 10 Pfund beim ersten Erwischen, 20 Pfund beim zweiten, ne Menge Geld damals, danach gab es wohl richtig Ärger), nach der Sperrstunde weiterhin auszuschenken oder gar weiter in den Pubs bezahlten Alkohol zu konsumieren. Pubs durften dannach ihre Türen nicht mehr öffnen oder geöffnet halten. Ausnahmen galten nur für die Inhaber oder für Mieter im Gebäude oder für Personen/Gäste, die mit dem Zug nach Schließung ankamen. Der Betreiber konnte allerdings nach der Schließung Freunde bewirten, auf seine Kosten. Das alles wurde auch von den PCs kontrolliert und ob das die PCs auch richtig machten, wurde ebenfalls kontrolliert).

Dennoch bleibt hier eine gewisser Spielraum für den Ripper.

Beste Grüße, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 16.07.2017 16:50 Uhr
Hallo Lestrade!


Zitat
Mal kurz vorweg, via Tracy konnte ich noch einmal Daten bezüglich der Levy Familie liefern und berichtete auch über ihre Bereitschaft, uns mit den Butchern der Row behilflich zu sein, mit Bosman beginnend. Darauf sah ich jetzt keine Reaktion deinerseits. Auch die Angaben, die ich zum Joseph Hyam Levy Familiezweig machte sind ja von Wichtigkeit und ich war mir nicht sicher, inwieweit dir das bereits gewahr gewesen ist, erfuhren keine Reaktion. Ich würde schon gerne wissen, wo du stehst, solange wir uns diesem Thema widmen, auch deshalb, weil wir hier nur zu zweit sind.

Es wäre ungünstig für mich, wenn hier ein Bild entsteht als ob man dir zuarbeiten würde. Ich denke nicht, dass du in der Position dafür bist. Das soll nicht unhöflich klingen und du hattest dich bereits für andere Dinge bedankt aber die Wertschätzung dafür sollte erhalten bleiben. Es ist keine Selbstverständlichkeit.


Sorry, wenn du den Eindruck bekommen hast, ich wäre vielleicht undankbar, was die Informationen angeht - das bin ich keineswegs. Also nachträglich noch einmal vielen Dank dafür.
Ich bin nur gerade etwas erschlagen von der Menge der Daten und verschiedenen losen Fäden und mache das hier ja auch nur hobbymäßig soweit ich Zeit und Muße dazu habe, so dass ich noch nicht auf alles Neue eingehen konnte, geschweige denn, es vollständig zu verarbeiten oder gar irgendwie weiterzuführen.
Und schnell hat man sich dann auch in Einzelheiten verzettelt und ist vom ursprünglichen Thema abgekommen - Stichworte JTR, Alkohol und Pubs.



MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 16.07.2017 17:14 Uhr
Alles klar, Arthur! Deine Antwort ehrt dich.

Ich bin eben an einer guten Zusammenarbeit mit dir interessiert, auch gerade deshalb, weil wir doch sehr ähnliche Vorstellungen über den Ripper haben, was mir sehr gefällt. Mir ist deine Meinung einfach wichtig, weil sie auch mir eben hilft, meine Vorstellungen und Ideen zu hinterfragen. Wenn ich dich mit Informationen “füttere“, geht es mir in erster Linie darum, wie Du sie bewertest. Bei neuen Erkenntnissen wäre es dann m.E. wichtig so wissen, wo wir beide gerade stehen, das könnte am Ende von Wert sein. Es ist zwar nur ein Bauchgefühl aber ich möchte nicht ausschließen, dass zwischen beiden Männern, Jacob Levy und “Kosminski“, ein Zusammenhang besteht. Es würde mich freuen, wenn du das stets im Hinterkopf hättest, wenn wir beide die Dinge betrachten. Was Du nicht wissen konntest, vor einigen Tagen machte ich mich beim Rasenmähen lang und verletzte mich an der rechten Hand. Meine ganzen letzten Posts, verfasste ich unter nicht ganz einfachen Bedingungen, denn das Schreiben fiel mir schwer. Diese Bemühungen sind sicherlich auch eine Wertschätzung deiner Person und deiner Passion, wenn auch nicht vollkommen uneigennützig.

Dir noch einen schönen Sonntag,

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 17.07.2017 19:30 Uhr
Hallo zusammen!

Ich habe mir gerade nochmal die Familienverhältnisse und Verwandtschaften von Levy/Abrahams und eventuelle Verbindungen zur Butcher's Row angesehen.

Isaac und Phoebe Abrahams scheinen definitiv die Eltern von Jacobs Frau Sarah zu sein: Denn im Census 1901 ist bei Sarahs Adresse in der New Street die jüngste Tochter Caroline nicht mehr aufgeführt, dafür taucht sie aber bei Isaac und Phoebe in 1 Ely Terrace, Mile End Old Town, auf.

Eine mögliche familiäre Verbindung zur Butcher's Row habe ich bisher jedoch leider noch nicht gefunden.


Morris Bosman und sein Geschäftspartner Samuel Gluckstein Abrahams scheinen mir aber interessante Kandidaten in der Butcher's Row zu sein.


Samuel Gluckstein Abrahams Familie:
Vater Abraham Abrahams (1838 - 1925), sausage maker, und Mutter Julia geb. Gluckstein (1848 - 1891), 59 Middlesex Street.
Als Geschwister von Samuel sind laut 1891 Census aufgeführt: Frances, Barnet, Morris, Montagu und Anna.
Im wikitree findet sich noch ein John, geb. 14 Juli 1867 in Aldgate, der aber 1891 wohl schon nicht mehr im Elternhaus lebte, Husband of Amy Evelyn Benjamin.

Und Frances heiratete einen Alfred Salmon:
Frances Abrahams
Born 9 Aug 1870 in Aldgate, London, England
Daughter of Abraham (Abraham) Abrahams and Julia Gluckstein
Sister of John (Abraham) Abrahams and Samuel Abraham   
Wife of Alfred Salmon — married 1894 in Paddington, London. England
Mother of Barnett Alfred Salmon, Felix Addison Salmon and Ivor Francis Salmon   
Died 8 Feb 1946 in London, London, England

Zu den anderen Geschwistern habe ich leider bisher nichts gefunden.

Auch von Samuels Vater Abraham konnte ich bisher leider keine Verwandten finden:
Abraham Abrahams formerly Abraham
Born 4 Jul 1838 in London, England
Son of [father unknown] and [mother unknown]
[sibling(s) unknown]
Husband of Julia Gluckstein — married 23 May 1866 in Strand, London, England
Father of John (Abraham) Abrahams, Samuel Abraham and Frances Abrahams   
Died 16 Dec 1925 [location unknown]

Vater Abraham Abrahams hatte jedenfalls eine Tochter von Samuel Gluckstein geheiratet:
GLUCKSTEIN   1-Jun-1866 M
On 23rd May at the Arundel Hotel, Strand, Abraham Abrahams, son of John Abrahams of 230 New North Rd., Islington, to Julia, second daughter of Samuel Gluckstein of 37 High St Whitechapel.

Samuel Gluckstein war erfolgreicher Cigar Maker (Salmon and Gluckstein) zusammen mit seinem Partner Barnett Salmon, welcher Samuels Glucksteins Tochter Lena (Helena) geheiratet hatte.

Helena "Lena" Gluckstein
Born 15 Feb 1846 in Spitalfields, London, England
Daughter of Samuel Gluckstein and Hanna (Sammes) Joseph
Sister of Julia Gluckstein, Bertha Gluckstein, Catherine Gluckstein and Isidor Gluckstein   
Wife of Barnett (Solomon) Salmon — married 24 Jun 1863 in London, England
Mother of Hannah (Salmon) Abraham, Alfred Salmon, Isidor Salmon, Montegue Salmon, Joseph Salmon, Henry Salmon, Maurice Salmon and Julius Salmon   
Died 4 Dec 1907 [location unknown]
Biography
Helena Gluckstein, always called Lena, was born in 1846 and was just 17 years old when she married her father's business partner Barnett Salmon in 1863.
They went on to have 15 children but 6 of them (mostly the girls) died at a young age - probably between 1871 and 1881.

Samuel Gluckstein Abrahams Schwester Frances (1870 - 1946) wiederum heiratete wie o.a. 1894 Alfred Salmon in Paddington, einen Sohn von Barnett (Solomon) Salmon und Lena Gluckstein:

Alfred Salmon
Born 20 Jul 1868 [location unknown]
Son of Barnett (Solomon) Salmon and Helena Gluckstein
Brother of Hannah (Salmon) Abraham, Isidor Salmon, Montegue Salmon, Joseph Salmon, Henry Salmon, Maurice Salmon and Julius Salmon   
Husband of Frances Abrahams — married 1894 in Paddington, London. Englandmap
Father of Barnett Alfred Salmon, Felix Addison Salmon and Ivor Francis Salmon   
Died 11 Oct 1928 [location unknown]

Und Alfreds Salmons Schwester Hannah heiratete wiederum Samuel Abraham, Sohn von Abraham Abrahams:

Hannah Abraham formerly Salmon
Born 16 Sep 1866 in Goodmans Fields, Middlesex, England
Daughter of Barnett (Solomon) Salmon and Helena Gluckstein
Sister of Alfred Salmon, Isidor Salmon, Montegue Salmon, Joseph Salmon, Henry Salmon, Maurice Salmon and Julius Salmon   
Wife of Samuel Abraham — married 4 Jan 1893 [location unknown]

Samuel Abraham
Born about 1870 in London, Middlesex, England
Son of Abraham (Abraham) Abrahams and Julia Gluckstein
Brother of John (Abraham) Abrahams and Frances Abrahams   
Husband of Hannah (Salmon) Abraham — married 4 Jan 1893 [location unknown]

Das scheint eine sehr innige Verbindung der Familien Abrahams/Gluckstein/Salmon gewesen zu sein - interessant, aber leider bin ich beim Abrahams-Zweig bisher nicht wesentlich weiter...


Nun zur anderen Seite der Partnerschaft von Samuel Gluckstein Abrahams und Morris Bosman:

Morris Bosman:
Geboren 1851/52 in Rotterdam.
Laut 1861 und 1871 Census war sein Vater Jacob M. Bosman, agent for import of cattle/cattle salesman, 2 St. Mark's Street, Goodman's Fields.
Sein ältester Sohn war Jacques Morris, geboren 1876.

Morris Bosman war nicht nur Geschäftspartner eines Abrahams, sondern heiratete auch eine Abrahams:
He was married on 23 December 1874 at Orson's Assembly Rooms, New Road, by the Chief Rabbi to Annie, seventh daughter of Alexander Abrahams [Jewish Chronicle, 25 December 1874].

Leider habe ich diese Annie und Alexander Abrahams bisher noch nicht gefunden - dabei könnte das vielleicht durchaus in eine interessante Richtung führen.
Denn betrachtet man die andere Seite der Partnerschaft, sieht es so aus, als würden dort mit Glucksteins und Salmons vor allem besserverdienende Familiendynastien bzw. -zweige untereinander heiraten.


Also bisher nicht gerade ergiebig. Vielleicht finde ich ja demnächst noch was, wenn ich wieder etwas Zeit dafür habe.



MfG, Arthur Dent






P.S.
Es scheint weitere verwandtschaftliche Beziehungen von Jacobs Levys Schwager Isaac Barnett (der Jacobs Schwester Elizabeth geheiratet hatte und Jacob in Stone besuchte) mit den Levy/Lyons in der Mitre Street zu geben:

Im London Jewish Chronicle Index gibt es Hinweise darauf, dass Familienmitglieder Isaac Barnett nach Australien ausgewandert waren (da musste ich an gewisse Gerüchte denken, JTR sei nach Australien ausgewandert - aber diese Gerüchte bezogen sich wohl eher auf auf den Ripper-Verdächtigen Deeming), und dort wird auf Mary Lyons verwiesen:

16-Mar-1883   Died   On 21st December 1882 at her residence, 108 Goulburn Rd., Sydney NSW, Kitty, wife of Phineas Lyons, in her 53rd year. Sister of Mr Isaac Barnett of Middlesex St., Mrs Mary Lyons of Mitre St., Aldgate, Mrs Solomon Israel of Wentworth St., Mr Symon Barnett, Pawnbroker of Holloway Rd., Abraham and Barnett Barnett of Middlesex St.


Und es gab da übrigens im London Jewish Chronicle Index noch eine Amelia Abrahams, geb. Levy, die einen Solomon Abrahams geheiratet hat:
ABRAHAMS      25-Oct-1889      Died   
On 18th October at 19 Great Prescott St., Amelia, aged 30, wife of Solomon Abrahams and sister of Moses and Mark Levy, Mrs J Zeffert and Mrs S Cohen.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 18.07.2017 13:35 Uhr
Hallo zusammen!


Glücklicherweise hatte Scott Nelson ja die Familienverhältnisse in der Butcher's Row bereits hervorragend recherchiert, daher hier ein paar Auszüge aus seinem Artikel "The Butcher's Row Suspect", die sich auf die o.a. Personen und ihre Verbindungen beziehen:


The first of these families was that of a John Abrahams. In 1895, when he died at 230 New Road, Islington, aged 92, he left three children, Abraham, a Mrs Benjamin, and Julia. Abraham married a Julia Gluckstein in 1866 and they lived at 31 Middlesex Street until she died in 1891, aged 45. Abraham’s other sister, Julia, married the furniture dealer Henry Phillips, and they lived at 28 Aldgate High Street. She died in 1895, aged 49.
(...)
Samuel and Hannah Gluckstein of 34 Whitechapel Road. They had eight children, among them Bertha, Helena, Henry, and Julia. Bertha married a Lawrence Abrahams, and at the time of her death in 1886, she lived at 26 High Street, Whitechapel. Helena married Barnett Salmon in 1863, and they lived at 117 Leman Street. Samuel Gluckstein had co-founded one of the largest tobacco businesses with his son-in-law, Barnett, in 1873.
In 1894, Barnett Salmon’s son, Alfred married Frances, the daughter of Abraham Abrahams and Julia (née Gluckstein, married 1866). Alfred lived at 115 High Street, and he signed a trades petition on 28 October 1888 to the Home Office for extra police patrols in Whitechapel during the Ripper scare, made on behalf of Samuel Montagu, the local Member of Parliament. Another of Samuel Gluckstein’s children, Henry, lived at 100 Leman Street. Henry had two daughters; one, Lena, married a Hyam H Lyons in 1887, but she died the following year, aged 20. Another daughter, Hannah, married the tailor, Joseph Levy in 1887, who occupied the premises at 79 Aldgate High Street (or 1 Minories according to the census). Joseph was the son of a Moss G Levy, who lived at 4 Middlesex Street. In 1886, Solomon Joseph Britton was sharing the premises at 1 Minories with Levy as a manufacturer’s agent. Britton left the following year, 1887, to return to his family’s business at 13 Houndsditch. From 1888 to 1889, Britton served as the Secretary of the Imperial Club in Duke Street.
(...)
As mentioned, John Abraham’s son, Abraham, married Julia Gluckstein. They had three sons, Lawrence (who married Bertha Gluckstein), Isaac, and Solomon. Isaac, who was a cigar manufacturer, married a Jane Levy. By the 1890s, they lived at 212 Whitechapel Road. They had two sons, Phillip and Lawrence. Phillip, like Alfred Salmon, signed the October 1888 trade petition to the Home Office requesting more police surveillance in Whitechapel during the Terror. Lawrence married Elizabeth, the daughter of his mother’s sister, Annie (Mrs Barnett Hart). The other of the Abrahams’ sons, Solomon, married an Amelia Levy. Solomon and Amelia lived at 19 Great Prescott Street until her death in 1889, aged 30. Amelia was the daughter of Moss Levy, whose son, the tailor Joseph, was married into the Gluckstein family.
http://www.casebook.org/dissertations/rip-butchersrow.html


Mal sehen, ob wir mit diesen Ansätzen weiter kommen...


Übrigens hatte ich dem Schneider Joseph Levy in 79 Aldgate High Street bisher zu wenig Beachtung geschenkt - könnte nicht nur ein interessanter Ansatz sein, was den Levy-Clan angeht, sondern vielleicht auch für eine Verbindung von Kozminskis Familie mit der Butcher's Row.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 18.07.2017 13:36 Uhr
Ich denke, dass die Shops von Morris Bosman (übrigens 1881 7 Aldgate High Street, direkt an der Kirche) und George Rayment die besten Möglichkeiten darstellen, von Sagar und seinen Kollegen beobachtet worden zu sein. Die Nummern 23,24 und 26 Aldgate High Street lagen gegenüber diesen Shops in der Butchers Row. Die Nummer 25 um den Bull Inn Pub schien 1888/89 eine Baustelle gewesen zu sein, weil man dort alles umgestaltete aber auch eine gute Möglichkeit ungestört zu agieren.Wir finden Sagar in dessen Nähe zweimal. Einmal im Dezember 1890 bei einer Razzia und der Observation des Alliance Clubs im Bull Inn Yard direkt und dann kommt er hier ins Spiel: 

Times, 3 April 1889:

Detective Sergeant Pentin had followed a suspicious character who entered 5 Duke Street, and was able to "communicate with" Sagar, who helped him to search the premises and arrest the man.

Die Duke Street führte auf die Aldgate High Street.

Interessant ist, dass Sagar zweimal an interessanten Stellen auftaucht. Zuerst als "Kosminski" laut Macnaghten um den März 1889 in eine Anstalt eingewiesen wurde und zum zweiten Mal, kurz bevor Aaron Kozminski nach Colney Hatch kam. Ende 1890 wissen wir auch von einer Observation in der Greenfield Street (eine der Adressen von Aaron Kozminski) in der Sagar als auch Cox involviert waren. Es sollte relativ klar sein, dass Cox als auch Sagar an jemanden dran waren, kurz nach Ende der Mordserie im Winter 1888. Zur Person von Kosminski habe ich die These, dass er derjenige gewesen sein könnte, der von Cox und Sagar bis um den März 1889 herum für längere Zeit observiert worden war. Grund waren gewisse Erkenntnisse als auch die Beobachtung des PCs vom Mitre Square. Mit der Einlieferung von Kosminski in eine Anstalt um den März 1889, keinen weiteren Beweisen und weiteren Morden, endete die Beobachtung dieses Mannes. Wir wissen von Macnaghten, dass Kosminski gewisse Räumlichkeiten alleine nach Einbruch der Nacht bewohnte als auch von Cox, dass sein Mann ebenfalls Läden außerhalb seines eigentlichen Standpunktes besetzte. Bestimmte Räumlichkeiten könnten eben Einrichtungen von Butchern gewesen sein, eine davon, die von Bosman. An Orten, in denen sich der Verdächtige länger aufhielt, müssen auch vernünftige Beobachtungspunkte für die Kripobeamten erstellt worden sein. Während Cox den festen Sitz des Mannes observierte, hätte Sagar einen nächtlichen Punkt observiert haben können. Andere Beamte dann wieder andere Räumlichkeiten im East End. All diese Observationen zwischen Ende 1888 und Anfang 1889, sind wieder aufgenommen worden und zwar nach der Seaside Home ID im Juli 1890. Ich denke nicht, dass sie identisch waren mit den ersten Observationen, sondern prophylaktisch erfolgt worden sind, weil bekannt wurde, dass dieser Mann immer wieder Zeiten auf freien Fuss verbrachte und man kein Risiko mehr eingehen wollte. Gegen Ende 1890 erneut auf freien Fuss, endete für Kosminski dieses hin- und her aufgrund seiner schlimmen Verfassung in einer Dauerverwahrung in einer Anstalt.   

Was Jacob Levy abschwächt ist das Dezember Datum 1890, als er bereits in Stone war und Sagars Nähe zur Butchers Row Anfang April 1889. Beide Daten sind Nahe an Anstaltseinlieferungen von Kosminski/ Aaron Kozminski. Interessant ist natürlich die Nähe von Jacob Levy zu den Kosminskis in früheren Jahren in der Fieldgate Street als auch 1890/91 die von Lewis Levy, eines weiteren Verwandten von Jacob und Joseph Hyam, mit der Adresse 5 Sion Square (Aarons Bruder Woolf lebte Nr.3). Auch hier hätte es zu Observationen kommen können.

Die Levy Familie wäre auf gewisse Weise sehr in Verbindung mit der Mordserie gekommen, Joseph Hyam Levy als Zeuge, intensive Befragungen der Angehörigen am Mitre Square, Befragungen des Butchers Jacob Levy, Befragungen von John Levy in der Whitechapel Road, Observationen in unmittelbarer Nähe. Wenn dieser Kosminski tatsächlich in bestimmten Räumlichkeiten (die von Butchern) angestellt war, gehörten auch Jacob und Joseph Hyam zu den infrage kommenden Butchern. Nicht zu vergessen ist die Verbindung von Joseph Hyam mit Martin Kozminski. Die Levys hatten wohlmöglich mit allem mehr zu tun als wir annehmen ohne das ihr eigener erkrankter Angehöriger Jacob in größeren Verdacht geriet.

Die Daten von Sagar und sein Hinweis auf den PC am Mitre Square sprechen eher für Kosminski als für Jacob Levy in der Butchers Row aber am Ende würde es mich nicht wundern, beide in der Butchers Row zu finden.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 18.07.2017 18:11 Uhr
Hallo zusammen!


Irgendetwas scheint am Stammbaum der Familie von Abraham Abrahams, so wie er sich mir derzeit darstellt, nicht ganz zu stimmen.

Scott Nelson schrieb:
"As mentioned, John Abraham’s son, Abraham, married Julia Gluckstein. They had three sons, Lawrence (who married Bertha Gluckstein), Isaac, and Solomon."

Im wikitree findet sich hingegen bei Julia Gluckstein folgender Eintrag:

"Julia Gluckstein
Born 1848 in Spitalfields, London, England
Daughter of Samuel Gluckstein and Hanna (Sammes) Joseph
Sister of Helena Gluckstein, Bertha Gluckstein, Catherine Gluckstein and Isidor Gluckstein   
Wife of Abraham (Abraham) Abrahams — married 23 May 1866 in Strand, London, England

Mother of John (Abraham) Abrahams, Samuel Abraham and Frances Abrahams"

Das sind ganz andere Kinder als bei Scott Nelson angegeben - dabei dürfte es wohl nicht allzuviele Abraham Abrahams geben, die mit Julia Glucksteins verheiratet waren.


Und Sohn John Abrahams war laut wikitree der Ehemann einer Mrs Benjamin:
"John (Abraham) Abrahams, Born 14 Jul 1867 in Aldgate, City of London, England, United Kingdom
Son of Abraham Abraham and Julia Gluckstein
Husband of Amy Evelyn Benjamin"

Wir haben hier also scheinbar einen Großvater John Abrahams, Vater von Abraham Abrahams, und einen Enkel John Abrahams, Sohn von Abraham Abrahams - oder ist da was durcheinander geraten?
 
Scott Nelson schrieb jedenfalls etwas ungenau:

"John Abrahams. In 1895, when he died at 230 New Road, Islington, aged 92, he left three children, Abraham, a Mrs Benjamin, and Julia."
 
Meinte Nelson damit, John Abrahams hinterließ drei Kinder UND (als weiteres Kind seinen Sohn) Abraham UND (dessen Frau) Julia UND eine Mrs. Benjamin (die o.g. Amy Evelyn Benjamin, Ehefrau vom Enkel John Abrahams)?  ???

Ich blicke gerade nicht mehr durch.


Im wikitree ist beim mit Julia Gluckstein verheirateten Abraham jedenfalls von möglichen weiteren Ehefrauen die Rede:

"Abraham Abrahams formerly Abraham
Born 4 Jul 1838 in London, England
Son of [father unknown] and [mother unknown]
[sibling(s) unknown]
Husband of Julia Gluckstein — married 23 May 1866 in Strand, London, England

Father of John (Abraham) Abrahams, Samuel Abraham and Frances Abrahams   
Died 16 Dec 1925 [location unknown]

Biography
Son of Jacob Abraham
NOTE: Several wives mentioned with limited documentation in the worldconnect reference - only one is clearly documented.
Husband of Julia Gluckstein"


Falls Abraham Abrahams vor der Ehe mit Julia Gluckstein bzw. nach ihrem Tod nochmal geheiratet hat (Julia Gluckstein starb beiden Quellen zufolge 1891), könnte er natürlich von anderen Frauen noch weitere Kinder gehabt haben...
Es sei denn, Julia hätte noch mehr Kinder gehabt und Nelson und wikitree hätten zufällig die beim anderen jeweils fehlenden angegeben.

Ich gebe zu: Ich blicke derzeit nicht durch.


Dabei wollte ich die Angaben nur einfach mal sortieren, um damit besser nach möglichen Verbindungen zu Jacobs und Sarahs Familien zu suchen - und jetzt hänge ich schon beim Sortieren der Abrahams fest... ???


Etwas frustriert, euer Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 18.07.2017 21:06 Uhr
Du hast mit den Abrahams/ Glucksteins die Spitze des Eisberges vor dir! Vor knapp zwei Jahren kam ich mit Scott mal auf das Thema. Ich weiß nicht, ob er noch einmal aktualisieren wird, ich habe mich seither auch nicht weiter darum gekümmert. Manchmal dachte ich, mehrere Menschen mit gleichen Namen sowie mehrere Ehen, wo die Partner die gleichen Namen hatten und auch an den gleichen Adressen lebten, vor mir zu haben. Das sind 3 DIN A 4 Seiten, ich versuche die mal bei Gelegenheit hier hineinzustellen. Suche ruhig weiter, du wirst noch mehr finden, was dich verwirrt. Gerade in Sachen Abrahams/ Gluckstein. Können wir dann ja ergänzen. Ich persönlich glaube auch nicht, dass Scott ganz richtig liegt. Ich vermute, die Geburtsnamen der Julias sind verwechselt worden. Und danach lief es ganz kurios. Nicht mehr durchzublicken, ist keine Schande. Wer weiß, welche Fehler die Ersteller diverser Bäume auch noch zu verantworten haben. 
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 19.07.2017 09:01 Uhr
Hallo zusammen!


Im Jewish Cronicle Index finden sich folgende beiden Einträge zum Tod von Julia Gluckstein und zu ihrem Mann Abraham Abrahams:


GLUCKSTEIN   JC 21.8.1891 death
On 17th August at the residence of her brother-in-law, Barnett Salmon, 58 Warrington Crescent, Maida Vale, Julia (nee Gluckstein), wife of Abraham Abrahams of 31 Middlesex St., aged 45.

ABRAHAMS      JC 5.8.1892 in memoriam
Julia, wife of Abraham Abrahams of 31 Middlesex St., died 17.8.1891.


Bis 1892 lebte Abraham Abrahams also in 31 Middlesex Street (anderen Angaben zufolge 59 Middlesex Street - da haben wir wohl wieder die verdammte Korrektur der Hausnummern in der Middlesex Street, ist nämlich wieder eine Verdoppelung der Zahl).

Spätestens ab 1894 (vermutlich aber nach dem Tod seiner Frau Julia) lebte er jedoch dem Jewish Cronicle Index zufolge in 155 Sutherland Avenue zusammen mit seinem Sohn Samuel Gluckstein Abrahams und dessen Frau Hannah (geb. Salmon):

ABRAHAMS      JC 6.7.1894 birth
On 3rd July at 155 Sutherland Avenue, Maida Vale, the wife of S. G. Abrahams (née Hannah Salmon) of a son.

ABRAHAMS      JC 16.11.1894 marriage
On 14th November at the Bayswater Synagogue, Alfred Salmon of 14 West Kensington Gardens, the eldest son of Barnett Salmon, Esq., to Frances Abrahams, eldest daughter of Abraham Abrahams of 155 Sutherland Avenue.

ABRAHAMS      JC 1.2.1895 death
On 24th January at 230 New North Rd., Islington, John Abrahams, father of Abraham Abrahams of 155 Sutherland Avenue, Age 92. Father of Mrs J Benjamin, 10 Elmore St., N., & Mrs Henry Phillips, 28 High St., Aldgate.

ABRAHAMS      JC 8.2.1895 marriage
On 31st January at Bayswater Synagogue, John, eldest son of Abraham Abrahams of 155 Sutherland Avenue, to Amy Evelyn, 2nd daughter of the late Joseph Benjamin of 53 Highbury New Park.

SALMON   JC 6.7.1894 birth
On 3rd July at 155 Sutherland Avenue, Maida Vale, the wife of S. G. Abrahams (née Hannah Salmon) of a son.

SALMON   JC 16.11.1894 marriage
On 14th November at the Bayswater Synagogue, Alfred Salmon of 14 West Kensington Gardens, the eldest son of Barnett Salmon, Esq., to Frances Abrahams, eldest daughter of Abraham Abrahams of 155 Sutherland Avenue.




Wir finden als Kinder von Abraham Abrahams und Julia Gluckstein in diesen Einträgen:
- Samuel Gluckstein Abrahams
- Frances Abrahams
- John Abrahams

Das stimmt mit dem Eintrag im wikitree überein:

"Julia Gluckstein
Born 1848 in Spitalfields, London, England
Daughter of Samuel Gluckstein and Hanna (Sammes) Joseph
Sister of Helena Gluckstein, Bertha Gluckstein, Catherine Gluckstein and Isidor Gluckstein
Wife of Abraham (Abraham) Abrahams — married 23 May 1866 in Strand, London, England

Mother of John (Abraham) Abrahams, Samuel Abraham and Frances Abrahams"


Wo hat Scott Nelson also die drei Söhne Lawrence, Isaac, und Solomon her?
Im "Butcher's Row Suspect" schrieb er:
"As mentioned, John Abraham’s son, Abraham, married Julia Gluckstein. They had three sons, Lawrence (who married Bertha Gluckstein), Isaac, and Solomon."

Ich glaube, ich versuche es mal über Bertha Gluckstein herauszufinden...


Und als Kinder (bzw. Töchter) des älteren John Abrahams bzw. Geschwister von Abraham Abrahams bietet der Jewish Cronicle Index:

- Mrs. J. Benjamin, 10 Elmore St., N.
- Mrs. Henry Phillips, 28 High St., Aldgate



MfG, Arthur Dent



Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 19.07.2017 10:42 Uhr
Wo hat Scott Nelson also die drei Söhne Lawrence, Isaac, und Solomon her?
Im "Butcher's Row Suspect" schrieb er:
"As mentioned, John Abraham’s son, Abraham, married Julia Gluckstein. They had three sons, Lawrence (who married Bertha Gluckstein), Isaac, and Solomon."

Ich versuche mal eine Kurzfassung:

Scott hat diese drei Söhne von einer verheirateten Julia her, starb 1884, die als Julia Jacobs in die Ehe ging. Du findest Sie auch im Jewish Chronicle, starb 31 Newcastle Place, I (Isaac) und S (Solomon) werden da auch angegeben. Sie waren mit Harts verbunden. Sie war geboren in Rheinberg bei Düsseldorf. Diese Familie verstreute sich dann auch in unserem Bereich. Der Vater war ein Samuel Gluckstein. Aus diesem Zweig kam auch der Abraham Abrahams den Julia Jacobs heiratete. Irgendeine bekannte TV Köchin stammt aus diesem Zweig, wenn ich mich richtig erinnere. Welcher Abraham Abrahams nun wo hingehört (oder doppelt erscheint), scheint wohl ein Problem zu sein. Es lohnt sich das alles über Alfred Salmon und Phillip Abrahams zurückzuverfolgen. Beide unterzeichneten damals die Petition. Der Isaac Abrahams den Scott mit jenem Vater Abraham Abrahams in Verbindung brachte, wäre ein Jahr vor seinem Vater geboren, das geht natürlich nicht. Der durch die Adressen in Frage kommende Isaac Abrahams und sein Sohn Phillip hatten frühere Adressen, die sie inmitten von Leuten aus Kalish hat wohnen lassen. Möglicherweise wirst Du dir einen besseren Überblick verschaffen, wenn du nach diesen Informationen weitersuchst.

Scott hätte schreiben müssen:

“An Abraham’s son, Abraham, married Julia Jacobs. They had three sons, Lawrence (who married Bertha Gluckstein), Isaac, and Solomon.“

Die Scott eigentlich meinte, hatten als Sohn Samuel Gluckstein Abrahams (geb.1869). Dieser Abrahams war auch mal Butcher der 58 Butchers Row bevor er eine Geschäftsbeziehung zu Morris Bosman (62 Butchers Row) einging. Für mich erscheint es so, dass Scott zwei Familien, Abraham und Julia Abrahams, geborene Jacobs (3 Söhne) und Abraham and Julia Abrahams, geborene Gluckstein (9 Kinder), durcheinander brachte. Zwischen diesem Butcher Samuel Gluckstein Abrahams und seinem Schwager Alfred Salmon und dann via Phillip Abraham gibt es einen Link zu, sagen wir, einer Kalish Gemeinschaft in Whitechapel. In 1913 war ein Butcher namens Frankel in der 58 Butchers Row. Ich weiß, dass es Frankels und Steinkels in Whitechapel gab, die aus Klodawa stammten. Ich habe diesen Frankel aber bisher nicht weiterverfolgt, oder besser, ich habs vergessen.

Schon kurz nach seinem Artikel über die Butchers Row damals, war dies einem Ahnenforscher aufgefallen. Vor knapp zwei Jahren fiel mir das dann bei meinen Nachforschungen auf. Ich hatte eine Menge zusammengetragen, was eigentlich die Möglichkeiten ausschließt, dass Scott richtig lag. Er sagte aber selber, aufgrund der Komplexität, können sich zweifelsohne auch Fehler einschleichen. Er verwies auf andere Quellen, mit denen man vergleichen konnte:

http://www.cemeteryscribes.com/showsource.php?sourceID=S32&tree=Cemeteries

http://www.jeffreymaynard.com/jc1880s.htm

http://www.jeffreymaynard.com/JC1890to5AD.htm

Wie gesagt, ich weiß nicht, ob er da mal was aktualisiert. Wir müssen mit all den Daten zurechtkommen, sie sortieren und mit dem leben, was wir aktuell haben. Seither habe ich mich damit aber auch nicht mehr befasst.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 19.07.2017 13:39 Uhr
Hallo Lestrade!

Zitat
Scott hat diese drei Söhne von einer verheirateten Julia her, starb 1884, die als Julia Jacobs in die Ehe ging. Du findest Sie auch im Jewish Chronicle, starb 31 Newcastle Place, I (Isaac) und S (Solomon) werden da auch angegeben. Sie waren mit Harts verbunden. Sie war geboren in Rheinberg bei Düsseldorf. Diese Familie verstreute sich dann auch in unserem Bereich. Der Vater war ein Samuel Gluckstein. Aus diesem Zweig kam auch der Abraham Abrahams den Julia Jacobs heiratete. Irgendeine bekannte TV Köchin stammt aus diesem Zweig, wenn ich mich richtig erinnere. Welcher Abraham Abrahams nun wo hingehört (oder doppelt erscheint), scheint wohl ein Problem zu sein. Es lohnt sich das alles über Alfred Salmon und Phillip Abrahams zurückzuverfolgen. Beide unterzeichneten damals die Petition. Der Isaac Abrahams den Scott mit jenem Vater Abraham Abrahams in Verbindung brachte, wäre ein Jahr vor seinem Vater geboren, das geht natürlich nicht. Der durch die Adressen in Frage kommende Isaac Abrahams und sein Sohn Phillip hatten frühere Adressen, die sie inmitten von Leuten aus Kalish hat wohnen lassen. Möglicherweise wirst Du dir einen besseren Überblick verschaffen, wenn du nach diesen Informationen weitersuchst.

Scott hätte schreiben müssen:

“An Abraham’s son, Abraham, married Julia Jacobs. They had three sons, Lawrence (who married Bertha Gluckstein), Isaac, and Solomon.“

Die Scott eigentlich meinte, hatten als Sohn Samuel Gluckstein Abrahams (geb.1869). Dieser Abrahams war auch mal Butcher der 58 Butchers Row bevor er eine Geschäftsbeziehung zu Morris Bosman (62 Butchers Row) einging. Für mich erscheint es so, dass Scott zwei Familien, Abraham und Julia Abrahams, geborene Jacobs (3 Söhne) und Abraham and Julia Abrahams, geborene Gluckstein (9 Kinder), durcheinander brachte.

Danke, das macht mir die Sache jetzt etwas verständlicher. Es war ja anzunehmen, dass die richtigen Ripperologen schon vor einiger Zeit die Familienverhältnisse in der Butcher's Row untersucht haben. Falls dir noch etwas auffällt, bin ich für jeden Hinweis dankbar. Merci im Voraus.

Ich habe zwar wenig Hoffnung, dass ich mit meinen beschränkten Möglichkeiten etwas finde, das den Profis entgangen sein sollte, aber da ich mit meiner Nerverei und Daten-Abgreiferei ja auch in einer gewissen Bringsschuld stehe (und mich außerdem selber Neugier und Ehrgeiz gepackt hat) - hier nun weiter im Text...


Ich werde übrigens John Abrahams, Vater von Abraham Abrahams, um Verwechslungen mit dem Enkel John Abrahams zu vermeiden, künftig John Abrahams der Ältere (d.Ä.) nennen und den Enkel John Abrahams der Jüngere (d.J.).


Nelson schrieb:
"John Abrahams. In 1895, when he died at 230 New Road, Islington, aged 92, he left three children, Abraham, a Mrs Benjamin, and Julia."

Als Kinder des John Abrahams d.Ä. bzw. Geschwister von Abraham Abrahams weist der Jewish Cronicle Index aus:

ABRAHAMS      JC 1.2.1895 death
On 24th January at 230 New North Rd., Islington, John Abrahams, father of Abraham Abrahams of 155 Sutherland Avenue, Age 92. Father of Mrs J Benjamin, 10 Elmore St., N., & Mrs Henry Phillips, 28 High St., Aldgate.

Also:
- Mrs. J. Benjamin, 10 Elmore St., N.
- Mrs. Henry Phillips, 28 High St., Aldgate

Das letztere scheint soweit zu stimmen:

Nelson:
"Abraham’s other sister, Julia, married the furniture dealer Henry Phillips, and they lived at 28 Aldgate High Street. She died in 1895, aged 49."


Die Mrs. J. Benjamin und ihren Mann habe ich bisher noch nicht finden können. Allerdings hat der Sohn von Abraham Abrahams, John Abrahams d.J., ja auch eine Mrs. Benjamin geheiratet.

Laut wikitree:
"John (Abraham) Abrahams, Born 14 Jul 1867 in Aldgate, City of London, England, United Kingdom
Son of Abraham Abraham and Julia Gluckstein
Husband of Amy Evelyn Benjamin"

Und der Jewish Cronicle Index weiß noch mehr:
ABRAHAMS      JC 8.2.1895 marriage
On 31st January at Bayswater Synagogue, John, eldest son of Abraham Abrahams of 155 Sutherland Avenue, to Amy Evelyn, 2nd daughter of the late Joseph Benjamin of 53 Highbury New Park.


Amy Evelyn war die Tochter "of the late Joseph Benjamin of 53 Highbury New Park" - da hätten wir also einen J. Benjamin.
Wenn das allerdings jener angeführte J. Benjamin von Abrahams Schwester wäre, würde das bedeuten, dass John Abrahams d.J. eine Woche nach dem Tod seines Großvaters mit Amy Evelyn die Tochter seiner Tante (Ehefrau des "late Joseph Benjamin of 53 Highbury New Park"), also seine Cousine ersten Grades geheiratet hätte.

Dummerweise stimmt aber die Adresse nicht:
- Abraham Abrahams Schwester: Mrs. J. Benjamin, 10 Elmore St., N.
- Amy Evelyns Vater Joseph Benjamin: 53 Highbury New Park.

Es sei denn, Abraham Abrahams Schwester hätte statt des "late Joseph Benjamin of 53 Highbury New Park" - also des Joseph Senior - den J(oseph) Benjamin Junior geheiratet...
Dann hätten Tante und Neffe Abrahams zwei Geschwister geheiratet - zwei Kinder des "late Joseph Benjamin of 53 Highbury New Park".

Aber das ist nur Spekulation: Genauso gut könnten es andere Familienmitglieder gewesen sein oder gar zwei unterschiedliche Familien mit dem Nachnamen Benjamin.
Bevor also diese Personen nicht eindeutig identifiziert sind, komme ich da nicht weiter.


Nur soviel hat sich bisher herauskristallisiert:

Abraham Abrahams hatte eine Schwester Julia, die Henry Phillips, furniture dealer, 28 High St., Aldgate, geheiratet hat.
Mit wem seine Schwester Mrs. Benjamin verheiratet war und wie ihr Vorname lautete, ist weiter unklar.


Und was Morris Bosmans Frau Annie und deren Vater Alexander Abrahams betrifft, da setze ich mich demnächst auch noch mal ran.


Mühsam nährt sich das Eichhörnchen. Demnächst hoffentlich mehr.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 19.07.2017 15:02 Uhr
Hallo Arthur!

Ohne jetzt deine letzten Angaben zu lesen, poste ich die Sache von mir aus 2015. Ich bitte um Verständnis, dass ich mich da gerade nicht richtig hineinfühlen kann, es ist etwas länger her:

“The first of these families was that of a John Abrahams. In 1895, when he died at 230 New Road, Islington, aged 92, he left three children, Abraham, a Mrs Benjamin, and Julia. Abraham married a Julia Gluckstein in 1866 and they lived at 31 Middlesex Street until she died in 1891, aged 45. Abraham’s other sister, Julia, married the furniture dealer Henry Phillips, and they lived at 28 Aldgate High Street. She died in 1895, aged 49. It was in front of this address that Catherine Eddowes was picked up for drunkenness hours before her murder on 30 September 1888.”

Ich fand einen John Jacobs Abrahams (geboren 1805) der 1895 im Alter von 90 Jahren starb. Da gab es vier Kinder, Abraham, Phoebe Benjamin, Sarah Abrahams und Julia Phillips. Diese Julia heiratete Henry Phillips. Abraham heiratete eine Julia Gluckstein.

“Another family was headed by Samuel and Hannah Gluckstein of 34 Whitechapel Road. They had eight children, among them Bertha, Helena, Henry, and Julia.”

Ich fand einen Samuel (Isaac) Henry Gluckstein, 34 Whitechapel Road (geboren 1821 in Rheinberg bei Düsseldorf/ Germany) mit seiner Frau Hannah geborene Coenraad Gluckstein. 12 Kinder: Helena Salmon; Julia Abrahams; Bertha "Betsy" Koppenhagen; Catherine Joseph; Isidore Gluckstein; Montague Gluckstein, O.B.E.; Joseph Gluckstein; Henry "Harry" Gluckstein; Sarah Joseph; Adelaide Gluckstein; Clara Joseph und Mark Gluckstein.

Weitere Wohnsitze:

Residence: from 7 Apr 1861 to 23 May 1866, 37, High Street, Whitechapel, London
Residence: 2 Apr 1871, 42 & 43, Leman Street, Whitechapel, London

“Bertha married a Lawrence Abrahams, and at the time of her death in 1886, she lived at 26 High Street, Whitechapel.”
“Helena married Barnett Salmon in 1863, and they lived at 117 Leman Street.”


This Barnett Salmon wurde auch in Rheinberg – Düsseldorf, Germany geboren.

“Samuel Gluckstein had co-founded one of the largest tobacco businesses with his son-in-law, Barnett, in 1873. Their motto was Largest and Cheapest Tobacconists in Europe, and they had set up shop next to the Three Nuns Hotel, on Aldgate High Street to undoubtedly take advantage of the future railway lines. In 1894, Barnett Salmon’s son, Alfred married Frances, the daughter of Abraham Abrahams and Julia (née Gluckstein, married 1866). Alfred lived at 115 High Street, and he signed a trades petition on 28 October 1888 to the Home Office for extra police patrols in Whitechapel during the Ripper scare, made on behalf of Samuel Montagu, the local Member of Parliament. Another of Samuel Gluckstein’s children, Henry, lived at 100 Leman Street.”

“As mentioned, John Abraham’s son, Abraham, married Julia Gluckstein. They had three sons, Lawrence (who married Bertha Gluckstein), Isaac, and Solomon. “

"Alfred married Frances, the daughter of Abraham Abrahams and Julia (née Gluckstein, married 1866)". (see above). This time, there is a daughter Frances not only Lawrence, Isaac and Solomon???

Schaue ich mir die Stammbäume an dann sehe ich, dass John Jacobs Abrahams Sohn Abraham Julia Gluckstein und Tochter Julia Henry Phillips heirateten. Aber ich kann nicht sehen, dass Abraham und Julia drei Söhne mit den Namen Lawrence, Isaac, Solomon hatten. Ihre Kinder waren John Abrahams; Samuel Gluckstein Abrahams; Frances Salmon; Barnett Abrahams; Maurice Abrahams; Hannah Salmon; Kate Salmon; Montague Gluckstein Abrahams und Sarah Wolf.

“Isaac, who was a cigar manufacturer, married a Jane Levy. By the 1890s, they lived at 212 Whitechapel Road. They had two sons, Phillip and Lawrence. Phillip, like Alfred Salmon, signed the October 1888 trade petition to the Home Office requesting more police surveillance in Whitechapel during the Terror. Lawrence married Elizabeth, the daughter of his mother’s sister, Annie (Mrs Barnett Hart). The other of the Abrahams’ sons, Solomon, married an Amelia Levy. Solomon and Amelia lived at 19 Great Prescott Street until her death in 1889, aged 30. Amelia was the daughter of Moss Levy, whose son, the tailor Joseph, was married into the Gluckstein family."

“Vater” Abraham Abrahams wurde 1839 geboren, “Sohn” Isaac 1838 ???

Dieser Isaac Abrahams (geboren 1838, Surrey) 212 Whitechapel Road den ich fand, hatte auch Eltern mit den Namen Abraham Abrahams (1806) and Julia (1812) aber ich vermute, dass ist nicht Abraham Abrahams (1839), Sohn von John Abrahams und nicht von Mutter Julia (1846, born Gluckstein). Seine Mutter Julia (1812) war eine geborene Jacobs, nicht Gluckstein. Doch tatsächlich, sein Sohn Phillip, wie Alfred Salmon, unterzeichnete die Petition. Und es scheint, dass dieser Isaac Abrahams und sein Sohn Phillip einst zwischen Leuten aus Kalish lebten. Phillip Abrahams und Alfred Salmon unterzeichneten die Petition, die im Namen von Samuel Montagu (siehe Crawford Letter) erstellt wurde. Ich erwähnte George Louisson, sein Sohn Frederick und ein I. Abrahams waren anwesend bei der Zeremonie als Inspector Abberline aus dem Dienst austrat (Three Nuns Hotel/ Aldgate High Street, nahe Butchers Row).

Wie erwähnt, der  “richtige” Abrahams Abrahams und Julia Abrahams hatten ein paar Kinder. Eines von ihnen war Samuel Gluckstein Abrahams (geboren 1869). Dieser Mann ist der Butcher der 58 Butchers Row, vorher war er in Partnerschaft mit Morris Bosman (62 Butchers Row). Seine Schwester Frances heiratete Alfred, den Sohn von Samuel (Isaac) Henry Gluckstein (siehe oben). Es scheint, dass zwei Familien, Abraham and Julia Abrahams, geborene Jacobs (3 Söhne) und Abraham und Julia Abrahams, geborene Gluckstein (9 Kinder), durcheinander gebracht wurden. Doch Samuel Gluckstein Abrahams´ Schwager Alfred Salmon und der Sohn des “falschen” Isaac Abrahams (nicht zu verwechseln mit Aaron Kozminski´s Bruder Isaac Abrahams), Phillip Abrahams unterzeichneten die Petition. Dieser Butcher, Samuel Abrahams, hatte mit zwei Butchers Row Geschäftsräumen, 58 and 62 Aldgate High Street, zu tun und via seines Schwagers Alfred Salmon gibt es einen Link zu Phillip Abrahams der einst zwischen Leuten aus Kalish lebte. Auf diese Weise wäre es möglich, dass Crawford (via Montagu) etwas über eine Familie die aus dem Kalish- Bereich  stammte herausfand (Klodawa- Matilda Lubnowski). Phillips Abrahams´ Vater Isaac Abrahams hatte einen Bruder Samuel (nicht Solomon) Abrahams (Samuel Abrahams 2). Er lebte 33 Aldgate High Street (gegenüber der Buchters Row) in 1891. Jahre vorher, lebte er in der Kalish “Gemeinschaft”. Stammte der Butcher Frankel, 58 Butchers Row in 1913, aus Kalish?

Ich kann nicht erkennen, dass es einen Isaac Abrahams in 212 Whitechapel Road gab, der einen Großvater John Abrahams hatte. Isaac Abrahams wurde 1838 in Surrey geboren und seine Eltern waren nicht Abraham (Sohn von John) und Julia Abrahams, eine Gluckstein. Sie hatten aber das gleiche Alter. Seine Mutter Julia war allerdings eine Jacobs.

Abraham Abrahams (1806) und Julia (1812) eine Jacobs

Kinder: Lazarus, Julia, Lawrence, Asher, John, Samuel (geboren 1845, 33/37 Aldgate High Street 1881/1891), Frances (1846), Esther, Isaac (geboren 1838/ Surrey, 212 Whitechapel Road in 1891, Sohn Phillip Abrahams –“Petition”).

Abraham Abrahams (1839) und Julia (15 Februar, 1846, starb am 17 August, 1891 in Paddington) eine Gluckstein. Abraham Abrahams´s Schwester Julia heiratete einen Henry Phillips.

Kinder:

John, Samuel (Gluckstein Abrahams, geboren 1869, Butcher, 58/62 Butchers Row), Frances (Salmon, heiratete Alfred Salmon -“Petition”-), Barnett, Maurice, Hannah, Kate, Montague, Sarah, kein Isaac.

In 212 Whitechapel Road 1891 sehe ich nur einen Isaac Abrahams, geboren 1838.

Das alles ist mit einer großen Portion Vorsicht zu geniessen. Du siehst ja selbst, wie wirr und kompliziert das alles ist. Es gab einen Bereich in Whitechapel, Newcastle Place, Newcastle Street und Old Castle Street etc., wo es viele Einwohner gab, die aus Kalisz stammten. Die Julia mit den drei Söhnen starb ja auch im Newcastle Place. Den Butcher Frankel fand ich, glaube ich, mal danach und er hatte eine andere Abstammung.

Nach meinen Nachforschungen fand ich dann mal auf JTRForum die Post eines Dberg aus dem Jahre 2007. Habe sie wiederfinden können:

1:
I am not a Jack expert, but a genealogist specialising in Anglo-Jewry. I would just like to correct something as the surname Abrahams was not unusual in Jewish families and there were many Abraham Abrahams in the Jewish community. It, therefore, can be very confusing.

The Julia Abrahams who died in 1884 at 31 Newcastle Place was not Julia Gluckstein at the time of her marriage in 1831, but Julia Jacobs. It was another Julia Gluckstein who married Abraham Abrahams, son of John Abrahams in 1866. This Julia was the daughter of Samuel Gluckstein who was born in Rheinberg, Prussia, and father of a large family.

The Julia Abrahams who died in 1884 was married to another Abraham Abrahams, who were also closely connected to the Glucksteins. Julia's sons included Isaac Abrahams, mentioned by Scott. It was Isaac's son, Lawrence, who married his cousin, Elizabeth Hart, in 1895. I do not have a record of this Abraham having a son Solomon, so am uncertain about this.

All these particular families were in a large way of business, and part of the Gluckstein/Salmon/Lyons/Joseph dynasty from whom Nigella Lawson is descended. They were in the wealthier segment of the community. I do hope this helps.

2:
With apologies for adding a little more. and adding to the confusion.

As Scott mentions, Julia Gluckstein married in 1866 Abraham Abrahams, son of John Abrahams. It is likely that he is the son of the John Abrahams, whose parents were the Abraham and Julia Abrahams I have just mentioned in my posting, and therefore their grandson. Yes, I know it is confusing, but without getting certificates I cannot say for certain, but it is likely.

The other matter I should mention, having reread previous postings, is that I believe Henry Gluckstein was a brother of Samuel Gluckstein, and not the son. Samuel's large family included a son Harry. In addition, Bertha Gluckstein, who married in 1856 Lawrence Abrahams, was a sister of Henry and Samuel. The Bertha who was a daughter of Samuel Gluckstein married in 1883 Julius Koppenhagen. Bertha was a popular name in their family.

Lawrence Abrahams, who married their sister Bertha Gluckstein, was indeed a son of an Abraham Abrahams, but I cannot confirm that this was the same Abraham who was married to Julia who died in 1884 at Newcastle Place. One would have to delve into this to be certain, but I do have a record of a son called Lazarus on the 1841 census. Lawrence may or may not be the same person.


Du kannst das alles ja jetzt mal mit deinen Dingen abgleichen. Ich bin mit anderen Dingen beschäftigt und ich kann dich gerade darin nicht wirklich unterstützen, dazu bedarf es mehr Aufmerksamkeit. Bei der Diskussion damals ging es auch mehr um die Crawford Letter und das ganze Drumherum (Montague, die Untersuchungen dem Schneiderhandwerk betreffend auf die sich vielleicht Cox stützte) und die Leute, die die Petition unterstützten und mir fiel dabei nur auf, dass ich Adressen fand, die für mich kurz vorher bereits interessant wurden und die ich mir notiert hatte (die Kalish Leute). Das war spannend aber ob nun wirklich bedeutend, ich weiß es nicht. Habe daran auch nicht weitergearbeitet. Das waren ja auch nur erst einmal Wahrnehmungen und Vorschläge.

Man müsste jetzt schauen, ob sich via Sarah Levy etwas zu den hier genannten deutschstämmigen Personen finden lässt, bei ihr gab es wohl auch Angaben der Eltern zu Deutschland bzw. Österreich, wenn ich mich korrekt erinnere. Spuren kann man immer finden, es ist halt schwierig. Das wird bei den ganzen Abrahams, Glucksteins und Levys leichter sein aber selbst die ganzen Kosminskis lassen einiges erahnen. Die Kosminskis zu denen Scott Kontakt hatte, wollen in Battys Garden hinter dem Dutfields Yard gelebt haben. Eileen Luscombes Kosminski hatte "Kontakte" bis in die Butchers Row. Die Kozminski Familie von Zena Shine wollte auch Aaron Kozminski gekannt haben (und lebten auch mal in diesem Kalish Bereich), fehlt jetzt noch die Familie unseres Kosminskis.

Wir können wohl vorerst nur weiter spekulieren, wer der Butcher in der Row war, der Sagars Verdächtigen angestellt hatte. Das kann natürlich passiert sein, ohne das man verwandt war, zumindest nicht eng. Über Freunde hätte etwas vermittelt werden können als auch über eine schlichte Vorstellung mit Bitte um Anstellung eines vollkommen Fremden. Sagar sprach von seinen Freunden. Vermutlich lag hier eine Vermittlung der Person zwischen Freunden vor, die eher geschäftlich miteinander zu tun hatten. Der Vermittler könnte natürlich schon aus dem nahen Umwelt des Verdächtigen gestammt haben.

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Stordfield am 14.08.2017 21:19 Uhr
Hallo!

Wie kommt ihr eigentlich auf die Butcher Row? Die liegt doch noch hinter dem Ratcliff Highway. Also absolut östlich. Der Mörder von C. Eddows ist doch aber in NORDöstlicher Richtung verschwunden. Seht mir bitte meine Unwissenheit nach.

Stordfield
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 15.08.2017 03:35 Uhr
Hi Stordfield, Hi allesamt!


Leider war ich in den vergangenen Wochen ziemlich mit Beschlag belegt, so dass ich mit den Abrahams noch nicht weiter gekommen bin...


Aber was die Butcher's Row angeht, das kann ich dir relativ schnell erklären, Stordfield:

Wie du auf der Karte unten sehen kannst, wurde als Butcher's Row jener südliche Abschnitt der Aldgate High Street zwischen der Kirche St. Botolphs und der Einmündung Middlesex Street bezeichnet, weil dort praktisch nur Metzgereien waren und dahinter ein Schlachthof.

Nach dem Double Event erhärtete sich wegen Eddowes Verstümmelungen der Verdacht, JTR könnte ein Metzger sein, und die Polizei führte in den folgenden Wochen (3.-18. Oktober) nicht nur in der Umgebung des Mitre Square Haus-zu-Haus-Befragungen durch. Sie durchsuchte auch die Metzgereien und Schlachtereien im Viertel und überprüfte alle Personen, die in den letzten sechs Monaten dort beschäftigt waren. Verschiedene Verdächtige wurden unter Beobachtung gestellt.

Interessanterweise folgte nach dem Double Event die längste Pause zwischen den Ripper-Morden von fast sechs Wochen. Ursache dafür könnte der Ermittlungsdruck durch die Behörden gewesen sein, was für die Annahme spricht, dass die Polizei mit der Untersuchung des Metzger-Milieus rund um Aldgate High Street dem Ripper näher kam, so dass er vorerst pausieren musste, bis die polizeilichen Aktivitäten in seinem Umfeld wieder zurückgingen.

Nach dem Mord an Mary Jane Kelly im Miller's Court begann die City Police dann damit, mehrere Monate lang einen Tatverdächtigen in der Butcher's Row zu observieren.
In einem Zeitungsinterview (City Press, 7. January 1905) sagte Robert Sagar von der City Police, dass man nach dem Kelly-Mord einen Mann unter Beobachtung gestellt habe, der in der Butcher's Row arbeite und von dem man annehme, dass er der Ripper sei, und dass dieser Mann letztendlich von seinen Leuten in ein Irrenhaus eingeliefert worden sei.

Wenn man sich darüber hinaus die Fluchtrichtungen von JTR bei den anderen Morden und gewisse Zeugenaussagen zu verdächtigen Personen ansieht (siehe Karte unten), so stellt man fest, dass diese ebenso in Richtung der Butcher's Row zu weisen scheinen.

Daher erscheint es sowohl Lestrade als auch mir plausibel, dass JTR zumindest eine seiner Rückzugsmöglichkeiten dort in der Butcher's Row hatte (man bedenke die Aussage von Cox: "He occupied several shops in the East End.").

Warum JTR nun also nach dem Eddowes-Mord Richtung Nordosten flüchtete (wie Eddowes Schürze in der Goulston Street nahelegt), statt nach Südosten zur nahen Butcher's Row, ist eine gute Frage.

Dafür gibt es mehrere mögliche Gründe. Am Wahrscheinlichsten halten Lestrade und ich, dass er diesen direkten Weg nach Süden in die Aldgate High Street schlicht und einfach nicht einschlagen konnte oder wollte, weil ihm der Weg wohl wegen der Polizeibeamten versperrt oder zu riskant war.
So hielt sich z.B. Detective Constable Halse mit zwei Kollegen in der Nähe der Kirche St. Botolphs auf, und die Polizisten auf Streife (Watkins, Harvey) würden auch wieder von Süden her auf den Mitre Square und seine Ausgänge zukommen.

JTR könnte sich also schließlich entschlossen haben, lieber nach Nordosten zu fliehen, entweder um einen Bogen um die Polizisten herum zu machen oder eine andere Zuflucht in Whitechapel aufzusuchen ("he occupied several shops").

Interessant erscheint mir übrigens auch, dass JTR zunächst NICHT in der Nähe der Prostituiertenkirche St. Botolphs zugeschlagen hat, obwohl sie ein Zentrum des Straßenstrichs war - erst als in der Nacht des Double Event seine erste Tat gestört wird und er das dringende Bedürfnis verspürt, noch zum Abschluss zu kommen, greift er auf diese Gegend zurück. Dies deutet meiner Ansicht nach darauf hin, dass er sie zunächst gemieden haben könnte, bis schließlich der Verstümmelungsdrang zu groß wurde. Ein Grund dafür könnte die zu große Nähe zu einem seiner Lebensmittelpunkte mit hohem Wiedererkennungsrisiko gewesen sein.


Soviel von meiner Seite zum Thema Butcher's Row, Stordfield. Ich hoffe, ich konnte dir damit weiterhelfen.



MfG, Arthur Dent


Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 16.08.2017 11:01 Uhr
Hallo Stordfield, Arthur!

Ich persönlich finde es bemerkenswert, dass Eddowes, wenige Stunden vor ihrer Ermordung, gegenüber der Butchers Row betrunken von PC Robinson aufgefunden wurde. Und zwar sehr nahe an der Stelle, nur ein paar Meter entfernt, wo Sagar im Dezember 1890 an einer Razzia/Obersvation beteiligt war, im Bull Inn Yard. Die Kirche, St.Botolphs, lag von der Stelle wo Eddowes aufgegriffen wurde auch nur ca. 25m entfernt. In der New York Times gab es Anfang Oktober 1888 einen Bericht, wo ein "Watchboy" Eddowes mit einem Mann gesehen hatte als sie die Aldgate Station verließen, Richtung Mitre Square. Den Mann bemerkte er dann kurze Zeit später allein diesen Platz wieder verlassen. Diese Station lag ja zwischen der Kirche und dem Bull Inn Yard. Wir wissen, dass DC Halse und seine Kollegen genau an der Kreuzung der Kirche standen, als sie vom Mord an Eddowes erfuhren. Und dann ist da eben der Bericht von Sagar eine Observation in der Butchers Row betreffend. Wir wissen von Cox als auch via Macnaghten, dass der mutmaßliche Ripper nicht nur in einer Einrichtung zu finden gewesen war. Es ist also gut möglich, dass der Ripper in der Nacht des Double Events, von der Berner Street aus in eine dieser Einrichtungen flüchtete, in einen Shop in der Butchers Row. Dort oder eher unmittelbar dort, hätte er sein zweites Opfer in jener Nacht, Eddowes getroffen haben können, nachdem diese aus der Ausnüchterungszelle entlassen worden war. Arbeitete er dort, vielleicht nur des Nachts, hätte er Eddowes schon öfters eben auch dort gesehen haben können, gegenüber des Shops oder eben am Prostituierten- Treff St. Botolphs Church. Wenn man bestimmte Aussagen sieht, kann man im Zusammenhang vielleicht erkennen, dass der Ripper sich nicht allzu schnell vom Tatort Mitre Square oder dessen Umgebung entfernen konnte. Darin kann man vielleicht auch die Möglichkeit sehen, dass er eigentlich in jenen Shop der Butchers Row als Fluchtort zurückgehen wollte. Sagar hielt sich wohl bereits schon im April 1889 in der beschriebenen Gegend auf, da er zu jener Zeit von einem anderen Kollegen um Hilfe bei einem Einsatz gebeten wurde. Sagar schien recht überzeugt, dass er den wahren Ripper vor sich hatte. Nun muss nicht zwangsläufig der Bull Inn Yard der Observationspunkt von Sagar gegenüber der Butchers Row gewesen sein. Während solcher Observationen, gerade wenn sie längere Zeit andauerten, fielen den Beamten auch andere Verbrechen auf, denen sie verpflichtet waren nachzugehen, natürlich in anderer Koordination.

Hier noch der Link zu Scott Nelsons Butchers Row Suspect:

http://www.casebook.org/dissertations/rip-butchersrow.html

Beste Grüße, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 26.09.2017 12:30 Uhr
Hallo!

"Was Jack the Ripper a Slaughterman?
Human-Animal Violence and the World’s Most Infamous Serial Killer"
http://www.mdpi.com/2076-2615/7/4/30/htm

Andrew Knight arbeitet am Centre for Animal Welfare, Faculty of Humanities and Social Sciences, University of Winchester, Sparkford Road, Winchester SO22 4NR, UK
Katherine D. Watson an der School of History, Philosophy and Culture, Oxford Brookes University, Tonge Building, Gipsy Lane, Oxford OX3 0BP, UK

Im JTRForums sah ich eben eine Link, wo Andrew Knight zu Wort kommt:

https://www.youtube.com/watch?v=T45Z-hJ7lYI

Das sollte gut in diesen Faden passen.

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 04.02.2018 17:56 Uhr
Hallo zusammen!


Hinsichtlich der Theorie, dass JTR ein „crazy jewish butcher“ gewesen sein könnte, ist es interessant zu wissen, was kriminologische Untersuchungen zu Schlachthausarbeitern und Verbrechen herausgefunden haben.

In dem Fachartikel „Was Jack the Ripper a Slaughterman?“ von Andrew Knight und Katherine D. Watson werden entsprechende Arbeiten zitiert, die eine signifikant höhere Rate an Gewaltverbrechern unter Schlachthausarbeitern im Vergleich zu allen anderen Wirtschaftszweigen nachweisen:

„9. Slaughterhouses and Violent Crime
Although conditions in modern slaughterhouses are usually better for both workers and animals, they are hardly conducive to the physical or psychological health of either. Unfortunately, it is not only the workers themselves that are affected. After analysing 1994–2002 data from 581 U.S. counties, Fitzgerald et al. (2009) reported that total arrest rates, and arrests for violent crimes, rape and other sex offenses were increased among slaughterhouse workers, when compared to those from other industries [34].
(…)
After controlling for the number of young men in the county, population density, the total number of males, the number of people in poverty, international migration, internal migration, total non-White and/or Hispanic population, the unemployment rate, and the total county population, the authors found that slaughterhouse employment had significant positive (and “unique”) effects on the arrest and report rate scales, as well as on rates of total arrests, arrests for violent crimes, arrests for rape, and arrests for other sex offences. In fact, the expected arrest and report values in counties with 7500 slaughterhouse employees were more than double the values where there were no such employees.“
http://www.mdpi.com/2076-2615/7/4/30/htm



Auffällig in diesem Zusammenhang erscheint mir der allererste angeblich von JTR geschriebene Bekennerbrief vom 24. September 1888.
Er war an Polizeichef Sir Charles Warren selbst adressiert, und seine Existenz wurde damals geheim gehalten.
Er lautete:

"Dear Sir,
ich würde gerne aufgeben, ich befinde mich in einem Albtraum. Ich bin der Mann, der alle diese Morde in den letzten sechs Monaten begangen hat. Mein Name ist (mit der Zeichnung eines Sargs unkenntlich gemacht). Ich bin ein (Pferde-)Schlachter und arbeite bei (mit zwei Balken unkenntlich gemacht). Ich habe die Frau gefunden, die ich wollte, das war Chapman, und ich habe getan, was mir befohlen wurde: schlachtete sie. Aber wenn jemand kommt, werde ich aufgeben. Aber ich werde nicht von selbst zur (Polizei-)Station gehen. Hochachtungsvoll (mit der Zeichnung eines Sargs unkenntlich gemacht)."
Rückseite:
"Haltet das Viertel sauber, oder ich werde ihm einen Besuch abstatten. (Zeichnung eines Messers) Dies ist das Messer, mit dem ich die Morde begangen habe. Es hat einen schmalen Griff mit einer langen Klinge, beide Seiten scharf."
http://jacktheripper.de/forum/index.php/topic,32.0.html

Die meisten Bekennerbriefe wurden von der Polizei schon damals als geschmacklose Scherze von Trittbrettfahrern abgetan, nur wenige wurden ernst genommen. Selbst die berühmt gewordenen Briefe, in denen der Mörder sich angeblich den Namen "Jack the Ripper" gab (der "Dear Boss"-Brief und die "Saucy Jacky"-Postkarte) werden inzwischen für Fakes gehalten und sollen aus der Feder ebenjenes Sensationsreporters Thomas Bulling von der Central News Agency stammen, welche die Briefe der Polizei übergab.


Jener erste Brief aber erscheint mir bemerkenswert:

Erstens bezeichnet sich der Autor selbst als „(horse) slaughterer“ - das „horse“ wurde erst nachträglich über der Textzeile eingefügt, so als sei der Beruf für den Schreiber noch neu und ungewohnt, als wäre er früher einfach ganz allgemein ein Schlachter gewesen. Pferdeschlachter waren die Undergogs der Metzger-Branche und wurden außerdem i.d.R. „horse cracker“ genannt.
Dies deutet, wenn die Aussage der Wahrheit entspricht, darauf hin, dass der Schreiber vor noch nicht allzulanger Zeit sozial abgestiegen ist – so wie Jacob Levy nach seinem Fleisch-Diebstahl 1886, der ihn wohl seine Lizenz beim Jewish Council gekostet haben dürfte, weswegen seine Frau den Butcher Shop allein weiterführen musste, während Jacob sich wohl nach seiner Zeit in Gefängnis und Asylum 1887 als Angestellter in einem Schlachthaus verdingen musste.

Zweitens ist der Brief nicht verhöhnend, sondern scheint der Hilferuf eines kranken Menschen zu sein, der in einer tiefen inneren Zerrissenheit gefangen ist - so wie der Zustand Jacob Levys bei der Einlieferung ins Irrenhaus von seiner Frau beschrieben wurde:
„Er schlafe nun nachts nicht mehr, sondern wandere oft für Stunden ziellos umher. Auch befürchte er, anderen Gewalt anzutun, wenn er nicht daran gehindert werde. Er höre Geräusche und Stimmen, die ihm befehlen und ihn zwingen Taten zu begehen, die er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne.“
Der Satz mit Chapman ist aufgrund seiner Formulierungen und der fehlenden Satzzeichen verwirrend, aber "I have found the woman I would that is Chapman and I done what I called" könnte bedeuten: "und ich habe getan, was mir befohlen wurde" - was ein Hinweis auf die befehlenden Stimmen sein könnte, die ein Wahnkranker oft hört, und von denen Levys Frau sprach.

Betrachtet man sich die sargförmige Schwärzung an der Stelle, wo der Briefschreiber angeblich zum ersten Mal seinen Namen übermalt hat, so scheint darunter etwas ähnliches wie "leaffray" oder "leadfray" gestanden zu haben - und das würde von der Wortlänge sowie von den Oberlängen und  Silhouetten einiger Buchstaben passen auf unseren Metzger Jacob Levy:
l e  a  d  f r a y
l a co b  l e v y



MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 04.02.2018 18:56 Uhr
Hallo Arthur!

Die Tage kursierte eine Auswertung der Ripper Briefe durch die Ripper Welt:

https://academic.oup.com/dsh/advance-article/doi/10.1093/llc/fqx065/4824843?guestAccessKey=531a00c9-32f7-464f-81b4-001465e0f65f

Ändert nich viel aber dennoch einmal interessant, finde ich.

Ich lese jedoch "slauterer" und "slautered" anstelle "slaughterer" und "slaughtered". Nun mag es möglich sein, dass dies damals auch so gebräuchlich war unter gewissen Umständen.

Aber würde Jacob Levy als in England geborener Schlachter das nicht "richtig" schreiben?

Was meinst du?

Gruß, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 04.02.2018 21:08 Uhr
Hallo Lestrade!


Von der linguistischen Untersuchung der Briefe habe ich gehört – dass der „Dear Boss“ und „Saucy Jacky“ höchstwahrscheinlich vom selben Autor stammten, wurde ja schon lange vermutet. Nur dass dieser dritte Brief auch vom selben stammen soll, war mir neu.
Da ich sie aber sowieso für Fakes halte, ändert diese Erkenntnis für mich eigentlich nichts wesentliches.

Was das englische „slaughter – slauter“ angeht, so war das einfach mein „Schreibfehler“, statt die Orthografie des Briefes zu verwenden. Ich weiß jetzt auch nicht, wie das in GB damals mit den Rechtschreibregeln war.
Aber ich kann mir gut vorstellen, dass auch einfache Leute von der Insel, die nur ein paar Jahre die Grundschule besuchten und keinen Beruf hatten, der Schreibkompetenz erforderte, vieles nach Gefühl oder Gehör schrieben. Rechtschreibfehler werden damals in dem Ghetto nicht nur unter Ausländern zu finden gewesen sein – sind es ja heutzutage auch nicht. Auffallend ist aber, dass der Briefschreiber keine Satzzeichen verwendet – ein geübterer Schreiber würde sie automatisch setzen. Insofern sehe ich da keinen Grund, dass der Text nicht von einem einheimischen „kleinen Mann“ geschrieben worden sein könnte.


Was nun Jacob Levy konkret angeht:
Levy war ja zuvor „butcher“ mit seinem eigenem butcher shop gewesen. Er hat zwar das Schlachten in seiner Ausbildung gelernt, danach aber in seinem Geschäft nur noch die bereits geschlachteten Tiere zu Wurst oder Schnitzel verarbeitet – also nannte er sich die längste Zeit seines Arbeitslebens auch butcher und wird das auch geschrieben haben, wenn er mal was zu schreiben hatte, zum Beispiel auf eine Rechnung.
Wenn er nun nach seiner Strafe 1886/87 seinen Shop nicht mehr selber betreiben durfte, sondern irgendwo als angestellter Schlachter arbeiten gehen musste, so wird er das Wort „slaughterer“ wohl nicht unbedingt so oft zu schreiben gehabt haben (wenn überhaupt) wie früher als Geschäftsinhaber das Wort butcher.



MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 04.02.2018 21:39 Uhr
Danke für deine Antwort!

Insofern sehe ich da keinen Grund, dass der Text nicht von einem einheimischen „kleinen Mann“ geschrieben worden sein könnte.

Das wäre anzunehmen aber würde nun ausgerechnet ein Butcher/ Slaughterer, von mir aus Jacob Levy, genau diesen Fehler machen?

Vorhin vergessen:

Dieses "leaffray" oder "leadfray" wo hast du das gesehen? Ich meine mich auch daran zu erinnern, es einst gelesen zu haben. War das nicht Patricia Cornwell, die diesen Brief hat untersuchen lassen, mit einer Art Lasergerät? Ich stehe da auf dem Schlauch.

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 04.02.2018 22:30 Uhr
Hallo Lestrade!


Da haben sich unsere Posts wohl überschnitten: Ich hatte im meinem letzten noch nachträglich jenen Abschnitt hinzugefügt, weil ich mir schon dachte, dass diese Frage von dir kommen würde:

Zitat
Was nun Jacob Levy konkret angeht:
Levy war ja zuvor „butcher“ mit seinem eigenem butcher shop gewesen. Er hat zwar das Schlachten in seiner Ausbildung gelernt, danach aber in seinem Geschäft nur noch die bereits geschlachteten Tiere zu Wurst oder Schnitzel verarbeitet – also nannte er sich die längste Zeit seines Arbeitslebens auch butcher und wird das auch geschrieben haben, wenn er mal was zu schreiben hatte, zum Beispiel auf eine Rechnung.
Wenn er nun nach seiner Strafe 1886/87 seinen Shop nicht mehr selber betreiben durfte, sondern irgendwo als angestellter Schlachter arbeiten gehen musste, so wird er das Wort „slaughterer“ wohl nicht unbedingt so oft zu schreiben gehabt haben (wenn überhaupt) wie früher als Geschäftsinhaber das Wort butcher.


Diese Sache mit „leadfray/leaffray“ stammt aus einem früheren Faden hier im Forum über die Briefe – ich finde es nur gerade nicht.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 04.02.2018 23:46 Uhr
Ja, da haben wir uns überschnitten...

Ich weiß nicht, ob es dir aufgefallen ist... nicht nur bei slauterer und slautered fehlt das gh... sondern auch bei Boro road (hier fehlt das ugh)... weil ich davon ausgehe, dass er Borough Road heißen soll... eine Straße in Southwark, ca. 2 Meilen von der Middlesex Street entfernt...

Mich erinnert das an Nite, Lite oder Tonite statt Night, Light oder Tonight. Der Herkunft dieses Slangs ist mir nicht bekannt, erinnert mich an Amerikanisch aber ich weiß das nicht wirklich. Borough, Bezirk, wurde manchmal auch mit Boro´ abgekürzt.

Horse Slaughterer kenne ich nur die Harrison, Barber und Co. mit ihren Adressen und eine davon lag in der Tabard Street eben in Southwark, unweit der erwähnten Borough Road.

Das klingt nach einem H&B Pferdeschlachter in der Tabard Street, der eine Tour in die nahegelegende Borough Road ankündigt... oder und das wohl eher, jemand der nur die tatsächlichen Schlachter dort in Verdacht bringen wollte...

Auch wie der Brief geschrieben wurde, so von links nach rechts in der Schrift abfallend, eine recht gute Schrift und ich kann mir nicht vorstellen, dass Jacob Levy als "Crazy Butcher" das so hinbekommen hätte. Rechtsdrifter gelten als verquatscht und sorglos.

Jemand "wünschte" sich die Action der Mordserie nach Southwark in die Whitechapel Nachbarschaft. Für mich, macht der Brief keinen Sinn in Bezug zu Jacob Levy.

Ob nun als Pork Butcher, Meat Salesman, Slaughterer, Slaughterman, Butcher Journeyman oder einfach Butcher, den Slang hätte wohl auch Jacob Levy draufhaben können... ist in diesem Sinne gar kein Schreibfehler aber jemand aus diesem Geschäft trifftet vielleicht eher nicht (offiziell) in einen solchen Slang ab...

Aber es lohnt sich immer über diese Sachen zu diskutieren...

I am horse slauterer and work at Name [blacked out] address [blacked out]=

I am horse slauterer and work at Harrison Tabard Street Boro´SE ???

Keep the Boro road clear or I might take a trip up there

Keep the Borough road/ Southwark clear or I might take a trip up there

Das könnte die Polizei aber auch so verstanden haben damals.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 05.02.2018 00:51 Uhr
Hallo Lestrade!


Also, ich glaube nicht, dass „boro“ die Abkürzung für eine bestimmte Straße sein soll. Vom Zusammenhang her war meine Interpretation immer die gängige als borough im Allgemeinen, eben „Viertel / Nachbarschaft“ – was ja auch logisch wäre: Er fordert, die Straßen des East End von Prostituierten „sauber zu halten“, sonst wird er es weiter „säubern“.

Zitat
Auch wie der Brief geschrieben wurde, so von links nach rechts in der Schrift abfallend, eine recht gute Schrift und ich kann mir nicht vorstellen, dass Jacob Levy als "Crazy Butcher" das so hinbekommen hätte.

Die abfallende Schrift und die Grammatikfehler deuten für mich darauf hin, dass der Schreiber es nicht gewohnt war, längere Briefe bzw. längere Sätze zu schreiben und dabei in der Zeile zu bleiben, sondern eher nur kurze Notizen. Er hat vermutlich hauptsächlich Listen und Rechnungen o.ä. geschrieben.
Durch geschäftliche Notizen würde er zwar Übung in Schönschrift und bei den kleinen, häufig verwendeten Wörtern haben, wie er es in der Schule gelernt hat, damit die Kunden/Geschäftspartner es lesen können – aber er könnte wegen der eingeschränkten Thematik Probleme mit schwierigeren, seltener benutzten Wörtern gehabt haben und dabei in Slang bzw. Lautschrift abgedriftet sein.

Jedenfalls dürfte der Ripper – wenn auch psychisch krank – durchaus zu diesem Schriftbild in der Lage gewesen sein: So wie er im Dunkeln mit dem Messer umging, sieht es für mich nicht aus, als hätte er Probleme mit der Feinmotorik seiner Hände gehabt.
Und auch Jacob Levy war bei seiner Einlieferung in Stone laut Patientenakte körperlich noch in gutem Zustand.

Aber vielleicht sollten wir eine differenzierte linguistische Analyse doch besser einem englischen Linguisten überlassen, denn mit der historischen Sprachentwicklung oder den Soziolekten in GB usw. kenne ich mich nicht aus...


Interessant finde ich jedenfalls, dass der Schreiber auf der Vorderseite klagt, sich in Qual und Albtraum zu befinden und man möge es beenden, aber auf der Rückseite dann wie ein eiskalter Erpresser droht weiterzumachen, wenn man seine Forderung nicht erfüllt, um sich abschließend an der Präsentation seiner Waffe aufzugeilen.
Man kann diese Stimmungsschwankungen beim Lesen richtig mitfühlen, und ich weiß nicht, ob das irgendein durchschnittlicher Witzbold so glaubwürdig hinbekommen hätte – der Brief erscheint mir psychologisch doch recht stimmig.

Ich tendiere ja eher zu der Ansicht moderner Profiler, dass der Tätertyp, zu dem JTR gehört, nicht  dazu neigt Briefe zu schreiben – aber neben dem „From Hell“ Brief erscheint mir dieser erste als der glaubwürdigste.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 05.02.2018 12:01 Uhr
Hallo Arthur,

Natürlich kann man das alles betrachten, wie man will.

Ich meinerseits erkenne jedoch nichts, was auf Jacob Levy hinweisen würde. Der Brief verweist auf einen Pferdeschlachter und in der Gegend war, vielleicht frage ich mal Gary Barnett oder lese seine Fäden darüber, nur Harrison, Barber & Co als Größerer aktiv. Andere müsste ich erfragen. Und eine der angegeben Adressen derer war Tabard Street. Und nun verweist ausgerechnet der Schreiber auf "Boro road" und eine Borough Road lag tatsächlich unmittelbar an der Tabard Street. Nun könnte man meinen, Jacob Levy könnte für dieses Unternehmen gearbeitet haben, lag ja nicht weit weg von seinem Wohnsitz, allerdings weiß ich wirklich nicht, ob sie jüdische Schlächter angestellt haben.

Ich habe das mit "leaffray" oder "leadfray" von academyfightsong gefunden. Schön, dass er sich die Mühe gemacht hat. Er schien sich relativ sicher zu sein, dass die Endung fray lautet. Das möchte ich ihm gerne glauben. Fray war ein gebräuchlicher Nachname. Er erkennt wohl 8 Buchstaben, Jacob Levy besteht aus 9 Buchstaben. Er will deutlich ein R und ein A erkannt haben und wenigstens ein F scheint sicher, eventuell ein D. Der Name Jacob Levy enthält kein R, A, F oder D. Leaf Fray käme mir eher in den Sinn, besser noch Jeff Fray aber das klinge blöd "Jeffrey" doch nichts ist unmöglich.

Wie Du jedoch aus "leaffray" oder "leadfray" Jacob Levy machst, kann ich nicht verstehen.

Gruß, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 05.02.2018 14:33 Uhr
Hallo Lestrade!


Angesichts der Schreib- und Grammitkfehler sowie der Schwärzungen in dem Brief könnten wir sicher stundenlang diskutieren, ohne zu einer gemeinsamen Interpretation zu gelangen.


Jedenfalls halte ich es für plausibler, dass der Schreiber fordert, die Straßen des Viertels „sauber“ zu halten, als dass er sich nur auf eine einzelne Straße, und dann noch ausgerechnet auf die Borough Road, bezieht.
Sowohl Borough Road als auch Tabard Street liegen südlich der Themse zwischen Southwark und Lambeth, das ist schon ein Stück weg vom East End.
Schließlichlich hat JTR nur an verschiedenen Stellen im East End zugeschlagen, an verschiedenen Brennpunkten des Straßenstrichs dort, aber nie südlich der Themse oder gar in der Nähe der Borough Road – somit ergibt jene Interpretation m.E. keinen Sinn, weder für JTR noch für einen Witzbold.


Was die Pferdeschlachterei angeht, so könnte es natürlich auch sein, dass der Schreiber sich entschieden hat, das nachträgliche „horse“ vor slauterer einzufügen, um die Polizei auf eine falsche Fährte zu locken, nachdem er den Namen und den Arbeitgeber unkenntlich gemacht hat. Scheinbar hatte er ja beim Schreiben des Briefes einen Sinneswandel und wollte beides nun doch nicht mehr preisgeben. Somit wäre es nur folgerichtig, auch auf die falsche Berufsgruppe der horse cracker zu verweisen.


Was nun den mit einem Sarg übermalten Namen angeht, so ist das natürlich eine Frage der Interpretation von Schattierungen auf einem digitalen Abbild mit begrenzter Auflösung.

Ich hatte mir mal eine relativ hoch aufgelöste Bilddatei des Briefes (die Schachner gepostet hatte) mit Gimp angesehen und etwas bearbeitet, um academyfightsongs Interpretation zu überprüfen und kam zu dem Ergebnis, dass da wohl tatsächlich etwas darunter geschrieben war, was wohl etwa acht oder neun Buchstaben hatte.
Das waren natürlich nur schwache Striche aus groben Pixeln, die geringfügig andere Farb- bzw. Helligkeitswerte hatten als die Umgebung. Aber einige dieser schwachen Pixelstriche ergaben tatsächlich etwas, dass so ähnlich wie „leadfray“ oder „leaffray“ oder eben „Jacob Levy“ aussah. Relativ deutlich waren für mich jedenfalls die Ober- und Unterlängen zu erkennen: Am Anfang eine Art großes L oder I oder J, danach ein Kringel, vermutlich ein a oder e, in der Mitte zweimal eine Oberlänge, zuerst wie bei d oder f oder b und als zweite wie L oder t oder f, danach wieder ein Kringel wie ein a oder e (wobei ein kleines r ja wie ein Teil eines Kringels aussehen kann) und am Ende ein ziemlich deutliches y.
Bei der Arbeitgeberadresse konnte ich nicht soviel erkennen, nur einzelne Oberlängen wie z.B. eine Schleife eines kleinen l oder b, die über das Durchgestrichene hinausragte, und am Ende schien mir „street“ zu stehen.

Das kann jetzt etwas bedeuten – aber es könnte auch nur daran liegen, dass der Brief digitalisiert wurde und die scheinbaren Striche durch die Verpixelung entstanden sind, oder dass ich die Pixel aufgrund meines Vorwissens über academyfightsongs Ergebnis ähnlich interpretiert habe.
Eines dürfte jedoch unstrittig sein: Angesichts der Kürze des Sarges stand da, wenn tatsächlich ein Name darunterstand, nur ein sehr kurzer mit acht oder neun Buchstaben.


Aber das sind alles nur mögliche Interpretationen, reine Gedankenspiele – vielleicht war auch dieser Briefschreiber nur einer der geschmacklosen Witzbolde.


MfG, Arthur Dent

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 05.02.2018 15:36 Uhr
Angesichts der Schreib- und Grammitkfehler sowie der Schwärzungen in dem Brief könnten wir sicher stundenlang diskutieren, ohne zu einer gemeinsamen Interpretation zu gelangen.

Arthur, ich glaube nicht, dass es darum geht zu einer gemeinsamen Interpretation zu gelangen.

Jedenfalls halte ich es für plausibler, dass der Schreiber fordert, die Straßen des Viertels „sauber“ zu halten, als dass er sich nur auf eine einzelne Straße, und dann noch ausgerechnet auf die Borough Road, bezieht.
Sowohl Borough Road als auch Tabard Street liegen südlich der Themse zwischen Southwark und Lambeth, das ist schon ein Stück weg vom East End.
Schließlichlich hat JTR nur an verschiedenen Stellen im East End zugeschlagen, an verschiedenen Brennpunkten des Straßenstrichs dort, aber nie südlich der Themse oder gar in der Nähe der Borough Road – somit ergibt jene Interpretation m.E. keinen Sinn.

"Haltet die Boro Straße frei, sonst mache ich einen Abstecher dorthin" bedeutet für dich also ein ganzes Viertel? Warum sollte er einen Abstecher in das Viertel machen, indem er bereits mordete? Er ist ja bereits dort. Warum muss dieser Brief aus dem East End kommen und nicht aus Soutwark oder Lambeth? Wenn Borough Road gemeint war, nahe von H&B und der Tabard Street, dann hatte nämlich der Schreiber überhaupt nichts mit den Morden zu tun. Der Brief enthält doch überhaupt kein Täterwissen. An was Du dich orientierst ist "Slaughterer" weil Jacob Levy ein Butcher war. An diesem Brief ist gar nichts, was auf Jacob Levy hinweist.

Was die Pferdeschlachterei angeht, so könnte es natürlich auch sein, dass der Schreiber sich entschieden hat, das nachträgliche „horse“ vor slauterer einzufügen, um die Polizei auf eine falsche Fährte zu locken, nachdem er den Namen und den Arbeitgeber unkenntlich gemacht hat. Scheinbar hatte er ja beim Schreiben des Briefes einen Sinneswandel und wollte beides nun doch nicht mehr preisgeben. Somit wäre es nur folgerichtig, auch auf die falsche Berufsgruppe der horse cracker zu verweisen.

Falsche Berufsgruppe?

Was nun den mit einem Sarg übermalten Namen angeht, so ist das natürlich eine Frage der Interpretation von Schattierungen auf einem digitalen Abbild mit begrenzter Auflösung.

Das ist ganz sicherlich nicht einfach, glaube ich gerne. academyfightsong schrieb, dass sich diese Schrift deutlich vom Rest des Briefes unterschied. Sicherlich ist dort Platz für 8-9 Buchstaben. Möglicherweise ist der erste Buchstabe wirklich groß geschrieben aber würde jemand schreiben Jacoblevy? Ist vielleicht nur ein einziger Vor- oder Nachname.

Aber das sind alles nur mögliche Interpretationen, reine Gedankenspiele – vielleicht war auch dieser Briefschreiber nur einer der geschmacklosen Witzbolde.

Das war wohl an dem.

Deinen Überlegungen erneut in allen Ehren. Mir würde es auch gefallen irgendwo Spuren von Jacob Levy zu finden aber an diesem Brief würde ich mich in keinster Weise an Jacob Levy festmachen. Wenn du dort Möglichkeiten siehst, ist es doch okay. Eine gemeinsame Interpretation kann man einfach nicht erwarten. Das muss ja auch nicht. Wie so oft, haben wir das abgewogen und nun steht es hier, wie es eben hier steht. Das ist doch auch vollkommen okay.

Tracy scheint hart zu arbeiten. Vielleicht gibt es dann noch einmal andere Ansätze. Ich für mich und da bitte ich um Verständnis, brauche für mein Jacob Levy Suspect einfach mehr Substanz als solch einen Brief.

Aber spannend wäre es, noch einmal alle Briefe, die an die MET, die City Police oder woanders hingingen, zu betrachten. Es gab sie ja in größerer Zahl und vielleicht gibt es Hinweise zu ihm, wenn auch nicht von ihm selber, die interessanter sind als der Brief vom 24. September 1888. Da kann man nämlich schnell einmal etwas übersehen.

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 05.02.2018 16:47 Uhr
Hallo Lestrade!


Zitat
Warum sollte er einen Abstecher in das Viertel machen, indem er bereits mordete?

Das ist eine interessante Idee: Gewissermaßen die Androhung, den Wirkungskreis über das East End hinaus auszuweiten. Soweit hatte ich noch gar nicht gedacht, klingt plausibel.


Zitat
Wenn Borough Road gemeint war, nahe von H&B und der Tabard Street, dann hatte nämlich der Schreiber überhaupt nichts mit den Morden zu tun. 

Wieso nicht? Wieso hätte JTR nicht drohen können, auch mal andere Stadtviertel heimzusuchen? Es wäre zwar ein längerer Weg von zwei Meilen gewesen, statt wie bisher max eine Meile, aber immer noch zu bewältigen.
Selbst wenn er es nicht wirklich vorgehabt hätte, hätte er ja trotzdem damit drohen können, z.B. in der Hoffnung, dass die Polizei sich dazu verleiten lassen könnte, ihre Kräfte anders zu verteilen, und/oder  die Angst auch dorthin zu exportieren.


Zitat
Falsche Berufsgruppe? 

Na, wenn die Polizei sich dadurch verstärkt speziell auf die horse cracker konzentrieren würde statt auf die anderen „normalen“ Metzger und Schlachter, und JTR zu den letzteren zählte.


Zitat
Möglicherweise ist der erste Buchstabe wirklich groß geschrieben aber würde jemand schreiben Jacoblevy? Ist vielleicht nur ein einziger Vor- oder Nachname.   

Also ich konnte nicht genau erkennen, ob jene Oberlänge in der Mitte jetzt ein Groß- oder Kleinbuchstabe gewesen sein könnte – wie gesagt: Es war nur die Interpretation von Pixelschattierungen als Striche.


Zitat
Der Brief enthält doch überhaupt kein Täterwissen. An was Du dich orientierst ist "Slaughterer" weil Jacob Levy ein Butcher war. An diesem Brief ist gar nichts, was auf Jacob Levy hinweist.
(...)
Deinen Überlegungen erneut in allen Ehren. Mir würde es auch gefallen irgendwo Spuren von Jacob Levy zu finden aber an diesem Brief würde ich mich in keinster Weise an Jacob Levy festmachen.

Nun ja, neben dem Beruf und der Kürze des übermalten Namens, der scheinbar mit einem y endet, sind es für mich vor allem inhaltliche Bezüge zu Jacob:
Dass der Schreiber von einem quälenden Albtraum spricht, in dem er sich befindet, dass man ihn aufhalten soll, und „i done what i called“, das weist doch Parallelen zu Jacobs Patientenakte auf:
Auch er fühlt sich in einem Albtraum, von Stimmen getrieben, die ihm befehlen Dinge zu tun, die er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne, wenn man ihn nicht daran hindere.

Von einem durchschnittlichen Witzbold der damaligen Zeit würde ich nicht so viel psychologisches Feingefühl zur Nachahmung eines psychotischen Täters erwarten. Die anderen Ripper-Briefe, die ich kenne, waren ja auch einfach nur bösartig verhöhnend, so wie sich die meisten Leute damals  ein „menschliches Monster“ landläufig vorgestellt haben.


Zitat
Aber spannend wäre es, noch einmal alle Briefe, die an die MET, die City Police oder woanders hingingen, zu betrachten. 

Ja, das wäre sicher spannend vor allem als Psycho-Studie – wie victorianische Trolle damals so tickten. :-)
Interessanter fände ich aber noch die Briefe und Aussagen derjenigen Leute, die mit irgendwelchen für sie verdächtigen Beobachtungen der Polizei bei den Ermittlungen helfen wollten, da könnte vielleicht noch ein bisher unterschätzter Hinweis zu finden sein.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 05.02.2018 18:13 Uhr
Das ist eine interessante Idee: Gewissermaßen die Androhung, den Wirkungskreis über das East End hinaus auszuweiten. Soweit hatte ich noch gar nicht gedacht, klingt plausibel.

Wieso nicht? Wieso hätte JTR nicht drohen können, auch mal andere Stadtviertel heimzusuchen? Es wäre zwar ein längerer Weg von zwei Meilen gewesen, statt wie bisher max eine Meile, aber immer noch zu bewältigen.
Selbst wenn er es nicht wirklich vorgehabt hätte, hätte er ja trotzdem damit drohen können, z.B. in der Hoffnung, dass die Polizei sich dazu verleiten lassen könnte, ihre Kräfte anders zu verteilen, und/oder  die Angst auch dorthin zu exportieren.

Arthur, du traust Jacob Levy ein komplexeres Denken zu...

Na, wenn die Polizei sich dadurch verstärkt speziell auf die horse cracker konzentrieren würde statt auf die anderen „normalen“ Metzger und Schlachter, und JTR zu den letzteren zählte.

H&B Crackers, einige Angestellte in der Winthorp Street und evtl. in der Tabard Street nahe Borough Road. Ein enormer Zeitgewinn. Schlachter, egal welcher Art, waren eh nach dem Chapman Mord hoch eingestuft und in aller Munde. Hier wieder der "denkende" Jacob Levy.

Nun ja, neben dem Beruf und der Kürze des übermalten Namens, der scheinbar mit einem y endet, sind es für mich vor allem inhaltliche Bezüge zu Jacob:
Dass der Schreiber von einem quälenden Albtraum spricht, in dem er sich befindet, dass man ihn aufhalten soll, und „i done what i called“, das weist doch Parallelen zu Jacobs Patientanakte auf:
Auch er fühlt sich in einem Albtraum, von Stimmen getrieben, die ihm befehlen Dinge zu tun, die er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne, wenn man ihn nicht daran hindere.

Ein y ist kein Täterwissen. Täter dieser Art reden nicht über ihren Geisteszustand, schon gar nicht, wenn sie Mörder sind. Das ist kaum zu erwarten.

Der Brief sollte ein Fake sein, von jemanden, der einen geisteskranken Pferdeschlachter außerhalb aber nahe Whitechapel immitiert. Es war normal, diese abscheuliche Tat an Chapman einem wahnsinnigen Butcher zuzuschreiben. Was sollte die Mehrheit der Menschen auch anderes denken? Am Ende war es wahrscheinlich sogar so oder so ähnlich.

Doch da ist nichts, was den wirklich schwerkranken Jacob Levy mit dem Brief in Verbindung bringt. Der dachte nicht mehr plausibel und war nur noch mit sich beschäftigt. Er hätte sicherlich nicht Charles Warren mit seinen Problemen angeschrieben.

Nichtsdestotrotz, Jacob Levy ist bestimmt, bei der Überprüfung aller Schlachter im Oktober 1888, aufgefallen. Sein Zustand entsprach sicherlich dem Zustand des zu erwartenden Crazy (Jewish) Butcher. Jemanden wie ihn, wird man sicherlich auf Herz und Nieren überprüft haben. Das Ergebnis kennen wir leider nicht.

Es ist vollkommen in Ordnung, Jacob Levy mit diesem Brief zu vergleichen. Aber es muss jeden selbst überlassen werden, das für sich einzuordnen. Es ist ja auch sehr spannend, zwei sehr unterschiedliche Ansichten darüber mitgeteilt zu bekommen. Das lässt Raum, dass jeder Interessierte das dann für sich abwiegeln kann.

Es ist doch schier unmöglich, diesen Brief als Brief von Jacob Levy zu proklamieren. Das war vor diesem Thema so und ist es jetzt auch. Was für die Zukunft ist, steht in den Sternen.

Du hast die Überlegung, diesen Brief ihm zuzuschreiben, ich halte das eher für ausgeschlossen. Ich denke, es geht nicht immer um richtig oder falsch sondern eher darum einfach seinen Gedanken freien Lauf zu lassen, offen zu sein, dafür, dass man eigentlich zu wenig oder nichts weiß.

Ich lebe so, dass ich weiß, dass ich eigentlich nichts weiß. Es kommt niemand, der hier ein Siegel mit der Zeile: "So stimmt es" aufsetzt. Wir können uns nur Mühe geben zu verstehen, jeder mit seiner Persönlichkeitsstruktur. Ich denke, dass ist aller Ehren wert.

Lestrade.




Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 06.02.2018 16:49 Uhr
Hallo Lestrade!


Zitat
Arthur, du traust Jacob Levy ein komplexeres Denken zu...   

Was hat das Bedürfnis eines Serienkillers, Angst und Schrecken zu verbreiten, mit komplexem Denken zu tun? Man braucht doch nicht viel Grips, um Drohungen auszusprechen und sich die Folgen auszumalen. Unterschätze mal nicht die Fähigkeiten von psychisch Kranken oder von intellektuell minderbemittelten Gewohnheitsverbrechern, die sind in ihren „Fachgebieten“ trotzdem  oft noch zu recht „cleverem“ Verhalten fähig – das hat weniger mit abstrakter analytischer Intelligenzleistung zu tun als mit praktischer Lebenserfahrung.
Die Gedanken des Rippers waren offensichtlich zumindest noch klar genug, um die bereits alarmierten Frauen in trügerischer Sicherheit zu wiegen und die Beats der Polizisten im Auge zu behalten, was es ihm trotz der erhöhten Präsenz und Aufmerksamkeit ermöglichte, ihnen nach der Tat zu entkommen.
Und Levy scheint ja auch lange genug noch ausreichend klar im Kopf gewesen sein, dass man ihn nicht bereits 1888 wieder in eine Anstalt steckte, sondern unseres Wissens erst 1890.


Zitat
H&B Crackers, einige Angestellte in der Winthorp Street und evtl. in der Tabard Street nahe Borough Road. Ein enormer Zeitgewinn. Schlachter, egal welcher Art, waren eh nach dem Chapman Mord hoch eingestuft und in aller Munde. Hier wieder der "denkende" Jacob Levy. 

Da magst du aus abstrakt analytischer Perspektive recht haben. Aber hast du nicht unmittelbar zuvor gesagt, du glaubst nicht, dass er noch zu komplexerem Denken fähig gewesen wäre? Inwiefern spräche dann eine dumme Handlung oder Fehleinschätzung gegen meine These? Sogar Menschen, die sich ansonsten clever verhalten, begehen mal eine Dummheit oder machen eine Fehleinschätzung. Und wir reden hier von einem psychisch Kranken.
Vielleicht hatte der Briefeschreiber auch einfach nur eine persönliche Abneigung gegen (einzelne oder alle) horse cracker, und da bot es sich einfach an, aus slauterer eben horse slauterer zu machen, als er sich gegen seine eigene Identifizierung entschied.


Zitat
Ein y ist kein Täterwissen.

Habe ich auch nie behauptet – mal abgesehen davon, dass ich diesen Einwand nicht verstehe, da man die Kenntnis des eigenen Namens wohl beim Täter voraussetzen kann, sollte er nicht an Amnesie leiden.

Scherz beiseite: Das y ist für mich einfach ein Indiz.
Ich sehe lediglich eine mögliche Verbindung des Briefes zu Jacob Levy, unter anderem weil Jacob Levy ein kurzer Name ist, der unter die Schwärzung passen würde, und weil Levy auch mit einem y endet, ebenso wie der Name, der da mal gestanden haben könnte. Mehr nicht.


Hier nochmal kurz die Ähnlichkeiten zwischen der Selbstbeschreibung im Brief und dem Eintrag aus Jacob Levys Patientenakte:

Brief:

"I do wish to give myself up
I am in misery with nightmare
(...)
I done what I called slaughtered her
but if anyone comes I will surrender
but I am not going to walk to the station by myself"

Levys Akte:

"Says he feels a something within him, impelling him to take every thing he sees.
Feels that if he is not restrained he will do some violence to some one
(...)
He is suffering from mania says that he feels compelled to do acts contrary to the dictates of his
conscience by a power which he cannot withstand"


Ich denke, die Ähnlichkeiten in der psychischen Verfassung sind durchaus zu erkennen.



Zitat
Täter dieser Art reden nicht über ihren Geisteszustand, schon gar nicht, wenn sie Mörder sind. Das ist kaum zu erwarten. 

Kannst du das mit irgendwelchen kriminologischen oder psychologischen Quellen belegen?
Ich teile zwar auch die Ansicht des FBI, dass jener Tätertyp vermutlich eher nicht mit der Polizei kommunizieren würde – aber ganz ausschließen kann man sowas ja nicht, das sind ja nur statistische Erkenntnisse, die etwas über Wahrscheinlichkeiten aussagen.
Vor allem habe ich aber noch nie gehört, dass psychisch kranke Täter im Allgemeinen nicht über ihre Befindlichkeiten sprechen würden – im Gegenteil klagt doch so mancher dieser Täter in egozentrischer Manier und völliger Blindheit für die Leiden seiner Opfer, wie schlimm es ausgerechnet ihm doch gehe.
Ich muss da gerade an ein Zitat aus einem alten Spiegel-Artikel über die forensische Psychiatrie und ihre Insassen denken, das sich mir eingebrannt hat: "Großes Maul und den Hintern voller Tränen", so hatte ein Therapeut es zusammengefasst:
„Irgendwann", sagt der Patient, "kehrten sich bei mir die Phantasien um. Nun wollte ich jemanden töten, zerstückeln und das Fleisch essen." Er tat es. Solche Taten abscheulich zu finden ist wohlfeil - doch auch das Dämonische trägt menschliche Züge. "Die Insassen quälen sich durchgehend mit extrem wertenden und strafenden Selbstverurteilungen", sagt Fehlenberg. "Großes Maul und den Hintern voller Tränen", beschreibt der Beschäftigungstherapeut Volker Wagner seine Patienten.“
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13734281.html

Und wenn die Erkrankung bei JTR erst im Anfangsstadium war und sich nach und nach verschlimmerte, dann gab es ja zwischen den akuten Schüben zunächst noch klarere Phasen, in denen er seinen eigenen psychischen Verfall mit Schrecken bemerken konnte.
Ich musste während meiner Zivi-Zeit einige Menschen mit paranoider Schizophrenie in die Psychiatrie einliefern, und im Ich-dystonen Zustand waren die i.d.R. ein Häufchen Elend, das einem nur zu gern sein Leid klagte.


Zitat
Der Brief sollte ein Fake sein, von jemanden, der einen geisteskranken Pferdeschlachter außerhalb aber nahe Whitechapel immitiert.   

Möglich – aber dann hatte der Schreiber für die damalige Zeit eine Kenntnis von psychotischen Killern, die über den Wissensstand der allgemeinen Bevölkerung deutlich hinausging. Für die war so ein verrückter Killer doch einfach nur abgrundtief böse und höhnisch, aber kein selbst an seinem Zustand leidendes Wesen. Wir dürfen in der viktorianischen Epoche ja nicht moderne psychiatrische Erkenntnisse als Wissen voraussetzen.
Für die allermeisten Zeitgenossen damals galt der seelische Zustand solcher Menschen als Ich-synton – also dass sie sich eins mit ihren Gefühlen, Gedanken und Handlungen empfinden. Dabei sind Paranoid-Schizophrene überhaupt nicht immer eins mit sich selbst, sondern erfahren Ich-dystone Phasen, weil sie sich eben nicht eins mit ihren Gefühlen, Gedanken und Handlungen empfinden. Vielmehr kommt es ihnen vor, als würden diese ihnen aufgezwungen, akustische Halluzinationen werden als fremde befehlende Stimmen wahrgenommen, die sie zu Handlungen zwingen wollen, die sie eigentlich nicht tun wollen, und viele fallen nach einem akuten Schub in eine postschizophrene Depression. In den Ich-dystonen Phasen ist da natürlich extremer Leidensdruck und der Wunsch, dieser „Albtraum“ möge endlich enden.
Wieviele Zeitgenossen von JTR dürften das gewusst haben?

Deshalb halte ich unter all jenen Briefen, die JTR zugeschrieben werden, und die ich bisher kenne, diesen ersten neben dem „From Hell“-Brief am ehesten für kein Fake.
Wie schon gesagt: Die Wahrscheinlichkeit, dass keiner der Briefe echt ist, ist auch meiner Meinung nach recht hoch – dafür kann die Kriminologie gute statistische Gründe aus ihrer Erfahrung mit solchen Tätern anführen. Aber wenn es dennoch echte Bekennerbriefe gab, habe ich jene beiden oben genannten Favoriten.


Soviel zu meinen Gedankengängen dazu. Vielleicht kannst du sie nun besser nachvollziehen, auch wenn du meine Hypothese nicht teilst.


MfG, Arthur Dent



Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 06.02.2018 19:57 Uhr
Hallo Arthur!

Es geht nicht darum, dass ich dich nicht verstehe. Abgesehen von der Welt der Verbrechen, interessiere ich mich seit jeher für Menschen im Allgemeinen. Was die emotionale Seite angeht, stecke ich tief in der Materie. Meine Erfahrungen mit aller Art von Menschen ist enorm, meine Erfahrung mit psychischen Erkrankungen, angefangen mit einfachen Neurosen, weit über den Durchschnitt. Warum Menschen zu Mördern werden, zu Serienkillern, auch das ist ein Thema was mich fasziniert. Die Vorstellungskraft dafür, fehlt den meisten Menschen. Ich weiß, dass ich dazu in der Lage bin. Das zu erreichen und damit umzugehen, ist ein weiter Weg. Voraussetzung dafür ist ein enormes Einfühlungsvermögen und eine trainierte Beobachtungsgabe. Das macht mich nicht zum Kriminalisten oder zum Profiler, was ich beides nicht sein möchte, aber zu jemanden, der sich damit nicht zu verstecken braucht. Verhalten spiegelt Persönlichkeit, dass gilt auch für jeden Satz den man hier schreibt. Das gilt auch für dich. Bei dir kann man genau nachlesen, was für ein Mensch du bist. Es ist nicht einmal schwer.

Nichtsdestotrotz, wir sind eben nur Menschen und ich gehöre zu denen, die hilfsbereit sind und in einen wirklichen Kontakt mit anderen kommen wollen. Man lernt immer voneinander. Was das Thema Jack the Ripper angeht, interessierst Du dich für Jacob Levy. Ein Thema, was auch mich interessiert. Was andere darüber denken, ist motivierend für mich. Dennoch muss jeder an seiner Vorstellung darüber arbeiten. Diskussionen wie diese helfen jedoch dabei sehr. Aber das alles muss man auch annehmen.

Nun habe ich mit all diesen Erfahrungen und dem Wissen auch eine gewisse Reife erreicht. Hier an dieser Stelle trennen wir uns. Dafür kannst Du überhaupt nichts. Ich habe oft den Eindruck, wenn ich mit dir diskutiere, zehn Schritte nach hinten zu gehen. Ich mache das ehrlich gesagt ganz gerne, fühle mich verantwortlich, möchte helfen. Du hast eine enorme Leidenschaft und ich teile sie gerne mit dir. Aber Du hast dich kaum weiterentwickelt in all der Zeit. Auch das ist nicht so schlimm, du sollst so sein, wie Du bist.

Aber ich bitte darum dich mal mehr in meine Lage zu versetzen. Einfach von Mensch zu Mensch. Du übersiehst doch einiges was mich betrifft. Ich stehe einfach an einer anderen Stelle des Lebens. Ich bin ja wirklich viel in der Ripperologie der Welt unterwegs und ich muss ehrlicherweise sagen, dass Du nicht gerade zu denen gehörst, die man als Fachleute ansehen kann. Da ist sehr viel Luft nach oben. Auch das ist okay, ich will nur, dass Du weißt wie ich das sehe. All die Zeit wirst Du mitbekommen haben, dass ich zu all den Themen auch etwas beitragen kann. Oftmals habe ich den Eindruck, du siehst das als destruktiv an, in Sinne, deine Theorien wässrig zu machen. Ich möchte aber nur einen ehrlichen und unterstützenden Beitrag leisten, in dem Sinne, dass wir mehr und mehr verstehen.

Du kommst schnell in den Rechtfertigungsmodus und treibst dann in eine sture Verteidigung ab. Ich halte das für sinnlos. Es fällt dir, m.E., schwer, etwas gesagt zu bekommen. Mich wundert das, weil ich dich, in freundschaftlicherweise, zur Seite stehen und Informationen liefern möchte. Verwechsel das bitte nicht, ich möchte dir nichts sagen, sondern nur behilflich sein.

Als Beispiel steht doch dieser Brief. Du wärst doch nicht darauf gekommen, dass Boro Road die Borough Road sein könnte. Du wusstest nicht, dass H&B eine Adresse dort in der Nähe hatte, in der Tabard Street. Somit hättest Du niemals den Pferdeschlachter eben mit diesen Dingen in Verbindung gebracht. Egal ob dies der Brief nun aussagt oder nicht, es sind Informationen und Möglichkeiten. Ich hatte mich für diesen Brief nie wirklich interessiert. Aber bei der Neubetrachtung, angeregt durch dich, fiel mir das alles innerhalb weniger Minuten auf. Meine Beobachtungen wollte ich dir schlicht und einfach mitteilen. Liegt es daran, dass Du das nicht sehen oder wissen konntest? Wann ja, welches Gefühl erreicht dich dann? Es kann doch nicht so schlimm sein, wenn ich daher komme und etwas zu diesem Brief beitragen kann. Meine Fähigkeit kann man doch einfach respektieren. Es reicht doch, wenn man das einfach einmal wahrnimmt. Manchmal frage ich mich, ob du dir einfach zu viel zumutest, zu viel von dir selbst erwartest. Das muss nicht so sein. Niemand erwartet das von dir, denke ich.

In der Ripperologie, bildlich gesprochen, können 100 Leute mit ihren 100 Verdächtigen in einem Raum sein. Käme jemand mit der Lösung des Rätsels in diesen Raum, müssen 99 Leute, wenn nicht gar alle 100, den Raum verlassen. Denke doch einmal über die eigene Erwartungshaltung nach. Es ist besser, sich in eine günstige Position dafür zu bringen, die Leidenschaft mal etwas beiseite zu drücken. Sich einfach mal zu sagen: Mein Verdächtiger ist nur einer von vielen. Ich kann nichts beweisen. Nichts beweisen können wir bei Jacob Levy, nur Theorien und Hypthesen aufstellen. Und die sind eben das, was sie sind.

Das ist auch mit dem Stimmenhörenden Briefeschreiber so. Hast du dich mal wirklich mit diesem Krankheitsbild zu dieser Zeit befasst? Weißt Du, wieviele Menschen damit zu tun hatten, wie die Krankenakten damit gefüllt waren. So manch ein Butcher, wenn auch nur als Alkoholiker, wird die Straßen des East Ends mit seinem Gemurmel beschallt haben. Während einer Mordserie, wird so mancher als der, von Stimmen getriebenene, Täter angesehen worden sein. So etwas ist einfach das Leben, welches geschah. Das Täter nach ihrer Festnahme oder später über ihre Taten sprechen ist bekannt. Sonst wäre die Psychologie dieser Täter nicht bekannt. Aber von einem disorganiserten Täter, wie den Ripper, ist eine Kommunikation während einer Mordserie weniger zu erwarten, wenn auch nicht vollkommen auszuschließen. Es mag 1,2 Briefe geben, welche dafür in Frage kommen. Dieser Brief vom 24. September 1888 ist nicht gerade hoch akzeptiert und wurde mit Sicherheit von ganz anderen Menschen, damals und heute, genau begutachtet und als Fake eingestuft. Dem Ripper, in seiner Art, muss man wohl auch zutrauen, Charles Warren´s Adresse gar nicht ausfindig machen zu können. Traust Du dir jetzt wahrhaftig zu, diesen Brief Jack the Ripper/ Jacob Levy zuzuordnen? Warum wärst ausgerechnet du dazu in der Lage?

Was ist passiert?

Diesen Brief hier, den man auch im Original betrachten kann, traust Du Jacob Levy zu:

on her majesty's service
Sir Charles Warren
Commissioner of
Police
Scotland Yard

sep 24 1888

Dear sir

I do wish to give myself up I am in misery with nightmare I am the man who committed all these murders in the last six months my name is so [drawing of coffin] and so I am horse slauterer and work at Name [blacked out] address [blacked out]

I have found the woman I wanted that is chapman and I done what I called slautered her but if any one comes I will surrender but I am not going to walk to the station by myself so I am yours truly [drawing of coffin]

Keep the Boro road clear or I might take a trip up there

Photo

[drawing of knife]

of knife

this is the knife that I done these murders with it is a small handle with a large long blade sharpe both sides     

Eine Buchstabensuppe unter einer Schwärzung würdest Du für Jacob Levy halten. Nun ja, Arthur, dazu braucht man viel Fantasie.

Teile des Briefes, entsprechen deiner Meinung nach dem Geisteszustand Jacob Levys. Es kann aber auch nur bedeuten, dass jemand wollte, warum auch immer, auch aus Scherz, dass man einen Pferdeschlachter aus der Tabard Street abholen soll. Einer, der besoffen zur Arbeit erschien oder von dort so wegging, dort in der Nähe lebte und vielleicht Frauen auf der Borough Road ansprach. Vielleicht störten aber jemanden auch nur gewisse Damen auf der Straße. Es gibt viele Möglichkeiten.

Hier Jacob Levy hineinzubringen ist legitim. Aber da ist nichts mit Substanz. Und andere Ansichten, wie meine, haben auch ihre Berechtigung, genau wie die bereits oben geschilderten Möglichkeiten.

Vielleicht haben wir gerade viel über diesen Brief erfahren, etwas, was vorher noch nie aufgefallen war. Das ist doch eine schöne Sache. Bestimmte Möglichkeiten hättest du noch niemals erfahren, wenn ich mich nicht damit befasst hätte. Wenn sie nicht in deine Jacob Levy Theorie passen, tut es mir leid. Ich sehe jedoch keinen Grund, dass nicht zu respektieren. Du?

Ich bevorzuge gerne mit Menschen auf Augenhöhe zu kommunizieren, ungeachtet ihrer Erfahrungen. Das darf aber nicht einseitig bleiben.

Vielleicht denkst du einmal über meine Worte nach und schaust einmal, ob es einen Weg für dich gibt, etwas offener zu sein.

Herzliche Grüße,

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 07.02.2018 09:45 Uhr
Hallo Lestrade!


Zitat
Und andere Ansichten, wie meine, haben auch ihre Berechtigung, genau wie die bereits oben geschilderten Möglichkeiten. Vielleicht haben wir gerade viel über diesen Brief erfahren, etwas, was vorher noch nie aufgefallen war. 

Genau meine Meinung, und ich habe auch wieder einiges Interessantes daraus gewinnen können. Deshalb stellen wir ja Hypothesen auf und diskutieren darüber.
Von mir aus müssen wir am Ende nicht zum gleichen Ergebnis kommen, ich kann mit anderen Ansichten gut leben.
Ich fürchte, du missinterpretierst hier einfach etwas: An seinen eigenen Hypothesen zu arbeiten bedeutet nicht, die Ansichten anderer nicht zu respektieren.
Sollte ich bei dir diesen Eindruck erweckt haben, entschuldige ich mich dafür – wenn ich auch nicht nachvollziehen kann, wo dies geschehen sein sollte, weil ich immer sachlich geblieben bin und nur meine Überlegungen und Argumente dargelegt habe, und zwar voller Relativierungen wie „möglich“, „vielleicht“ usw. ohne sie als die einzig gültige Wahrheit hingestellt zu haben oder gar deine Aussagen irgendwie abzuwerten oder verächtlich zu machen.


Zitat
Vielleicht denkst du einmal über meine Worte nach und schaust einmal, ob es einen Weg für dich gibt, etwas offener zu sein. 

Ich denke, wer sich unsere Diskussionen ansieht, wird wohl zu dem Ergebnis kommen, dass ich durchaus offen für neue Informationen, Ideen und Hypothesen bin, auch froh darüber und dankber dafür. Allerdings: Wie ich sie interpretiere und welche Meinung ich mir darüber bilde, bleibt immer noch meine ureigenste Angelegenheit – so wie deine die deine bleibt.
Und damit – tut mir leid, wenn ich das sagen muss – habe ich den Eindruck, hast du scheinbar manchmal ein Problem: Nämlich wenn ich diese Dinge anders interpretiere als du und trotz deiner Beiträge dabei bleibe.
Du zeigst da erst sehr viel Geduld und machst dir viel Arbeit – was ich sehr an dir schätze – aber ab einem gewissen Punkt, wenn ich dann immer noch nicht einlenke, dass deine Interpretation vielleicht die bessere ist, wechselst du manchmal von der Sachebene auf die persönliche Ebene und versuchst meine „mangelnde Offenheit“ zu therapieren, und unterstellst mir damit ein persönliches Defizit, statt deinem eigenen Motto „andere Ansichten haben auch ihre Berechtigung“ zu folgen und es einfach als meine persönliche (wenn auch deiner Meinung nach nicht so fundierte) Ansicht abzuhaken und kurz und bündig zu sagen: „OK, wir haben uns festgefahren. Belassen wir es dabei, bis sich vielleicht was Neues zu dem Thema findet.“  Und das finde ich bedauerlich, denn ich finde dich ansonsten sehr sympathisch.

Wie ich bereits früher erwähnte, ich diskutiere gerne bis aufs Messer, das hier ist für mich aber nur ein intelektuelles Spiel mit Hypothesen, das vielleicht etwas Interessantes zutage fördert, nicht mehr. Ob der andere schließlich seine Meinung ändert oder nicht, darauf kommt es für mich dabei nicht an. Und ich versuche dabei immer auf der Sachebene zu bleiben und eine Diskussion auch auf der Sachebene zu beenden. Ich fände das sehr nett, wenn du das auch tätest.

Ich hoffe, du fühlst dich durch meine Offenheit nicht beleidigt, denn ich diskutiere im Allgemeinen sehr gerne mit dir. Und ich weiß auch, eine meiner Schwächen ist, dass ich im Eifer der Diskussion manchmal nicht gleich merke, wenn das Thema totgeritten ist.
Daher mein Vorschlag: Wenn für dich in Zukunft eine Diskussion an einem toten Punkt angelangt ist, schreib einfach: „Beenden wir das hier.“ Und gut ist.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 07.02.2018 11:38 Uhr
Guten Morgen, Arthur!

Danke für deine Antwort. Nein, ich bin mir sicher, niemand will hier den anderen beleidigen, sonst würde ich hier nicht so offen schreiben und die Dinge ansprechen. Manchmal ist es auch wichtig, auf die menschliche Ebene zu gehen, gerade dann, wenn man nicht die Möglichkeit einer persönlichen Begegnung hat. Im Netz mag so etwas immer mit einem Risiko verbunden sein. Aber Du weißt selber, dass das Netz überwiegend aus Schauspielerei besteht. Sich dann mit Offenheit dort abzugrenzen, muss vorsichtig behandelt werden. Ich versuche dann einfach nur ehrlich zu sein und meine Wahrnehmung zu schildern. Es kann für das Gegenüber wichtig sein, wie er vom anderen wahrgenommen wird. Uns allen ist das doch gar nicht wirklich bewusst. Ich tue das in deinem Falle, weil ich denke, dass Du damit umgehen kannst. Was du m.E. auch immer wieder beweisen tust.

Ich fange einmal anders an:

So ein Brief, in seiner ganzen Art, von jemand, der sein Opfer dermaßen verstümmelt hat (Chapman), dürfte anders aussehen. “From Hell“ oder die “Openshaw Letter“ wären Beispiele dafür. So ein Täter ließe tiefer blicken. Der schreibt nicht, sinngemäß: “Hilfe, Hilfe – ich höre Stimmen, holt mich ab, ich schaff das nicht, sonst mache ich wieder einen Abstecher“. So etwas lässt auch etwas wie Reue anklingen. Die können wir beim Ripper getrost vergessen. In den beiden Beispielbriefen schildert der Schreiber eine gewisse Freude, dass er die Hälfte der Niere verspeist und die andere, als “Beweis“, verschickt hatte. Das denn einer der begutachtenden Ärzte, Openshaw, später auch noch mal Post bekommt, mit pervertierten Inhalt, wäre auch für einen solchen Täter eher anzunehmen. Der 24 September Brief zeigt nichts davon.   

So hatte ich diesen Brief in Erinnerung. Dann schaute ich noch einmal darauf als Du ihn hier ins Spiel brachtest. Die Beobachtungen meinerseits, schildere ich jetzt nicht noch einmal. Ich könnte noch viel mehr zu diesem Brief sagen.

Mir war es dann eigentlich von vornherein zu viel, darauf einzugehen. Aber da du dir immer so viel Mühe gibst, wollte ich dich damit nicht alleine stehen lassen. Ich versuche dann immer vorsichtig zu sein, um dein Engagement nicht abzubremsen und dich vorallem nicht irgendwie zu verletzen. In seiner Gesamtheit meine ich damit die 10 Schritte, die ich bei dir manchmal zurückgehen muss. Ehrlich gesagt, finde ich es überhaupt nicht schön, dass so schreiben zu müssen. Es geht dabei nicht um richtig oder falsch, du könntest an dieser Stelle aber nicht weiter von mir entfernt sein. Du beschäftigst dich dann mit etwas, was bei mir schon längst durch ist. Dann wird es halt schwierig. Ich denke dann, bevor er gar keine Reaktion kriegt, bekommt er wenigstens meine. Das was ich dann sage, muss ja nicht stimmen. Ich bat ja nur um Verständnis für mich. Bei solchen Themen liegts Du auf einer Skala von 0-100 vielleicht bei 20 in meiner Welt, ich irgendwo schätze mich bei 50-60 ein. So etwas sehe ich aber nur als Prozess an, weil ich weiß, dass man sich dort weiterentwickeln kann, es ist nur eine Momentaufnahme. Ich bin eher der Typ Synästhetiker, da möchte ich einfach das Du das weißt. Unsere Wahrnehmung wird einfach sehr unterschiedlich sein. Aber beides zusammen ist vielleicht sehr wertvoll.

Ich sage dir, wie das auf mich wirkte, wie ich es wahrnahm, dies soll keine Unterstellung sein:

Allein der “Slaughterer“ reicht bei dir aus um volle Fahrt aufzunehmen. Alles drum herum nimmst du kaum wahr. Jacob Levy ist dieser (Pferde) Schlachter, der in diesem Brief sogar seinen Namen schwärzte. Er ist vermutlich auch der Schlachter in der Butchers Row. Jacob Levy schildert seine Gedankenwelt in einem Brief an Charles Warren.

Dann komm ich und sage: Du, da fehlen ein paar gh-s, der Schreiber meinte wohlmöglich Borough Street und da findet man, ganz in der Nähe, eine Adresse der H&B (Pferde) Schlachter in der Tabard Street (davon mal abgesehen, was die da wirklich hatten) plus meiner Einschätzung des Briefes

Und schon nimmt das Unheil seinen Lauf. Nach dem Motto: Jacob Levy in der Tabard Street, ein Stück von den Tatorten entfernt, das kann nicht sein. Jacob Levy in der Butchers Row muss es sein. Es ist auch keine Straße gemeint, sondern der ganze Bezirk Whitechapel.

Das Buchstabenspiel tut sein übriges.

Du stellst dich hier eben auf deine Weise für mich dar. In erster Linie als Arthur der Mensch. Daran ist nichts falsches, wir haben eben alle unsere Stärken und Schwächen. In der Ripperologie gibt es eine Menge Menschen, die man für sich als besonders "wertvoll" einschätzen und bevor man sich ihnen überlegen fühlt, lieber genauer betrachten sollte. Sie haben nämlich bereits das Rüstzeug, was einem fehlt um weiter zu kommen. Wo du bist, da waren sie bereits vor langer Zeit. Das Rad neu zu erfinden, macht wenig Sinn. Das gilt aber für alle Lebenslagen. Man überschätzt sich selbst oft, besonders wenn man Angst vor sogenannten Fehlern hat. Aber nur aus denen lernt man.

Jack the Ripper ist ein Thema, wo man eigentlich nur verlieren kann. Um es mit Abberline´s Worten zu sagen, wir gehen in unseren Theorien verloren. Dabei wirkst Du auf mich, wie soll ich es sagen, wie jemand hinter der Maske des “investigativen Journalisten“. Stets ein poliertes Schild vor sich tragend. Deine Beiträge sollen wasserdicht sein. Wenn man sich damit auseinandersetzt, das hinterfragt, gehst du schnell in Rechtfertigung und sturer Verteidigung über. Du erhöhst Dinge, die deine Theorien oder Überlegungen stützen und wertest Dinge ab, die gegenteiliger sind. Die Kratzer versuchst Du somit wieder wegzupolieren aber sei sicher, die bleiben. Alle in der Ripperologie haben diese Kratzer und müssen damit umgehen, viele schaffen das. Du wirst nicht derjenige sein, der keine abbekommt, du hast sie ja auch bereits.

Aber bei solchen Dingen menschelt man eigentlich nur, gerade auf diesem Parkett, dass eher aus dünnem Eis besteht. Ich mache das vielleicht genauso, vielleicht auch auf anderen Arten. Hier wird man wenig von anderen gespiegelt also muss ich das hier eben für mich alleine machen. Das hinterläßt auch bei mir manchmal Unsicherheit. Mir wäre es auch lieber, wenn mal jemand sagt: "Mensch, Lestrade, Du Besserwisser, halte doch mal die Fresse" oder sagt: "Oh, Borough Street und die H&B Schlachter, interessant". Das findet hier aber nicht statt also habe ich andere Wege und Menschen gefunden.

Vor Jahren gab es das hier schon einmal, wo Diskussionen anstrengend wurden. Wir haben das auch auf ähnliche Weise ausgeräumt. Derjenige ist eine ganz wunderbare und liebenswürdige Person. Daran hatte ich niemals die geringsten Zweifel. Heute kann ich ihn einfach nur so wie geschildert betrachten, ganz klar abgegrenzt von unseren Meinungen zu diesem Thema. Ich bin demjenigen aber noch heute sehr dankbar, denn er hat mich auch angetrieben da zu sein, wo ich mich gerade sehe.

Ich bitte dich, dich nicht angegriffen zu fühlen, es ist nur meine persönliche Wahrnehmung deiner Person. Deine Leidenschaft, gerade für Jacob Levy, ist für mich mit jeder Faser meines Körpers spürbar, dir wird es wohl ähnlich mit mir und Aaron Kozminski gehen. Gerade diese Leidenschaft lässt dich etwas schweben, ich klebe eher am Boden fest, so ist es manchmal schwer sich die Hand zu reichen, denn schweben tue ich diesbezüglich schon lange nicht mehr. Aber es ist nun einmal wie es ist, schauen wir, was wir in Zukunft daraus machen.

Lestrade.

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Stordfield am 26.03.2018 23:18 Uhr
Hallo,

Könnten Levy, Kosminski, Hyams und Konsorten sich eigentlich gekannt haben?  Gibt es darüber Informationen?

Gruß Stordfield
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 27.03.2018 21:08 Uhr
Hallo Stordfield,


Ich müsste das jetzt noch einmal genauer nachlesen, aber soweit ich mich erinnere, gab es in der Tat Verbindungen zwischen Kosminski, Jacob Levy und Hyam Hyams - und zwar über die Familie der Zigarren- und Orangenhändler Ann und Barnett Levy aus der 29 Mitre Street ("Orange Market" am Mitre Square) und ihrer Kinder John, Samuel, Lewis und Fanny.


So auf die Schnelle habe ich folgendes gefunden (korrigiere mich bitte, wenn mir da ein Fehler reingerutscht sein sollte, Lestrade):

Hyams wurde am Mitre Square geboren. Und laut Mark King lebte in dem Haus, vor dessen Hinterhoftor Eddows ermordet wurde, in den frühen 1880er Jahren Hyams Onkel Lewis Levy, bevor es von einem Mr. Taylor übernommen wurde. Zudem betrieb ein anderer Onkel, John Levy, in den 1880ern ein Tabakgeschäft in der 254 Whitechapel Road, bis er in den Ruhestand ging, und dann 1888 einige der Zimmer an die Betreiberin eines illegalen Bordells vermietete.
Interessanterweise gab es in dem Bordell auch einen Zwischenfall, in dem ein D. Cohen verwickelt war (vielleicht jener JTR-Verdächtige David Cohen, der später ins Irrenhaus kam). Direkt nebenan hat übrigens Thomas Coram in der Nacht nach dem Double Event ein blutiges Messer in einem Taschentuch gefunden.

Laut einer Ausgabe des Ripperologist von 2012 soll Jacob Levy mit dem Levy-Clan vom Mitre Square und dem Zeugen Joseph Hyam Levy verwandt gewesen sein:
Isaac Ben Hyam Levy und seine Frau Sarah hatten sechs Kinder: Hyam, Esther, Elias, Moss, Joseph und Elizabeth. Hyam heiratete eine Frances Naphtali, und sie hatten sieben Kinder: Isaac, Naphtali, Sarah, Joseph, Elias, Henry und Elizabeth. Dieser Joseph Levy sollte später ein wichtiger Zeuge im Falle Jack the Rippers werden.
Hyams Bruder Joseph heiratete 1848 Caroline Solomon. Beide hatten 8 Kinder: Jane und Rebecca (aus Carolines erster Ehe), Hannah, Elizabeth, Issac, Abraham, Jacob und Moss. Dieser Jacob Levy sollte später ein Verdächtiger im Fall Jack the Rippers werden.
Jacob Levy wurde 1856 geboren als Sohn von Joseph Levy und Caroline Levy (geb. Solomon). Im Census 1861 sind er und seine Familie in der Middlesex Street 111 geführt.
Joseph Hyam Levy lebte zu dieser Zeit in Petticoat Lane 36 (Middlesex Street). Er heiratete 1866 Amelia Lewis und zog mit ihr in die Hutchinson Street 1. Dort hatte er seinen eigenen Laden.
Am 25. November 1872 starb Josephs Vater Hyam Levy. Sein Geschäft übernahmen seine Witwe Frances und seine Töchter Sarah und Elizabeth. Nach dem Census 1881 führte Frances auch dann noch das Geschäft weiter.
Am 23. April 1879 heiratete Jacob eine Sarah Abrahams. Laut Census von 1881 wohnte er mit ihr und seinen zwei Söhnen in der Fieldgate Street 11. Ein paar Jahre später aber übernahm er in der Middlesex Street 36 das Geschäft seiner Tante Frances, Mutter des Zeugen Joseph Hyam Levy.
Die Kinder der Zigarren- und Orangenhändler Ann und Barnett Levy aus der Mitre Street 29 ("Orange Market" am Mitre Square) John Levy (der Zigarrenhändler in der 254 Whitechapel Road), Samuel, Lewis und Fanny hatten Adressen in der Nähe von JTRs Aktivitäten und sie waren Ripperologen zufolge höchstwahrscheinlich Cousins des Zeugen Joseph Hyam Levy - somit waren nicht nur Joseph Hyam Levy und Jacob Levy höchstwahrscheinlich Cousins, sondern Jacob hatte auch Verwandte am Mitre Square, und auch Hyam Hyams gehörte demnach zu diesem Familien-Clan.

Was mögliche Verbindungen zu Kosminski angeht, so finde ich die gerade nicht, glaube mich aber daran zu erinnern, das mal mit Lestrade diskutiert zu haben. Er kann dir da sicher Auskunft geben.


MfG, Arthur Dent
 
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 28.03.2018 00:27 Uhr
Hallo Stordfield, Hallo Arthur!

Vor Jahren, es war, glaub ich, Tracy Ianson selbst, die herausfand, dass der Colney Hatch Ripper Verdächtige Hyam Hyams nichts zu tun hatte mit dem Hyam Hyams der Jacob und Joseph Hyam Levy Familie. Letztes Jahr, als ich mich mit ihr wegen Jacob Levy austauschte, stimmte auch etwas mit der “terror of the City of London Police” Aussage über dem Colney Hatch Ripper Verdächtigen Hyam Hyams nicht. Ich müsste das jetzt aber in den Nachrichten ausfindig machen. Spare ich mir, mir fallen gleich die Augen zu. Nichtsdestotrotz, dieser Colney Hatch Hyam Hyams, wenn nun auch nicht verwandt mit unseren Levys, ist dennoch eine interessante Person, vielleicht widmet man sich seiner noch einmal genauer.

Lewis Levy aus der Verwandschaft der Levys, so über Cousins, falls ich jetzt nicht irre, Bruder des John Levy und von Samuel und Fanny, wie von Arthur zuvor erwähnt, lebte um 1890 im Sion Square genau wie Woolf Abrahams, der Bruder von Aaron Kozminski, Nummer 3 und 5, sie waren Nachbarn. Eine Einweisungsadresse von Aaron Kozminski lautete ja auch Sion Square. Lewis Levy sollte, so könnte man stark annehmen, Aaron Kozminski gekannt haben, was immer das auch bedeutet hätte. Ähnlich war es auch mal mit einer Adresse beider Familien in der Fieldgate Street, so meine ich mich zu erinnern. Sollte aber alles in den Jacob Levy Fäden stehen. Mittlerweile stehen so viele Informationen zur Verfügung und manchmal muss ich mich sehr anstrengen, sie wiederzufinden. Zum Glück reicht manchmal irgendwo ein Fädchen um wieder auf die Fährte zu kommen.

Ich muss dennoch etwas schmunzeln, weil es ja denkbar wäre, dass zwei durchaus passende Ripper Verdächtige, Jacob Levy und Aaron Kozminski, im Sommer 1890 im Sion Square als Nachbarn agierten oder sich, aufgrund der Konstellation, wenigstens mal Hallo sagten. Levy ging in dieser Zeit nach Stone, Aaron Kozminski tauchte auf der Krankenstation auf.

Beste Grüße, Lestrade.   
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 28.03.2018 08:29 Uhr
Hallo Lestrade!

Stimmt, da hatte ich nicht mehr dran gedacht, dass es vor einiger Zeit eine Diskussion darüber gab, dass es wohl nicht derselbe Hyam Hyams war, der eingeliefert wurde. Deshalb hatten wir ja gesagt: Stellen wir Hyams mal zurück, bis die Frage der Identität geklärt ist. Hatte ich vergessen.

MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 28.03.2018 15:34 Uhr
Hi Arthur! Das mit Hyam Hyams muss schon einige Jahre her sein. Ich bin mir sicher, dass ich das zwischendurch vollkommen vergessen hatte. Gibt ja mal Zeiten, wo man Wochen oder auch wenige Monate gar nicht oder nur wenig im Thema unterwegs ist. Lag vielleicht auch daran, dass er so oder so ein Thema für mich bleiben würde, die Kosminski, Levy, Cohen oder Hyams sind halt eher meine "Wellenlänge", sogar ein Cutbush...

Vor ein paar Tagen hatte Howard diesen Artikel ins JTRForums gestellt:

http://www.jtrforums.com/showthread.php?p=342790#post342790

Vielleicht hast du ihn bereits auch schon gesehen und falls nicht, denke ich, dass er dich interessieren wird.

Gruß, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 22.04.2018 19:06 Uhr
Hallo Arthur und alle anderen Interessierten,

Adam Wood hat gerade auf Facebook (2018 East End Conference Gruppe) verkündet, dass Tracy I'anson auf der Konferenz im November in London sprechen und ihre neuesten Nachforschungen bezüglich Jacob Levy vorstellen wird. Ebenfalls gab Adam Wood an, dass via seines Mango Books, Tracy´s Buch über Jacob Levy, welches Sie zusammen mit ihrem Vater Neil schrieb, veröffentlicht wird. 

Beste Grüße, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 23.04.2018 18:53 Uhr
Hallo Lestrade!

Da freue ich mich schon drauf. Bin mal gespannt, was ihre Recherche so zu Tage gebracht hat.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 30.12.2018 10:59 Uhr
Hi Leute,

Tracy I'anson wollte doch auf der Konferenz im November in London neue Recherche-Ergebnisse zu Jacob Levy vorstellen. Bisher habe ich darüber noch nichts gefunden außer den alten Ankündigungen der Veranstaltung.
Weiß jemand dazu etwas mehr?

MfG, Arthur Dent
 
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 30.12.2018 11:51 Uhr
Hallo Arthur,

Schau mal hier:

https://www.podbean.com/media/share/dir-nr655-5039d48

Hier mal die Hauptseite dazu:

https://www.podbean.com/podcast-detail/hzs7w-364bc/Rippercast--Your-Podcast-on-the-Jack-the-Ripper-murders

Da findest Du auch noch Robin Odell (2001), Nr. 10

Das Buch, welches Sie mit Ihrem Vater schrieb, soll ja auch über Adam Wood´s Mango Books erscheinen.

Die Foren (hier, Casebook, JTRForums) verlieren ein wenig in den letzten 1-2 Jahren, scheint mir. Es verlagert sich mehr und mehr in diverse Facebook Gruppen. Aus einigen habe ich mich bereits abgemeldet, da ich teilweise nur noch Meldungen dieser Gruppen hatte, wenn ich mich einloggte. Dennoch erfährt man mittlerweile dort mehr als anderswo, vieles Interessantes, Spannendes und Neues. Natürlich geht auch vieles dort wieder unter oder erreicht einen erst garnicht. Ein gutes Post bei 103 Antworten (und einzelne Antworten zu diesen) wiederzufinden, ist manchmal schwer. Ich gewöhne mir gerade an, einiges was ich schreibe auch noch einmal woanders abzuspeichern.   

Ich meine Tracy mal gelesen zu haben, wo Sie meinte "noch einmal nachdenken" zu müssen. Vielleicht verzögert es die Veröffentlichung des Buches. Bei Gelegenheit frage ich Sie einmal. Adam Wood´s Buch über Swanson zieht sich ja auch schon länger hin. Übrigens wird es, dauert auch noch, ein neues A-Z geben. Paul Begg, Debra Arif und Sean Crundall sind die Autoren.

Mein "Schreiben"des "The Kozminski Code" zieht sich ja auch schon ewig hin und die "Story" unterliegt quasi wöchentlichen Schwankungen. Desto mehr man sich damit befasst, desto mehr Perspektiven und Sichtweisen nimmt man immer wieder ein, so dass es schwer ist, sich an eine Version festzuhalten. Da hat sich einiges für mich verändert, wenn auch nicht vom Grundkern her sondern nur drumherum.

Ich hoffe, Dir geht es gut und Du hattest eine tolle Weihnachtszeit. Wir hatten ein sehr anstrengendes Jahr, mit vielen Sorgen und einigen Nöten. Aber es tat gut, sich hin.-und wieder dem Ripper- Thema zu widmen, um den Alltag etwas zu entfliehen. So konnten wir das Weihnachtsfest genießen und hoffen auf ein gutes neues Jahr 2019. Komm gut rüber,

Beste Grüße, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 31.12.2018 11:30 Uhr
Hallo Lestrade!

Danke für die Links – leider habe ich derzeit Probleme, den Podcast zum Laufen zu bekommen. Muss erst mal rausfinden, woran das liegt, wenn ich mit der Arbeit durch bin (Der Job hält mich ziemlich auf Trab, so dass meine Hobbies etwas darunter leiden. Ich hoffe aber, dass es im neuen Jahr etwas entspannter wird, wir haben personelle Verstärkung bekommen).

Ich wünsche auch dir einen Guten Rutsch ins neue Jahr.

MfG, Arthur
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 13.06.2019 18:37 Uhr
Hi Leute,


weiß jemand, ob es über folgende Levys noch Informationen gibt, die über den Butcher`s Row Artikel im casebook hinausgehen:

- Joseph Levy, geboren in Aldgate/City of London, 1858 oder 1859, Bewohner von 79 Aldgate High Street in 1888, tailor and outfitter.
- Moss (oder Moses) G. Levy, Vater des o.g. Joseph Levy, 4 Middlesex Street, confectioner.

Insbesondere würden mich natürlich eventuelle Verwandschaftsverhältnisse zu Jacob Levy oder Joseph Hyam Levy oder zu den Levys vom Mitre Spuare interessieren.
Oder vielleicht zu Sarah Levy geb. Abrahams.

Denn im Butcher's Row Artikel heißt es ja:
"As mentioned, John Abraham’s son, Abraham, married Julia Gluckstein. They had three sons, Lawrence (who married Bertha Gluckstein), Isaac, and Solomon. Isaac, who was a cigar manufacturer, married a Jane Levy. By the 1890s, they lived at 212 Whitechapel Road. They had two sons, Phillip and Lawrence. Phillip, like Alfred Salmon, signed the October 1888 trade petition to the Home Office requesting more police surveillance in Whitechapel during the Terror. Lawrence married Elizabeth, the daughter of his mother’s sister, Annie (Mrs Barnett Hart). The other of the Abrahams’ sons, Solomon, married an Amelia Levy. Solomon and Amelia lived at 19 Great Prescott Street until her death in 1889, aged 30. Amelia was the daughter of Moss Levy, whose son, the tailor Joseph, was married into the Gluckstein family."
https://www.casebook.org/dissertations/rip-butchersrow.html


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Stordfield am 14.06.2019 00:31 Uhr
Hallo Arthur!

Hast Du eine Ahnung, was das Kürzel "G." (George ?) bei Moss Levy bedeutet?

Gruß Stordfield
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 14.06.2019 11:29 Uhr
Zitat
Hallo Arthur!

Hast Du eine Ahnung, was das Kürzel "G." (George ?) bei Moss Levy bedeutet?

Gruß Stordfield


Hi Stordfield!

Leider nein - in den wenigen Quellen, die ich bisher gefunden habe, ist zu seinem middle name nichts zu finden.
Das "G." kommt auch nicht überall vor, oft steht da nur Moss Levy.


MfG, Arthur Dent

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 14.06.2019 12:11 Uhr
Hi Leute,

vielleicht sollte ich mal etwas konkreter werden, worum es mir geht:


Jacob Levys Familie stammte aus Holland, sein Großvater war von dort nach London gekommen. Und bei der Durchsicht der Metzger in der Butcher's Row fiel mir auf, dass nicht wenige von ihnen ebenfalls aus Holland stammten oder ihre Vorfahren von dort gekommen waren, z.B. Solomon De Leeuw, Levy Leuw von Scales & Leuw und Morris Bosman.

Wir hätten hier also schon einmal drei Gemeinsamkeiten, die dafür sprechen würden, dass jemand Jacob Levy mit einem Job und/oder einer Schlafgelegenheit in der Butcher's Row ausgeholfen haben könnte: Metzger, jüdisch und aus Holland stammend.

Da in diesem Milieu viel untereinander geheiratet wurde, wäre es noch eine zusätzliche interessante Gemeinsamkeit, wenn auch familiäre Verbindungen gefunden werden könnten - das wäre ein weiteres wichtiges Indiz dafür, dass Jacob Levy der Butcher's Row Suspect gewesen sein könnte.
Und es gibt dort ja eine enge Verbandelung von Abrahams, Levy und Gluckstein.


MfG, Arthur Dent



Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 14.06.2019 16:02 Uhr
Grüß dich, Arthur!

Ich habe bei mir jetzt auch nichts gefunden. Aber da ich dieser Tage eh mit Scott Nelson schreibe, habe ich ihn gefragt, ob er noch mehr Infos hat als wir in den Butchers Row Suspect Versionen über beide Männer nachlesen können. Hoffe, das geht so in Ordnung.

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 14.06.2019 23:04 Uhr
Scott hat keine weiteren Informationen über ihn, fürchtet er. Er vermutet, ohne es Beweise beweisen zu können, dass er mit der Textil.- Gardinenhändlerin Ester Levy in St. James Place (am Mitre Square) verwandt war.

Bei Abberline´s Abschiedsparty war er jedoch dabei aber das wirst Du wohl bereits kennen:

http://ripperwriters.aforumfree.com/Retirement-of-Chief-Inspector-Abberline-h1.htm

Ich meine mich erinnern zu können, dass ich, als ich noch bei Ancestry und WWV angemeldet war, jenen Joseph Levy nachverfolgen konnte, ohne auf eine Verbindung zu den anderen Levys gestoßen zu sein. Das muss jedoch nichts bedeuten. Also momentan kann ich mich an nichts erinnern, bin auch anderweitig mit verschiedenen Dingen beschäftigt (und sehr abgelenkt). Falls mit noch was einfällt, mir was über den Weg läuft oder der Groschen bei mir fällt, gebe ich gerne Bescheid.

Sorry.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 15.06.2019 09:31 Uhr
Hallo Lestrade!

Vielen lieben Dank für Deine Bemühungen!

Ich hatte schon befürchtet, dass das eine Sackgasse werden könnte, denn sonst hätten die professionellen Ripperologen bei ihrer Erforschung des Milieus der Butcher's Row höchstwahrscheinlich schon irgendetwas gefunden.

Denn es ist ja naheliegend, die Verbindungen des Zeugen Joseph Hyam Levy zur Butcher`s Row zu untersuchen, wenn man vermutet, dass er mehr wusste, als er zugeben wollte. Und wenn er Verbindungen hätte, dann wäre wegen der Verwandtschaft mit Cousin Jacob auch automatisch eine Verbindung zu letzterem nachgewiesen.


MfG, Ijon Tichy



Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 15.06.2019 17:18 Uhr
Gerne Arthur!

Tracy, es ist schon ein paar Wochen her, war mit dem letzten Kapitel ihres Buches über Jacob Levy beschäftigt und es sollte nicht mehr allzu lange bis zur Veröffentlichung dauern. Vielleicht erfahren wir dann noch etwas zu Joseph Levy.

Das Podcast von der Konferenz letztes Jahr, gab auch nichts Neues her, soweit ich mich erinnere. Es ging wohl eher um die Familienverhältnisse. Dazu habe ich folgendes:

http://www.rippercast.com/mp3/EEC%20Tracy.pdf

Ich weiß jetzt nicht, ob wir den Ripperologist 124 von Februar 2012 hier jemals erwähnt haben.

JACOB THE RIPPER? by Neil and Tracy I’anson:

http://www.mangodesign.biz/rip124.pdf

Beide Links sollten jedoch für Jacob Ley Interessierte spannend sein, da viele Originale zu sehen sind.

Beste Grüße,

Leland Stottlemeyer.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 15.06.2019 21:05 Uhr
Ganz kurz noch einmal Arthur!

- Moss (oder Moses) G. Levy, Vater des o.g. Joseph Levy, 4 Middlesex Street, confectioner.

Bevor ich lange suchen muss. Wo stand das mit dem "confectioner"?
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 16.06.2019 08:31 Uhr
Hallo Lestrade!


Zitat
Bevor ich lange suchen muss. Wo stand das mit dem "confectioner"?

Ich hatte mir vor ein paar Jahren Listen der Middlesex Street zusammengestellt. Diese Info stammte aus den Post Office Directorys von 1882 von 1891, jedenfalls hatte ich das als Quellenangabe unter die Listen gestellt.

Dieser Moss Levy hatte sein Geschäft am Südende der Middlesex Street bei der Einmündung an der Butcher's Row - nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Butcher Moss Levy am Nordende, 134 Middlesex Street.


MfG, Thursday Next

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 16.06.2019 11:06 Uhr
Hallo Leute,

ich habe mal wieder meine Zusammenfassung zu Jacob Levy etwas aktualisiert und überarbeitet - siehe unten.


MfG, Arthur Dent


Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 16.06.2019 11:08 Uhr
Jack the Ripper – Tatverdächtiger Jacob Levy



Jacob Levy wurde 1856 als Sohn des Metzgers Joseph Levy und seiner Frau Caroline im Londoner Eastend geboren, lebte und arbeitete im Viertel und wurde 1890 aufgrund der Folgen einer fortschreitenden psychischen Erkrankung in eine Nervenheilanstalt eingewiesen, wo er 1891 starb. Als Todesursache wurde in den Akten ein fortschreitender Verfall infolge einer Syphilis angegeben.
Jacobs Frau Sarah soll den Anstaltsakten zufolge nach der Einweisung gesagt haben, Levy habe sie beinahe ruiniert, früher sei er ein guter Geschäftsmann gewesen. Aber er schlafe nun nachts nicht mehr, sondern wandere oft für Stunden ziellos umher. Auch befürchte er, jemandem etwas anzutun, wenn man ihn nicht aufhalte. Er höre Geräusche und Stimmen, die ihm befehlen und ihn zwingen Taten zu begehen, die er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne.

Zu einem Verdächtigen im Fall der Whitechapel-Morde wurde Jacob Levy durch die Recherche von Ripperologen in den Unterlagen der Nervenheilanstalten in und um London. Sie suchten darin nach jener Person, die in den Texten der hochrangigen Polizeibeamten Chief Constable Macnaghten, Assistant Commissioner Anderson und Chief Inspector Swanson als der mutmaßliche Ripper erwähnt werden, und dessen Leben in einer Irrenanstalt geendet haben soll. Vier verdächtige Personen wurden gefunden: Aaron Kosminski, David Cohen, Hyam Hyams und Jacob Levy. Auf Levy treffen zahlreiche Aussagen der Polizisten und Zeugen sowie des modernen Profilings zu. 


Beruf Metzger:

Im Census und im London Business Directory ist als Beruf von Jacob Levy Metzger angegeben.

Für moderne Profiler ist das Töten von Tieren am Anfang der mörderischen Karriere typisch für die Biographie von Serienkillern, ein Metzgerjunge wächst damit auf und kann seine pathologische Veranlagung durch seine Berufswahl zugleich entwickeln, ausleben und kaschieren. 
Angesichts der Art der Verletzungen bei den Opfern gehen Gerichtsmediziner und Polizei damals wie heute davon aus, dass JTR zumindest grundlegende anatomische Kenntnisse besaß und auch bei schlechtem Lichtverhältnissen sicher mit einem Messer umgehen konnte. Kenntnisse über Anatomie und das Zerlegen von Körpern hatten damals vor allem beruflich damit beschäftigte Gruppen wie Chirurgen oder Schlachter - demnach könnte JTR also Metzger gewesen sein. Dies war z.B. die Meinung von Dr. Frederick Gordon Brown, der Catherine Eddowes untersuchte, und auch von Dr. George Bagster Phillips, der Annie Chapman obduzierte.
Die Tatwaffe soll Gerichtsmedizinern zufolge eine lange, schmale, gerade Klinge gehabt haben, wie sie typisch zum professionellen Zerlegen von Körpern ist, z.B. sog. Amputationsmesser von Chirurgen oder ähnliche Metzgerklingen wie z.B. ein Tranchiermesser.
Der Kehlenschnitt deutet ebenfalls auf einen Metzger hin, der es gewohnt ist, so das Schlachtvieh zu töten. Das Töten geschah schnell und effizient, die Verstümmelungen wurden post mortem zugefügt und von Opfer zu Opfer umfangreicher - womit das Töten vor allem Mittel zum Zweck, das eigentliche Ziel hingegen offenbar das Eröffnen und Ausweiden des Unterleibs der Opfer war. Organentfernungen unter Zeitdruck und bei sehr schlechten Lichtverhältnissen, ohne sich total mit Blut zu versauen, spricht für Erfahrungen im Schlachterhandwerk.
Ein Indiz dafür ist auch, dass der Ripper seine Opfer i.d.R. bis zur Bewusstlosigkeit bzw. zum Kreislaufkollaps würgte, bevor er das Messer ansetzte. Offenbar wusste er aus Erfahrung, dass ansonsten das Blut aus den Arterien kräftig spritzen würde, es so aber relativ langsam aus den Wunden rann. Dies verhinderte, dass er selber allzusehr vollgeblutet wurde und erleichterte die Entnahme der Organe, die ansonsten in ein Meer von Blut getaucht gewesen wären.


Motiv Syphilis:
Irgendwann vor 1886 muss sich Jacob Levy mit Syphilis angesteckt haben, die dann 1891 als Todesursache diagnostiziert wurde - vermutlich hat er sie sich wie viele Männer bei einer Prostituierten eingefangen.
Der Zeitraum ergibt sich zurückgerechnet aus dem statistischen Verlauf der Erkrankung: Da er im August 1890 in die Nervenheilanstalt City of London Asylum at Stone in Kent eingeliefert wurde, wo er ein Jahr später an den Folgen der Syphilis starb, dürfte die Krankheit spätestens im ersten Halbjahr 1890 in ihr letztes Stadium eingetreten sein, wobei Levy aber schon die beiden Jahre zuvor unter den Auswirkungen der Krankheit gelitten haben dürfte.
 
Eine Syphilis-Infektion durch eine Prostituierte wird von modernen Profilern als plausibles Motiv für die Morde von JTR angesehen: Es erklärt die Wahl der Opfer und die Verstümmelungen im Unterleib.
Darüber hinaus führte unbehandelte Syphilis oft zu einer chronischen Hirnentzündung (sog. Neurosyphilis). Sensitive oder psychische Veränderungen wurden von den Ärzten damals oft beschrieben, so u.a. auch Gewaltausbrüche, eine übermäßige Steigerung der Libido und verschiedene Arten von Wahrnehmungsveränderungen.
Gut möglich, dass der Ripper sich zuerst gar nicht bewusst dafür entschieden hatte, auf Prostituiertenmord zu gehen, sondern dass die erste Tat eine Affekthandlung war, als er zufällig erneut auf eine Prostituierte traf, die ihn an die Überträgerin erinnerte, und seine ganze Wut über die Infektion wieder hochkam. Weil ihm diese erste Tat Befriedigung verschaffte, zog er danach dann regelmäßig los. Somit könnte zum Beispiel Martha Tabram sein erstes Mordopfer gewesen sein, auf die "nur" eingestochen wurde, noch ohne sie auszuweiden (s.u.). 


Auswahl der Opfer:
Es gab weit über 1200 Gelegenheitsprostituierte in Whitechapel, die ohne Schutz durch einen Zuhälter nachts auf den Straßen nach Kunden suchten - und sie waren eine häufige Ansteckungsquelle für Syphilis.

JTR hatte damit nicht nur eine große Auswahl an potentiellen Opfern. Prostituierte vom Straßenstrich sind auch leichte Opfer, weil sie für das Sexgeschäft freiwillig mit fremden Männern an Orte gehen, wo sie mit ihnen allein sind, und dem Mörder damit auch noch unbeabsichtigt helfen, einen geeigneten Tatort zu finden. Eine zeitaufwendige und vor allem riskante Ausspähung und Verfolgung potentieller Opfer ist nicht notwendig, da sie in der Öffentlichkeit auf Freier warten und oft sogar selber auf potentielle Kunden zugehen.


Nähe zu Opfern:
Die Adresse von Jacob Levys Eltern lautete Middlesex Street 111, er selbst hatte später ein paar Jahre in der Fieldgate Street 11 gewohnt, und war im Jahr der Morde laut Kelly's London Business Directory von 1888 in der Middlesex Street 36 gemeldet. Alle kanonischen Opfer von JTR waren verarmte Gelegenheitsprostituierte, die in Armenunterkünften in einem kleinen Umkreis nur etwa 300-400 Meter nordöstlich von Levys Adresse übernachteten und in einem fußläufigen Oval um seinen Lebensmittelpunkt herum getötet wurden. Martha Tabrams letzte Adresse war Satchell's Lodging House in der George Street etwa 300 Meter östlich von der der Middlesex Street (s.u.).

Jacob Levy ist in der von modernen Profilern ermittelten Comfort Zone von JTRs Aktivitäten aufgewachsen und wohnte auch als Erwachsener noch dort. Er kannte sich also seit Kindertagen bestens in Whitechapel aus, fiel dort nicht auf und wusste sich angemessen zu verhalten.
Sowohl für die zeitgenössischen als auch die modernen Ermittler war JTR mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein Einheimischer mit guter Ortskenntnis, was es ihm ermöglichte, sich schnell und unauffällig zu bewegen und die Polizeistreifen zu meiden, um bei seinen Taten und auf der Flucht nicht erwischt zu werden und relativ schnell von der Straße zu verschwinden.
Als einheimischer Metzger hatte Levy nahegelegene Rückzugsmöglichkeiten, die ein Versteck für blutverschmierte Kleidung und Messer boten. Blut an seiner Kleidung und Messer waren wegen seines Berufes alltäglich und erklärbar, nicht schon per se verdächtig. Organe der Opfer konnten unter Metzgerware getarnt werden.
Außerdem gab es in der Middlesex Street den Petticoat Lane Street Market der Schneider, der eine große Auswahl an günstiger Second-Hand-Kleidung zum Wechseln bot - und genau dort will der Zeuge George Hutchinson den Verdächtigen vom Kelly-Mord erneut gesehen haben (s.u.).


Verbindung zu Zeugen:
Im Census von 1871 ist für eben diese Middlesex Street 36 der Metzger Hyam Levy eingetragen, der dort mit seiner Frau Frances und seiner Familie wohnte, 1881 ist dann seine Witwe Frances als Haushaltsvorstand und Metzger eingetragen. Die beiden sind laut Casebook die Eltern jenes Joseph Hyam Levy, der später als Zeuge zum Mord an Catherine Eddowes vernommen wurde. Joseph Hyam Levy arbeitete 1888 selbst als Metzger kaum 50 Meter von Jacob Levy entfernt in der Hutchinson Street 1, einer Gasse, die in die Middlesex Street mündet.

Mehrere Levys, die sich nicht nur in unmittelbarer Nachbarschaft befanden und der gleichen Branche angehörten, sondern nacheinander auch dieselbe Metzgerei betrieben: Es ist so gut wie sicher, dass sie sich zumindest gekannt haben.

Laut einer Ausgabe des Ripperologist von 2012 waren Joseph Hyam Levy und der Ripper-Verdächtige Jacob Levy sogar verwandt:
Isaac Ben Hyam Levy und seine Frau Sarah hatten sechs Kinder: Hyam, Esther, Elias, Moss, Joseph und Elizabeth.
Hyam Levy heiratete eine Frances Naphtali, und sie hatten sieben Kinder: Isaac, Naphtali, Sarah, Joseph, Elias, Henry und Elizabeth. Dieser Joseph Levy sollte später ein wichtiger Zeuge im Falle Jack the Rippers werden.
Hyams Bruder Joseph Levy heiratete 1848 Caroline Solomon. Beide hatten 8 Kinder: Jane und Rebecca (aus Carolines erster Ehe), Hannah, Elizabeth, Issac, Abraham, Jacob und Moss. Dieser Jacob Levy sollte später ein Verdächtiger im Fall Jack the Rippers werden.
Jacob Levy wurde 1856 geboren. Im Census von 1861 sind er und seine Familie in der Middlesex Street 111 geführt.
Joseph Hyam Levy lebte zu dieser Zeit noch bei seinen Eltern in der Middlesex Street 36 (ehemals Petticoat Lane). Er heiratete 1866 Amelia Lewis und zog mit ihr in die Hutchinson Street 1. Dort hatte er seinen eigenen Laden.
Am 25. November 1872 starb Josephs Vater Hyam Levy. Sein Geschäft übernahmen seine Witwe Frances und seine Töchter Sarah und Elizabeth. Nach dem Census von 1881 führte Frances auch dann noch das Geschäft weiter.
Am 23. April 1879 heiratete Jacob eine Sarah Abrahams. Laut Census von 1881 wohnte er mit ihr und seinen zwei Söhnen in der Fieldgate Street 11. Ein paar Jahre später aber übernahm er laut Kelly's London Business Directory von 1888 das Geschäft seiner Tante Frances, Mutter des Zeugen Joseph Hyam Levy, in der Middlesex Street 36.

Joseph Hyam Levy und Jacob Levy waren demnach Cousins.
Machte der Zeuge Joseph Levy bei der Vernehmung zum Mordfall Eddowes deshalb so merkwürdige Andeutungen und den Eindruck, er wisse mehr als er zugeben wollte (s.u.)?


Kriminelle Vorgeschichte:
Am 5. April 1886 wird Jacob Levy laut Eintrag beim Central Criminal Court zu 12 Monaten Gefängnis verurteilt, weil er zusammen mit zwei anderen Männern seinem Nachbarn, dem Metzgermeister Hyman Sampson, Middlesex Street 35, Fleisch gestohlen hatte. Sampsons Metzgerei lag zwei Jahrzehnte lang in der Parallelstraße, Goulston Street 58.

Eine kriminelle Vorgeschichte ist modernen Profilern zufolge typisch für Serienmörder.
Der Ort des Diebstahls liegt in JTRs Comfort Zone, zwischen den Tatorten des Double Event.
Zudem wurde ein Stück von Eddowes blutverschmiertem Rock in der Tatnacht am Hauseingang des Gebäudes Wentworth Buildings 108-119, Goulston Street, gefunden, unter dem berüchtigten antisemitischen Graffiti (von dem allerdings unklar ist, ob es von JTR stammte).
Falls Jacob Levy der Ripper war, so könnte die Platzierung ein Versuch gewesen sein, die Polizei in die falsche Richtung weiter nach Osten zu lenken - weg von ihm in der Middlesex Street.
Auch Rache an seiner Gemeinde, die sich wegen des Diebstahls von ihm abgewandt hatte, könnte möglich sein, denn laut Superintendent Thomas Arnold wohnten viele Juden dort.

Im Ripperologist stand einmal, dass es strenge Regeln in der jüdischen Gemeinde für den geschäftlichen Umgang miteinander gab, und dass ein solcher Diebstahl wohl dazu geführt hätte, dass ihm der Jewish Council die Lizenz entzogen hätte. Damit hätte seine Frau Sarah, um die Familie zu ernähren, auch nach Jacobs Entlassung 1887 das Geschäft allein weiterbetreiben müssen. In der Tat taucht später seine Frau als Geschäftsinhaberin im Census auf.
Für Jacob hätte das nun zur Folge gehabt, dass er gezwungen gewesen wäre, auf andere Art seinen Anteil am Familieneinkommen zu verdienen.

Wenn Jacob den Shop in der Middlesex Street 36 nicht mehr selber betreiben durfte, musste er seitdem offensichtlich bei Bekannten und Verwandten in deren Geschäften oder in den Schlachthöfen arbeiten. Dadurch konnte er seinen Teil zum Familieneinkommen beitragen und stand zugleich wegen seines immer asozialeren Verhaltens unter einer gewissen Aufsicht. Das dürfte eine ziemliche Schmach und Erniedrigung für ihn gewesen sein.

Wenn wir nun betrachten, wo diese Arbeitsplätze gewesen sein könnten, finden wir nicht nur die observierte Butcher's Row mit einem Schlachthaus dahinter in der Harrow Alley, sondern auch noch das Harrison, Barber & Co Slaughterhouse in der Winthrop Street, in der Parallelstraße vom Nichols-Tatort in der Buck´s Row nur rund 100 Meter entfernt. Dort wurde auch über Nacht gearbeitet, damit die Kunden morgens frisches Fleisch hatten. Diese Metzger zerlegten also routinemäßig Körper unter schlechten Lichtverhältnissen - so wie der Ripper.
Die angestellten Metzger hatten damals i.d.R. ihr eigenes Arbeitswerkzeug (so wie dies auch in anderen Branchen üblich war bzw. bis heute ist), nahmen es zur Arbeit mit und am Feierabend wieder mit nach Hause. Dazu würde passen, dass einige Zeugen den mutmaßlichen Ripper mit einem Päckchen in der Hand gesehen hatten (s.u.).


Anzeichen psychischer Zerrüttung:
Bereits kurz nach seiner Verurteilung begeht Levy im April 1886 einen Selbstmordversuch im Holloway Prison, der jedoch scheitert.
Am 21. Mai 1886 wird er aufgrund des Suizidversuchs und seltsamer Murmeleien für geisteskrank erklärt und in das Essex County Asylum überführt. In den Akten dort wurde festgehalten, er habe gejammert, Irresein sei in seiner Familie erblich, schon sein Bruder habe Selbstmord begangen.
Am 3. Februar 1887 wird Levy dann wieder aus der Anstalt als "geheilt" entlassen.

Offenbar war die Verurteilung so traumatisierend, dass sie zu einem Zusammenbruch führte - vermutlich weil nun sein Ruf in der Gemeinde schwer beschädigt war und die Gefängnisstrafe negative Auswirkungen auf sein Geschäft und seine sozialen Beziehungen hatte.
Diese Entwicklung ist ein deutliches Indiz der beginnenden psychischen Zerrüttung mit der Bereitschaft zu Grenzüberschreitung, kriminellem Verhalten und Gewalt (wenn auch zunächst gegen sich selbst gerichtet).


Möglicher finaler Stressauslöser:
Am 18. Mai 1888 wird Jacob Levys Mutter Caroline beerdigt.

Nachdem seine Verurteilung und Einweisung bereits seine sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen beschädigt haben dürfte, und auch seine Ehe davon und von der Syphilis belastet gewesen sein wird, stirbt nun auch noch eine der wichtigsten Bezugspersonen eines Menschen.
Für moderne Profiler ist dies ein klassischer Stressauslöser zum Start in eine mörderische Karriere. Ziel der Aggression wird diejenige Gruppe, der der Täter die Verantwortung für sein Schicksal gibt: die Prostituierten von Whitechapel, bei denen er sich mit Syphilis angesteckt hat.



Die Mordserie

Dienstag, 7. August 1888: Martha Tabram im George Yard
Tabram wurde im Treppenhaus des George Yard Buildings 37 vermutlich das erste Opfer von JTR.
Tabram war auf einer Kneipentour mit ihrer Bekannten Mary Ann Connely ("Pearly Poll") und zwei Soldaten. Gegen 0 Uhr trennten sich die Pärchen um Sex zu haben, Connely ging mit dem Corporal zur Angel Alley, und Tabram verschwand mit dem Private in den George Yard.
Gegen 1.40 Uhr stieg das Ehepaar Elizabeth und Joseph Mahoney das Treppenhaus zu ihrem Zimmer hinauf und sah nichts. Auch als Elizabeth Mahoney es kurz darauf wieder durchquerte, um in einem Shop in der Thrawl Street etwas zu Essen zu kaufen, lag Tabram noch nicht da.
Tabram wurde mit einem Stich ins Herz getötet und mit insgesamt 39 Messerstichen in Brust und vor allem Unterleib traktiert. Sie lag auf dem Rücken, ihre Kleider waren hochgeschoben und ihre Beine gespreizt, ebenso wie bei den kanonischen Ripper-Opfern.
Gefunden wurde die Leiche auf dem Absatz des ersten Stocks gegen 4.45 Uhr durch Bewohner John Saunders Reeves, nachdem bereits Bewohner Alfred George Crow gegen 3.30 Uhr Tabram für einen schlafenden Obdachlosen gehalten hatte. Damit muss die Tatzeit zwischen 1.45 Uhr und 3.30 Uhr liegen. Reeves suchte eine Polizeistreife und fand Constable Thomas Barrett auf seiner Runde.

Der Soldat dürfte wohl der Letzte gewesen sein, der Tabram lebend gesehen hat, konnte aber weder von "Pearly Poll" noch von Constable Barrett bei Gegenüberstellungen identifiziert werden, obwohl letzterer auf seiner Streife durch die Wentworth Street gegen 2 Uhr einen Private der Grenadier Guard am Nordende des George Yard stehen sah und ihn ansprach. Der Private sagte dem Polizisten, er warte auf einen Kameraden, der mit einem Mädchen unterwegs sei, darauf ging Barrett weiter seine Streife, bis er drei Stunden später von Reeves zum Tatort gerufen wurde.
Der unbekannte Soldat könnte also den Mord verübt haben, dennoch war er aber wahrscheinlich nicht der Täter: Rund zwei Stunden für Sex mit einer älteren, unattraktiven Prostituierten an einem öffentlich zugänglichen Ort erscheint doch ein ziemlich langer Zeitraum. Wenn sie so lange im Treppenhaus von Nr. 37 gewesen wären, wäre wohl auch das Ehepaar Mahoney oder ein anderer Bewohner auf beide gestoßen.
Zudem hätte ein blutbefleckter Mörder wohl kaum in unmittelbarer Nähe des Tatorts auf seinen Kameraden gewartet und so entspannt auf Polizist Barrett reagiert. Barrett jedenfalls kam nichts an ihm und seinem Verhalten verdächtig vor. Wahrscheinlicher ist, dass sich Tabram nach 1.45 Uhr noch mit einen anderen Mann - eben dem Ripper - in den George Yard zurückgezogen hat.

Erkenntnissen der modernen Kriminologie zufolge stammt das erste Opfer eines Serientäters oft aus seinem näheren räumlichen Umfeld. Tabrams letzte bekannte Adresse war Satchell's Lodging House in der George Street, und die Kneipentour endete vor den George Yard Buildings.
Jacob Levys Heim in der Middlesex Street 36 liegt nur rund 300 Meter oder etwa 3-4 Minuten Fußweg von beiden Orten entfernt.
Der Profiler William Eckert: "Nachdem der erste Mord geschehen war, in dessen Nähe der Mörder wahrscheinlich lebte, zog er weiter." In diesem Fall in die Buck's Row.


Freitag, 31. August 1888: Marie Ann Nichols in der Buck's Row
Nichols übernachtete zuletzt im White House Nachtasyl in der Flower and Dean Street 56.
Gegen 2.30 Uhr wurde Nichols zuletzt lebend gesehen von ihrer Bekannten Emily Holland an der Ecke Osborn Street / Whitechapel High Street, fast einen Kilometer vom Tatort entfernt, bevor sie betrunken auf der Whitechapel Road weiter Richtung Osten wankte.
Bis ca. 3.20 Uhr kamen nacheinander die Polizisten Neil, Thain und Kirby auf ihren Runden durch die Buck's Row, ohne etwas Verdächtiges zu sehen. Gegen 3.45 Uhr fanden dann Charles Andrew Cross und Robert Paul auf ihrem Weg zur Arbeit die Leiche von Nichols vor dem verschlossenen Tor zu Brown's Stable Yard (vermutlich hatte der Täter vergeblich versucht, mit ihr in den Hof zu gelangen). Die Tatzeit muss also zwischen 3.20 Uhr und 3.45 Uhr betragen.

Cross war als erster und allein am Tatort, bis Paul kurz darauf dazustieß. Somit könnte Cross der Täter gewesen sein, zumal alle Tatorte JTRs auf den Wegen zwischen seiner Adresse in der Doveton Street 22, seiner Arbeit als Fleisch-Auslieferer in der Broad Street und dem Wohnort seiner Mutter in der Nähe der Berner Street lagen.
Allerdings hätte Cross, als er die Schritte von Paul hörte, einfach nach Westen verschwinden können, ohne erkannt zu werden, statt auf ihn zu warten: Es sind rund 100 Meter vom östlichen Ende der Buck's Row bis zum Tatort und es war noch dunkel. Bis zu den Querstraßen im Westen als Fluchtwege sind es nur wenige Meter. Stattdessen wartete er auf Paul, wies ihn erst auf den am Straßenrand liegenden Körper hin und ging mit Paul einen Polizisten suchen. Auch wäre wohl aufgefallen, wenn Cross, der erste am Nichols-Tatort, auch an den Morgen der Morde von Annie Chapman und Mary Jane Kelly zu spät zur Arbeit gekommen wäre, denn sein Job begann bereits um vier Uhr morgens - jene Tatzeiträume liegen jedoch deutlich später (s.u.).
Außerdem war er nicht nur vor den Morden ein unbescholtener Mann, der 20 Jahre lang zuverlässig denselben Job innehatte, er lebte auch noch mehr als 30 Jahre nach dem Ende der Serie als freier und gesunder Bürger weiter, ohne irgendwie einschlägig aufzufallen. Daher war Cross wohl eher nicht der Ripper.

Was Jacob Levy betrifft: Der Tatort ist zwar rund 1300 bis 1400 Meter und damit etwa 16-18 Minuten Fußweg von Levys Adresse in der Middlesex Street 36 entfernt.
Aber Nichols übernachtete im White House Nachtasyl in der Flower and Dean Street 56, und trieb sich bis 2.30 Uhr in der Umgebung der Hauptverkehrsader Whitechapel High Street herum, beides nur rund 300 Meter von Levys Adresse entfernt.
Es ist auch kriminologisch plausibel, dass JTR auf seiner Jagd die Zentren des Straßenstrichs aufsuchte und beobachtete, ob ein potentielles Opfer in ruhigere Nebenstraßen abbog, um ihr dahin zu folgen. Einer dieser Prostituierten-Treffs war die Umgebung von Whitechapel Station / London Hospital. Zudem erscheint es vernünftig, diesmal nicht allzu nah beim eigenen Heim zuzuschlagen.
Vielleicht war JTR auch gar nicht auf seine eigenen vier Wände als sichere Zuflucht nach den Taten eingeschränkt, sondern konnte an verschiedenen Orten unauffällig von der Straße verschwinden - Detective Inspector Henry Cox von der City Police schrieb über den observierten Verdächtigen im Ripper-Fall: "He occupied several shops in the East End".
Möglicherweise konnte JTR die Straßen schnell verlassen, indem er nach der Tat in Shops von Verwandten oder Freunden verschwand.
Im Fall von Jacob Levy und der Buck's Row könnte dies der Zigarrenhändler John Levy gewesen sein, der in der Whitechapel Road 254 in den 1880ern einen Cigar Shop betrieben hatte, und neben dessen Shop nach dem Double Event ein blutiges Messer gefunden wurde (s.u.).

Ende 1888 scheint John Levy, bereits im Seniorenalter, einer Gertrude Smith einige Zimmer in seinem früheren Shop vermietet zu haben, welche die Räume als illegales Bordell nutzte, zumindest zeitweise. Es gab einen polizeilich festgehaltenen Vorfall um einen illegalen Bordellbetrieb von Gertrude Smith, in den ein N. Cohen und Aaron Davis Cohen (später David Cohen) verwickelt waren, der wohl in der 254 Whitechapel Road Ende November/Anfang Dezember 1888 stattfand.
Interessant in diesem Zusammenhang ist ein Bericht von Polizeichef Warren:
Home Office Report by Charles Warren dated September 19, 1888: "A brothel keeper who will not give her address or name writes to say that a man living in her house was seen with blood on him on the morning of the murderer. She described his appearence and where he might be seen - when detectives came near him he bolted, got away and there is no clue to the writer of the letter."
Die Adresse des Shops in der Whitechapel Road 254 ist nur etwa 400 Meter oder 4-5 Minuten vom Tatort Buck's Row entfernt. War Levy der Ripper, hätte er also auf dem Weg zum oder vom Shop auf Nichols treffen und sich nach der Tat dort verstecken können. 

Interessant an der Metzger-Theorie ist zudem, dass sich in der Nähe von mindestens zwei Tatorten Schlachthäuser befanden: Da in diesen auch über Nacht gearbeitet wurde, hätte ein Metzger dort als Einkäufer für sein Geschäft auftreten oder als Schlachter arbeiten können. Das Tragen seiner Arbeitsgeräte und blutverschmierter Arbeitskleidung wäre dort nicht per se verdächtig gewesen.
Das Schlachthaus in der Harrow Alley, Eingang von der Butcher's Row, lag nicht nur nahe Tatort Mitre Square, sondern passt auch auf den Butcher's Row Suspect (s.u.).
Und das Harrison, Barber & Co Slaughterhouse in der Winthrop Street lag in der Parallelstraße zum Tatort Buck´s Row.


Samstag, 8. September 1888: Annie Chapman in der Hanbury Street
Chapman verbrachte ihre letzten Nächte in der Crossingham's-Unterkunft in der Dorset Street 35.
Gegen 1.50 Uhr verließ sie das Asyl Richtung Norden in die Brushfield Street.
Gegen 5.30 Uhr am frühen Morgen wurde Chapman zum letzten Mal lebend gesehen, und zwar von der Zeugin Elizabeth Long. Unmittelbar vor dem Tatort in der Hanbury Street 29 soll sie laut Longs Aussage mit einem Freier gesprochen haben: "Willst du?" - "Ja."
Long beschreibt den Verdächtigen wie folgt: Knapp 40 Jahre alt, etwas größer als Chapman, dunkler Mantel und tief ins Gesicht gezogener dunkler Hut, fremdländisches Aussehen.
Etwa zur selben Zeit geht Albert Cadosch aus dem Nachbarhaus Nr. 27 in seinen Hinterhof zur Toilette, als er danach ins Haus zurück will, hört er vom Hof nebenan zunächst ein leises "No" und wenige Minuten später bei seinem Aufbruch zur Arbeit etwas gegen den Zaun stoßen.
Gegen 6 Uhr wurde Chapmans Leiche im Hinterhof vom Hausbewohner John Davies entdeckt.
Die Tatzeit liegt also zwischen 5.30 Uhr und 6 Uhr, und die Zeugin Long hat damit wohl den Ripper bei Chapman gesehen.

Da die Tatzeit bereits nahe der beginnenden Morgendämmerung und dem wieder einsetzenden "Berufsverkehr" in den Straßen liegt, hatte JTR nicht viel Zeit, aus der Öffentlichkeit zu verschwinden, bevor es richtig hell wurde. Der Tatort ist rund 700 Meter oder etwa 8-9 Minuten Fußweg von Levys Adresse in der Middlesex Street 36 entfernt.

Interessant ist ein bekannt gewordener Zwischenfall im Prince Albert Pub an der Ecke Brushfield Street / Steward Street, etwa 200 Meter südwestlich vom Tatort:
Am frühen Morgen tauchte laut Aussagen der Inhaberin Mrs. Fiddymont ein Mann auf, dessen Erscheinung Mrs. Fiddymont und ihrer Kundin Mary Chappell Angst machte: Er trug einen dunklen Mantel, hatte seinen Hut tief ins Gesicht gezogen, sein Hemd war gerissen und er hatte offenbar Blutflecken auf seinem rechten Handrücken. Als er bemerkte, dass er kritisch beäugt wurde, drehte er sich weg, trank sein Bier in einem Zug aus und verließ den Pub sofort wieder. Mary Chappell folgte dem Mann in die Brushfield Street, stellte fest, dass er Richtung Bishopsgate ging und wies den Passanten Joseph Taylor auf den Mann hin.
Die drei wurden später von der Polizei zu zwei Gegenüberstellungen geladen, aber unter den vorgeführten Verdächtigen erkannten sie den Mann nicht wieder.
Bemerkenswert daran ist, dass nahe der Brushfield Street die Sandy's Row geradewegs zur Middlesex Street hinunter führt.


10. September 1888: Erster Tatverdächtiger "Leather Apron"
Bei den Befragungen der Polizei erzählten Prostituierte, dass sie Angst vor einem gewalttätigen Mann hätten, der Schutzgeld von ihnen erpresse und sie schlage, und der wegen seiner Lederschürze  den Spitznamen "Leather Apron" hätte. Die Ermittlungen führten zu einem polnischen Juden namens John Pizer, ein Schuhmacher, der jedoch für die fraglichen Tatzeiten Alibis aufweisen konnte und später von allen Anschuldigungen freigesprochen wurde.

Interessant sind bei Pizer aber die Übereinstimmungen mit späteren Zeugenaussagen: Er war Jude, mittleren Alters (38 Jahre), knapp 1,70 groß und hatte einen schmalen Oberlippenbart.
Und Lederschürzen trugen nicht nur Handwerker, sondern auch Metzger:
The Lancashire Evening Post, 14th September 1888: "The Leather Apron legend is being dropped in the most extraordinary fashion. The police now go on the slaughterman theory and are looking for accomplices."

Hinzu kommt, dass Serienmörder den Erkenntnissen der modernen Kriminologie zufolge oft schon vor ihren Morden durch andere Straftaten auffällig werden, darunter auch Raub. Es ist daher gut möglich, dass JTR vor seinen Morden bereits Prostituierte bedroht bzw. ausgeraubt hat. 
Jacob Levy war ein verurteilter Dieb, von dem seine Frau Sarah bei seiner Einweisung in die Irrenanstalt sagte, er hätte nicht nur begonnen, das Geld der Familie zu verschwenden, sondern auch fremder Leute Eigentum mitgehen zu lassen. Zwar ist von Jacob Levy kein Übergriff auf eine Prostituierte nachgewiesen, aber es gab vor der Mordserie Überfälle auf Prostituierte, die möglicherweise frühe Taten des Rippers gewesen sein könnten:
Zum Beispiel wurde die 38jährige Annie Millwood, wohnhaft 8 White's Row / Spitalfields, am 25. Februar 1888 ins Whitechapel Workhouse Infirmary eingeliefert, weil ein unbekannter Täter sie mit einem Messer angegriffen und ihr zahlreiche Stiche in den Unterleib und die Beine zugefügt hatte – die Verteilung der Wunden erinnert an jene an der Leiche von Martha Tabram.
Ein weiteres Beispiel: Ada Wilson wurde in der Nacht vom 27. auf den 28. März 1888 von einem Unbekannten an ihrer Haustür angegriffen: Der Täter verlangte von der Gelegenheitsprostituierten Geld, und als Wilson sich weigerte, zog er ein Messer und stach es ihr in den Hals. Wegen ihrer Schreie, die die Nachbarn alarmierten, flüchtete der Täter - das rettete ihr vermutlich das Leben.
Interessant ist die Täterbeschreibung, die Ähnlichkeiten mit anderen Zeugenaussagen in der Mordserie von JTR aufweist: Etwa 30 Jahre, knapp 1,70 groß, heller Schnauzbart, dunkler Mantel und breiter Hut.

Zudem würde der Zeitraum dieser Taten auf den ersten Bekennerbrief vom 24. September 1888 passen (s.u.). Darin schreibt ein vermeintlicher Schlachter an Polizeichef Warren, er sei verantwortlich für "all die Morde in den letzten sechs Monaten" - die kanonischen Opfer einschließlich Tabram umfassten damals aber gerade einen Zeitraum von wenigen Wochen. Mit jenen früheren Überfällen wäre es tatsächlich etwa ein halbes Jahr.


24. September 1888: Der erste Bekennerbrief
Durch die Grausamkeit der Morde und die Sensationsberichterstattung der Zeitungen nahm die öffentliche Aufmerksamkeit sprunghaft zu und Hysterie breitete sich in Teilen der Bevölkerung aus.  In der Folge davon erreichten Dutzende angebliche Bekennerbriefe die Polizei und die Presse.
Der erste davon war an Polizeichef Sir Charles Warren selbst adressiert, seine Existenz wurde damals geheim gehalten. Er lautete:

"Dear Sir,
ich würde gerne aufgeben, ich befinde mich in einem Albtraum. Ich bin der Mann, der alle diese Morde in den letzten sechs Monaten begangen hat. Mein Name ist (mit der Zeichnung eines Sargs unkenntlich gemacht). Ich bin ein (Pferde-)Schlachter und arbeite bei (mit zwei Balken unkenntlich gemacht). I have found the woman I would that is Chapman and I done what I called slautered her (?). Aber wenn jemand kommt, werde ich aufgeben. Aber ich werde nicht von selbst zur (Polizei-)Station gehen. Hochachtungsvoll (mit der Zeichnung eines Sargs unkenntlich gemacht)."
Rückseite:
"Haltet das Viertel sauber, oder ich werde ihm einen Besuch abstatten. (Zeichnung eines Messers) Dies ist das Messer, mit dem ich die Morde begangen habe. Es hat einen schmalen Griff mit einer langen Klinge, beide Seiten scharf."

Die meisten Bekennerbriefe wurden von der Polizei schon damals als geschmacklose Scherze von Trittbrettfahrern abgetan, nur wenige wurden ernst genommen. Selbst die berühmt gewordenen Briefe, in denen der Mörder sich angeblich den Namen "Jack the Ripper" gab (der "Dear Boss"-Brief und die "Saucy Jacky"-Postkarte) werden inzwischen für Fakes gehalten und sollen aus der Feder ebenjenes Sensationsreporters Thomas Bulling von der Central News Agency stammen, welche die Briefe der Polizei übergab.

Jener erste Brief aber erscheint bemerkenswert:
Erstens bezeichnet sich der Autor selbst als Schlachter. The Dundee Courier, 29th September 1888: "The latest theory is that the Whitechapel murders were committed by horse knackers, who abound in the parish, and in the idiom of the locality are queer characters."
Zweitens ist er nicht verhöhnend, sondern scheint der Hilferuf eines kranken Menschen zu sein, der in einer tiefen inneren Zerrissenheit gefangen ist - so wie der Zustand Jacob Levys bei der Einlieferung ins Irrenhaus beschrieben wurde. Der Satz mit Chapman ist aufgrund seiner Formulierungen und der fehlenden Satzzeichen etwas unklar, aber "and I done what I called" könnte bedeuten: "und ich habe getan, was mir befohlen wurde" - was ein Hinweis auf die befehlenden Stimmen sein könnte, die ein Wahnkranker oft hört, und von denen Levys Frau und Dr. Sequeira bei seiner Einweisung sprachen.

Betrachtet man sich die sargförmige Schwärzung an der Stelle, wo der Briefschreiber angeblich zum ersten Mal seinen Namen übermalt hat, so scheint darunter etwas ähnliches wie "leaffray" oder "leadfray" gestanden zu haben - und das würde von der Wortlänge sowie von den Oberlängen und  Silhouetten einiger Buchstaben passen auf unseren Metzger Jacob Levy:
l e  a  d  f r a y
l a co b  l e v y


Sonntag, 30. September 1888: Nacht des Double Event
Mord an Elizabeth Stride in der Berner Street 40/42, und etwa 45 Minuten später an Catherine Eddowes auf dem Mitre Square.

Stride übernachtete bis zu ihrem Tod im Armenasyl in der Flower and Dean Street.
Zwischen 0.35 Uhr und 0.45 Uhr sahen mehrere Zeugen (Polizist William Smith, Anwohner James Brown, Zeuge Israel Schwartz) Stride mit einem Mann in der Nähe des Berner Street Clubs. Beschrieben wird er übereinstimmend als knapp 1,70 groß, etwa 30 Jahre alt, heller Teint, Schnauzbart, dunkler Mantel und Schirmmütze. Polizist Smith bemerkte zudem ein Päckchen in seiner Hand.
Der aus Norden von der Commercial Road vorbeikommende Israel Schwartz will sogar eine Auseinandersetzung wahrgenommen haben, weswegen er schnell weitergegangen sei, sagte er später der Polizei. Der Mann habe die Frau am Tor zum Dutfields Yard zu Boden geworfen, die Frau habe kurz aufgeschrien. Als er zurückgeblickt habe, sei gerade ein anderer Mann mit einer Pfeife aus dem nahen "Nelson"-Pub gekommen und es habe eine kurze verbale Auseinandersetzung mit dem Verdächtigen gegeben, bis der Verdächtige "Lipski" gerufen habe. Da sei der andere auf Schwartz zugegangen und Schwartz sei aus Angst weggelaufen.
Gegen 1 Uhr dann wurde Strides Leiche vom Verwalter des Clubs, Louis Diemschütz, im Torweg des Dutfield Yard neben dem Club gefunden. Im Gegensatz zu den anderen Opfern wurde ihr nur die Kehle durchgeschnitten, aber offenbar wegen der Störung durch die Zeugen keine Verstümmelungen des Unterleibs mehr vorgenommen.

Als plausibelste Interpretation dieser Szene scheinen Schwartz und der Mann mit der Pfeife mitten in den Angriff des Rippers hineingeplatzt zu sein. Weil Schwartz schon auf der Flucht war, als der Pfeifenraucher auf die Straße kam, tat der Mörder offenbar so, als sei er ein unschuldiger Helfer und konnte den anderen Mann mit dem Ausruf "Lipski" davon überzeugen, dass der nach Süden flüchtende Schwartz der Angreifer gewesen sei, so dass "Pipeman" die Verfolgung von Schwartz aufnahm (leider konnte "Pipeman" nie identifiziert werden).
Lipski war ein Jude aus dem Viertel, der 1887 wegen Mordes verurteilt worden war - und sein Name war in antisemitischen Kreisen zum Schimpfwort gegen Juden im allgemeinen und zum Synonym für Mörder im speziellen geworden.
Indem der Mörder den einen Zeugen so auf den anderen hetzte, konnte er vom Tatort (vermutlich über die Gasse zur Batty Street, wo später blutige Wäsche gefunden wurde) schließlich nach Norden in die Commercial Road fliehen. Er wollte angesichts der Beinahe-Entlarvung mit ziemlicher Sicherheit zu seinem Versteck zurück - und in der Richtung, die er einschlug, liegt die Middlesex Street.
Da JTR aber sein eigentliches Ziel - die Verstümmelung - bei Stride nicht mehr umsetzen konnte, suchte er, als er sich wieder sicher fühlte, schließlich ein weiteres Opfer.

Eddowes und ihr Mann John Kelly lebten überwiegend im Armenhaus "Cooney's" in der Flower und Dean Street 55.
Gegen 1 Uhr wurde Eddowes aus der Ausnüchterungszelle der Polizeistation Bishopsgate Street entlassen und ging Richtung Süden, höchstwahrscheinlich die Houndsditch entlang zurück zur Aldgate High Street, wo sie den frühen Abend verbracht hatte.
Gegen 1.30 Uhr checkte Constable Edward Watkins auf Streife den Mitre Square, ohne etwas  Verdächtiges festzustellen.
Etwa um diese Zeit verließen Joseph Lawende, Harry Harris und Joseph Hyam Levy den Imperial Club, Duke Street, schräg gegenüber der Church Passage zum Mitre Square, und sahen einen Mann und eine Frau am Eingang der Passage in einem leisen Gespräch.
Der Zeuge Lawende beschrieb den Mann wie folgt: Etwa 30 Jahre alt, knapp 1,70 Meter groß, blasser Teint, heller Schnauzbart, durchschnittlicher Körperbau, graue Jacke, graue Stoffkappe und rötliches Halstuch, sah wie ein Seemann aus (wobei aber Seemänner selten "blassen Teint" haben).
Gegen 1.35 Uhr ging Constable James Harvey durch die Church Passage und schaute in den dunklen Mitre Square, sah jedoch nichts und kehrte auf seine Runde zurück.
Gegen 1.45 Uhr kam Constable Edward Watkins von der anderen Seite (Mitre Street) wieder durch den Hauptzugang in den Mitre Square und entdeckte beim Herumleuchten mit seiner Lampe die tote Eddowes in der dunkelsten Ecke liegen, vor dem Tor zu einem kleinen Hof (vermutlich hatte der Ripper gehofft, das Tor wäre offen).
Laut Inspector Robert Sagar von der City Police soll ein Polizist kurz zuvor gesehen haben, wie ein Mann aus der Mitre Street in östliche Richtung verschwand. Aufgrund der Sichtung dieses Mannes liefen anschließend Polizisten durch Gravel Lane und Stoney Lane, um Hinweise auf den Fluchtweg des Mörders zu finden - dieser Weg führt in die Middlesex Street und weiter in die Goulston Street. Einer davon war Detective Constable Daniel Halse, der mit den Kollegen Outram und Marriott an der Ecke Houndsditch bei St. Botolph's Church stand und aufgrund der Alarmierung in den Mitre Square kam. Nachdem Halse Instruktionen zur Befragung der Anwohner gegeben hatte, eilte er zuerst in die Middlesex Street und, weil er dort niemanden sah, weiter in die Wentworth Street, wo er zwei Passanten überprüfte. Gegen 2.20 Uhr checkte er die Goulston Street, um nach vergeblicher Suche zum Mitre Square zurückzukehren.
Gegen 2.55 Uhr fand Constable Alfred Long auf seiner Runde ein Stück der blutigen Schürze von Eddowes im Hauseingang der Wentworth Dwellings 108-119, Goulston Street. Darüber an der Wand stand mit Kreide der Satz: "Die Juden sind die Menschen, die nicht grundlos beschuldigt werden." Long zufolge soll die Schürze auf seiner vorherigen Runde gegen 2.25 Uhr noch nicht dort gelegen haben. Ob das antisemitische Graffiti zuvor schon da gewesen war, wusste er nicht.

War Levy der Ripper, wäre er nach der unterbrochenen Tat an Stride in Richtung der Middlesex Street geflüchtet, um schnell von der Straße verschwinden zu können, dann aber mit oder ohne einen Zwischenstopp zuhause weiter Richtung Westen gezogen, wo er in der Houndsditch oder Duke Street den Weg von Eddowes kreuzte.
Die Berner Street ist rund 700 Meter oder etwa 8-9 Minuten Fußweg von Levys Adresse in der Middlesex Street 36 entfernt.
Die Strecke zwischen Berner Street und Mitre Square beträgt rund 1000 Meter oder etwa 12-15 Minuten Fußweg.
Die Strecke zwischen Mitre Square und Middlesex Street 36 beträgt rund 300 Meter oder etwa 3-4 Minuten Fußweg.
Jacob Levy hätte auch nach dem Mord an Eddowes zuhause einen Zwischenstopp einlegen können, um Blut, Messer, Gebärmutter und Niere loszuwerden und sich umzuziehen, bevor er die Schürze platzieren ging, um eine falsche Spur zu legen - oder er zog direkt weiter, weil er nicht direkt nach Hause zurückkehren konnte, z.B. weil ihm die Polizei zu dicht auf den Fersen war.
Die Strecke vom Mitre Square zur Goulston Street beträgt nur rund 500 Meter oder 6-7 Minuten. Entweder haben die Polizisten Halse und Long die Schürze gegen 2.25 Uhr übersehen, oder JTR hat sich zeitweise in einer Zuflucht versteckt, bevor er sie ablegte. Ein Umweg von rund einer dreiviertel Stunde durch die Straßen voller alarmierter Polizisten ist eher unwahrscheinlich - daher dürfte die Rückzugsmöglichkeit des Rippers in unmittelbarer Nähe gewesen sein. Die Ablage der Schürze könnte dann für ein Ablenkungsmanöver sprechen, das die Ermittler auf eine falsche Fährte locken sollte Richtung Osten, weg von der Umgebung Mitre Square und seiner Zuflucht.
Wenn Levy der Ripper war, hätte er damit aufgrund der Erkenntnis, zu nah an seinem Zuhause zugeschlagen zu haben, bewusst die Spur vom Grenzgebiet der City Police, wo er wohnte, weiter nach Osten in das Territorium der Metro Police gelenkt.
Vielleicht konnte er aber auch einfach nicht in die Middlesex Street 36 zurück, entweder weil er sich verfolgt fühlte, weil seine Frau noch wach oder gerade jemand in der Straße unterwegs war.
Die Strecke zwischen den Parallelstraßen Goulston Street und Middlesex Street beträgt weniger als 100 Meter oder etwa 1-2 Minuten Fußweg.

Daraus ergeben sich zwei interessante Möglichkeiten, wenn Levy der Ripper war:
Zur Zeit der Morde lebte laut Census von 1891 Jacobs Bruder Isaac Levy, ein Cigar Maker, in der Goulston Street 130, und die Geburt seiner Tochter 1888 ist unter derselben Adresse angegeben - dies ist nur einen Häuserblock vom Schürzenfund entfernt.
Zum zweiten bleibt noch die Alternative, dass Jacob weiter zum Cigar Shop von John Levy in die Whitechapel Road 254 flüchtete, um sich dort zu verstecken - direkt nebenan vor Nr. 253 wurde am Tag darauf von Thomas Coram ein blutiges Messer gefunden (s.u.).

Bemerkenswert ist, dass es am Tatort im Mitre Square sehr dunkel war: Die Streifenpolizisten mussten ihre Lampen verwenden, um in den Ecken überhaupt etwas erkennen zu können. JTR hatte nur etwa 10 Minuten für die Verstümmelungen, die noch umfangreicher als bei den vorherigen Opfern waren. Insbesondere die Entfernung von Gebärmutter und Niere in der Dunkelheit zeugen davon, dass der Ripper offenbar Übung darin hatte, einen Körper bei schlechtem Licht schnell mit einem Messer zu zerlegen. Auch dies deutet auf einen Metzger hin, eine Ansicht, die u.a. Dr. Frederick Gordon Brown vertrat, der Eddowes Leiche untersuchte.

Merkwürdigerweise taucht in den Berichten über die Coroner-Untersuchung zu Strides Tod der wichtige Zeuge Israel Schwartz gar nicht auf.
Und bei der Coroner-Untersuchung zu Eddowes Tod wurde dem Zeugen Joseph Lawende verboten, den Verdächtigen öffentlich genauer zu beschreiben - offenbar aus ermittlungstaktischen Gründen.
Dies deutet darauf hin, dass die Polizei glaubte, eine heiße Spur zu haben.
Zumal Lawendes Begleiter Joseph Hyam Levy bei der polizeilichen Vernehmung und gegenüber der Presse den Eindruck gemacht hatte, mehr zu wissen, als er zugeben wollte. So soll er beim Anblick von Eddowes und dem Mann zu seinen beiden Begleitern gesagt haben, wenn er solche Charaktere sehe, wolle er nicht alleine nach Hause gehen, und man solle den Hof beobachten (!).
Als er beim Verhör gefragt wurde, ob er denn Angst gehabt habe, antwortete er kryptisch: nicht wirklich um sich. Frage: "What was there terrible in their appearance?" - Antwort: "I did not say that." - Frage: "Your fear was rather about yourself?"- Antwort: "Not exactly." (!)
Joseph Hyam Levys Verhalten könnte dadurch erklärt werden, dass er den Mann erkannt hatte und decken wollte - vielleicht war es sogar sein Verwandter Jacob Levy gewesen.


1. Oktober 1888: Messer-Fund in der Whitechapel Road
In der Nacht nach dem Double Event fand Thomas Coram gegen 0.30 Uhr vor der Whitechapel Road 253 ein in ein Taschentuch eingewickeltes blutiges Messer, das er der Polizei übergab - jedoch konnten die obduzierenden Ärzte nicht bestätigen, ob dies die Waffe des Rippers war.

Interessant ist in diesem Zusammenhang aber: Wie bereits erwähnt hatte in den 1880er Jahren John Levy in der Whitechapel Road 254 einen Cigar Shop. Er war laut Census der Bruder von Fanny, Lewis und Samuel Levy von den Levys aus der Mitre Street 29, und sie waren Ripperologen zufolge Cousins des Zeugen Joseph Hyam Levy - somit war auch Jacob Levy mit diesen Levys verwandt (s.u.). Und Lewis Levy hatte in den 1860ern in Mitre Square 8 gewohnt - dahinter fand man vor dem Hinterhoftor die Leiche von Catherine Eddowes (!).

War Jacob Levy der Ripper, kannte er sicher den Hinterhof im Mitre Square und könnte gehofft haben, er wäre offen. Nach dem Double Event hätte er, weil er sich nicht zuhause verstecken wollte oder konnte, zuerst in Richtung seines Bruders in der Goulston Street und dann weiter zum Shop von John Levy in die Whitechapel Road 254 flüchten können, um sich dort relativ weit von den Tatorten weg zu verstecken, und könnte das blutige Messer dort weggeworfen haben.


Polizei-Razzia bei Metzgern im Oktober:
Die Polizei führte in den folgenden Wochen (3.-18. Oktober) in der Umgebung des Mitre Square Haus-zu-Haus-Befragungen durch. Der stellvertretende Polizeipräsident Robert Anderson schrieb, dass man alle Männer des Viertels überprüft habe, die den Zeugenaussagen entsprachen und sich blutbefleckter Kleidung entledigen konnten.
Die Polizei durchsuchte auch 76 Metzgereien und Schlachtereien im Viertel und überprüfte alle Personen, die in den letzten sechs Monaten dort beschäftigt waren, verschiedene Verdächtige wurden unter Beobachtung gestellt.

Interessanterweise folgte nach dem Double Event die längste Pause zwischen den Ripper-Morden von fast sechs Wochen. Ursache dafür könnte der Ermittlungsdruck durch die Behörden gewesen sein, was für die Annahme spricht, dass die Polizei mit der Untersuchung des Metzger-Milieus rund um Aldgate High Street dem Ripper näher kam, so dass er vorerst pausieren musste, bis die polizeilichen Aktivitäten in seinem Umfeld wieder zurückgingen.
 

Freitag, 9. November 1888: Mord an Mary Jane Kelly im Miller's Court
Kelly verließ in ihrer letzten Nacht mehrmals ihr Zimmer im Miller's Court, Dorset Street 26, und kehrte mit verschiedenen Freiern wieder dorthin zurück, nachdem sie den frühen Abend mit ihrem Exfreund Joseph Barnett verbracht hatte.
Gegen 23.45 Uhr sah ihre Nachbarin Mary Ann Cox, wie Kelly mit einem Kunden auf ihr Zimmer ging. Zwischen 0.30 Uhr und 1 Uhr hörten Cox und Nachbarin Catherine Picket sie singen.
Ihre Nachbarin Elisabeth Prater kehrte gegen ein Uhr zurück, wartete erst 20 Minuten vor dem Eingang zum Court auf einen Mann und ging, als er nicht kam, noch für zehn Minuten in McCarthys Laden nebenan. Gegen 1.30 Uhr stieg sie die Treppen zu ihrem Zimmer direkt über Kellys hinauf, ohne dort Licht zu sehen oder etwas zu hören, und ging zu Bett.
Der Zeuge George Hutchinson, ein Bewohner des Victoria Home in der Commercial Street, ging am 12. November zur Polizei und sagte aus, dass er seine Bekannte Mary Jane Kelly am 9. November gegen 2 Uhr in der Commercial Street getroffen habe. Kurz darauf sei sie mit einem Kunden an ihm vorbei zurück auf ihr Zimmer gegangen. Weil der Mann sein Gesicht vor ihm habe verbergen wollen, sei er beiden gefolgt und habe rund eine dreiviertel Stunde den Hof beobachtet, jedoch ohne etwas Verdächtiges wahrzunehmen. Gegen 3 Uhr sei er schließlich gegangen.
Hutchinson beschrieb den Mann als etwa Mitte 30, knapp 1,70 Meter groß, blasser Teint, dunkle Augen und Haare, dünner gezwirbelter Schnurrbart, jüdisches Erscheinungsbild, mürrisches Aussehen, dunkler Mantel, dunkler Hut, kleines Päckchen in seiner Hand.
Sarah Lewis, die gegen 2.30 Uhr zu ihrer Bekannten Mrs. Keyler im Miller's Court ging, um dort zu übernachten, sah gegenüber dem Hofeingang einen Mann stehen - dabei handelte es sich vermutlich um Hutchinson.
Zwischen 3.15 Uhr und 3.45 Uhr hörten sowohl Lewis wie auch Elizabeth Prater einen leisen, unterdrückten Schrei vom Hof her: "Mord!"
Gegen 6 Uhr hörte Nachbarin Marie Ann Cox Schritte im Hof.
Gegen 7.30 Uhr klopfte Nachbarin Catherine Picket an Kellys Tür, um sich einen Schal zu leihen, aber nichts regte sich.
Gegen 10.45 Uhr schließlich wurde Kellys Leiche von Hausverwalter Thomas Bowyer entdeckt, der die Miete eintreiben sollte.

Theoretisch könnte Hutchinson der Täter gewesen sein, der nach dem Verschwinden des Kunden gegen 3 Uhr selbst zu Kelly ging - nur: warum hätte er sich dann mit dem Geständnis seines "Stalkings" verdächtig machen sollen? Inspektor Abberline hielt ihn für glaubwürdig.
Plausibel wäre aber, dass der von Hutchinson beschriebene Kunde nach 3 Uhr ging - und dass erst der nächste Besucher Kellys der Ripper war. Dann wäre Hutchinsons Beschreibung unbrauchbar.
Bemerkenswert ist jedoch, dass Hutchinson aussagte, er glaube denselben Mann später noch einmal gesehen zu haben, und zwar am 11. November in der Petticoat Lane / Middlesex Street - wo Levy wohnte und es den Straßenmarkt mit günstiger Second-Hand-Kleidung gab.
Wenn JTR die Person war, die von Cox gegen 6 Uhr im Hof bemerkt wurde, muss er beim Verlassen des Tatorts unter Zeitdruck gestanden haben, weil es langsam hell wurde.
Falls Levy der Ripper war: Der Tatort in der Dorset Street 26 ist rund 500 Meter oder nur etwa 5-6 Minuten Fußweg von der Middlesex Street 36 entfernt.

Ein merkwürdiger Vorfall ereignete sich etwa eine Stunde nach der Entdeckung von Kellys Leiche:
London Times, 10. November 1888:
"A Mrs Paumier, a young woman who sells roasted chestnuts at the corner of Widegate-street, a narrow thoroughfare about two minutes' walk from the scene of the murder, told a reporter yesterday afternoon a story which appears to afford a clue to the murderer. She said that about 12 o'clock that morning a man dressed like a gentleman came up to her and said, "I suppose you have heard about the murder in Dorset-street?" She replied that she had, whereupon the man grinned and said, "I know more about it than you." He then stared into her face and went down Sandy's-row, another narrow thoroughfare which cuts across Widegate-street. Whence he had got some way off, however, he vanished. Mrs Paumier said the man had a black moustache, was about 5ft 6in, high, and wore a black silk hat, a black coat, and speckled trousers. He also carried a black shiny bag about a foot in depth and a foot and a half in length."

Falls JTR so wie manch anderer Serienmörder das Bedürfnis hatte, zu den Tatorten zurückzukehren oder gar bei der Entdeckung der Morde unter den Schaulustigen zu stehen, um sich einen zusätzlichen Kick zu holen: Die Beschreibung des Mannes von Mrs. Paumier als knapp 1,70 m groß mit Schnurrbart passt zu anderen Zeugenaussagen.
Und - interessant für die Jacob-Levy-These - der Verdächtige ging nach seiner Provokation die Sandy's Row hinab, die in die Middlesex Street mündet.

Merkwürdig war nach den Coroner-Untersuchungen zum Double-Event auch die Anhörung im Fall Kelly: Sie wurde im Distrikt Shoreditch vom dort zuständigen Richter vorgenommen und nicht in Whitechapel, mit der seltsamen Begründung, zuständig sei der Ort der Aufbahrung, nicht der Tatort. Sie wurde bereits am 12. November eröffnet, mit sich nicht zuständig fühlenden Geschworenen, in hohem Tempo durchgepeitscht und schon am selben Tag wieder abgeschlossen. Richter Roderick Macdonald sagte: "Wenn die Geschworenen allein zu der Todesursache zu einem Ergebnis kommen, so ist das alles, was sie zu tun haben."
Zeugen oder Beweismittel zur Strafverfolgung sollten nicht weiter öffentlich thematisiert werden - wahrscheinlich aus ermittlungstaktischen Gründen, weil man einen Tatverdächtigen nicht warnen wollte, während er unter Beobachtung stand, um ihn auf frischer Tat stellen zu können.
In H. L. Adam's Serie "The People on Scotland Yard and its Secrets" von 1912 zitiert der Autor  Assistant Commissioner Anderson: "Sir Robert Anderson has assured the writer that the assassin was well known to the police, but unfortunately, in the absence of sufficient legal evidence to justify an arrest, they were unable to take him. It was a case of moral versus legal proof. The only chance the police had, apparently, was to take the miscreant red-handed…"


"The Butcher's Row Suspect"
Nach diesem Mord begann die City Police damit, mehrere Monate lang einen Tatverdächtigen bei der Butcher's Row zu observieren.
In einem Zeitungsinterview (City Press, 7. January 1905) sagte Robert Sagar von der City Police, dass man nach dem Kelly-Mord einen Mann unter Beobachtung gestellt habe, der in der Butcher's Row arbeite und von dem man annehme, dass er der Ripper sei, und dass dieser Mann letztendlich von seinen Leuten in ein Irrenhaus eingeliefert worden sei.

Butcher's Row war kein offizieller Straßenname, so wurde wegen der vielen Metzger und der dahinter liegenden Schlachterei jener Abschnitt der Aldgate High Street genannt, der an der Einmündung der Middlesex Street / Petticoat Lane liegt, wo es den Meat Market of Petticoat Lane gab. Angesichts der vielen Metzger in dieser Ecke ist es gut möglich, dass auch der Meat Market von Sagar noch mit zur Butcher's Row gezählt wurde. Beides liegt auf der Grenze zwischen City of London und Whitechapel und somit der beiden Polizei-Distrikte.
Auch Detective Inspector Henry Cox (City Police) wurde ein Jahr später in einem Zeitungsartikel (Thomson’s Weekly News, 1. Dezember 1906) zu den Observationen zitiert, ohne jedoch den genauen Ort zu nennen. Cox: "The man we suspected was about five feet six inches in height, with short, black, curly hair, and he had a habit of taking late walks abroad. He occupied several shops in the East End, but from time to time he became insane, and was forced to spend a portion of his time in an asylum in Surrey. (...) While the Whitechapel murders were being perpetrated his place of business was in a certain street, and after the last murder I was on duty in this street for nearly three months." (beim Hinweis auf Surrey könnte eine Verwechslung mit dem Verdächtigen Ostrog aus Macnaghtens Memorandum vorliegen).
Cox erzählte auch, er habe den Verdächtigen nachts auf einem Streifzug verfolgt: Nachdem dieser sein Haus verlassen habe, sei er die Leman Street in Richtung St. Georges in the East hinab gegangen - die Straße verläuft nur etwa 100 Meter östlich von der Einmündung der Middlesex Street und der Goulston Street in die Aldgate High Street nach Süden (!).
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, was Detective Inspector Cox zur Überwachung des Tatverdächtigen sagte. Zur Verschleierung der Observation, die der jüdischen Gemeinde nicht verborgen blieb, behaupteten die Polizisten, die Schneider auf Beschäftigung von Minderjährigen zu überwachen: "We told them we were factory inspectors looking for tailors and capmakers who employed boys and girls under age." Dies könnte sich auf den Petticoat Lane Street Market mit seiner Bekleidungsindustrie oder den "Khazar Mark" in der Parallelstraße Goulston Street beziehen, wo Schneidermeister Arbeitskräfte rekrutierten.

Die Maßnahmen der City Police deuten darauf hin, dass die Indizien sie in dem Verdacht bekräftigten, es bei JTR mit einem einheimischen Metzger in der Umgebung von Aldgate High Street, Middlesex Street oder Goulston Street zu tun zu haben. Vielleicht war es sogar Jacob Levy, der beobachtet wurde - doch leider sind weder die genaue Adresse noch der Zeitraum der Observationen bekannt. Allerdings schrieb das Aberdeen Weekly Journal bereits am 16. November 1888: "The Central News is enabled to state that several houses at which the murderer is believed to call on occasionally are under the closest police surveillance."

Wenn Jacob Levy der Ripper war, könnte sich dies neben seiner Schwester Elizabeth, Middlesex Street 87, und seinem Bruder in der Goulston Street auch auf die anderen Metzgereien der Butcher's Row und Middlesex Street beziehen - es gab laut Census dort rund zwei Dutzend.
Und sowohl Jacob Levy als auch sein Cousin, der Zeuge Joseph Hyam Levy, sollen Scott Nelson zufolge Geschäftsverbindungen in der Butcher's Row gehabt haben. Vermutlich kauften die beiden auch in der dortigen Schlachterei ein. Levy könnte sogar wegen seines ruinierten eigenen Geschäfts zeitweise dort oder in einem anderen Shop gearbeitet haben.
Laut Scott Nelson gab es "rows of butcher stalls in the Petticoat Lane market". Und über die Cousins Jacob Levy und Joseph Hyam Levy schrieb er: "Both men dealt with George Bolam, a cow keeper who had a small slaughter shop on Middlesex Street and a larger yard on the north side of Aldgate-High Street, across from Butcher's Row."


Nähe von Verwandten zu den Tatorten
Detective Inspector Henry Cox von der City Police schrieb über den observierten Verdächtigen: "He occupied several shops in the East End."

Jacobs Schwester Elizabeth und ihr Ehemann Isaac Barnett, ein Milchmann, hatten ihren Shop in der Middlesex Street 87. Ein Butcher namens Moses Levy hatte seine Metzgerei in Middlesex Street 134 - möglicherweise war dies Jacobs Onkel Moss.
Und Jacobs Bruder Isaac Levy lebte in der Goulston Street 130 - nur einen Gebäudekomplex entfernt von dem Hauseingang, in dem das blutige Teil von Eddowes Schürze gefunden wurde.

Jacobs Schwiegeltern, Isaac und Phoebe Abrahams, wohnten laut Census von 1881 in der 21 Grey Eagle Street / Spitalfields nördlich der Hanbury Street. Auf dem Weg von der Middlesex Street  zu seinen Schwiegereltern kam Jacob also unmittelbar an den Tatorten 29 Hanbury Street (Annie Chapman) und Dorset Street / Miller‘s Court (Mary Ann Kelly) vorbei.
 
Zusätzlich den möglichen Verbindungen der Levys mit anderen Metzgern in der Butcher's Row gab es in JTRs Comfort Zone auch noch die Shops der Levy-Familie aus der Mitre Street, mit denen Jacob und Joseph Hyam Levy laut Casebook verwandt gewesen sind:
Die Kinder der Zigarren- und Orangenhändler Ann und Barnett Levy aus der Mitre Street 29 ("Orange Market" am Mitre Square) John, Samuel, Lewis und Fanny hatten Adressen in der Nähe von JTRs Aktivitäten - sie waren Cousins des Zeugen Joseph Hyam Levy, somit war auch Jacob Levy mit diesen Levys verwandt.
Der Orangenhändler Samuel Levy lebte erst in Mitre Street 17 und 23 und zog danach neben Joseph Hyam Levys Vater, Hyam Levy, in die Middlesex Street 39. 1888 kehrte Samuel dann als Orangenverkäufer wieder in die Mitre Street 20 zurück. Seine Schwester Fanny lebte weiter in der Mitre Street 29 (beim Tatort Mitre Square). Und der Zigarrenhändler John Levy hatte in den 1880ern einen Cigar Shop in der Whitechapel Road 254 - nahe den Tatorten Buck's Row und Berner Street sowie unmittelbar neben dem Messer-Fund von Thomas Coram nach dem Double Event vor Whitechapel Road Nr. 253.
Und Lewis Levy hatte in den 1860ern in Mitre Square 8 gewohnt - dahinter fand man vor dem
verschlossenen Hinterhoftor die Leiche von Catherine Eddowes (!).

Fazit: Waren die Levys von Mitre Street tatsächlich mit Jacob Levy verwandt, so rückt der verrückt gewordene Metzger durch die Adressen seiner Verwandten in die unmittelbare Nähe zu mehreren Tatorten und den Funden von Schürze und Messer. War Jacob Levy der Ripper, kannte er sich dort besonders gut aus, hätte für seine Anwesenheit in den Straßen eine plausible Erklärung gehabt und Möglichkeiten, nach den Taten schnell aus der Öffentlichkeit verschwinden zu können, indem er bei ihnen Unterschlupf suchte. 


(Forts. unten)
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 16.06.2019 11:09 Uhr
(Forts.)


Mittwoch, 17. Juli 1889: Mord an Alice McKenzie in der Castle Alley
Police Constable Walter Andrews entdeckte gegen 0.50 Uhr in der Castle Alley den leblosen Körper von Alice McKenzie, etwa eine halbe Stunde, nachdem er das letzte Mal auf seiner Runde dort gewesen war. Zeugen der Tat gab es keine. Ihre linke Halsschlagader war durchtrennt, ihr Rock war hochgeschoben und der Unterleib mit einem Messer traktiert worden, allerdings waren die Verletzungen eher oberflächlich.

Die Polizisten und die Ärzte waren uneinig darüber, ob es sich um ein weiteres Ripper-Opfer handelte. Einiges passte ins Schema: McKenzie übernachtete in einem Armenhaus, war rund 40 Jahre alt, Prostituierte - und wurde im Zentrum von JTRs Morden getötet. Allerdings wurde ein anderes Messer benutzt, und zudem wurde sie nicht gewürgt, es gab auch keinen vollständigen Kehlenschnitt, die Wunden waren nicht so tief und der Unterleib war nicht ausgeweidet.
Der Täter hätte wahrscheinlich durchaus genug Zeit für weiterreichende Verstümmelungen gehabt, denn er war wohl diesmal nicht gestört worden. Indiz dafür: Obwohl es kurz geregnet hatte, war der Gehweg unter McKenzies Körper trocken, was bedeutet, dass sie wohl schon vor dem Schauer getötet wurde und somit einige Zeit unentdeckt dagelegen hatte. Möglicherweise war es ein Nachahmungstäter, der dem Ripper diesen Mord in die Schuhe schieben wollte.

Falls es doch JTR war, deutet alles darauf hin, dass er nicht mehr auf der Höhe seiner physischen und/oder psychischen Kräfte war - Folgen der fortschreitenden Syphilis? Auch der große zeitliche Abstand zu den übrigen Taten fällt auf: JTR hatte eine sehr kurze Abkühlphase, so dass längere Pausen wohl nur durch widrige Umstände wie Krankheit, Einweisung oder Ermittlungsdruck der Polizei zu erklären sind.
Falls Jacob Levy der Täter war: Der Tatort ist nur 100-200 Meter oder 1-2 Minuten Gehweg von Butcher's Row und Middlesex Street entfernt.


"The crazy jewish Butcher"
Spätestens nach diesem Mord machte die Ripper-Theorie vom "verrückten jüdischen Metzger" wieder die Runde, die von verschiedenen Presseorganen aufgegriffen wurde:

Rochester Democrat And Chronicle, 16. September 1889:
"The London Police has a theory that Jack the Ripper is a crazy jewish butcher."

London Evening News And Post, 13. September 1889:
"The second man is now being watched. He is a resident of the East End, and has been for years. For a long time he has been acting in the most suspicious fashion. He has a business, to which he scarcely ever personally attends. He goes about drinking, and is to be met at all hours of the night in the streets all over the neighborhood. He enters his house at hours when his wife and family have long been at rest. No member of his family dare question him as to his ramblings. He knocks about among the lowest class of women at unearthly hours, although, according to general report, their very appearance is hateful in his sight. His hatred has been produced by physical suffering, for which, like most men of his class, he holds himself perfectly irresponsible. His habits are such as to give one the notion that he is not altogether in a fit position to be allowed to roam at will. Whether he has anything to do with any crime, it is, of course, impossible to say, but he is kept in view."

Offensichtlich war der Observierte ein im East End lebender Metzger, der sein Geschäft vernachlässigte, so wie auch Jacob Levys Frau beklagte. Er fing an zu trinken und streifte nachts umher, so wie Levys Frau gesagt hat. Er trieb sich bei Prostituierten herum, obwohl er sie hasste.
"His hatred has been produced by physical suffering, for which, like most men of his class, he holds himself perfectly irresponsible." - Und sein Hass kam von einer Syphilis-Infektion, wofür er die Schuld nicht bei sich, sondern bei anderen suchte.

North Eastern Daily Gazette, 18. September 1889:
"A Detective's Views: We are watching now three men, besides the usual night-birds of Whitechapel. One man created some stir during the last murders under circumstances which I need not say anything about. He is a curious sort of fellow; in business, but not doing much to keep it going. His wife and daughter see to it, and he is out at all hours of the night. He says he is a member of the vigilance committee, but I can't answer as to that. No, I won't tell you his name, even if you do want to find out if he is a member or not. This man is out at all hours of the night, and he lets himself in some quietly that his wife does not know what time he really arrives home. She generally finds him in the shop when she comes down the morning. He is being watched, but we can't arrest him only on the suspicious we have. We must wait further developments."

Der Observierte vernachlässigte sein Geschäft, streifte nachts umher, und seine Frau wusste nicht, wann er zurückkam - das passt zu den Aussagen von Jacob Levys Frau bei seiner Einweisung.
"She generally finds him in the shop when she comes down the morning." - Die Erklärung dafür, warum seine Frau nichts bemerkt haben könnte: Sie schlief in der Wohnung, er im Shop. Auch das passt: Wenn JTR tatsächlich Familie hatte, dann muss er wohl woanders genächtigt haben als seine Frau, vermutlich wegen ehelicher Differenzen.
Seine Frau und Tochter kümmerten sich um das Geschäft - zwar war Levys Tochter Hannah 1889 erst vier Jahre alt, aber dafür wohnte laut Census von 1891 Sarahs jüngere Schwester Flora Abrahams mit im Haus, die vielleicht irrtümlicherweise als Tochter im Artikel auftaucht.

Sunday Chronicle, October 15, 1905:
"We found our man. He was engaged in a large way of business in the city of London, was married, had a family, and was generally respected. For some time he had been known as eccentric, and various escapades had caused his friends a good deal of anxiety. Frequently, as we learned later, he stayed out all night about the time when these outrages were committed. His description agreed with that of a man seen in Dorset-street, Whitechapel, on the night when Mary Jane Kelly was cut to pieces, and at that time he was very near to actual arrest by a policeman."

Der Observierte war in einer großen Geschäftsstraße tätig, und zwar in der City of London, nicht in Whitechapel (!). Dies klingt nach dem Butcher's Row Suspect, denn die Butcher's Row (und auch die einmündende Middlesex Street) gehörten bereits zur City of London. Er war verheiratet und hatte Familie, wie Jacob Levy. Er wurde seltsam und seine Eskapaden bereiteten seinen Freunden Sorge - auch das erinnert an den Verfall Levys mit Diebstahl, psychischer Erkrankung, Geschäftsvernachlässigung und schließlich dem nächtlichem Umherstreifen.



Das Ende

15. August 1890: Einlieferung ins Irrenhaus
Jacob Levy wird als geisteskrank ins City of London Asylum at Stone in Kent eingeliefert.
In der Krankenakte wird als Einweisungsgrund "Manie" eingetragen, an der er schon seit längerem leide. Er soll bei seiner Einlieferung noch in guter körperlicher Verfassung gewesen sein, seine Größe wird mit knapp 1,70 Meter und sein Gewicht mit 60 Kilo angegeben.
Seine Frau sagte den Anstaltsakten zufolge nach der Einweisung, Levy habe beinahe ihr Geschäft ruiniert, früher sei er ein sehr guter Geschäftsmann gewesen. Aber er schlafe nun nachts nicht mehr, sondern wandere oft für Stunden ziellos umher. Auch befürchte er, jemandem etwas anzutun, wenn man ihn nicht aufhalte. Er höre Geräusche und Stimmen, die ihm befehlen und ihn zwingen Taten zu begehen, die er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne.
Merwürdigerweise soll Levy gesagt haben, dass schon sein Bruder Abraham Selbstmord begangen habe, indem er sich selbst die Kehle durchgeschnitten (!) habe. In den Akten steht: "Whether any near relative has been afflicted with insanity: Yes. Elder brother cut his throat." - Dabei hat er sich laut Casebook erhängt: Im Mai 1875 nahm sich Jacobs Bruder Abraham demnach das Leben, weil er angeblich bei Pferderennen enorme Summen verloren hatte. Einem Zeitungsbericht nach fand Jacob selbst den erhängten Leichnam seines zwei Jahre älteren Bruders.
In der Einweisung schreibt Dr. Henry James Sequeira (Jewry Street 34) über Jacob:
"Known patient several years: formerly shrewd business man, now quite incapable of carrying on the same, giving wrong change & money back for things bought. Says he feels a something within him impelling him to take everything he sees. Feels that if he is not restrained he will do some violence to some one. Complains of hearing strange noises.
Wife (Sarah Levy, 36 Middlesex St.) deposes that he has nearly ruined her business being quite incapable of taking care of money. Makes away with every penny he can put his hand on, orders goods indiscriminately & is continually taking other peoples goods carrying them off.
Wanders away from home for hours with out any purpose. Does not sleep at night raves and is continually fancying someone is going to do him bodily harm. (...) Has delusions as to his own importance, such as - it being in his power to give great grants of land & money."

Interessanterweise war Dr. Henry James Sequeira, der angab, den Patienten Levy bereits seit Jahren zu kennen, der Bruder von Dr. George William Sequeria,  der in der Nacht des Double Event, 30. September, von der Polizei zum Eddowes-Tatort im Mitre Square gerufen wurde. Beide wohnten und praktizierten gemeinsam in der Jewry Street 34, nur wenige Meter von der Butcher's Row und der Middlesex Street entfernt. 
George William Sequeria (geb. 1859) und Henry James Sequeira (geb. 1857) waren zwei Kinder von Henry Little Sequeira, Chirurg, und seiner Frau Amelia (geb. Brook), die laut Census seit über drei Jahrzehnten in der Jewry Street lebten. Ihre Kinder wurden dort geboren und wuchsen dort auf. Die Sequeiras dürften das Metzger-Milieu in Aldgate also recht gut gekannt und auch viele Patienten daraus gehabt haben.
Dr. George William Sequeria untersuchte Eddowes am Tatort eher oberflächlich und stellte ihren Tod infolge der durchtrennten Kehle fest. Im Inquest am 11. Oktober 1888 stimmte er zwar mit den Obduktionsergebnissen von Dr. Frederick Gordon Brown überein - auffälligerweise aber nicht mit dessen Schlussfolgerung, der Mörder müsse für die Tat zumindest grundlegende Kenntnisse in Anatomie und dem Umgang mit Messern gehabt haben (wie sie zum Beispiel ein Metzger hat). Und das, obwohl er wusste, wie dunkel es am Tatort gewesen war und dass Eddowes die Gebärmutter und eine Niere entfernt worden war.

Mit dem Mord an Eddowes zeigte sich eine Tendenz, auf den öffentlichen Inquests bestimmte Informationen und Zeugen zurückzuhalten, so durfte Joseph Lawende den Verdächtigen nicht näher öffentlich beschreiben, Harry Harris und Israel Schwartz wurden nicht einmal vorgeladen.
Nach dem Mord an Kelly wurde der Inquest sogar in einem anderen Bezirk vor sich nicht zuständig fühlenden Geschworenen mit hoher Geschwindigkeit durchgepeitscht, bevor alle Ermittlungen abgeschlossen sein konnten. Offenbar nahmen es die Behörden mit den Verfahrensvorschriften gegenüber der Öffentlichkeit nicht mehr so genau, um zu verhindern, dass JTR genauere Kenntnis über den Ermittlungsstand erlangte und dadurch gewarnt wurde, oder sich ein Lynchmob in eine bestimmte Richtung aufmachte.

Könnte es womöglich sein, dass Dr. George William Sequeria deshalb die Schlussfolgerung seines Kollegen Brown nicht öffentlich teilte? Vielleicht wollte Brown das Spielchen nicht mitspielen und stellte seine Ergebnisse und Schlussfolgerungen vorschriftsmäßig weitgehend ungeschönt beim Inquest vor, so dass Sequeira versuchte, das Metzger-Milieu - vielleicht sogar speziell die Patienten seiner Familie - etwas aus dem Focus zu nehmen? Sei es nun, um in Absprache mit der Polizei deren Ermittlungen nicht zu gefährden und/oder um die Patienten seiner Familie zu schützen?
Der Metzger Jacob Levy war jedenfalls nachgewiesenermaßen bereits "seit Jahren" Patient mindestens eines Sequeiras - wenn sie gegenseitig ihre Vertretung übernahmen, kannten ihn vielleicht sogar beide. Und in Levys Einweisung schrieb Henry James Sequeira, dass Levy nachts umherstreifte und Stimmen ihn zwangen, Dinge zu tun, die er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne. Zumindest einer der Sequeiras dürfte also schon länger vom psychischen Verfall des langjährigen Patienten Levy gewusst haben.

Könnte Sequeira vielleicht der Arzt gewesen sein, von dem Benjamin Leeson in "Lost London" (1934) schrieb: "...amongst the police who were most concerned in the case there was a general feeling that a certain doctor, known to me, could have thrown quite a lot of light on the subject ."
Eins dürfte wohl unstreitig sein: Wenn entsprechende Aussagen der Ermittler zutreffen, dass ihr Hauptverdächtiger in eine Irrenanstalt eingewiesen wurde, so musste es einen Arzt geben, der ihn untersucht und eingewiesen hat, und so tatsächlich mehr Licht in die Angelegenheit hätte bringen können - vielleicht war es gar Sequeira?

Dass Jacob Levy - wie Sequeira schrieb - sein Geschäft vernachlässigte, nachts umherstreifte und zugab, von inneren Stimmen zu Gewalttaten getrieben zu werden, ist ein gutes Indiz für eine mögliche Täterschaft. Ebenso die Größenwahnphantasien über seine eigene Bedeutung. 
Hinzu kommt die seltsame Aussage zum Tod seines Bruders: Hat Levy vielleicht in seiner psychischen Zerrüttung hier seine Vorliebe fürs Kehlenschlitzen verraten?
Dass er auch 1890 noch in guter körperlicher Verfassung war, legt jedenfalls nahe, dass er trotz seiner Erkrankung physisch zu den Morden fähig gewesen wäre.

In ihren Memoiren nannten die hochrangigen Polizeibeamten Macnaghten und Anderson beide als einen der Hauptverdächtigen im Ripper-Fall einen Juden, der in nächster Nähe zu den Opfern lebte und nach den Morden in eine Irrenanstalt eingewiesen wurde. Auch Major Arthur G.F. Griffiths schrieb in seiner Reihe "Mysteries of Police and Crime" 1898 von "a Polish Jew, a known lunatic who was at large in the district of Whitechapel at the time of the murders and who (...) was confined to an asylum" (das "polish" könnte eine Verwechslung gewesen sein).

Chief Inspektor Swanson schrieb persönliche Anmerkungen in sein Exemplar von Andersons Memoiren, die den grundsätzlichen Sachverhalt bestätigten. Allerdings fügte er noch hinzu, dass der Verdächtige in einem "Seaside Home" von einem Zeugen erkannt worden sei und es ihm auch bewusst gewesen sei, dass die Polizei ihn identifiziert habe. Danach habe man ihn vorübergehend zu seinem Bruder zurückgebracht, wo die Polizei ihn Tag und Nacht beobachtet habe, bevor er dann endgültig in eine Irrenanstalt gebracht worden sei, wo er schon bald verstorben sei.
Dies würde erklären, warum die Morde aufhörten.
Damit würde der von Ripperologen in den Akten von Colney Hatch gefundene gewalttätige Irre David Cohen als Verdächtiger ausfallen, denn nach bisherigen Erkenntnissen hatte er keine Verwandten. Eine weitere Diskrepanz: Die Zeugen beschrieben alle einen Mann mittleren Alters - David Cohen war damals aber erst 23 Jahre alt. Zudem wurde er bereits am 7. Dezember 1888 per Gerichtsbeschluss erst ins Whitechapel-Arbeiterkrankenhaus eingewiesen, und dann wegen seiner Unkontrollierbarkeit am 21. Dezember direkt weiter ins Irrenhaus Colney Hatch, wo er am 20. Oktober 1889 verstorben sein soll - die erste offiziell "Seaside Home" genannte Einrichtung wurde aber erst 1890 eröffnet. (Allerdings vermuten einige Ripperologen, dass "David Cohen" auch ein Alias wie "John Doe" gewesen sein könnte, da es noch andere Namens-Unklarheiten gibt.)
Jacob Levys Einlieferungsdatum in die öffentliche Anstalt passt jedenfalls zum Zeitpunkt der angeblichen Identifikation von JTR in einem "Seaside Home" (s.u.), welche von Ripperologen auf  Sommer 1890 angesetzt wird, da das Convalescent Police Seaside Home in Hove (bei Brighton) in diesem Jahr eröffnet wurde und in seinen Akten zwei Besucher ohne Namensnennung auftauchen.
Zwar wurde von Chief Inspektor Swanson als öffentliche Anstalt Colney Hatch ins Spiel gebracht, aber dies bezog er explizit auf Kosminski. Laut Researcher Steward Hicks soll Lady Anderson, die Ehefrau von Assistant Commissioner Robert Anderson, hingegen gesagt haben, der Ripper sei in einer Anstalt bei Stone gewesen.

Da Levy schon "seit längerem" an seiner Krankheit gelitten hatte, könnte er zuvor bereits in familiärer Betreuung und/oder einer privaten Einrichtung gewesen sein - so wie dies später von hochrangigen Polizisten über den Ripper-Verdächtigen erzählt wurde.
Die Polizei soll jedenfalls schon Ende 1888 alle privaten Sanatorien überprüft haben:
The Bristol Mercury, 29. Dezember 1888: "The Dublin Express London correspondent on Thursday gave as the latest police theory concerning the Whitechapel murderer, that he has fallen under the strong suspicion of his near relatives, who to avert a terribly family disgrace, may have placed him out of harm's way in safe keeping. As showing that there is a certain amount of credence attached to this story, detectives have recently visited all the registered private lunatic asylums, and made full inquiries as to the inmates recently admitted."

War Jacob Levy der Ripper, würde dies den Zeitraum von eineinhalb Jahren zwischen dem Kelly- Mord und seiner offiziellen Einweisung im August 1890 erklären.
Über Levy ist leider nur bekannt, dass er in Stone eingeliefert wurde, es gibt bisher keine Hinweise auf vorübergehende Unterbringungen woanders. Jedoch wäre es plausibel, dass sich zunächst seine Angehörigen um ihn kümmerten, bis sich sein Zustand so weit verschlechterte, dass er für sie nicht mehr zu bewältigen war, worauf sie ihn unter falschem Namen in ein privates Sanatorium steckten, bevor er von der Polizei entdeckt und identifiziert wurde.


Freitag, 13. Februar 1891: Mord an Frances Coles in Swallow Gardens
Coles traf gegen 1.45 Uhr in der Commercial Street auf ihre Bekannte, die Prostituierte Ellen Callagher. Sie liefen gemeinsam Richtung Minories und begegneten einen "brutalen Mann mit einer Baskenmütze", an den Callagher sich als einen früheren Kunden erinnerte. Sie will Coles gewarnt haben, dass der Mann ihr vor einiger Zeit ein blaues Auge geschlagen habe, und sie solle sich nicht mit ihm abgeben. Coles befolgte den Rat ihrer Freundin allerdings nicht und unterbreitete dem Mann ein Angebot, worauf die beiden ohne Callagher in Richtung Minories gingen.
Carmen Friday und die Brüder Knapton gingen kurz nach 2 Uhr morgens durch die Eisenbahn-Unterführung Swallow Gardens. Sie sahen eine Frau und einen Mann, die an der Ecke der Royal Mint Street standen. Gegen 2.15 Uhr dann entdeckte Police Constable Ernest Thompson auf seiner Runde unter der Eisenbahnbrücke die Prostituierte Frances Coles mit durchschnittener Kehle.
Die Justiz klagte später Coles gewalttätigen Freund Thomas Sadler an, der jedoch freigesprochen wurde, weil er ein Alibi hatte.
Verdächtigungen wie im Automn of Terror mit den Gerüchten um "Lether Apron" verbreiteten sich unter den Bewohnern des Eastends, laut Mundpropaganda sollte ein gewisser jüdischer Metzger namens "Jacobs" (!) der Mörder gewesen sein.
Benjamin Leeson schrieb in "Lost London: The Memoirs of an East End Detective" (1934):
"... a story circulated that the Ripper was a butcher, who wore blue overalls and a leather apron, and an English Jew named Jacobs, a perfectly harmless man, somehow attracted suspicion to himself. Possibly because, working in a slaughter house, he always wore a leather apron. People would point Jacobs out in the street as a suspected man, and more than once he had to run for it. I myself was often obliged to take him to the police station for protection. The thing so preyed on the poor fellow's mind that it finally caused him to lose his reason." 

Coles war zwar auch eine Prostituierte, der die Kehle aufgeschlitzt wurde, allerdings wurde sie nicht zuvor gewürgt, sondern einfach zu Boden gerissen, das Messer soll ebenfalls ein anderes gewesen sein - der obduzierende Dr. Phillips hielt jedenfalls JTR nicht für den Täter.
Interessant ist allerdings, dass in gewissen Teilen der Bevölkerung Gerüchte über einen Metzger namens "Jacobs" die Runde machten, was doch sehr nach "Jacob" klingt.
Könnte vielleicht in bestimmten Kreisen schon länger der Verdacht bestanden haben, dass der Metzger Jacob Levy möglicherweise der Ripper war? War hier etwas durchgesickert und kursierte nun unter Leuten, die nicht wußten, dass der echte Verdächtige bereits in einer Anstalt eingeschlossen war?

Interessanterweise gab Sarah Levy den Butcher Shop in der Middlesex Street genau in diesem Zeitraum auf: Im 1891er Census ist sie noch dort aufgeführt - aber der Brief der Anstaltsleitung vom 31. Juli 1891 über Jacobs Tod erreichte sie dort laut der Anstaltsakten schon nicht mehr:
„Note 31st July 1891 informing her that her husband died at the Asylum on the 29th July 1891.
F. W. Crane - With envelope addressed to Mrs Sarah Levy 36 Middlesex Street Aldgate E, marked Gone Away.
August 4th 1891 re Jacob Levy deceased: Sir, I saw the widow Mrs. Levy yesterday she is staying with her sister in law Mrs Barnett, 87 Middlesex St. she was aware of the death. J A Chapman to F. W. Crane, Clerk.“
 

29. Juli 1891: Jacob Levys Tod
Levy stirbt an den Folgen der Syphilis in der Nervenheilanstalt Stone in Kent.
In den Akten steht als Todesursache: "General paralysis of the insane brought on by the serious sexually transmitted disease syphilis".

Macnaghten und Swanson bezeichneten den Verdächtigen in der Anstalt in ihren Aufzeichnungen zwar als "Kosminski", jedoch enthalten die Erinnerungen der Polizisten nachgewiesenermaßen einige Ungenauigkeiten, so dass sie sich mit dem Namen geirrt haben könnten, denn der in medizinischen Akten gefundene Aaron Kosminski war damals erst 23 Jahre alt und starb erst 1919 in der Anstalt, nicht schon bald nach der Einweisung, so wie Swanson glaubte.
Zudem schrieb Robert Sagar von der City-Police von einem Metzger, der observiert worden war, und Kosminski soll vor seinem Wahnsinn Haarschneider gewesen sein.
Der nie an den Ermittlungen beteiligte Mcnaghten schrieb sein internes Memorandum 1894 und veröffentlichte seine Memoiren "Days of My Years" erst 1914 - Jahre nach den Ripper-Morden. Robert Anderson veröffentlichte seine Memoiren "The Lighter Side of My Official Life", in die Swanson seine privaten Anmerkungen machte, erst 1910.
Vermutlich wurden einfach die Namen von ein paar verdächtigen Anstaltsinsassen durcheinander geworfen - oder "Kosminski" war einfach nur ein Codename, denn sowohl Macnaghten als auch Swanson verwendeten ihn beide ohne Nennung eines Vornamens.

Interessanterweise hatte Jacob Levys unmittelbarer Nachbar, der Butcher Hyman Sampson (den Jacob 1886 bestohlen hatte), seit 1881 einen angestellten Metzger namens Aaron Krotoski. Aaron Krotoski - Aaron Kosminski: zwei für Engländer ungewöhnliche Namen, die ähnlich klingen, könnte da etwas in den Erinnerungen unserer Polizisten durcheinander geraten sein? Zwei jüdische Verdächtige, die kurz nacheinander im Irrenhaus landeten, der eine war ein Butcher, dem ein Aaron Krotoski nachfolgte, der andere hieß Aaron Kosminski.
Krotoski heiratete jedenfalls Sampsons Tochter und betrieb schließlich nach Sampsons Tod im April 1887 den Butcher Shop weiter. Als Sarah Levy schließlich zwischen Ende 1890 und August 1891 ihren Butcher Shop aufgab, mit der Familie schließlich in die New Street 7 umzog und ihren Lebensunterhalt fortan als "Street seller of dress material" bestritt (Census 1901), war Aaron Krotoskis Metzgerei die einzige an der Ecke Stoney Lane.
In dieser Zeit wurden in den Straßen des Viertels übrigens viele Gebäude mit neuen Hausnummern versehen, um einige historisch gewachsene Unklarheiten in den Postadressen zu korrigieren, so dass z.B. aus der ehemaligen Middlesex Street 36 die Nr. 69 und aus der Nr. 35 die 67 wurde - dies dürfte in der Übergangsphase zu einigen Verwirrungen geführt haben, und auch zu einigen bleibenden Unstimmigkeiten in den Akten.

Zudem hatte Aaron Kosminski einen Schwager namens Jacob Cohen, der Metzger war, und seine Familie hatte einen Butcher Aaron Jacobs als Nachbarn in der Greenfield Street 6. Bedenkt man noch, dass nach dem Mord an Frances Coles im Februar 1891 im East End ein Gerücht die Runde machte, der Mörder sei ein jüdischer Butcher namens "Jacobs", zeigen sich hier mehrere Ansatzpunkte für eine Verwechslung. Zumal Aaron im Dezember 1889 vor einer behördlichen Anhörung (er sollte ein Bußgeld bezahlen, weil er einen Hund ohne Maulkorb mit sich geführt hatte) aussagte, dass er manchmal unter anderen Namen unterwegs sei, und dass der Hund einem "Jacobs" gehöre: "I goes by the name of Abrahams sometimes, because Kosminski is hard to spell… I cannot pay, the dog belongs to Jacobs, it is not mine…"
Wenn Aaron öfter andere Namen als Alias benutzte, könnte dies die Ermittlungen der Polizei behindert und zu manchen der bekannten Unstimmigkeiten geführt haben.

Macnaghten schrieb sein Memorandum 1894 und war an den Ermittlungen im Ripper-Fall nicht beteiligt, er hatte seine Informationen also von seinen Kollegen, wahrscheinlich von Anderson und/oder Swanson, und die wiederum hatten sie vermutlich von den Kollegen der City Police, denn die Butcher's Row Observationen hatte ja die City Police betrieben. Da die Polizei nach dem Double Event die Metzgereien und Schlachtereien im Viertel überprüft hatte und alle Personen, die in den letzten sechs Monaten dort beschäftigt waren, stand auch Aaron Krotoski mit Sicherheit auf ihren Listen. Den Shop der Levys gab es nicht mehr, dort oben an der Ecke Stoney Lane war jetzt nur noch der Laden eines Aaron Krotoski. Ebenfalls auf ihren Listen befanden sich die Butcher Aaron Jacobs und vermutlich auch Jacob Cohen.
Der eine heißt Aaron Kosminski, hat Familienangehörige namens Abrahams und Metzger-Verwandschaft namens Jacob und einen Metzger-Nachbarn namens Aaron Jacobs.
Der andere ist Metzger, heißt Jacob, hat eine Frau geborene Abrahams und einen Metzger-Nachbarn namens Aaron Krotoski. Könnte es bei Swanson und Macnaghten daher vielleicht zu einer Verwechslung bzw. Vermischung von Kosminski mit Levy gekommen sein?
Immerhin glaubte Swanson ja auch, der Verdächtige sei nicht lange nach seiner Einweisung verstorben, aber Kosminski lebte noch bis 1919, während Levy schon 1891 in der Anstalt starb. Dies deutet darauf hin, dass zwei Verdächtige verwechselt wurden. 
Oder bei "Kosminski" handelte es sich um einen Decknamen, einen Codenamen, den die Polizei intern für einen Verdächtigen benutzt hatte - denn es fällt auf, dass sowohl Macnaghten als auch Swanson ihn ohne Vornamen verwendeten.

Eine andere plausible Erklärung der Namens-Irritationen könnte im Verhalten der Verwandten des mutmaßlichen Mörders liegen: Wenn er von den Angehörigen zuerst in eine private Anstalt gesteckt wurde, als sie seinem Irrsinn und seiner Gefährlichkeit nicht mehr Herr wurden, wäre es gut nachvollziehbar, dass sie ihn unter einer falschen Identität irgendwo eingewiesen hatten, um ihn und die Familie zu schützen.
Das wäre dann so lange gut gegangen, bis es zur Überprüfung aller neuen Anstalts-Einlieferungen durch die Polizei und der erwähnten Gegenüberstellung mit Identifizierung im "Seaside Home" gekommen war. Die spätere endgültige Einweisung in ein staatliches Institut wäre dann zwar unter dem richtigen Namen erfolgt, aber die Namensverwirrung könnte immer noch in Polizeikreisen und -Berichten präsent gewesen sein und so zu den Irrtümern geführt haben.

Robert Anderson jedenfalls schrieb in seinen Memoiren: "Die einzige Person, die jemals einen guten Blick auf den Mörder werfen konnte, identifizierte ihn, aber als er erfuhr, dass der Tatverdächtige ein Glaubensbruder war, weigerte er sich, gegen ihn auszusagen."
Swanson bestätigte in seinen privaten Anmerkungen diesen Aspekt.
Bei diesem Zeugen könnte es sich somit um entweder um Joseph Hyam Levy, Joseph Lawende (beide Fall Eddowes) oder Israel Schwartz (Fall Stride) gehandelt haben. Da Macnaghten schrieb, dass der Verdächtige der Beschreibung jener Person entsprach, die am Mitre Square gesehen wurde, dürfte der Zeuge tatsächlich entweder Joseph Hyam Levy oder Lawende gewesen sein. Joseph Hyam Levy machte bei der Befragung kaum Angaben zum Verdächtigen und gab sich verschlossen, vermittelte aber den Eindruck, als wisse er mehr als er sagen wollte, während Lavende zunächst eine detaillierte Beschreibung abgab. Lawende war ein Handelsreisender aus Dalston, kein Bewohner Whitechapels, und dürfte JTR nicht gekannt haben, so dass er vermutlich bedenkenlos eine erste Aussage machte, zumal er den Mann anfangs nicht für einen einheimischen Juden, sondern für einen Seemann gehalten hatte.
Eine Erklärung für den Rückzieher des Zeugen könnte somit sein, dass Joseph Lawende schließlich von seinem Begleiter Joseph Hyam Levy bearbeitet worden war, nicht gegen den Glaubensbruder auszusagen, um ein Pogrom gegen die jüdische Gemeinde zu verhindern.
Dass die Polizei tatsächlich die konkrete Möglichkeit sah, über die Zeugen Lawende und Joseph Hyam Levy den Ripper zu überführen, belegt auch die Vorgehsweise bei der öffentlichen Coroner-Untersuchung zu Eddowes Tod, bei der Lawende verboten wurde, den Verdächtigen vor dem Publikum genauer zu beschreiben (s.o.).


1892: Ermittlungs-Ende
Die Akte Jack the Ripper wird von der Polizei nicht weiter geführt.

Dies würde zeitlich besser zu Jacob Levy passen als zu dem in den Memoiren erwähnten Kosminski, da Aaron Kosminski erst lange nach seiner Einweisung und seiner Verlegung nach Leavesden im Jahr 1919 starb. Auch der von Ripperologen in den Akten der Colney Hatch Nervenheilanstalt gefundene mögliche Verdächtige Hyam Hyams starb erst am 22. März 1913.
Im Mai 1895 schrieb die Pall Mall Gazette: "Mr. Swanson believed the crimes to have been the work of a man who is now dead."



Fazit

Die Theorie, dass JTR ein jüdischer Metzger war, der im Irrenhaus starb, erklärt den ansonsten merkwürdigen Schluss im Ripper-Fall: Nach dem Ende der Mordserie laufen die Ermittlungen angeblich ergebnislos aus, die Akte wird geschlossen - aber Jahre später erklären hochrangige Polizisten in ihren Memoiren oder Zeitungsartikeln, der Ripper wäre eigentlich identifiziert worden.

Nach dem Mord an Mary Ann Nichols verdichteten sich im Eastend schnell Gerüchte, dass die Morde von einem Juden mit dem Spitznamen "Leather Apron" verübt worden sein sollten, was so auch in den Zeitungen verbreitet wurde und schon zu ersten antisemitischen Aufwallungen und Kundgebungen führte.
Superintendent Thomas Arnold ordnete daher nach dem Double Event mit Erlaubnis von Polizeichef Charles Warren an, das Goulston Street Graffiti auf der Stelle zu entfernen, explizit aus dem Grund, um mögliche Pogrome gegen Juden zu verhindern. In seinem Bericht vom 9. November 1888 schreibt Arnold:
"Ich bitte darum berichten zu dürfen, dass am Morgen des 30. September, dem Letzten, meine Aufmerksamkeit auf eine Aufschrift an der Wand des Eingangs zu Behausungen in der Goulston Street 108, Whitechapel gerichtet wurde, welche aus folgenden Worten bestand: 'Die Juwes sind [nicht] die Menschen, die nicht grundlos beschuldigt werden'. Ich wusste, dass aufgrund der Verdächtigung eines Juden namens John Pizer, genannt ‚Leather Apron‘, der beschuldigt wurde, den kürzlich in der Hanbury Street verübten Mord begangen zu haben, ein starkes Gefühl gegen die Juden im Allgemeinen aufkam. Da das Gebäude, auf dem sich die Aufschrift befand, mitten in der Lokalität liegt, die hauptsächlich von dieser Religionsgemeinschaft bewohnt wird, war ich besorgt darüber, dass wenn die Aufschrift verbleibt, diese für einen Aufstand verantwortlich sein könnte. Daher habe ich erwogen, dass es wünschenswert sei, sie aufgrund der Tatsache zu entfernen, dass sie sich an einer Stelle befand, die gut von den Menschen einsehbar war, die dort hinein- und hinausgehen."

Falls man den Ripper tatsächlich durch einen Zeugen als verrückt gewordenen jüdischen Metzger identifizierte, hätte die Bekanntgabe demnach zu schrecklichen Übergriffen bis hin zum Pogrom gegen die jüdische Gemeinde in Whitechapel im Allgemeinen und seine Familie im Besonderen führen können. Denn an die Eröffnung eines Prozesses wäre schon wegen des Gesundheitszustands des Tatverdächtigen nicht zu denken gewesen. Und selbst wenn: Ob die dünnen Beweismittel für eine Verurteilung ausreichend gewesen wären, darf bezweifelt werden - ein Freispruch aus Mangel an Beweisen wäre aber verheerend gewesen.
Wegen der sowieso schon explosiven sozialen Lage, einem weitverbreiteten Antisemitismus und der aufgestauten Wut durch den Ripper-Terror wäre wohl zu erwarten gewesen, dass viele Menschen dann ihre Aggressionen an Sündenböcken ausgelassen hätten.
Die Behörden könnten daher zu dem Schluss gekommen sein, es sei angesichts der explosiven Situation im Eastend sicherer, den todkranken Irren stillschweigend in einer Anstalt verrotten zu lassen und lieber weiter zähneknirschend vor der Öffentlichkeit wie Versager in diesem Fall dazustehen, als eine Katastrophe im Viertel zu riskieren.



Geographisches Profil von Jacob Levy:   
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 16.06.2019 14:38 Uhr
Hallo Arthur, danke!

Ich hatte mir vor ein paar Jahren Listen der Middlesex Street zusammengestellt. Diese Info stammte aus den Post Office Directorys von 1882 von 1891, jedenfalls hatte ich das als Quellenangabe unter die Listen gestellt.

Dieser Moss Levy hatte sein Geschäft am Südende der Middlesex Street bei der Einmündung an der Butcher's Row - nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Butcher Moss Levy am Nordende, 134 Middlesex Street.

Ich habe nun auch den Confectioner Moses Levy 4 Middlesex Street im 1882 Post Office wiedergefunden. Auch den Butcher Moses Levy 134 Middlesex Street fand ich dort.  Im 1891 PO hab ich jetzt nichts aber mir fehlt auch die Zeit für mehr Gründlichkeit (auch zum Lesen deiner Aktualisierung), muss also nichts bedeuten.

Ich fragte deshalb nach, weil Scott gestern noch einmal schrieb.

Er ist sich nicht sicher ob der Tailor Joseph Levy mit dem Butcher Joseph Hyam Levy verwandt war. Es könnte jedoch sein, dass der Vater des Tailors, Moss Levy, ein Cowkeeper war und somit eine gewisse Beziehung zum Metzgergeschäft hatte. Vielleicht war er sogar mit Joseph Hyam Levy und Jacob Levy verwandt. Es gab ja auch den Cowkeeper Bolam, der in der Nähe von Moss Levy lebte (und von Joseph Hyam Levy).

Im PO 1882 gab es dort tatsächlich einen Butcher Moss Levy (also nicht Moses Levy geschrieben), 40 New Street, Houndsditch. Das war natürlich die Ecke Hutchinson Street (J.H. Levy) und George Bolam, Middlesex Street (die sich damals ändernden Nummerierungen sollten keine große Rolle spielen).

Ich hänge das mal aus dem PO 1882 mit dran. Man kann natürlich dabei schnell die Moss/Moses Levy verwechseln. Das könnte Scott damals passiert sein, sodass er nicht von Moses Levy 4 Middlesex Street sprach sondern von Moss Levy, “off“ Middlesex Street. 1882 war Moss Levy allerdings Butcher, nicht Cowkeeper. Ich weiß nicht, welche Quellen und POs Scott nutzte. Ein paar Jahre dazwischen kann einiges ändern. Man muss beachten, dass bei der Vielzahl der Daten auch Fehler auftreten. Außerdem muss sich Scott auch erst einmal wieder reinfinden.

Mehr kann ich jetzt auch nicht tun. Möglicherweise ist es völlig irrelevant.

Adrian Monk. 
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 16.06.2019 17:47 Uhr
Hallo Lestrade!

Zitat
Ich habe nun auch den Confectioner Moses Levy 4 Middlesex Street im 1882 Post Office wiedergefunden. Auch den Butcher Moses Levy 134 Middlesex Street fand ich dort.  Im 1891 PO hab ich jetzt nichts aber mir fehlt auch die Zeit für mehr Gründlichkeit (auch zum Lesen deiner Aktualisierung), muss also nichts bedeuten.

Hab mir die Listen nochmal angesehen, und da ist mir eingefallen, dass ich damals versucht habe bestimmte Lücken zu füllen, indem ich auch auf das Business Directory und andere Quellen wie Casebook-Artikel zurückgegriffen hatte, und ich glaube auch du hattest mir dankenswerterweise zur Vervollständigung noch ein paar Namen beigesteuert (oder war das für die Butcher's Row oder die Greenfield Street?).
Am Ende hatte ich dann zwei Listen von der Middlesex Street: Die eine für Anfang der 1880er Jahre und eine für Anfang der 1890er, um zu vergleichen, wer die ganze Zeit über dort lebte und was sich geändert hatte.

Unser confectioner Moss Levy und sein Sohn Joseph sind jedenfalls mit den Glucksteins verbandelt, wie Scott Nelson im "Butcher's Row Suspect" schrieb:

"Another daughter (of Henry Gluckstein, son of Samuel Gluckstein), Hannah, married the tailor, Joseph Levy in 1887, who occupied the premises at 79 Aldgate High Street (or 1 Minories according to the census). Joseph was the son of a Moss G Levy, who lived at 4 Middlesex Street. In 1886, Solomon Joseph Britton was sharing the premises at 1 Minories with Levy as a manufacturer’s agent. Britton left the following year, 1887, to return to his family’s business at 13 Houndsditch. From 1888 to 1889, Britton served as the Secretary of the Imperial Club in Duke Street."
https://www.casebook.org/dissertations/rip-butchersrow.html

Interessant auch, dass Joseph Levys Partner Britton 1888 als Secretary of the Imperial Club in der Duke Street tätig war - wie klein das East End doch trotz allem war!


MfG, Dirk Gently
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 16.06.2019 18:19 Uhr
Noch eine Anmerkung:

Laut Scott Nelson heiratete Amelia Levy, Schwester von Tailor Joseph Levy und Tochter des Butchers Moses Levy, 4 Middlesex Street, angeblich den Solomon Abrahams aus dem Abrahams / Gluckstein Clan der Butcher‘s Row:

„As mentioned, John Abraham’s son, Abraham, married Julia Gluckstein. They had three sons, Lawrence (who married Bertha Gluckstein), Isaac, and Solomon. Isaac, who was a cigar manufacturer, married a Jane Levy. By the 1890s, they lived at 212 Whitechapel Road. They had two sons, Phillip and Lawrence. (...) The other of the Abrahams’ sons, Solomon, married an Amelia Levy. Solomon and Amelia lived at 19 Great Prescott Street until her death in 1889, aged 30. Amelia was the daughter of Moss Levy, whose son, the tailor Joseph, was married into the Gluckstein family.“

Allerdings waren wir bei der Recherche zu den Abrahams ja leider zu dem Ergebnis gekommen, dass Scott Nelson da offensichtlich mit den vielen Abrahams etwas durcheinander geraten war – daher weiß ich bisher noch nicht, ob das wirklich stimmt oder auf dem Fehler von Nelson beruht.


MfG, Buckaroo Banzai
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 16.06.2019 18:29 Uhr
Hallo again!

Hab mir die Listen nochmal angesehen, und da ist mir eingefallen, dass ich damals versucht habe bestimmte Lücken zu füllen, indem ich auch auf das Business Directory und andere Quellen wie Casebook-Artikel zurückgegriffen hatte, und ich glaube auch du hattest mir dankenswerterweise zur Vervollständigung noch ein paar Namen beigesteuert (oder war das für die Butcher's Row oder die Greenfield Street?).
Am Ende hatte ich dann zwei Listen von der Middlesex Street: Die eine für Anfang der 1880er Jahre und eine für Anfang der 1890er, um zu vergleichen, wer die ganze Zeit über dort lebte und was sich geändert hatte.

So muss das gewesen sein! Ich habe noch eine Liste der Middlesex Street 1891 PO gefunden. Keiner der Levys steht darauf. Meines Erachtens habe ich auch andere Levys im PO damals durchforstet aber keine passenden gefunden. Geschäftsadressen könnten sich ja geändert haben. Andere Gründe, wie Geschäftsaufgabe o.ä. spielen vielleicht auch eine Rolle. Es wäre ja möglich, dass ein Moss Levy seine Tätigkeit als Butcher in Cowkeeper geändert hat und danach eben irgendwie mit/bei Bolam gearbeitet hat.

Unser confectioner Moss Levy und sein Sohn Joseph sind jedenfalls mit den Glucksteins verbandelt, wie Scott Nelson im "Butcher's Row Suspect" schrieb:

"Another daughter (of Henry Gluckstein, son of Samuel Gluckstein), Hannah, married the tailor, Joseph Levy in 1887, who occupied the premises at 79 Aldgate High Street (or 1 Minories according to the census). Joseph was the son of a Moss G Levy, who lived at 4 Middlesex Street. In 1886, Solomon Joseph Britton was sharing the premises at 1 Minories with Levy as a manufacturer’s agent. Britton left the following year, 1887, to return to his family’s business at 13 Houndsditch. From 1888 to 1889, Britton served as the Secretary of the Imperial Club in Duke Street."
https://www.casebook.org/dissertations/rip-butchersrow.html

Vor Jahren hatte ich mich, ich bin mir sicher, mit Scott wegen den Gluckstein/ Abrahams ausgetauscht. Damals hatte ich noch allerhand Zugang zu bestimmten Daten und da fiel mir auf, dass fast nahezu zwei identische Gluckstein/ Abrahams Familien (auch in den Namen) dort damals existierten. Später fand ich Berichte, dass dies jemanden schon viel, viel früher aufgefallen war. Das ist natürlich eine Angelegenheit, wo es schwer fällt durchzusehen, alles scheint möglich, fast tragisch. Nichtsdestotrotz ist es ja möglich (ich halte es für wahrscheinlich), dass trotzdem jeder irgendwie mit jedem zu tun hatte. Ein kleiner Fehler, eine kleine Inkorrektheit, hauen nichts um. 

Unterm Strich: Momentan kann ich auch nicht mit Exaktheit und wirklicher Nachverfolgung dienen, wäre zu viel im Augenblick.

Ich habe Scott auf diese Levy´s hingewiesen, vielleicht findet er tatsächlich noch etwas zu Joseph Levy und seinem Vater.

Gunvald Larsson.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 16.06.2019 18:33 Uhr
Allerdings waren wir bei der Recherche zu den Abrahams ja leider zu dem Ergebnis gekommen, dass Scott Nelson da offensichtlich mit den vielen Abrahams etwas durcheinander geraten war – daher weiß ich bisher noch nicht, ob das wirklich stimmt oder auf dem Fehler von Nelson beruht.

Das fiel Dir dann ein paar Augenblicke früher wieder ein! Siehe Post zuvor.

Ja, man müsste das alles noch einmal nachprüfen. Ein äußerst schwieriges Unterfangen. Ein Millimeter nach rechts oder links und das Ergebnis wird verfälscht. 
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 17.06.2019 08:21 Uhr
Hallo Lestrade!

Nur der Vollständigkeit halber: Ich habe in dem großen Dateien-Haufen, der meinen JTR-Ordner füllt, doch tatsächlich einen Scan aus dem PO 1882 mit der Seite Middlesex Street gefunden - den muss ich damals gemacht haben, als ich die Listen von der Middlesex Street angelegt habe.


Außerdem muss ich noch was zu meinem Beitrag von 18.19 Uhr korrigieren:

Zitat
Noch eine Anmerkung:

Laut Scott Nelson heiratete Amelia Levy, Schwester von Tailor Joseph Levy und Tochter des Butchers Moses Levy, 4 Middlesex Street, angeblich den Solomon Abrahams aus dem Abrahams / Gluckstein Clan der Butcher‘s Row:

Wegen der ganzen Moses Levys hatte ich doch tatsächlich unseren confectioner Moses Levy zum "butcher" umgeschult - ein ärgerlicher Flüchtigkeitsfehler, der aber schön zeigt, wie schnell einem solche Verwechslungen unterlaufen können - und schon stimmen die Personendaten nicht mehr... Ich bitte um Verzeihung. :-(


MfG, Arthur Dent


Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 04.07.2019 10:33 Uhr
Hallo zusammen!


Einen interessanten Aspekt im Zusammenhang mit dem Mord an Eddowes und der Zeugenaussage von Joseph Hyam Levy hatte ich in meiner Zusammenfassung zu Jacob Levy bisher eher stiefmüttlerlich behandelt:


Es geht um die Aussage des Wachmanns James Blenkingsop auf dem St. James Place (Orange Market).

Der Star schrieb am 1. Oktober 1888:
James Blenkingsop, who was on duty as a watchman in St. James's-place (leading to the square), where some street improvements are taking place, states that about half-past one a respectably-dressed man came up to him and said, "Have you seen a man and a woman go through here?" "I didn't take any notice," returned Blenkingsop. "I have seen some people pass."

Unter Ripperologen gab es bereits Überlegungen, ob der respektabel gekleidete Mann, der Blenkingsop nach einem Pärchen fragte, nicht vielleicht Joseph Hyam Levy gewesen sein könnte.

Denn Levy hinterlässt mit seinen kryptischen Äußerungen zu dem Pärchen im Eingang der Church Passage den Eindruck, dass er mehr wusste, als er sagen wollte.
Er sagte zu seinen Begleitern Lawende und Harris: Wenn man solche Gestalten sieht, möchte man nicht gern alleine nach Hause gehen, und man solle den Square beobachten.
Beim Inquest wurde er daher gefragt: "What was there terrible in their appearance?" - Antwort: "I did not say that." - Frage: "Your fear was rather about yourself?"- Levys kryptische Antwort: "Not exactly."
Angesichts der Tatsache, wie Levy beim Inquest versuchte, sich um eine klare Aussage über die Bedeutung seiner Bemerkung zu drücken, steht der berechtigte Verdacht im Raum, dass er sich tatsächlich weniger Gedanken um seine Sicherheit machte, als um die Situation, die er sah.

Wenn Joseph Hyam Levy den Mann als seinen Cousin Jacob Levy erkannte, der da mit Eddowes stand, und er sich deshalb Sorgen machte, dann wäre es möglich, dass Joseph auch der Mann war, der nach seinem Abschied von Lawende und Harris schließlich bei Blenkingsop auftauchte und ihn nach dem Pärchen fragte.
Ich meine damit nicht, dass Joseph bereits einen Verdacht hatte, sein Cousin könne JtR sein. Er könnte sich einfach verpflichtet gefühlt haben nachzusehen, was der verheiratete Jacob mitten in der Nacht da treibt, weil er schon seit einiger Zeit ein Sorgenkind der Familie war.

Lawende wohnte westlich des Imperial Club in der Fenchurch Street, Harris wohnte östlich des Clubs in der Castle Street, für beide führte der plausibelste Heimweg erst die Duke Street nach Süden in die Aldgate High Street, wo sie sich dann trennten, um auf der Hauptverkehrsachse nach Hause zu gehen.
Ein möglicher Heimweg von Joseph Hyam Levy führt jedoch nördlich über die Little Duke Street zur Houndsditch, dann zur Gravel Lane, durch die New Street und schließlich nach Süden in die Hutchinson Street.

Joseph könnte sich also schon gleich am Ausgang des Imperial Club von seinen Begleitern getrennt und sich nach Norden gewandt haben, um dann anstatt direkt nach Hause zu gehen, den Orange Market betreten haben, um zu versuchen, das Pärchen, das in der Church Passage verschwand, auf dem St. James Place abzufangen.
Als sie ihm dort nicht aus der St. James Passage entgegen kamen, fragte er Blenkinsop. Aber weil der antwortete, er habe nicht darauf geachtet, weil einige Leute den Durchgang passiert hätten, brach er die Suche ab. Vermutlich sah er keine große Chance, das Pärchen in den Gassen wiederzufinden und war nun auch beruhigt, weil Blenkinsop ihm gesagt hatte, dass noch einige Leute in den Gassen unterwegs waren und das Pärchen damit nicht alleine sein würde.


MfG, Arthur Dent



Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 10.07.2019 20:54 Uhr
Ein Hallo an alle!

Mal abgesehen vom zweifelslos “guten Verdächtigen“ Jacob Levy, kann man sich auch immer wieder einmal fragen, ob Lawende, Levy und Harris überhaupt Eddowes mit dem Ripper sahen. Ich muss Lawende´s Sicht hier nicht wiederholen. Er war selber sehr skeptisch, gerade durch die schlechten Lichtverhältnisse am Eingang Church Passage und Levy sah es ähnlich. Nach dem Mord am Mitre Square kam es dort deshalb auch zu Verbesserungen. Das sehen wir bestätigt durch den PC near Mitre Square, der sich ebenfalls einer schlecht beleuchtenden Szenerie gegenübersah. Der Zeuge Levy ist ja nicht nur einseitig zu betrachten, weil Jacob Levy sein Cousin war, sondern auch, weil er mit einem Martin Kozminski irgendwie verbandelt war. Joseph Levy war natürlich auch familiär mit dem Mitre Square und der nahen Umgebung und noch weiter verbunden, er selber wurde nach dem Double Event als Butcher, genauso wie sein Cousin Jacob Levy mit dem gleichen Beruf, von der Polizei unter die Lupe genommen. Sicherlich führte dieser Umstand auch zur Verunsicherung bei ihm in den Wochen danach. Das ist verständlich, wenn man Zeuge in einem Verbrechen wird, wo der mutmaßliche Täter als verrückter Schlachter von vielen gesehen und auch noch als jüdisch angesehen wird. Auf gewisse Weise, könnte Joseph Hyam Levy eine schon recht tragische Figur in der ganzen Geschichte gewesen sein. Doch es bleibt die Frage, was haben diese drei Zeugen nun wirklich gesehen?

Wir wissen, dass der PC near Mitre Square einen Mann sah, der einem Verdächtigen, Kosminski, stark ähnelte. Wann hat er ihn gesehen? Swanson hatte in einem Bericht an das Innenministerium eine Notiz gemacht (die er wieder durchstrich), die besagte, dass die Frau (Eddowes) bereits um 1.35 Uhr tot war und es so unmöglich war, dass die drei Zeugen das Opfer um diese Zeit gesehen haben können. Ich denke, dass dies mit der Beobachtung des Polizeizeugen zu tun hat. Insgesamt erscheint es mir (ich schwanke), dass dieser Officer on duty ein MET Beamter war, der sich auf dem Gebiet der City Police befand. Ich vermute, dass dieser Polizist sich sicherer als Lawende war, dass er die Frau, die er zuvor mit Kosminski gesehen hatte, Eddowes gewesen sein muss. Persönlich glaube ich jedoch nicht, dass dieser Beamte sich zu einhundert Prozent sicher war. Bestätigt könnte sich die Glaubhaftigkeit dann gehabt haben, als der Seaside Home Zeuge Kosminski “einwandfrei“ identifizierte. Den Schilderungen von Swanson zu Folge, war es umgekehrt wohl genauso.

Ich sage immer bei 100 Leuten, mit 100 Theorien und 100 Verdächtigen, wird im besten Falle einer richtig liegen. Wir alle können nicht anders handeln, weil viele Unterlagen verlorengingen bzw. im Krieg vernichtet wurden. Ich glaube fest, dass wir alle überrascht wären, wenn uns diese Quellen zur Verfügung ständen, wie es denn nun wirklich alles ablief und das würde einen sehr veränderten Blick auf das werfen, wie wir es gewohnt sind zu sehen. Dazu gehört sicherlich auch die Szenerie Berner Street in derselben Nacht. 

Ein Zeitfenster gab es auch am Mitre Square für ein zweites Pärchen neben dem welches die drei Zeugen sahen. Nur ein einziger Zeuge (beispielsweise PC Watkins) muss sich um Minuten geirrt haben, um dieses zu öffnen. Eine Minute oder 30 Sekunden könnten in der Abfolge der Ereignisse eine große Rolle gespielt haben. Liest man alle Geschichten um den PC near Mitre Square, könnte auch er (oder Kollegen) Eddowes´ Leiche noch vor PC Watkins entdeckt haben und, der Situation erforderlich, sofort die Verfolgung aufgenommen haben (siehe auch Blenkinskop Aussagen). Sicherlich waren sich einer solchen möglichen Abfolge die City Police als auch die MET gemeinsam wahr, hatten jeweils die Kenntnisse des anderen. Die Zeitangaben könnten allgemein bei beiden zu Unsicherheiten geführt haben, ob Lawende und Co. nun das gleiche sahen, wie der PC. Vielleicht gab es darüber nie wirklich Klarheit. Konnte Lawende Kosminski nicht identifizieren (siehe Major Smith/ City Police), hätte oder hat das wenig bedeutet, denn Lawende war sich eh nicht sicher dabei hilfreich sein zu können. Anderson sagte: “die einzige Person, die jemals einen guten Blick auf den Mörder hatte“ und der (einer) mit dem weniger guten Blick könnte eben der PC am Mitre Square gewesen sein. Macaghten gab an, dass nie jemand den Mörder sah (abgesehen vom PC). Entweder hatte er keine Information bezüglich des Seaside Home oder er verstand es als eine weitere, negative ID. So kann man mutmaßen, dass es auch in der Berner Street keinen geeigneten Zeugen gab, jedenfalls nicht um den Todeszeitpunkt von Stride herum. Dies alles ließe darauf schließen, dass weder Schwartz noch Lawende die Seaside Home Zeugen waren sondern jemand anderes. Die Frage wer es gewesen sein könnte, kann ich natürlich nicht beantworten. In meiner Art der Wahrnehmung von allem, würde ich sagen, er stammt vom letzten Tatort, dem Millers Court. Aber das ist nur etwas daher Gesagtes…

Mir geht es bei allem nicht um richtig oder falsch etc. Zweifelsfrei geht es in meiner Betrachtung um Kosminski, der in Verbindung mit dem Mitre Square gebracht wird, eben durch einen Officer und wohlmöglich noch mit einem zweiten Tatort. Das dieser Mann sicherlich als besonders tatverdächtig angesehen wurde (Anderson, Swanson, Macnaghten, wer weiß, vielleicht sogar durch Cox und/oder Sagar), dürfte außer Frage stehen. Aber nach all den vielen Jahren, in denen ich mich mit diesem Fall beschäftigt habe, entstand jetzt nach und nach der Eindruck, dass bestimmte Szenerien, die wir so annehmen müssen, wie sie sind, möglicherweise in ihrer Gesamtheit ganz anders aussahen. Und das sollte uns auch nicht verwundern. Es sollte auch nicht verwundern, dass hierbei die Konstellation Jacob Levy/ Joseph Haym Levy so, und berechtigterweise, in den Fokus gerückt ist. Vielleicht sind solche Dinge einer derartigen Mordserie sogar eigen. Das Pärchen, welches auch Joseph Hyam Levy sah, muss nicht zu einhundert Prozent Eddowes und ihr Mörder gewesen sein, was wiederum nicht ausschließt, dass Hyam Levy seinen Cousin mit eine Frau sah als Eddowes bereits ermordet im Mitre Square lag.

Aber vielleicht ist das alles bedeutungslos was ich hier anmerke. Wir alle kennen die Geschichte vom MET Sergeant Stephen White, der behauptete, er war jener Polizist der den Ripper sah. Es erinnert ein wenig an das, was PC Langham von der City Police berichtete, etwas ganz neues, einen Artikel, der erst kürzlich erschien. Ich glaube, es war eine amerikanische Zeitung, die White als den Mann ansahen, der Anderson auf die Spur des Rippers brachte. White´s Beschreibung ist sicherlich zu detailliert um von schlechten Licht zu sprechen aber dieser Mitre Square Polizeizeuge sah seinen Verdächtigen ja einige Zeit später erneut. Da wird er einen genaueren Blick auf den Mann gehabt haben und nicht nur auf Größe und Körperbau geschaut haben. White gehörte auch zu den Beamten, die den Zeugen Packer in der Berner Street befragten und auch erneut befragen mussten. Packer bleibt sicherlich ein eigenartiger Zeuge aber er wollte eben auch das am Ende gesehen haben, was er eben gesehen haben will. Nach dem Double Event gab es den Bericht, ein “Watchboy“ habe Eddowes mit einem Mann, Aldgate Station beginnend, zum Mitre Square laufen gesehen und den Mann alleine zurückkommend bemerkt. So gesehen passt das zu White, wenn er von der Polizeistation Leman Street zum Mitre Square gegangen wäre. Aldgate Station ist auf dem Weg dorthin. White traf zwei Kollegen, die sich an einem Tatort versteckt befanden. Er sah einen Mann allein durch eine schmale Gasse (Church Passage?) kommen und sofort darauf fand einer der Kollegen eine Leiche (Eddowes?). Danach ging es sofort auf die Verfolgung. Nun kann vieles in diesem Moment passiert sein. Er/sie hörten die Rufe von PC Watkins und reagierte(n) sofort (ohne das es Watkins bemerkte) oder einer der drei MET Beamten vor Ort fand die Leiche noch vor Watkins. Auch Blenkinskop´s 1.30 Uhr könnte darauf hinweisen, dass Beamte bereits früher am Tatort waren, wobei ich da noch 2-3 Minuten drauflegen würde. Zeitangaben waren/ sind so eine Sache. Swanson schien mit dem Gedanken zu spielen, dass Eddowes bereits tot war als die drei Zeugen ein wohlmöglich anderes Paar beobachteten. Das könnte tatsächlich auf die Angaben von White und Co. beruht haben.

Bei der Arbeit an der “Kosminski letter“ tut sich nun etwas auf, was ein Motiv für Aaron Kozminski´s Schwester Matilda gewesen sein könnte (und auch für Aaron), sich Hilfe bezüglich ihres Bruders zu holen (siehe Crawford Letter, Halifax letter, evtl. Presseberichte). Es wäre noch viel zu früh darüber zu berichten aber es ist etwas, was ich seit längerem erwartet habe, oder der besser gesagt gehofft habe…     

Neben dem Thema Jacob Levy zu dem zweifelsohne die Zeugenkonstellation eine Rolle spielt, habe ich meine Post noch in eine etwas andere Richtung gebracht, um aufzuzeigen, wie viel möglich ist, mehrere Verdächtige ernsthaft mit einem Verbrechen in Verbindung zu bringen, sei es auch nur durch unglaubliche Zufälle. So wichtig und bemerkenswert die Sache mit Jacob Levy/ Hyam Levy auch ist, es gibt keinerlei Beweise, dass Hyam Levy und Co. in der Tat Eddowes mit ihrem Killer sahen, dass Jacob von Joseph Hyam in der Situation erkannt wurde. Das behauptet ja auch niemand. Ohne Zweifel jedoch wird Jacob von der Polizei unter die Lupe genommen worden sein. Das Ergebnis kennen wir nicht. Selbstverständlich gibt es eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass die drei Zeugen das Opfer Eddowes mit ihrem Mörder sahen aber vielleicht war sich die Polizei nie wirklich sicher genau wie es auch Lawende nicht sein konnte. Immerhin war Lawende auch die folgenden Jahre für die Polizei von Wichtigkeit. Glauben wir dem PC vom Mitre Square, könnte er sogar noch einen “besseren“ Blick gehabt haben als ihn Lawende hatte und selbst der reichte nur für Größe und Körperbau. Im wahrsten Sinne lag und liegt da wohl einiges im Dunklen.

Um mein Anliegen vielleicht noch besser zu formulieren, ohne Jacob Levy zu schmälern, an dessen Theorie ich sehr stark selber interessiert bin:

Wie viel von dem was wir (faktisch) wissen oder spekulieren, können wir wirklich als bare Münze nehmen?   

Ich kann das selbst nur schwerlich beantworten,

Lestrade.


Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 13.07.2019 09:05 Uhr
Hi Lestrade!

Zitat
Wie viel von dem was wir (faktisch) wissen oder spekulieren, können wir wirklich als bare Münze nehmen?


Da stimme ich dir zu. Allerdings: Das war in der Ripperologie angesichts der mangelhaften Beweislage in weiten Teilen schon immer so - und dennoch spinnen Du und ich und viele andere weiter ihre Thesen. Was ja auch in Ordnung ist, solange man sich immer bewusst bleibt, dass es angesichts der uns bekannten Beweislage nur Thesen sind. Zwar mal mehr (Beispiel "Kosminski") und mal weniger plausible Thesen (Beispiel "Königliche Verschwörung"), aber dennoch nur Thesen.


MfG, Ijon Tichy
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 14.07.2019 17:42 Uhr
Hi Lestrade!

Zitat
Aber vielleicht ist das alles bedeutungslos was ich hier anmerke. Wir alle kennen die Geschichte vom MET Sergeant Stephen White, der behauptete, er war jener Polizist der den Ripper sah.

Gehe ich recht in der Annahme, dass dieser MET Sergeant Stephen White vermutlich jener Polizist war, der angeblich JTR vom Eddowes-Tatort flüchten sah, und von dem Cox sagte:  “when one of our smartest colleagues was passing the top of the dimly lit street”?

Denn White wurde offenbar tatsächlich von seinen Kollegen als  "one of our smartest colleagues" bezeichnet:

EAST LONDON ADVERTISER
27 September 1919
DEATH OF FAMOUS EAST-END DETECTIVE.
OFFICER WHO JUST MISSED CATCHING THE MYSTERIOUS “JACK THE RIPPER.”

One of the smartest detectives the Metropolitan Police Force ever knew has passed away in ex-Detective-Inspector White who retired from the C.I.D. in 1900 after completing 27 years' service. After a few years he was promoted to a sergeant and was transferred from Kennington to Leman Street, Whitechapel.
There he made several important captures, among them being the arrest of the dynamitards, Cunningham and Burton, at the Tower of London at the time of the explosion there, for which service he was rewarded and commended by the Home Office.
In 1879 he discovered a Fenian arsenal in the New Cut, Lambeth, and captured the proprietor, who was sentenced to a long term of penal servitude.
His experience of murders, was perhaps unique. He was engaged on the whole of the Jack the Ripper crimes which caused such a grim sensation among East Enders. One night he was on what appeared to be a certain clue to the mysterious murderer of women in the Whitechapel region. He kept watch in an East End street, but the murderer's movements were not in accordance with anticipation. For about ten minutes only he left the street, and to his amazement he found on his return that a woman had been stabbed. He saw no man anywhere, and the mystery became even more baffling. As is well known, Jack the Ripper was never discovered.
Mr. White was also associated with the notorious case of Harry Alt, who murdered a German baker in Turner Street; Sullivan the St. George in the East murderer; Cronin the Limehouse assassin; Roman, who committed murder in Angel Court, Whitechapel; Seaman, who killed an aged Jew and his housekeeper in Turner Street; Karacrewski, the pole, who shot a man and woman dead in Brick Lane; and Kate Marshall, who killed her sister in Dorset Street, in the very house where the last Ripper murder was committed.
It is interesting to note that a son of his is a detective at the G. P. O. The funeral took place on Tuesday.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 14.07.2019 17:49 Uhr
Hi nochmal!

Offenbar war White wohl tatsächlich derjenige, der JTR gesehen haben soll - allerdings kann es sich nicht um den Mitre Square gehandelt haben, denn da ist von einer Sackgasse die Rede, die nur durch einen Zugang betreten werden konnte, den eigentlich zwei Kollegen überwachen sollten:


The Peoples Journal , Saturday 27 September 1919:

FACED “JACK THE RIPPER”

Famous Detective Tried by Court of Anarchists
BY A SCOTLAND YARD MAN.

“STEVE” White as we knew our deceased colleague, Mr Stephen White, believed to be the only man engaged in the hunt who met “Jack the Ripper,” was a detective of the old school who worked without the finger-print system and other devices favoured at the “Yard” to-day. For all that he had many years of good work to his credit, and when he retired he had the reputation of having run more dangerous criminals to earth than any other man employed as a police officer in London. The East End is easily the most dangerous place in the London area for the police officer, and White had more than his share of the danger. Anarchists were unusually active in London in the “eighties” and it was the duty of White to visit their dens and to be able to lay hands on some of the most desperate men in Europe. The Fenians and their successors, the Dynamitards, also flourished in his time, and they also found refuge in the East End, where their plots were hatched by night and day. In addition, there were the ordinary criminal classes to be watched, and on top of that the activities of the miscreant known as “Jack the Ripper” engaged the attention of the East End police during the decade under review.
White was one of the officers who had to spend weary nights in different disguises loitering about the narrow courts and evil smelling alleys of the Whitechapel area on the offchance of detecting the murderer at his practice of decoying women to death and horrible mutilation.
The Alley’s Grim Secret.
One of White's reports on his nightly vigils contains the following passages:
“For five nights we had been watching a certain alley just behind the Whitechapel Road. It could only be entered from where we had two men posted in hiding, and persons entering the alley were under observation by the two men. It was a bitter cold night when I arrived at the scene to take the report of the two men in hiding. I was turning away when I saw a man coming out of the alley. He was walking quickly but noiselessly, apparently wearing rubber shoes, which were rather rare in those days. I stood aside to let the man pass, and as he came under the wall lamp I got a good look at him.
“He was about five feet ten inches in height, and was dressed rather shabbily, though it was obvious that the material of his clothes was good. Evidently a man who had seen better days. I thought, but men who had seen better days are common enough down East, and that of itself was not sufficient to justify me in stopping him. His face was long and thin, nostrils rather delicate, and his hair was jet black. His complexion was inclined to be sallow, and altogether the man was foreign. The most striking thing about him, however, was the extraordinary brilliance of his eyes. They looked like two luminous glow worms coming through the darkness. The man was slightly bent at the shoulders, though he was obviously quite young - about 33, at the most - and gave one the idea of having been a student or professional man. His hands were snow white, and fingers long and tapering.
Man With Musical Voice.
“As the man passed me at the lamp I had an uneasy feeling that there was something more than usually sinister about him, and I was strongly moved to find some pretext for detaining him; but the more I thought it over, the more was I forced to the conclusion that it was not in keeping with British police methods that I should do so. My only excuse for interfering with the passage of this man would have been his association with the man we were looking for, and I had no real grounds for connecting him with the murder. It is true I had a sort of intuition that the man was not quite right. Still, if one acted on intuition in the police force, there would be more frequent outcries about interference with the liberty of subject, and at that time the police were criticised enough to make it undesirable to take risks.
“The man stumbled a few feet away from me, and I made that an excuse for engaging him in conversation. He turned sharply at the sound of my voice, and scowled at me in a surly fashion, but he said ‘Good-night’ and agreed with me that it was cold.
“His voice was a surprise to me. It was soft and musical, with just a tinge of melancholy in it, and it was a voice of a man of culture - a voice altogether out of keeping with the squalid surroundings of the East End.
“As he turned away, one of the police officers came out of the house he had been in, and walked a few paces into the darkness of the alley. ‘Hello! what is this?’ he cried, and then he called in startled tones to me to come along.
“In the East End we are used to shocking sights, but the sight I saw made the blood in my veins turn to ice. At the end of the cul-de-sac, huddled against the wall, there was the body of a woman, and a pool of blood was streaming along the gutter from her body. It was clearly another of those terrible murders I remembered the man I had seen, and I started after him as fast as I could run, but he was lost to sight in the dark labyrinth of East End mean streets.”
White's description of the suspected murderer was widely circulated and used by the police at the time, but the man was never seen. It was White’s description that gave the late Sir Robert Anderson his conviction that the murderer was a Jewish medical student, who had taken this method of avenging himself on women of the class to which his victims belonged.
The mystery, however, that baffled the police more than anything was how the murderer and the victim managed to get into the alley under the eyes of the watching police. It was clear that the couple had not been in any of the houses, and they were not known to any of the residents. Therefore they must have passed into the alley from the Whitechapel Road, and the two police officers were positive that in the four hours of their vigil not a soul had entered the alley. White had his own suspicions regarding the truth of this declaration, and his suspicions were shared by Sir Robert Anderson, who afterwards in comparing notes with White, expressed the opinion that the murderer and his victim had entered the close during the temporary absence of the two watching policeman. The men afterwards admitted that they had gone away for not more than a minute. It was a very short absence undoubtedly, but it was long enough to give the murderer time to walk into the alley with his victim.
(...)


MfG, Arthur Dent


Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 14.07.2019 18:26 Uhr
P.S. Wer ist eigentlich dieser PC Langham?

Zitat
Es erinnert ein wenig an das, was PC Langham von der City Police berichtete


Ich kann mich nicht erinnern, schon mal etwas über einen PC dieses Namens gelesen zu haben -  und habe bisher auf meiner Suche auch nur den Coroner of the City of London Samuel F. Langham gefunden.

MfG, Arthur Dent

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 14.07.2019 18:43 Uhr
Hallo Arthur,

Aktuell wenig Zeit, antworte alsbald ausführlicher. Ja, White´s Bericht ist ja hinlänglich bekannt, wurde aber nie so hoch bewertet. Sicherlich ist daran einiges an Wahrheit, Presseberichte muss man ja eh immer mit ein wenig Vorsicht genießen. Inwieweit das natürlich mit dem PC near Mitre Square zu tun hatte… wer weiß…

Mit dem “smartest colleagues“ fällt natürlich auf. PC Langham (findest Du im AK Faden):

“Halfway up the court he stood sideways to allow a man to pass him”

White: “I stood aside to let him pass, and as he came under the wall lamp I got a good look at him”

Das Fife’s Peoples Journal merkte am 27. September 1919 dazu folgendes an:

"It was White´s description that gave the late Sir Robert Anderson his conviction that the murderer was a Jewish medical student, who had taken this method of avanging himself on women of the class to which his victims belonged"

Sims über Kosminski:

“He had at one time been employed in a hospital in Poland.”

Den Medizinstudenten findet man auch in der Halifax letter.

Dann schau auch mal hier:

Walthamstow and Leyton Guardian (UK)
Saturday, 10 August 1889
THE WHITECHAPEL MURDER.
The police have just had a severe disappointment, says a London correspondent, in connection with their search for the Whitechapel murderer. They received information of a man exactly answering the description of the person they are looking for. He was a lunatic, and learnt the butchering trade in his father's shop, had become a medical student on his father's death, had absented himself from home frequently at nights without giving any explanation of where he had been, and had written an extraordinary series of letters to the rector of his parish, which parish was in direct communication by a straight line of tram-rails with the very circle within which all the diabolical crimes have been perpetrated. Those letters indicated clearly that the writer was a lewd-minded lunatic, such as the murderer must be, and there occurred in them such ominous and coincidental expressions as threats to "rip up" both his mother and the rector. In fact, every conceivable circumstance about him exactly fitted in with a rational theory of the crimes with him as the chief actor in them, until one discovery upset the entire superstructure. He was at liberty during the whole of the murders except the last of all, when he was safe under lock and key in a private asylum. Until that false link in the chain was found the police certainly regarded the clues as the best they have had all along. Of course, there yet remains the contingency that this latest murder was the work of a fresh assassin, and Dr. Phillips inclines to that opinion from the nature of the mutilations.


Im Prinzip passt das zu Aaron Kozminski. Mutter´s Seite waren Butcher, er könnte das gelernt haben, um später (sein Vater starb aber als Aaron noch recht klein war) sich der “Medizin zu widmen“. Also gut möglich, dass dieser “Medizinstudent“ auch in der Butchers Row (Sagar) sein Wissen erweitern wollte. Natürlich wie immer nur Spekulation…

Die Kosminski letter würde aussagen, dass Kosminski nach März 1889, vielleicht Juni/Juli, wieder auf freiem Fuss war, um aber zum Zeitpunkt des Mackenzie Mordes wieder in einer Anstalt zu sein (z.B. Cox´s “private asylum“ etc.). Nach dem Mord gibt es Presseberichte, der Täter sei ein Butcher ganz aus der Nähe gewesen. Die Scherensache im Brief könnte darauf hinweisen, dass er, während wieder auf freiem Fuss war, Frauen irgendwie damit belästigte. Die Donner Version des Memorandums sprach über einen Mann, der Frauen in den Po piekste, was wir immer auf Cutbush/Collicott beziehen. Gut möglich, dass Kosminski dies war. Aber das alles nur mal auf die Schnelle, mehr geht bei mir gerade nicht.

"As I remember them, they gave three suspects: a Polish tanner or cobbler; a man who went round stabbing young girls in the bottom with nail scissors; a M.J. Druitt, a doctor of 41 years of age."

White musste sich ja um Packer kümmern, der von einem Mann sprach, der um die Ecke in der nächsten Straße wohnte. Falls dieser Mann Kosminski war, könnte ihn White wiedererkannt haben können.

Sims:

“The policeman who got a glimpse of Jack in Mitre Court said, when some time afterwards he saw the Pole, that he was the height and build of the man he had seen on the night of the murder.”

Ich würde White schon hoch einschätzen aber wo kann man sich schon sicher sein…?

Wir hätten dann allerdings eine gute Beschreibung von Kosminski.

Obwohl White von 1,75m und pechschwarzen Haar sprach, könnte es sich auch um Cox´s Verdächtigen mit 1,65m und lockigen, kurzen schwarzen Haaren handeln.

Weitere der gefühlten tausend Quellen wirst Du selber kennen oder finden.

Alsbald mehr mein Lieber.

Achso, ich glaube, ich habe hier noch nie erwähnt, dass der Ripper- Forscher Sean Crandell vor zwei, drei Jahren berichtete, dass er, also seine Vorfahren, familiäre (beruflich) Verbindungen zum “Police Home“ Morley hatte, nahe Dover und auch zu Anderson. Dieser hatte ohnehin viele Freunde in Dover und Umgebung. Es wurde berichtet, dass Jack the Ripper im Morley Haus identifiziert wurde und ein “Shylock“ war, als eine jüdische Figur.

Gruß, Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 14.07.2019 19:36 Uhr
Hi Lestrade!


Vielen Dank für die schnelle Antwort.


Zitat

PC 133 Langham/ City Police -C Division (Bishopsgate).

Pearsons Weekly, Dezember 1912 nachdem er in den Ruhestand ging:

"Let me recall one of the murders, the Mitre Square murder. It was night and the policeman had passed through the square once, everything being then apparently all right. He walked on, coming to a court leading from a street out of Mitre Square. Halfway up the court he stood sideways to allow a man to pass him. The man came from the direction of the square. Presently- exactly seven minutes after he had been in the square previously-the policeman entered again, and started to walk round it. Suddenly he came upon a human form huddled up in the corner. It was a woman lying dead, killed by the hand of Jack the Ripper! Was the man he had stood sideways to allow to pass Jack? Probably."   


Klingt in der Tat ähnlich wie die Erzählung von White mit dem Passierenlassen. Das hinterlässt bei mir den unguten Verdacht, dass lange Zeit nach den Morden womöglich einzelne Polizisten im Ruhestand sich ein bisschen wichtig machen wollten und etwas Jägerlatein von sich gegeben haben, indem sie in der Polizei kursierende Geschichten von "Ich sah den Ripper" aufgegriffen und auf sich selbst gemünzt haben.
Zumindest spricht Langham konkret vom Mitre Square - bei White klingt es eher nach Alice McKenzie in der Castle Alley (wobei er allerdings tatsächlich als einer der smattesten bezeichnet wird).

Wobei ich mich Langham betreffend allerdings frage, wieviele Beamte da angeblich noch auf ein paar Quadratmetern um den Square rum unterwegs gewesen sein wollen: Da waren schon nachgewiesenermaßen Watkins, Harvey und Holland, sowie Halse, Outram und Mariott bei St. Botolphs... Und dazu dann jetzt angeblich auch noch Langham. Die müssen sich ja fast gegenseitig auf den Füßen gestanden haben in dieser Ecke um den Mitre Square, und trotzdem konnte JTR rein und wieder raus schlüpfen.


Zitat
Achso, ich glaube, ich habe hier noch nie erwähnt, dass der Ripper- Forscher Sean Crandell vor zwei, drei Jahren berichtete, dass er, also seine Vorfahren, familiäre (beruflich) Verbindungen zum “Police Home“ Morley hatte, nahe Dover und auch zu Anderson. Dieser hatte ohnehin viele Freunde in Dover und Umgebung. Es wurde berichtet, dass Jack the Ripper im Morley Haus identifiziert wurde und ein “Shylock“ war, also eine jüdische Figur.

Das ist in der Tat neu für mich. Ich hoffe, dass diese Info verifiziert werden kann, dann wäre das Seaside Home endlich identifiziert.



MfG, Arthur Dent

Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Lestrade am 14.07.2019 21:22 Uhr
Gerne Arthur!

Nun doch noch einmal kurz (Du schaffst es immer wieder :biggrin:):

Also Langham war wohl nicht vor Ort, er schildert ja auch nur den mutmaßlichen PC, so wie es Macnaghten und Sagar taten, Cox macht auch darauf aufmerkam, wahrscheinlich. Nach dem Mitre Square Mord berichtet Langham nur darüber, dass er eine Nacht im Bereich Mitre Square Dienst schob. Man kann das so sehen, dass White von sich gab, dass er Anderson auf den jüdischen Medizinstudenten aufmerksam machte. Seine Erfahrungen, wenn so richtig wiedergegeben, könnten für den PC am Mitre Square stehen. Müssen aber nicht...

Halse, Outram & Marriott trafen sich gegen 2 Uhr an der Ecke Houndsditch. Falls vorher nicht einer von ihnen durch den Mitre Square ging... Watkins und Harvey waren tatsächlich vor Ort. Natürlich waren dort noch andere PC, westlich, nördlich und südlich (Holland) des Square. Einer schlief im Square (Pearce). Dann die zwei Wachleute, Morris im Square, ein Ex Polizist sowie Blenkinskop am nördlichen Ausgang. Sollte White mit Kollegen am Square gearbeitet haben, war das sicherlich die Arbeit von Zivilpolizisten im Spezialauftrag (den es im Nachhinein sicherlich geheimzuhalten galt). Wenn ich richtig liege, wurde am Square in jener Nacht auch noch eine Bank ausgeräumt. Sollte neben den drei jüdischen Zeugen, noch ein anderes Pärchen aufgetaucht sein, war um den Tatort herum sicherlich einiges an Bewegung, ohne sich dabei auf die Füsse zu treten. Vielleicht eher normal. Die City Police hatte schon vor dem Mord an Eddowes aufgerüstet, sie wollten gewappnet sein, bisherige Morde fanden ja bereits vorher nicht weit entfernt statt. Vieles ist möglich, White hätte auch die City Kollegen Marriott und Outram treffen können, bevor diese dann Halse informierten, was sich gerade ereignet hatte. Die waren meines Wissens aber vorher in Bishopsgate auf Dienst. All die Informationen landeten am Ende auf den Schreibtischen der jeweils leitenden Ermittler. Diese werden am ehesten gewusst haben, wie die Abläufe waren. White, Sagar, Cox, Langham etc. werden vielleicht auch nicht immer vollends im Bilde gewesen sein, wobei Sagar an den Treffen mit den Kollegen der MET in der Leman Street stets anwesend war. Selbstverständlich sieht nach vielen Jahren die Erinnerung immer etwas anders aus, wir kennen das ja von uns selber. Sagar sprach ja auch davon, dass der Polizist, der die Leiche fand, seine Trillerpfeife benutzte. Fakt ist, die City Police hatte zu der Zeit gar keine. Morris, als Ex MET Mann nannte immer noch seine alte Pfeife sein eigen und benutzte sie. White´s "bitterkalte Nacht" spricht auch gegen den Mord an Mackenzie im July 1889, wobei damals jedoch Scheißwetter herrschte. 

Ob das nun Jägerlatein war, Arthur? Den PC near Mitre Square sollte es gegeben haben. Die einzelnen Berichte, nach so vielen Jahren, waren sicherlich nicht absolut korrekt, das glaube ich auch.

Fakt ist, er sah vermutlich einen Mann, der später als Kosminski ausgemacht werden konnte. Ein Verdächtiger, der in einer, am Ende, schiefgelaufenen ID tatsächlich identifiziert werden konnte. Möglicherweise hatte dieser Verdächtige nichts mit dem Mann gemein, den Lawende beobachten konnte. Aber was weiß man schon... Swanson Zeitangaben zum Todeszeitpunkt von Eddowes sind schon interessant und lassen natürlich einen "PC" wie White (& Kollegen) als möglichen Grund dafür erscheinen. Major Smith von der City Police über Lawende:

"was leaving the club-he was unable to fix the hour-when he noticed a man and woman standing close together"

Smith war jedoch überzeugt, dass dies das Opfer mit dem Mörder war. Das waren vielleicht Streitpunkte, wo es schwierig war, Einigkeit zu erzielen. Doch was weiß ich schon...

Ich persönlich glaube immer noch am ehesten, dass Lawende und Co. Eddowes mit ihrem Mörder sahen. Genau wie dieser Mann (BS Man oder Pipeman) auch in der Berner Street gesehen worden ist, durch Schwartz oder PC Smith. Ich habe Paul Begg mal bei einer Facebook- Veranstaltung gefragt, was er zum PC near Mitre Square denkt. Er glaubt, es handelte sich um PC Smith in der Berner Street. Dennoch lasse ich mir alle Optionen offen. Gut möglich, dass niemand (Long, Schwartz, Lawende und Co.) den mutmaßlichen Ripper gesehen hat. Die einzigen waren im Falle Kosminski sicherlich nur der PC am Mitre Square und der Seaside Home Zeuge. Es könnte noch jemand Beobachtungen gemacht haben, wie Packer, aber weit vor dem Auffinden einer Leiche. Wäre es so gewesen, dass Kosminski in der Berner Street (Packer) gesehen wurde, am Mitre Square (PC) und am Millers Court (Seaside Home Zeuge), dann hatte dieser Mann ein echtes Problem. Ihn dann als mutmaßlichen Ripper zu sehen, wäre keine Kunst. Ich möchte einfach nicht ausschließen, dass die Beobachtungen von Schwartz und Lawende, Levy und Harris, nichts mit den Mordtaten zu tun hatten, die später (Stride) oder früher (Eddowes) stattfanden als eben ihre Sichtungen mutmaßen lassen.

Lestrade.
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 15.07.2019 12:46 Uhr
Hi Lestrade!


Zitat
Also Langham war wohl nicht vor Ort, er schildert ja auch nur den mutmaßlichen PC, so wie es Macnaghten und Sagar taten, Cox macht auch darauf aufmerkam, wahrscheinlich. Nach dem Mitre Square Mord berichtet Langham nur darüber, dass er eine Nacht im Bereich Mitre Square Dienst schob. Man kann das so sehen, dass White von sich gab, dass er Anderson auf den jüdischen Medizinstudenten aufmerksam machte. Seine Erfahrungen, wenn so richtig wiedergegeben, könnten für den PC am Mitre Square stehen. Müssen aber nicht...

Also wie ich bereits befürchtet habe, letztendlich auch nur wieder Hörensagen. Kann man als weiteres Indiz dafür sehen, dass es einen "PC near Mitre Square" gab, der JTR gesehen hat - kann aber auch einfach nur ein Weitererzählen einer Polizei-Legende gewesen sein.


Zitat
White´s "bitterkalte Nacht" spricht auch gegen den Mord an Mackenzie im July 1889, wobei damals jedoch Scheißwetter herrschte.

Ja, das mit dem "arschkalt" ist seltsam, aber es ist eine Tatsache, dass der einzige Mord in einer Sackgasse derjenige von McKenzie in der Castle Alley war - es sei denn man würde den Miller`s Court als "Sackgasse" bezeichnen. Der Mitre Square ist mit seinen drei Zugängen jedenfalls keine, und die angrenzenden Straßen auch nicht. Das ist ja das Widersprüchliche an Whites Aussagen: Er sagt explizit, dass zwei Kollegen, die einen Observationsauftrag hatten, den einzigen Eingang zu jener Sackgasse beobachten sollten.
Das macht mich etwas skeptisch, was die Korrektheit von Whites Erzählung angeht. Jägerlatein eben. Kommt mir inzwischen fast so vor, als hätte Cox das sarkastisch gemeint, als er von "one of our smartest colleagues" sprach.


MfG, Arthur Dent
Titel: Re: Jacob Levy
Beitrag von: Arthur Dent 2 am 23.07.2019 10:22 Uhr
Hi Leute!


Vergleichen wir noch einmal im Detail die beiden Geschichten von Langham und White über jenen PC, der angeblich einem Verdächtigen in der Nähe eines Tatortes begegnete und ihn passieren ließ:


Langhams Darstellung:

Der Tatort Mitre Square wird von ihm explizit genannt.
Der PC, der angeblich dem Verdächtigen begegnete und passieren ließ, hatte laut Langham den Mitre Square bereits vor dem Mord inspiziert und fand auf seiner nächsten Runde dort die Leiche .
Der PC, der seine Runden durch den Square drehte und die Leiche von Eddowes fand, war wie wir wissen, Watkins – folglich dürfte jener „PC near Mitre Square“ Watkins gewesen sein.
Möglich wäre vielleicht auch noch PC Harvey, der kurz vor der Entdeckung der Leiche die Church Passage zum Square inspizierte, falls Langham da was mit den beiden Streifenpolizisten durcheinander gebracht haben sollte.

So weit, so gut: Langham erzählt hier also explizit von unserem „PC near Mitre Square“, von dem auch in anderen Quellen die Rede ist – und seine Aussage legt nahe, dass dieser PC wahrscheinlich Watkins gewesen ist.


Whites Darstellung:

Die Polizei überwachte, wie White explizit beschreibt, seit fünf Nächten „den einzigen Eingang in eine Alley“, eine „Sackgasse“, die sich „direkt hinter der Whitechapel Road“ befand, und White will den Verdächtigen getroffen haben, nachdem er die beiden Wachhabenden aufgesucht hatte.
Diese Beschreibung passt nicht zum Mitre Square: Der Square liegt zwischen der Mitre Street und der Duke Street – weder der Square mit seinen drei Eingängen noch die beiden Straßen sind Sackgassen, und sie befinden sich auch nicht direkt hinter der Whitechapel Road, sondern hinter der Aldgate High Street.
Die einzige Alley, die eine Sackgasse direkt hinter der Whitechapel Road ist, und in der ein möglicher Ripper-Mord passierte, ist die Castle Alley.
Zudem soll White zufolge die Leiche von einem der beiden Polizisten gefunden worden sein, die den einzigen Zugang zu der Alley observierten, als dieser sein Versteck verließ und routinemäßig die Sackgasse abging – und dieser soll dann sofort White alarmiert haben.
Das widerspricht ebenfalls dem Mord am Mitre Square, denn Eddowes wurde vom Streifenpolizisten Watkins auf seiner regulären Runde gefunden, er befand sich nicht bei einer Observierung - und White war unseres Wissens nach auch nicht unter den von Watkins alarmierten Kollegen.
Darüber hinaus gehörte White der Metro Police an, und daher wäre eine Runde, die ihn zum Mitre Square in das Einsatzgebiet der City Police führt, doch eher ungewöhnlich – die Castle Alley befindet sich jedoch auf dem Gebiet der Metro Police.

Wenn wir davon ausgehen, dass Whites Erzählung im Wesentlichen korrekt ist, dann müsste es sich demnach um den Mord an Alice McKenzie in der Castle Alley handeln, und White wurde von Constable Walter Andrews, der ihre Leiche fand, zum Tatort gerufen.

So weit – so gut. Kommen wir nun zu den Ungereimtheiten in Whites Geschichte:

Eine erste Seltsamkeit in Whites Darstellung ist, dass es eine „kalte“ Nacht gewesen sein soll, denn der McKenzie-Mord geschah mitten im Sommer am 17. Juli - allerdings war das Wetter in dieser Nacht tatsächlich nicht gut, sondern es hatte auch zeitweise geregnet. Man kann dies also als Petitesse abtun, wenn man davon ausgeht, dass White damit nur meinte, es sei für eine Julinacht kalt gewesen.

Wenn wir uns jedoch im Fall McKenzie die offiziellen Aussagen von PC Walter Andrews ansehen, dann ist von einer Alarmierung des Kollegen White dort nirgendwo die Rede. Vielmehr hat er ausgesagt, dass es Sergeant Badham war, der auf seine Alarmierung hin kam:

In seinem offiziellen Polizeibericht schreibt PC Andrews:
„I beg to report that at 10 minutes to 1 o'clock the 17th inst. I was passing through Castle Alley Whitechapel trying the doors when I saw a woman lying on the pavement with her throat cut but I saw no one in the street at the time. I touched the body with my hand and found that she was quite warm. I at once blew my whistle when I saw Isaac Lewis Jacob of No. 12 New Castle place Whitechapel going towards Wentworth Street with a plate in his hand he said that he was going to get something for his supper. I said you had better stop here with me as there have been a woman murdered. Just at that minute Sergeant Badham heard the whistle blow and came running up to my assistance. I told the Sergeant that there was a woman laying on the foot way in Castle Alley with her throat cut. I ran back and took charge of the body until the Doctor arrived and examined the woman and stated the woman was dead.“

Und in seiner offiziellen Aussage beim Inquest sagte PC Andrews:
„About ten minutes to 1 this morning I saw Sergeant Badlam at the corner of Old Castle-street, leading into Castle-alley. That was on the opposite corner of the public house. The sergeant said, "All right," and I said the same. I then proceeded up Castle-alley, and tried the doors on the west side of the alley. While doing so I noticed a woman lying on the pavement.“

Also kann da etwas an Whites Geschichte nicht stimmen: Sie passt überhaupt nicht zum Eddowes-Mord im Mitre Square, und stimmt auch nicht mit den Aussagen seines Kollegen Andrews zum McKenzie-Mord überein. Daher war sie vielleicht einfach nur „Jägerlatein“, um sich wichtig zu machen.

Allerdings gäbe es eine andere harmlosere Erklärung für die Erzählung von White: Laut seines Nachrufs im People's Journal vom 26. September 1919 war er noch in andere Mordermittlungen involviert:
„Mr. White was also associated with the notorious case of Harry Alt, who murdered a German baker in Turner Street; Sullivan the St. George in the East murderer; Cronin the Limehouse assassin; Roman, who committed murder in Angel Court, Whitechapel; Seaman, who killed an aged Jew and his housekeeper in Turner Street; Karacrewski, the pole, who shot a man and woman dead in Brick Lane; and Kate Marshall, who killed her sister in Dorset Street, in the very house where the last Ripper murder was committed.“
Es könnte also auch einfach sein, dass White nach all den Jahren in seinen Erinnerungen ein paar Fälle durcheinandergeworfen hat. Jedenfalls erscheint es mir aufgrund der o.g. Widersprüche zu bekannten Fakten nicht auf einen der JTR zugeschriebenen Morde zu passen.


Fazit des Vergleichs:

Langhams Geschichte entspricht den Aussagen aus anderen Quellen, dass es einen „PC near Mitre Square“ gegeben habe, der einen JTR-Verdächtigen passieren ließ und hinterher beschreiben konnte.
Da er jedoch offenbar nicht selbst involviert war, sondern es nur vom Hörensagen her kannte, wissen wir damit immer noch nicht, ob er lediglich eine Polizei-Legende weitererzählte, oder ob der „PC near Mitre Square“ polizeiintern tatsächlich bekannt war und sein Bericht zu den ermittlungsrelevanten Beweismitteln zählte.

Whites Geschichte ist hingegen schwerer einzuordnen, da es zuviele Widersprüche zu den uns bekannten Fakten gibt. White will selbst jener PC gewesen sein, der den JTR-Verdächtigen passieren ließ, ihn aber hinterher beschreiben konnte – was allerdings den Aussagen aus anderen Quellen widerspricht, es wäre ein „PC near Mitre Square“ gewesen, denn Whites Erzählung passt nicht zum Mitre Square. Vieles deutet darauf hin, dass er entweder etwas in seinen Erinnerungen durcheinander geworfen hat, oder er einfach nur Jägerlatein erzählte, um sich wichtig zu machen.


MfG, Arthur Dent